Ehescheidung mit Auslandsbezug in der Europäischen Union: Die Rom III-Verordnung als Kernstück eines einheitlichen europäischen Scheidungskollisionsrechts 9783161536045, 9783161536038

Mit der Rom III-Verordnung, durch die sich mehrere EU-Mitgliedsstaaten im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit auf einhei

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German Pages 348 [350] Year 2015

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Erstes Kapitel: Einleitung
§ 1 Hintergrund und Entwicklung der Rom III-Verordnung
I. Ausgangslage und Reformanlass
II. Ziele der Rom III-Verordnung
III. Entstehungsgeschichte
§ 2 Die Rom III-Verordnung im Kontext des europäischen Rechts
I. Die Verordnungen Brüssel I und Brüssel IIa
II. Die Verordnungen Rom I und Rom II
III. Unterhaltsverordnung und Haager Unterhaltsprotokoll
IV. Erbrechtsverordnung
V. Verordnungsvorschläge
1. Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht
2. Verordnungsvorschlag zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften
§ 3 Ziel und Aufbau der Arbeit
Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht: Die Rom III-Verordnung
Abschnitt A: Grundlagen der Rom III-Verordnung
§ 1 Unionskompetenz zum Erlass der Rom III-Verordnung
I. Ermächtigungsgrundlage: Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV
II. Subsidiarität
III. Verhältnismäßigkeit
§ 2 Verstärkte Zusammenarbeit
I. Voraussetzungen
1. Materielle Voraussetzungen
a) Keine ausschließliche Zuständigkeit der Union
b) Ausrichtung auf die Ziele der Union
c) Verstärkte Zusammenarbeit als letztes Mittel
d) Offenheit der Verstärkten Zusammenarbeit
2. Formelle Voraussetzungen
a) Mindestanzahl teilnehmender Mitgliedstaaten
b) Beschluss durch den Rat
3. Schranken
II. Verfahren
1. Begründung der Verstärkten Zusammenarbeit
2. Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit
3. Beitritt zur Verstärkten Zusammenarbeit
4. Weitere Verfahrensregelungen
III. Wirkungen und Rechtsfolgen
Abschnitt B: Der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung
§ 1 Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich
I. Räumlicher Anwendungsbereich
II. Universelle Anwendung
III. Persönlicher Anwendungsbereich
§ 2 Sachlicher Anwendungsbereich
I. Der Ehebegriff der Rom III-Verordnung
1. Autonome Auslegung des Ehebegriffs oder Vorfragenlösung?
a) Entscheidung gegen eine autonome Auslegung
b) Folge: Unterschiede in den Anwendungsbereichen der Rom III-Verordnung und der Brüssel IIa-Verordnung
2. Behandlung der Vorfrage
a) Einbeziehung in die Hauptfrage?
b) Selbständige oder unselbständige Anknüpfung der Vorfrage?
aa) Lösung im nationalen Kollisionsrecht
bb) Besonderheiten im europäischen Kollisionsrecht?
c) Entscheidungskompetenz des EuGH
d) Zusammenfassung und Ergebnis
3. Folgen der selbständigen Anknüpfung für den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung
a) Anknüpfungskriterien im Allgemeinen
aa) Bestimmung der sachlichen Eheschließungsvoraussetzungen nach dem Personalstatut
bb) Form der Eheschließung
cc) Folgen eines Eheschließungsmangels
b) Spezielle Erscheinungsformen der Ehe
aa) Polygame Ehen
(a) Qualifikation als Ehe?
(b) Kollisionsrechtliche Anerkennung der polygamen Ehe?
bb) Gleichgeschlechtliche Ehen
(a) Exkurs: Materielle Rechtslage in Deutschland
(b) Kollisionsrechtliche Behandlung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Deutschland
cc) Minderjährigenehen
dd) Ehen zwischen Verwandten
ee) Zwangsehen
c) Alternativen zur Ehe
aa) Registrierte Partnerschaften
bb) Faktische, nichteheliche Lebensgemeinschaften
d) Hinkende Ehen
e) Resümee
4. Zusammenfassung
II. Das Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung
1. Ehescheidung
a) Begriff der Ehescheidung
b) Reichweite des Scheidungsstatuts
aa) Scheidungsvoraussetzungen und Scheidungsgründe
bb) Scheidungsfolgen
cc) Form der Ehescheidung
2. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes
3. Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung
4. Weitere Verfahren
a) Privatscheidungen
b) Ungültigerklärung einer Ehe
c) Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe
d) Anträge auf Herstellung des ehelichen Lebens
III. Auslandsbezug
1. Sachliche Dimension des Auslandsbezuges
2. Räumliches Ausmaß des Auslandsbezuges
3. Zeitliche Aspekte des Auslandsbezuges
a) Wegfall eines ursprünglich vorhandenen Auslandsbezuges
b) Möglichkeit der Rechtswahl bei (noch) nicht vorhandenem Auslandsbezug?
§ 3 Zeitlicher Anwendungsbereich
I. Inkrafttreten
II. Geltungsbeginn
III. Übergangsbestimmungen
§ 4 Verhältnis zu anderen Rechtsquellen
I. Völkerrechtliche Übereinkommen
1. Vorrang bestehender internationaler Übereinkommen
a) Erfasste Übereinkommen
b) Maßgeblicher Zeitpunkt
c) Beispiele
2. Übereinkommen ohne Drittstaatenbeteiligung
3. Künftige Übereinkommen
a) Abschluss konkurrierender Übereinkommen
aa) Vertragsschlusskompetenz der Union
bb) Vertragsschlussverbot für teilnehmende Mitgliedstaaten?
b) Änderung bestehender Übereinkommen
aa) Inhaltliche Änderung bestehender Übereinkommen
bb) Räumliche Änderung bestehender Übereinkommen
c) Kündigung bestehender Übereinkommen
II. Unionsrecht
III. Nationales Recht
Abschnitt C: Bestimmung des anwendbaren Rechts
§ 1 Grundlagen
I. Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung
1. Ausschluss des renvoi im europäischen Kollisionsrecht
2. Die Sachnormverweisung im Rahmen der Rom III-Verordnung
a) Objektive Anknüpfung
b) Rechtswahl
II. Gewöhnlicher Aufenthalt
1. Begriffsbestimmung
a) Grundsatz der autonomen Auslegung
b) Unionsrechtlich-einheitlicher Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts?
c) Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts
aa) Anwesenheit
bb) Dauer
cc) Soziale Integration
2. Doppelter gewöhnlicher Aufenthalt
a) Möglichkeit eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts
b) Auswirkungen eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts
III. Staatsangehörigkeit
1. Mehrfache Staatsangehörigkeit
a) Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB auf die Rom III-Verordnung
b) Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB für die Auslegung der Rom III-Verordnung
c) Folgen für die Auslegung der Rom III-Verordnung
aa) Rechtswahl
bb) Objektive Anknüpfung
2. Staatenlosigkeit
§ 2 Rechtswahl
I. Hintergrund und Bedeutung der Parteiautonomie im Rahmen der Rom III-Verordnung
1. Gründe für die Ausweitung der Parteiautonomie im internationalen Familienrecht
2. Vor- und Nachteile der Rechtswahl
II. Die für die Rechtswahl relevanten Bestimmungen der Rom III-Verordnung
1. Begrenzte Zulässigkeit der Rechtswahl – wählbare Rechtsordnungen (Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO)
a) Aktueller oder letzter gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten und Staatsangehörigkeit eines Ehegatten
b) Recht des Staates des angerufenen Gerichts – vorsorgliche Wahl der lex fori?
2. Zeitrahmen für die Vornahme der Rechtswahl (Art. 5 Abs. 2 und 3 Rom III-VO)
3. Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung (Art. 6 Rom III-VO)
a) Reichweite des Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO
b) Regelung des Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO
4. Form der Rechtswahl (Art. 7 Rom III-VO)
a) Vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarung
b) Nachträgliche Rechtswahlvereinbarung
c) Konkludente Rechtswahl?
III. Einzelfragen im Bereich der Rechtswahl
1. Wahl einer Rechtsordnung, die eine Privatscheidung vorsieht?
2. Auswirkungen der Rechtswahl auf die Anknüpfung von Vorfragen .
3. Verfahrensrechtliche Aspekte der Rechtswahl
§ 3 Objektive Anknüpfung
I. Das mangels Rechtswahl auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht
1. Die Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO
a) Aktueller gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten (Art. 8 lit. a) Rom III-VO)
b) Letzter gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten (Art. 8 lit. b) Rom III-VO)
c) Gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten (Art. 8 lit. c) Rom III-VO)
d) Recht des Staates des angerufenen Gerichts (Art. 8 lit. d) Rom III-VO)
2. Vergleich zur früheren Regelung des deutschen Kollisionsrechts
a) Änderung der Anknüpfungsreihenfolge
b) Maßgeblicher Zeitpunkt
II. Bewertung und Stellungnahme
1. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt
2. Auswirkungen der Jahresfrist des Art. 8 lit. b) Rom III-VO
3. Folgen und Auswirkungen der Anknüpfung an die lex fori
III. Änderungsvorschläge und Empfehlungen
1. Beibehaltung der vorrangigen Anknüpfung an den aktuellen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt
2. Verzicht auf die Anknüpfung an einen früheren gemeinsamen Aufenthalt
3. Verzicht auf die Anknüpfung an die lex fori zugunsten der engsten Verbindung
4. Notanknüpfung an den Eheschließungsort
5. Regelungsentwurf und Zusammenfassung
§ 4 Einzelfragen
I. Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung
1. Grundsatz der Kontinuität des anwendbaren Rechts
2. Ausnahmen vom Kontinuitätsprinzip
II. Nichtanwendung des berufenen ausländischen Rechts: ordre public
1. Spezielle ordre-public-Klausel des Art. 10 Rom III-VO
a) Scheidungsfeindlichkeit des berufenen Rechts
b) Diskriminierung aus Gründen der Geschlechtszugehörigkeit
c) Bewertung
2. Allgemeiner ordre-public-Vorbehalt (Art. 12 Rom III-VO)
a) Prüfungsmaßstab: ordre public des Forumstaates
b) Gegenstand der ordre-public-Kontrolle
c) Verstoß gegen die öffentliche Ordnung
d) Inlandsbezug
e) Rechtsfolgen eines ordre-public-Verstoßes
3. Die Regelung des Art. 13 Rom III-VO
a) Scheidungsfeindlichkeit der lex fori
b) Keine Verpflichtung durch die Rom III-Verordnung zur Scheidung „als nicht gültig angesehener“ Ehen
c) Verweigerungsrecht durch die Rom III-Verordnung?
d) Möglichkeit zur Scheidung „als nicht gültig angesehener“ Ehen .
4. Zusammenfassung
III. Mehrrechtsstaaten
1. Territoriale Rechtsspaltung (Art. 14 Rom III-VO)
a) Inhalt der Regelung
b) Bewertung
2. Personelle Rechtsspaltung (Art. 15 Rom III-VO)
3. Innerstaatliche Kollisionen (Art. 16 Rom III-VO)
IV. Privatscheidungen
1. Vollzug einer Privatscheidung im Inland
2. Wirksamkeit im Ausland vollzogener Privatscheidungen
3. Anpassung der Rom III-Verordnung an die Besonderheiten der Privatscheidung
a) Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO
b) Objektive Anknüpfung gemäß Art. 8 Rom III-VO
c) Folgen der Anpassung
4. Zusammenfassung
§ 5 Resümee: Die wichtigsten Prinzipien des neuen Unionskollisionsrechts
I. Zulassung der Rechtswahl
II. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten
III. Prinzip der Sachnormverweisung
IV. Anwendung ausländischen Sachrechts
Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht: Die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten
§ 1 Die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten
I. Motive der Nichtteilnahme
1. Verfahrensrechtliche Gründe
2. Materiell-rechtliche Erwägungen
a) Scheidungsrecht
b) Eheverständnis
3. Kollisionsrechtliche Motive
4. Sonstige Motive
II. Folgen der Nichtteilnahme
§ 2 Unüberbrückbare Differenzen? – Verbliebene nationale Kollisionsrechte im Vergleich zur Rom III-Verordnung
I. Möglichkeit der Rechtswahl
1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten
2. Aussichten
II. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten
1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten
2. Aussichten
III. Prinzip der Sachnormverweisung
1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten
2. Aussichten
IV. Anwendung ausländischen Sachrechts
1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten
2. Aussichten
V. Zusammenfassung
Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick
§ 1 Zusammenfassung und Bewertung
I. Prinzipien der Rom III-Verordnung
1. Rechtswahl
2. Aufenthaltsprinzip
3. Prinzip der Sachnormverweisung
4. Anwendung ausländischen Sachrechts
II. Rechtspolitische Ziele
1. Verhinderung von forum shopping
a) Vereinheitlichung von Kollisionsnormen
b) Anknüpfung an die lex fori
c) Verstärkte Zusammenarbeit
2. Schaffung eines klaren, umfassenden Rechtsrahmens
3. Rechtssicherheit, Berechenbarkeit, Flexibilität, Stärkung der Parteiautonomie
III. Fazit
§ 2 Ausblick
I. Internationales Familienrecht
1. Verstärkte Zusammenarbeit
2. Verordnungsvorschläge zum Güterrecht
3. Weitere familienrechtliche Statute
a) Art. 14 EGBGB: Allgemeine Wirkungen der Ehe
b) Eheschließung und eingetragene Lebenspartnerschaft
c) Nationale Reformen und europäische Ziele
II. Europäisches Kollisionsrecht
1. Erbrechtsverordnung
2. Weitere Initiativen des europäischen Gesetzgebers
3. Diskurs über eine Rom 0-Verordnung
4. Gesamtkodifikation
III. Parallele und konkurrierende Entwicklungen
IV. Schluss
Literaturverzeichnis
Sachregister
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 9783161536045, 9783161536038

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 324 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Claudia Raupach

Ehescheidung mit Auslandsbezug in der Europäischen Union Die Rom III-Verordnung als Kernstück eines einheitlichen europäischen Scheidungskollisionsrechts

Mohr Siebeck

Claudia Raupach, geboren 1982; Studium der Rechtswissenschaften an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg i.  Br. und der Australian National University in Canberra, Australien; LL.M.-Studium an der Victoria University of Wellington, Neuseeland; Rechtsreferendariat in Lübeck; wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main; 2014 Promotion in Marburg; derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Marburg.

e-ISBN 978-3-16-153604-5 ISBN 978-3-16-153603-8 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Art. 3 Abs. 1 GG

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden für die Veröffentlichung weitestgehend bis September 2014 nachgetragen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Tobias Helms, für die stets zuverlässige Betreuung und seine Unterstützung durch hilfreiche Anregungen und wertvolle Kritik im gesamten Verlauf der Entstehung der Arbeit und nicht zuletzt für die äußerst zügige Erstellung des Gutachtens. Herrn Prof. Dr. Florian Möslein, LL.M. (London) danke ich für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Darüber hinaus danke ich Herrn Prof. Dr. Joachim Zekoll, LL.M. (Berkeley) für die guten Arbeitsbedingungen, die ich während meiner dreijährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl vorgefunden habe und die wesentlich dazu beigetragen haben, dass diese Dissertation gelingen konnte. Ferner danke ich den Herausgebern sowie dem Verlag Mohr Siebeck für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“. Frankfurt am Main, im Oktober 2014

Claudia Raupach

Inhaltsübersicht Vorwort ................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis .................................................................................. XI Abkürzungsverzeichnis ....................................................................... XX Erstes Kapitel: Einleitung ...................................................................... 1 § 1 Hintergrund und Entwicklung der Rom III-Verordnung .............................. 1 § 2 Die Rom III-Verordnung im Kontext des europäischen Rechts.................... 6 § 3 Ziel und Aufbau der Arbeit ......................................................................... 12

Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht: Die Rom III-Verordnung...............14 Abschnitt A: Grundlagen der Rom III-Verordnung .......................14 § 1 Unionskompetenz zum Erlass der Rom III-Verordnung ............................. 14 § 2 Verstärkte Zusammenarbeit ....................................................................... 19

Abschnitt B: Der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung .......................................................................28 § 1 Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich .............................................. 28 § 2 Sachlicher Anwendungsbereich ................................................................. 30 § 3 Zeitlicher Anwendungsbereich ................................................................. 102 § 4 Verhältnis zu anderen Rechtsquellen ....................................................... 104

X

Inhaltsübersicht

Abschnitt C: Bestimmung des anwendbaren Rechts .................... 118 § 1 Grundlagen .............................................................................................. 119 § 2 Rechtswahl ............................................................................................... 158 § 3 Objektive Anknüpfung .............................................................................. 186 § 4 Einzelfragen ............................................................................................. 206 § 5 Resümee: Die wichtigsten Prinzipien des neuen Unionskollisionsrechts . 253

Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht: Die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten......................................... 255 § 1 Die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten ............................. 256 § 2 Unüberbrückbare Differenzen? – Verbliebene nationale Kollisionsrechte im Vergleich zur Rom III-Verordnung ........................... 262

Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick ...................................... 274 § 1 Zusammenfassung und Bewertung ........................................................... 274 § 2 Ausblick .................................................................................................... 289

Literaturverzeichnis.............................................................................. 309 Sachregister ............................................................................................ 323

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ...................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ....................................................................... XX Erstes Kapitel: Einleitung ...................................................................... 1 § 1 Hintergrund und Entwicklung der Rom III-Verordnung .............................. 1 I. Ausgangslage und Reformanlass ............................................................. 2 II. Ziele der Rom III-Verordnung ................................................................ 3 III. Entstehungsgeschichte ............................................................................ 4 § 2 Die Rom III-Verordnung im Kontext des europäischen Rechts.................... 6 I. II. III. IV. V.

Die Verordnungen Brüssel I und Brüssel IIa ........................................... 6 Die Verordnungen Rom I und Rom II ..................................................... 8 Unterhaltsverordnung und Haager Unterhaltsprotokoll ........................... 9 Erbrechtsverordnung ..............................................................................10 Verordnungsvorschläge ..........................................................................11 1. Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht .........................................11 2. Verordnungsvorschlag zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften ..................................................................................12

§ 3 Ziel und Aufbau der Arbeit ......................................................................... 12

Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht: Die Rom III-Verordnung ......................................................................14 Abschnitt A: Grundlagen der Rom III-Verordnung .......................14 § 1 Unionskompetenz zum Erlass der Rom III-Verordnung ............................. 14 I. Ermächtigungsgrundlage: Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV ...........................15 II. Subsidiarität ...........................................................................................16 III. Verhältnismäßigkeit ...............................................................................17

XII

Inhaltsverzeichnis

§ 2 Verstärkte Zusammenarbeit ....................................................................... 19 I.

Voraussetzungen ....................................................................................20 1. Materielle Voraussetzungen ...............................................................20 a) Keine ausschließliche Zuständigkeit der Union .............................20 b) Ausrichtung auf die Ziele der Union ..............................................21 c) Verstärkte Zusammenarbeit als letztes Mittel ................................21 d) Offenheit der Verstärkten Zusammenarbeit ...................................22 2. Formelle Voraussetzungen .................................................................23 a) Mindestanzahl teilnehmender Mitgliedstaaten ...............................23 b) Beschluss durch den Rat ................................................................23 3. Schranken ..........................................................................................24 II. Verfahren ...............................................................................................25 1. Begründung der Verstärkten Zusammenarbeit ...................................25 2. Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit.................................25 3. Beitritt zur Verstärkten Zusammenarbeit ...........................................26 4. Weitere Verfahrensregelungen ...........................................................26 III. Wirkungen und Rechtsfolgen .................................................................27

Abschnitt B: Der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung ..............................................................................28 § 1 Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich .............................................. 28 I. Räumlicher Anwendungsbereich ............................................................28 II. Universelle Anwendung .........................................................................29 III. Persönlicher Anwendungsbereich ..........................................................30 § 2 Sachlicher Anwendungsbereich ................................................................. 30 I.

Der Ehebegriff der Rom III-Verordnung ................................................31 1. Autonome Auslegung des Ehebegriffs oder Vorfragenlösung? ..........32 a) Entscheidung gegen eine autonome Auslegung..............................35 b) Folge: Unterschiede in den Anwendungsbereichen der Rom IIIVerordnung und der Brüssel IIa-Verordnung .................................36 2. Behandlung der Vorfrage ...................................................................38 a) Einbeziehung in die Hauptfrage? ...................................................38 b) Selbständige oder unselbständige Anknüpfung der Vorfrage? .......39 aa) Lösung im nationalen Kollisionsrecht ......................................40 bb) Besonderheiten im europäischen Kollisionsrecht? ...................43 c) Entscheidungskompetenz des EuGH ..............................................48 d) Zusammenfassung und Ergebnis....................................................50

Inhaltsverzeichnis

XIII

3. Folgen der selbständigen Anknüpfung für den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung ....................................................................51 a) Anknüpfungskriterien im Allgemeinen ..........................................51 aa) Bestimmung der sachlichen Eheschließungsvoraussetzungen nach dem Personalstatut ...........................................................51 bb) Form der Eheschließung ..........................................................52 cc) Folgen eines Eheschließungsmangels ......................................53 b) Spezielle Erscheinungsformen der Ehe ..........................................53 aa) Polygame Ehen ........................................................................54 (a) Qualifikation als Ehe? ........................................................55 (b) Kollisionsrechtliche Anerkennung der polygamen Ehe? ....57 bb) Gleichgeschlechtliche Ehen .....................................................58 (a) Exkurs: Materielle Rechtslage in Deutschland ...................59 (b) Kollisionsrechtliche Behandlung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Deutschland .......................62 cc) Minderjährigenehen .................................................................72 dd) Ehen zwischen Verwandten .....................................................73 ee) Zwangsehen .............................................................................74 c) Alternativen zur Ehe ......................................................................75 aa) Registrierte Partnerschaften .....................................................75 bb) Faktische, nichteheliche Lebensgemeinschaften ......................76 d) Hinkende Ehen ..............................................................................76 e) Resümee ........................................................................................78 4. Zusammenfassung .............................................................................79 II. Das Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung ......................................79 1. Ehescheidung .....................................................................................80 a) Begriff der Ehescheidung ..............................................................80 b) Reichweite des Scheidungsstatuts ..................................................81 aa) Scheidungsvoraussetzungen und Scheidungsgründe ................82 bb) Scheidungsfolgen ....................................................................83 cc) Form der Ehescheidung ...........................................................85 2. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ..........................................86 3. Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung ....................................................................................88 4. Weitere Verfahren..............................................................................89 a) Privatscheidungen ..........................................................................90 b) Ungültigerklärung einer Ehe ..........................................................94 c) Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe ..........................................................................................95 d) Anträge auf Herstellung des ehelichen Lebens ..............................96 III. Auslandsbezug .......................................................................................97 1. Sachliche Dimension des Auslandsbezuges .......................................97

XIV

Inhaltsverzeichnis

2. Räumliches Ausmaß des Auslandsbezuges ........................................98 3. Zeitliche Aspekte des Auslandsbezuges .............................................98 a) Wegfall eines ursprünglich vorhandenen Auslandsbezuges ...........99 b) Möglichkeit der Rechtswahl bei (noch) nicht vorhandenem Auslandsbezug? ........................................................................... 100 § 3 Zeitlicher Anwendungsbereich ................................................................. 102 I. Inkrafttreten ......................................................................................... 102 II. Geltungsbeginn .................................................................................... 103 III. Übergangsbestimmungen ..................................................................... 103 § 4 Verhältnis zu anderen Rechtsquellen ....................................................... 104 I. Völkerrechtliche Übereinkommen ........................................................... 105 1. Vorrang bestehender internationaler Übereinkommen ..................... 106 a) Erfasste Übereinkommen ............................................................. 106 b) Maßgeblicher Zeitpunkt .............................................................. 107 c) Beispiele ...................................................................................... 108 2. Übereinkommen ohne Drittstaatenbeteiligung ................................. 108 3. Künftige Übereinkommen ................................................................ 110 a) Abschluss konkurrierender Übereinkommen ............................... 110 aa) Vertragsschlusskompetenz der Union .................................... 110 bb) Vertragsschlussverbot für teilnehmende Mitgliedstaaten? ..... 112 b) Änderung bestehender Übereinkommen ...................................... 113 aa) Inhaltliche Änderung bestehender Übereinkommen ............... 113 bb) Räumliche Änderung bestehender Übereinkommen .............. 114 c) Kündigung bestehender Übereinkommen .................................... 115 II. Unionsrecht ........................................................................................... 115 III. Nationales Recht................................................................................... 115

Abschnitt C: Bestimmung des anwendbaren Rechts .................... 118 § 1 Grundlagen .............................................................................................. 119 I.

Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung ....................................... 119 1. Ausschluss des renvoi im europäischen Kollisionsrecht ................... 120 2. Die Sachnormverweisung im Rahmen der Rom III-Verordnung ...... 121 a) Objektive Anknüpfung ................................................................ 121 b) Rechtswahl .................................................................................. 122 II. Gewöhnlicher Aufenthalt ..................................................................... 124 1. Begriffsbestimmung ......................................................................... 124 a) Grundsatz der autonomen Auslegung .......................................... 126

Inhaltsverzeichnis

XV

b) Unionsrechtlich-einheitlicher Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts? ................................................................................ 127 c) Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ............ 132 aa) Anwesenheit .......................................................................... 133 bb) Dauer..................................................................................... 134 cc) Soziale Integration ................................................................. 135 2. Doppelter gewöhnlicher Aufenthalt ................................................. 135 a) Möglichkeit eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts .............. 136 b) Auswirkungen eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts ................................... 138 III. Staatsangehörigkeit .............................................................................. 141 1. Mehrfache Staatsangehörigkeit ........................................................ 141 a) Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB auf die Rom III-Verordnung .................................................................... 142 b) Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB für die Auslegung der Rom III-Verordnung .............................................................. 146 c) Folgen für die Auslegung der Rom III-Verordnung ..................... 152 aa) Rechtswahl ............................................................................ 152 bb) Objektive Anknüpfung .......................................................... 153 2. Staatenlosigkeit ................................................................................ 154 § 2 Rechtswahl ............................................................................................... 158 I.

Hintergrund und Bedeutung der Parteiautonomie im Rahmen der Rom III-Verordnung ...................................................................... 159 1. Gründe für die Ausweitung der Parteiautonomie im internationalen Familienrecht .......................................................... 160 2. Vor- und Nachteile der Rechtswahl.................................................. 161 II. Die für die Rechtswahl relevanten Bestimmungen der Rom III-Verordnung ...................................................................... 163 1. Begrenzte Zulässigkeit der Rechtswahl – wählbare Rechtsordnungen (Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO) ................................. 163 a) Aktueller oder letzter gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten und Staatsangehörigkeit eines Ehegatten ..................................... 164 b) Recht des Staates des angerufenen Gerichts – vorsorgliche Wahl der lex fori? ........................................................................ 166 2. Zeitrahmen für die Vornahme der Rechtswahl (Art. 5 Abs. 2 und 3 Rom III-VO) ................................................... 171 3. Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung (Art. 6 Rom III-VO) ........................................................................ 172 a) Reichweite des Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO ................................... 173 b) Regelung des Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO ...................................... 175

XVI

Inhaltsverzeichnis

4. Form der Rechtswahl (Art. 7 Rom III-VO) ...................................... 176 a) Vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarung .................................... 177 b) Nachträgliche Rechtswahlvereinbarung ....................................... 178 c) Konkludente Rechtswahl?............................................................ 180 III. Einzelfragen im Bereich der Rechtswahl .............................................. 182 1. Wahl einer Rechtsordnung, die eine Privatscheidung vorsieht? ........ 183 2. Auswirkungen der Rechtswahl auf die Anknüpfung von Vorfragen . 184 3. Verfahrensrechtliche Aspekte der Rechtswahl ................................. 185 § 3 Objektive Anknüpfung .............................................................................. 186 I.

Das mangels Rechtswahl auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht .................................. 186 1. Die Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO ................................ 187 a) Aktueller gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten (Art. 8 lit. a) Rom III-VO) ........................................................... 187 b) Letzter gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten (Art. 8 lit. b) Rom III-VO) ........................................................... 187 c) Gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten (Art. 8 lit. c) Rom III-VO) ........................................................... 188 d) Recht des Staates des angerufenen Gerichts (Art. 8 lit. d) Rom III-VO) ........................................................... 188 2. Vergleich zur früheren Regelung des deutschen Kollisionsrechts .... 189 a) Änderung der Anknüpfungsreihenfolge ....................................... 189 b) Maßgeblicher Zeitpunkt .............................................................. 190 II. Bewertung und Stellungnahme ............................................................. 191 1. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ............... 192 2. Auswirkungen der Jahresfrist des Art. 8 lit. b) Rom III-VO ............. 195 3. Folgen und Auswirkungen der Anknüpfung an die lex fori .............. 197 III. Änderungsvorschläge und Empfehlungen ............................................ 198 1. Beibehaltung der vorrangigen Anknüpfung an den aktuellen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ........................................... 198 2. Verzicht auf die Anknüpfung an einen früheren gemeinsamen Aufenthalt........................................................................................ 199 3. Verzicht auf die Anknüpfung an die lex fori zugunsten der engsten Verbindung ................................................................... 200 4. Notanknüpfung an den Eheschließungsort ....................................... 203 5. Regelungsentwurf und Zusammenfassung ....................................... 204 § 4 Einzelfragen ............................................................................................. 206

Inhaltsverzeichnis

XVII

I.

Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung ........................................................................... 206 1. Grundsatz der Kontinuität des anwendbaren Rechts ......................... 206 2. Ausnahmen vom Kontinuitätsprinzip ............................................... 208 II. Nichtanwendung des berufenen ausländischen Rechts: ordre public .... 209 1. Spezielle ordre-public-Klausel des Art. 10 Rom III-VO................... 209 a) Scheidungsfeindlichkeit des berufenen Rechts ............................. 210 b) Diskriminierung aus Gründen der Geschlechtszugehörigkeit ....... 211 c) Bewertung ................................................................................... 214 2. Allgemeiner ordre-public-Vorbehalt (Art. 12 Rom III-VO) ............. 217 a) Prüfungsmaßstab: ordre public des Forumstaates ......................... 218 b) Gegenstand der ordre-public-Kontrolle........................................ 220 c) Verstoß gegen die öffentliche Ordnung........................................ 220 d) Inlandsbezug ............................................................................... 223 e) Rechtsfolgen eines ordre-public-Verstoßes .................................. 225 3. Die Regelung des Art. 13 Rom III-VO ............................................. 226 a) Scheidungsfeindlichkeit der lex fori ............................................ 227 b) Keine Verpflichtung durch die Rom III-Verordnung zur Scheidung „als nicht gültig angesehener“ Ehen ..................... 227 c) Verweigerungsrecht durch die Rom III-Verordnung? .................. 229 d) Möglichkeit zur Scheidung „als nicht gültig angesehener“ Ehen . 230 4. Zusammenfassung ........................................................................... 231 III. Mehrrechtsstaaten ................................................................................ 233 1. Territoriale Rechtsspaltung (Art. 14 Rom III-VO) ........................... 233 a) Inhalt der Regelung ..................................................................... 234 b) Bewertung ................................................................................... 236 2. Personelle Rechtsspaltung (Art. 15 Rom III-VO) ............................. 238 3. Innerstaatliche Kollisionen (Art. 16 Rom III-VO) ............................ 239 IV. Privatscheidungen ................................................................................ 240 1. Vollzug einer Privatscheidung im Inland ......................................... 240 2. Wirksamkeit im Ausland vollzogener Privatscheidungen ................. 245 3. Anpassung der Rom III-Verordnung an die Besonderheiten der Privatscheidung ............................................................................... 248 a) Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO ......................................... 248 b) Objektive Anknüpfung gemäß Art. 8 Rom III-VO ....................... 249 c) Folgen der Anpassung ................................................................. 250 4. Zusammenfassung ........................................................................... 252 § 5 Resümee: Die wichtigsten Prinzipien des neuen Unionskollisionsrechts . 253 I.

Zulassung der Rechtswahl .................................................................... 253

XVIII

Inhaltsverzeichnis

II. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ....................................................................................... 253 III. Prinzip der Sachnormverweisung ......................................................... 253 IV. Anwendung ausländischen Sachrechts ................................................. 254

Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht: Die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten......................................... 255 § 1 Die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten ............................. 256 I.

Motive der Nichtteilnahme ................................................................... 256 1. Verfahrensrechtliche Gründe ........................................................... 256 2. Materiell-rechtliche Erwägungen ..................................................... 258 a) Scheidungsrecht ........................................................................... 258 b) Eheverständnis ............................................................................ 259 3. Kollisionsrechtliche Motive ............................................................. 260 4. Sonstige Motive ............................................................................... 261 II. Folgen der Nichtteilnahme ................................................................... 261 § 2 Unüberbrückbare Differenzen? – Verbliebene nationale Kollisionsrechte im Vergleich zur Rom III-Verordnung ........................... 262 I.

Möglichkeit der Rechtswahl ................................................................. 262 1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten .................... 263 2. Aussichten ....................................................................................... 264 II. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ....................................................................................... 265 1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten .................... 265 2. Aussichten ....................................................................................... 267 III. Prinzip der Sachnormverweisung ......................................................... 268 1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten .................... 268 2. Aussichten ....................................................................................... 269 IV. Anwendung ausländischen Sachrechts ................................................. 269 1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten .................... 270 2. Aussichten ....................................................................................... 271 V. Zusammenfassung ................................................................................. 272

Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick ...................................... 274 § 1 Zusammenfassung und Bewertung ........................................................... 274 I.

Prinzipien der Rom III-Verordnung ..................................................... 274

Inhaltsverzeichnis

XIX

1. Rechtswahl ...................................................................................... 274 2. Aufenthaltsprinzip ........................................................................... 277 3. Prinzip der Sachnormverweisung ..................................................... 278 4. Anwendung ausländischen Sachrechts ............................................. 279 II. Rechtspolitische Ziele .......................................................................... 280 1. Verhinderung von forum shopping................................................... 280 a) Vereinheitlichung von Kollisionsnormen ..................................... 281 b) Anknüpfung an die lex fori .......................................................... 282 c) Verstärkte Zusammenarbeit ......................................................... 283 2. Schaffung eines klaren, umfassenden Rechtsrahmens ...................... 284 3. Rechtssicherheit, Berechenbarkeit, Flexibilität, Stärkung der Parteiautonomie ............................................................................... 285 III. Fazit ..................................................................................................... 286 § 2 Ausblick .................................................................................................... 289 I.

Internationales Familienrecht ............................................................... 289 1. Verstärkte Zusammenarbeit ............................................................. 290 2. Verordnungsvorschläge zum Güterrecht .......................................... 291 3. Weitere familienrechtliche Statute ................................................... 293 a) Art. 14 EGBGB: Allgemeine Wirkungen der Ehe ........................ 293 b) Eheschließung und eingetragene Lebenspartnerschaft ................. 295 c) Nationale Reformen und europäische Ziele.................................. 297 II. Europäisches Kollisionsrecht ............................................................... 298 1. Erbrechtsverordnung ........................................................................ 298 2. Weitere Initiativen des europäischen Gesetzgebers .......................... 299 3. Diskurs über eine Rom 0-Verordnung .............................................. 300 4. Gesamtkodifikation .......................................................................... 301 III. Parallele und konkurrierende Entwicklungen ....................................... 302 IV. Schluss ................................................................................................. 305

Literaturverzeichnis.............................................................................. 309 Sachregister ............................................................................................ 323

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABGB ABlEG ABlEU Abs. a.E. AEUV a.F. AG AJ Famille Anh. Art. BGB BGBl. BGH BGHZ Brüssel I-VO

Brüssel IIa-VO

BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BWNotZ bzw. CDT d.h. EF-Z EGBGB EGMR EGV

andere Ansicht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alter Fassung Amtsgericht Actualité Juridique Famille (Frankreich) Anhang Artikel Bürgerliches Gesetzbuch (Deutschland) Bundesgesetzblatt (Deutschland/Österreich) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Deutschland) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEU Nr. L 12 vom 16.01.2001, S. 1 ff. Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABlEU Nr. L 338 vom 23.12.2003, S. 1 ff. Bundestagsdrucksache (Deutschland) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Deutschland) Bundesverwaltungsgericht Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg (Deutschland) beziehungsweise Cuardernos de Derecho Transnacional (Spanien) das heißt Zeitschrift für Ehe- und Familienrecht (Österreich) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (Deutschland) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

Abkürzungsverzeichnis EhegüterRVO-E

Einf. Einl. EMRK engl. EPartGüterRVO-E

EU EuErbVO

EuGH EuGHE EuIPR EuUnthVO

EUV EuZPR EuZVR f./ff. FamFG FamRB FamRBint FamRZ FF Fn. FPR frz. FS FuR G GG ggf. GPR GRCh HUP

XXI

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM (2011) 126 endgültig Einführung Einleitung Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten englisch Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich eingetragener Partnerschaften, KOM (2011) 127 endgültig Europäische Union Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABlEU Nr. L 201 vom 27.07.2012, S. 107 Gerichtshof der Europäischen Union Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz (Europäische Union) europäisches internationales Privatrecht Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABlEU Nr. L 7 vom 10.01.2009, S. 1 ff. Vertrag über die Europäische Union europäisches Zivilprozessrecht europäisches Zivilverfahrensrecht folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Deutschland) Der Familien-Rechts-Berater (Deutschland) Der Familien-Rechts-Berater International (Deutschland) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Deutschland) Forum Familienrecht (Deutschland) Fußnote Familie Partnerschaft Recht (Deutschland) französisch Festschrift Familie und Recht (Deutschland) Gesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht (Deutschland) Charta der Grundrechte der Europäischen Union Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

XXII IFL IJLPF IPR IPRax i.S.d. i.V.m. JORF JPIL JURA JZ KG LA lit. MünchKomm m.w.N. n.F. niederl. NiPR NJW NJW-RR NomosKomm Nr. OGH OLG ÖJZ RabelsZ RCDIP RD RGBl. RIDC RIW Rn. RNotZ Rom I-VO

Rom II-VO

Rom III-VO

Abkürzungsverzeichnis International Family Law (Vereinigtes Königreich) International Journal of Law, Policy and the Family (Vereinigtes Königreich) internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Deutschland) im Sinne des/der in Verbindung mit Journal officiel de la République française (Frankreich) Journal of Private International Law (Vereinigtes Königreich) Juristische Ausbildung (Deutschland) JuristenZeitung (Deutschland) Kammergericht Liber Amicorum littera Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen neuer Fassung niederländisch Nederlands Internationaal Privaatrecht (Niederlande) Neue Juristische Wochenschrift (Deutschland) NJW-Rechtsprechung-Report Zivilrecht (Deutschland) Nomos Kommentar Nummer Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberlandesgericht Österreichische Juristenzeitung (Österreich) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Deutschland) Revue critique de droit international privé (Frankreich) Recueil Dalloz (Frankreich) Reichsgesetzblatt (Deutschland) Revue Internationale de Droit Comparé (Frankreich) Recht der Internationalen Wirtschaft (Deutschland) Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift (Deutschland) Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), ABlEU Nr. L 177 vom 04.07.2008, S. 6 ff. Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABlEU Nr. L 199 vom 31.07.2007, S. 40 ff. Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABlEU Nr. L 343 vom 29.12.2010, S. 10 ff.

Abkürzungsverzeichnis Rs. RTDF RW S. sog. SocSt SSRN StaatenlÜbk StAZ StGB UAbs. v. Var. Verf. VersAusglG vgl. Vorb. VSSR VUWLR YB PIL Zak z.B. ZEuP ZEuS ZfRV ZGB ZPO

XXIII

Rechtsache Revue trimestrielle de droit familial (Belgien) Rechtswissenschaft (Deutschland) Satz / Seite sogenannte~ Societal Studies (Litauen) Social Science Research Network Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954, BGBl. 1976 II, S. 474 Das Standesamt (Deutschland) Strafgesetzbuch (Deutschland) Unterabsatz von Variante Verfasserin Gesetz über den Versorgungsausgleich (Deutschland) vergleiche Vorbemerkung Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Deutschland) Victoria University of Wellington Law Review (Neuseeland) Yearbook of Private International Law (Deutschland) Zivilrecht aktuell (Österreich) zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Deutschland) Zeitschrift für Europarechtliche Studien (Deutschland) Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung (Österreich) Zivilgesetzbuch (Griechenland) Zivilprozessordnung (Deutschland)

Erstes Kapitel

Einleitung Eine Österreicherin und ein Schwede heiraten in Schweden. Das Ehepaar lebt zwei Jahre lang mit dem gemeinsamen Sohn in Österreich. Der Ehemann verlässt seine Frau, kehrt zurück in sein Heimatland und drängt auf zeitnahe Scheidung. Die Ehefrau weiß allerdings nicht, nach welchem Recht sie sich scheiden lassen kann. Gilt österreichisches oder schwedisches Recht?1 Ehen mit grenzüberschreitendem Bezug, in denen sich – wie in diesem kurzen Beispielsfall – die Frage nach dem anwendbaren Scheidungsrecht stellen kann, gibt es in zunehmendem Maße in der Europäischen Union.2 Die Gründe hierfür sind hinlänglich bekannt und so genügt an dieser Stelle ein kurzer Verweis auf die erhöhte Mobilität der Bevölkerung Europas, die nicht nur Folge, sondern auch klares Ziel der auf Freizügigkeit ausgerichteten europäischen Integration ist.3 So haben von den ungefähr 122 Millionen Ehepaaren in der Europäischen Union circa 16 Millionen nicht die gleiche Staatsangehörigkeit oder leben in einem Mitgliedstaat, der nicht ihr Herkunftsland ist.4 Die Europäische Union geht zudem davon aus, dass jedes Jahr ungefähr 300.000 Ehen mit Auslandsbezug in der Union neu geschlossen werden.5 Die erhöhte Zahl grenzüberschreitender Eheschließungen führt auch zu einer Zunahme von Scheidungen mit internationalem Bezug. So wiesen beispielsweise im Jahr 2007 rund 140.000 der insgesamt 1.040.000 Ehescheidungen in der Europäischen Union einen Auslandsbezug auf.6

§ 1 Hintergrund und Entwicklung der Rom III-Verordnung § 1 Hintergrund und Entwicklung der Rom III-Verordnung

Vor dem Hintergrund der steigenden Zahl von Scheidungen mit grenzüberschreitendem Bezug und der damit verbundenen Probleme bei der Durchführung von Scheidungsverfahren hat sich die Europäische Union entschieden, 1

Beispielsfall angelehnt an Pressemitteilung vom 24.03.2010, IP/10/347, S. 1. Kohler, FamRZ 2008, S. 1673. 3 Vgl. auch Coester-Waltjen, StAZ 2013, S. 10 (11); Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (15). 4 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1435); Leutheusser-Schnarrenberger, ZEuP 2011, S. 451 (458). 5 Pressemitteilung vom 24.03.2010, IP/10/347, S. 1. 6 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1435). 2

2

Erstes Kapitel: Einleitung

das Kollisionsrecht für Ehescheidungen zumindest partiell zu vereinheitlichen. Diese Vereinheitlichung erfolgte durch die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts,7 im Allgemeinen bekannt unter ihrem Beinamen Rom III-Verordnung, in der sich zunächst 14 EU-Mitgliedstaaten im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit auf ein einheitliches Scheidungskollisionsrecht verständigt haben. Seit dem 21.06.2012 bestimmt sich daher in Deutschland und in 13 weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union das auf die Scheidung anwendbare Recht nicht mehr nach nationalem Kollisionsrecht, sondern nach den Vorschriften der Rom III-Verordnung. I. Ausgangslage und Reformanlass Ausgangspunkt für die Rom III-Reform war die komplexe, uneinheitliche Rechtslage innerhalb der Europäischen Union, die einer steigenden Anzahl grenzüberschreitender Ehen und Scheidungen gegenüberstand und internationalen Paaren die Scheidung erschwerte. So wendeten vor Erlass der Rom IIIVerordnung die Gerichte in der Europäischen Union auf jeden Scheidungsfall mit grenzüberschreitendem Bezug ihr eigenes, nationales Kollisionsrecht an, um das anwendbare Recht zu bestimmen. Dabei entschieden 20 EU-Staaten nach Anknüpfungskriterien wie Staatsangehörigkeit oder Aufenthalt darüber, welches materielle Recht auf einen Scheidungsfall anwendbar sein soll.8 Sieben Mitgliedstaaten wendeten hingegen grundsätzlich ihr eigenes materielles Recht auf sämtliche Scheidungsfälle an.9 Diese Vielfalt an Kollisionsrechten führte zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Frage, nach welchem materiellen Recht eine Ehe geschieden werden soll, je nachdem, in welchem Mitgliedstaat das Scheidungsverfahren anhängig gemacht wurde. Da auch die Sachnormen der EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Ehescheidung nach wie vor deutliche Unterschiede in Bezug auf Scheidungsvoraussetzungen und -gründe aufweisen,10 kommt der kollisionsrechtlichen Verweisung eine entscheidende Bedeutung zu.11 Zwar sind innerhalb der Europäischen Union die Regeln für die internationale Zuständigkeit der Ge7

ABlEU Nr. L 343 vom 29.12.2010, S. 10 ff. Pressemitteilung vom 24.03.2010, IP/10/347, S. 1; Andrae, FPR 2010, S. 505. 9 Dänemark, Finnland, Irland, Lettland, Schweden, das Vereinigte Königreich und Zypern; Pressemitteilung vom 24.03.2010, IP/10/347, S. 1; Finger, FuR 2011, S. 61 (62) mit Fn. 9. 10 Coester-Waltjen, StAZ 2013, S. 10 (13); Looschelders in FS Kropholler, S. 329 (330); dazu ausführlicher Kohler, FamRZ 2008, S. 1673; Franzina, CDT 2011, S. 85 (88 f.); Boele-Woelki, VUWLR 2008, S. 779 (790); Hau in FS Stürner, S. 1237; vgl. auch Butruille-Cardew, AJ Famille 2012, S. 376 ff. 11 Stürner, RabelsZ 2013, S. 402 (405). 8

§ 1 Hintergrund und Entwicklung der Rom III-Verordnung

3

richte in Scheidungsverfahren durch die Brüssel IIa-Verordnung12 einheitlich geregelt, doch eröffnet diese Verordnung eine Vielzahl alternativer, gleichrangiger Gerichtsstände13 und ermöglicht damit den Scheidungswilligen, unter mehreren international zuständigen Gerichten das vorteilhafteste Forum und damit letztlich auch das für sie jeweils günstigste materielle Recht zu „wählen“.14 Diese „Wahl“ ist jedoch keine Rechtswahl im klassischen Sinn, denn sie erfolgt – im schlimmsten Falle ohne Absprache mit dem Ehepartner – allein durch die Anrufung eines Gerichts in dem „gewählten“ Mitgliedsstaat, weshalb diese Praxis nicht zu Unrecht als forum shopping bezeichnet wird.15 Betreiben zudem beide Ehepartner diese Form der „Rechtswahl“, kommt es zu dem vielfach beschriebenen Wettlauf zu den Gerichten.16 Die oben skizzierte Regelungsvielfalt stiftet damit nicht nur Verwirrung bei rechtsunkundigen Scheidungswilligen, sondern hilft auch denjenigen, die sich auskennen oder gut beraten lassen und finanziell gut ausgestattet sind, denn sie erlaubt es ihnen, die komplexe Rechtlage bewusst für ihre Zwecke zu nutzen.17 II. Ziele der Rom III-Verordnung Durch die Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts im Rahmen der Rom III-Verordnung soll unter anderem dieser Problematik entgegengewirkt und dem Wettlauf zu den Gerichten vorgebeugt werden.18 Seit Geltungsbe-

12

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABlEU Nr. L 338 vom 23.12.2003, S. 1 ff. (Brüssel IIaVerordnung), dazu noch ausführlicher unten (§ 2 I.). 13 Vgl. Art. 3 ff. Brüssel IIa-VO; Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1674). 14 Vgl. Kohler, FPR 2008, S. 193 (194); Finger, FuR 2011, S. 61 (62); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673; Looschelders in FS Kropholler, S. 329 (349); Buschbaum, GPR 2014, S. 4. 15 Siehe z.B. Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1675); Kohler, FPR 2008, S. 193; Nademleinsky, Zak 2012, S. 146 (147). 16 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 9 Rom III-VO; Pressemitteilung vom 24.03.2010, IP/10/347, S. 2; Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1675); Kohler, FPR 2008, S. 193 (194); Finger, FuR 2011, S. 61 (64); Makowsky, GPR 2012, S. 266; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (806); Zeitzmann, ZEuS 2011, S. 87 (103); Franzina, CDT 2011, S. 85 (87); Butruille-Cardew/Preney, AJ Famille 2012, S. 385 (387); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 153 f. 17 Buschbaum, GPR 2014, S. 4. 18 Erwägungsgrund Nr. 6 des Beschlusses des Rates vom 12. Juli 2010 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2010/405/EU), ABlEU Nr. L 189 vom 22.07.2010, S. 12; Kohler, FPR 2008, S. 193 (194); Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433; kritisch im Hinblick auf die tatsächlichen Ausmaße des Problems

4

Erstes Kapitel: Einleitung

ginn der Rom III-Verordnung bestimmen die Gerichte in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anhand einheitlicher Kollisionsnormen das anwendbare Recht und kommen somit zum gleichen Ergebnis, wodurch der Anreiz für ein forum shopping beseitigt werden soll. Darüber hinaus soll die Verordnung die Rechtsanwendung vereinfachen, indem sie einen klaren, umfassenden Rechtsrahmen schafft, der den Bürgern in Bezug auf Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Flexibilität sachgerechte Lösungen bietet und mehr Transparenz im internationalen Scheidungsrecht schafft.19 Durch die Verordnung soll außerdem die Autonomie der Ehegatten gestärkt werden, indem ihnen die Möglichkeit eröffnet wird, das anwendbare Recht im Wege einer echten Rechtswahl zu bestimmen. Nicht zuletzt soll die Harmonisierung der Kollisionsnormen auch die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen vereinfachen, indem sie das gegenseitige Vertrauen stärkt.20 III. Entstehungsgeschichte Bereits im Jahr 2006 hatte die Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Vereinheitlichung des auf die Ehescheidung anwendbaren Rechts vorgelegt, der auch Änderungen des europäischen Verfahrensrechts in Ehesachen beinhaltete.21 Dieser Vorschlag erhielt jedoch nicht die gemäß Art. 81 Abs. 3 AEUV erforderliche Zustimmung aller an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union und scheiterte insbesondere am Widerstand Schwedens, das an der nach schwedischem Scheidungskollisionsrecht vorgesehenen grundsätzlichen Anknüpfung an die lex fori festhalten wollte.22 Angesichts dieser Tatsache gelangte der Rat der Europäischen Union sodann im Jahr 2008 zu dem Schluss, dass „die Ziele von Rom III unter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Verträge nicht in einem vertretbaren Zeitraum verwirklicht werden können“,23 weil und den Handlungsbedarf der Union Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (8 f.), siehe aber auch S. 23 f. 19 Erwägungsgrund Nr. 9 Rom III-VO. 20 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Juni 2010 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (09898/2/2010 – C7-0145/2010 – 2010/0066 (NLE), ABlEU Nr. C 236 E vom 12.08.2011, S. 179 (180), Buchstabe J. 21 Vorschlag der Kommission vom 17.07.2006 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, KOM (2006) 399 endgültig. 22 Helms, FamRZ 2011, S. 1765; Wagner, StAZ 2012, S. 133 (136); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (806), dazu ausführlicher unten (Drittes Kapitel). 23 Pressemitteilung des Rates der Europäischen Union anlässlich der 2873. Tagung des Rates Justiz und Inneres am 5.-6. Juni 2008 (C/08/146), 9956/08 (Presse 146), S. 22.

§ 1 Hintergrund und Entwicklung der Rom III-Verordnung

5

keine einhellige Bereitschaft zur Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts bestünde und unüberwindbare Schwierigkeiten einer einmütigen Zustimmung entgegenstehen würden.24 Da die Mehrheit der Mitgliedstaaten die Ziele des Rom III-Vorschlags jedoch befürwortete, wurden die Beratungen fortgesetzt, um die Bedingungen für eine sogenannte Verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Scheidungskollisionsrechts zu prüfen.25 Im weiteren Verlauf der Verhandlungen teilten sodann mehrere Mitgliedstaaten der Kommission mit, dass sie die Absicht hätten, untereinander im Bereich des anwendbaren Rechts in Ehesachen eine Verstärkte Zusammenarbeit zu begründen, und ersuchten die Kommission, dem Rat einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten.26 Daraufhin legte die Kommission im Jahr 2010 einen Verordnungsentwurf zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts vor.27 Auch der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament sahen aufgrund der Vorgeschichte des Rom III-Vorschlags die Verstärkte Zusammenarbeit als letzte Möglichkeit, um den Integrationsprozess auf dem Gebiet der Ehescheidung voranzutreiben, und billigten die Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit in diesem Bereich.28 Somit konnte die Rom III-Verordnung als erster Anwendungsfall des Instruments der Verstärkten Zusammenarbeit in der Geschichte der Europäischen Union im Jahr 2010 erlassen werden.

24

Pressemitteilung des Rates der Europäischen Union anlässlich der 2877. Tagung des Rates Justiz und Inneres am 24. und 25. Juli 2008 (C/08/205), 11653/08, S. 24. 25 Pressemitteilung des Rates der Europäischen Union anlässlich der 2873. Tagung des Rates Justiz und Inneres am 5. – 6. Juni 2008 (C/08/146), 9956/08 (Presse 146), S. 22. 26 Erwägungsgrund Nr. 6 Rom III-VO. 27 Vorschlag der Kommission vom 24.03.2010 für eine Verordnung (EU) des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden, KOM (2010) 105 endgültig. 28 Beschluss des Rates vom 12. Juli 2010 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2010/405/EU), ABlEU Nr. L 189 vom 22.07.2010, S. 12 (13); Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Juni 2010 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (09898/2/2010 – C7-0145/2010 – 2010/0066 (NLE), ABlEU Nr. C 236 E vom 12.08.2011, S. 179 (181).

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Erstes Kapitel: Einleitung

§ 2 Die Rom III-Verordnung im Kontext des europäischen Rechts § 2 Die Rom III-Verordnung im Kontext des europäischen Rechts

Die Rom III-Verordnung ist nicht die erste Maßnahme der Union auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts, sondern gehört zu einer Reihe von Rechtsakten, die seit Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen Kollisionsnormen und Verfahrensvorschriften vereinheitlichen und so zur Schaffung eines „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ in Europa beitragen sollen.29 Die Rom III-Verordnung kann daher als Baustein eines in der Entstehung begriffenen europäischen internationalen Zivil- und Zivilverfahrensrechts betrachtet werden. Als weitere wichtige Elemente dieses sich entwickelnden Rechtsgebiets sind insbesondere die verfahrensrechtlichen Verordnungen Brüssel I und Brüssel IIa und die kollisionsrechtlichen Verordnungen Rom I und Rom II sowie die Unterhaltsverordnung zu nennen. Darüber hinaus existieren Verordnungsvorschläge zum Güterrecht von Ehen und eingetragenen Partnerschaften. Vor diesem Hintergrund wird zunächst eine Einordnung der Rom III-Verordnung in das System des europäischen Kollisions- und Zivilverfahrensrechts und eine Bestimmung des Verhältnisses der Rom IIIVerordnung zu den anderen Unionsrechtsakten aus diesem Bereich erforderlich. I. Die Verordnungen Brüssel I und Brüssel IIa Die Brüssel I-Verordnung,30 die am 1. März 2002 mit Ausnahme Dänemarks unionsweit in Kraft getreten ist, ersetzt im Rahmen ihres Anwendungsbereiches das EuGVÜ31 aus dem Jahr 1968.32 Als Instrument des europäischen Zivilverfahrensrechts regelt sie die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. In ihrem Art. 1 Abs. 2 nimmt die Brüssel I-Verordnung jedoch bestimmte Gegenstände in Form eines Ausnahmenkatalogs aus ihrem Anwendungsbereich heraus. In diese Lücke stößt sodann die Brüssel IIa-Verordnung,33 die einen Teil der sachlichen Anwendungsausnahmen der Brüssel I29

MünchKomm/Martiny, BGB, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn 12. Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEU Nr. L 12 vom 16.01.2001, S. 1 ff. 31 Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, BGBl. 1972 II 774 ff. 32 Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Einl. Brüssel I-VO Rn 2. 33 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen 30

§ 2 Die Rom III-Verordnung im Kontext des europäischen Rechts

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Verordnung betrifft.34 Die Brüssel IIa-Verordnung regelt das Verfahrensrecht in Familienangelegenheiten im Bereich der ehelichen Statusverhältnisse und der elterlichen Sorge und ergänzt somit in ihrem Anwendungsbereich die Brüssel I-Verordnung, sodass es nicht zu Überschneidungen der Anwendungsbereiche der beiden Verordnungen untereinander kommt. Da sowohl die Brüssel I-Verordnung als auch die Brüssel IIa-Verordnung keine kollisionsrechtlichen Regelungen enthalten,35 bestehen darüber hinaus auch keine Konkurrenzen zur Rom III-Verordnung. Denn während die Rom IIIVerordnung Kollisionsnormen umfasst, beinhalten die Verordnungen Brüssel I und Brüssel IIa verfahrensrechtliche Vorschriften, sodass es sich grundsätzlich um jeweils eigenständige, voneinander zu trennende Unionsrechtsakte handelt. Dementsprechend regelt Art. 2 Rom III-VO das Verhältnis zur einschlägigen verfahrensrechtlichen Brüssel IIa-Verordnung in der Form, dass die Rom III-Verordnung die Anwendung der Brüssel IIa-Verordnung unberührt lässt. Dennoch existieren Beziehungen und Zusammenhänge, die Auswirkungen auf die Auslegung der Verordnungen haben können. Das gilt insbesondere für das Verhältnis der Rom III-Verordnung, die das Kollisionsrecht für Ehescheidungen und Trennungen ohne Auflösung des Ehebandes bestimmt, zur Brüssel IIa-Verordnung, die entsprechende Regelungen für die gerichtliche Zuständigkeit sowie für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen enthält.36 So betont der Verordnungsgeber in Erwägungsgrund Nr. 10 S. 1 Rom III-VO ausdrücklich, dass der sachliche Anwendungsbereich und die Bestimmungen der Rom III-Verordnung mit der Brüssel IIa-Verordnung in Einklang stehen sollten. Diese Vorgabe verdeutlicht die starke funktionale Beziehung der beiden Rechtsakte, die in ihrem Zusammenspiel dem forum shopping effektiv entgegenwirken sollen.37 Aus diesem Grund ist eine enge Orientierung an den Parallelvorschriften der im Vergleich zur Rom IIIVerordnung älteren Brüssel IIa-Verordnung und eine Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung bei der Auslegung der Rom IIIVerordnung grundsätzlich erstrebenswert. So wird in Erwägungsgrund Nr. 13 Rom III-VO beispielsweise hervorgehoben, dass die Anrufung eines Gerichts und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABlEU Nr. L 338 vom 23.12.2003, S. 1 ff. 34 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 1. 35 Auch als „Kollisionsrechtsblindheit“ bezeichnet, Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 116 ff.; Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1674); Kohler, FPR 2008, S. 193 (194); kritisch gegenüber der Regelung der kollisions- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in getrennten Verordnungen, weil dadurch die zusammengehörenden Materien des internationalen Privat- und Verfahrensrechts auseinandergerissen würden, Wagner, IPRax 2007, S. 290 (291). 36 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433. 37 Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 21.

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Erstes Kapitel: Einleitung

nach den Bestimmungen der Brüssel IIa-Verordnung ausgelegt werden soll. Ferner sollten beiden Verordnungen gemeinsame Begriffe möglichst inhaltlich übereinstimmende Bedeutungen haben. Der Wunsch nach einer möglichst übereinstimmenden Auslegung inhaltlich zusammenhängender Rechtsakte darf dabei jedoch nicht als starres Gleichlaufprinzip missverstanden werden, das keinerlei Raum für inhaltliche Unterschiede zwischen den beiden Verordnungen lässt. 38 Vielmehr stößt die harmonische Auslegung insbesondere dort an ihre Grenzen, wo die Verordnungen im Normtext oder in den Erwägungsgründen bewusst unterschiedliche Begriffsbildungen vornehmen.39 Dies wird beispielhaft verdeutlicht durch die unterschiedliche Einordnung der Ungültigerklärung der Ehe, die zwar vom Anwendungsbereich der Brüssel IIa-Verordnung erfasst ist, vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. c) Rom III-VO jedoch ausdrücklich ausgeschlossen wird. Gemäß Erwägungsgrund Nr. 8 Brüssel IIa-VO gilt die Brüssel IIa-Verordnung zudem auch nicht für die Scheidungsgründe, wohingegen Erwägungsgrund Nr. 10 Abs. 2 Rom III-VO die Erstreckung des Anwendungsbereichs der Rom IIIVerordnung auch auf Gründe der Ehescheidung ausdrücklich vorsieht.40 Einer Gleichbehandlung von Begrifflichkeiten sind darüber hinaus vor allem dort Grenzen gesetzt, wo spezifisch kollisionsrechtliche Besonderheiten, die nicht auf das Verfahrensrecht übertragbar sind, eine eigenständige Herangehensweise erfordern. So sind die Verordnungen zwar im Sinne der Einheitlichkeit der Unionsrechtsordnung in ihrem Zusammenhang zu erkennen und zu betrachten, insbesondere wenn sie gemeinsame Begriffe verwenden, dabei sind jedoch auch stets die Eigenheiten der jeweiligen Verordnung gebührend zu berücksichtigen. II. Die Verordnungen Rom I und Rom II Als erste primär kollisionsrechtliche Verordnungen der Union sind die Verordnungen Rom I41 und Rom II42 wesentlicher Bestandteil des in der Entwicklung befindlichen europäischen Kollisionsrechts. Die seit dem Jahr 2009 geltenden Verordnungen überschneiden sich nicht in ihren Anwendungsbe-

38

Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 22. Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 22. 40 Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (807). 41 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), ABlEU Nr. L 177 vom 04.07.2008, S. 6 ff. 42 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABlEU Nr. L 199 vom 31.07.2007, S. 40 ff. 39

§ 2 Die Rom III-Verordnung im Kontext des europäischen Rechts

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reichen, sondern ergänzen sich.43 Dabei regelt die Rom I-Verordnung das Kollisionsrecht für vertragliche Schuldverhältnisse, wohingegen die Rom IIVerordnung außervertragliche Schuldverhältnisse (deliktische Ansprüche, Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag), aber auch die Problematik des Verschuldens beim Vertragsschluss betrifft.44 Auch im Verhältnis dieser beiden Verordnungen zur Rom III-Verordnung sind keine Normkollisionen erkennbar, die Verordnungen stehen vielmehr als eigenständige Teile eines europäischen Kollisionsrechts gleichberechtigt nebeneinander. Der Kontext des europäischen Kollisionsrechts prägt jedoch die Anknüpfungen der kollisionsrechtlichen Tatbestände der Rom III-Verordnung, insbesondere ihre rechtstechnische Ausgestaltung und die Anwendung der vereinheitlichten Vorschriften, und ist daher auch bei der Auslegung der Rom III-Verordnung zu berücksichtigen.45 III. Unterhaltsverordnung und Haager Unterhaltsprotokoll Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen46 (EuUnthVO) ist am 30.01.2009 in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks47 in Kraft getreten. Die Verordnung findet nach ihrem Art. 76 seit dem 18.06.2011 Anwendung. Die dafür zunächst notwendige Anwendbarkeit des Haager Protokolls vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Haager Protokoll von 2007) war für die Union zu diesem Zeitpunkt gegeben. Zwar war das Haager Protokoll von 2007 am 18.06.2011 mangels hinreichender Anzahl von Ratifikationen völkerrechtlich noch nicht in Kraft, jedoch ist seine vorläufige Anwendbarkeit innerhalb der Union durch Ratsbeschluss48 angeordnet worden. Die Unterhaltsverordnung regelt Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen, und betrifft somit auch scheidungsbedingte Unterhaltspflichten. Insofern ergänzt sie die Rom III-Verordnung, die das Scheidungsfolgenrecht und somit auch Fragen des scheidungsbedingten Unterhalts vollständig ausklammert, sodass Kollisionen zwischen beiden Verordnungen nicht bestehen. Allerdings enthält die Unterhaltsverordnung keine eigenen Kollisions43

Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 23 Rom I-VO Rn. 8; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 23 Rom I-VO Rn. 13. 44 MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 23 Rom I-VO Rn. 13. 45 MünchKomm/Martiny, BGB, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 12. 46 ABlEU Nr. L 7 vom 10.01.2009, S. 1 ff. 47 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, S. 1 (13) mit Fn. 143. 48 Art. 4 Abs. 2 des Beschlusses des Rates vom 30.11.2009 über den Abschluss des Protokolls, ABlEU Nr. L 331 vom 16.12.2009, S. 17.

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Erstes Kapitel: Einleitung

normen, sondern verweist insoweit (deklaratorisch) auf das Haager Protokoll von 2007. Gemäß Art. 15 EuUnthVO bestimmt sich daher das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sind,49 nach jenem Protokoll. Dabei stellt der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten das wichtigste Anknüpfungsmoment dar, das jedoch von einem System der Ersatzanknüpfungen ergänzt wird.50 Danach wird dem Unterhaltsgläubiger häufig ein Ersatzrecht zur Verfügung gestellt, wenn das vorrangig anzuwendende Recht keinen Unterhaltsanspruch vorsieht.51 IV. Erbrechtsverordnung Die im Juli 2012 erlassene Erbrechtsverordnung52 ist im August 2012 für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks sowie des Vereinigten Königreichs und Irlands53 in Kraft getreten.54 Anwendbar ist die Verordnung jedoch erst auf Erbfälle, die nach dem 16.08.2015 eintreten.55 Anders als die Verordnungen Rom I und Rom II beinhaltet die Erbrechtsverordnung nicht nur kollisionsrechtliche Vorschriften, sondern betrifft, wie die Unterhaltsverordnung, auch das internationale Zivilverfahrensrecht und regelt unter anderem die Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Anders als die Unterhaltsverordnung enthält die Erbrechtsverordnung jedoch eigene, vom Unionsgesetzgeber selbst geschaffene Kollisionsnormen. Diese knüpfen bei der objektiven Bestimmung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Todeszeitpunkt an; zudem existiert eine Ausweichklausel für den Fall, dass zu einem anderen Staat eine offensichtlich engere Verbindung des Erblassers besteht.56 Zugleich erhält der Erblasser die Möglichkeit, das objektiv anwendbare Recht zugunsten eines 49

Das Haager Unterhaltsprotokoll gilt für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreichs, Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, S. 1 (12) mit Fn. 139. 50 Gruber in FS Spellenberg, S. 177 (182). 51 Gruber in FS Spellenberg, S. 177 (182). 52 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABlEU Nr. L 201 vom 27.07.2012, S. 107 ff. 53 Das Vereinigte Königreich und Irland haben von der ihnen durch das Protokoll Nr. 21 zum EUV und AEUV eingeräumten opt in-Möglichkeit bisher keinen Gebrauch gemacht, vgl. Erwägungsgrund Nr. 82 EuErbVO. 54 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (6). 55 Vgl. Art. 83 Abs. 1, Art. 84 Abs. 2 EuErbVO. 56 Vgl. Art. 21 EuErbVO.

§ 2 Die Rom III-Verordnung im Kontext des europäischen Rechts

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seiner Heimatrechte abzuwählen.57 Zwar bestimmen die Kollisionsnormen der Erbrechtsverordnung ausschließlich das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht und betreffen somit keine unmittelbar mit der Ehescheidung in Zusammenhang stehenden Fragen, sodass es hinsichtlich der Anwendungsbereiche nicht zu Überschneidungen mit der Rom IIIVerordnung kommt. Dennoch kann die Erbrechtsverordnung nicht nur wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs, der zwischen dem Erlass der Erbrechtsverordnung und der Entstehung der Rom III-Verordnung besteht, sondern insbesondere auch vor dem Hintergrund der inhaltlichen Parallelen, die beide Verordnungen bei der Ausgestaltung der Kollisionsnormen aufweisen, auch für die Auslegung und Interpretation der Rom III-Verordnung hilfreich und von Bedeutung sein und sollte daher vor allem auch im Hinblick auf die anzustrebende Kohärenz des europäischen Kollisionsrechts entsprechend berücksichtigt werden. V. Verordnungsvorschläge Neben den bestehenden Verordnungen war die Europäische Kommission auch in weiteren Bereichen des internationalen Familienrechts tätig und hat unter anderem Verordnungsvorschläge zum Ehegüterrecht und zu den vermögensrechtlichen Wirkungen eingetragener Partnerschaften vorgelegt, die ebenfalls von der Rom III-Verordnung abzugrenzen sind. 1. Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht Im März 2011 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts58 vorgelegt. Der Verordnungsvorschlag, der ausschließlich das internationale Privat- und Verfahrensrecht betrifft und keine Sachnormen beinhaltet, soll zur Klärung der Vermögensverhältnisse bei internationalen Paaren beitragen.59 Anwendungsbereich der künftigen Verordnung soll der eheliche Güterstand sein. Davon erfasst sind sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen, die im Verhältnis der Ehegatten untereinander sowie zwischen ihnen und Dritten gelten. Dies bezieht sich nicht nur auf den ehelichen Güterstand im engeren Sinn, sondern auch auf die vermögensrechtlichen Ehefolgen, die vom Recht der allgemeinen Ehewirkungen umfasst sind, wie zum Beispiel der Schutz der Ehewohnung oder die Haftung für Haushaltsschulden.60 Da die vermögensrechtlichen Ehefolgen jedoch gemäß Art. 1 Abs. 2 57

Vgl. Art. 22 EuErbVO. KOM (2011) 126 endgültig. 59 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1435). 60 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1435); vertiefend Martiny, IPRax 2011, S. 437 (443 ff.). 58

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Erstes Kapitel: Einleitung

lit. e) Rom III-VO ausdrücklich nicht vom Anwendungsbereich der Rom IIIVerordnung erfasst sind, kommt es nicht zu Überschneidungen zwischen dem Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlages und dem der Rom IIIVerordnung. Ähnlich wie die Unterhaltsverordnung betrifft der Verordnungsvorschlag einen Regelungsgegenstand, der von der Rom III-Verordnung ausgenommen ist, und ergänzt somit das europäische Kollisionsrecht in bisher nicht geregelten Bereichen des internationalen Familienrechts.61 2. Verordnungsvorschlag zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften Zeitgleich mit dem Vorschlag zum Ehegüterrecht hat die Kommission auch einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich eingetragener Partnerschaften62 eingebracht. Der Verordnungsvorschlag schließt sowohl gleichgeschlechtliche als auch verschiedengeschlechtliche Partnerschaften ein, die durch Eintragung bei einer Behörde begründet werden.63 Der Anwendungsbereich verläuft parallel zum Ehegüterrecht und umfasst sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen, die im Verhältnis der Partner untereinander sowie zwischen ihnen und Dritten gelten und die sich unmittelbar aus der Eintragung der Partnerschaft ergeben.64 Die vorgeschlagene Verordnung betrifft jedoch ausschließlich das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft und schließt sowohl faktische Partnerschaften als auch Ehen von ihrem Anwendungsbereich aus. Somit sind auch bei diesem Verordnungsvorschlag keine Auswirkungen auf den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung ersichtlich, die wiederum ausschließlich für Ehen gilt.

§ 3 Ziel und Aufbau der Arbeit § 3 Ziel und Aufbau der Arbeit

Aus Anlass der Reform des internationalen Scheidungsrechts durch die Rom III-Verordnung widmet sich diese Arbeit dem Scheidungskollisionsrecht in der Europäischen Union, wie es sich nach Inkrafttreten der Rom IIIVerordnung darstellt. Dabei soll vor allem, jedoch nicht ausschließlich, die neugeschaffene Verordnung analysiert und bewertet werden, was den zweiten Teil der Arbeit einnimmt und zugleich deren Schwerpunkt bildet. Im dritten Teil der Arbeit werden sodann die verbliebenen nationalen Kollisionsrechte der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten behandelt. Dabei sollen unter ande61

Martiny, IPRax 2011, S. 437 (443). KOM (2011) 127 endgültig. 63 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1437). 64 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1437); vertiefend Martiny, IPRax 2011, S. 437 (454 ff.). 62

§ 3 Ziel und Aufbau der Arbeit

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rem die Motive beleuchtet werden, die dafür verantwortlich waren, dass manche Mitgliedstaaten von einem Beitritt zur Verordnung abgesehen haben. Es wird also zu erörtern sein, warum sich mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter das Vereinigte Königreich und die skandinavischen Staaten, gegen die Rom III-Verordnung gestellt haben. Insbesondere ist zu fragen, welche spezifischen juristischen und praktischen Probleme die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Rom III-Verordnung sehen und inwieweit diese Bedenken einer weiteren Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts dauerhaft entgegenstehen könnten. Im abschließenden vierten Teil setzt sich die Arbeit mit den Prinzipien der Rom III-Verordnung auseinander und geht der Frage nach, inwieweit die mit der Verordnung verfolgten rechtspolitischen Ziele erreicht werden konnten und können. Außerdem wird sich die Arbeit in gebotener Kürze mit weiteren Vereinheitlichungsbestrebungen im internationalen Familienrecht beschäftigen und einen Ausblick auf künftige Entwicklungen im europäischen Kollisionsrecht wagen. Auf diese Weise soll die Arbeit insgesamt einen Beitrag zur europaweiten Diskussion über die Möglichkeiten, Probleme und Grenzen der Vereinheitlichung kollisionsrechtlicher Vorschriften im Bereich des internationalen Familienrechts leisten und dabei auch die verschiedenen, auf unterschiedlichen gesellschaftlichen und juristischen Hintergründen beruhenden nationalen Positionen berücksichtigen. Sie verfolgt das Ziel, nicht nur Probleme und Reformbedarf der neuen Verordnung, sondern auch Gemeinsamkeiten und Kompromissmöglichkeiten im Hinblick auf die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten aufzuzeigen, um die Weiterentwicklung des europäischen Kollisionsrechts im Bereich des Familienrechts zu befördern.

Zweites Kapitel

Neues Unionskollisionsrecht: Die Rom III-Verordnung Die Rom III-Verordnung ist die erste kollisionsrechtliche Verordnung der Europäischen Union auf dem Gebiet des internationalen Eherechts und regelt in insgesamt 21 Artikeln das auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht. Sie ersetzt damit seit dem 21.06.2012 die entsprechenden autonomen Kollisionsvorschriften der teilnehmenden Mitgliedstaaten und bringt dabei inhaltlich einige grundlegende Neuerungen mit sich. So unterliegt die Ehescheidung nunmehr vorrangig dem Recht des Staates, das die Ehegatten anhand vorgegebener Kriterien gewählt haben. Mangels Existenz einer solchen Rechtswahl ist in erster Linie der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten für die Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblich, während eine etwaige gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten nur noch nachrangig zu berücksichtigen ist und hilfsweise die lex fori zur Anwendung kommt. Da die Rom III-Verordnung außerdem die erste rein kollisionsrechtliche Verordnung im Bereich des internationalen Familienrechts ist und zugleich als erster Anwendungsfall des Instruments der Verstärkten Zusammenarbeit erlassen wurde, ist jedoch zunächst auf die europarechtlichen Grundlagen der Rom III-Verordnung einzugehen, bevor ihr Anwendungsbereich dargestellt und die Vorschriften zur Bestimmung des anwendbaren Rechts untersucht werden sollen.

Abschnitt A: Grundlagen der Rom III-Verordnung Die Rom III-Verordnung findet ihre Rechtsgrundlage in den Europäischen Verträgen. Zu beachten sind diesbezüglich insbesondere das Kompetenzgefüge zwischen Union und Mitgliedstaaten und die Regelungen zur Verstärkten Zusammenarbeit, nach denen die Verordnung als erstes Instrument in der Geschichte der Union erlassen wurde.

§ 1 Unionskompetenz zum Erlass der Rom III-Verordnung § 1 Unionskompetenz

Voraussetzung für den Erlass von Unionsmaßnahmen jeder Art ist das Bestehen einer entsprechenden Kompetenz zugunsten der Union. Gemäß Art. 5 Abs. 2 EUV fungiert dabei das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung

§ 1 Unionskompetenz

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als Grundkonzept für die Abgrenzung der Unionszuständigkeiten von jenen der Mitgliedstaaten. Demnach darf die Union immer nur dann tätig werden, wenn die Mitgliedstaaten ihr eine entsprechende Ermächtigung in Form eines Kompetenztitels eingeräumt haben.1 Für die Ausübung der Unionskompetenz sind sodann das Subsidiaritätsprinzip und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten.2 I. Ermächtigungsgrundlage: Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV Als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Rom III-Verordnung kommt Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV in Betracht, der zu Maßnahmen berechtigt, die die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen sicherstellen sollen, und damit die Angleichung des internationalen Privatrechts umfasst.3 Allerdings können die Kompetenztitel des Art. 81 Abs. 2 AEUV nur „für die Zwecke des Absatzes 1“ der Norm in Anspruch genommen werden, also zur Entwicklung einer justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug, die auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen beruht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Rom III-Verordnung, die die Angleichung von Rechtsvorschriften und nicht die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen zum Gegenstand hat, den Zwecken des Art. 81 Abs. 1 AEUV widerspricht, denn Art. 81 Abs. 1 Satz 2 AEUV stellt ausdrücklich klar, dass sich die justizielle Zusammenarbeit auch auf die Rechtsangleichung erstrecken kann und insofern weder durch den vorrangig zu beachtenden Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung noch durch Art. 114 AEUV eingeschränkt wird.4 Auch die Begrenzung der Unionskompetenz auf Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug ist im Hinblick auf die Rom III-Verordnung unproblematisch, denn die Verordnung erfasst nur Scheidungen mit Auslandsbezug und betrifft somit ausschließlich Sachverhalte, die Berührungspunkte zu mehreren Rechtsordnungen aufweisen. Da der grenzüberschreitende Bezug zudem weit auszulegen ist und keinen expliziten Binnenmarktbezug erfordert, sondern grenzüberschreitende Sachverhalte aller Art umfasst,5 begründet ferner die Tatsache, dass die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung auch 1 Schwarze/Lienbacher, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 6; Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 6. 2 Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 5. 3 Calliess/Ruffert/Rossi, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 22; Schwarze/Stumpf, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 17; Lardeux, RD 2011, S. 1835 (1836). 4 Schwarze/Stumpf, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 7; Calliess/Ruffert/Rossi, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 6. 5 Calliess/Ruffert/Rossi, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 12; Roth in Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 11 (22); a.A. Schwarze/Stumpf, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 12.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

auf Sachverhalte mit Drittstaatenbezug anwendbar sind, keinen Widerspruch zu den Zwecken des Art. 81 Abs. 1 AEUV. Darüber hinaus ergeben sich auch aus der Binnenmarktklausel des Art. 81 Abs. 2 AEUV, wonach Maßnahmen insbesondere dann erlassen werden dürfen, wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, keine Einschränkungen der Unionskompetenz im Hinblick auf die universelle Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung, denn während der Binnenmarktbezug in der Vorgängerregelung des Art. 81 AEUV noch als Binnenmarkterfordernis formuliert war,6 stellt er nunmehr ein bloßes Regelbeispiel dar.7 Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz der Union, wie sie noch für die Verordnungen Rom I und Rom II sowie für den ersten Rom IIIEntwurf8 im Hinblick auf das Binnenmarkterfordernis des Art. 65 EGV von einigen EU-Mitgliedstaaten9 vorgebracht worden sind, dürften daher inzwischen hinfällig geworden sein10 und sind für die aktuelle Rom III-Verordnung ohne Belang. II. Subsidiarität Zu prüfen ist zudem, ob die Union im konkreten Fall auch Gebrauch von der ihr zustehenden Kompetenz machen darf. Maßstab dafür ist das in Art. 5 Abs. 3 EUV verankerte Subsidiaritätsprinzip, das für alle Maßnahmen gilt, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen. Der Erlass der Rom III-Verordnung fällt gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. j) AEUV in den Bereich der geteilten Zuständigkeit und unterliegt daher dem Subsidiaritätsprinzip. Somit darf die Union gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV nur tätig werden, „sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können“ und die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene 6 Art. 65 EGV: “[…] soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind […]“. 7 Calliess/Ruffert/Rossi, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 13; Roth in Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 11 (21). 8 Vorschlag der Kommission vom 17.7.2006 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, KOM (2006) 399 endgültig. 9 So z.B. das Vereinigte Königreich, siehe House of Lords, European Union Committee, Rome III – Choice of Law in Divorce, S. 10 Rn. 27. Zweifel hatten auch die niederländische und die tschechische Regierung, vgl. Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 202 ff. m.w.N. in Fn. 20. 10 Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom II-VO Rn. 3 mit Fn. 7; Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 2 Rom I-VO Rn. 3; vgl. auch Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 133.

§ 1 Unionskompetenz

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besser zu verwirklichen sind als auf nationaler Ebene. Demnach ist ein Tätigwerden der Union angezeigt, wenn dem Unionshandeln gegenüber einem Tätigwerden der Mitgliedstaaten ein qualitativer oder quantitativer Mehrwert zukommt.11 Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die angestrebte Maßnahme transnationale Aspekte aufweist, die durch die Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend geregelt werden können,12 und ein Handeln der Union aufgrund der Art, Größe und Schwere des Problems sowie der Betroffenheit mehrerer oder aller Mitgliedstaaten wirkungsvoller ist als einzelstaatliche Maßnahmen.13 Das der Rom III-Verordnung zugrundeliegende Problem des forum shopping und die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts betreffen mehrere Mitgliedstaaten und besitzen einen grenzüberschreitenden Charakter. Die einzelnen Mitgliedstaaten verfügen nicht über geeignete Mittel, um den Wettlauf zu den Gerichten zu begrenzen oder zu verhindern,14 denn ihnen steht nur die Möglichkeit offen, nationale Gesetze zu erlassen, die das Problem jedoch nicht zu lösen vermögen, sondern gerade hervorrufen. Unkoordinierte nationale Gesetzgebung führt aufgrund ihrer territorial begrenzten Wirkung zu den international uneinheitlichen Regelungen, die die Ursache des von der Verordnung in den Blick genommenen Problems darstellen, sodass Regelungen auf nationaler Ebene hier nicht zielführend sind. Darüber hinaus stellt auch ein etwaiges Tätigwerden der Mitgliedstaaten auf völkerrechtlicher Ebene keine brauchbare Handlungsalternative dar,15 denn ein solches Vorgehen stünde nicht nur im Widerspruch zum Integrationsprinzip der Union, sondern würde durch die Umgehung des Europäischen Parlaments auch einen Verlust demokratischer Legitimation bedeuten.16 Da die mit der Rom III-Verordnung verfolgten Ziele durch ein Tätigwerden auf nationaler Ebene also nicht zu verwirklichen sind, die Union durch den Erlass der Maßnahme aber zumindest eine teilweise Vereinheitlichung des Kollisionsrechts und damit eine Eindämmung des Wettlaufs zu den Gerichten erreicht, ist ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip nicht ersichtlich.17 III. Verhältnismäßigkeit Neben dem Subsidiaritätsprinzip bestimmt auch der in Art. 5 Abs. 4 EUV normierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Kompetenzausübung der 11

Schwarze/Lienbacher, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 25; Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 40. 12 Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 34. 13 Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 42; Schwarze/Lienbacher, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 25. 14 Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 154. 15 Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 39. 16 Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 34. 17 Vgl. auch Fiorini, IJLPF 2008, S. 178 (185).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Union. Demnach dürfen die Maßnahmen der Union inhaltlich und formal das für die Erreichung der Ziele der Verfassung erforderliche Maß nicht übersteigen.18 Auf der dritten Stufe der Kompetenzprüfung ist daher die Frage nach Art, Umfang und Intensität der zulässigen Maßnahme zu stellen, also die Frage danach, wie die Union handeln soll.19 Diesbezüglich stellt Art. 5 Abs. 4 EUV klar, dass bei der Kompetenzausübung durch die Union sowohl in formeller Hinsicht, das heißt in Bezug auf die Wahl der Handlungsform, als auch inhaltlich das mildeste Mittel zu wählen ist. In Anbetracht der mit der Rom III-Verordnung verfolgten Ziele ist die von der Union gewählte Handlungsform der Verordnung das mildeste Mittel. Eine unverbindliche Maßnahme wäre zur Verhinderung von forum shopping nicht geeignet, weil das Problem durch uneinheitliche gesetzliche Regelungen hervorgerufen wird. Eine Lösung kann daher nur durch Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, also durch eine gesetzgeberische Maßnahme erfolgen. Der Erlass einer umsetzungsbedürftigen Richtlinie wäre jedoch im Falle der Rom III-Maßnahme nicht zielführend, denn Spielraum bei der Umsetzung der Richtlinie würde das Problem der uneinheitlichen Kollisionsnormen nicht lösen.20 Da es sich bei der Rom III-Verordnung um eine Maßnahme zur Rechtsvereinheitlichung handelt, kann diese ihre Wirkung nur entfalten, wenn die betreffenden Regelungen in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten möglichst unterschiedslos gelten. Die mitgliedstaatliche Souveränität wird dabei im Falle der Rom III-Verordnung durch die Wahl des Verfahrens der Verstärkten Zusammenarbeit in besonderem Maße gewahrt, weil den Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Teilnahme an der Verordnung selbst überlassen bleibt. Auch inhaltlich verstößt die Rom III-Verordnung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Andere Maßnahmen, die im Vergleich zur Rechtsvereinheitlichung die Souveränität der Mitgliedstaaten stärker wahren, würden im Hinblick auf die Ziele der Verordnung nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Dem Phänomen des forum shopping lässt sich nur wirksam durch Vereinheitlichung von Sach- oder Kollisionsnormen begegnen oder durch äußerst restriktive Gerichtsstandsregelungen im internationalen Zivilverfahrensrecht, die den Betroffenen keinerlei Wahlmöglichkeiten lassen. Angesichts dieser Alternativen stellt die Vereinheitlichung von Kollisionsnormen das insgesamt schonendste und daher inhaltlich mildeste Mittel dar. Die Kompetenzausübung der Union wahrt somit im Falle der Rom III-

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Wagner, IPRax 2007, S. 290 (291); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 118. 19 Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rn. 44. 20 Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 133.

§ 2 Verstärkte Zusammenarbeit

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Verordnung sowohl inhaltlich als auch formell den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 5 Abs. 4 EUV.21

§ 2 Verstärkte Zusammenarbeit § 2 Verstärkte Zusammenarbeit

Die Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 Abs. 2 AEUV normiert Kompetenzen, die die Union gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. j) AEUV als geteilte Zuständigkeit nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 2 AEUV ausüben kann. Die darauf gestützten Maßnahmen werden grundsätzlich im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV erlassen. Eine Ausnahme stellen jedoch Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug dar. Für diese Maßnahmen gilt gemäß Art. 81 Abs. 3 AEUV ein besonderes Gesetzgebungsverfahren, bei dem der Rat unter Anhörung des Europäischen Parlaments einen einstimmigen Beschluss fassen muss. Diese Besonderheit ist darin begründet, dass das Familienrecht kulturell sehr viel stärker durch die Mitgliedstaaten geprägt ist als das übrige Zivil(verfahrens)recht.22 Es war deshalb ein wichtiges Anliegen der Vertragsstaaten, in diesem Bereich vom Prinzip der Mehrheitsentscheidung im Rat abzurücken, um die nationale Identität zu wahren und Werte und Traditionen vor einem ungewollten Eingriff durch die Union zu schützen.23 Für den Erlass einer unionsweit geltenden Verordnung zur Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts wäre somit gemäß Art. 81 Abs. 3 AEUV die Zustimmung aller an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen uneingeschränkt beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union erforderlich gewesen.24 Diese notwendige Einstimmigkeit konnte jedoch für den entsprechenden Verordnungsvorschlag nicht erzielt werden.25 Um dennoch auf dem Gebiet des internationalen Scheidungsrechts voranzukommen und zumindest eine teilweise Vereinheitlichung der Scheidungskollisions-

21 Vgl. auch Roth in Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 11 (26); a.A. wohl Hodson, IFL 2011, S. 65 (67); zweifelnd auch House of Lords, European Union Committee, Rome III – choice of law in divorce, S. 11 Rn. 30. 22 Calliess/Ruffert/Rossi, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 35; Wagner, IPRax 2007, S. 290 (291). 23 Calliess/Ruffert/Rossi, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 35; Borg-Barthet, JPIL 2012, S 359 (369). 24 Dänemark, das Vereinigte Königreich und Irland beteiligen sich nicht beziehungsweise nicht uneingeschränkt an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, siehe Schwarze/Stumpf, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 5; Kohler, FPR 2008, S. 193 (194); siehe auch unten (Drittes Kapitel). 25 Pressemitteilung des Rates über die 2873. Tagung des Rates Justiz und Inneres am 5./6. Juni 2008, C/08/146, S. 22.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

normen innerhalb der Europäischen Union zu erreichen, verblieb daher nur ein Rückgriff auf die Regelungen zur Verstärkten Zusammenarbeit. Bei der Verstärkten Zusammenarbeit handelt es sich um ein Instrument der flexiblen oder differenzierten Integration,26 das einem kleineren Kreis von Unionsstaaten ermöglichen soll, in der Integration weiter voranzuschreiten, auch wenn sich nicht alle Mitgliedstaaten auf einen entsprechenden Schritt verständigen können.27 Die differenzierte Integration bewegt sich dabei stets im Spannungsfeld zwischen Integrationsfortschritt um den Preis einheitlicher Integration auf der einen Seite und Rechtseinheit in der Union mit der Gefahr integrationspolitischer Stagnation auf der anderen.28 Diesem Spannungsverhältnis soll durch verschiedene Zulässigkeitsvoraussetzungen und Verfahrensabsicherungen für die Verstärkte Zusammenarbeit Rechnung getragen werden.29 I. Voraussetzungen Die Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit unterliegt sowohl den Voraussetzungen des Art. 20 EUV als auch den Bestimmungen der Art. 326 bis 328 AEUV. Die Vorschriften enthalten die materiellen und formellen Voraussetzungen der Verstärkten Zusammenarbeit und legen zudem die Schranken ihrer Anwendbarkeit fest.30 1. Materielle Voraussetzungen Ein Tätigwerden im Wege einer Verstärkten Zusammenarbeit ist nur in den engen Grenzen des Art. 20 EUV möglich, der insoweit den Handlungsrahmen der Union im Bereich der differenzierten Integration vorgibt. a) Keine ausschließliche Zuständigkeit der Union Gemäß Art. 20 Abs. 1 EUV kann eine Verstärkte Zusammenarbeit nur im Rahmen der nicht ausschließlichen Zuständigkeiten der Union aufgenommen werden. Sie kommt also nur im Bereich der geteilten, koordinierenden oder unterstützenden Kompetenzen der Union in Betracht.31 Da Maßnahmen nach Art. 81 AEUV gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. j) AEUV in den Bereich der geteilten 26

Zur Terminologie siehe Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 1 ff. und Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 5 ff. 27 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 80; Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 3. 28 Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 2. 29 Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 14. 30 Ausführlich zum Verfahren der Verstärkten Zusammenarbeit und seiner Voraussetzungen auch Zeitzmann, ZEuS 2011, S. 87 ff. 31 Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 22.

§ 2 Verstärkte Zusammenarbeit

21

Zuständigkeit fallen, konnte somit für das Rom III-Vorhaben eine Verstärkte Zusammenarbeit begründet werden. b) Ausrichtung auf die Ziele der Union Nach Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 EUV muss die Verstärkte Zusammenarbeit darauf ausgerichtet sein, die Verwirklichung der Ziele der Union zu fördern, ihre Interessen zu schützen und ihren Integrationsprozess zu stärken. Durch diese Anforderung soll sichergestellt werden, dass durch die Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit nicht vom Integrationsprogramm und vom primären Unionsrecht abgewichen wird, denn die Verstärkte Zusammenarbeit ist ausschließlich als Mittel zum weiteren Voranschreiten im Integrationsprozess konzipiert und ermöglicht keine Rücknahme von bereits erzielten Integrationsfortschritten.32 Die Verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des internationalen Scheidungsrecht fördert den Integrationsprozess, indem sie die durch den Erlass der Verordnungen Rom I und Rom II bereits begonnene Entwicklung eines europäischen Kollisionsrechts fortsetzt und ein weiteres Voranschreiten auf dem Gebiet der Kollisionsrechtsvereinheitlichung ermöglicht. Ein Abweichen vom Integrationsprogramm der Union und von den Vertragszielen der Union ist daher durch den Erlass der Rom III-Verordnung nicht zu befürchten.33 c) Verstärkte Zusammenarbeit als letztes Mittel Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 EUV dient die Verstärkte Zusammenarbeit als letztes Mittel für den Fall, dass der Rat zu der Feststellung gelangt, dass die mit der Verstärkten Zusammenarbeit verfolgten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können. Ob und wann diese Voraussetzung für die Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit erfüllt ist, hängt unter anderem von dem Verfahren ab, das für die Beschlussfassung normalerweise gilt, es muss aber zumindest versucht worden sein, ein gemeinsames Handeln herbeizuführen.34 Abgesehen davon sollte den Unionsorganen und den betroffenen Mitgliedstaaten jedoch ein weiter Spielraum bei der Beurteilung der Frage zugestanden werden, ob ein Vorhaben im Rahmen des ursprünglich anvisierten, „normalen“ Gesetzgebungsverfahrens verwirklicht werden kann.35 Auch im Fall der Rom III-Verordnung wurde zunächst die unionsweite Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts von der Union angestrebt und dazu auch bereits im Jahr 2006 ein konkreter Verordnungsvorschlag von 32 Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 23; Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 17. 33 Vgl. Pocar, IFL 2012, S. 24 (26); Andrae, FPR 2010, S. 505 (506). 34 Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 24. 35 Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 19.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

der Kommission vorgelegt.36 Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand einzelner Staaten, die nicht bereit waren, den vorgeschlagenen gemeinsamen Kollisionsregeln zuzustimmen.37 Dementsprechend gelangte der Rat der Europäischen Union auf seiner Tagung vom 5./6. Juni 2008 zu der Feststellung, dass die notwendige Einstimmigkeit für einen entsprechenden Verordnungsvorschlag nicht erzielt werden könne und dass es unüberwindbare Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten gebe, die in absehbarer Zukunft eine einstimmige Annahme des Verordnungsvorschlages unmöglich machen würden.38 Da die Ziele der angestrebten Verordnung somit unter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Verträge nicht in einem vertretbaren Zeitraum verwirklicht werden konnten, kam als ultima ratio zur Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts auf europäischer Ebene nur eine Verstärkte Zusammenarbeit in Betracht. d) Offenheit der Verstärkten Zusammenarbeit Art. 20 Abs. 1 EUV betont in seinem UAbs. 2 S. 2 ausdrücklich, dass die Verstärkte Zusammenarbeit allen Mitgliedstaaten jederzeit offensteht und verweist diesbezüglich auch auf Art. 328 Abs. 1 AEUV, der das Prinzip der Offenheit der Verstärkten Zusammenarbeit normiert. Durch den Grundsatz der Offenheit soll zum einen der grundsätzlich vorübergehende Charakter der Verstärkten Zusammenarbeit zum Ausdruck kommen,39 die im Sinne des Konzepts einer abgestuften Integration „Motor“ einer vollständigen Integration in ihrem jeweiligen Regelungsbereich sein soll. Andererseits soll durch die Offenheit verhindert werden, dass sich die enger kooperierenden Staaten uneinholbar von den übrigen Mitgliedstaaten absondern.40 Dies kann nur erreicht werden, wenn die Verstärkte Zusammenarbeit allen Mitgliedstaaten jederzeit, das heißt sowohl bei der Begründung der Verstärkten Zusammenarbeit als auch zu jedem späteren Zeitpunkt, offensteht. Auch für die Rom IIIVerordnung stand und steht die Teilnahme allen Mitgliedstaaten der Union sowohl bei der Begründung der Verstärkten Zusammenarbeit als auch für einen späteren Beitritt offen.41 So hat beispielsweise Litauen bereits kurz 36

Vorschlag der Kommission vom 17.7.2006 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, KOM (2006) 399 endgültig. 37 Pressemitteilung des Rates über die 2873. Tagung des Rates Justiz und Inneres am 5./6. Juni 2008, C/08/146, S. 22. 38 Erwägungsgrund Nr. 5 Rom III-VO; Pressemitteilung des Rates über die 2873. Tagung des Rates Justiz und Inneres am 5./6. Juni 2008, C/08/146, S. 22. 39 Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 328 EUV Rn. 1. 40 Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 27. 41 Erwägungsgrund Nr. 15 des Beschlusses des Rates vom 12. Juli 2010 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung

§ 2 Verstärkte Zusammenarbeit

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nach Inkrafttreten der Rom III-Verordnung von der Möglichkeit zum nachträglichen Beitritt Gebrauch gemacht und sich den ursprünglich 14 teilnehmenden Mitgliedstaaten angeschlossen.42 2. Formelle Voraussetzungen Über die materiellen Anforderungen hinaus enthält Art. 20 EUV auch einige formelle Voraussetzungen für die Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit, obschon das Verfahren zur Ermächtigung und Errichtung einer Verstärkten Zusammenarbeit detailliert in Art. 329 AEUV geregelt ist, auf den Art. 20 EUV insofern auch verweist. a) Mindestanzahl teilnehmender Mitgliedstaaten An der Verstärkten Zusammenarbeit müssen sich gemäß Art. 20 Abs. 2 EUV mindestens neun Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligen. Geographische Kriterien oder Anforderungen an die Repräsentanz einer bestimmten Bevölkerungszahl sind dabei nicht zu beachten, sodass sich eine Verstärkte Zusammenarbeit auch durch ausschließlich kleine oder geographisch nicht eng verbundene Mitgliedstaaten verwirklichen lässt. Da im Falle der Rom IIIVerordnung 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Verstärkte Zusammenarbeit begründet haben, sind die Bedingungen des Art. 20 EUV im Hinblick auf die Mindestteilnehmerzahl erfüllt. b) Beschluss durch den Rat Um die Verstärkte Zusammenarbeit zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten zu begründen, ist zudem gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 EUV ein Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit erforderlich, der für die Rom III-Verordnung am 12. Juli 201043 erlassen wurde. Dabei beschließt der Rat gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 EUV nach dem in Art. 329 AEUV vorgesehenen Verfahren.44

und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2010/405/EU), ABlEU Nr. L 189 vom 22.07.2010, S. 12 (13). 42 Vgl. Beschluss der Kommission vom 21. November 2012 zur Bestätigung der Teilnahme Litauens an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2012/714/EU), ABlEU Nr. L 323 vom 22.11.2012, S. 18 f. 43 Beschlusses des Rates vom 12. Juli 2010 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2010/405/EU), ABlEU Nr. L 189 vom 22.07.2010, S. 12 f. 44 Dazu sogleich unten (II.).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

3. Schranken Neben den Voraussetzungen des Art. 20 EUV sind für die Verstärkte Zusammenarbeit auch die sich aus Art. 326 und Art. 327 AEUV ergebenden Schranken zu beachten. Dementsprechend hat die Verstärkte Zusammenarbeit gemäß Art. 326 AEUV die Verträge und das Recht der Union zu achten und darf weder den Binnenmarkt noch den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union beeinträchtigen. Sie darf zudem für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten weder ein Hindernis noch eine Diskriminierung darstellen oder zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten führen. Gemäß Art. 327 AEUV dürfen die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten durch die Verstärkte Zusammenarbeit nicht beeinträchtigt werden. Andererseits dürfen die nichtteilnehmenden Staaten die Verstärkte Zusammenarbeit auch nicht behindern. Die durch den AEUV aufgestellten Schranken der Verstärkten Zusammenarbeit stehen der Rom III-Verordnung jedoch nicht entgegen. Die Verordnung steht im Einklang mit dem existierenden europäischen Recht und hat keine Auswirkungen auf den Besitzstand der Union. Die vor Erlass der Rom IIIVerordnung geschaffenen Unionsregelungen im Bereich des internationalen Familienrechts betreffen ausschließlich die internationale Zuständigkeit der Gerichte, die Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, nicht aber das anwendbare Recht, sodass Kollisionen insoweit nicht entstehen. Insbesondere stellen die Regelungen der Rom III-Verordnung aufgrund ihrer von der Staatsangehörigkeit der Beteiligten unabhängigen Anwendbarkeit keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV dar und achten auch in dieser Hinsicht das existierende Unionsrecht.45 Darüber hinaus ist eine Beeinträchtigung des Binnenmarktes bei der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des Scheidungskollisionsrechts nicht ersichtlich. Da die Rom III-Verordnung ausschließlich das internationale Familienrecht betrifft, ist zudem eine Beeinträchtigung von Handel und Wettbewerb nicht zu befürchten. Ferner achtet die Verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Rom III-Verordnung die Rechte, Befugnisse und Verpflichtungen der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten, indem diese weiterhin ihre innerstaatlichen Kollisionsnormen für Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes beibehalten und anwenden und die gemeinsamen Kollisionsnormen der teilnehmenden Mitgliedstaaten nicht in die Kollisionsnormen der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten eingreifen. Einschränkungen

45 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Juni 2010 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (09898/2/2010 – C7-0145/2010 – 2010/0066 (NLE)), ABlEU Nr. C 236 E vom 12.08.2011, S. 179 (180), Buchstabe M.

§ 2 Verstärkte Zusammenarbeit

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der Souveränität oder der Rechte der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten sind somit nicht erkennbar. II. Verfahren Als eine Maßnahme der differenzierten Integration findet die Verstärkte Zusammenarbeit innerhalb des institutionellen Rahmens der Union statt. Somit gelten auch für Rechtsakte und Beschlüsse, die im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit erlassen werden, grundsätzlich die allgemeinen unionsrechtlichen Verfahrensbestimmungen.46 Darüber hinaus finden sich jedoch spezielle Verfahrensvorschriften für die Verstärkte Zusammenarbeit in den Art. 329 bis 334 AEUV, die die Begründung und Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit sowie den Beitritt zur Verstärkten Zusammenarbeit betreffen und auch Fragen der Finanzierung regeln. 1. Begründung der Verstärkten Zusammenarbeit Das allgemeine Verfahren zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit ist in Art. 329 AEUV geregelt. Es beginnt mit einem Antrag der Mitgliedstaaten auf Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit, der an die Kommission zu richten ist und den Anwendungsbereich und die Ziele der beabsichtigten Zusammenarbeit benennen muss. Erst auf diesen Antrag hin kann die Kommission dem Rat einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, was dazu führt, dass das Initiativrecht der Kommission bei Maßnahmen der Verstärkten Zusammenarbeit stark begrenzt ist. Darüber hinaus muss die Kommission das Unterlassen eines Vorschlags begründen. Die Ermächtigung zur Einleitung einer Verstärkten Zusammenarbeit wird vom Rat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments in Beschlussform erteilt,47 wobei alle Mitgliedstaaten an der Abstimmung über die Ermächtigung zur Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen48 und der Rat den Beschluss gemäß Art. 16 Abs. 3 EUV mit qualifizierter Mehrheit trifft. 2. Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit Die institutionelle Verwirklichung und Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit, insbesondere die Abstimmungsmodalitäten im Rat, sind in Art. 330 AEUV geregelt. Art. 330 AEUV bestimmt, dass zwar alle Mitglieder des Rates an den Beratungen über die Verstärkte Zusammenarbeit teilnehmen können, jedoch nur die an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden

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Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 330 AEUV Rn. 2; Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 330 AEUV Rn. 1. 47 Siehe oben (I. 2. b)). 48 Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 329 AEUV Rn. 7.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Mitgliedstaaten stimmberechtigt sind.49 Bei einstimmig zu fassenden Beschlüssen kommt es daher gemäß Art. 330 S. 2 AEUV nur auf die Stimmen der an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten an. Soweit Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden können, gelten gemäß Art. 330 S. 3 AEUV ab dem 1.11.2014 die Quorumsregelungen des Art. 238 Abs. 3 AEUV. Vor diesem Stichtag ist das „Protokoll über die Übergangsbestimmungen“ zu beachten, das die Anforderungen für das Zustandekommen einer qualifizierten Mehrheit interimsweise regelt. 3. Beitritt zur Verstärkten Zusammenarbeit Art. 331 AEUV enthält Regelungen über den nachträglichen Beitritt zu einer bereits errichteten Verstärkten Zusammenarbeit. Grundsätzlich gilt für die Verstärkte Zusammenarbeit das Prinzip der Offenheit,50 dennoch müssen beitrittswillige Mitgliedstaaten ein Aufnahmeverfahren durchlaufen, um das reibungslose Funktionieren des bestehenden Instruments nicht zu gefährden.51 Dabei prüft die Kommission, ob die beitrittswilligen Mitgliedstaaten die Teilnahmebedingungen erfüllen und legt gegebenenfalls die für einen Beitritt erforderlichen Maßnahmen sowie eine angemessene Umsetzungsfrist fest. 4. Weitere Verfahrensregelungen Als Verfahrenserleichterung für die Verstärkte Zusammenarbeit enthält Art. 333 AEUV zudem zwei spezielle Brückenklauseln, die dem Rat zwei Möglichkeiten der impliziten Vertragsänderung eröffnen.52 So kann der Rat einerseits einen einstimmigen Beschluss gemäß Art. 330 AEUV dahingehend erlassen, dass er mit qualifizierter Mehrheit beschließt, obwohl die Bestimmungen der Verträge ursprünglich eine einstimmige Beschlussfassung vorsehen. Zudem kann der Rat einstimmig gemäß Art. 330 AEUV die Anwendung des allgemeinen statt eines ursprünglich vorgesehenen besonderen Gesetzgebungsverfahrens beschließen. Im Falle der Rom III-Verordnung hat der Rat von dieser Brückenklausel-Regelung keinen Gebrauch gemacht. Obwohl er vom Europäischen Parlament dazu aufgefordert wurde, einen Beschluss gemäß Art. 333 Abs. 2 AEUV zu erlassen,53 sodass dann für den Rom III49 Eine fast wortgleiche Regelung findet sich auch in Art. 20 Abs. 3 EUV, der hinsichtlich der Abstimmungsmodalitäten dann jedoch wieder auf Art. 330 AEUV verweist. 50 Siehe oben (I. 1. d)). 51 Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 331 AEUV Rn. 1. 52 Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 333 AEUV Rn. 1. 53 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Juni 2010 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (09898/2/2010 – C7-0145/2010 – 2010/0066(NLE)), ABlEU Nr. C 236 E vom 12.08.2011, S. 179 (181).

§ 2 Verstärkte Zusammenarbeit

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Verordnungsvorschlag das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gegolten hätte, ist der Rat dieser Aufforderung nicht gefolgt und hat die Rom IIIVerordnung wie von Art. 81 Abs. 3 AEUV vorgesehen in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen. Eine Verfahrensregelung im weiteren Sinne enthält zudem Art. 334 AEUV, der dem Rat und der Kommission aufträgt, sicherzustellen, dass die im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit durchgeführten Maßnahmen untereinander und mit der Politik der Union im Einklang stehen. Auf diese Weise sollen die Kohärenz des Unionshandelns gewährleistet und Widersprüche zwischen dem regulären Unionsrecht und dem Sonderrecht der Verstärkten Zusammenarbeit verhindern werden.54 III. Wirkungen und Rechtsfolgen Die im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit erlassenen Rechtsakte binden lediglich die an der Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten und haben somit nur einen eingeschränkten räumlichen Geltungsbereich.55 Sie zählen daher gemäß Art. 20 Abs. 4 EUV auch nicht zum Besitzstand der Union, der von beitrittswilligen Staaten angenommen werden muss. Für die teilnehmenden Mitgliedstaaten haben sie jedoch die gleiche Rechtsnatur und Wirkungsweise, die ihnen zukäme, wenn es sich um eine unionsweite Maßnahme handeln würde. Sie stellen somit sekundäres Unionsrecht56 dar, das Anwendungsvorrang vor nationalem Recht beansprucht und nach Maßgabe des Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbare Geltung hat. Gemäß Art. 20 Abs. 4 EUV sind die teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Anwendung aller Rechtsakte und Beschlüsse verpflichtet, die im Rahmen der Zusammenarbeit gefasst werden, denn eine partielle Teilnahme an der Verstärkten Zusammenarbeit ist nicht möglich.57 Darüber hinaus sind jedoch im Verhältnis zum regulären Sekundärrecht der Union einige Besonderheiten zu beachten. So sind die allgemeinen Vorrangregelungen der lex posterior und der lex specialis bei einer Kollision zwischen den Regelungen einer Verstärkten Zusammenarbeit und dem allgemeinen Sekundärrecht der Union nicht anwendbar, denn der Rat, der im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit handelt, ist nicht identisch mit dem regulären Rat, sodass kein gemeinsamer Normgeber für die Vorschriften

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Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 334 AEUV. Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 24; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 83. 56 Bei Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 83 als „sekundäres Sonderrecht“ bezeichnet. 57 Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 33. 55

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

existiert.58 Da die Verstärkte Zusammenarbeit jedoch gemäß Art. 20 Abs. 1 EUV i.V.m. Art. 326 AEUV die Verträge und das Recht der Union, mithin also auch das sekundäre Unionsrecht, zu achten hat, ergibt sich eine grundsätzliche Vorrangigkeit des regulären Sekundärrechts vor den Durchführungsmaßnahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit, wodurch der Besitzstand der Union vor einer Aufspaltung durch beschränkt geltende Sonderrechte geschützt wird.59

Abschnitt B: Der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung Der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung ist in räumlichpersönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht begrenzt und weist in vielen Bereichen Besonderheiten auf. So haben unter anderem die Verstärkte Zusammenarbeit und der kollisionsrechtliche Charakter der Verordnung weitreichende Konsequenzen im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Verordnung. Zudem ist auch das Verhältnis der Rom III-Verordnung zu anderen Rechtsquellen für die Abgrenzung und Beschreibung des Anwendungsbereichs der Verordnung von Bedeutung.

§ 1 Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich § 1 Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich

Hinsichtlich des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der Rom IIIVerordnung muss zwischen verschiedenen Aspekten unterschieden werden. Einerseits ist der Anwendungsbereich räumlich begrenzt auf die teilnehmenden Mitgliedstaaten, andererseits gilt die Verordnung universell im Hinblick auf die anwendbaren Rechte. In persönlicher Hinsicht gibt es grundsätzlich keinerlei Einschränkungen, die sich unmittelbar aus der Rom III-Verordnung ergeben, zu beachten ist diesbezüglich jedoch das Zusammenwirken mit der Brüssel IIa-Verordnung. I. Räumlicher Anwendungsbereich Der räumliche Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung ist begrenzt auf diejenigen Mitgliedstaaten, die sich an der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligen und im Folgenden als teilnehmende Mitgliedstaaten bezeichnet werden.60 Die Rom III-Verordnung gilt somit gemäß Art. 3 Nr. 1 Rom III-VO in 58 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 83; Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 34. 59 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 83; Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 34 f. 60 Siehe dazu auch Erwägungsgrund Nr. 11 Rom III-VO.

§ 1 Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich

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Verbindung mit dem Beschluss 2010/405/EU des Rates vom 12. Juli 201061 zunächst für und in 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die untereinander die Verstärkte Zusammenarbeit begründet haben. Diese teilnehmenden Mitgliedstaaten sind Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn. Darüber hinaus ist der räumliche Anwendungsbereich der Verordnung gemäß Art. 3 Nr. 1 Rom III-VO erweiterbar durch den Beitritt weiterer Mitgliedstaaten zur Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts. Ein solcher Beitritt auf Grundlage von Art. 328 Abs. 1 und Art. 331 Abs. 1 AEUV62 wurde für Litauen mit Beschluss vom 21. November 201263 und für Griechenland mit Beschluss vom 27. Januar 201464 durch die Kommission bestätigt. Die Rom III-Verordnung gilt damit gemäß Art. 4 dieser Beschlüsse ab dem 22. Mai 2014 auch für Litauen und ab dem 29. Juli 2015 auch für Griechenland. Für die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist ein Beitritt zur Rom III-Verordnung ebenfalls jederzeit möglich. II. Universelle Anwendung Von der Frage des räumlichen Geltungsbereichs ist die universelle Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung zu unterscheiden.65 Gemäß Art. 4 Rom IIIVO ist das durch die Verordnung bestimmte Recht auch dann anzuwenden, wenn es sich hierbei nicht um das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaates handelt. Entsprechende Vorschriften finden sich auch in Art. 2 Rom I-VO und Art. 3 Rom II-VO. Die Kollisionsregeln der Rom-Verordnungen können somit sowohl auf das Recht eines Mitgliedstaates als auch das Recht eines Drittstaates verweisen und stellen deshalb sogenannte lois uniformes dar.66 Die Rom-Verordnungen enthalten also allseitiges Einheitskollisionsrecht, das 61 Beschluss des Rates vom 12. Juli 2010 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2010/405/EU), ABlEU Nr. L 189 vom 22.07.2010, S. 12 f. 62 Vgl. dazu oben Abschnitt A § 2 II. 3. 63 Beschluss der Kommission vom 21. November 2012 zur Bestätigung der Teilnahme Litauens an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2012/714/EU), ABlEU Nr. L 323 vom 22.11.2012, S. 18 f. 64 Beschluss der Kommission vom 27. Januar 2014 zur Bestätigung der Teilnahme Griechenlands an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2014/39/EU), ABlEU Nr. L 23 vom 28.01.2014, S. 41 f. 65 Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 33. 66 Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 2 Rom I-VO Rn. 1.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

ohne Gegenseitigkeitserfordernis auch gegenüber nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten und Drittstaaten zur Anwendung kommt.67 Hinsichtlich ihres universellen Charakters als loi uniforme folgt die Verordnung dabei einem im Kollisionsrecht fest verankertem Prinzip, das nicht nur in den zuvor erlassenen Verordnungen Rom I und Rom II, sondern auch in den Haager Übereinkommen und den innerstaatlichen Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten zu finden ist.68 Durch die Ausgestaltung der Verordnung als loi uniforme wird eine nach unionsinternen und drittstaatlichen Sachverhalten differenzierende Anknüpfung vermieden,69 was der Rechtssicherheit und der Übersichtlichkeit für den Rechtsanwender zugute kommt. Dies ist möglich, da neben der Kompetenz zur Regelung interner Sachverhalte auch eine Kompetenz der Union zur Regelung von Drittstaatensachverhalten besteht.70 III. Persönlicher Anwendungsbereich Da es, wie soeben dargestellt, für die Anwendbarkeit der Verordnung nur auf den Auslandsbezug einer Ehescheidung ankommt, werden von der Verordnung auch Fälle umfasst, in denen die Ehegatten keinen Wohnsitz in einem teilnehmenden Mitgliedstaat haben oder dessen Staatsangehörigkeit besitzen. Die Rom III-Verordnung gilt somit auch in persönlicher Hinsicht universell. Zu beachten sind jedoch die Einschränkungen, die sich aus den Gerichtsstandsregelungen der Brüssel IIa-Verordnung ergeben. Die Rom IIIVerordnung kommt somit immer (erst) dann zur Anwendung, wenn nach der Brüssel IIa-Verordnung ein Gerichtsstand für das Scheidungs- oder Trennungsverfahren in einem teilnehmenden Mitgliedstaat eröffnet ist.

§ 2 Sachlicher Anwendungsbereich § 2 Sachlicher Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung umfasst gemäß Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Vom Geltungsbereich der Verordnung nicht mit erfasst sind gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b) und lit. c) Rom III-VO Regelungen bezüglich des Bestehens, der Gültigkeit oder Ungültigkeit sowie der Anerkennung einer Ehe, auch wenn diese sich nur als Vorfragen im Zusammenhang mit einem 67

Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 2 Rom I-VO Rn. 1. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM (2003) 427 endgültig, S. 10; Rauscher/Unberath/ Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom II-VO Rn. 2; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 2 Rom I-VO Rn. 1. 69 Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (46); MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 2 Rom I-VO Rn. 1. 70 MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 2 Rom I-VO Rn. 1; siehe auch oben (Abschnitt A § 1 I.). 68

§ 2 Sachlicher Anwendungsbereich

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Verfahren betreffend die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes stellen. Nichtsdestotrotz ist das Vorliegen einer Ehe Voraussetzung für die Durchführung einer Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, denn nur eine Ehe kann im Rechtssinne geschieden werden.71 Ein Verfahren zur Scheidung einer Nichtehe wäre vor deutschen Gerichten unzulässig, da es schon an der Aktivlegitimierung des Antragstellers fehlen würde.72 Es muss also an dieser Stelle zunächst der Frage nachgegangen werden, wann eine Ehe im Sinne der Rom III-Verordnung besteht, auf deren Scheidung oder Trennung die Verordnung sodann Anwendung finden kann. I. Der Ehebegriff der Rom III-Verordnung Obwohl das Vorliegen einer Ehe für die Eröffnung des Anwendungsbereiches von zentraler Bedeutung ist, wird der Begriff der Ehe in der Rom IIIVerordnung nicht definiert. Art. 3 Rom III-VO enthält zwar Begriffsbestimmungen, jedoch ausschließlich für die Begriffe „teilnehmender Mitgliedstaat“ und „Gericht“. Im Rahmen dieser Begriffsbestimmung wäre auch eine Definition des Ehebegriffs denkbar und möglich gewesen. Zwar ginge eine materiell-rechtliche Definition des Ehebegriffs wegen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung und Art. 81 Abs. 2 AEUV wohl über die Kompetenz der Union im Bereich des Familienrechts hinaus und wäre somit unzulässig.73 Gleichwohl hat sich in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die Erkenntnis durchgesetzt, dass es neben dem Ehebegriff des materiellen Rechts auch einen kollisionsrechtlichen Ehebegriff gibt, dessen Inhalt nicht dem des materiellen Ehebegriffs entsprechen muss.74 Diese Unterscheidung der Begriffsebenen ist auch auf das Unionsrecht übertragbar, sodass auch auf europäischer Ebene ein vom materiellen Ehebegriff getrennter kollisionsrechtlicher 71

Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8; Ganz, FuR 2011, S. 369; Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250). 72 So auch Staudinger/Mankowski, BGB, zu Art. 17 EGBGB Rn. 73. 73 So wohl auch Calliess/Ruffert/Rossi, EUV/AEUV, Art. 81 AEUV Rn. 34 mit Fn. 55; Wagner, FamRZ 2011, S. 609 (615); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1546); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1680); anders aber Toscano, Ehescheidungen mit grenzüberschreitendem Bezug, S. 192, die in Art. 81 Abs. 2 lit. e) AEUV eine Kompetenz der Union zur Vereinheitlichung des materiellen Ehescheidungsrechts erblickt. Zu beachten ist jedoch, dass sowohl der Wortlaut als auch eine systematische Betrachtung des Art. 81 Abs. 2 lit. e) AEUV – in Form einer Gesamtschau des Art. 81 Abs. 2 AEUV – für eine verfahrensrechtliche Bedeutung des Begriffs „effektiver Zugang zum Recht“ sprechen, denn auch alle anderen Titel beziehen sich auf verfahrensrechtliche Aspekte, mit Ausnahme des Titels c), der das Kollisionsrecht regelt. Die Formulierung „effektiver Zugang zum Recht“ dürfte daher wohl eher im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Justizgewährungsanspruchs und seinen verschiedenen Aspekten zu verstehen sein. 74 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 23; Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 117; dazu noch ausführlich unten bei 3.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Ehebegriff existieren kann. Da es sich bei der Definition eines kollisionsrechtlichen Ehebegriffs um eine Form der Kollisionsrechtsvereinheitlichung, nämlich um eine Vereinheitlichung von kollisionsrechtlichen Rechtsbegriffen handeln würde, bestünde für diese auch eine Kompetenz der Union gemäß Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV. Obwohl eine Definition des Ehebegriffs somit keine Kompetenzüberschreitung darstellen würde,75 hat der Verordnungsgeber auf eine solche Definition im Rahmen der Rom III-Verordnung aus – wie sich zeigen wird – guten Gründen verzichtet. Auch außerhalb der Rom III-Verordnung findet sich auf Unionsebene keine Definition des Ehebegriffs, auf die hier zur Wahrung der Einheitlichkeit des Unionsrechts zurückgegriffen werden könnte. Ebensowenig führt ein Blick auf die EMRK, der die Europäische Union gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV beitreten wird, in dieser Hinsicht zu einem Ergebnis. Zwar vermittelt Art. 12 EMRK Männern und Frauen im heiratsfähigen Alter das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Diese Regelung enthält jedoch keine Definition der Ehe, da sie diesbezüglich ausschließlich auf nationale Vorschriften verweist.76 Darüber hinaus existiert auch in den teilnehmenden Mitgliedstaaten kein einheitlicher (kollisionsrechtlicher) Ehebegriff, der der Rom III-Verordnung stillschweigend zugrunde liegen könnte. So lassen beispielsweise einige Mitgliedstaaten eine gleichgeschlechtliche Eheschließung zu, während in den meisten teilnehmenden Mitgliedstaaten die Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten nach wie vor Voraussetzung für eine Eheschließung ist. 1. Autonome Auslegung des Ehebegriffs oder Vorfragenlösung? Mangels ausdrücklicher Definition und einheitlicher Rechtslage in den Mitgliedstaaten wäre ein verordnungsautonomer kollisionsrechtlicher Ehebegriff also allenfalls durch Auslegung anhand allgemeiner Kriterien zu ermitteln. Eine solche Vorgehensweise könnte hier vor allem dadurch indiziert sein, dass der sachliche Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung gemäß Erwägungsgrund Nr. 10 Rom III-VO mit der Brüssel IIa-Verordnung im Einklang stehen soll, deren Anwendungsbereich ebenfalls die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes umfasst.77 Auch die Brüssel IIaVerordnung enthält keine Definition des Ehebegriffs, dieser ist jedoch nach herrschender Meinung für die Brüssel IIa-Verordnung durch eine autonome

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So wohl auch Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 VI 1 (S. 229). Art. 12 EMRK ist seinem Wortlaut nach nicht auf die Eheschließung zwischen Mann und Frau beschränkt, verpflichtet die Vertragsstaaten aber auch nicht, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, EGMR NJW 2011, 1421; Scherpe in LA Pintens, S. 1225 (1236 f.). 77 Art. 1 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO. 76

§ 2 Sachlicher Anwendungsbereich

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Auslegung einheitlich für alle Mitgliedstaaten zu ermitteln.78 Autonome Auslegung bedeutet dabei, dass im Rahmen der Auslegung von Verordnungen und Richtlinien nicht auf ein bestimmtes nationales Recht zurückgegriffen werden kann, sondern einheitliche europäische Definitionen zu suchen sind, die sich von nationalen Rechtsvorstellungen lösen.79 Der Grundsatz der autonomen Auslegung ist von zentraler Bedeutung für das sekundäre Unionsrecht, denn nur durch die autonome Auslegung der verwendeten Begriffe kann eine einheitliche Anwendung eines europäischen Rechtsakts in allen beteiligten Mitgliedstaaten gewährleistet werden.80 Die heranzuziehenden Auslegungskriterien weichen dabei vom „klassischen” Auslegungskanon des nationalen Rechts nicht grundlegend ab, sind aber im Hinblick auf die Erfordernisse des Unionsrechts modifiziert.81 So sind beispielsweise die (gemeinsamen) Vorstellungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der rechtsvergleichenden Auslegung angemessen zu berücksichtigen. Da es sich bei der Rom III-Verordnung im Gegensatz zur verfahrensrechtlichen Brüssel IIa-Verordnung jedoch um ein primär kollisionsrechtliches Instrument handelt, ist fraglich, ob die Rom III-Verordnung überhaupt einen eigenständigen Ehebegriff beinhaltet, der mittels autonomer Auslegung zu bestimmen ist, oder ob eine spezifisch kollisionsrechtliche Herangehensweise angezeigt ist, um die Reichweite des Ehebegriffs zu ermitteln. Zwar gelten bei der Auslegung unionsrechtlicher Kollisionsnormen im Grundsatz die gleichen Regeln, die auch sonst für die Auslegung europäischer Normen zur Anwendung kommen,82 jedoch sind Besonderheiten zu beachten, die sich aus dem speziellen Aufbau von Kollisionsnormen ergeben. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass Kollisionsnormen in ihrem Tatbestand häufig nicht lediglich auslegungsbedürftige Tatsachenbegriffe, sondern ein konkretes Rechtsverhältnis (wie zum Beispiel Ehe oder Geschäftsfähigkeit) voraussetzen, ohne die rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen des Rechtsverhältnisses zu benennen.83 Auch die Ehescheidung im Tatbestand der Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung setzt ein bestimmtes Rechtsverhältnis, 78

Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 20; Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 5; Torga, NiPR 2012, S. 547 (549). 79 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 10 III 2 (S. 80); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 125; Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 40; Junker, Internationales Zivilprozessrecht, § 2 Rn. 21. 80 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 10 III 2 (S. 80); MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 527, 308; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 125. 81 Eine ausführliche Darstellung der Auslegungskriterien findet sich beispielsweise bei Kropholler, Internationales Privatrecht, § 10 III 2 oder bei Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 19 EUV Rn. 12 ff. 82 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 532. 83 Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 229; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 533; Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (66).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

nämlich das Bestehen einer Ehe voraus.84 Dies hat auch unmittelbare Auswirkungen auf den sachlichen Anwendungsbereich85 der Rom III-Verordnung, denn dieser entspricht nicht nur dem Tatbestand der Kollisionsnormen, sondern wird letztendlich auch von ihm bestimmt. Zwar wird der sachliche Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung durch die Formulierung des Art. 1 Rom III-VO ausdrücklich benannt und umschrieben, dies hat jedoch lediglich eine klarstellende Funktion und ist der europäischen Gesetzgebungstechnik geschuldet, die mit Blick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung stets darauf bedacht ist, zunächst den Anwendungsbereich der europäischen Einzelakte festzulegen. Grundsätzlich bestimmt jedoch der Tatbestand der Kollisionsnorm den Anwendungsbereich der Verordnung, denn dieser gibt vor, für welche Sachverhalte die Kollisionsnorm das anwendbare Recht bestimmt. Konstellationen, die nicht vom Tatbestand der Kollisionsnorm erfasst werden, fallen aus dem Regelungsbereich der Kollisionsnorm und somit aus dem Anwendungsbereich der Verordnung heraus. Da jedoch der Tatbestand der Kollisionsnorm im Falle der Rom III-Verordnung ein Rechtsverhältnis voraussetzt, ist folglich auch der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung abhängig vom Umgang mit dieser speziellen Problematik. Wird im Tatbestand einer Kollisionsnorm ein Rechtsverhältnis vorausgesetzt, so ist dieses präjudiziell, das heißt, die betreffende Kollisionsnorm darf nur herangezogen werden, wenn vorrangig das Bestehen des angesprochenen Rechtsverhältnisses geprüft und sein Vorliegen bejaht wurde.86 Da im Kollisionsrecht stets Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug betroffen sind, muss zunächst ermittelt werden, nach welcher Rechtsordnung das Bestehen des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses zu bewerten ist.87 Denn anders als bei der Anwendung nationalen materiellen Rechts, kommen im Kollisionsrecht verschiedene Rechtsordnungen für die Beurteilung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses in Betracht, sodass dem Rechtsverhältnis nicht pauschal eine bestimmte Rechtsordnung zugrunde gelegt werden kann. Präjudizielle Rechtsverhältnisse werfen also Vorfragen88 nach dem anwendbaren Recht auf, die in unterschiedlichen Konstellationen relevant werden können. Vorfragen, die bereits im Tatbestand einer inländischen Kollisionsnorm auf-

84 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 I (S. 221); Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 73; Heinze in FS Kropholler, S. 105 (111). 85 Zum Verhältnis von Vorfrage und sachlichem Anwendungsbereich auch v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 208; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 570. 86 Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 229; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 494; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 9 I 3. 87 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 495. 88 In einem weiten Sinn werden sämtliche präjudiziellen Fragen unabhängig davon, wo sie auftreten, als Vorfragen bezeichnet, Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 495.

§ 2 Sachlicher Anwendungsbereich

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treten, werden in Teilen der deutschen Literatur auch als „Erstfrage“89 oder „kollisionsrechtliche Vorfrage“90 bezeichnet. Diese Einordnung ist auch auf das europäische Kollisionsrecht übertragbar: Enthält der Tatbestand einer europäischen Kollisionsnorm eine Vorfrage, so handelt es sich auch dabei – wenn man eine solche begriffliche Differenzierung der Vorfragenproblematik vornehmen möchte – um eine sogenannte Erstfrage, denn die europäische Kollisionsnorm ersetzt ab ihrem Geltungsbeginn die entsprechende inländische Kollisionsnorm der teilnehmenden Mitgliedstaaten und wird somit für diese Staaten zur Kollisionsnorm der lex fori. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die übliche kollisionsrechtliche Anknüpfungstechnik kommt daher als spezifisch kollisionsrechtliche Herangehensweise statt einer autonomen Auslegung des Ehebegriffs vielmehr auch eine Vorfragenanknüpfung in Betracht, um zu prüfen, ob eine wirksame Ehe im Sinne der Verordnung besteht. a) Entscheidung gegen eine autonome Auslegung Gegen eine autonome Auslegung des Ehebegriffs und für eine Lösung im Wege der Vorfragenanknüpfung spricht in erster Linie der Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom III-VO, der das Bestehen der Ehe als Vorfrage91 bezeichnet und festlegt, dass für diese Fragen die Verordnung gerade nicht gilt. Der Verordnungsgeber hat also ausdrücklich klargestellt, dass die Verordnung keinerlei Aussage dazu trifft und treffen will, was eine Ehe ist oder wann eine Ehe im Sinne dieser Verordnung besteht. Er selbst hat somit der Auslegung des Ehebegriffs anhand und mit Hilfe der Verordnung eine Absage erteilt. So ist letztendlich das Bestehen der Ehe zwar Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung, ob die Ehe besteht, soll jedoch nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers anderweitig festgestellt werden. Daraus ergibt sich, dass für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Rom III-Verordnung nicht der Ehebegriff als solcher verordnungsautonom definiert werden kann, sondern die Vorfrage, ob eine Ehe besteht, kollisionsrechtlich zu beantworten ist.92 Die Vorfrage fällt jedoch gemäß 89

Zurückgehend auf Jochem, FamRZ 1964, S. 392, 393 f.; z.B. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 18 II (S. 134); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 186; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 507; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 47; Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (68); diese Differenzierung ablehnend MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 538. 90 Siehe Kropholler, Internationales Privatrecht, § 18 II (S. 134); Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (68). 91 Engl. „preliminary question“; frz.“question préalable“. 92 So auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; in diesem Sinne auch Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (68); Gruber IPRax 2012, S. 381

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom III-VO nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung, sodass bis zur Ausweitung des europäischen Kollisionsrechts auch auf diesen Bereich die Anknüpfung dem autonomen Kollisionsrecht überlassen bleibt.93 Diese Herangehensweise wird auch gestützt durch Erwägungsgrund Nr. 10 Abs. 3 Rom III-VO, der klarstellt, dass Vorfragen wie die Gültigkeit der Ehe nach den Kollisionsnormen geregelt werden sollen, die in dem betreffenden teilnehmenden Mitgliedstaat anzuwenden sind. Die Regelung des Art. 13 Rom III-VO ist hingegen für die Frage nach der sachgemäßen Vorgehensweise unergiebig. Die Norm steht einerseits weder einer autonomen Auslegung des Ehebegriffs noch einer Vorfragenanknüpfung entgegen, sie enthält andererseits jedoch auch keine Anhaltspunkte dahingehend, wie der Ehebegriff der Verordnung zu ermitteln ist. Die Vorschrift stellt lediglich klar, dass die teilnehmenden Mitgliedstaaten durch die Rom III-Verordnung nicht verpflichtet werden, eine Ehe zu scheiden, die nach ihrem Recht für die Zwecke des Scheidungsverfahrens nicht als gültig angesehen wird. Damit erkennt die Norm an, dass der Anwendungsbereich der Verordnung auch Ehen umfassen kann, die vom sachrechtlichen Eheverständnis eines teilnehmenden Mitgliedstaates abweichen und regelt den Umgang mit dieser Divergenz. Die Regelung betrifft damit zwar die Folgen eines ermittelten, gegebenenfalls abweichenden Ehebegriffs, enthält aber keine Aussage über dessen Bestimmung, denn für die Anwendung des Art. 13 Rom III-VO ist es unerheblich, ob die Abweichung im Eheverständnis durch autonome Auslegung oder durch Vorfragenanknüpfung zustande gekommen ist. b) Folge: Unterschiede in den Anwendungsbereichen der Rom III-Verordnung und der Brüssel IIa-Verordnung Im Gegensatz zur verordnungsautonomen Auslegung des Ehebegriffs geht es bei der kollisionsrechtlichen Behandlung von Vorfragen nicht darum, die materiellen Voraussetzungen des genannten Rechtsverhältnisses durch Auslegung der Ausgangskollisionsnorm zu bestimmen. Die Vorfragenanknüpfung dient vielmehr in erster Linie zur Bestimmung der Rechtsordnung, die die Voraussetzungen für das Bestehen des Rechtsverhältnisses aufstellt. So(382); gegen eine autonome Auslegung des Ehebegriffs auch Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250 f); für eine autonome Defintion des Ehebegriffs aber Nitsch, ZfRV 2012, S. 264; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (102); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (806); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 233; Andrae, FPR 2010, S. 505 (506); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (268), der aber zugleich auf S. 267 Fn. 24 von einer selbständigen Vorfragenanknüpfung ausgeht. 93 Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8; Schurig in FS von Hoffmann, S. 404 (410); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (301); in diesem Sinne in Bezug auf Staatsverträge MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 570 und v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 208.

§ 2 Sachlicher Anwendungsbereich

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mit wird deutlich, dass es sich bei Vorfragen nicht um klassische Auslegungsfragen, sondern um eine kollisionsrechtliche Besonderheit handelt. Selbst wenn man jedoch mit Sonnenberger94 das Vorfragenproblem als Aspekt der Auslegung von Kollisionsnormen begreifen wollte, ginge es bei dieser Auslegung nicht um die Bestimmung des Rechtsverhältnisses an sich, sondern um die Bestimmung des Umfangs der Verweisungsanordnung der Kollisionsnorm. Auslegungsergebnis ist daher auch nicht der Inhalt des Ehebegriffs, sondern die Antwort auf die Frage, nach welcher Rechtsordnung dieser zu bestimmen ist. Die Qualifizierung des Vorfragenproblems als Auslegungsfrage hat somit keinen nennenswerten Einfluss auf die Behandlung der Vorfrage; auch hier geht es – wie in der vorherrschenden Betrachtungsweise – darum, wie das auf die Vorfrage anwendbare Recht zu ermitteln ist.95 Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Rom III-Verordnung selbst keine Aussage über die Reichweite des ihr zugrundeliegenden Ehebegriffs enthält, sondern die Frage, ob eine Ehe besteht, kollisionsrechtlich nach der üblichen Systematik zu beantworten ist. Dadurch ergeben sich zwar Unterschiede im Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung im Vergleich zur Brüssel IIa-Verordnung,96 diese sind jedoch insofern vorgezeichnet, als es sich bei der Brüssel IIa-Verordnung nicht um einen kollisionsrechtlichen Rechtsakt, sondern um eine Regelung im Bereich des internationalen Zivilverfahrensrechts handelt.97 Weil das internationale Zivilverfahrensrecht einerseits prinzipiell nicht mit Begrifflichkeiten des internationalen Privatrechts überlastet werden sollte98 und andererseits das Bestehen einer Ehe im Falle der Brüssel IIa-Verordnung gerade keine Vorfrage darstellt, kann der Ehebegriff der Brüssel IIa-Verordnung im Unterschied zu dem der Rom IIIVerordnung mangels ausdrücklicher Definition nur anhand der allgemeinen europarechtlichen Auslegungskriterien autonom bestimmt werden.99 Folge94

MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 533 ff.; Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (241); ähnlich auch Mansel in FS Kropholler, S. 353 (360). 95 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 540. 96 Anders wohl Gruber, IPRax 2012, S. 381 (382), der aus der Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung auch auf gleichgeschlechtliche Ehen schlussfolgert, dass nunmehr auch die Brüssel IIa-Verordnung auf gleichgeschlechtliche Ehen anzuwenden sei, um den angestrebten Gleichlauf der beiden Verordnungen zu gewährleisten. Dagegen spricht jedoch der räumlich begrenzte Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung auf lediglich 14 Mitgliedstaaten, deren „abgespaltenes“ Tätigwerden im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit nicht den Anwendungsbereich einer unionsweit geltenden Verordnung zu ändern vermag. 97 Vgl. auch Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (807); a.A. Andrae/Abbas, StAZ 2011, S. 97 (100). 98 Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 40; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 56. 99 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 20; Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 41; skeptisch und einschränkend im Hinblick auf die autonome

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

richtig beschränkt die Brüssel IIa-Verordnung ihren Anwendungsbereich auch nicht in gleicher Weise wie Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO, sodass sowohl nach dem Wortlaut als auch aus systematischen Erwägungen trotz des auf den ersten Blick identischen Gegenstandes „Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes“ Unterschiede bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs zwischen beiden Verordnungen bestehen. Die Unterschiede, die sich bei der Behandlung des Ehebegriffs ergeben und die sich im Einzelfall auf die Reichweite des Anwendungsbereiches auswirken können, sind daher als systemimmanent hinzunehmen. 2. Behandlung der Vorfrage Nachdem geklärt wurde, dass die Frage nach dem Bestehen der Ehe als Vorfrage zu behandeln ist, soll im Folgenden untersucht werden, wie mit dieser Vorfrage umzugehen ist. Die Fragestellung ist für europäische Kollisionsnormen einerseits relativ neu, da kollisionsrechtliche Verordnungen bislang rar waren. Andererseits wird die Problematik der Vorfragenanknüpfung in den nationalen Kollisionsrechten seit langem diskutiert. Streitig ist dabei heute im Wesentlichen nur noch, wie die Vorfrage angeknüpft werden soll.100 a) Einbeziehung in die Hauptfrage? Denkbar wäre zunächst, die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe als Teil der Hauptfrage zu betrachten und in diese mit einzubeziehen.101 Dies würde bedeuten, dass das für die Hauptfrage berufene materielle Recht auch über die Vorfrage entscheidet, ohne erneut Kollisionsrecht auf die Vorfrage anzuwenden.102 Die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung würden somit nicht nur die Frage der Ehescheidung regeln, sondern auch die Frage des Bestehens der Ehe miterfassen. Im Ergebnis würde also die Vorfrage gar nicht gestellt.103 Eine derartige Herangehensweise enthielte jedoch einen schwerwiegenden systematischen Fehler, denn der Vorfrage würde ihr eigenständiger Charakter gegenüber der Hauptfrage vollständig aberkannt und das Vorfragenproblem somit verkannt.104 Zudem spricht der Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO nicht nur gegen die autonome Auslegung des Ehebegriffs, sonAuslegung von Rechtsbegriffen im Rahmen der Brüssel IIa-VO, speziell zum Begriff des Sorgerechts Siehr, IPRax 2012, S. 316 (318). 100 Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 232. 101 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 537; auch diskutiert bei Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (68). 102 Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 231; Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 35. 103 Bei Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 231, 249 als „Teppichkehrmethode“ bezeichnet. 104 Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 35.

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dern auch gegen die Einbeziehung der Vorfrage in das Hauptfragestatut, denn auch diese Lösung würde letztendlich bedeuten, dass die Rom III-Verordnung die Frage des Bestehens der Ehe lösen würde, was durch Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO jedoch gerade ausgeschlossen wird.105 Die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO ist nicht nur eindeutig in ihrem Wortlaut, sondern spiegelt auch die klassische kollisionsrechtliche Systematik wider. Das Kollisionsrecht stellt jeweils eigenständige Statuten für bestimmte, eng umgrenzte rechtliche Vorgänge bereit. Die Rom III-Verordnung betrifft dabei ausschließlich die Ehescheidung, wohingegen die Wirksamkeit der Ehe bewusst einer eigenen Kollisionsnorm, nämlich dem Eheschließungsstatut, unterliegt, das von der Verordnung nicht umfasst wird.106 Würde man diese Trennung der Statuten aufheben und auch das Scheidungsstatut über die Wirksamkeit der Ehe entscheiden lassen, würde der präjudizielle Charakter des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses verkannt und dadurch riskiert, dass das Bestehen der Ehe unterschiedlich beurteilt wird, je nachdem, für welches Statut sie als Vorfrage auftritt.107 Darüber hinaus sind der europarechtliche Charakter der Norm und das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zu beachten. Da sich der europäische Gesetzgeber in seinen Rechtsakten sachlich auf bestimmte Regelungsbereiche beschränkt und ein Übergriff auf andere Rechtsgebiete in der Regel nicht vorgesehen ist, sollte die Qualifikation des Hauptfragestatuts entsprechend eng ausfallen.108 Seine Reichweite erstreckt sich daher nur ganz ausnahmsweise auf Vorfragen, nämlich allenfalls dann, wenn dafür eine besondere Anordnung in der Verordnung getroffen wird.109 Für die Rom III-Verordnung kommt eine Einbeziehung der Vorfrage in das Hauptfragestatut daher nicht in Betracht, sondern die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe richtet sich vielmehr nach dem eigenständigen Eheschließungsstatut. b) Selbständige oder unselbständige Anknüpfung der Vorfrage? Fraglich ist jedoch, welcher Rechtsordnung die Kollisionsnormen zur Ermittlung des auf die Eheschließung anwendbaren Rechts zu entnehmen sind, denn während das auf die Hauptfrage anwendbare Recht nur über das Kollisionsrecht der lex fori bestimmt werden kann, gibt es für die Vorfrage grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, das anwendbare Recht zu ermitteln. Heute stehen einander neben zahlreichen vermittelnden Ansichten110 insbesondere

105 Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (799); in diesem Sinne in Bezug auf die Unterhaltsverordnung auch Heinze in FS Kropholler, S. 105 (115). 106 Vgl. Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (799). 107 Ähnlich auch Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 225. 108 Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (370); Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (68). 109 Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (68). 110 Ausführliche Darstellung bei Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 89 ff.

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zwei Ansätze zur Vorfragenanknüpfung gegenüber:111 Bei der selbständigen Vorfragenanknüpfung wird die Vorfrage ebenso wie die Hauptfrage nach dem Kollisionsrecht der lex fori angeknüpft, wohingegen bei der unselbständigen Anknüpfung112 die Vorfrage nach dem Kollisionsrecht der Rechtsordnung angeknüpft wird, deren materiellem Recht die Hauptfrage unterliegt (lex causae).113 Da eine Anknüpfung nach der lex causae erst erfolgen kann, wenn das auf die Hauptfrage anzuwendende Recht ermittelt wurde, wird die unselbständige Anknüpfung vor allem dann zur Option, wenn Vorfragen im Tatbestand der zur Entscheidung berufenen ausländischen Sachnorm auftreten.114 Nichtsdestotrotz ist eine unselbständige Vorfragenanknüpfung auch bei sogenannten Erstfragen denkbar,115 auch wenn ein solches Vorgehen als dogmatisch unsauber kritisiert werden kann und rechtskonstruktive Schwächen aufweist:116 Bei einer unselbständigen Anknüpfung von Erstfragen müsste die Behauptung des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses zunächst genügen, um die lex causae zu ermitteln, und sodann das auf die Vorfrage anwendbare Recht anhand des Kollisionsrechts der berufenen Rechtsordnung bestimmt werden.117 aa) Lösung im nationalen Kollisionsrecht Nahezu einhellige Auffassung in Bezug auf das autonome deutsche Scheidungsstatut des Art. 17 EGBGB a. F. war jedoch, die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe selbständig anzuknüpfen.118 Begründet wurde dies vor 111 Allerdings handelt es sich dabei um eine vornehmlich deutsche Diskussion; außerhalb Deutschlands scheint die unselbständige Anknüpfung von Vorfragen hingegen keine Option zu sein, vgl. Mäsch in Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 201 (203 f.). 112 Auch abhängige Vorfragenanknüpfung genannt, Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 9 II 1 (S. 337). 113 Für alle Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR, Rn. 232; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 II (S. 221 f.); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 192. 114 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 507, 514; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 III (S. 223). 115 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 77; Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken der Gestaltungskraft von Scheidungsurteilen, S. 74; a.A. wohl Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 507, 514. 116 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 III (S. 223). 117 So auch schon Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken der Gestaltungskraft von Scheidungsurteilen, S. 74. In diesem Sinne auch MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 77; andeutend wohl auch MünchKomm/Junker, BGB, Vor Art. 1 Rom II-VO Rn. 36. 118 Anders wohl nur OLG München IPRax 1988, 354 (356); Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken der Gestaltungskraft von Scheidungsurteilen, S. 73 f.; Behn, VSSR 1981, S. 329 (373).

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allem damit, dass es sich bei der Ehe um ein Statusverhältnis119 handelt, dessen Bestand aus Sicht der lex fori einheitlich beurteilt werden müsse, um interne Wertungswidersprüche zu vermeiden. So muss eine in Deutschland wirksame Ehe vor Eingehung einer neuen Ehe geschieden werden (können), auch wenn sie aus Sicht des nach Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. bestimmten Scheidungsstatuts nicht existiert, da andernfalls eine Wiederverheiratung aus Sicht des deutschen Rechts nicht möglich wäre.120 Andererseits kann eine Ehe, die nach dem von der lex fori berufenen Recht nicht wirksam ist, im Inland nicht geschieden werden, da es bei einem Verfahren zur Scheidung einer Nichtehe bereits an der Aktivlegitimierung des Antragstellers fehlen würde.121 Somit setzt sich bei der Scheidung die inländische Vorstellung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe gegenüber einem eventuell anders urteilenden Scheidungsstatut durch. Dies sei jedoch deshalb als folgerichtig anzusehen, weil die inländische Nichtigkeit der Ehe entweder auf einem inländischen Urteil, auf der Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils oder auf einer inländischen Vorschrift beruhe, die aufgrund der maßgebenden inländischen Kollisionsnorm anwendbar war.122 In all diesen Fällen sei die Entscheidung jeweils ohne Rücksicht auf, und oft sogar bewusst gegen die Vorstellungen des Scheidungsstatuts und aller sonstigen Rechtsordnungen getroffen worden, nach denen die Ehe zustande gekommen und bestehen geblieben ist. Es wäre somit inkohärent, wollte man nun bei der Scheidung anders werten und auf die Vorstellungen des Scheidungsstatuts abstellen, denn dadurch könnte ein Widerspruch zu einer Entscheidung der eigenen Gerichte oder zu einer an sich anzuerkennenden Entscheidung eines fremden Staates hervorgerufen werden, der weder wünschenswert noch tragbar sei.123 Die selbständige Anknüpfung ist jedoch nicht nur für die spezielle Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe, sondern auch generell im nationalen Kollisionsrecht die herrschende Ansicht in der deutschen Lehre,124 wobei auch eine Reihe von Autoren für die unselbständige Anknüpfung eintreten.125 Die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung knüpft ebenfalls überwiegend selbständig an, auch wenn es in diesem Bereich hin und wieder Ausnahmen und Schwankungen gibt. Im Ergebnis ist die unselbständige Anknüpfung eher

119 Zum Begriff des Status und zur Begründung von Statusverhältnissen Wagner, StAZ 2012, S. 133. 120 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 728; Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 73. 121 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 73 f. 122 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 79. 123 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 79; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 V (S. 228). 124 Übersicht und Nachweise bei Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 233. 125 Übersicht und Nachweise bei Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 234.

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selten.126 Als Argument für eine unselbständige Anknüpfung wird dabei häufig der internationale Entscheidungseinklang ins Feld geführt.127 Internationaler Entscheidungseinklang ist dann vollständig erreicht, wenn ein Fall unabhängig davon, welches Gericht international zuständig ist, in jedem Land gleich entschieden wird.128 Im Bereich des internationalen Privatrechts bedeutet internationaler Entscheidungseinklang, dass alle Gerichte die gleichen Kollisionsnormen verwenden, um das anwendbare Recht zu bestimmen. Doch kann durch die unselbständige Vorfragenanknüpfung nur ein Einklang in Bezug auf das Recht hergestellt werden, das aus inländischer Sicht berufen ist, über die Hauptfrage zu entscheiden – mehr vermag nationales Kollisionsrecht nicht zu leisten. Demgegenüber wird für die selbständige Anknüpfung vor allem der sogenannte innere oder interne Entscheidungseinklang angeführt.129 Grundsätzlich bedeutet interner Entscheidungseinklang, dass die Gerichte eines Landes ein und dieselbe Rechtsfrage einheitlich beantworten, sodass die Entscheidungen untereinander eine innere Geschlossenheit aufweisen.130 Dies heißt unter anderem, dass die Behandlung desselben Rechtsverhältnisses in unterschiedlichen Zusammenhängen widerspruchsfrei erfolgen sollte. So dient die Wahrung des internen Entscheidungseinklangs in erster Linie dazu, ein konsistentes, in sich schlüssiges nationales Rechtssystem zu gewährleisten.131 In Bezug auf die Vorfragenanknüpfung kann der interne Entscheidungseinklang dadurch hergestellt werden, dass die Gerichte eines Staates ein Rechtsverhältnis einheitlich beurteilen, unabhängig davon, ob es als Haupt- oder Vorfrage relevant wird und unabhängig davon, durch welche konkrete Kollisionsnorm die Vorfrage aufgeworfen wird.132 Nur so kann erreicht werden, dass ein Rechtsverhältnis im Inland in allen Streitigkeiten gleich bewertet wird, unabhängig davon, ob es dabei im konkreten Streitfall nun beispielsweise um Scheidung, Unterhalt oder Erbfolge geht.133 Auf diese Weise wird das Entste126

Übersicht und Nachweise bei Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 238 f. Vgl. z.B. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 9 II 1 (S. 379); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 VI 2 (S. 230); v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 68; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 515; vgl. aber auch Wall, StAZ 2011, S. 37 (41), der die unselbständige Anknüpfung als ein Mittel zur Vermeidung hinkender Namensverhältnisse in der EU heranziehen möchte. 128 Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 36. 129 Vgl. z.B. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 IV 2 (S. 226); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 9 II 1 (S. 381); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 511; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 62. 130 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 IV 2 (S. 226); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 2 II 3b (S. 142); Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 60. 131 Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 61. 132 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 IV 2 (S. 226); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 194; Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 61. 133 So auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 9 II 1 (S. 380). 127

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hen von Rechtsverhältnissen verhindert, die innerhalb einer einzigen Rechtsordnung hinken, weil sie je nachdem, ob sie als Haupt- oder Vorfrage auftreten, von demselben Gericht einmal als bestehend und einmal als nichtbestehend angesehen werden.134 Hinzu kommt, dass die überwiegende Zahl der Vertreter der selbständigen Anknüpfung und auch viele Vertreter der unselbständigen Anknüpfung bei der speziellen Konstellation der Erstfragen schon aus strukturellen und dogmatischen Gründen eine selbständige Anknüpfung vornehmen wollen, denn in einer logisch aufgebauten Abfolge der Fallprüfung sei in dem Zeitpunkt, da sich die Erstfrage stellt, eine lex causae für die Hauptfrage noch nicht bestimmt, sodass die Erstfrage nach dem eigenen Recht zu beantworten sei.135 Zudem sei die Verwendung des betreffenden Rechtsbegriffs im Tatbestand einer inländischen Kollisionsnorm meist kein Zufall, sondern eine gezielte Gestaltung seitens des Gesetzgebers.136 Wenn das Recht des Forums eine präjudizielle Frage aufwerfe, habe die lex fori auch über deren Anknüpfung zu entscheiden.137 bb) Besonderheiten im europäischen Kollisionsrecht? Fraglich ist jedoch, ob der Aspekt der Kollisionsrechtsvereinheitlichung und der damit bezweckte internationale Entscheidungseinklang etwas an dieser Argumentation zu ändern vermögen, das heißt ob für die einheitlichen Normen des europäischen Kollisionsrechts eine andere Gewichtung des internationalen gegenüber dem internen Entscheidungseinklang vorzunehmen ist, mit der Folge, dass eine unselbständige Vorfragenanknüpfung vorzugswürdig erscheint. Denkbar wäre dies vor allem deshalb, weil das europäische Kollisionsrecht im Hinblick auf den Einheitscharakter der Kollisionsnormen deutliche Parallelen zu kollisionsrechtlichen Staatsverträgen aufweist.138 Im Rahmen solcher Staatsverträge fand Kollisionsrechtsvereinheitlichung bereits lange vor Erlass der ersten kollisionsrechtlichen Verordnungen statt,139 weshalb der Umgang mit staatsvertraglichen Kollisionsnormen vor allem im

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Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 61. Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 496; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 186. 136 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 III (S. 224); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 186. 137 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 III (S. 224); v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 52; MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 77. 138 MünchKomm/Junker, BGB, Vor Art. 1 Rom II-VO Rn. 35; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 VI (S. 229); Heinze in FS Kropholler, S. 105 (127); Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (367); Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 101. 139 Beispiele bei Kropholler, Internationales Privatrecht, § 1 III 2 (S. 6). 135

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Schrifttum schon seit längerem Gegenstand der Diskussion ist.140 Im Hinblick auf die mit dem Abschluss des Staatsvertrages verfolgten Ziele wird dabei sowohl bei Erstfragen als auch bei Vorfragen die Bedeutung des internationalen Entscheidungseinklangs zwischen den Vertragsstaaten besonders hervorgehoben. Darauf aufbauend plädieren sogar manche Vertreter der selbständigen Anknüpfung im nationalen Kollisionsrecht bei Staatsverträgen für eine unselbständige Anknüpfung von Vorfragen.141 Dies wird häufig damit begründet, dass die durch die einheitliche Bestimmung des Hauptfragestatuts bezweckte Einheitlichkeit der Sachentscheidung nicht dadurch unterlaufen werden dürfe, dass in jedem Vertragsstaat die auftretenden Vorfragen selbständig, nach dem nationalen, nicht vereinheitlichten Kollisionsrecht beurteilt werden.142 Teilweise wird jedoch zumindest dann eine selbständige Anknüpfung vorgezogen, wenn die angestrebte unselbständige Anknüpfung im Staatsvertrag nicht zum Ausdruck gebracht wird.143 Bei der Behandlung des Vorfragenproblems handelt es sich um eine Frage, die grundsätzlich dem allgemeinen Teils des internationalen Privatrechts zuzuordnen ist. Da einzelne Fragen des allgemeinen Teils in den einschlägigen Verordnungen zwar angesprochen werden,144 eine vollständige Kodifikation des europäischen Kollisionsrechts oder eine selbständige Regelung des allgemeinen Teils bisher jedoch nicht existieren,145 könnten allenfalls die bereits vorhandenen Verordnungen Aufschluss darüber geben, wie die Vorfragenproblematik im europäischen Kollisionsrecht zu lösen ist. Allerdings enthalten weder die Verordnungen Rom I und Rom II, noch die Unterhaltsverordnung oder die Rom III-Verordnung selbst zwingende Aussagen über die Behandlung der in ihrem Rahmen auftretenden Vorfragen,146 obwohl die Vorfragenthematik zumindest in der Rom III-Verordnung als solche erkannt 140 Vgl. z.B. MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 570; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 208; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 64. 141 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 519; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 64; Palandt/Thorn, BGB, Einl. vor Art. 3 EGBGB Rn. 30; dagegen jedoch z.B. Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 249 oder Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (368 f.). 142 Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (366). 143 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 VI 2 (S. 230). 144 So z.B. der Vorbehalt des ordre public oder der Ausschluss des renvoi, siehe Übersicht bei Heinze in FS Kropholler, S. 105 (107). 145 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 153; Solomon in FS Spellenberg, S. 355. 146 MünchKomm/Junker, BGB, Vor Art. 1 Rom II-VO Rn. 36 f.; Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (357); Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (240); a.A. van Calster in LA Pintens, S. 1459 (1466) und van Calster, European Private International Law, S. 7, der in Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO wohl eine vereinheitlichte Lösung der Vorfragenproblematik zugunsten der Anknüpfung an die lex causae erblickt.

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und auch benannt wird.147 So lässt sich beispielsweise aus der Formulierung zur Eingrenzung des Anwendungsbereichs in Art. 1 Abs. 2 lit. b) und lit. c) Rom III-VO allenfalls entnehmen, dass die Verordnung für die im Rahmen der Ehescheidung auftretenden Vorfragen nicht gilt.148 Weitergehende Regelungen in Bezug auf die Vorfragenproblematik beinhaltet die Rom IIIVerordnung indes nicht. Gleiches gilt auch für entsprechende Formulierungen in der Rom I-Verordnung149 oder der Unterhaltsverordnung. So stellt Erwägungsgrund Nr. 21 EuUnthVO zwar klar, dass die Kollisionsnormen der Verordnung150 nur das auf die Unterhaltspflichten anzuwendende Recht bestimmen und für Vorfragen weiterhin das einzelstaatliche Recht der Mitgliedstaaten ausschlaggebend ist. Damit wird jedoch immer nur gesagt, dass die Anknüpfung nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten erfolgen soll, nicht jedoch vorgegeben, welches mitgliedstaatliche Recht zur Anwendung kommen soll.151 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass beim derzeitigen Stand der Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene, ebenso wie in den einzelstaatlichen Kollisionsrechten, eine positivrechtliche Regelung der Vorfragenproblematik nicht existiert. So verwundert es nicht, dass die Frage nach der Anknüpfung von Vorfragen im europäischen Kollisionsrecht auch im Schrifttum heftig umstritten ist.152 Zwar lässt sich zumindest im deutschen Schrifttum eine leichte Tendenz zugunsten einer selbständigen Anknüpfung erkennen, eine herrschende Meinung existiert in Bezug auf diese Fragestellung derzeit jedoch wohl nicht. Ob eine positiv-rechtliche Normierung dieser und anderer Fragen des allgemeinen Teils generell not-

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Siehe oben (1. a)). Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389). 149 Dass beispielsweise die Geschäftsfähigkeit und die Stellvertretung gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. a) und lit. g) Rom I-VO aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgeklammert wurden, besagt ähnlich wie bei der Eingrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 1 Abs. 2 lit. b) und lit. c) Rom III-VO nur, dass die Verordnung über deren kollisionsrechtliche Behandlung schweigt, vgl. Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (357). 150 Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine eigene kollisionsrechtliche Regelung des Verordnungsgebers, sondern die Verordnung verweist in ihrem Art. 15 lediglich auf das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007. 151 Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (358); Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (798 f.). 152 Für einen Grundsatz der selbständigen Vorfragenanknüpfung Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (369); Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (71); wohl auch Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 520; zumindest gegen generell unselbständige Anknüpfung Heinze in FS Kropholler, S. 105 (115); differenzierend Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom II-VO Rn. 46; offen, aber mit Tendenz zu selbständiger Anknüpfung Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 VI 2 (S. 230); unklar MünchKomm/Junker, BGB, Vor Art. 1 Rom II-VO Rn. 35 ff. 148

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wendig oder erstrebenswert ist, kann an dieser Stelle dahinstehen.153 Dass diese Fragen allemal zu entscheiden sind,154 dürfte hingegen unstreitig sein. Grundsätzlich zu bedenken ist dabei zunächst, dass sowohl Staatsverträge als auch europäische Kollisionsnormen das internationale Privatrecht nur unvollständig vereinheitlichen und sich auf eng umgrenzte Rechtsfragen beschränken. Europäisches Kollisionsrecht, das zudem unter dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zustande kommt, vereinheitlicht also nur und gerade soweit es reicht, und nicht über den eigenen Anwendungsbereich hinaus. Der sachliche Anwendungsbereich kollisionsrechtlicher Staatsverträge und Verordnungen ist häufig Gegenstand ausführlicher Diskussionen und langer Verhandlungen, und detaillierte Aufzählungen von erfassten und vor allem nichterfassten Gegenständen in ausdrücklichen Qualifikationsnormen sind keine Seltenheit.155 Der Gegenstand der Vorfrage wird dabei regelmäßig nicht erfasst, was dafür spricht, dass Vorfragen gerade nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der kollisionsrechtlichen Verordnungen fallen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, weshalb europäische Kollisionsnormen entgegen diesem klaren Wortlaut präjudizielle Rechtsverhältnisse mitregeln sollten, auf die sie nicht zugeschnitten sind.156 Hinzu kommt, dass der interne Entscheidungseinklang im europäischen Kollisionsrecht eine internationale Dimension erlangt, indem er nicht nur einen, sondern alle EU-Staaten betrifft.157 Zwar kommt diese internationale Dimension des internen Entscheidungseinklangs erst dann in voller Ausprägung zum Tragen, wenn eine vollständige Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf Unionsebene erreicht ist, jedoch sollte die Lösung der Vorfragenproblematik nicht vom Stand der Kollisionsrechtsvereinheitlichung abhängen, sodass bereits jetzt die internationale Dimension des internen Entscheidungseinklangs gebührend zu berücksichtigen ist.158 Solange das europäische Kollisionsrecht noch nicht vollständig vereinheitlicht ist, kann interner Entscheidungseinklang meist weiterhin nur auf nationaler Ebene erreicht werden, denn aus dem begrenzten Umfang der bereits erzielten Rechtsvereinheitlichung folgt, dass bis zu einer vollständigen Vereinheitlichung des europäischen Kollisionsrechts im Hinblick auf die Vorfrage in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Sachentscheidungen getroffen werden.159 Diese Situation existiert in einer Periode der teilweisen Kollisionsrechtsver-

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Deutlich gegen eine Regelung der Vorfragenproblematik durch den europäischen Gesetzgeber Mäsch in Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 201 (219). 154 Solomon in FS Spellenberg, S. 355. 155 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 208. 156 Staudinger/Sturm/Sturm, BGB, Einl. IPR Rn. 249. 157 Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 125. 158 So auch Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 143. 159 Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (368).

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einheitlichung, die es als Übergangssituation zu akzeptieren gilt, die jedoch in ihrer Bedeutung auch als solche erkannt und bewertet werden sollte. Bei einer vollständigen Kollisionsrechtsvereinheitlichung würde eine unselbständige Anknüpfung von Vorfragen den internen Entscheidungseinklang aller EU-Mitgliedstaaten zugunsten des internationalen Einklangs mit Drittstaaten gefährden. Dies widerspräche dem mit der Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene verfolgten Ziel, europaweit ein einheitliches Kollisionsrechtssystem durchzusetzen, das den Entscheidungseinklang gerade zwischen den Mitgliedstaaten herstellen und gewährleisten soll.160 Im Hinblick auf diese Zielsetzung kommt dem internen Entscheidungseinklang im europäischen Kollisionsrecht keine geringere, sondern sogar eine noch größere Bedeutung zu als im autonomen Kollisionsrecht. Demgegenüber ist der internationale Entscheidungseinklang mit Drittstaaten als nachrangig zu bewerten. Die Berufung auf den einheitsrechtlichen Charakter der Kollisionsnorm vermag somit im Bereich des europäischen Kollisionsrechts die Notwendigkeit einer unselbständigen Vorfragenanknüpfung gerade nicht zu rechtfertigen.161 Vielmehr sollten Vorfragen im Tatbestand einer europäischen Kollisionsnorm angesichts des Wortlauts der Verordnungen und aufgrund der besonderen Bedeutung des internen Entscheidungseinklangs grundsätzlich selbständig nach der lex fori angeknüpft werden, wenn sich aus der Verordnung kein expliziter Hinweis auf eine unselbständige Anknüpfung ergibt.162 Neben einem möglichen Legitimitätsproblem163 spricht zudem auch das sogenannte renvoi-Argument gegen eine unselbständige Anknüpfung von Vorfragen im europäischen Kollisionsrecht, denn die kollisionsrechtlichen Verordnungen des europäischen Gesetzgebers sprechen in der Regel Sachnormverweisungen und keine Gesamtverweisungen aus.164 Da die Verordnungen somit schon für die Hauptfrage nicht auf das Kollisionsrecht der lex

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Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 125. Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (368). 162 So im Ergebnis auch Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 VI 2 (S. 230); für einen Grundsatz der selbständigen Vorfragenanknüpfung ebenfalls Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (369); Gössl, ZfRV 2011, S. 65 (71); wohl auch Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 520; a.A. Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8, der eine unselbständige Anknüpfung befürwortet; Henrich in LA Schurig, S. 63 (69), der keine der beiden Grundpositionen für überzeugend hält, sondern eine teleologische Auslegung der jeweiligen Kollisionsnorm und darauf basierende Einzelfallentscheidungen propagiert, und dabei vorrangig das Ziel, das der Gesetzgeber mit seiner jeweiligen Kollisionsnorm erreichen wollte, in den Blick nehmen möchte. 163 Dazu Mäsch in Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 201 (206). 164 Dazu noch ausführlicher unten (Abschnitt C § 1 I.). 161

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causae verweisen, ist nicht ersichtlich, warum sie dies gerade für die Vorfrage tun sollten, noch dazu ohne diese Besonderheit explizit auszusprechen.165 Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass das europäische Kollisionsrecht als Einheitsrecht zwar einerseits unbestreitbare Parallelen zum staatsvertraglichen Kollisionsrecht zeigt, andererseits jedoch in wichtigen Bereichen Besonderheiten aufweist, die sich aus dem spezifischen Charakter europäischer Normen ergeben. Diese Besonderheiten müssen bei der Behandlung der Vorfragenproblematik Berücksichtigung finden, sie führen jedoch nicht dazu, dass die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe im europäischen Scheidungskollisionsrecht anders als im deutschen Scheidungskollisionsrecht unselbständig anzuknüpfen ist,166 sondern – im Gegenteil – sie verstärken die Argumente für eine generell selbständige Anknüpfung von Vorfragen im europäischen Kollisionsrecht. c) Entscheidungskompetenz des EuGH Nichtsdestotrotz ist an dieser Stelle zu bemerken, dass die Vorfragenanknüpfung im europäischen Kollisionsrecht weiterhin eine offene Problematik darstellt, über die bisher nicht abschließend entschieden worden ist. In diesem Zusammenhang wird sodann auch die von Solomon167 aufgeworfene Frage relevant, welcher gerichtlichen Instanz die Entscheidung darüber obliegt, ob im Rahmen einer durch europäisches Kollisionsrecht erfassten Hauptfrage die an sich nationalem Kollisionsrecht unterliegende Vorfrage selbständig oder unselbständig anzuknüpfen ist. Maßgeblichen Einfluss darauf hat die normative Zuordnung des Vorfragenproblems, denn fraglich ist hierbei, ob es sich bei der Vorfragenanknüpfung um eine Auslegung der für die HauptfrageKollisionsnorm oder um eine Auslegung der für die Vorfrage maßgebenden Kollisionsnorm handelt, oder die Entscheidung unabhängig davon einer ei165

Mäsch in Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 201 (210); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 208. 166 Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 41; Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 10; für eine selbständige Vorfragenanknüpfung im Rahmen der Rom III-Verordnung auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389); Stürner, JURA 2012, S. 708 (712); Ganz, FuR 2011, S. 369; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (103); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 813, 825; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (807); Mäsch in Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 201 (207); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 254; wohl auch Torga, NiPR 2012, S. 547 (549, 551); a.A. Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8, der auch im Rahmen des europäischen Kollisionsrechts für eine unselbständige Anknüpfung von Vorfragen eintritt, um den internationalen Entscheidungseinklang zu sichern und forum shopping zu verhindern; Mansel gemäß Jayme/Zimmer, IPRax 2013, S. 99 (100); offengelassen durch Finger, FuR 2013, S. 305 (308); zweifelnd, ob eine selbständige Anknüpfung angebracht ist, auch Coester-Waltjen, StAZ 2013, S. 10 (18). 167 Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (369 f.).

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genständigen Regel des allgemeinen Teils des internationalen Privatrechts zu entnehmen ist. Hintergrund der Problematik ist das Kompetenzgefüge der Gerichte in der Europäischen Union, das dazu führt, dass über die Auslegung des unionsrechtlichen Kollisionsrechts verbindlich der EuGH entscheidet, wohingegen die Auslegung des nationalen Kollisionsrechts weiterhin den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegt.168 Auch zur Beantwortung der Frage nach der Entscheidungskompetenz der Gerichte können jedoch die oben bereits dargestellten Erwägungen herangezogen werden. So unterliegt die Rom III-Verordnung als sekundäres Unionsrecht der Auslegung durch den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV.169 Diese Auslegungskompetenz des EuGH ist jedoch grundsätzlich auf das Unionsrecht und damit auch auf dessen sachlichen Geltungsbereich begrenzt.170 Wie oben dargestellt, sind die europäischen Rechtsakte zum Kollisionsrecht sachlich auf bestimmte Regelungsbereiche beschränkt und erstrecken sich regelmäßig nicht auf Vorfragen. Zwar ist es einerseits kein Zufall, sondern eine gezielte Gestaltung seitens des europäischen Gesetzgebers, wenn der Tatbestand einer europäischen Kollisionsnorm das Bestehen einer Ehe voraussetzt,171 andererseits löst die Rom IIIVerordnung die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe gerade nicht selbst. Die Anknüpfung von Vorfragen ist vielmehr dem allgemeinen Teil des internationalen Privatrechts zuzuordnen, für den im europäischen Kollisionsrecht bisher keine selbständige Regelung existiert.172 So beschränkt sich das europäische Kollisionsrecht letztlich darauf, eine Vorfrage aufzuwerfen und vorzugeben, dass es sich um eine Vorfrage handelt, die kollisionsrechtlich zu beantworten ist, regelt aber nicht deren Anknüpfung, sondern überlässt dies bewusst dem nationalen Recht und damit auch weiterhin den nationalen Gerichten, was zu unterschiedlichen Ergebnissen im Einzelfall und in der Folge zu einer Einschränkung des Entscheidungseinklangs führen kann. Dies ist jedoch ein Übergangsproblem, das sich auflöst, sobald die Kollisionsrechtsvereinheitlichung fortschreitet und ein allgemeiner Teil des europäischen Kollisionsrechts existiert.173 Da die Auslegung europäischer Kollisionsnormen in die Kompetenz des EuGH fällt, wird der EuGH dann auch hinsichtlich des Vorfragenproblems das letzte Wort haben,174 wenn eine vom europäi-

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Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (370). Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 8. 170 Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (370). 171 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 32 III (S. 224); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 186. 172 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 153; Solomon in FS Spellenberg, S. 355. 173 Dazu noch ausführlicher unten Viertes Kapitel § 2 II 3. 174 Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (241). 169

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schen Gesetzgeber geschaffene Regelung175 diesbezüglich Lücken oder klärungsbedürftige Fragen aufweisen sollte. Beim derzeitigen Stand der Kollisionsrechtsvereinheitlichung verbleibt die Entscheidungskompetenz über die Anknüpfung von Vorfragen jedoch weiterhin bei den Gerichten der Mitgliedstaaten.176 d) Zusammenfassung und Ergebnis Die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe unterliegt dem Eheschließungsstatut und nicht dem Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung. Umstritten ist dabei, ob für die Bestimmung des auf die Eheschließung anwendbaren Rechts das Kollisionsrecht der lex fori oder der lex causae maßgeblich ist. Bei dieser Fragestellung handelt es sich um eine für das autonome deutsche Kollisionsrecht seit langem geführte Diskussion, die durch das europäische Kollisionsrecht neu belebt wird.177 Bei der Gewichtung der bekannten Argumente zur Vorfragenanknüpfung sind dabei stets die Perspektive und die Zielrichtung eines vollständig vereinheitlichten europäischen Kollisionsrechts zu berücksichtigen. Zugleich liegt in der Wiederbelebung der Vorfragendiskussion die historische Chance, europaweit eine einheitliche Anknüpfung von Vorfragen zu erreichen,178 wobei sich die unionsrechtliche Antwort auf das Vorfragenproblem vorrangig an dem übergeordneten Ziel der Rechtsvereinheitlichung innerhalb der Union und der Vermeidung von forum shopping orientieren sollte.179 In dieser Arbeit wird aus den oben dargestellten Gründen eine selbständige Anknüpfung der Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe im Speziellen und auch der Anknüpfung von Vorfragen im europäischen Kollisionsrecht im Allgemeinen favorisiert, ohne zu verschweigen, dass es im Einzelfall Ausnahmen von dieser Grundregel geben mag, die hier jedoch nicht zu untersuchen waren. Für die Vorfragen, die im Rahmen der Rom III-Verordnung auftreten, ist der Grundsatz der selbständigen Vorfragenanknüpfung jedenfalls uneingeschränkt anwendbar.180 Beim derzeitigen Stand der Kollisionsrechtsvereinheitlichung kann und muss man jedoch die Vorfragenproblematik als offene Frage ansehen,181 über die nach wie vor die mitgliedstaatlichen 175

Jedoch gegen eine Regelung der Vorfragenproblematik durch den europäischen Gesetzgeber Mäsch in Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 201 (219). 176 Solomon in FS Spellenberg, S. 355 (370); a.A. wohl Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (241). 177 Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 5. 178 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass außerhalb Deutschlands wohl bereits eine weitestgehende Einigkeit zugunsten der selbständigen Anknüpfung von Vorfragen besteht, vgl. Mäsch in Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 201 (203 f.). 179 Heinze in FS Kropholler, S. 105 (113); Bernitt, Anknüpfung von Vorfragen, S. 5. 180 In diese Richtung auch Ganz, FuR 2011, S. 369. 181 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 153; Wilke, GPR 2012, S. 334 (338).

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Gerichte zu entscheiden haben. Abzuwarten bleibt, ob der europäische Gesetzgeber im Rahmen einer Kodifikation des europäischen Kollisionsrechts eine Regelung der Vorfragenproblematik treffen wird. 3. Folgen der selbständigen Anknüpfung für den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung Fraglich ist, welche Auswirkungen die hier vorgeschlagene Lösung aus Sicht des deutschen Rechts auf den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung hat. Zu prüfen ist dabei zunächst, anhand welcher Kriterien das Bestehen der Ehe im Allgemeinen zu beurteilen ist. Einer besonderen Betrachtung bedürfen darüber hinaus diejenigen Ehearten, die in den teilnehmenden Mitgliedstaaten nicht oder nur teilweise vorgesehen sind, da fraglich ist, ob auch derartige Ehen von der Rom III-Verordnung umfasst werden. Für die Bestimmung des Anwendungsbereichs ist darüber hinaus die Ehe von alternativen Formen des Zusammenlebens abzugrenzen, die der Ehe zwar funktionell ähnlich sind, aber keine echte Ehe darstellen. a) Anknüpfungskriterien im Allgemeinen Vorfrage für die Anwendung der Rom III-Verordnung ist, ob eine Ehe besteht. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn eine Ehe wirksam geschlossen und noch nicht geschieden182 wurde. Für die Prüfung der wirksamen Eheschließung ist bei der hier vorgeschlagenen selbständigen Anknüpfung der Vorfrage das Eheschließungsstatut der lex fori maßgeblich. Das Eheschließungsstatut regelt dabei sowohl die Voraussetzungen der zu schließenden Ehe als auch die nachträgliche Überprüfung der Voraussetzungen bereits geschlossener Ehen, die im Falle der Ehescheidung relevant wird. Da das Eheschließungsstatut jedoch bisher nicht Gegenstand der Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf Unionsebene ist, kommt insoweit das einzelstaatliche Kollisionsrecht der teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Anwendung. aa) Bestimmung der sachlichen Eheschließungsvoraussetzungen nach dem Personalstatut Im deutschen Kollisionsrecht wäre dementsprechend Art. 13 EGBGB für die Beurteilung der Frage nach dem Bestehen der Ehe heranzuziehen. Nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB unterliegen die sachlichen Voraussetzungen183 der 182

Die Anerkennung einer ausländischen (Verfahrens-)Ehescheidung richtet sich vorrangig nach Art. 21 Abs. 1 Brüssel IIa-VO, im Übrigen nach §§ 107, 109 FamFG, siehe dazu auch Ganz, FuR 2011, S. 369 (370); Stürner, JURA 2012, S. 708 (712); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 43. 183 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 10.

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Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Zu den sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung gehören dabei alle inhaltlichen Anforderungen, die das materielle Recht an eine wirksame Eheschließung stellt und die keine bloßen Formerfordernisse darstellen.184 So bestehen für die Eheschließung im Allgemeinen neben ausdrücklichen Eheverboten eine Reihe von Erfordernissen, deren Fehlen sich als Ehehindernis darstellt.185 Diese Erfordernisse sind vielfältiger Natur und können nicht im Einzelnen aufgezählt und dargestellt werden. Grundsätzlich umfassen sie jedoch sowohl objektive und subjektive Voraussetzungen, die jeweils in der Person eines Eheschließenden begründet sind, wie zum Beispiel Altersbeschränkungen und Ehewille, als auch Aspekte, die das Verhältnis der Eheschließenden zueinander betreffen, wie beispielsweise verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Eheschließenden oder Geschlechtsgleichheit.186 Die Anknüpfung an das jeweilige Heimatrecht der Eheschließenden bedeutet, dass unabhängig davon, wo die Ehe geschlossen wird, stets die Sachnormen des Heimatstaates darüber entscheiden, ob die Ehevoraussetzungen erfüllt sind und somit die Ehe ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Jeder Eheschließende ist dabei gesondert (nur) nach seinem eigenen Personalstatut zu beurteilen, das Personalstatut des einen gilt grundsätzlich nicht auch für den anderen Partner.187 Für die Gültigkeit der Ehe insgesamt muss daher jeder Verlobte den spezifischen Voraussetzungen seines eigenen Personalstatuts genügen. Somit bestimmen, vorbehaltlich des ordre public des Forums, die nationalen Heimatrechte der Verlobten, und nicht das Unionsrecht darüber, ob die Ehe wirksam geschlossen wurde und somit die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung für die Ehescheidung Anwendung finden. bb) Form der Eheschließung Für eine wirksame Eheschließung müssen neben den sachlichen Voraussetzungen grundsätzlich auch die relevanten Formerfordernisse eingehalten werden. Für die Form der Eheschließung ist jedoch nicht das Eheschließungsstatut, sondern das sogenannte Formstatut maßgeblich. Das autonome deutsche Kollisionsrecht unterscheidet beim Formstatut zwischen Inlandstrauungen, die Art. 13 Abs. 3 EGBGB unterliegen, und Auslandstrauungen, die nach Art. 11 EGBGB angeknüpft werden.188

184 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 10; Bamberger/Roth/MörsdorfSchulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 16. 185 Palandt/Brudermüller, BGB, Vorb. vor § 1306 BGB Rn. 3. 186 Für eine ausführliche Darstellung der sachlichen Eheschließungsvoraussetzungen im Einzelnen siehe MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 36–96. 187 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 11. 188 Siehe auch Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 42.

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cc) Folgen eines Eheschließungsmangels Wird die Ehe trotz Fehlens vom berufenen Recht geforderter sachlicher Eheschließungsvoraussetzungen geschlossen, so entscheidet nach allgemeiner Ansicht das berufene Recht, das die Ehe als mangelhaft bewertet, auch über die Art und die Folgen des Mangels für das Eheband.189 Auch die Wirkung von Formverstößen richtet sich nach dem berufenen Recht, also nach dem maßgeblichen Formstatut.190 Die Verletzungsfolgen können dabei stark variieren vom sanktionslosen Eheschließungsmangel über Heilbarkeit bis hin zu Aufhebbarkeit, Anfechtbarkeit oder Vorliegen einer Nichtehe.191 Fraglich ist in diesem Zusammenhang vor allem, welche Auswirkungen der jeweilige Eheschließungsmangel auf die Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung hat. Besondere Bedeutung für den sachlichen Anwendungsbereich der Rom IIIVerordnung haben dabei diejenigen Ehemängel, die dazu führen, dass eine wirksame Ehe aus Sicht der lex fori nicht besteht, weil entweder das berufene Recht diesen Mangel ausspricht oder weil die Eheschließung gegen den ordre public des Forums verstößt, denn in diesem Fall ist die Voraussetzung des Bestehens einer Ehe nicht erfüllt, sodass die Kollisionsnormen zur Ehescheidung nicht zur Anwendung kommen können. b) Spezielle Erscheinungsformen der Ehe Diese Problematik tritt vorrangig im Zusammenhang mit speziellen Erscheinungsformen der Ehe auf, die zwar von manchen nationalen Rechten vorgesehen werden, im territorialen Geltungsbereich der Rom III-Verordnung jedoch nicht oder nicht universell verbreitet sind. Aufgrund der universellen Anwendbarkeit und des in persönlicher Hinsicht nicht beschränkten Anwendungsbereichs der Verordnung können solche Ehen auch für die Gerichte der teilnehmenden Mitgliedstaaten relevant werden. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung bedürfen daher insbesondere jene Verbindungen einer genaueren Betrachtung, die von dem überkommenen europäischen „Grundmodell“ der monogamen, verschiedengeschlechtlichen Ehe abweichen. So können, abhängig von den jeweils berufenen Sachrechten, zum Beispiel die Geschlechtsgleichheit der Eheschließenden oder eine polygame Eheschließung im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Rom IIIVerordnung problematisch werden. Da hier nicht auf alle Ausprägungen der Ehe im Einzelnen eingegangen werden kann, sollen im Folgenden einige Konstellationen beispielhaft im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung untersucht werden. Der für die Beantwortung der Vor189

MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 110; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 42. 190 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 152. 191 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 111.

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frage nach dem Bestehen der Ehe vorrangig maßgebliche Aspekt der wirksamen Eheschließung ist dabei in drei Schritten zu prüfen: Fraglich ist zunächst, ob die zu beurteilende Verbindung kollisionsrechtlich als Ehe zu qualifizieren ist, das heißt, ob sie vom kollisionsrechtlichen Ehebegriff der lex fori umfasst wird und somit dem Eheschließungsstatut unterliegt. Ist dies der Fall, so ist zu prüfen, ob die Ehe nach Maßgabe des vom Eheschließungsstatut der lex fori berufenen Rechts wirksam ist. Zuletzt ist zu untersuchen, ob die Eheschließung gegen den ordre public der lex fori verstößt.192 aa) Polygame Ehen Polygame Ehen sind den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchgehend fremd.193 So besteht beispielsweise im deutschen Sachrecht gemäß § 1306 BGB ein zweiseitiges194 Eheverbot zur Eingehung einer polygamen Ehe,195 das regelmäßig die Aufhebbarkeit der Zweitehe zur Folge hat.196 Darüber hinaus kann aufgrund des ordre-public-Vorbehalts eine polygame Ehe in Deutschland auch dann nicht geschlossen werden, wenn die Heimatrechte der Verlobten eine solche Eheschließung erlauben.197 Da die polygame Ehe in zahlreichen nichteuropäischen Rechtsordnungen, vor allem im islamischen Rechtskreis, aber durchaus verbreitet ist198 und die Rom IIIVerordnung auch auf Ehen anwendbar ist, die in Drittstaaten geschlossen wurden, wird im Rahmen der Vorfragenanknüpfung das Problem der Wirksamkeit und der kollisionsrechtlichen Anerkennung im Ausland geschlossener und nach den Heimatrechten der Ehegatten vorgesehener polygamer Ehen relevant. Fraglich ist in diesem Zusammenhang bereits und insbesondere, ob solche polygamen Ehen überhaupt vom kollisionsrechtlichen Ehebegriff des Art. 13 EGBGB erfasst und somit nach dem Eheschließungsstatut angeknüpft werden können. 192

Ähnlich Wagner, StAZ 2012, S. 133 (134). Kreuzer, RW 2010, S. 143 (154); Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (411); Heiderhoff, StAZ 2014, S. 193 (196). 194 Zur Unterscheidung zwischen einseitigen und zweiseitigen Ehehindernissen MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 48: „Einseitige Ehehindernisse sagen aus, wer nicht heiraten darf, zweiseitige, wen man nicht heiraten darf“. 195 Palandt/Brudermüller, BGB, Vorb. vor § 1306 Rn. 1 ff.; Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 233; Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (413). 196 Siehe § 1314 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1306 BGB. 197 Diese Wertung ergibt sich unter anderem aus der Tatsache, dass die polygame Eheschließung auch für ausländische Staatsangehörige gemäß § 172 StGB strafbewährt ist; Helms, StAZ 2012, S. 2 (3); Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 252; dazu auch noch sogleich (a). 198 Helms, StAZ 2012, S. 2; Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 235 ff.; Kreuzer, RW 2010, S. 143 (152 f.); Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (412); Überblick über Verbreitung und Erscheinungsformen der Polygamie im 21. Jahrhundert bei CoesterWaltjen/Coester in FS Hahne, S. 21 ff. 193

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(a) Qualifikation als Ehe? Der Grundsatz der Monogamie ist als charakteristisches Strukturprinzip prägend für den materiellen Ehebegriff des deutschen Rechts. Nichtsdestotrotz ist weitestgehend anerkannt, dass der Ehebegriff des materiellen Rechts nicht deckungsgleich sein muss mit dem Ehebegriff, der dem Kollisionsrecht zugrunde liegt.199 Da das Kollisionsrecht auf Sachverhalte ausgerichtet ist, die Beziehungen zum Recht anderer Staaten aufweisen, muss es gerade auch Raum und Antworten bieten für Entwicklungen in fremden Rechtsordnungen, die dem nationalen Sachrecht nicht entsprechen. Kollisionsrechtliche Begriffe müssen daher die materiell-rechtlichen Institute in den unterschiedlichen Ausprägungen erfassen, die diese in den verschiedenen Rechtsordnungen gefunden haben.200 Um den vielfältigen nationalen Regelungen gerecht werden zu können, müssen die im Kollisionsrecht verwendeten Begriffe daher oft wesentlich weiter ausgelegt werden als die entsprechenden Begriffe des materiellen Rechts.201 Für die Beurteilung im Einzelnen ist dabei maßgeblich, welche Ordnungsfunktion dem fraglichen Instrument vom fremden Recht beigemessen wird.202 Ist das ausländische Rechtsinstitut in seiner Ausprägung dem entsprechenden inländischen Institut funktionell gleichgestellt, so wird man von einer Erstreckung des kollisionsrechtlichen Begriffs auch auf dieses Institut ausgehen müssen, um die Gegebenheiten der verschiedenen Rechtsordnungen angemessen erfassen zu können. Im Hinblick auf den Ehebegriff folgt daraus, dass dieser in seiner kollisionsrechtlichen Ausprägung inhaltlich sehr viel weiter gefasst ist als der Ehebegriff des materiellen Rechts und auch solche Formen des Zusammenlebens umfasst, die dem nationalen Verständnis nicht entsprechen.203 Um von einer funktionellen Gleichstellung ausländischer Eheformen mit der Ehe nach deutschem Verständnis sprechen zu können, sollten die fraglichen Rechtsinstitute also einen familienrechtlichen Status vermitteln, der innerhalb der betreffenden Rechtsordnung die Grund- und Komplettform einer ganzheitlichen Lebensgemeinschaft darstellt.204 Da die Mehrehe kein Institut neben oder unterhalb der Ehe, sondern eine im islamischen Rechtskreis verbreitete Ausprägung der Ehe darstellt und dabei die gleiche Ordnungsfunktion erfüllt wie die 199

MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 23; Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 117. 200 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 23. 201 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 23. 202 Röthel, IPRax 2002, S. 496 (498); MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 23; Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 117. 203 Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 17; Röthel, IPRax 2002, S. 496 (498); Coester-Waltjen in FS Henrich, S. 91 (92 f.); Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 117; Wasmuth in LA Kegel, S. 237 (241); ausführlich zum kollisionsrechtlichen Ehebegriff auch MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 4 ff. 204 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 4.

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monogame Ehe im europäischen Rechtsraum, wird die polygame Ehe vom kollisionsrechtlichen Ehebegriff des autonomen deutschen Kollisionsrechts erfasst.205 Dieser Einordnung der polygamen Ehe steht auch der nationale ordre public des Art. 6 EGBGB nicht entgegen,206 obwohl das Prinzip der Monogamie nach deutschen und europäischen Maßstäben zu den prägenden Merkmalen einer Ehe gehört und als wesentliches Strukturprinzip des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs den Grundrechtsschutz des Art. 6 GG genießt.207 Zwar sind die Grundrechte ausweislich des Art. 6 S. 2 EGBGB von besonderer Bedeutung für die öffentliche Ordnung, dennoch kann nicht in jeder Abweichung fremden Rechts von einer nationalen Grundrechtsposition zugleich ein Verstoß gegen den ordre public gesehen werden.208 Vielmehr ist bei Sachverhalten mit Auslandsberührung eine differenzierende Anwendung der Grundrechte angebracht.209 Maßgebliche Gesichtspunkte sind dabei die Art der Grundrechtsberührung und das Ausmaß des Inlandsbezugs, denn auch die Grundrechte können eine bestimmte Beziehung zur Lebensordnung im Geltungsbereich der Verfassung voraussetzen mit der Folge, dass eine uneingeschränkte Durchsetzung in ganz oder überwiegend auslandsbezogenen Sachverhalten den Sinn des Grundrechtsschutzes verfehlen würde.210 Im Hinblick auf die polygame Ehe und Art. 6 GG bedeutet dies, dass erst bei einem hinreichend starken Inlandsbezug der Eheschließung ein Verstoß gegen den ordre public des Art. 6 S. 2 EGBGB gegeben ist. Nach ganz herrschender Auffassung verhindert der deutsche ordre public daher, dass eine polygame Ehe vor ei-

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So für das deutsche Kollisionsrecht z.B. MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 512; MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 5; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 16 II 2 (S. 124); Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 17. Dies entspricht auch der Position des internationalen Privatrechts anderer mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen, siehe Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 117 mit Fn. 76; Kreuzer, RW 2010, S. 143 (155). 206 Die allgemeine ordre-public-Klausel des Art. 6 EGBGB bleibt im Eheschließungsrecht in den Themenbereichen anwendbar, die von der Spezialregelung des Art. 13 Abs. 2 EGBGB nicht erfasst werden, z. B. wenn das nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB berufene Sachrecht eine Ehe nicht verbietet, sondern stattdessen ihre Wirksamkeit bejaht, obwohl dies mit inländischen Ordnungsvorstellungen nicht übereinstimmt, MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 34. 207 Epping/Hillgruber/Uhle, GG, Art. 6 Rn. 3; Helms, StAZ 2012, S. 2 (3); BVerfGE 29, S. 166 (176); BVerfGE 62, S. 323 (330). 208 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 IV 1 (S. 251); Röthel, IPRax 2002, S. 496 (498). 209 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 IV 1 (S. 251); Röthel, IPRax 2002, S. 496 (499). 210 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 IV 1 (S. 251); Röthel, IPRax 2002, S. 496 (499).

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nem deutschen Standesbeamten eingegangen werden kann.211 Mangels hinreichenden Inlandsbezugs der Eheschließung steht der ordre public jedoch der nachträglichen Anerkennung einer im Ausland geschlossenen polygamen Ehe zumindest dann nicht entgegen, wenn die entsprechende Ehe auch im Ausland gelebt wird.212 Somit muss sich der kollisionsrechtliche Ehebegriff auch auf polygame Ehen erstrecken, um diesen Verbindungen nicht von vornherein die Möglichkeit der kollisionsrechtlichen Anerkennung zu verwehren.213 (b) Kollisionsrechtliche Anerkennung der polygamen Ehe? Von der Frage der Erstreckung des kollisionsrechtlichen Ehebegriffs auf ein ausländisches Rechtsinstitut ist die Frage nach der kollisionsrechtlichen Anerkennung dieses Rechtinstituts zu unterscheiden. Hervorzuheben ist, dass es sich dabei nicht um eine klassische Anerkennung im verfahrensrechtlichen Sinne handelt, sondern allein um die Frage, ob nach den Grundsätzen des deutschen Kollisionsrechts eine wirksame Ehe zustande gekommen ist.214 Dies ist unter Zugrundelegung des deutschen Eheschließungsstatuts grundsätzlich dann der Fall, wenn die eingegangene Ehe, vorbehaltlich des inländischen ordre public, nach den Heimatrechten der Verlobten zulässig ist.215 Konkret bedeutet das für im Ausland eingegangene polygame Ehen, dass diese aus deutscher Sicht gültig und nicht aufhebbar sind, wenn die Heimatrechte aller betroffenen Ehegatten die polygame Eheschließung erlauben und alle Beteiligten mit der polygamen Eheschließung einverstanden waren.216 Dies gilt auch dann, wenn alle Beteiligten von vornherein die Absicht haben, die Ehe im Inland zu leben und sofort nach der Eheschließung im Ausland ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründen.217 Andernfalls würde durch die Nichtanerkennung der polygamen Ehe ein hinkendes 211

Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 33; MünchKomm/ Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 68 m.w.N.; Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (413); Heiderhoff, StAZ 2014, S. 193 (196). 212 Coester in FS Sonnenberger, S. 321 (334); Röthel, IPRax 2002, S. 496 (499); Helms, StAZ 2012, S. 2 (3). 213 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 246. 214 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 172, der insoweit irreführend von einer „materiellrechtlichen Anerkennung“ spricht, obwohl eine kollisionsrechtliche Anerkennung gemeint ist; in anderem Zusammenhang auch MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 378; allgemein zur verfahrensrechtlichen und kollisionsrechtlichen Anerkennung Wagner, StAZ 2012, S. 133 (134 f.). 215 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 5. 216 Helms, StAZ 2012, S. 2 (3); Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 251 m.w.N.; Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (414). 217 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 69; Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 255; Helms, StAZ 2012, S. 2 (3).

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Rechtsverhältnis entstehen, was negative Folgen insbesondere für die zweite Ehefrau mit sich bringen kann, deren Vertrauen auf den Bestand der Ehe jedoch schützenswert ist, soweit keine zwingenden allgemeinen Ordnungsinteressen des deutschen Rechts entgegenstehen.218 Diese sind jedoch vor allem im Hinblick auf die vielfältigen und weit verbreiteten, von der klassischen Ehe zwischen Mann und Frau abweichenden Formen des Zusammenlebens nicht ersichtlich.219 Polygame Ehen, die im Ausland aufgrund des vom nationalen Kollisionsrecht berufenen Rechts wirksam geschlossen wurden, sind daher kollisionsrechtlich anzuerkennen,220 was zur Folge hat, dass diese polygamen Ehen auch vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung erfasst werden und somit in den teilnehmenden Mitgliedstaaten unter Anwendung der Kollisionsnormen der Verordnung zu scheiden sind. bb) Gleichgeschlechtliche Ehen Bis vor einigen Jahren war auch das Kriterium der Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten europaweit charakteristisch für das Institut der Ehe und für eine wirksame Eheschließung unerlässlich. Durch die schrittweise Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union seit dem Jahr 2001221 hat der Aspekt der Geschlechtsverschiedenheit seinen universell-prägenden Charakter für die Ehe aus gesamteuropäischer Sicht jedoch zunehmend verloren. In Bezug auf das Erfordernis der Geschlechtsverschiedenheit stehen innerhalb der Europäischen Union nunmehr zwei verschiedene Ehemodelle gleichberechtigt nebeneinander und trennen die Mitgliedstaaten in diejenigen, die das Kriterium der Geschlechtsverschiedenheit aufgegeben haben und diejenigen, die es weiterhin als zwingend erforderlich ansehen. So ist beispielsweise in Deutschland eine gleichgeschlechtliche Eheschließung vom Sachrecht nicht vorgesehen und zugleich 218

Helms, StAZ 2012, S. 2 (3); Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (414). BVerwG JZ 1985, S. 740 (741), Helms, StAZ 2012, S. 2 (3). 220 Zu vergleichbaren Ergebnissen gelangen auch die autonomen Kollisionsrechte anderer EU-Mitgliedstaaten, siehe beispielsweise für England und Wales Gaffney-Rhys, IFL 2011, S. 319 (320). 221 Beginnend mit den Niederlanden im Jahr 2001, sukzessive gefolgt von Belgien, Spanien, Schweden und Portugal, weiterführende Nachweise bei Mankowski/Höffmann, IPRax 2011, S. 247 (248 f.) mit Fn. 18 ff.; seit dem 15.06.2012 auch in Dänemark, Ring/Olsen-Ring, StAZ 2012, S. 264 m.w.N. in Fn. 1; seit Mai 2013 auch in Frankreich, Loi n° 2013-404 du 17 mai 2013 ouvrant le mariage aux couples de personnes de même sexe, dazu Ougier, StAZ 2014, S. 8 ff.; seit März 2014 auch in England und Wales, Marriages (Same Sex Couples) Act 2013, dazu Scherpe/Sloan, FamRZ 2013, S. 1469 ff. und Sloan, StAZ 2014, S. 136 ff.; ab Ende 2014 auch in Schottland, Marriage and Civil Partnership (Scotland) Act 2014. In Europa existiert die gleichgeschlechtliche Ehe – außerhalb der Grenzen der EU – zudem auch in Norwegen und Island; ausführlicher rechtsvergleichender Überblick über die Existenz und Wirkungen der gleichgeschlechtlichen Ehe bei Spernat, Gleichgeschlechtliche Ehe, S. 30 ff. 219

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die kollisionsrechtliche Behandlung der gleichgeschlechtlichen Ehe umstritten. (a) Exkurs: Materielle Rechtslage in Deutschland Was unter einer Ehe zu verstehen ist, hat der deutsche Gesetzgeber nicht im Wege einer Legaldefinition klargestellt. So findet sich weder im Grundgesetz noch im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Bestimmung dieses Begriffes.222 Auch das Personenstandsgesetz enthält zwar Regelungen betreffend die Eheschließung, jedoch keine Definition der Ehe. Nichtsdestotrotz hat das Bundesverfassungsgericht klare Vorstellungen davon, was eine Ehe nach deutschem Verständnis ist oder sein soll. Bereits im Jahre 1959 stellte es fest, dass die Ehe „auch für das Grundgesetz die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft“223 sei. Diese Auffassung hat das Gericht in vielen Entscheidungen über Jahrzehnte wiederholt und bestätigt224 und bis heute beibehalten.225 Zwar billigt das Gericht dem Gesetzgeber einen „erheblichen Gestaltungsspielraum“ bei der Bestimmung von Form und Inhalt der Ehe zu, verlangt bei der einfachgesetzlichen Ausformung der Ehe jedoch die Beachtung der wesentlichen Strukturprinzipien, die sich aus der Anknüpfung des Art. 6 Abs. 1 GG an die vorgefundene Lebensform ergeben.226 Zu diesen Strukturprinzipien der Ehe zählt das Gericht ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltungen die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft.227 Sowohl das Bundesverfassungsgericht selbst als auch Stimmen im Schrifttum228 erkennen jedoch grundsätzlich an, dass der Ehebegriff wandelbar ist, da das Grundgesetz das Institut der Ehe nicht abstrakt gewährleiste, sondern „in der Ausgestaltung, wie sie den jeweils herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht.“229 Dennoch vermag das Gericht einen „grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem Sinne, dass der Geschlechtsverschiedenheit keine prägen222 Im Unterschied beispielsweise zur Rechtslage in Österreich, wo § 44 ABGB die Verschiedengeschlechtlichkeit der Eheschließenden voraussetzt. 223 BVerfGE 10, S. 59 (66). 224 Beispielsweise BVerfGE 29, S. 166 (176); BVerfGE 49, S. 286 (300), BVerfGE 53, S. 224 (245); BVerfGE 62, S. 323 (330); BVerfGE 87, S. 234 (264); BVerfG NJW 1993, S. 3058; BVerfGE 105, S. 313 (343); BVerfGE 103, S. 89 (101); BVerfGE 115, S. 1 (19). 225 Siehe beispielsweise BVerfG NJW 2011, S. 909. 226 BVerfGE 105, S. 313 (345). 227 BVerfGE 105, S. 313 (345). 228 So z.B. Epping/Hillgruber/Uhle, GG, Art. 6 Rn. 2; Maunz/Dürig/Badura, GG, Art. 6 Rn. 4; Sachs/von Coelln, GG, Art. 6 Rn. 3; Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (419); Andrae/Abbas, StAZ 2011, S. 97 (98). 229 BVerfGE 105, S. 313 (345).

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de Bedeutung mehr zukäme“230 nicht zu erkennen, mit der Folge, dass ein Recht auf Eheschließung vor deutschen Standesbeamten für gleichgeschlechtliche Paare nicht besteht. Diese Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat den Gesetzgeber veranlasst, ein eigenes familienrechtliches Institut – die eingetragene Lebenspartnerschaft – für gleichgeschlechtliche Paare zu schaffen.231 Das Gesetz berücksichtigt die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und unterlässt den Versuch, die Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare zu ermöglichen. Anzumerken bleibt, dass unbeschadet der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes aus heutiger Perspektive wohl auch in Deutschland eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein dürfte. Dazu bedürfte es weder einer Verfassungsänderung232 noch eines Eingreifens des einfachen Gesetzgebers, dessen Gestaltungsspielraum in dieser Hinsicht ohnehin stark eingeschränkt ist, solange das Bundesverfassungsgericht an seiner bisherigen Interpretation des Art. 6 GG festhält.233 Entgegen der restriktiven Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts dürfte jedoch inzwischen ein allgemeiner Wandel des Eheverständnisses234 dahingehend zu beobachten sein, dass die gleichgeschlechtliche Ehe auf zunehmend breite gesellschaftliche Akzeptanz trifft.235 Diese Änderung des Ehebildes ist nicht nur zurückzuführen auf die durch das Lebenspartnerschaftsgesetz geschaffene Möglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare, rechtlich verbindliche Partnerschaften einzugehen, sondern wird und wurde auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur weitestgehenden Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe236 befördert237 und durch internationale Initiativen zur Öffnung der Ehe gestützt.238 Der Wandel im allgemeinen Begriffs230

BVerfG NJW 1993, S. 3058; so auch Andrae/Abbas, StAZ 2011, S. 97 (98). Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 (BGBl. 2001 I, S. 266). 232 So auch Bömelburg, NJW 2012, S. 2753 (2758). 233 A.A. wohl Michael, NJW 2010, S. 3537 (3542), der Art. 6 Abs. 1 GG als offen für eine Begriffsänderung durch den einfachen Gesetzgeber ansieht. 234 Zum Wandel der Gesellschaftsstruktur Bömelburg, NJW 2012, S. 2753. 235 Vgl. auch Sanders, StAZ 2011, S. 175 (178). 236 BverfGE 105, S. 313; BVerfGE 124, S. 199; BVerfG NJW 2010, S. 2783; BVerfG FamRZ 2012, S. 1472 (zum Familienzuschlag); von Coester in LA Pintens, S. 313 (326) als „Einzelreparaturen“ beschrieben; zuletzt auch noch BVerfG FamRZ 2013, S. 521 (zur Sukzessivadoption). 237 Michael, NJW 2010, S. 3537 (3539) wirft die berechtigte Frage auf, inwieweit das BVerfG hierdurch Verfassungspolitik betrieben und eine etwaige Verfassungsänderung vorweggenommen hat; Coester in LA Pintens, S. 313 (325) hält es jedoch für legitim, dass das BVerfG bei der Verfassungsinterpretation auch eindeutige Wertmaßstäbe des Unionsrechts beachtet. 238 Michael, NJW 2010, S. 3537 (3540) sieht darin europäischen Tendenzen, die auch auf das nationale Verfassungsrecht wirken und bezeichnet dies als „Grundrechtswandel kraft europäischer Integration“. 231

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verständnis kommt unter anderem und nicht zuletzt durch die im Alltagsgebrauch häufig anzutreffende Verwendung des Begriffs der Ehe für eingetragene Lebenspartnerschaften zum Ausdruck.239 Somit dürfte aus heutiger Perspektive die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe wohl nicht mehr gegen die Verfassung verstoßen,240 sodass die bloße Anerkennung des gesellschaftlichen Wandels durch das höchste deutsche Gericht und eine dementsprechende Rechtsprechungsänderung im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Ehebegriff auch deutschen gleichgeschlechtlichen Paaren eine Eheschließung ermöglichen würde.241 In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 zwar einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan, indem es die gleichgeschlechtliche Ehe zumindest bei einer Geschlechtsumwandlung nach Eheschließung für das deutsche Recht anerkannt hat.242 Zugleich hat das Gericht jedoch betont, dass es sich bei dieser besonderen Konstellation um eine restriktiv zu handhabende Ausnahme vom Grundsatz der Geschlechtsverschiedenheit handelt und eine generelle Möglichkeit der gleichgeschlechtlichen Eheschließung weiterhin abgelehnt. Somit ist im deutschen Sachrecht de lege lata die Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten Voraussetzung für eine Eheschließung, deren Fehlen sich als zweiseitiges Ehehindernis auswirkt und als derart schwerwiegender Mangel ange239 Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (419); Michael, NJW 2010, S. 3537 (3538); Sachs/von Coelln, GG, Art. 6 Rn. 6. 240 Umstritten; im Ergebnis wie hier Sanders, FF 2012, S. 391 (394 f.); a.A. Sachs/von Coelln, GG, Art. 6 Rn. 6; Epping/Hillgruber/Uhle, GG, Art. 6 Rn. 4; SchmidtBleibtreu/Klein/Hofmann, GG, Art. 6 Rn. 20, der schon die weitestgehende Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe als verfassungswidrig ansieht. Scherpe in LA Pintens, S. 1225 (1240) sieht darin hingegen eine in der EMRK begründete Notwendigkeit für alle Vertragsstaaten; für Limbach in FS Schwenzer, S. 1079 (1085) beginnt das Wesensmerkmal der Geschlechtsverschiedenheit fragwürdig zu werden; Dethloff in FS Schwenzer, S. 409 (419) sieht zumindest die Möglichkeit, dass der verfassungsrechtliche Ehebegriff in Zukunft die Geschlechtsverschiedenheit nicht mehr voraussetzen wird; Michael, NJW 2010, S. 3537 (3542) sieht nur noch einen kleinen Schritt darin, die gleichgeschlechtliche Partnerschaft als Ehe anzuerkennen; Bömelburg, NJW 2012, S. 2753 (2758) sieht darin eine unaufhaltsame Entwicklung; Coester in LA Pintens, S. 313 (327) versteht den Begriff der „Ehe“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG als Grundform und Oberbegriff umfassender rechtlicher Lebens- und Solidargemeinschaften, auch soweit diese von der traditionellen Lebensgemeinschaft von Mann und Frau abweichen; Jänterä-Jareborg in FS Schwenzer, S. 849 (867) hält es sogar für nicht unrealistisch, dass der europäische Menschenrechtsschutz in nicht all zu ferner Zukunft das Recht auf Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe umfassen wird. 241 Für Sanders, FF 2012, S. 391 (394 f.) begegnet dieser Ansatz jedoch dogmatischen Bedenken, da ein allgemeiner Wandel der Anschauungen empirisch schwer feststellbar sei, weshalb bei einer Neuinterpretation des Ehebegriffs vorrangig auf die im Hinblick auf jüngere Entwicklungen im Bereich der Transsexualität flexibler gewordenen Grenzen zwischen den Geschlechtern abzustellen sei. 242 BVerfGE 121, S. 175.

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sehen wird, dass – im Gegensatz zu einer polygamen Ehe – die Eheschließung beziehungsweise der Versuch der Eheschließung ohne jede familienrechtliche Wirkung bleibt.243 Im Falle der Geschlechtsgleichheit der Partner besteht daher keine aufhebbare Ehe, sondern eine Nichtehe.244 Auch Angehörige anderer Staaten, deren Heimatrechte eine gleichgeschlechtliche Eheschließung erlauben, können – wie auch bei der polygamen Ehe – eine solche Ehe in Deutschland wegen des inländischen Formstatuts des Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB und des ordre-public-Vorbehalts des Art. 6 EGBGB nicht schließen.245 (b) Kollisionsrechtliche Behandlung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Deutschland Aus deutscher Sicht problematisch bleibt zudem die kollisionsrechtliche Einordnung von im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen. Da das deutsche materielle Recht dieses Rechtsinstitut selbst nicht kennt, ist fraglich, wie das Kollisionsrecht, das auch für fremde Rechtsinstitute offen sein muss, die gleichgeschlechtliche Ehe qualifiziert. Als Ausgangspunkt sollte dabei stets der Grundsatz gelten, dass dem eigenen Recht fremde Rechtsinstitute derjenigen Verweisungsnorm zuzuordnen sind, die ihnen inhaltlich am nächsten kommt.246 Im deutschen Kollisionsrecht könnte die gleichgeschlechtliche Ehe demnach entweder nach den Ehestatuten (Art. 13 ff. EGBGB) angeknüpft oder als eingetragene Partnerschaft gemäß Art. 17 b EGBGB qualifiziert werden. Eine Anknüpfung nach den Ehestatuten hätte einerseits zur Folge, dass im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen auch in Deutschland als Ehe angesehen würden, sofern die Heimatrechte beider Ehegatten eine gleichgeschlechtliche Eheschließung erlauben und der inländische ordre public nicht entgegensteht. Das auf die Scheidung solcher Ehen anwendbare Recht wäre demzufolge anhand der Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung zu bestimmen. Die Tatsache, dass in Deutschland keine gleichgeschlechtlichen Ehen geschlossen werden können, führt also nicht zwangsweise dazu, dass im Ausland wirksam geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen nicht nachträglich als solche anerkannt und gegebenenfalls auch vor deutschen Gerichten geschieden werden können. Vor diesem Hintergrund ist eine kollisionsrechtliche Einordnung der gleichgeschlechtlichen Ehe unerlässlich.

243

Palandt/Brudermüller, BGB, Vorb. vor § 1306 Rn. 3; Einf. vor § 1313 Rn. 5 f. Palandt/Brudermüller, BGB, Einf. vor § 1313 Rn. 5 f.; Helms, StAZ 2012, S. 2 (4). 245 Helms, StAZ 2012, S. 2 (4). 246 Winkler v. Mohrenfels in LA Ansay, S. 527 (530). 244

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Die Rechtsprechung und die wohl herrschende Meinung im deutschen Schrifttum unterstellten vor Erlass der Rom III-Verordnung247 die gleichgeschlechtliche Ehe nicht dem kollisionsrechtlichen Ehebegriff, sondern qualifizierte die im Ausland als Ehe geschlossene Verbindung als eingetragene Lebenspartnerschaft und knüpfte nach Art. 17 b EGBGB an.248 Als Argument für diese Einstufung der gleichgeschlechtlichen Ehen wurde vor allem die Entscheidung des Gesetzgebers angeführt, mit Art. 17 b EGBGB auch im Kollisionsrecht eine vom Eherecht gesonderte Anknüpfung für das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft als „aliud zur Ehe“249 bereitzustellen. Damit habe der Gesetzgeber eine eindeutige Wertung vorgenommen, die nicht umgegangen werden könne.250 Darüber hinaus würden die Grundvorstellungen des deutschen Sachrechts und die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch auf das Kollisionsrecht durchschlagen und eine Qualifikation der gleichgeschlechtlichen Ehe als eingetragene Partnerschaft im Sinne des Art. 17 b EGBGB gebieten.251 Zudem würden auch rechtspolitische Erwägungen für eine Anknüpfung der gleichgeschlechtlichen Ehe nach Art. 17 b EGBGB sprechen, denn eine Anknüpfung nach Art. 13 EGBGB hätte eine Nichtehe zur Folge, wenn nur eines der beteiligten Personalstatute die gleichgeschlechtliche Ehe nicht kenne, und auch eine registrierte Lebenspartnerschaft sei dann nicht zustande gekommen.252 Dieser Ansicht ist jedoch nicht zuzustimmen, denn die besseren Gründe sprechen hier für eine Erstreckung des kollisionsrechtlichen Ehebegriffs auch auf die gleichgeschlechtliche Ehe und somit für eine Anknüpfung dieser Erscheinungsform der Ehe nach Art. 13 EGBGB. Durch eine Anknüpfung nach Art. 17 b EGBGB würde der gleichgeschlechtlichen Ehe von vornherein die Möglichkeit genommen, zumindest kollisionsrechtlich in ihrem Status aner247 Ob diese Ansicht sich auch unter Geltung der Rom III-Verordnung als herrschende Auffassung durchsetzt, bleibt abzuwarten. 248 Siehe nur MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 5 und Art. 17 b EGBGB Rn. 143 bis 148 m.w.N. in Fn. 284; Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 179 m.w.N.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 44 V (S. 343); Wiggerich, FamRZ 2012, S. 1116 (1117); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Schack in FS Spellenberg, S. 497 (505) Fn. 55; KG/OLG Zweibrücken/München, FamRZ 2011, S. 1525 ff.; für eine analoge Anwendung des Art. 17 b EGBGB Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 20; Wasmuth in LA Kegel, S. 237 (242 f.); Henrich, FamRZ 2002, S. 137 (138). 249 Siehe z.B. MünchKomm/Coester, BGB, Art. 17 b EGBGB Rn. 146; Bamberger/ Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 20. 250 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 5. 251 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 179; MünchKomm/Coester, BGB, Art. 17b EGBGB Rn. 146. 252 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 17 b EGBGB Rn. 147; Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 20; Henrich, FamRZ 2002, S. 137 (138); Wasmuth in LA Kegel, S. 237 (243); Wiggerich, FamRZ 2012, S. 1116 (1117).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

kannt zu werden,253 denn die kollisionsrechtliche Anerkennung setzt zunächst die Einbeziehung in den kollisionsrechtlichen Ehebegriff voraus. Eine solche Anerkennung im Ausland erworbener Rechtspositionen ist nicht nur erstrebenswert als Ausdruck von Akzeptanz und Respekt gegenüber Wertungen und Entscheidungen anderer Rechtsordnungen.254 Sie passt darüber hinaus auch zum sich immer weiter ausbreitenden unionsrechtlichen Anerkennungsprinzip,255 das im Hinblick auf die innereuropäische Freizügigkeit darauf abzielt, eine einmal in einem Mitgliedstaat erworbene Rechtsposition oder einen Status unionsweit zu schützen und anzuerkennen.256 Entscheidungen aus dem Bereich des internationalen Gesellschaftsrechts257 oder des Namensrechts258 weisen in diese Richtung259 und lassen zusammen mit Gesetzesvorhaben zur Urkundsanerkennung260 zumindest eine Tendenz zugunsten der

253

MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 496. Thorn in Legal Recognition of Same-Sex Couples in Europe, S. 159 (161); a.A. wohl Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 7 mit Fn. 22, der die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe über „Hintertüren“ ablehnt und insofern vielmehr einen rechtspolitischen Konsens der Mitgliedstaaten fordert. 255 Siehe auch MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 172 und Art. 17 b EGBGB Rn. 147. 256 Heiderhoff in FS von Hoffmann, S. 127. Zumindest über das Ziel scheint insoweit Einigkeit zu bestehen, auch wenn über die methodische Umsetzung im Einzelnen noch diskutiert wird, siehe z.B. Wagner, StAZ 2012, S. 133 (141) und Mansel/CoesterWaltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, S. 335 (341), die aus verschiedenen Gründen jedoch den Weg über die (weitere) Vereinheitlichung des Kollisionsrechts bevorzugen; siehe dazu auch unten Viertes Kapitel § 2 III. 257 Rs. C-208/00, Urteil vom 05.11.2002, EuGHE 2002, S. I-09943 (“Überseering“). 258 Rs. C-148/02, Urteil vom 02.10.2003, EuGHE 2003, S. I-11613 Rn. 28 („Garcia Avello“); Rs. C-353/06, Urteil vom 14.10.2008, EuGHE 2008, S. I-07639 („Grunkin-Paul II“); Rs. C-208/09, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-13693 („SaynWittgenstein”). Zusammenfassend kann diesen Entscheidungen entnommen werden, dass hinkende Namensverhältnisse gegen das Recht auf Freizügigkeit verstoßen und somit korrigiert werden müssen, Heiderhoff in FS von Hoffmann, S. 127 (128). Dabei lässt jedoch auch der EuGH offen, wie die Verpflichtung zur Namenserkennung in den Mitgliedstaaten methodisch verwirklicht werden soll, Wagner, FamRZ 2011, S. 609 (610). 259 Mittlerweile spricht auch eine Entscheidung aus dem Abstammungsrecht, KG IPRax 2011, S. 70, zugunsten des Anerkennungsprinzips. Darin überspringt das KG die Anwendung deutschen Kollisionsrechts und wendet unmittelbar das Anerkennungsprinzip an – und „hat damit die Kollisionsrechtsszene geschockt.“ Allerdings hat das KG eine Vorlage an den EuGH unterlassen und sieht sich nun der Kritik ausgesetzt, dass es mit seiner Entscheidung inhaltlich wohl zu weit gegangen ist, siehe Heiderhoff in FS von Hoffmann, S. 127 (127, 137); Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, S. 1 (7 ff.). 260 Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM 2010, 747 endgültig. 254

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Anerkennung von Rechtslagen erkennen.261 Zwar kommt eine verfahrensrechtliche Anerkennung der Eheschließung262 als behördlicher oder privater Akt nicht in Betracht, da das in Art. 9 des Haager Eheschließungsübereinkommens263 zwischen den Vertragspartnern vorgesehene Anerkennungsprinzip für Deutschland mangels Beitritt zum Übereinkommen keine Wirkung entfaltet.264 Dennoch sollte die grundsätzlich anerkennungsfreundliche Zielrichtung des Unionsrechts auch bei der Auslegung und Qualifikation im nationalen Kollisionsrecht Berücksichtigung finden.265 Zudem lässt sich der hinter der Brüssel IIa-Verordnung stehende Grundgedanke der weitestgehenden Anerkennung europäischer Entscheidungen auf das Kollisionsrecht übertragen, auch wenn im konkreten Fall die verfahrensrechtliche Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Ehe im Rahmen eines positiven Feststellungsantrags problematisch ist, da die Erstreckung des Anwendungsbereiches der Brüssel IIa-Verordnung auf solche Verfahren umstritten ist.266 Zur Vermeidung eines mit dem Unionsrecht unvereinbaren Rechtsverlusts sollte vor allem auch im Kollisionsrecht eine weitestmögliche Anerkennung gewährleistet werden,267 die im Fall der gleichgeschlechtlichen Ehe über eine Anknüpfung nach Art. 13 EGBGB erreicht werden kann. Diese Anknüpfung vermeidet darüber hinaus hinkende Statusverhältnisse, die darin bestehen, dass eine nach den Heimatrechten der Partner wirksam geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe in einer Rechtsordnung als Ehe und in einer anderen als registrierte Partnerschaft angesehen wird. Hinkende Statusverhältnisse, die dadurch entstehen, dass schon das Heimatrecht eines Partners die gleichgeschlechtliche Eheschließung nicht zulässt, der Staat, in dem die Eheschließung erfolgt, eine solche Eheschließung jedoch dennoch ermöglicht,268 sind hingegen unvermeidlich und müssen hingenommen werden.269 So müssen deutsche Staatsangehörige wissen und zur Kenntnis neh261

Henrich in LA Schurig, S. 63 (71); Heiderhoff in FS von Hoffmann, S. 127; vgl. auch Siehr in FS von Hoffmann, S. 424 (436); dazu ausführlicher Sonnenberger in FS Spellenberg, S. 371 ff.; Wagner, FamRZ 2011, S. 609 ff.; Nordmeier, IPRax 2012, S. 31 ff. 262 Die verfahrensrechtliche Methode der Anerkennung hat grundsätzlich Vorrang gegenüber der kollisionsrechtlichen Methode, Wagner, StAZ 2012, S. 133 (134) Fn. 14; Wagner, FamRZ 2013, S. 1620 (1622). 263 Haager Übereinkommen über die Eheschließung und die Anerkennung der Gültigkeit von Ehen vom 14.03.1978, abgedruckt in StAZ 1977, S. 202 f. 264 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 172; Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 65. 265 Henrich in LA Schurig, S. 63 (72). 266 Dazu ausführlicher unten bei II. 4. c). 267 Vgl. auch Buschbaum, RNotZ 2010, S. 149 (166). 268 So beispielsweise Dänemark, vgl. Scherpe, FamRZ 2012, S. 1434 (1436) und gemäß Art. 202-1 Abs. 2 Code civil auch Frankreich, vgl. Ferrand/Francoz-Terminal, FamRZ 2013, S. 1448 (1449) und Lutzi, IPRax 2014, S. 292. 269 Winkler v. Mohrenfels in LA Ansay, S. 527 (536 f.).

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men, dass sie aus Sicht des deutschen Rechts derzeit nicht gleichgeschlechtlich heiraten können und eine gegebenenfalls dennoch geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe aus deutscher Sicht nicht existiert und somit zwangsweise hinkt.270 Die Anknüpfung nach Art. 13 EGBGB ist auch im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz vorzugswürdig, denn eine Anknüpfung nach Art. 17 b EGBGB diskriminiert die gleichgeschlechtliche Ehe dem Status nach,271 indem sie sie als aliud zur Ehe einordnet, anstatt ihren Status als Ausprägung der Ehe zu achten.272 Angesichts der hohen Bedeutung des Diskriminierungsverbots im Unionsrecht, die nicht nur vom europäischen Gesetzgeber, sondern auch von den europäischen Gerichten stets betont wird, sollte in diesem Zusammenhang das Argument der Diskriminierungsvermeidung von besonderem Gewicht sein.273 Da gleichgeschlechtliche Ehen, im Unterschied zu eingetragenen Lebenspartnerschaften, gerade keine eigenständigen Institute neben der Ehe darstellen, sondern Teil des jeweiligen Ehekonzeptes sind, ist es weder nachvollziehbar noch begründbar, gleichgeschlechtliche Ehepaare kollisionsrechtlich anders zu behandeln als verschiedengeschlechtliche. Darüber hinaus vermag auch die Argumentation der herrschenden Meinung nicht zu überzeugen, denn die Tatsache, dass der deutsche Gesetzgeber einen eigenen Anknüpfungstatbestand für die eingetragene Lebenspartnerschaft geschaffen hat, enthält keinerlei Aussage über die Behandlung gleichgeschlechtlicher Ehen. Eine eingetragene Lebenspartnerschaft im Sinne des Art. 17 b EGBGB ist nach dem Verständnis des deutschen Gesetzgebers keine Ehe, sondern ein eigenständiges familienrechtliches Instrument, das neben dem Institut der Ehe existiert. Diese bewusste Abgrenzung zur Ehe unterscheidet die eingetragene Lebenspartnerschaft von der ausländischen gleichgeschlechtlichen Ehe,274 die gerade nicht neben dem Institut der Ehe steht, sondern darin aufgeht.275 Dass für die eingetragene Lebenspartnerschaft als neues Instrument des materiellen Familienrechts mit Art. 17 b EGBGB auch ein kollisionsrechtliches Äquivalent eingeführt wurde, war zur Vermeidung 270

Winkler v. Mohrenfels in LA Ansay, S. 527 (537); a.A. Wiggerich, FamRZ 2012, S. 1116 (1117). 271 So auch Coester in FS Sonnenberger, S. 321 (332). 272 Dabei ist es unerheblich, ob dies zu tatsächlichen Einbußen im Sinne von objektiven Nachteilen im Alltagsleben führt, oder ob diese Nachteile in erster Linie im Bereich subjektiver Empfindungen liegen und damit eher die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen berühren, vgl. Heiderhoff in FS von Hoffmann, S. 127 (131). 273 Vgl. auch Melcher, JPIL 2013, S. 149 (151). 274 Ähnlich Palandt/Thorn, BGB, Art. 17 b EGBGB Rn. 1. 275 Deshalb auch nicht zutreffend Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 177a, denn die gleichgeschlechtliche Ehe ist nicht lediglich „der echten Ehe gleichgestellt“, sondern sie ist eine „echte“ Ehe.

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von Wertungswidersprüchen und Regelungslücken ebenso folgerichtig wie notwendig. Da Art. 17 b EGBGB aber ausschließlich das rechtlich eigenständige Instrument der eingetragenen Lebenspartnerschaft und gerade nicht die Ehe betrifft, kann die Einführung der Norm keine Relevanz für die kollisionsrechtliche Behandlung der gleichgeschlechtlichen Ehe haben. Zudem würde die Anknüpfung nach Art. 17 b EGBGB zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass die Schaffung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft, die eine Verbesserung der rechtlichen Situation gleichgeschlechtlicher Paare bezweckt, sich auf gleichgeschlechtliche Ehepaare nachteilig auswirkt. Würde das Institut der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft und die entsprechende eigenständige Kollisionsnorm nämlich nicht existieren, so müsste die gleichgeschlechtliche Ehe mangels Alternative ohnehin nach Art. 13 EGBGB angeknüpft werden.276 Auch ein Verweis auf die normhierachisch höherrangigen Vorgaben des deutschen Verfassungsrechts rechtfertigt es nicht, der gleichgeschlechtlichen Ehe die kollisionsrechtliche Anerkennung von vornherein zu verwehren und sie nach Art. 17 b EGBGB anzuknüpfen. Entsprechend seiner Verankerung in Art. 6 GG ist der verfassungsrechtliche Ehebegriff Ausdruck der für die deutsche Rechtsordnung unverzichtbar erscheinenden Strukturprinzipien der Ehe.277 Diese können von dem Eheverständnis anderer Rechtsordnungen teilweise und in wichtigen Aspekten abweichen. Anders als im deutschen Verfassungsrecht ist es jedoch im internationalen Privatrecht unerlässlich, fremde Rechtsordnungen und deren Wertungen im Blick zu haben und zu berücksichtigen, wenn das Kollisionsrecht seinem Wesen und seiner Funktion als Regelung für Sachverhalte mit Auslandsbezug gerecht werden soll. Zwar müssen sich grundsätzlich sowohl die deutschen kollisionsrechtlichen Normen als auch etwa anwendbare ausländische Normen am Grundgesetz messen lassen, jedoch können Abweichungen der ausländischen Rechtsinstitute von nationalen Strukturprinzipien nicht per se dazu führen, dass sie vom nationalen Kollisionsrecht nicht erfasst werden. Nicht umsonst ist die oben bereits dargestellte Trennung der Begriffsebenen zwischen Kollisions- und Sachrecht notwendig und die Existenz eines eigenständigen kollisionsrechtlichen Ehebegriffs weitreichend anerkannt. Im konkreten Fall der gleichgeschlechtlichen Ehe ist darüber hinaus nicht ersichtlich, inwieweit ihre Qualifikation als Ehe nach Art. 13 EGBGB gegen Art. 6 GG verstoßen könnte, da die bloße kollisionsrechtliche Anknüpfung eines ausländischen Rechtsinstituts die grundrechtlich geschützte Ehe nach deutschem Verständnis nicht gefährdet.278

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In diese Richtung wohl auch Wasmuth in LA Kegel, S. 237 (241). Coester-Waltjen in FS Henrich, S. 91. 278 Winkler v. Mohrenfels in LA Ansay, S. 527 (535); in anderem Zusammenhang, jedoch mit der gleichen Grundtendenz Wasmuth in LA Kegel, S. 237 (249). 277

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Nichtsdestotrotz wirkt das normhierarchisch höhere Verfassungsrecht auch für das internationale Privatrecht, indem es über die ordre-public-Klausel des Art. 6 EGBGB Entwicklungen des ausländischen Rechts abwehrt, die mit inländischen Vorstellungen grundlegend unvereinbar sind und im Einzelfall zu unerträglichen Ergebnissen führen.279 Der deutsche verfassungsrechtliche Ehebegriff könnte also allenfalls über den ordre-public-Vorbehalt der kollisionsrechtlichen Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe entgegenstehen. Art. 6 EGBGB greift jedoch nur ein, wenn die Anwendung des ausländischen Rechts zu einem Ergebnis führen würde, das mit der deutschen öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar wäre.280 Im vorliegenden Kontext ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass auch nach der Vorstellung des deutschen Rechts gleichgeschlechtliche Paare eine rechtsförmliche Bindung eingehen können, die ihnen Rechte und Pflichten verleiht und sie weitestgehend einer Ehe gleichstellt, denn ein Abstandsgebot zwischen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Sinne einer Über- und Unterordnung besteht nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht.281 Die Abweichung zur gleichgeschlechtlichen Ehe besteht nur in der Versagung des Status als Ehegatten. Die Unterschiede sind inhaltlich daher so gering, dass nicht von einem eklatanten Abweichen von inländischen Vorstellungen ausgegangen werden kann, denn allein die Verleihung eines anderen Status im fremden Recht rechtfertigt keine Abwehr der Regelung über den ordre public.282 Zum anderen verdeutlicht auch ein Vergleich mit der polygamen Ehe, deren Einbeziehung in den kollisionsrechtlichen Ehebegriff seit langem akzeptiert ist, dass die Erstreckung dieses Begriffs auch auf die gleichgeschlechtliche Ehe keine übermäßige Belastung und Ausweitung des kollisionsrechtlichen Ehebegriffs darstellt.283 Auch das Prinzip der Monogamie gehört zum unverzichtbaren Kern des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs. Dennoch wird auch hier im Rahmen des ordre public dahingehend differenziert, dass die Mehrehe zwar in Deutschland nicht geschlossen werden kann, der Ehestatus als solcher aber anerkannt wird, wenn sie im Ausland wirksam geschlossen worden ist.284 Es ist nicht begründbar, warum für das Merkmal der Ge279

MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 32; Coester-Waltjen in FS Henrich, S. 91 (93); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 I (S. 244). 280 Zum ordre public noch ausführlicher unten bei Abschnitt C § 4 II. 281 BVerfGE 105, S. 313 (343 ff.); Michael, NJW 2010, S. 3537 sieht vielmehr bereits ein Abstandsverbot zwischen beiden Instituten. 282 Wasmuth in LA Kegel, S. 237 (256, 258 f.). 283 Thorn in Legal Recognition of Same-Sex Couples in Europe, S. 159 (161); in diesem Sinne wohl auch Röthel, IPRax 2002, S.496 (498); wohl aus gleichen Gründen gegen eine Abwehr der gleichgeschlechtlichen Ehe über den ordre public trotz anderem Endergebnis Coester in FS Sonnenberger, S. 321 (334 f.). 284 Vgl. oben aa).

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schlechtsverschiedenheit etwas anderes gelten sollte.285 Die Argumentation ließe sich sogar im Sinne eines Erst-Recht-Schlusses fortführen,286 denn im Fall der polygamen Ehe existiert im deutschen Recht – im Gegensatz zur gleichgeschlechtlichen Ehe – nicht einmal ein zumindest ähnliches oder vergleichbares Institut, sodass die kollisionsrechtliche Anerkennung der polygamen Ehe wohl noch eher im Rahmen des ordre public verweigert werden könnte, weil sie dem nationalen Recht und den sich darin äußernden Wertvorstellungen völlig fremd erscheint. Zuletzt können auch die vorgebrachten rechtspolitischen Erwägungen nicht dazu führen, die gleichgeschlechtliche Ehe aus dem Anwendungsbereich des Art. 13 EGBGB herauszunehmen. Zwar ist es richtig, dass eine Anknüpfung nach Art. 13 EGBGB eine Nichtehe zur Folge hat, wenn nur eines der beteiligten Personalstatute die gleichgeschlechtliche Ehe nicht kennt. Dieser Umstand kann jedoch nicht einseitig zu Lasten derjenigen Ehepaare aufgelöst werden, deren Heimatrechte die gleichgeschlechtliche Eheschließung erlauben und deren Eheschließung sodann bei einer Anknüpfung nach Art. 13 EGBGB auch aus deutscher Sicht wirksam und anzuerkennen wäre, wohingegen bei einer Anknüpfung nach Art. 17 b EGBGB der im Heimatstaat rechtmäßig erworbene Ehestatus kollisionsrechtlich aberkannt oder abgeschwächt würde.287 Angehörige derjenigen Staaten, die eine gleichgeschlechtliche Eheschließung in ihren Sachrechten nicht erlauben, müssen hingegen die Konsequenzen der restriktiveren Ehevorschriften ihrer Heimatrechte insofern tragen und in Kauf nehmen, als sie nicht aus Sicht jeder Rechtsordnung die Ehe eingehen können.288 Ihnen bleibt – so unbefriedigend diese Lösung auch sein mag – bis zur allgemeinen Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nur die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder einer hinkenden Ehe, die gegebenenfalls nur am Ort der Eheschließung anerkannt wird. Dieser aus Sicht der Betroffenen und aus 285

Helms, StAZ 2012, S. 2 (6) verweist ebenfalls auf den Wertungswiderspruch, der sich aus der Ungleichbehandlung der gleichgeschlechtlichen im Vergleich zur polygamen Ehe ergibt. 286 Diesen Gedanken aufgreifend Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 127. 287 Auf diese „Herabstufung“ weist auch Helms, StAZ 2012, S. 2 (5) hin. 288 A.A. Buschbaum, RNotZ 2010, S. 73 (81), der das Interesse zweier Ehepartner, deren Heimatrechte die gleichgeschlechtliche Eheschließung zulassen, an einer umfassenden Anerkennung ihrer gleichgeschlechtlichen Ehe als weniger schutzwürdig bewertet als das Interesse eines Paares an der Überwindung restriktiver Heimatrechte und der Anerkennung ihrer Verbindung zumindest dem Grunde nach durch Qualifikation als eingetragene Partnerschaft; a.A. auch Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 64 f., die es aus österreichischer Sicht ebenfalls als nicht vertretbar ansieht, wenn eine gleichgeschlechtliche Ehe, die ein österreichischer Staatsangehöriger im Ausland eingegangen ist, aus Sicht des österreichischen Rechts nicht zustande gekommen ist und deshalb eine Anknüpfung der gleichgeschlechtlichen Ehe nach dem Eheschließungsstatut ablehnt und diese stattdessen gemäß § 1 österreichisches IPRG an den Eheschließungsort anknüpfen will.

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rechtspolitischen Erwägungen mangelhafte Zustand 289 kann jedoch nur durch die Einzelstaaten gelöst werden, die gefordert sind, in ihren Sachrechten Regelungen zu schaffen, um eine gleichgeschlechtliche Eheschließung zu ermöglichen und den in dieser Hinsicht von den Vertretern einer Anknüpfung nach Art. 17 b EGBGB zu Recht kritisierten und problembehafteten status quo zu beseitigen.290 Als Ergebnis lässt sich somit feststellen, dass auch gleichgeschlechtliche Ehen unter den kollisionsrechtlichen Ehebegriff fallen und grundsätzlich unter Art. 13 EGBGB zu qualifizieren sind.291 Eine analoge Anwendung der Norm ist dabei nicht erforderlich.292 Dieses Ergebnis entspricht auch den Lösungen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Insbesondere diejenigen Mitgliedstaaten, die die Ehe bereits für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben, behandeln konsequenterweise die gleichgeschlechtliche Ehe auch kollisionsrechtlich als Ehe.293 Wie bei der polygamen Ehe, ist somit auch die Wirksamkeit einer im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehe gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB nach den Heimatrechten beider Partner zu beurteilen. Erlauben beide Heimatrechte die gleichgeschlechtliche Eheschließung, so ist die gleichgeschlechtliche Ehe wirksam zustande gekommen und somit kollisionsrechtlich anzuerkennen. So können beispielsweise zwei Niederländer eine gleichgeschlechtliche Ehe miteinander wirksam eingegangen sein. Gleiches gilt auch für die gleichgeschlechtliche Eheschließung zwischen einem Niederländer und einem Spanier, denn ihre jeweiligen Heimatrechte 289 Spernat, Gleichgeschlechtliche Ehe, S. 175 sieht darin einen Verstoß gegen das durch Art. 21 AEUV garantierte Recht auf Freizügigkeit. 290 Spernat, Gleichgeschlechtliche Ehe, S. 216, 220 plädiert hingegen die Schaffung einer eigenständigen, neuen Kollisionsnorm im autonomen deutschen Kollisionsrecht für im Ausland geschlossene Ehen. Er will diese an den Eheschließungsort anknüpfen, sofern mindestens einer der Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 291 Im Ergebnis ebenso Spernat, Gleichgeschlechtliche Ehe, S. 76; Gebauer/Staudinger, IPRax 2002, S. 275 (277); Röthel, IPRax 2002, S. 496 (498); Winkler v. Mohrenfels in LA Ansay, S. 527 (535, 539); Stüber, JZ 2009, S. 49 (51); Jakob, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im Internationalen Privatrecht, S. 285 f.; Thorn in Legal Recognition of Same-Sex Couples in Europe, S. 159 (161); für eine Anknüpfung nach Art. 13 EGBGB analog Palandt/Thorn, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 3, Art. 17 b EGBGB Rn. 1; Thorn in FS Jayme, S. 955 (958); a.A. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389); Schurig in FS von Hoffmann, S. 404 (411); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (251); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 235; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 11; Heiderhoff, StAZ 2014, S. 193; für eine Qualifikation als Ehe aus der Perspektive des französischen Rechts auch Kessler, Les partenariats enregistrés en droit international privé, S. 97 f. 292 A.A. Palandt/Thorn, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 3, Art. 17 b EGBGB Rn. 1; Thorn in FS Jayme, S. 955 (958). 293 Dazu ausführlicher rechtsvergleichender Überblick bei Winkler v. Mohrenfels in LA Ansay, S. 527 (530 ff.).

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stehen einer solchen Eheschließung nicht entgegen. Solche Eheschließungen sind dann nicht mangelhaft, und die so geschlossene Ehe ist nach den Heimatrechten wirksam. Auch ein Verstoß gegen den deutschen ordre public liegt darin nicht. Daraus folgt sodann ebenfalls, dass gleichgeschlechtliche Ehen nicht per se aus dem Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung fallen, sondern von diesem erfasst werden, sofern sie kollisionsrechtlich anzuerkennen sind.294 Insbesondere diejenigen teilnehmenden Mitgliedstaaten, die die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben, werden zur Vermeidung von internen Wertungswidersprüchen und mangels alternativer Regelung die Rom III-Verordnung auch für solche eben dargestellten Ehen anwenden müssen.295 Aber auch in denjenigen teilnehmenden Mitgliedstaaten, die eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (noch) nicht vollzogen haben, erstreckt sich der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung auf gleichgeschlechtliche Ehen,296 sofern diese nach den Maßstäben des jeweiligen nationalen Eheschließungsstatut wirksam zustande gekommen sind. Für dieses Ergebnis spricht auch die Regelung des Art. 13 Alt. 2 Rom III-VO, der in erster Linie auf gleichgeschlechtliche Ehen zugeschnitten ist297 und daher überflüssig wäre, wenn der Anwendungsbereich der Verordnung gleichgeschlechtliche Ehen grundsätzlich nicht umfassen würde.298 Hingegen sind gleichgeschlechtliche Ehen, die nach Maßstab der berufenen Rechte nicht wirksam sind, wie beispielsweise aus deutscher Sicht eine gleichgeschlechtliche Eheschließung eines deutschen Staatsangehörigen, keine bestehenden Ehen im Sinne der Rom III-Verordnung und werden somit vom Anwendungsbereich der Verordnung nicht umfasst.

294 A.A. Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Süß/Ring/Süß, Eherecht in Europa, § 2 Rn. 291 und 296; Pietsch, NJW 2012, S. 1768; Henrich in LA Pintens, S. 701 (711); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 810; Nademleinsky, Zak 2012, S. 146 (147); Andrae, FPR 2010, S. 505 (506); Andrae/Abbas, StAZ 2011, S. 97 (100). 295 Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 235; Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 125; so wohl auch Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 11. 296 So auch Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 96; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (382); Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (13); Nitsch, ZfRV 2012, S. 264; Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250); Finger, FuR 2013, S. 305 (307); Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 121. 297 Dazu noch ausführlicher unten (Abschnitt C § 4 II. 3.). 298 Vgl. auch Makowsky, GPR 2012, S. 266 (267); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (807); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 3; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 234; Franzina, CDT 2011, S. 85 (102); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (382), der zusätzlich auf die Entstehungsgeschichte und die Parallelgesetzgebung zum internationalen Güterrecht verweist; a.A. Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (703).

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cc) Minderjährigenehen Auch die Ehefähigkeit der Eheschließenden ist sachliche Voraussetzung der Eheschließung und damit nach Art. 13 EGBGB anzuknüpfen. Die Ehefähigkeit betrifft in erster Linie Fragen der Ehemündigkeit, also des zur Eheschließung erforderlichen Mindestalters.299 Gemäß § 1303 BGB sieht das deutsche Sachrecht die Ehemündigkeit regelmäßig ab Eintritt der Volljährigkeit vor, erlaubt die Eheschließung jedoch unter engen Voraussetzungen ausnahmsweise auch bereits ab Vollendung des 16. Lebensjahres. Die fehlende Ehemündigkeit stellt im deutschen Recht nach ganz herrschender Meinung ein einseitiges Ehehindernis dar,300 das gemäß § 1314 BGB i.V.m. § 1303 BGB zur Aufhebbarkeit der Ehe führt; dieser Mangel ist jedoch gemäß § 1315 Abs. 1 Nr. 1 BGB nach Volljährigkeit durch Bestätigung heilbar. Somit sind Ehen, die von noch nicht ehemündigen Personen geschlossen wurden, nach deutschem Sachrecht zwar fehlerhaft und aufhebbar, bis zur Aufhebung haben sie aber – wie auch polygame Ehen – als Ehen Bestand.301 Kollisionsrechtlich sind auch Ehen, die zwischen – aus Sicht des deutschen Sachrechts – Eheunmündigen geschlossen wurden, grundsätzlich als Ehen im Sinne des Art. 13 EGBGB anzusehen, mit der Folge, dass ihre Wirksamkeit anhand der Personalstatute der Eheschließenden zu beurteilen ist. Liegt aus Sicht des berufenen Rechts Eheunmündigkeit vor, so entscheidet das verletzte Heimatrecht auch über die Folgen der Eheunmündigkeit.302 Somit hängt es von der Wertung des jeweils berufenen Rechts ab, ob eine Ehe trotz Eheunmündigkeit zustande gekommen ist, was wiederum Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung ist. Liegt aus Sicht des berufenen Rechts Ehemündigkeit vor und tritt diese bereits wesentlich früher ein als im deutschen Sachrecht vorgesehen, kann bei ausreichendem Inlandsbezug ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vorliegen, denn der Schutz Minderjähriger vor den Folgen von Willenserklärungen und Rechtshandlungen, deren Tragweite sie aufgrund mangelnder Entwicklung und Verstandesreife noch nicht absehen können, gehört zu den wesentlichen und unverzichtbaren Bestandteilen des deutschen Rechts.303 Dabei ist nicht endgültig geklärt, wel299

MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 38. Es werden aber auch andere Apekte erfasst, so z.B. die fehlende Geschäftsfähigkeit bei Erwachsenen, siehe CoesterWaltjen, FamRZ 2012, S. 1185 (1186). 300 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 155; MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 48, aber andeutungsweise eine Einordnung als zweiseitige Ehevoraussetzung befürwortend Rn. 38; ebenso die Einordnung als einseitige Ehevoraussetzung in Zweifel ziehend v. Bar, Internationales Privatrecht, Band II, § 2 Rn. 147 Fn. 254. 301 Coester-Waltjen, StAZ 2013, S. 10 (16). 302 KG FamRZ 2012, S. 1495 (1496). 303 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 38; KG FamRZ 2012, S. 1495 (1496); Lack, StAZ 2013, S. 275 (282).

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ches Mindestalter erforderlich ist, um dem deutschen ordre public zu genügen. Gelegentlich wird bereits eine Ehemündigkeit ab 14 Jahren als noch akzeptabel angesehen,304 im Hinblick auf § 1303 Abs. 2 BGB erscheint jedoch eine Mindestgrenze von 16 Jahren angebrachter.305 Zu bedenken ist dabei jedoch stets, dass ein solcher Verstoß gegen den ordre public nicht die Nichtigkeit der Ehe, sondern – wie im Falle eines reinen Inlandssachverhaltes auch – allenfalls die Auffhebbarkeit der Ehe zur Folge haben kann, da es andernfalls zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Eheschließungen kommen würde.306 Zudem ist auch die zeitliche Relativität des ordre public zu beachten, denn ob ein Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts vorliegt, kann das Gericht nur nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegebenen Umstände beurteilen.307 Dementsprechend kann ein zum Zeitpunkt der Eheschließung zwar gegebener, mittlerweile jedoch weit in der Vergangenheit liegender Verstoß gegen den ordre public durch Zeitablauf und Eintritt der Volljährigkeit der Eheschließenden derart abgeschwächt werden, dass Art. 6 EGBGB nicht mehr eingreift.308 dd) Ehen zwischen Verwandten Im deutschen Recht besteht gemäß § 1307 BGB ein zweiseitiges309 Eheverbot in Bezug auf die Eheschließung zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern. Ein Verstoß gegen dieses Eheverbot hat gemäß § 1314 BGB i.V.m. § 1307 BGB die Aufhebbarkeit der Ehe zur Folge, die kraft Natur der Sache auch nicht durch Bestätigung heilbar ist.310 Eine Eheschließung zwischen Verwandten ist somit aus Sicht des deutschen Sachrechts mit einer polygamen Eheschließung vergleichbar. Auch die Ehe zwischen Verwandten wird vom kollisionsrechtlichen Ehebegriff des Art. 13 EGBGB umfasst. Die Verwandtschaft zwischen Eheschließenden ist somit zunächst in dem Rahmen maßgeblich, den die Heimatrechte der Eheleute vorgeben. Diese Rechte entscheiden auch über die Folgen 304

Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 25; Erman/Hohloch, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 24. 305 So auch MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 38; Heiderhoff, StAZ 2014, S. 193 (198); offen gelassen bei Kaiser, FamRZ 2013, S. 77 (81). 306 Kaiser, FamRZ 2013, S. 77 (84); a.A. KG FamRZ 2012, S. 1495 (1496); zu Recht kritisiert von Frank, StAZ 2012, S. 129 (130, 132). 307 Frank, StAZ 2012, S. 129 (132). 308 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 87; AG Hannover, FamRZ 2002, S. 1116. 309 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 228; MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 48. 310 Palandt/Brudermüller, BGB, § 1315 BGB Rn. 1.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

der Eingehung einer nicht zulässigen Ehe zwischen Verwandten und somit letztendlich auch über die Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung auf solche Ehen. Sieht das berufene Recht Ehen unter Blutsverwandten in den Grenzen des § 1307 BGB als zulässig an, ist dies mit dem deutschen ordre public jedoch unvereinbar.311 Darüber hinaus ist ein Verstoß gegen den deutschen ordre public auch dann anzunehmen, wenn das berufene Recht wesentlich strengere, aus weit entfernter Verwandtschaft abgeleitete Ehehindernisse vorsieht, die mit der Eheschließungsfreiheit unvereinbar und daher unbeachtlich sind.312 ee) Zwangsehen Im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung ebenfalls problematisch sind solche Ehen, deren Eingehung nicht auf dem freien Willen und der vollumfänglichen Zustimmung der Eheschließenden beruht. Das Vorliegen eines eigenen, rechtserheblichen Ehewillens auf Seiten der Verlobten ist nicht nur Voraussetzung für die wirksame Eheschließung nach deutschem Recht, sondern stellt zugleich ein auch grundlegendes Recht der Eheschließenden dar, das durch mehrere völkerrechtliche Übereinkommen313 geschützt wird. Der Wille zur Eingehung der Ehe muss bei beiden Eheschließenden vorliegen und darf nicht durch Drohung oder Zwang widerrechtlich hervorgerufen worden sein.314 Ein fehlender Ehewille stellt jedenfalls für das deutsche Recht notwendigerweise ein zweiseitiges Ehehindernis dar.315 Hinsichtlich der Mangelfolgen muss differenziert werden: So sieht § 1314 Nr. 4 BGB lediglich die Aufhebbarkeit einer aufgrund widerrechtlicher Drohung eingegangen Ehe vor, wohingegen Ehen, bei denen einer der Partner ohne oder sogar gegen seinen Willen von Dritten in die Ehe gegeben wird, wohl als Nichtehen anzusehen sind.316 Kollisionsrechtlich fallen auch Zwangsehen unter den Ehebegriff des Art. 13 EGBGB und sind somit in erster Linie anhand der Heimatrechte der Eheschließenden zu beurteilen.317 Verbieten diese die Eingehung einer Zwangsehe, so entscheidet das jeweils verletzte Heimatrecht auch über die 311

Erman/Hohloch, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 28; MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 54. 312 MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 54; nicht jedoch schon bei einem Ehehindernis der Schwägerschaft in direkter Linie, vgl. BVerwG, StAZ 2012, S. 376 (379); siehe dazu auch Heiderhoff, StAZ 2014, S. 193 (199 f.). 313 Nachweise bei Coester-Waltjen/Coester, Formation of Marriage, S. 3 bis 17 Fn. 76. 314 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 188. 315 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 219, anders aber wohl MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 48. 316 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 188; nicht ganz eindeutig MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 41. 317 Kaiser, FamRZ 2013, S. 77 (80).

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Folgen der Rechtsverletzung, also darüber, ob die zwangsweise eingegangene Ehe beispielsweise eine Nichtehe oder eine aufhebbare Ehe ist.318 Darüber hinaus verstoßen Eheschließungen, die im Ausland im Einklang mit den berufenen Rechten ohne den freien Willen beider Verlobten vorgenommen wurden, bei hinreichendem Inlandsbezug gegen den deutschen ordre public.319 Wie auch bei Minderjährigenehen führt der Verstoß gegen den deutschen ordre public jedoch nicht zum Vorliegen einer Nichtehe, sondern hat lediglich, entsprechend der Regelung des § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB, die Aufhebbarkeit der Ehe zur Folge.320 c) Alternativen zur Ehe Zu untersuchen ist ferner, ob neben den dargestellten Ausprägungen der Ehe auch andere Formen des dauerhaften Zusammenlebens in den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung fallen. In Betracht kommen verschiedene Formen eheähnlicher Lebensgemeinschaften, die teilweise innerhalb nationaler Rechtsordnungen auch institutionalisiert sind. Dazu gehören zum Beispiel registrierte Partnerschaften oder nichteheliche Lebensgemeinschaften. aa) Registrierte Partnerschaften „Eingetragene“ oder „registrierte“ Partnerschaften sind sowohl in einer gleichgeschlechtlichen als auch in einer verschiedengeschlechtlichen Ausprägung selbständige Institutionen der nationalen Rechtsordnungen, die neben oder unterhalb der Ehe angesiedelt sind. Sie stellen ausdrücklich keine Ehen dar und sind somit nicht vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung erfasst.321 Diese bewusste Unterscheidung zwischen Ehen und anderen rechtsverbindlichen Partnerschaften kam nicht nur im Gesetzgebungsverfahren der Rom III-Verordnung zum Ausdruck,322 sondern wird auch deutlich

318

Kaiser, FamRZ 2013, S. 77 (82). MünchKomm/Coester, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 41; Kaiser, FamRZ 2013, S. 77 (81, 84). 320 Kaiser, FamRZ 2013, S. 77 (84). 321 So auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (383); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 4; Nitsch, ZfRV 2012, S. 264; Makowsky, GPR 2012, S. 266 (268); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (102); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (808); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 810; Franzina, CDT 2011, S. 85 (102); vgl. aber Stürner, JURA 2012, S. 708 (712), für den eine analoge Anwendung der Rom III-Verordnung auf registrierte Partnerschaften i.S.d. Art. 17 b EGBGB in Betracht kommt, um auch ihnen die nun bestehenden Möglichkeiten der Rechtswahl zu eröffnen und der zudem entsprechende Änderungen des Art. 17 b EGBGB erwartet. 322 Der im Gesetzgebungsverfahren unterbreitete Vorschlag, die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung auch auf eingetragene Lebenspartner auszudehnen, wurde nicht aufgegriffen; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (383) mit Fn. 24. 319

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bei den getrennten Verordnungsvorschlägen zum internationalen Güterrecht.323 bb) Faktische, nichteheliche Lebensgemeinschaften Viele, sowohl gleichgeschlechtliche als auch verschiedengeschlechtliche Partnerschaften werden zudem als rein faktische Gemeinschaft gelebt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Partner bei Begründung ihrer Verbindung keine rechtliche Legitimierung ihrer Partnerschaft wünschen.324 Solche Partnerschaften sind keine Ehen, denn sie werden ohne die Einschaltung staatlicher Instanzen begründet und beendet, eine Scheidung ist weder möglich noch erforderlich. Der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung erstreckt sich daher nicht auf solche rein faktischen Gemeinschaften.325 d) Hinkende Ehen Fraglich ist weiterhin, wie sogenannte „hinkende Ehen“ im Rahmen der Rom III-Verordnung zu behandeln sind. Unter dieser Bezeichnung sind solche Ehen zu verstehen, die zwar aus Sicht einer Rechtsordnung bestehen, aus der Perspektive des Rechts eines anderen Staates hingegen als nicht (mehr) bestehend angesehen werden. Hinkende Ehen können im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung in verschiedenen Konstellationen auftreten. So kann die selbständige Vorfragenanknüpfung dazu führen, dass aus der Sicht des deutschen (Kollisions)Rechts eine Ehe nicht besteht, die aus Sicht einer anderen Rechtsordnung, beispielsweise im Heimatrecht eines Ehegatten, wirksam ist. In dieser Konstellation führt die selbständige Anknüpfung der Vorfrage jedoch dazu, dass mangels wirksamer Ehe der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung nicht eröffnet ist. Die Ehe ist aus Sicht des deutschen Rechts als Nichtehe anzusehen und kann somit vor deutschen Gerichten nicht geschieden werden, sodass auch keine Notwendigkeit besteht, das auf die Ehescheidung anwendbare Recht zu bestimmen.

323

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM (2011) 126 endgültig; Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich eingetragener Partnerschaften, KOM (2011) 127 engültig; vgl. auch Schurig in FS von Hoffmann, S. 404 (411); Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 125. 324 Vgl. Stürner, JURA 2012, S. 708 (713). 325 Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 236; vgl. aber Stürner, JURA 2012, S. 708 (713), der eine analoge Anwendung der Art. 5 ff. Rom III-VO auf faktische Lebensgemeinschaften befürwortet, wenn deren Auflösung im ausländischen Recht besonderen formellen Anforderungen unterliegt.

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Problematischer und nicht unumstritten ist hingegen die umgekehrte Konstellation, bei der eine Ehe zwar aus Sicht des deutschen Rechts besteht, aus Sicht des nach dem Scheidungsstatut berufenen Rechts hingegen nicht. Diese Situation kann eintreten, wenn die Ehe nach dem ausländischem Recht nicht wirksam entstanden ist, oder aber wenn eine ausländische Ehescheidung in Deutschland nicht anerkannt wird.326 Nach der bisher wohl herrschenden Meinung war auf die Scheidung solcher Ehen deutsches Scheidungsrecht anzuwenden, wobei teilweise dahingehend unterschieden wurde, ob die hinkende Inlandsehe Folge einer im Scheidungsstatutsstaat nicht anerkannten Eheschließung oder einer nicht anerkannten Ehescheidung war.327 Als Argument für die Anwendung deutschen Scheidungsrechts wurde dabei in erster Linie angeführt, dass die im Inland wirksame Ehe aus Sicht des Scheidungsstatutsstaats eine Nichtehe darstelle, die dort deshalb nicht scheidbar sei, und das ausländische Scheidungsrecht auf die Ehescheidung somit nicht angewendet werden wolle.328 Zu bedenken ist dabei jedoch, dass bei der selbständigen Anknüpfung von Vorfragen die lex fori maßgebend für die Frage ist, ob eine Ehe im Sinne der Rom III-Verordnung besteht. Die Prüfung des Bestehens der Ehe nach dem berufenen Scheidungsrecht käme einer unselbständigen Vorfragenanknüpfung gleich, die hier jedoch aus den oben genannten Gründen anzulehnen ist. Es ist somit, will man das Konzept der selbständigen Vorfragenanknüpfung Ernst nehmen, irrelevant und daher grundsätzlich auch schon gar nicht zu prüfen, welche Haltung das (erst nach der Vorfragenanknüpfung noch zu bestimmende) Scheidungsstatut zum Bestehen der Ehe einnimmt.329 Das Scheidungsstatut ist ein gegenüber dem Eheschließungsstatut eigenständiger und von diesem unabhängiger Anknüpfungstatbestand. Gerade in diesem Umstand findet auch die selbständige Vorfragenanknüpfung ihre Grundlage, denn ohne die Entkopplung von Eheschließungs- und Ehescheidungsstatut wäre eine solche selbständige Anknüpfung nicht denkbar. Besteht also aus Sicht der lex fori eine Ehe, so ist die Rom III-Verordnung anwendbar und das auf die Ehescheidung anwendbare Recht anhand der Kollisionsnormen der Verordnung zu bestimmen und die Ehescheidung sodann nach dem so ermittelten Recht durchzuführen.330 Ob das berufene Recht sich selbst auch für anwendbar gehalten hätte, ist hingegen unerheblich, und die Tatsache, dass 326

Vgl. Stürner, JURA 2012, S. 708 (712); MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 86. 327 Palandt/Thorn, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 10 (71. Auflage 2012); Stürner, JURA 2012, S. 708 (712); ausführliche Darstellung des Meinungsstands bei MünchKomm/ Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 88 ff. 328 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 92. 329 Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 124. 330 So auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8; wohl auch Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 46; a.A. Stürner, JURA 2012, S. 708 (712).

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das Recht vermeintlich „nicht angewendet werden will“331 unschädlich. Es ist schlichtweg kein Grund dafür ersichtlich, das nach der Rom III-Verordnung berufene Recht durch die lex fori zu ersetzen, wenn die Ehescheidung auch nach dem berufenen Recht durchgeführt werden kann. Darüber hinaus kommt eine Anwendung des ordre-public-Vorbehalts in Betracht, wenn die Anwendung des berufenen Rechts zur Unscheidbarkeit der Ehe führt.332 e) Resümee Maßgeblich für die Beantwortung der Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe sind bei der selbständigen Vorfragenanknüpfung das Eheschließungsstatut der lex fori und die davon berufenen Sachrechte. Die berufenen Sachrechte entscheiden sowohl über die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung als auch über die Folgen eines Eheschließungsmangels. Je nachdem, welche Mangelfolgen das berufene Recht vorsieht, kann ein Mangel in der Eheschließung dazu führen, dass die Ehe nicht besteht und die Rom IIIVerordnung somit nicht anwendbar ist. Darüber hinaus können auch die Rechtsgrundsätze des Forumstaates – in Gestalt des ordre public – für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Eheschließung relevant werden: Im berufenen Recht zulässige, spezielle Erscheinungsformen der Ehe können als mit der öffentlichen Ordnung des Forumsstaates unvereinbar und somit unwirksam angesehen werden, mit der Folge, dass die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe zu verneinen ist. Hingegen sind Ehen, die nach dem berufenen Recht wirksam sind und nicht gegen den ordre public der lex fori verstoßen, als Ehen im Sinne der Rom III-Verordnung anzusehen. Auf diese Weise beeinflussen die nationalen Sachrechte über die selbständige Anknüpfung den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung, denn die Frage, ob eine Ehe vorliegt, wird nicht von der Verordnung selbst beantwortet, sondern vielmehr von den berufenen Sachrechten und dem ordre public des Forums entschieden. Aus diesem Grund ist für die Rom III-Verordnung nicht abstrakt feststellbar, ob eine bestimmte Eheform vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasst wird, sondern diese Frage lässt sich nur anhand des konkreten Einzelfalles beantworten. Dies bedeutet jedoch letztendlich auch, dass ein fest umschreibbarer Ehebegriff für die Rom III-Verordnung nicht existiert. Ehe im Sinne der Rom III-Verordnung kann aufgrund der universellen Anwendbarkeit und des in persönlicher Hinsicht nicht beschränkten Anwendungsbereichs der Verordnung vielmehr potentiell jede Verbindung sein, die vom Sachrecht einer Rechtsordnung als Ehe angesehen wird. Folglich können vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung auch Eheformen erfasst werden, die im materiellen Recht des teilnehmenden Forumstaates nicht vorgesehen sind. Nicht erfasst werden jedoch institutiona331 332

MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 92. Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8.

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lisierte oder rein faktische Formen des Zusammenlebens, die innerhalb einer Rechtsordnung neben oder unterhalb der Ehe stehen und somit nicht die Grund- und Komplettform einer ganzheitlichen Lebensgemeinschaft darstellen. 4. Zusammenfassung Obwohl der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung das Bestehen einer wirksamen Ehe voraussetzt, liegt der Verordnung kein einheitlicher, durch autonome Auslegung zu ermittelnder Ehebegriff zugrunde. Vielmehr handelt es sich bei der Problematik des Vorliegens einer Ehe um eine selbständige, das heißt nach dem Kollisionsrecht der lex fori anzuknüpfende Vorfrage. Ist also eine Ehe aus Sicht der lex fori nicht zustande gekommen, so ist die Rom III-Verordnung nicht anzuwenden, weil keine Ehe vorliegt.333 Liegt jedoch eine Ehe vor, so entscheiden die Kollisionsnormen der Rom IIIVerordnung über das auf die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht.334 Es kann somit bei unterschiedlicher Ausgestaltung des unvereinheitlichten Eheschließungsstatuts innerhalb der teilnehmenden Mitgliedstaaten im Hinblick auf das Bestehen einer wirksamen Ehe zu abweichenden Ergebnissen kommen, sodass ein vollständiger internationaler Entscheidungseinklang in Bezug auf den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung noch nicht erreicht ist. Diese Situation begünstigt unter Umständen das vom Verordnungsgeber nicht erwünschte forum shopping. Das Problem wäre jedoch im Rahmen einer weiter fortschreitenden europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung lösbar durch Bestimmung eines europaweit einheitlichen Eheschließungsstatuts. Bei Anwendbarkeit des deutschen Kollisionsrechts sind nach der hier vertretenen Auffassung sowohl die polygame als auch die gleichgeschlechtliche Ehe vom kollisionsrechtlichen Ehebegriff erfasst und dementsprechend nach Art. 13 EGBGB anzuknüpfen. Darüber hinaus sind Ehen, die nach dem berufenen Recht wirksam sind und nicht gegen den ordre public der lex fori verstoßen, grundsätzlich als Ehen im Sinne der Rom III-Verordnung anzusehen. Nach den Personalstatuten beider Ehegatten wirksame, im Ausland geschlossene polygame oder gleichgeschlechtliche Ehen sind somit auch aus deutscher Sicht vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung erfasst. II. Das Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung Der sachliche Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung umfasst gemäß Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Die Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des 333 334

Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 124. Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 124.

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Ehebandes in eine Ehescheidung wird hingegen in Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO nicht explizit genannt, fällt aber ebenfalls in den Anwendungsbereich der Verordnung, was durch Art. 9 Rom III-VO eindeutig belegt wird.335 Die darüber hinausgehende Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung auf weitere Verfahren, die den ehelichen Status betreffen, ist eine Frage der Qualifikation,336 die insbesondere im Hinblick auf solche Verfahren erforderlich wird, die zwar nicht dem Kern des zu ermittelnden Scheidungsbegriffes unterliegen, jedoch eine mehr oder minder enge Verbindung zur klassischen Ehescheidung aufweisen und deshalb gegebenenfalls vom kollisionsrechtlichen Scheidungsbegriff der Rom III-Verordnung erfasst werden können.337 1. Ehescheidung Die Anwendung der Rom III-Verordnung in der Alternative der Ehescheidung setzt voraus, dass eine Scheidung Gegenstand des Verfahrens ist. Wie auch beim Ehebegriff erfolgt in der Verordnung keine Definition der Scheidung, sodass zunächst der Kern des (kollisionsrechtlichen) Scheidungsbegriffs durch verordnungsautonome Auslegung338 ermittelt werden muss, um zu bestimmen, was unter einer Scheidung im Sinne der Verordnung zu verstehen ist. Für das Scheidungsstatut von Bedeutung ist darüber hinaus auch die Reichweite der Kollisionsnormen, das heißt, welche Aspekte der Ehescheidung diese im Einzelnen umfassen. a) Begriff der Ehescheidung Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO benennt die Ehescheidung339 als Tatbestandsmerkmal, enthält darüber hinaus jedoch keine nähere Bestimmung des Scheidungsbegriffs. Einen Anhaltspunkt bietet hingegen Erwägungsgrund Nr. 10 S. 3 Rom III-VO, der besagt, dass die Verordnung „nur für die Auflösung oder die Lockerung des Ehebandes gelten“ sollte. Nachdem die Lockerung des Ehebandes durch die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erreicht wird,340 verbleibt für die Ehescheidung als Anwendungsbereich die Auflösung des Ehebandes, die den Kern der Ehescheidung darstellt.

335

Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (13). Ausführlich zu dieser Begrifflichkeit MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 480 ff.; zur Qualifikation im europäischen Kollisionsrecht Heinze in FS Kropholler, S. 105 (107 ff.). 337 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 23. 338 Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (703). 339 Engl. und frz.: „divorce“. 340 Dazu sogleich unten (2.). 336

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Demnach umfasst der Begriff der Ehescheidung den Vorgang der Eheauflösung,341 also die Auflösung des Statusverhältnisses. Diese Interpretation entspricht auch dem gemeinsamen Begriffsverständnis der Mitgliedstaaten, denn die Ehescheidung ist nunmehr in allen 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Rechtsinstitut bekannt. Sie hat zwar teilweise unterschiedliche Voraussetzungen in Bezug auf erforderliche Trennungszeiten und Scheidungsgründe, ihre Rechtsfolge ist jedoch einheitlich, denn sie führt immer zur Auflösung des Ehebandes, das heißt zur ex-nuncAufhebung der Ehe als Statusverhältnis aufgrund von Mängeln, die in der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft begründet sind.342 In diesem Vorgang, der nach dem Recht der Mitgliedstaaten stets die konstitutive Mitwirkung einer Behörde oder eines Gerichts erfordert, kann also auch aus rechtvergleichender Perspektive der Kern des Scheidungsbegriffes gesehen werden. Dass es sich bei dem Scheidungsbegriff der Rom III-Verordnung um einen kollisionsrechtlichen Rechtsbegriff handelt, ist für die Ermittlung des unionsrechtlichen Begriffskerns dabei zunächst unbeachtlich. Der Kern des materiellen Rechtsbegriffs stimmt zugleich mit dem Kern des kollisionsrechtlichen Begriffs überein, auch wenn dieser an den Rändern weiter und umfänglicher sein mag als der entsprechende materielle Rechtsbegriff. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Ehescheidung im Sinne der Rom III-Verordnung im Kern die hoheitliche Auflösung des zivilrechtlichen Ehebandes ex nunc betrifft, auf deren Herbeiführung der Antrag der Beteiligten gerichtet sein muss.343 b) Reichweite des Scheidungsstatuts Anders als beispielsweise in den Verordnungen Rom I344 und Rom II345 wird die Reichweite der Kollisionsnormen in der Rom III-Verordnung nicht ausdrücklich und vollständig in einer eigenen Norm geregelt.346 Die Rom IIIVerordnung enthält jedoch einzelne Regelungen in Form von Ausnahmeklauseln, zudem finden sich auch in den Erwägungsgründen Anhaltspunkte zum Umfang des Scheidungsstatuts. Demnach werden grundsätzlich zwar die Scheidungsvoraussetzungen und die Scheidungsgründe vom Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung erfasst, nicht jedoch sämtliche Scheidungsfolgen. 341 Der Begriff der „Auflösung der Ehe“ wird auch bereits in Erwägungsgrund Nr. 8 Brüssel IIa-VO verwendet. 342 Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 16; Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom IIIVO Rn. 2. 343 So auch für die Brüssel IIa-Verordnung MünchKomm/Gottwald, FamFG, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 5. 344 Siehe Art. 12 Rom I-VO. 345 Siehe Art. 15 Rom II-VO. 346 Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 1; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (102).

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Zudem bestimmt das Scheidungsstatut zwar die Form der Ehescheidung, nicht aber das (gerichtliche) Scheidungsverfahren, das sich weiterhin nach der lex fori richtet.347 aa) Scheidungsvoraussetzungen und Scheidungsgründe Erwägungsgrund Nr. 10 Abs. 2 S. 2 Rom III-VO stellt ausdrücklich klar, dass das nach den Kollisionsnormen der Verordnung bestimmte Recht auch für die Gründe der Ehescheidung gilt. Das Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung umfasst somit nicht nur die Frage, ob eine Scheidung überhaupt zulässig ist,348 sondern auch aus welchen Gründen und unter welchen Voraussetzungen349 die Ehescheidung zulässig ist, unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen eines entsprechenden Tatbestands vermutet wird und wann der Scheidungsgrund wieder wegfällt.350 Auch die in verschiedenen Rechtsordnungen vorgesehene Feststellung eines Scheidungsverschuldens im Urteilstenor unterliegt dem Scheidungsstatut der Verordnung. Dies bedeutet, dass das nach den Kollisionsnormen der Verordnung berufene materielle Recht bestimmt, ob das Gericht das Verschulden der Scheidung feststellen muss.351 Dies gilt unabhängig davon, dass die deutschen Gerichte hiervon nach Einführung der Zerrüttungsscheidung im deutschen Familienrecht befreit worden sind, denn die Feststellung eines Scheidungsverschuldens kann in manchen Rechtsordnungen für Folgeentscheidungen von Bedeutung sein.352

347

Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 6; Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (265); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250); Finger, FuR 2013, S. 305 (307); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (808); Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB Vorbemerkungen Rn. 5; Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (304). 348 Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 6. 349 Beispielsweise Trennungsfristen, Statthaftigkeit einer einverständlichen Scheidung, siehe Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 6; vgl. auch Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 229. 350 Süß/Ring/Süß, Eherecht in Europa, § 2 Rn. 292; Nitsch, ZfRV 2012, S. 264; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (102); Hau, FamRZ 2013, S. 249; Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (304); noch in Bezug auf Art. 17 EGBGB a.F. Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 22; Stürner, JURA 2012, S. 708 (711). 351 Süß/Ring/Süß, Eherecht in Europa, § 2 Rn. 293; Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 45; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (383); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 6; Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250); Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB Vorbemerkungen Rn. 5; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 232; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (798). 352 Süß/Ring/Süß, Eherecht in Europa, § 2 Rn. 293; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 38; Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 46; Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 100.

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bb) Scheidungsfolgen Dem Wortlaut nach umfasst die Rom III-Verordnung gemäß Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO nur die Scheidung als solche, nicht jedoch die übrigen Scheidungsfolgen. Dies stellt auch Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO noch einmal ausdrücklich klar, indem er die Folgen der Ehescheidung in Bezug auf Namensführung, vermögensrechtliche Scheidungsfolgen, elterliche Verantwortung sowie Unterhaltspflichten gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d) bis lit. g) Rom III-VO aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgeklammert. Auch Erwägungsgrund Nr. 10 Abs. 2 S. 1 Rom III-VO betont ausdrücklich, dass die Verordnung „nur“ für die Auflösung oder die Lockerung des Ehebandes gelten sollte.353 Damit schließt die Rom III-Verordnung alle über die Statusfrage hinausgehenden Scheidungsfolgen vollständig aus ihrem Anwendungsbereich aus354 und unterscheidet sich insofern von der nationalen Vorgängerregelung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F., der über seinen engen Wortlaut hinaus bestimmte Scheidungsfolgen mit umfasste.355 Dabei handelte es sich um diejenigen vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen, die weder güterrechtlich noch unterhaltsrechtlich zu qualifizieren waren und auch nicht Art. 17 a EGBGB unterlagen und deshalb zur Vermeidung von Anknüpfungslücken scheidungsrechtlich qualifiziert wurden.356 Ob ein bestimmtes, mit der Scheidung in Zusammenhang stehendes Rechtsverhältnis dem Scheidungsstatut oder einem anderen Statut unterliegt, ist somit grundsätzlich eine Frage der Qualifikation, die in den teilnehmenden Mitgliedstaaten unterschiedlich beantwortet wird,357 für die der Wortlaut der Verordnung jedoch von besonderer Bedeutung ist, da er die nicht statusbezogenen Scheidungsfolgen von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausdrücklich herausnimmt und so einer Zuordnung einer Scheidungsfolge zum Scheidungsstatut entgegensteht. Darüber hinaus gilt auch bei der Zuordnung der Scheidungsfolgen das lex-specialis-Prinzip, sodass immer dann, wenn für Rechtsverhältnisse spezielle Statute vorhanden sind, diese auch im Zusammenhang mit der Ehescheidung gelten.358 So waren und sind 353

Vgl. NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 6. Vgl. Franzina, CDT 2011, S. 85 (92); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (303); Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 121; Huter, ZfRV 2014, S. 167 (172). 355 Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 6; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 227. 356 Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 6. 357 Vgl. dazu Basedow in FS Posch, S. 17 (20). 358 Basedow in FS Posch, S. 17 (20); MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 157; Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 39; Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 7; Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258); Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB Vorbemerkungen Rn. 5. 354

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einige Aspekte, die auch, aber nicht nur im Zusammenhang mit einer Ehescheidung relevant werden können, wie beispielsweise die Verteilung der elterlichen Sorge, Unterhaltsverpflichtungen oder güterrechtliche Fragen durch staatsvertragliche Regelungen359 oder Verordnungen360 oder durch eigene nationale Statute361 einer vom Scheidungsstatut losgelösten Anknüpfung unterworfen.362 Dem Scheidungsstatut des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. zuzuordnen waren demgegenüber solche Rechtsverhältnisse, die sich ausschließlich als Folge der Scheidung darstellen und für die deshalb kein eigenständiges Statut existiert.363 Dies galt beispielsweise für die in einigen Rechten vorgesehene Entschädigungspflicht des Ehemannes nach einseitiger Scheidung oder die nach manchen Rechtsordnungen zu verhängende Wartefrist.364 Auch der deutsche Gesetzgeber geht davon aus, dass die Rom IIIVerordnung im Unterschied zu Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. keine Scheidungsfolgen umfasst,365 und hat daher in der Neufassung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB366 einen Auffangtatbestand für vermögensrechtliche Scheidungsfolgen geschaffen, die weder unterhalts- noch güterrechtlich zu qualifizieren sind.367 Dazu gehört beispielsweise die Nutzungsbefugnis an der im Ausland

359 Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht; Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996. 360 Siehe beispielsweise Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABlEU Nr. L 7 vom 10.01.2009, S. 1 ff.; Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM (2011) 126 endgültig. 361 Beispielsweise Art. 15 EGBGB, Art. 21 EGBGB. 362 Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 32; MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 155; vgl. auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 7. 363 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 158. 364 Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 34; MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 158; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 41. 365 „Scheidungsfolgenblindheit der Verordnung“, Hau, FamRZ 2013, S. 249 (253). 366 Art. 17 Abs. 1 EGBGB n.F.: „Vermögensrechtliche Scheidungsfolgen, die nicht von anderen Vorschriften dieses Abschnitts erfasst sind, unterliegen dem nach Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 auf die Scheidung anzuwendenden Recht“. 367 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (383); Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Makowsky, GPR 2012, S. 266 (267); Pabst, GPR 2013, S. 169 (174).

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belegenen Ehewohnung.368 Grundsätzlich ist damit also auch unter der Geltung der Rom III-Verordnung zu unterscheiden zwischen selbständigen Scheidungsfolgen, für die gesonderte Statute existieren, und unselbständigen Scheidungsfolgen, die mangels solcher eigenständiger Regelungen dem Auffangtatbestand des Art. 17 Abs. 1 EGBGB n. F. unterliegen und damit dem Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung folgen.369 Daraus folgt auch, dass die Rom III-Verordnung trotz des gemäß Erwägungsgrund Nr. 9 verfolgten Zieles, „einen klaren, umfassenden Rechtsrahmen im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts in den teilnehmenden Mitgliedstaaten“ vorzugeben, kein einheitliches Statut für Scheidung und Scheidungsfolgen schafft oder enthält. Wie sich gezeigt hat, ist dies jedoch keine Neuerung oder spezifische Charakteristik der Rom III-Verordnung, denn auch unter der Geltung des Art. 17 EGBGB a. F. existierte kein Statut, das die Scheidung und die aus der Scheidung resultierenden Rechtsfolgen als Ganzes regelte. So war auch bereits vor der Rom III-Reform die Scheidung getrennt von den Scheidungsfolgen zu betrachten.370 Zudem bestand und besteht auch kein einheitliches Scheidungsfolgenstatut, sondern das anwendbare Recht ist vielmehr für jede Scheidungsfolge gesondert zu bestimmen.371 cc) Form der Ehescheidung Das Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung umfasst auch die Form der Ehescheidung. Dies bedeutet, dass das nach den Regelungen der Rom IIIVerordnung anwendbare Recht grundsätzlich auch darüber entscheidet, wie eine Scheidung zustande kommt, ob also wie im deutschen Recht gemäß § 1564 S. 1 BGB eine richterliche Entscheidung erforderlich ist oder ob die Scheidung auch als Privatscheidung oder in einer religiösen Zeremonie vollzogen werden kann.372 Dies kann jedoch zu Widersprüchen zwischen den Formvorschriften des berufenen ausländischen Rechts und der lex fori führen, die den ordre public auf den Plan rufen und der Wirksamkeit einer nach ausländischem Scheidungsstatut formgültig vollzogenen Scheidung entgegenstehen können.373

368

Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 82. 369 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 159; Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 34 ff.; Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 7; Stürner, JURA 2012, S. 708 (711); Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258). 370 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 156. 371 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 156. 372 Palandt/Thorn, BGB, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8. 373 Dazu noch ausführlicher unten (Abschnitt C § 4 IV. 2.).

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2. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes Der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung umfasst nach Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO neben der Ehescheidung auch die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Dies stellt jedoch keine Neuerung gegenüber der Anwendung der nationalen Scheidungskollisionsrechte dar, denn auch diese unterstellten die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes zumeist dem Scheidungsstatut, wenn auch teilweise unter analoger Anwendung des jeweiligen Rechtssatzes.374 Durch die ausdrückliche Einbeziehung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung entfällt für diese jedoch nunmehr die Diskussion um die Einordnung des Rechtsinstituts und macht die Bildung einer Analogie obsolet.375 Wie auch bei der Ehescheidung definiert die Rom III-Verordnung allerdings nicht, was unter der „Trennung ohne Auflösung des Ehebandes“ zu verstehen ist. Für die verordnungsautonome Begriffsinterpretation376 sind daher – unter dem Aspekt der rechtsvergleichenden Auslegung – die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten von wesentlicher Bedeutung, denn die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes existiert innerhalb der Europäischen Union in einer Reihe von Ländern,377 insbesondere in den romanischen Rechten.378 Dem deutschen materiellen Familienrecht ist dieses Rechtsinstitut heute jedoch fremd,379 genauso wie 13 weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union.380 Von den teilnehmenden Mitgliedstaaten der Rom IIIVerordnung haben jedoch mehrere die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in ihrem materiellen Familienrecht vorgesehen.381 Obwohl die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes382 innerhalb der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen kann, lassen sich dabei Gemeinsamkeiten erkennen, die das Rechtsinstitut allgemein charakterisieren. So handelt es sich bei der Trennung ohne 374

So z.B. im deutschen IPR, MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 28; Palandt/Thorn, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 15 (71. Auflage 2012). 375 Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (705). 376 Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (703). 377 Rechtsvergleichender Überblick bei Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 460 sowie Magnus/Mankowski/Pintens, Brussels IIbis Regulation, Art. 1 Brüssel IIaVO Rn. 48. 378 Magnus/Mankowski/Pintens, Brussels IIbis Regulation, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 48. 379 Vor der Reform des Personenstandsrechts im Jahr 1875 existierte im deutschen Recht die sog. „Trennung von Tisch und Bett“, die als eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes fungierte, Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 456. 380 Bulgarien, Estland, Finnland, Griechenland, Lettland, Niederlande, Österreich, Schweden, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern. 381 Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Malta, Portugal, Spanien. 382 Engl.: „legal separation”; frz.: „séparation de corps“.

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Auflösung des Ehebandes stets um ein Verfahren, das zur Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft führt, dabei aber das Band der Ehe formal bestehen lässt.383 Die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes verändert die Ehewirkungen, indem sie die Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander einschränkt, und hat oftmals auch Auswirkungen auf Unterhalts- oder Namensfragen.384 Somit lockert die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes das Eheband, ohne es vollständig aufzulösen,385 wodurch sich das Trennungsverfahren von der Ehescheidung unterscheidet. Die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes hat dabei entweder die Funktion einer (notwendigen) Vorstufe zur Scheidung oder sie existiert neben der Ehescheidung als eigenständiges Rechtsinstitut, das einen grundsätzlich dauerhaften und endgültigen Status vermittelt.386 Als Ersatz für eine Ehescheidung hat es hingegen aufgrund der rückläufigen Anzahl scheidungsfeindlicher Rechtsordnungen massiv an Bedeutung verloren.387 Auch die Gerichte der teilnehmenden Mitgliedstaaten, die das Rechtsinstitut der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes nicht kennen, können diese jedoch unter Anwendung des aufgrund der Rom III-Verordnung berufenen ausländischen Rechts aussprechen.388 Da zudem eine dem Art. 13 Rom IIIVO entsprechende Regelung für die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes nicht existiert,389 sind die teilnehmenden Mitgliedstaaten, denen das Rechtsinstitut fremd ist, nicht nur berechtigt, sondern vielmehr auch verpflichtet, die Trennung vorzunehmen, wenn die Ehegatten eine solche begehren, die Trennungsvoraussetzungen des berufenen Rechts erfüllt sind und kein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, der allerdings nur schwer vor-

383 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 28; Magnus/ Mankowski/Pintens, Brussels IIbis Regulation, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 47. 384 Staudinger/Spellenberg, BGB, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 5; Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 456; Magnus/Mankowski/Pintens, Brussels IIbis Regulation, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 47; zur Trennung ohne Auflösung des Ehebandes im spanischen Recht Ruiz Sutil, RIDC 2012, S. 525 (531). 385 Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 2. 386 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 459; Magnus/Mankowski/Pintens, Brussels IIbis Regulation, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 48. 387 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 458. 388 Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 2; vgl. Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 465; Magnus/Mankowski/Pintens, Brussels IIbis Regulation, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 49. 389 Eine analoge Anwendung des Art. 13 Var. 1 Rom III-VO auch auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes kommt hier nicht in Betracht, denn sowohl der Zweck der Regelung als vorrangig auf das maltesische Recht ausgerichtete Ausnahmevorschrift sowie der klare Wortlaut machen deutlich, dass es hier bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

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stellbar ist.390 Ausnahmen sind jedoch für den Sonderfall der Trennung gleichgeschlechtlicher Ehen denkbar.391 3. Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung Der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung umfasst auch die Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Verordnung mit Art. 9 Rom III-VO eine eigene Kollisionsnorm für die Umwandlung der Ehetrennung in eine Ehescheidung bereithält. Was indes unter einer solchen „Umwandlung“ im Einzelnen zu verstehen ist, definiert die Norm nicht. Auch in den Erwägungsgründen der Rom III-Verordnung finden sich keine Aussagen bezüglich der Voraussetzungen oder der Durchführung eines solchen Verfahrens. Aus dem Wortlaut der Regelung selbst ergibt sich jedoch, dass Voraussetzung einer Umwandlung zunächst stets die gerichtliche oder behördliche Trennung einer Ehe ist, ein rein tatsächliches Getrenntleben der Ehegatten genügt hierfür nicht.392 Dies unterscheidet die Umwandlung von der in Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO benannten Ehescheidung, der keine anderweitige gerichtliche Entscheidung vorausgehen muss. In ihren Wirkungen unterscheiden sich die beiden Verfahren hingegen nicht, denn beide führen zur endgültigen und vollständigen Auflösung des Ehebandes, wodurch sich die Umwandlung wiederum von der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes abgrenzen lässt. Damit stellt die Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ein sowohl gegenüber der Ehetrennung als auch gegenüber der Ehescheidung eigenständiges Verfahren mit speziellen Voraussetzungen dar.393 Eine Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung ist in mehreren europäischen Rechtsordnungen vorgesehen, zum Beispiel in Frankreich, den Niederlanden, Luxemburg und Italien.394 Die Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung kommt dabei in unterschiedlicher Ausgestaltung vor. So ermöglichen 390

Ganz, FuR 2011, S. 369 (371). Insofern wäre an eine analoge Anwendung des Art. 13 Var. 2 Rom III-VO zu denken, denn diese Regelung bezieht sich im Unterschied zu Art. 13 Var. 1 Rom III-VO auf unbekannten Eheformen. Da die Rom III-Verordnung aber ausweislich des Art. 13 Rom III-VO nicht zur Scheidung gleichgeschlechtlicher Ehen verpflichtet, weil dies unter anderem die kollisionsrechtliche Anerkennung solcher Ehen bedeuten würde, sollte die Regelung im Wege der Analogiebildung auch auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erstreckt werden, denn auch diese setzt eine wirksame Ehe und damit letztlich die kollisionsrechtliche Anerkennung der Ehe voraus. Vgl. auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390) Fn. 119. 392 Vgl. Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 4. 393 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (13). 394 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 4 m. w. N. 391

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manche Rechtsordnungen auf der Grundlage des Trennungsausspruchs eine Umwandlung in eine Ehescheidung ohne erneute Prüfung des Scheiterns der Ehe, andere sehen die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes hingegen als materiell-rechtliche Voraussetzung der Zerrüttungsscheidung an.395 Allgemein können daher – in Abgrenzung zur Ehescheidung – unter der Umwandlung diejenigen Scheidungsverfahren subsumiert werden, bei denen die gerichtliche oder behördliche Trennung als Scheidungsgrund herangezogen wird, die Scheidung also gerade aufgrund und als Folge der vorangegangen Trennung ohne Auflösung des Ehebandes begehrt wird.396 Nicht erfasst sind hingegen Entscheidungen, durch die eine Ehe nach vorausgehender Ehetrennung ohne einen solchen verfahrensrechtlichen oder materiellen Zusammenhang in einem nunmehr isoliert eingeleiteten Scheidungsverfahren geschieden wird.397 Im deutschen materiellen Recht ist eine Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung nicht vorgesehen, da das deutsche Recht bereits die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes nicht kennt.398 Dennoch können auch die deutschen Gerichte und die Gerichte anderer teilnehmender Mitgliedstaaten, deren Rechtsordnungen die Umwandlung in eine Ehescheidung nicht kennen, diese vornehmen, sofern das aufgrund der Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung berufene ausländische Recht ein solches Verfahren vorsieht und die dafür notwendigen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.399 4. Weitere Verfahren Aufgrund des kollisionsrechtlichen Charakters des Scheidungsbegriffs der Rom III-Verordnung können unter diesen auch Rechtsinstitute fallen, die nicht der klassischen Scheidung in den materiellen Rechten der teilnehmenden Mitgliedstaaten entsprechen. So existiert neben der Ehescheidung eine Reihe weiterer Verfahren, die zwar den Status der Ehe betreffen, jedoch nicht zum Kern des Scheidungsbegriffs gehören. Fraglich ist, ob diese Institute dennoch vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung umfasst werden.

395

Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 4; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 829; Özen/Odendahl, FamRB 2014, S. 85 (86). 396 Staudinger/Spellenberg, BGB, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 2, 4. 397 Vgl. Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 4; Özen/ Odendahl, FamRB 2014, S. 85 (86). 398 Siehe oben (2.). 399 Staudinger/Spellenberg, BGB, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 471.

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a) Privatscheidungen Die Rechtsordnungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten verstehen unter einer Ehescheidung traditionell einen hoheitlichen Akt, der die konstitutive Mitwirkung einer Behörde oder eines Gerichts voraussetzt. So bestimmen beispielsweise für das deutsche Recht sowohl § 1564 S. 1 BGB als auch Art. 17 Abs. 2 EGBGB, dass eine Ehe im Inland nur durch ein Gericht geschieden werden kann. Als europäischer Rechtsakt ist auch die Rom IIIVerordnung vorrangig von diesem in den Mitgliedstaaten vorherrschenden Verständnis des Scheidungsbegriffs geprägt und so verwundert es kaum, dass der Wortlaut der Verordnung an mehreren Stellen Bezug nimmt auf ein gerichtliches oder behördliches Scheidungsverfahren.400 So verweisen Art. 5 Abs. 1 lit. d), Abs. 2, Abs. 3, Art. 6 Abs. 2, Art. 8, Art. 10, Art. 12, Art. 13, Art. 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Rom III-VO auf die Anrufung des Gerichts beziehungsweise auf die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens.401 Insoweit unterscheidet sich die Rom III-Verordnung also nicht grundlegend von der nationalen Vorgängerregelung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F., der auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages als maßgeblichen Zeitpunkt abstellte und somit ebenfalls auf Verfahrensscheidungen ausgerichtet war.402 Darüber hinaus sehen jedoch einige nichteuropäische Rechtsordnungen, insbesondere im islamischen und asiatischen Rechtsraum, die Möglichkeit einer sogenannten Privatscheidung vor.403 Diese ist abzugrenzen von der oben beschriebenen Verfahrensscheidung und umfasst alle Formen der Ehescheidung, die allein durch die private Willenserklärung eines oder beider Ehegatten ohne – oder lediglich unter deklaratorischer – Mitwirkung einer staatlichen Stelle vorgenommen werden, sowie Ehescheidungen unter Mitwirkung religiöser Instanzen.404 Maßgeblich ist also, dass der eigentliche statusändernde Akt nicht durch eine hoheitliche Stelle (ein Gericht oder eine Behörde), sondern durch die Ehegatten selbst vorgenommen wird.405 Fraglich ist, ob auch solche rechtsgeschäftlichen Scheidungen als Scheidungen im Sinne der Rom III-Verordnung anzusehen sind und somit vom Anwendungsbereich 400 Der weite Gerichtsbegriff der Rom III-Verordnung umfasst gemäß Art. 3 Nr. 2 Rom III-VO nicht nur die Gerichte, sondern auch alle staatlichen Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten. 401 So auch Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766). 402 Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (359); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3. 403 Ausführliche Darstellungen über die verschiedenen Ausprägungen und Verbreitung der Privatscheidung bei Gärtner, Privatscheidung, S. 7 ff. und Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 58 ff.; Beispiele dazu auch bei Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (704). 404 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gärtner, Privatscheidung, S. 6 f. und Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (358). 405 Gärtner, Privatscheidung, S. 16.

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der Verordnung umfasst werden. Die Problematik der Privatscheidungen scheint im Gesetzgebungsverfahren nicht diskutiert worden zu sein, zumindest deuten weder die Gesetzgebungsmaterialien noch die Erwägungsgründe darauf hin, dass der europäische Gesetzgeber die Thematik explizit im Blick hatte, als er die Verordnung schuf.406 Nichtsdestotrotz ist die Thematik für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Belang, denn insbesondere die universelle Anwendbarkeit der Verordnung wirft die Frage nach der Einbeziehung von Privatscheidungen in den Scheidungsbegriff der Rom IIIVerordnung auf und macht eine Einordnung unerlässlich. Gegen eine Einbeziehung der Privatscheidung in den Scheidungsbegriff der Rom III-Verordnung könnte hier neben dem auf Verfahrensscheidungen ausgerichteten Wortlaut vor allem der erstrebte Einklang mit der Brüssel IIaVerordnung sprechen.407 Der Anwendungsbereich der Brüssel IIa-Verordnung erstreckt sich gerade nicht auf Privatscheidungen, sondern erfasst nur Gestaltungsverfahren betreffend die Auflösung oder Trennung der Ehe.408 Bei reinen Privatscheidungen ohne behördliche oder gerichtliche Mitwirkung fehlt es somit bereits an einem förmlichen Verfahren, Privatscheidungen unter deklatorischer Mitwirkung einer Behörde oder eines Gerichts fehlt die Gestaltungswirkung des Verfahrens, da der gestaltende, konstitutive Akt der Ehescheidung von den Ehegatten selbst und nicht durch eine hoheitliche Stelle bewirkt wird.409 Der Ausschluss von reinen Privatscheidungen aus dem Anwendungsbereich der Brüssel IIa-Verordnung ist darüber hinaus auch dogmatisch damit zu begründen, dass eine Einbeziehung von Privatscheidungen in den Anwendungsbereich der Verordnung eine verfahrensrechtliche Anerkennung eines privaten Rechtsgeschäfts voraussetzen und somit zu einer systemfremden Vermischung und Gleichsetzung von privaten Handlungen und hoheitlichen Rechtsakten führen würde.410 Die Tatsache, dass Privatscheidungen von der Brüssel IIa-Verordnung nicht umfasst werden, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass diese Scheidungen auch aus dem Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung herausfallen. Die Brüssel IIa-Verordnung betrifft ihrer Zielsetzung und ihrem Normcharakter nach die verfahrensrechtliche Anerkennung, die jedoch durch die Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung gerade 406 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (358); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3. 407 Erwägungsgrund Nr. 10 Abs. 1 Rom III-VO; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (383); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 5. 408 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 24; Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 12; vgl. auch Pietsch, FF 2011, S. 237 (238); a.A. wohl Prütting/Helms/Hau, FamFG, § 107 Rn. 7. 409 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 21 Brüssel IIa-VO Rn. 14. 410 Zur Abgrenzung von Verfahrensakten und privaten Rechtsgeschäften siehe auch Wagner, FamRZ 2013, S. 1620 (1622 f.).

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nicht erreicht werden kann. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs der Rom III-Verordnung auf Privatscheidungen würde allenfalls eine kollisionsrechtliche Anerkennung411 dieses Rechtsinstituts ermöglichen, sofern die jeweilige Scheidung nach den Vorschriften des berufenen Rechts wirksam ist und nicht gegen die ordre-public-Regelungen der Verordnung verstößt. Die Rechtsfolgen einer Einbeziehung der Privatscheidung in den Anwendungsbereich der Verordnung sind bei der Rom III-Verordnung also andere als bei der Brüssel IIa-Verordnung, bei der die Einbeziehung in den Anwendungsbereich eine verfahrensrechtliche Anerkennung der Privatscheidung nach sich ziehen würde.412 Hierin zeigt sich, dass aufgrund der verschiedenen Aufgaben und Zwecke, die das Verfahrensrecht und das Kollisionsrecht zu erfüllen haben, eine abweichende Behandlung von einzelnen Rechtsinstituten in den beiden Rechtsgebieten geboten sein kann, mit der Folge, dass ein Einklang der Anwendungsbereiche beider Verordnungen zwar wünschenswert sein mag, jedoch nicht in jedem Fall realisierbar ist.413 Auch der auf Verfahrensscheidungen ausgerichtete Wortlaut der Verordnung führt nicht per se zu einem Ausschluss rechtsgeschäftlicher Scheidungen aus dem Anwendungsbereich, wie ein Blick auf die bisherige deutsche Regelung zeigt. Nach ganz herrschender Meinung waren trotz des eindeutig auf gerichtliche Scheidungen abstellenden Wortlauts der Norm auch Privatscheidungen vom Anwendungsbereich des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. umfasst, wobei jedoch eine Anpassung an die spezifischen Gegebenheiten der Privatscheidung notwendig wurde.414 So wurde bei Privatscheidungen statt an die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags an den Zeitpunkt der Abgabe der Scheidungserklärung angeknüpft.415 Ähnliches wäre auch für die Rom IIIVerordnung denkbar und notwendig, da auch hier der Wortlaut einer direkten Anwendung der Kollisionsnormen entgegenstehen kann.416 Darüber hinaus sprechen unter anderem die mit der Verordnung verfolgten Ziele und die universelle Anwendbarkeit für eine Einbeziehung auch der 411

Wagner, FamRZ 2013, S. 1620 (1623) möchte aufgrund der Unterschiede zur verfahrensrechtlichen Anerkennung in diesem Zusammenhang eher von „Wirksamkeitsprüfung“ als von „Anerkennung“ sprechen. 412 Vgl. auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3. 413 Begründete Abweichungen bleiben – vor allem auch im Hinblick auf die Verwendung des Wortes „sollte“ – trotz der eindeutig zum Ausdruck gebrachten Intention des Gesetzgebers möglich, Spickhoff in LA Schurig, S. 285 (291); vgl. auch Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (804). 414 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 25; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (359). 415 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 39; BGHZ 110, S. 267 (273 f.); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766). 416 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3; dazu noch ausführlich unten (Abschnitt C § 4 IV. 3.).

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Privatscheidung in den Scheidungsbegriff der Rom III-Verordnung.417 So soll die Verordnung ausweislich ihres Erwägungsgrundes Nr. 9 einen umfassenden Rahmen für das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht vorgeben.418 Dies kann jedoch nur erreicht werden, wenn auch Privatscheidungen in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen werden. Zudem können aufgrund der vom Verordnungsgeber bewusst gewählten universellen Ausgestaltung der Verordnung, die keinerlei Einschränkungen im Hinblick auf bestimmte Rechtsordnungen enthält, grundsätzlich auch solche drittstaatlichen Rechte zur Anwendung kommen, nach denen eine Ehe im Wege der Privatscheidung aufzulösen ist, sodass die Verordnung auch für solche Fälle Regelungswirkung entfalten muss.419 Zu beachten ist außerdem, dass auch bei der Formulierung der Regelungsgegenstände, die gemäß Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, die Privatscheidung nicht aufgeführt wird.420 Für die Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung auch auf Privatscheidungen spricht zudem und in erster Linie jedoch erneut der kollisionsrechtliche Charakter des Scheidungsbegriffes, der auch Institute fremder Rechtsordnungen erfassen muss. Die Privatscheidung erfüllt in den betreffenden Staaten die gleiche Ordnungsfunktion wie die hoheitliche Scheidung in den teilnehmenden Mitgliedstaaten, nämlich die Auflösung des Statusverhältnisses der Ehe.421 Sie muss somit vom kollisionsrechtlichen Scheidungsbegriff erfasst werden, da mangels anderweitiger Anknüpfungsmöglichkeit sonst eine kollisionsrechtliche Anerkennung dieser Scheidungsart von vornherein ausgeschlossen wäre.422 Dies würde einer vollständigen Nichtbeachtung eines Rechtsinstituts gleichkommen und somit der inkludierenden Funktion des internationalen Privatrechts zuwiderlaufen. Als Ergebnis ist daher an dieser

417

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (268); Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (358). 418 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Makowsky, GPR 2012, S. 266 (268); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (704). 419 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3; Makowsky, GPR 2012, S. 266 (268). 420 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 238. 421 So auch Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (804). 422 Vgl. auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Stelle festzuhalten, dass auch Privatscheidungen unter den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung fallen.423 Zu beachten ist dabei jedoch stets, dass die Erstreckung des Anwendungsbereiches der Rom III-Verordnung auch auf Privatscheidungen keine Aussage über die Wirksamkeit beziehungsweise über die kollisionsrechtliche Anerkennung einer solchen Scheidung enthält. Die Einbeziehung der Privatscheidung in den Scheidungsbegriff der Verordnung bedeutet lediglich, dass die Wirksamkeit einer Privatscheidung im konkreten Einzelfall anhand der Bestimmungen der Verordnung zu prüfen ist. Dabei können unterschiedliche Konstellationen auftreten, die jeweils einer genaueren Betrachtung bedürfen. Die Frage, ob eine Privatscheidung nach Maßgabe der Verordnung wirksam ist, stellt jedoch eine eigenständige Problematik dar, die keine Auswirkungen auf den Umfang des Scheidungsbegriffs hat und deswegen von der Frage nach der grundsätzlichen Einbeziehung von Privatscheidungen in den Anwendungsbereich der Verordnung zu trennen ist. Fragen, die die Verordnung hinsichtlich der Wirksamkeit von Privatscheidungen aufwirft, sollen deshalb nicht an dieser Stelle, sondern zu einem späteren Zeitpunkt dargestellt und diskutiert werden.424 b) Ungültigerklärung einer Ehe Um bestimmte Aspekte aus dem Anwendungsbereich der Verordnung auszuschließen, stellt Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO einen Negativkatalog auf und begrenzt somit den Umfang des Scheidungsstatuts. So unterliegt gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. c) Rom III-VO die Ungültigerklärung einer Ehe ausdrücklich nicht dem Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung. Trotz des gemäß Erwägungsgrund Nr. 10 Abs. 1 Rom III-VO angestrebten Einklangs der Anwendungsbereiche werden damit – anders als bei der Brüssel IIa-Verordnung425 – Verfahren vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung ausgeklammert, bei denen die Ehe wegen Mängeln im Eheschließungsakt ex tunc oder ex nunc – 423

So im Ergebnis auch Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (359); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3; Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Nitsch, ZfRV 2012, S. 264; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (102); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 810; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (807); Nademleinsky, Zak 2012, S. 146 (147); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (704); Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (804); Rösler, RabelsZ 2014, S. 155 (173 f.); a.A. Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 94; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (383); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 5; offen Schurig in FS von Hoffmann, S. 404 (411 f.); Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 121. 424 Vgl. Abschnitt C § 4 IV. 425 Art. 1 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO.

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eventuell auch posthum – aufgelöst wird.426 Diese Verfahren unterliegen nicht dem Scheidungsstatut, sondern dem – noch unvereinheitlichten – Eheschließungsstatut.427 Hierzu gehört zum Beispiel aus Sicht des deutschen materiellen Rechts die Eheaufhebung gemäß §§ 1313 ff. BGB.428 c) Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe Die Tatsache, dass der Scheidungsbegriff der Verordnung in seinem Kern nur die Auflösung der Ehe als konstitutiven Akt betrifft, verdeutlicht, dass die Rom III-Verordnung grundsätzlich auf statusändernde Verfahren, also auf Gestaltungsanträge zugeschnitten ist. Fraglich ist daher, ob darüber hinaus auch Feststellungsanträge, die auf die rein deklaratorische Bestimmung des Statusverhältnisses gerichtet sind, vom Scheidungsbegriff und somit vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung umfasst werden. Für das deutsche Recht sind dabei insbesondere die Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe gemäß § 121 Nr. 3 FamFG von Bedeutung. Für die Brüssel IIa-Verordnung, die bei der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Rom III-Verordnung gemäß Erwägungsgrund Nr. 10 Rom III-VO stets angemessenen zu berücksichtigen ist, wird diese Frage im deutschen Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Einerseits wird eine Einbeziehung von Feststellungsanträgen in den Anwendungsbereich der Verordnung mit dem Normzweck der Verordnung begründet, der darin bestehe, alle Verfahren zu regeln, die den ehelichen Status an sich betreffen,429 oder es wird eine Einbeziehung aufgrund des Sachzusammenhangs mit der ebenfalls von der Brüssel IIa-Verordnung erfassten Ungültigerklärung einer Ehe befürwortet.430 Die Gegenansicht beruft sich wiederum auf den Wortlaut der Art. 1 und Art. 3 Brüssel IIa-VO, der auf statusändernde Verfahren zugeschnitten sei.431 426

Makowsky, GPR 2012, S. 266 (267); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 27 f.; MünchKomm/Gottwald, FamFG, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 7; Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 3; Bamberger/Roth/MörsdorfSchulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 16; Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 2; Andrae, FPR 2010, S. 505 (506). 427 Makowsky, GPR 2012, S. 266 (267); MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 30; Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 16; Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 2; vgl. auch Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (265); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 13; Andrae, FPR 2010, S. 505 (506). 428 Makowsky, GPR 2012, S. 266 (267); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250); a.A. wohl Ganz, FuR 2011, S. 369 (370); Finger, FuR 2011, S. 61 (65), der allerdings von anderen Voraussetzungen auszugehen scheint und in Finger, FuR 2013, S. 305 (307) die gegenteilige Auffassung vertritt. 429 Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 2. 430 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 15 f. 431 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 29, 32; Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 142; Staudinger/Spellenberg, BGB, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 8.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Für die Rom III-Verordnung tragen die für die Einbeziehung der Feststellungsanträge in den Anwendungsbereich der Brüssel IIa-Verordnung angeführten Gründe jedoch nicht, da die Ungültigerklärung einer Ehe gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. c) Rom III-VO ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen ist. Darin zeigt sich zum einen, dass die Rom III-Verordnung keine umfassende kollisionsrechtliche Regelung aller den ehelichen Status betreffender Verfahren bezweckt. Die Ausklammerung der Ungültigerklärung aus dem Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung entzieht zudem sämtlichen Erwägungen zur Einbeziehung von Feststellungsanträgen aufgrund eines Sachzusammenhangs mit der Ungültigerklärung von vornherein ihre Grundlage. Zu beachten ist überdies auch der Wortlaut von Erwägungsgrund Nr. 10 Abs. 2 Rom III-VO, der die bezweckte Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Verfahren zur Auflösung und Lockerung des Ehebandes, mithin also auf statusändernde Verfahren verdeutlicht, denn die Auflösung oder Lockerung des Ehebandes setzt einen konstitutiven Akt voraus, während Feststellungsanträge lediglich deklaratorisch die Existenz eines bestimmten Status bestätigen. Somit werden sämtliche Feststellungsverfahren, positive wie negative, vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung nicht erfasst.432 d) Anträge auf Herstellung des ehelichen Lebens Der auf § 1353 BGB gestützte Antrag auf Herstellung des ehelichen Lebens kann in verfahrensrechtlicher Hinsicht in zwei verschiedenen Ausprägungen auftreten. Er kann einerseits in positiver Gestalt auf Herstellung des ehelichen Lebens gerichtet sein oder in negativer Form aus dem Recht, die eheliche Lebensgemeinschaft zu verweigern, abgeleitet werden und auf Feststellung des Rechts zum Getrenntleben gerichtet sein. Beide Anträge werden im deutschen Verfahrensrecht gemäß § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG als sonstige Familiensache qualifiziert.433 Im deutschen Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der positive Antrag auf Herstellung des ehelichen Lebens nicht vom Anwendungsbereich der Brüssel IIa-Verordnung umfasst wird.434 Die diesbezüglich vorgebrachten Argumente gelten in gleichem Maße auch für die Rom III432

Siehe auch Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (265); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (267); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 227. 433 Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 121 FamFG Rn. 7, § 266 Rn. 4. 434 MünchKomm/Gottwald, FamFG, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 9; Thomas/Putzo/ Hüßtege, ZPO, Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn. 3.

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Verordnung: Mit dem positiven Herstellungsantrag wird ein der Zielrichtung der Rom III-Verordnung zuwiderlaufendes Verfahrensziel verfolgt, nämlich die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft und gerade nicht deren Auflösung.435 Aus diesem Grund kommt eine Einbeziehung des positiven Herstellungsantrags in den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung nicht in Betracht. Für den negativen Herstellungsantrag gelten die für das Feststellungsverfahren auf Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe angestellten Erwägungen entsprechend. Auch der negative Herstellungsantrag fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung, da sie auf die rein deklaratorische Feststellung des Rechts zum Getrenntleben gerichtet ist und somit kein statusänderndes Verfahren zum Gegenstand hat. III. Auslandsbezug Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO setzt voraus, dass die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist. Die Anwendung der Verordnung erfordert somit einen Auslandsbezug des Scheidungs- oder Trennungsfalles, dessen sachlicher, räumlicher und zeitlicher Umfang zu klären ist. 1. Sachliche Dimension des Auslandsbezuges Durch die Formulierung des Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO wird auf das allgemeine Erfordernis eines Auslandsbezuges verwiesen, der nicht nur ohnehin stets Voraussetzung für die Anwendung kollisionsrechtlicher Vorschriften ist, sondern zugleich auch deren Daseinsberechtigung begründet. Darüber hinaus ist ein Auslandsbezug auch Grundlage für ein gesetzgeberisches Handeln der Europäischen Union gemäß Art. 81 AEUV.436 Wie alle Kollisionsnormen ist somit auch die Rom III-Verordnung in reinen Inlandsfällen nicht anwendbar.437 Auch wenn die Verordnung nicht spezifiziert, in welchen Situationen ein relevanter Auslandsbezug gegebenen ist,438 ergibt sich dieser zumindest aus den maßgeblichen Anknüpfungskriterien, die immer dann einen Auslandsbezug vermitteln, wenn sie im Ausland verwirklicht werden.439 Auf diese Weise begründen daher jedenfalls ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland oder eine ausländische Staatsangehörigkeit stets einen hinreichenden

435

Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 156. Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (308). 437 MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 15; Helms, FamRZ 2011, S. 1765. 438 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (13). 439 Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (794). 436

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Auslandsbezug im Sinne der Verordnung.440 Daneben bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Umstände, die als „Verbindung“ anzusehen sind, sondern es genügen tatsächliche Anhaltspunkte jeder Art, die eine Frage nach dem anwendbaren Recht aufwerfen, um den Auslandsbezug herzustellen und die Kollisionsnormen der Verordnung anzuwenden.441 2. Räumliches Ausmaß des Auslandsbezuges Bewusst spricht Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO zudem von verschiedenen „Staaten“ und nicht von „(teilnehmenden) Mitgliedstaaten“, zu denen der Fall eine Verbindung aufweisen muss, denn für die Anwendung der Rom IIIVerordnung genügt es, wenn der Sachverhalt Bezüge zum Recht eines beliebigen ausländischen Staates besitzt. Dabei muss es sich also gerade nicht um verschiedene teilnehmende Mitgliedstaaten oder andere EU-Staaten handeln, sodass auch diejenigen Verfahren in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, die einen Bezug zum Recht eines Drittstaates aufweisen,442 beispielsweise wenn die Ehegatten die Staatsangehörigkeit eines solchen Drittstaates besitzen.443 Die Rom III-Verordnung setzt damit keinen spezifischen Binnenmarktbezug voraus, sondern postuliert einen in räumlicher Hinsicht allgemeinen Auslandsbezug.444 3. Zeitliche Aspekte des Auslandsbezuges In gewissem Maße fraglich ist jedoch, wann der Auslandsbezug vorliegen muss, um eine Anwendung der Kollisionsnormen der Verordnung zu begründen. Spezielle Beachtung verdienen hierbei insbesondere zwei Konstellationen, die den zeitlichen Aspekt des Auslandsbezuges betreffen. Dazu zählt einerseits die von Boele-Woelki445 und Hammje446 aufgeworfene Frage, ob eine Scheidung auch dann einen Auslandsbezug im Sinne der Verordnung aufweist, wenn grenzüberschreitende Aspekte zwar im Laufe einer Ehe vorhanden waren, diese zum Zeitpunkt der Scheidung jedoch nicht mehr bestehen. Zudem ruft der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO, der auf den 440 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (13); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 5; Schaal, BWNotZ 2011, S. 142 (144); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (308); Kemper, FamRBint 2012, S. 63 (64). 441 Vgl. MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 15; Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (718). 442 OLG Hamm, FamRZ 2013, S. 217; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (102); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (807); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (309). 443 MünchKomm/Junker, BGB, Art. 3 Rom II-VO Rn. 2; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 2013, S. 217. 444 Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (309). 445 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (13). 446 Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (308).

§ 2 Sachlicher Anwendungsbereich

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Zeitpunkt der Rechtswahl abstellt, Zweifel hervor, ob eine Rechtswahlvereinbarung einen tatsächlich bereits vorhandenden Auslandsbezug voraussetzt, oder ob diese auch bei noch nicht vorhandenem Auslandsbezug geschlossen werden kann. a) Wegfall eines ursprünglich vorhandenen Auslandsbezuges Ein ursprünglich bei der Eheschließung oder auch im Laufe der Ehe noch vorhandener grenzüberschreitender Bezug kann beispielsweise dadurch entfallen, dass ein Ehegatte im Laufe der Ehe die Staatsangehörigkeit des Heimatstaates des anderen Ehegatten annimmt und beide Ehegatten in diesem Staat bei der Scheidung ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.447 Auf den ersten Blick rufen Konstellationen wie diese die Frage hervor, ob Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO dahingehend auszulegen ist, dass die Scheidung selbst einen Auslandsbezug aufweisen muss, oder ob die zu scheidende Ehe insgesamt in ihrem Verlauf für das Vorliegen eines Auslandsbezuges maßgeblich ist.448 Bei näherer Betrachtung erweist sich die Frage, wie sich der spätere Wegfall eines ursprünglich vorhandenen Auslandsbezugs auf die Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung auswirkt, zumindest im Rahmen der objektiven Anknüpfung jedoch als ein allenfalls theoretisches Problem.449 Der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem der Auslandsbezug vorliegen muss, wird in dieser Konstellation nämlich von Art. 8 Rom III-VO selbst bestimmt, der ausweislich seines klaren Wortlauts auf den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts abstellt. Weist ein Sachverhalt also in diesem Zeitpunkt Verbindungen zu mehreren Rechtsordnungen auf, so ist unstreitig, dass das anwendbare Recht anhand der Kollisionsnormen der Verordnung zu bestimmen ist.450 Besitzt der Sachverhalt in diesem maßgeblichen Zeitpunkt jedoch nur Bezüge zu einer einzigen Rechtsordnung so ist ohne Weiteres dieses Recht für das Scheidungsverfahren maßgeblich.451 Dieses Ergebnis kann man damit begründen, dass in diesem Fall ein reiner Inlandssachverhalt vorliegt, dessen ursprünglicher, bei Eheschließung bestehender Auslandsbezug im Laufe der Ehe beseitigt wurde und somit nicht mehr zum Tragen kommt, sodass ein hinreichender Auslandsbezug nicht gegeben und die Rom III-Verordnung auf den Sachverhalt somit nicht anwendbar ist, was sodann die Anwendung inländischen Sachrechts zur Folge hat. Da man hinsichtlich des anwendbaren Rechts zum gleichen Ergebnis jedoch auch käme, wenn man die von Art. 8 Rom III-VO vorgegebene Anknüpfungsleiter anwenden würde, hat die Frage nach der

447

Vgl. Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (13); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (308 f.). Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (13); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (308). 449 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384). 450 Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (308). 451 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 43. 448

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Anwendbarkeit der Verordnung unter diesen Umständen letztendlich aber keine praktischen Auswirkungen. Im Ergebnis anders, jedoch gleichermaßen eindeutig zu beantworten ist die Frage nach dem relevanten Zeitpunkt des Auslandsbezuges bei dessen späterem Wegfall im Falle einer Rechtswahl gemäß Art. 5 ff. Rom III-VO, denn maßgeblich ist hier allein die getroffene Rechtswahl. So ist ein Auslandsbezug zu bejahen, wenn die Ehe ursprünglich Bezüge zu mehreren Rechtsordnungen aufwies und die Ehegatten aufgrund dessen bei der Eheschließung oder im Laufe der Ehe eine Rechtswahlvereinbarung getroffen und diese auch nach einem späteren Wegfall der den Auslandsbezug begründenden Umstände nicht aufgehoben haben. In diesem Fall vermittelt die bloße Existenz einer wirksamen Rechtswahlvereinbarung dem Sachverhalt einen hinreichenden, im Zeitpunkt der Scheidung aktuell bestehenden Auslandsbezug, der zur Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung auf das Scheidungsverfahren und somit gemäß Art. 5 Rom III-VO zur Anwendung des gewählten Rechts führt, auch wenn sonstige internationale Bezüge, wie zum Beispiel verschiedene Staatsangehörigkeiten oder gewöhnliche Aufenthalte der Ehegatten, bei der Scheidung nicht mehr vorliegen.452 Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO, der auf den Zeitpunkt der Rechtswahl verweist,453 als auch aus dem Sinn und Zweck einer Rechtswahlvereinbarung, der darin besteht, das anwendbare Recht für die Zukunft eindeutig festzulegen und damit von Änderungen der äußeren Begleitumstände der Ehe unabhängig zu machen. b) Möglichkeit der Rechtswahl bei (noch) nicht vorhandenem Auslandsbezug? Fraglich ist jedoch, ob die Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Rechtswahl in Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO auch zur Folge hat, dass eine Rechtswahlvereinbarung erst dann geschlossen werden kann, wenn bereits ein Auslandsbezug vorliegt. Dafür spricht auf den ersten Blick der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO, der den Anwendungsbereich der Verordnung nur für die Scheidungs- und Trennungsfälle eröffnet, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Somit wäre also auch Art. 5 Rom III-VO erst und nur in eben solchen Fällen anwendbar, auch wenn Art. 5 Rom III-VO selbst – wie im Übrigen auch Art. 8 Rom III-VO – keine Einschränkung auf Sachverhalte mit Auslandsbezug vornimmt. Diese streng am Wortlaut orientierte Auslegung des Art. 1 Abs. 1 Rom IIIVO widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck einer Rechtswahl und liefe dem Ziel zuwider, das der Verordnungsgeber mit der Einführung der Parteiauto452

So auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (309); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 265. 453 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384).

§ 2 Sachlicher Anwendungsbereich

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nomie verfolgt. So möchte der europäische Gesetzgeber ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 15 Rom III-VO eine erhöhte Rechtssicherheit und Flexibilität für die betroffenen Ehepaare erreichen, indem er ihnen die Möglichkeit einräumt, das in ihrem Fall anzuwendende Recht in gewissen Grenzen durch Rechtswahl selbst zu bestimmen. Rechtssicherheit können die Betroffenen jedoch nur erlangen, wenn sie das anwendbare Recht bereits festschreiben können, bevor ein etwaiger Statutenwechsel aufgrund von Aufenthaltswechseln oder wegen eines Wechsels der Staatsangehörigkeit eintritt. Sinn und Zweck einer jeden Rechtswahlvereinbarung ist es, das anwendbare Recht zu „konservieren“, damit eine Veränderung der Lebensumstände nicht zugleich auch eine Änderung des anwendbaren Rechts nach sich zieht.454 Der Rechtswahlvereinbarung kommt damit im Wesentlichen eine vorsorgende Funktion zu. Das Sicherungsinteresse der Ehegatten am anwendbaren Recht besteht jedoch auch und gerade, bevor ein Statutenwechsel eingetreten ist. Die Rechtswahl kann daher nur dann ihre Bestimmung als Instrument der Vorsorge vollständig erfüllen und dem Bedürfnis der Ehegatten nach Rechtssicherheit gerecht werden, wenn sie den Beteiligten auch schon bei noch nicht vorhandenem Auslandsbezug zur Verfügung steht.455 Während die teleologischen Aspekte somit für eine Rechtswahlmöglichkeit auch bei noch nicht vorhandenem Auslandsbezug sprechen, können systematische Erwägungen, wie beispielsweise ein Verweis auf eine mögliche Analogie zu Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 Rom III-VO456 hier nicht zur Lösung des Problems beitragen. Die Regelung des Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 Rom III-VO, wonach Rechtswahlvereinbarungen, die vor dem 21. Juni 2012 geschlossen wurden, ebenfalls wirksam sind, sofern sie die Voraussetzungen der Art. 6 und 7 Rom III-VO erfüllen, ist für die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Auslandsbezuges unergiebig. Die bloße Tatsache, dass ein Auslandsbezug im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO im Zeitpunkt der Rechtswahl gemäß Art. 18 Abs. 1 Rom III-VO keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Rechtswahlvereinbarung ist, lässt keinerlei Rückschlüsse auf die allgemeine Zulässigkeit von Rechtswahlvereinbarungen zu: Zum einen befreit Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 Rom III-VO auch Rechtswahlvereinbarungen, die vor dem 21. Juni 2012 geschlossen wurden, nicht von dem allgemeinen Erfordernis des Auslandsbezuges gemäß Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO. Zum anderen enthält die Norm auch keinen Verweis auf Art. 5 Rom III-VO, sodass bei streng an der Systematik und am Wortlaut orientierter Auslegung für solche Rechtswahlvereinbarungen auch die Beschränkung des Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO hinsichtlich der wählbaren Rechte nicht greifen würde und somit eine freie Rechtswahl zulässig wäre. Dies dürfte aber wohl kaum dem Willen 454

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384). Vgl. auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384). 456 Auf diese verweist Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 44. 455

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

des Verordnungsgebers entsprechen, der sich bewusst für eine Begrenzung der Rechtswahlmöglichkeit auf die nach den Kriterien des Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO verbundenen Rechte entschieden hat. Auch wenn systematische Überlegungen an dieser Stelle also nicht weiterhelfen, sprechen – trotz des vermeintlich restriktiven Wortlauts des Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO – die oben dargestellten Zweckmäßigkeitserwägungen eindeutig gegen eine Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeit dahingehend, dass diese nur bei bereits vorhandenem Auslandsbezug ausgeübt werden kann. Im Ergebnis kann daher eine Rechtswahl gemäß Art. 5 ff. Rom III-VO auch dann vorgenommen werden, wenn ein Auslandsbezug noch nicht vorliegt.457 Tritt in einem solchen Fall ein Auslandsbezug auch später nicht ein, so ist die Situation vergleichbar mit der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts bei nicht mehr vorhandenem Auslandsbezug: Man kann darüber streiten, ob die Rom III-Verordnung und somit die getroffene Rechtswahl im Moment der Scheidung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts eine Rolle spielt oder kollisionsrechtliche Fragen von vornherein mangels Auslandsbezuges unbeachtlich sind. Da Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO jedoch nur eine begrenzte Rechtswahlmöglichkeit vorsieht und die Beteiligten somit ursprünglich mangels verwirklichter Bezugspunkte im Ausland ohnehin nur das inländische Recht wählen konnten, ist die Frage auch hier von rein theoretischer Natur, denn letztendlich kommt in beiden Fällen das inländische Recht zur Anwendung.458

§ 3 Zeitlicher Anwendungsbereich § 3 Zeitlicher Anwendungsbereich

Sowohl die deutsche als auch die englische und die französische Sprachfassung der Rom III-Verordnung unterscheiden in zeitlicher Hinsicht zwischen Inkrafttreten459 und Geltungsbeginn460 der Verordnung. Darüber hinaus enthält die Verordnung auch Übergangsbestimmungen zur Regelung des intertemporalen Kollisionsrechts. I. Inkrafttreten Gemäß Art. 21 S. 1 Rom III-VO ist die Verordnung am Tag nach ihrer Verkündung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft getreten, mithin am 457 So auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (372); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 265; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 15; a.A. Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 5. 458 Vgl. auch Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (372). 459 Engl.: „entry into force“; frz.: „entrée en vigueur“. 460 Engl.: „date of application“; frz.: „date d’application”.

§ 3 Zeitlicher Anwendungsbereich

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30.12.2010. Das Inkrafttreten der Verordnung ist aufgrund der Differenzierung zwischen Inkrafttreten und Geltungsbeginn vor allem für die sogenannte Vorwirkung der Verordnung von Bedeutung, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die spätere effektive Anwendung der Verordnung nicht aufgrund zwischenzeitlicher Maßnahmen zu gefährden.461 Das Datum des Inkrafttretens ist jedoch für den Beginn der Anwendbarkeit der Verordnung nicht von Belang. II. Geltungsbeginn Maßgeblich für die Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereiches ist der Geltungsbeginn der Verordnung. Gemäß Art. 21 S. 2 Rom III-VO gilt die Verordnung ab dem 21. Juni 2012, mit Ausnahme des Art. 17 Rom III-VO, der ab dem 21. Juni 2011 gilt. Art. 17 Rom III-VO betrifft Informationspflichten der teilnehmenden Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission und setzt für die Erteilung der in Art. 17 Rom III-VO geforderten Auskünfte eine Frist bis zum 21. September 2011, weshalb für diese Norm ein früherer Geltungsbeginn notwendig war. Die übrigen Vorschriften der Rom IIIVerordnung sind gemäß Art. 21 Satz 2 Rom III-VO in den 14 Mitgliedstaaten, die untereinander die Verstärkte Zusammenarbeit begründet haben, seit dem 21. Juni 2012 anwendbar. Für Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die der Verstärkten Zusammenarbeit zu einem späteren Zeitpunkt beitreten, gilt die Verordnung gemäß Art. 21 S. 3 Rom III-VO ab dem im Beitrittsbeschluss angegebenen Tag. III. Übergangsbestimmungen Eine Änderung von Kollisionsnormen kann zu Konflikten führen, die sich aus dem zeitlichen Nacheinander der anwendbaren Vorschriften ergeben. Aus diesem Grund enthält Art. 18 Rom III-VO Bestimmungen, die das intertemporale Kollisionsrecht betreffen. Beim intertemporalen Recht geht es um die Regelung von Sachverhalten, die zeitlich mit dem Wechsel der aufeinanderfolgenden Kollisionsnormen in Zusammenhang stehen und von daraus entstehenden Kollisionen betroffen sind.462 In diesem Zusammenhang stellt Art. 18 Abs. 1 Rom III-VO zunächst klar, dass die Verordnung nur für gerichtliche Verfahren und für Rechtswahlvereinbarungen im Sinne von Art. 5 Rom III-VO gilt, die ab dem 21. Juni 2012 eingeleitet beziehungsweise geschlossen wurden.463 Die Verwendung des Begriffes der Verfahrenseinleitung erscheint dabei insofern als etwas un461

Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 29 Rom I-VO Rn. 2. MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 382; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 4 Rn. 171. 463 Insofern nicht nachvollziehbar Basedow in LA Pintens, S. 135 (138). 462

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

glücklich, als der Begriff weder in der Rom III-Verordnung selbst noch in der Brüssel IIa-Verordnung definiert oder anderweitig verwendet wird.464 Da Art. 16 Brüssel IIa-VO jedoch die Anrufung des Gerichts regelt und dafür auf die Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes bei Gericht als maßgeblichen Zeitpunkt abstellt, wird man wohl – insbesondere auch im Hinblick auf die Erwägungsgründe Nr. 10 und Nr. 13 Rom III-VO465 – davon ausgehen können, dass die Verfahrenseinleitung durch die Anrufung des Gerichts erfolgt und sich der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung somit nach Art. 16 Brüssel IIa-VO bestimmt.466 Die Stellung eines Antrags auf Verfahrenskostenhilfe führt somit noch nicht zu einer Verfahrenseinleitung im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Rom III-VO.467 Darüber hinaus enthält Art. 18 Rom III-VO spezielle Übergangsvorschriften für Rechtswahlvereinbarungen. Gemäß Art. 18 Abs. 1 S. 2 Rom III-VO sind Rechtswahlvereinbarungen, die vor dem Geltungsbeginn der Verordnung am 21. Juni 2012 geschlossen wurden, ebenfalls wirksam, sofern sie die Voraussetzungen der Art. 6 und Art. 7 Rom III-VO erfüllen. Dagegen bleiben Rechtswahlvereinbarungen für gerichtliche Verfahren, die bereits vor dem Stichtag des 21. Juni 2012 in einem teilnehmenden Mitgliedstaat eingeleitet wurden, gemäß Art. 18 Abs. 2 Rom III-VO von der Verordnung unberührt.

§ 4 Verhältnis zu anderen Rechtsquellen § 4 Verhältnis zu anderen Rechtsquellen

Auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts existieren neben der Rom III-Verordnung weitere internationale Rechtsakte und nationale Vorschriften, die das Scheidungskollisionsrecht regeln oder eine enge Verbindung zum internationalen Scheidungsrecht aufweisen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem völkerrechtliche Übereinkommen sowie weitere Rechtsakte der Europäischen Union, die seit Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen im Bereich des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts erlassen wurden. Hinzu kommen die verbliebenen Regelungen des autonomen deutschen Kollisionsrechts im Bereich des internationalen Scheidungsrechts, die ebenfalls in engem Zusammenhang mit der Rom III-Verordnung stehen. 464

Gleiches gilt für die englische und die französische Sprachfassung. Vgl. auch Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (102); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (808). 465 Erwägungsgrund Nr. 13 S. 2 Rom III-VO: „Soweit zweckmäßig, sollte ein Gericht als gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 angerufen gelten.“ 466 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (102); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (251) Fn. 36; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 808; Palandt/Thorn, BGB, Art. 18 Rom III-VO Rn. 1; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (808). 467 OLG Stuttgart, FamRZ 2013, S. 303; Dimmler/Bißmaier, FamRBint 2012, S. 66 (67).

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Diese Regelungsdichte macht eine Einordnung der Rom III-Verordnung in das bestehende Normensystem erforderlich, die die Wechselwirkungen und Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Rechtsquellen offen legt und somit zugleich der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Rom IIIVerordnung dient. I. Völkerrechtliche Übereinkommen Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge ist nicht nur der klassische Weg, um die Vereinheitlichung von Rechtsnormen zu erreichen,468 er ermöglicht zudem Rechtsangleichung auch außerhalb des räumlichen und institutionellen Rahmens der Europäischen Union. Aus diesem Grund stellen kollisionsrechtliche Staatsverträge neben dem zunehmend ergiebigen Unionsrecht eine wesentliche Rechtsquelle des internationalen Privatrechts dar.469 Internationale Übereinkommen, durch welche die beteiligten Staaten sich zur Einführung bestimmter einheitlicher Normen des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts verpflichten, haben an Zahl und Bedeutung in den letzten Jahrzehnten besonders in Westeuropa stark zugenommen, sodass sie in manchen Bereichen häufiger zur Anwendung kommen, als die entsprechenden nationalen Normen.470 Aufgrund unterschiedlicher Prioritäten der Mitgliedstaaten gilt in den teilnehmenden Mitgliedstaaten jedoch ein unterschiedlicher Bestand kollisionsrechtlich relevanter internationaler Übereinkommen, die von der Rom III-Verordnung abweichende Kollisionsregeln enthalten und zu Konflikten bei der Rechtsanwendung führen können.471 Völkerrechtliche Übereinkommen der teilnehmenden Mitgliedstaaten sind insbesondere im Hinblick auf den mit der Rom III-Verordnung bezweckten internationalen Entscheidungseinklang problematisch, denn ein Mitgliedstaat, in dem ein Übereinkommen gilt, wendet ein anderes Kollisionsrecht an als die übrigen teilnehmenden Mitgliedstaaten, in denen das Übereinkommen nicht gilt, und folgt somit anderen Kollisionsregeln, als von der Rom III-Verordnung vorgesehen mit möglicherweise abweichenden Ergebnissen.472 Dieser Zustand führt zu einer dem Vereinheitlichungsgedanken zuwiderlaufenden Zersplitterung.473 Da jedoch die Wahrung der internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten ein ebenso legitimes Ziel darstellt wie die einheitliche Rechtsanwendung zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten, sind ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen und eine Regelung des Konkurrenzverhältnis468

v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 3 Rn. 35. Kropholler, Internationales Privatrecht, § 1 III 2 f. (S. 5 f.). 470 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 9 (S. 56). 471 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 28, 29 Rom II-VO Rn. 1. 472 MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 5; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 28, 29 Rom II-VO Rn. 1. 473 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 28, 29 Rom II-VO Rn. 1. 469

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

ses zu staatsvertraglichen Kollisionsnormen erforderlich. Zur Lösung des Konflikts enthält die Rom III-Verordnung mit Art. 19 Rom III-VO eine Rang-Kollisionsnorm, die das Verhältnis der Verordnung zu internationalen Übereinkommen regelt. 1. Vorrang bestehender internationaler Übereinkommen Gemäß Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO lässt die Verordnung die Anwendung derjenigen internationalen Übereinkommen unberührt, denen ein teilnehmender Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Annahme der Rom III-Verordnung angehört und die Kollisionsnormen für Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes enthalten. Ähnliche Regelungen finden sich auch in den Art. 25 Rom I-VO und Art. 28 Rom II-VO, und auch im nationalen Kollisionsrecht ist der Vorrang internationaler Übereinkommen verankert.474 Diese Vorrangregel schützt die internationalen Übereinkommen der teilnehmenden Mitgliedstaaten475 und ermöglicht ihnen somit, ihren bereits vor Annahme der Rom III-Verordnung eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, ohne gleichzeitig gegen Unionsrecht zu verstoßen.476 Wie auch bereits Art. 351 AEUV, der das Verhältnis von mitgliedstaatlichen Altverträgen zum EUV und AEUV regelt,477 bringt Art. 19 Abs. 1 Rom IIIVO damit den Respekt des Europarechts gegenüber bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Ausdruck, fördert die Vertragstreue und ermöglicht Kontinuität in den internationalen Beziehungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten.478 a) Erfasste Übereinkommen Die Regelung des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO betrifft nur Übereinkommen, die Kollisionsnormen für Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes enthalten. Erfasst werden also in erster Linie kollisionsrechtliche Übereinkommen im klassischen Sinne, das heißt Übereinkommen, die das anwendbare Recht betreffen. Aus der einschränkenden Formulierung der Norm folgt damit zugleich auch, dass Staatsverträge, die ausschließlich das materielle Recht der Ehescheidung vereinheitlichen, nicht dem Art. 19 Rom III-VO unterfallen. Darüber hinaus ist auch die Einordnung von Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Sachrecht, die nicht ausschließlich vereinheitlichtes Sachrecht, sondern auch vereinzelte kollisionsrechtliche 474

Für das autonome deutsche Kollisionsrecht siehe Art. 3 Nr. 2 EGBGB. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 36 Rom II-VO. 476 MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 1. 477 Calliess/Ruffert/Schmalenbach, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 1. 478 Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom I-VO Rn. 1; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2; Staudinger/Magnus, BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2. 475

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Vorschriften beinhalten, allenfalls auf den ersten Blick problematisch.479 Für eine Einbeziehung solcher „gemischter Übereinkommen“480 in den Anwendungsbereich des Art. 19 Rom III-VO spricht bereits und in erster Linie der Wortlaut der Norm: Art. 19 Rom III-VO verlangt nicht, dass die relevanten Übereinkommen insgesamt oder auch nur überwiegend kollisionsrechtlichen Charakter hätten, sondern nur, dass diese Kollisionsnormen „enthalten“.481 Auch die Analyse der englischen und französischen Sprachfassung482 der Rom III-Verordnung führt hier zu keinem abweichenden Ergebnis. Somit unterfallen auch primär sachrechtsvereinheitlichende Übereinkommen dem Anwendungsbereich des Art. 19 Rom III-VO, wenn sie Kollisionsnormen für Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes beinhalten.483 Dabei erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich des Art. 19 Rom III-VO sowohl auf bilaterale als auch multilaterale Staatsverträge. Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO schützt jedoch ausschließlich die bestehenden internationalen Übereinkommen der teilnehmenden Mitgliedstaaten, das heißt die teilnehmenden Mitgliedstaaten müssen das betreffende Abkommen zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits geschlossen haben. Geschlossen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Abkommen für die teilnehmenden Mitgliedstaaten durch Ratifizierung bereits völkerrechtlich verbindlich geworden ist.484 Rechtsakte der EU, die sekundäres Unionsrecht darstellen, sind hingegen keine internationalen Übereinkommen im Sinne des Art. 19 Rom III-VO und werden somit von diesem nicht erfasst, sondern sind in ihrem Verhältnis zur Rom III-Verordnung eigenständig zu beurteilen.485 b) Maßgeblicher Zeitpunkt Maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen der Übereinkommen ist gemäß Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO die Annahme der Verordnung oder, im Falle eines späteren Beitritts, die Annahme des Beitrittsbeschlusses. Mit dem Zeitpunkt der Annahme der Verordnung ist das Datum in der offiziellen Bezeichnung

479

So aber Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom I-VO Rn. 5; von Hein in FS Schröder, S. 29 (33). 480 MünchKomm/Junker, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 22. 481 So auch in Bezug auf die Rom I-Verordnung Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom I-VO Rn. 6. 482 Engl.: „lay down“; frz.: „qui règlent”. 483 So auch im Ergebnis in Bezug auf die Rom II-Verordnung MünchKomm/Junker, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 22; vgl. auch von Hein in FS Schröder, S. 29 (33). 484 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 28, 29 Rom II-VO Rn. 5; MünchKomm/ Junker, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 13. 485 Zum Verhältnis zum Unionsrecht sogleich unten II.

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der Verordnung gemeint,486 im Falle der Rom III-Verordnung also der 20. Dezember 2010.487 c) Beispiele Nach diesen Kriterien hat in Deutschland damit wohl nur Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens488 Vorrang vor der Rom IIIVerordnung. Gleiches gilt in Österreich für Art. 10 Abs. 3 des Freundschaftsund Niederlassungsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran489 sowie für Art. 28 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen über die wechselseitigen Beziehungen in bürgerlichen Rechtssachen und über Urkundenwesen.490 Aus französischer Sicht haben beispielsweise Art. 9 des Abkommens zwischen Frankreich und Marokko über die Rechtsstellung von Personen und Familien und die justizielle Zusammenarbeit491 und Art. 8 des Abkommens zwischen Polen und Frankreich über das anzuwendende Recht, die gerichtliche Zuständigkeit und das Exequaturverfahren in Fragen des Personen- und Familienrechts492 Vorrang vor den Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung. 2. Übereinkommen ohne Drittstaatenbeteiligung Eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs bestehender internationaler Verträge stellen jedoch diejenigen völkerrechtlichen Übereinkommen dar, die 486 Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom I-VO Rn. 9; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 6; von Hein in FS Schröder, S. 29 (36). 487 AA, nämlich auf den 21.06.2012 abstellend Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 405. 488 „In [B]ezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht bleiben die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates jedoch den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen. Die Anwendung dieser Gesetze kann von dem anderen vertragschließenden Staat nur ausnahmsweise und nur insoweit ausgeschlossen werden, als ein solcher Ausschluß allgemein gegenüber jedem anderen fremden Staat erfolgt“, RGBl. 1930 II, S. 1006. 489 „In Angelegenheiten der Eheschließung, des ehelichen Güterrechtes, der Ehescheidung und Ehetrennung, der Mitgift, der Vaterschaft, der Abstammung, der Annahme an Kindesstatt, der Rechts- und Handlungsfähigkeit, der Großjährigkeit, der Vormundschaft, der gesetzlichen und testamentarischen Erbfolge bleiben die Angehörigen einer Hohen Vertragschließenden Partei auf dem Gebiete der anderen Partei den Bestimmungen des in ihrem Heimatstaat geltenden Rechtes unterworfen“, österr. BGBl. Nr. 45/1966 (S. 261 ff.). 490 Österreich. BGBl. Nr. 79/1974 (S. 785 ff.). 491 Convention entre la République Française et le Royaume du Maroc relative au statut des personnes et de la famille et à la coopération judiciaire, décret n° 83-435 du 27 mai 1983, JORF vom 01.06.1983, S. 1643 ff. 492 Convention franco-polonaise relative à la loi applicable, la compétence et l’exequatur dans le droit des personnes et de la famille signee à Varsovie le 5 avril 1967, décret n° 69-176 du 13 février 1969, JORF vom 22.02.1969.

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ohne Drittstaatenbeteiligung ausschließlich zwischen zwei oder mehreren teilnehmenden Mitgliedstaaten geschlossen wurden. Gegenüber derartigen Konventionen hat die Rom III-Verordnung gemäß Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO in den Bereichen Vorrang, die sowohl in der Verordnung als auch in der betroffenen Konvention geregelt sind. Die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO erfasst dabei sowohl bilaterale Abkommen als auch multilaterale Übereinkommen, an denen keine anderen Staaten beteiligt sind. Durch diesen Ausnahmetatbestand wird die durch Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO begünstigte Rechtszersplitterung abgemildert. Zählt jedoch auch nur ein einziger nichtteilnehmender Staat zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens, sind die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO nicht erfüllt und das Übereinkommen genießt Vorrang gemäß Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO. Als Rechtsfolge bestimmt Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO den Anwendungsvorrang der Rom III-Verordnung. Die völkerrechtliche Wirksamkeit des betroffenen Übereinkommens wird dadurch jedoch nicht berührt, das heißt den teilnehmenden Mitgliedstaaten wird weder die Pflicht auferlegt, den betreffenden Vertrag zu kündigen, noch wird die Kündigung fingiert.493 Das Übereinkommen gilt damit völkerrechtlich weiter, läuft aber in der praktischen Anwendung leer. Unter die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO fällt somit beispielsweise das Abkommen zwischen Frankreich und Slowenien über das anwendbare Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Fragen des Personen- und Familienrechts,494 dessen Art. 8 eine Regelung des auf die Ehescheidung anwendbaren Rechts enthält. Auch das Haager Ehescheidungsabkommen von 1902495 galt bei Annahme der Rom III-Verordnung nur noch zwischen Portugal und Rumänien und tritt in kollisionsrechtlicher Hinsicht somit hinter die Rom III-Verordnung zurück.496 Es ist jedoch nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO bereits zu dem in Absatz 1 genannten Datum vorgelegen haben. Die Voraussetzungen können auch nach dem 20. Dezember 2010 eintreten, wenn jeder der Drittstaaten, die das fragliche Übereinkommen ratifiziert haben, entweder der Rom III-Verordnung beitritt oder das Überein493

MünchKomm/Junker, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 29; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 4. 494 Convention entre le Gouvernement de la République française et le Gouvernement de la République socialiste federative de Yougoslavie relative à la loi applicable et à la competence en matière de droit des personnes et de la famille, signee à Paris le 18 mai 1971, décret n° 73-492 du 15 mai 1973, JORF vom 24.05. 1973, S. 171 ff., fortgeltend zwischen Frankreich und der Republik Slowenien gemäß Übereinkommen vom 28.03.1994, décret n° 96-229 du 15 mars 1996, JORF vom 22.03.1996, S. 4442 f. 495 Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze und der Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Ehescheidung und der Trennung von Tisch und Bett vom 12.06.1902, RGBl. 1904, S. 231. 496 Von Hein in FS Schröder, S. 29 ( 42).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

kommen kündigt.497 Für den Eintritt der Wirkungen des Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO ist entscheidend, dass ausschließlich die an der Verordnung beteiligten Mitgliedstaaten zugleich die Vertragsstaaten des völkerrechtlichen Übereinkommens sind. Tritt dieser Zustand zu irgendeinem Zeitpunkt bei oder nach Annahme der Verordnung ein, so erhält die Rom III-Verordnung ab diesem Zeitpunkt Vorrang gemäß Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass die Rechtsfolgen des Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO wieder entfallen, sobald die Voraussetzungen der Norm nicht mehr erfüllt sind, zum Beispiel weil ein Drittstaat dem betreffenden Übereinkommen beitritt. In diesem Fall lebt der Anwendungsvorrang des Übereinkommens nach Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO wieder auf. 3. Künftige Übereinkommen Aus Überschrift und Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO wird deutlich, dass sich die Norm ausschließlich auf bestehende Übereinkommen bezieht. Da die Vorschrift zu künftigen Übereinkommen keine Aussage trifft, ist fraglich, wie sich die Rom III-Verordnung zu späteren, das Scheidungskollisionsrecht betreffenden Übereinkommen verhält. Insbesondere ist zu klären, ob der Abschluss neuer und die Änderung bestehender Übereinkommen durch die teilnehmenden Mitgliedstaaten nach Annahme der Rom III-Verordnung möglich ist und welche Auswirkungen ein solches Vorgehen gegebenenfalls auf die Verordnung hätte. a) Abschluss konkurrierender Übereinkommen In diesem Zusammenhang ist zunächst die Frage zu klären, ob die Union durch den Erlass der Rom III-Verordnung zugleich auch die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge zum Scheidungskollisionsrecht erworben hat oder ob diese Kompetenz weiterhin den Mitgliedstaaten zusteht. aa) Vertragsschlusskompetenz der Union Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gemäß Art. 5 Abs. 2 EUV verbleiben alle Kompetenzen, die der Union nicht übertragen wurden, bei den Mitgliedstaaten. Somit kann die Union die Außenkompetenz nur dann erlangen, wenn ein Übergang der Kompetenz in den Europäischen Verträgen angeordnet ist. Die völkerrechtlichen Vertragsschlusskompetenzen der Union sind seit der Lissabon-Reform einheitlich und ausdrücklich für alle Rechtsund Politikbereiche in zwei Vorschriften geregelt, die in erster Linie eine Normierung der Rechtsprechung des EuGH zu den Außenkompetenzen der Union darstellen und dabei insbesondere auf der insoweit maßgeblichen 497

MünchKomm/Junker, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 27.

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AETR-Entscheidung aus dem Jahr 1971 beruhen.498 So bestimmt Art. 216 AEUV vier Fälle, in denen die Union zum Abschluss internationaler Übereinkommen berechtigt ist. Darüber hinaus regelt Art. 3 Abs. 2 AEUV, dass es sich bei den Außenkompetenzen der Union um ausschließliche Zuständigkeiten handelt. Art. 216 Abs. 1 AEUV schafft dabei unter anderem eine Außenkompetenz zugunsten der Union für den Fall, dass der Abschluss eines internationalen Übereinkommens „gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder deren Anwendungsbereich ändern“ könnte. Als Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit ist die Rom III-Verordnung – im Gegensatz zu den Verordnungen Rom I und Rom II – jedoch nicht Teil des sogenannten acquis communautaire, also des Besitzstandes der Union und gehört daher nicht zu den „gemeinsamen Vorschriften“, die durch Art. 216 AEUV besonders vor einer Beeinträchtigung durch den Abschluss internationaler Verträge seitens der Mitgliedstaaten geschützt werden.499 Diese Einschränkung ist notwendig, da anderenfalls eine Gruppe von Mitgliedstaaten durch eine Regelung untereinander im Sinne eines Vertrages zu Lasten Dritter die Übertragung einer ursprünglich mitgliedstaatlichen Kompetenz auf die Union bewirken und somit zugleich den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten eine Kompetenz entziehen könnte. Dies würde dem ausdrücklichen Willen und dem Interesse der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten zuwiderlaufen, die durch die Nichtteilnahme an der Rom III-Verordnung deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie derzeit keine Vereinheitlichung oder Änderung ihres nationalen Scheidungskollisionsrechts wünschen. Diese Haltung der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten ist insbesondere auch im Hinblick auf das Einstimmigkeitserfordernis des Art. 81 Abs. 3 AEUV zu respektieren. Da somit der Tatbestand des Art. 216 Var. 4 AEUV im Falle der Rom III-Verordnung nicht erfüllt ist und eine Übertragung der Außenkompetenz auf die Union nicht erfolgt, verfügen die teilnehmenden Mitgliedstaaten der Rom III-Verordnung auch künftig über die Kompetenz, völkerrechtliche Verträge mit Drittstaaten auf dem Gebiet des Scheidungskollisionsrechts abzuschließen.500 Hierin besteht also ein wesentlicher Unterschied zu den kollisionsrechtlichen Verordnungen Rom I und Rom II, für deren Anwendungsbereich die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge gemäß Art. 216 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 AEUV nunmehr grundsätzlich ausschließlich501 der Union zusteht.502 Da die Außenkompetenz im 498

Rs. 22/70, Urteil vom 31.03.1971, EuGHE 1971, S. 263 („AETR“); Geiger/Khan/ Kotzur/Khan, EUV/AEUV, Art. 216 AEUV Rn. 3. 499 Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 24; Geiger/Khan/Kotzur/ Khan, EUV/AEUV, Art. 216 AEUV Rn. 11. 500 A.A. Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 405; NomosKomm/Nordmeier, Rom-Verordnungen, Art. 19 Rom III-VO Rn. 6. 501 Der Beitritt eines Mitgliedstaates zu einem internationalen Übereinkommen ist ausnahmsweise auch nach Annahme der Rom II-Verordnung möglich nach Maßgabe der auf

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Bereich des Scheidungskollisionsrechts bei den Mitgliedstaaten verblieben ist, war folglich für die Rom III-Verordnung eine den Erwägungsgründen Nr. 42 Rom I-VO und Nr. 37 Rom II-VO vergleichbare Regelung, die Einzelund Ausnahmegenehmigungen für die Mitgliedstaaten zum Abschluss völkerrechtlicher Übereinkünfte mit Drittstaaten in dem von der Verordnung geregelten Bereich betrifft, obsolet und ist dementsprechend nicht vorhanden. bb) Vertragsschlussverbot für teilnehmende Mitgliedstaaten? Aus der restriktiven Formulierung des Art. 19 Rom III-VO ergibt sich, dass Übereinkommen, denen teilnehmende Mitgliedstaaten nach Annahme der Verordnung beitreten, nicht den Schutz des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO genießen und ihnen somit kein Vorrang gegenüber der Verordnung eingeräumt wird. Da ein grundsätzlicher Vorrang internationaler Übereinkommen gegenüber dem sekundären Unionsrecht jedoch nicht existiert, müssten sich die teilnehmenden Mitgliedstaaten entweder vertragsbrüchig und völkerrechtswidrig verhalten, wenn sie statt des späteren Übereinkommens die Rom IIIVerordnung anwenden oder aber europarechtswidrig, wenn sie das künftige Übereinkommen statt der Rom III-Verordnung anwenden. Fraglich ist daher, ob sich unabhängig von der Kompetenzregelung des Art. 216 AEUV aufgrund dieser widersprüchlichen Interessenlage und im Hinblick auf den Vereinheitlichungszweck der Verordnung ein unmittelbar rechtliches oder zumindest ein mittelbar faktisches Verbot für die teilnehmenden Mitgliedstaaten ergibt, einschlägigen Übereinkommen in Zukunft beizutreten.503 Zu bedenken ist dabei, dass ein solches Abschlussverbot eine weitreichende Beschneidung der Kompetenzen der teilnehmenden Mitgliedstaaten bedeuten würde. Für eine solche Einschränkung der Souveränität der Mitgliedstaaten existiert im Unionsrecht jedoch keine Grundlage. Die Verordnungen der Europäischen Union binden die teilnehmenden Mitgliedstaaten zwar unmittelbar, ohne dabei jedoch einen Geltungsvorrang gegenüber Rechtsakten anderen Ursprungs zu beanspruchen. Die Tatsache, dass sich der Vorrang des Erwägungsgrund Nr. 37 Rom II-VO beruhenden „Verordnung (EG) Nr. 662/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Einführung eines Verfahrens für die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten über spezifische Fragen des auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts“, ABlEU Nr. L 200 vom 31.07.2009, S. 25. 502 MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 6 f.; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 30; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 28, 29 Rom II-VO Rn. 5; Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2; Staudinger/Magnus, BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 3; Wagner, IPRax 2008, S. 1 (3); Leible/Lehmann, RIW 2007, S. 721 (735); Garriga, YB PIL 2007, S. 137 (146); Kreuzer in FS Kropholler, S. 129 (131). 503 Im Ergebnis dann vergleichbar mit der Rechtslage bei den Verordnungen Rom I und Rom II, siehe auch Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 28, 29 Rom II-VO Rn. 5.

§ 4 Verhältnis zu anderen Rechtsquellen

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Unionsrechts grundsätzlich als Anwendungsvorrang darstellt,504 verdeutlicht, dass die reine Existenz konkurrierender Normen aus unionsrechtlicher Sicht unproblematisch und hinnehmbar ist. Folglich kann der bloße Abschluss konkurrierender internationaler Übereinkommen und die damit verbundene Schaffung von Rechtsakten, die gegebenenfalls im Widerspruch stehen zum Verordnungsrecht der Union, nicht europarechtswidrig sein. Ein Abschlussverbot für die teilnehmenden Mitgliedstaaten ist somit weder angebracht noch gerechtfertigt. Zwar sind die Mitgliedstaaten nach dem Prinzip der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, schädigendes Verhalten gegenüber der Union zu unterlassen,505 schädigend ist jedoch allenfalls und erst die Anwendung und nicht bereits der Abschluss konkurrierender künftiger Übereinkommen. Künftige Übereinkommen genießen daher nicht mehr den Schutz des Art. 19 Rom III-VO, sodass die Mitgliedstaaten aus unionsrechtlicher Sicht zur Nichtanwendung künftiger Übereinkommen verpflichtet sind. Es besteht jedoch weder das Recht, noch ist es die Aufgabe der Union, die Mitgliedstaaten an der Eingehung internationaler Verpflichtungen oder an vertragsbrüchigem Verhalten zu hindern. Das Handeln in diesem Bereich bleibt der Eigenverantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Die teilnehmenden Mitgliedstaaten können somit auch nach Annahme der Rom III-Verordnung internationalen Übereinkommen beitreten, die dann jedoch keinen Vorrang und Schutz gegenüber den Regelungen der Verordnung genießen, sodass künftige Übereinkommen für die Anwendung der Rom III-Verordnung aus unionsrechtlicher Sicht irrelevant sind. b) Änderung bestehender Übereinkommen Da die Kompetenz zum Abschluss internationaler Übereinkommen bei den Mitgliedstaaten verblieben ist, verfügen die Mitgliedstaaten zugleich auch weiterhin über die Kompetenz zur Änderung der bestehenden internationalen Übereinkommen, denen durch Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO Vorrang gegenüber der Verordnung eingeräumt wird. Fraglich ist jedoch, ob solche Übereinkommen auch nach einer Änderung dem Schutzbereich des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO unterfallen oder ob sie nach der Änderung als neue, spätere Übereinkommen zu qualifizieren sind. aa) Inhaltliche Änderung bestehender Übereinkommen Wird ein Übereinkommen zum Scheidungskollisionsrecht inhaltlich verändert oder ergänzt, ist für die rechtliche Einordnung eines solchen Vorgehens zu504 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 10 Rn. 32; vgl. auch Rs. 34/67, Urteil vom 04.04.1968, EuGHE 1968, S. 364 (373). 505 Ausführlich zu Begriff und Umfang der sog. „Unionstreue“ Geiger/Khan/Kotzur/ Geiger, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 8 ff.; Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 34 ff.; Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 21 ff.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

nächst ein Blick auf Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO hilfreich: Die Regelung soll den internen Entscheidungseinklang fördern und dabei zugleich den Respekt des Unionsrechts vor den bestehenden internationalen Verpflichtungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten zum Ausdruck bringen. Eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung eines bestehenden Abkommens hat jedoch auf den internen Entscheidungseinklang keine negativen Auswirkungen, da eine zusätzliche Verengung des Anwendungsbereichs der Rom III-Verordnung durch eine Änderung des Übereinkommens nicht eintritt. Vielmehr besteht die vor der Änderung des Übereinkommens bereits vorhandene Beeinträchtigung des internen Entscheidungseinklangs weiterhin fort, indem im Verhältnis zu bestimmten Drittstaaten die Rom III-Verordnung nicht angewendet wird. Eine Änderung eines bestehenden Übereinkommens bewirkt somit keine Verschlechterung im Hinblick auf die einheitliche Anwendung der Verordnung, sondern perpetuiert allenfalls das bereits bestehende Ausmaß der Störung des internen Entscheidungseinklangs. Es ist daher nicht ersichtlich, warum ein inhaltlich verändertes, bestehendes Übereinkommen nicht den gleichen Schutz des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO genießen sollte wie ein unverändertes. Diese Auffassung wahrt zugleich die internationale Handlungsfähigkeit der teilnehmenden Mitgliedstaaten, die es als Ausdruck der Souveränität der Mitgliedstaaten auch weiterhin zu schützen gilt. Auch eine losgelöste Bewertung des geänderten Teils des Übereinkommens, wie sie bei der partiellen Nachkonstitutionalität eines nationalen Gesetzes diskutiert wird,506 kommt hier nicht in Betracht, denn ein internationales Übereinkommen ist im Hinblick auf eine mögliche Teilbarkeit nicht mit einem nationalen Gesetz vergleichbar. Das Übereinkommen als Ganzes ist Ergebnis eines Verhandlungsprozesses, der geprägt ist von Kompromissen und Zugeständnissen an einer Stelle zugunsten wichtiger Prioritäten an anderer Stelle. Einzelne Veränderungen für sich zu betrachten, würde daher nicht mehr das Verhandlungsergebnis als solches widerspiegeln. Aus diesem Grund muss das veränderte Übereinkommen im Ganzen betrachtet werden und muss in dieser Form als bestehendes Übereinkommen im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO gelten. bb) Räumliche Änderung bestehender Übereinkommen Auch eine räumliche Änderung eines bestehenden Übereinkommens durch den Beitritt weiterer Drittstaaten führt nicht dazu, dass das betreffende Übereinkommen aus dem Schutzbereich des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO herausfällt. Die räumliche Ausdehnung des Übereinkommens führt zwar im Ergebnis zu einer weiteren Einengung des Anwendungsbereichs der Rom IIIVerordnung, die jedoch hinzunehmen ist, da das Übereinkommen auch in räumlicher Hinsicht als Ganzes anzusehen ist und auch im Hinblick auf die 506

Siehe dazu z.B. Maunz/Dürig/Maunz, GG, Art. 100 Rn. 17.

§ 4 Verhältnis zu anderen Rechtsquellen

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teilnehmenden Vertragspartner nicht teilbar ist. Diese Wertung entspricht zudem der für Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO geltenden Hypothese, wonach der Anwendungsvorrang eines Übereinkommens wieder auflebt, wenn nach der Annahme der Rom III-Verordnung ein Drittstaat einem Übereinkommen beitritt, das der Sonderregelung des Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO unterliegt. Insofern ist eine einheitliche Beurteilung des Art. 19 Rom III-Verordnung vorzunehmen, mit der Folge, dass bestehende Übereinkommen auch dann als solche zu gelten haben, wenn sie durch den Beitritt von Drittstaaten in ihrem räumlichen Geltungsbereich erweitert werden. c) Kündigung bestehender Übereinkommen Die teilnehmenden Mitgliedstaaten können ihre bestehenden Übereinkommen unabhängig von der Rom III-Verordnung nach den entsprechenden völkerrechtlichen Regeln und Vereinbarungen kündigen. Eine Pflicht zur Kündigung internationaler Übereinkommen würde dem Zweck des Art. 19 Rom IIIVO zuwiderlaufen und existiert daher nicht.507 II. Unionsrecht Im Gegensatz zu den Verordnungen Rom I508 und Rom II509 enthält die Rom III-Verordnung keine allgemeine Rang-Kollisionsnorm in Bezug auf kollisionsrechtliche Spezialregelungen in anderen Unionsrechtsakten. Mit Art. 2 Rom III-VO existiert zwar eine spezielle Vorschrift zur Regelung des Verhältnisses der Verordnung zur Brüssel IIa-Verordnung, diese betrifft jedoch nicht das Kollisionsrecht sondern das europäische Zivilverfahrensrecht. Da die Rom III-Verordnung das Scheidungskollisionsrecht auf Unionsebene erstmalig regelt, sind keine Kollisionen dahingehend ersichtlich, dass andere Unionsrechtsakte konkurrierende Regelungen des Scheidungskollisionsrechts enthalten. Vielmehr ist die Rom III-Verordnung als Baustein eines in der Entstehung begriffenen europäischen Kollisionsrechts anzusehen und fügt sich als solcher in das Regelungssystem des europäischen internationalen Zivil- und Zivilverfahrensrechts ein.510 III. Nationales Recht Die Rom III-Verordnung gilt gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten allgemein, verbindlich und unmittelbar. Als Unions507

MünchKomm/Junker, BGB, Art. 28 Rom II-VO Rn. 30; skeptisch, ob eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Kündigung bestehender Übereinkommen begründbar wäre Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 28, 29 Rom II-VO Rn. 11. 508 Dort Art. 23. 509 Dort Art. 27. 510 Vgl. auch schon oben Erstes Kapitel § 2.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

rechtsakt kommt ihr gegenüber dem nationalen Recht ein Anwendungsvorrang zu.511 Nationale Gesetze zur Umsetzung der Rom III-Verordnung sind damit nicht erforderlich, denn die Rom III-Verordnung verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die bisher bestehenden kollisionsrechtlichen Regelungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten in ihrer Anwendbarkeit.512 Raum für autonomes Kollisionsrecht verbleibt damit nur außerhalb des räumlichen, zeitlichen oder sachlichen Anwendungsbereichs der Rom III-Verordnung. Obwohl die Rom III-Verordnung daher für ihre Anwendbarkeit keines nationalen Umsetzungsgesetzes bedarf, kann jedoch eine Anpassung des autonomen Rechts der teilnehmenden Mitgliedstaaten an die durch die Rom IIIVerordnung geschaffene neue Rechtslage erforderlich werden oder angebracht sein.513 Aus deutscher Sicht ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass Art. 17 EGBGB a. F. neben dem Scheidungsstatut auch das Versorgungsausgleichsstatut enthielt, das ausdrücklich von der Rom III-Verordnung nicht mit umfasst ist, sodass auch nach Inkrafttreten der Rom III-Verordnung ein Anwendungsbereich für die Norm verbleibt.514 Dementsprechend hat der deutsche Gesetzgeber ein Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts515 erlassen. Das Gesetz sollte ursprünglich mit Geltungsbeginn der Verordnung in Kraft treten, wurde jedoch erst am 28. Januar 2013 im Bundesgesetzblatt verkündet. Durch das Gesetz wird Art. 17 EGBGB, der im autonomen deutschen Kollisionsrecht das Scheidungsstatut regelte, geändert und an die Gegebenheiten der Rom III-Verordnung angepasst. So erstreckt sich Art. 17 Abs. 1 EGBGB nunmehr lediglich noch auf die vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen, die nicht von anderen Vorschriften erfasst werden und unterstellt diese dem nach der Rom III-Verordnung auf die Ehescheidung anzuwendenden Recht.516 Die Neufassung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB soll dabei in erster Linie dem Umstand Rechnung tragen, dass Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. – anders als die Rom III-Verordnung – über seinen engen Wortlaut hinaus auch Scheidungsfolgen erfassen konnte, die weder unterhalts- noch güterrechtlich zu qualifizieren sind und auch nicht Art. 17 a EGBGB unterliegen, wie etwa die Nutzungsbefugnis an im Ausland belegenen Ehewohnungen und Haushaltsge-

511

Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 10 Rn. 32; vgl. auch Rs. 34/67, EuGHE 1968, S. 365 (373). 512 Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170. 513 Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (358); Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (11); Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258). 514 Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258). 515 BGBl. 2013 I, S. 101. 516 Kohler/Pintens, FamRZ 2013, S. 1437 (1439).

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genständen.517 Die Neuregelung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB soll vermeiden, dass diesbezüglich Regelungslücken entstehen, beabsichtigt aber keine darüber hinausgehenden Änderungen des geltenden Rechts in Bezug auf sonstige vermögensrechtliche Ansprüche zwischen den Ehegatten.518 So kann Art. 17 Abs. 1 EGBGB auch weiterhin auf Rechtsinstitute des ausländischen Rechts angewandt werden, die im deutschen Recht kein Äquivalent haben wie beispielsweise Genugtuungs-, Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche eines Ehegatten, der die Scheidung nicht verschuldet hat.519 Art. 17 Abs. 2 EGBGB, der das Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte betrifft, bleibt unverändert erhalten.520 Art. 17 Abs. 3 EGBGB regelt das Versorgungsausgleichsstatut und unterstellt den Versorgungsausgleich dem Recht, das nach der Rom III-Verordnung auf die Ehescheidung anzuwenden ist.521 Maßgeblich für den Versorgungsausgleich bleibt also, wie nach der bisherigen Rechtslage, das Scheidungsstatut. Der Versorgungsausgleich ist gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB von Amts wegen jedoch nur dann durchzuführen, wenn deutsches Recht anzuwenden ist und ihn das Recht in einem der Staaten kennt, denen die Eheleute bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören. Sind die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB nicht erfüllt, kann der Versorgungsausgleich zwar nicht von Amts wegen, jedoch auf Antrag eines Ehegatten gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB nach deutschem Recht durchgeführt werden, wenn einer der Ehegatten in der Ehezeit ein Anrecht bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat und die Durchführung des Versorgungsausgleichs insbesondere im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der gesamten Ehezeit der Billigkeit nicht widerspricht. Mangels praktischen Bedürfnisses wird in der Neufassung des Art. 17 Abs. 3 EGBGB auf eine dem bisherigen Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB entsprechende Regelung jedoch ver517

Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 10; Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258); vgl. auch oben § 2 II. 1. b) bb). 518 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 10. 519 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 10; Rauscher, FPR 2013, S. 257 (258). 520 Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 Fn. 3 bezweifelt jedoch, dass Art. 17 Abs. 2 EGBGB „unter der Flagge einer Verfahrensvorschrift“ als europarechtskonform anzusehen ist. 521 Ausführlich zum Versorgungsausgleichsstatut siehe auch Rauscher, FPR 2013, S. 257 (259).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

zichtet.522 Dies führt dazu, dass die Anwendung des deutschen Rechts nunmehr also nicht allein deshalb möglich ist, weil die „allgemeinen Wirkungen der Ehe während eines Teils der Ehezeit einem Recht unterlagen, das den Versorgungsausgleich kennt“. Neben der Änderung des Art. 17 EGBGB wird durch das Anpassungsgesetz zudem Art. 46 d EGBGB neu geschaffen, der eine Durchführungsbestimmung zur Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO enthält, die den Zeitrahmen und die Form der Rechtswahl betrifft.523 Übergangsregelungen in zeitlicher Hinsicht gibt das Anpassungsgesetz hingegen nicht vor, denn diese sind bereits – wie auch schon bei den Verordnungen Rom I und Rom II – in der Rom III-Verordnung selbst enthalten (Art. 18 Rom III-VO). Dass auf Altfälle weiterhin das nationale Kollisionsrecht anzuwenden ist, ergibt sich dabei aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, da die Rom III-Verordnung nur das Gegenstück – neues Recht für neue Fälle – regelt.

Abschnitt C: Bestimmung des anwendbaren Rechts Die Rom III-Verordnung eröffnet grundsätzlich zwei verschiedene Wege zur Bestimmung des anwendbaren Rechts. So sieht sie einerseits in Art. 5 bis Art. 7 Rom III-VO die Möglichkeit einer Rechtswahl vor und enthält andererseits in Art. 8 Rom III-VO Regelungen zur objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts. Dabei kommt bereits durch die systematische Anordnung der Normen sowie durch deren Betitelung524 der in der Verordnung angelegte Grundsatz des Vorrangs der Rechtswahl zum Ausdruck.525 Dies bedeutet, dass vorrangig zu prüfen ist, ob die Ehegatten eine Rechtswahl getroffen haben und nur hilfsweise – „mangels einer Rechtswahl“ – nach Art. 8 Rom III-VO objektiv anzuknüpfen ist.526 Beide Anknüpfungsmechanismen beruhen dabei jedoch zumindest teilweise auf gemeinsamen Kriterien und Bezugspunkten, die als allgemeine Anknüpfungsprinzipien der Rom IIIVerordnung verstanden werden können. Diese sind daher zunächst im Einzelnen zu erläutern, bevor auf die jeweils spezifischen Probleme der Rechts522

Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 11. 523 Zu Zeitrahmen und Form der Rechtswahl noch ausführlicher unten (Abschnitt C § 2 II. 2. und 4.). 524 Überschrift Art. 8 Rom III-VO: „In Ermangelung einer Rechtswahl anzuwendendes Recht“. 525 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Becker, NJW 2011, S. 1543; Basedow in LA Pintens, S. 135 (140); Helms in LA Pintens, S. 681 (694). 526 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384).

§ 1 Grundlagen

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wahl und der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts sowie weitere Einzelfragen eingegangen werden kann.

§ 1 Grundlagen § 1 Grundlagen

Als wichtigste Kriterien für die Ermittlung des anwendbaren Rechts sind der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten einerseits und die Staatsangehörigkeit der Ehegatten andererseits von grundlegender Bedeutung sowohl für die Rechtswahl als auch für die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts. Darüber hinaus wirkt sich auch das Prinzip der Sachnormverweisung, das den Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung zugrunde liegt, auf die Ermittlung des anwendbaren Rechts aus. I. Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung Gemäß Art. 11 Rom III-VO527 sind unter dem nach der Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des internationalen Privatrechts zu verstehen. Die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung sprechen damit Sachnormverweisungen auf das materielle Recht der berufenen Rechtsordnung aus,528 das heißt die Verweisung umfasst nicht auch die Kollisionsnormen der anzuwendenden Rechtsordnung, wie dies bei einer Gesamtverweisung der Fall wäre.529 Dadurch wird ein renvoi in Form einer Rück- oder Weiterverweisung durch das fremde Kollisionsrecht ausgeschlossen.530 In diesem Aspekt unterscheidet sich die Rom III-Verordnung von der früheren Regelung des Scheidungsstatuts im autonomen deutschen Kollisionsrechts531 und führt somit bereits im Hinblick auf die Art der Verweisung zu einer Neuerung gegenüber der früheren Rechtslage, denn für das Scheidungsstatut des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. galt das in Art. 4 Abs. 1 EGBGB normierte Prinzip der Gesamtverweisung, nachdem auch und vorrangig die Kollisionsnormen des 527

Entgegen der Auffassung von Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (14) kann die Verortung der Regelung in Kapitel 2 der Verordnung als durchaus sachgerecht angesehen werden, da der Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung wohl eher der Bestimmung des anwendbaren Rechts als dem Anwendungsbereich der Verordnung zuzuordnen sein dürfte. 528 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 101; Stürner, JURA 2012, S. 708 (710). 529 MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 1. 530 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 24 Rom II-VO Rn. 1; Max Planck Institut, RabelsZ 2010, S. 524 (657). 531 Zur Verbreitung und Entwicklung des renvoi in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union siehe Henrich in FS von Hoffmann, S. 159 ff.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

berufenen Rechts zu beachten und anzuwenden sind.532 Für die Rechtswahl war und ist zwar auch in Art. 4 Abs. 2 EGBGB die ausschließliche Wahl des Sachrechts normiert, jedoch war eine isolierte Rechtswahl des Scheidungsstatuts im autonomen deutschen Kollisionsrecht nicht vorgesehen.533 Andererseits stellt der Ausschluss des renvoi jedoch keine spezifische Besonderheit der Rom III-Verordnung dar, sondern findet sich auch in anderen Bereichen des europäischen Kollisionsrechts, die im Hinblick auf die innere Geschlossenheit des Normengefüges auch für die Auslegung der Rom III-Verordnung angemessen zu berücksichtigen sind. 1. Ausschluss des renvoi im europäischen Kollisionsrecht Nachdem das Prinzip der Sachnormverweisung bereits in den Verordnungen Rom I534 und Rom II535 verankert ist und sich auch in den Verordnungsvorschlägen zum internationalen Güterrecht von Ehen536 und eingetragenen Partnerschaften537 wiederfindet und zudem auch die Unterhaltsverordnung über den Verweis auf das Haager Unterhaltsprotokoll ausnahmslos Sachnormverweisungen verwendet,538 könnte man geneigt sein, den Ausschluss des renvoi als charakteristisches Merkmal des europäischen Kollisionsrechts zu bezeichnen.539 Dem steht jedoch entgegen, dass der europäische Gesetzgeber nach Inkrafttreten der Rom III-Verordnung und nach ausführlicher Diskussion540 in Art. 34 der im Juli 2012 erlassenen Erbrechtsverordnung541 die Beachtlichkeit eines renvoi für das internationale Erbrecht zumindest in eingeschränktem

532 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 44; Ganz, FuR 2011, S. 369 (371 f.). 533 Ganz, FuR 2011, S. 369 (370); MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 44. 534 Art. 20 Rom I-VO. 535 Art. 24 Rom II-VO. 536 Vorschlag vom 16.03.2011 für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM (2011) 126 endgültig, Art. 24. 537 Vorschlag vom 16.03.2011 für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich eingetragener Partnerschaften, KOM (2011) 127 endgültig, Art. 19. 538 Art. 15 EuUnthVO i.V.m. Art. 12 HUP. 539 So auch schon Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 24 Rom II-VO Rn. 2. 540 Dazu ausführlich Solomon in LA Schurig, S. 237 (239 ff.); Henrich in FS von Hoffmann, S. 159 (165). 541 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABlEU Nr. L 201 vom 27.07.2012, S. 107 ff.

§ 1 Grundlagen

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Umfang542 vorgesehen hat. Mit der Einführung der Sachnormverweisung in der Rom III-Verordnung und der vorgesehenen Parallelregelung im internationalen Ehegüterrecht entfällt jedoch einer der beiden Hauptanwendungsbereiche des renvoi, denn neben dem internationalen Erbrecht war dieser vor allem im internationalen Ehescheidungsrecht von Bedeutung.543 Da der renvoi nunmehr jedoch auch im internationalen Erbrecht nur noch eingeschränkt zu beachten ist, kann man in seinem Ausschluss zumindest einen Grundsatz erkennen, von dem punktuelle Ausnahmen in einzelnen Bereichen vorgesehen sind, sodass im Ergebnis von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Sachnormverweisung gesprochen werden kann.544 2. Die Sachnormverweisung im Rahmen der Rom III-Verordnung Der Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung durch Art. 11 Rom III-VO wirkt sich als allgemeines Prinzip der Rom III-Verordnung sowohl auf die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts als auch auf die Rechtswahl aus. a) Objektive Anknüpfung Gemäß Art. 11 Rom III-VO sind Rück- und Weiterverweisungen bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts grundsätzlich ausgeschlossen.545 Da der Wortlaut der Vorschrift nicht zwischen teilnehmenden Mitgliedstaaten und Drittstaaten unterscheidet, gilt der Ausschluss des renvoi wegen der universellen Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung sowohl bei einer Verweisung auf das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaates als auch bei Berufung einer drittstaatlichen Rechtsordnung.546 Zudem kann sich der Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung auch auf die internationalen Übereinkommen der teilnehmenden Mitgliedstaaten auswirken, die gemäß Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO Vorrang vor der Rom III-Verordnung haben. Verweisen die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung beispielsweise auf das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaates, in dem ein solches Abkommen gilt, so sieht Art. 11 Rom III-VO auch in diesem Fall eine Sachnorm-

542

Das Kollisionsrecht der berufenen Rechtsordnung ist nur zu beachten, soweit dieses zurück- oder weiterverweist auf das Recht eines Mitgliedstaates oder auf das Recht eines anderen Drittstaates, der sein eigenes Recht anwenden würde. 543 Henrich in FS von Hoffmann, S. 159 (167). 544 Vgl. auch Henrich in FS von Hoffmann, S. 159 (163, 167). 545 Vgl. MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 20 Rom I-VO Rn. 7; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 8. 546 Vgl. Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 24 Rom II-VO Rn. 3; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 7.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

verweisung auf das materielle Recht des betreffenden Mitgliedstaates und damit eine Nichtbeachtung der Kollisionsregeln des Abkommens vor.547 b) Rechtswahl Für die Rechtswahl folgt aus Art. 11 Rom III-VO, dass Rück- und Weiterverweisungen jedenfalls dann ausgeschlossen sind, wenn in einer Rechtswahlvereinbarung lediglich das anwendbare Recht als solches benannt wird.548 Das bedeutet, dass immer dann, wenn in einer Rechtswahlvereinbarung nichts Weiteres zum Ausdruck kommt, die Rechtswahl auf das materielle Sachrecht und nicht auf das Kollisionsrecht des benannten Staates Bezug nimmt, sodass auch im Zweifel von einer Sachrechtswahl auszugehen ist.549 Im Zusammenhang mit den Verordnungen Rom I und Rom II ist jedoch umstritten, ob der Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung auch dazu führt, dass die Parteien grundsätzlich nur das Sachrecht eines Staates durch Rechtswahl zur Anwendung bringen können, oder ob sie durch ausdrückliche Benennung auch das ausländische Kollisionsrecht für beachtlich erklären können.550 Aufgrund der Parallelität der Regelungen zum Ausschluss des renvoi in den Verordnungen Rom I bis Rom III wird diese Problematik nunmehr auch im Rahmen der Rom III-Verordnung relevant. Die Erwägungsgründe und die Materialien zur Rom III-Verordnung geben für die Beantwortung dieser Frage zunächst jedoch keine Hinweise, sodass insoweit in erster Linie der Wortlaut der Vorschriften sowie Sinn und Zweck der Regelung maßgebend sind.551 Der Wortlaut des Art. 11 Rom III-VO besagt, dass unter dem „nach dieser Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates“ die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des internationalen Privatrechts zu verstehen sind. Auch die englische und die französische Sprachfassung beziehen sich auf das Recht, das aufgrund der Vorschriften der Verordnung Anwendung findet.552 Da auch die Rechtswahl auf der Verordnung beruht und das durch die Rechtswahl bestimmte Recht somit ebenso wie bei der objektiven Anknüpfung „nach der Verordnung“ anzuwen-

547

Vgl. Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 24 Rom II-VO Rn. 4; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 4; Heinze in FS Kropholler, S. 105 (116). 548 Vgl. MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 20 Rom I-VO Rn. 5; Solomon in LA Schurig, S. 237 (259); MPI, RabelsZ 2010, S. 524 (661). 549 Vgl. MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 20 Rom I-VO Rn. 6; Rühl in FS Kropholler, S. 187 (195); Solomon in LA Schurig, S. 237 (259). 550 Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom I-VO Rn. 2; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 9. 551 MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 9. 552 Engl.: „Where this Regulation provides for the application of the law of a State […]”; frz.: “Lorsque le present règlement prescript l’application de la loi d’un État […]”.

§ 1 Grundlagen

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den ist,553 gilt auch für die Rechtswahl das Prinzip der Sachnormverweisung. Eine Ausnahmeregelung für die Rechtswahl dahingehend, dass auch eine Gesamtrechtswahl einschließlich des Kollisionsrechts möglich ist, sehen hingegen weder Art. 11 Rom III-VO noch die Vorschriften zur Rechtswahl in Art. 5 bis 7 Rom III-VO vor. Auch der Sinn und Zweck der Rechtswahl und der Rom III-Verordnung insgesamt sprechen dafür, die Rechtswahlmöglichkeit auf die Wahl des materiellen Rechts zu begrenzen, denn nur so kann die ausdrücklich angestrebte Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts erreicht werden.554 All diese Ziele würden hingegen konterkariert, wenn auch das Kollisionsrecht im Rahmen von Art. 5 Rom III-VO wählbar wäre.555 Hinzu kommt, dass die Wahl des materiellen Rechts genau aus diesen Gründen im Regelfall ohnehin dem Willen der Ehegatten entspricht.556 Außerdem gestattet die Rom III-Verordnung keine unbeschränkt freie Rechtswahl, sondern nur die Wahl bestimmter Rechtsordnungen, zu denen die Ehegatten eine tatsächliche Verbindung aufweisen. Es dürfte daher kaum im Sinne des Verordnungsgebers sein, die Zahl der wählbaren Rechte mittels Wahl des Kollisionsrechts eines wählbaren Rechts nach Belieben zu erweitern.557 Zudem ist, soweit möglich, ein Einklang zwischen Rechtswahl und objektiver Anknüpfung nicht nur im Sinne der Praktikabilität, sondern auch im Hinblick auf die Systematik und einheitliche Anwendung der Verordnung anzustreben,558 was durch die Beschränkung auch der Rechtswahlmöglichkeit auf das Sachrecht relativ unproblematisch erreicht werden kann. Insgesamt ist somit festzustellen, dass die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung in allen Konstellationen ausschließlich auf die materiellen Vorschriften der jeweils berufenen Rechtsordnung verweisen und nicht auch auf deren Kollisionsnormen. Auch bei der Rechtswahl können die Ehegatten nur das Sachrecht eines Staates wählen.559 Dies führt dazu, dass ein

553

Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom I-VO Rn. 2. MPI, RabelsZ 2010, S. 524 (661); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 24 II 5 (S. 175). 555 Rühl in FS Kropholler, S. 187 (196). 556 Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom I-VO Rn. 2; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 20 Rom I-VO Rn. 6; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 9; Max Planck Institut, RabelsZ 2010, S. 524 (661); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 24 II 5 (S. 175). 557 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 24 II 5 (S. 175). 558 In diesem Sinne wohl auch Solomon in LA Schurig, S. 237 (260). 559 Vgl. für die Rom I-Verordnung MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 20 Rom I-VO Rn. 5; Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 65; offen Rühl in FS Kropholler, S. 187 (196) Fn. 45; Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (50); a.A. in Bezug auf die Rom II-Verordnung Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 24 Rom II-VO Rn. 5; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 9. 554

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renvoi in Form einer Rück- oder Weiterverweisung durch fremdes Kollisionsrecht grundsätzlich nicht relevant werden kann.560 II. Gewöhnlicher Aufenthalt Dem „gewöhnlichen Aufenthalt“ der Ehegatten kommt sowohl als Bezugspunkt für die Rechtswahl nach Art. 5 Rom III-VO als auch als objektives Anknüpfungskriterium nach Art. 8 Rom III-VO eine zentrale Bedeutung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Rahmen der Rom IIIVerordnung zu.561 Insbesondere die Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip zugunsten des Aufenthaltsprinzips562 rückt den gewöhnlichen Aufenthalt auch im internationalen Familienrecht in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen und praktischen Interesses,563 da dieser nunmehr als „übergeordnetes Konzept“564 das vorrangige Anknüpfungskriterium für die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts darstellt und dabei zugleich Fragen aufwirft in Bezug auf die Begriffsbestimmung und spezielle Aufenthaltskonstellationen in mobilen und grenzüberschreitenden Lebens- und Ehegestaltungen. 1. Begriffsbestimmung Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in der nationalen und internationalen Gesetzgebung bereits seit langer Zeit verwendet und hat vor allem durch die Übereinkommen der Haager Konferenz Bedeutung erlangt und Aufnahme in das Kollisionsrecht gefunden.565 Wie auch der Ehe- und der Scheidungsbegriff, wird der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom III-Verordnung jedoch nicht definiert, obwohl er das vorrangige Anknüpfungskriterium für die Bestimmung des anwendbaren Rechts darstellt. Dies ist allerdings keine spezielle Problematik der Rom III-Verordnung, denn auch in anderen europäischen Verordnungen wird der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts als zentrales Tatbestandsmerkmal für die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht verwendet, ohne dass dort eine ausdrückliche Definition vorgegeben oder Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts einer natürlichen Person genannt werden.566 Auch die Haager Konferenz 560

Vgl. Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (716). Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545). 562 Dazu noch ausführlicher unten (§ 3). 563 Helms in LA Pintens, S. 681 (687). 564 MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 1. 565 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 1 (S. 281); Baetge in FS Kropholler, S. 77. 566 So z.B. in den Verordnungen Rom I, Rom II, Brüssel IIa, EUUnthVO, wobei Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 23 Abs. 2 Rom II-VO den gewöhnlichen Aufenthalt einer natürlichen Person, die im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handelt, als den Ort ihrer Hauptniederlassung definieren; Siehr, IPRax 2012, S. 316 (317); 561

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und das EGBGB haben von jeher auf eine Definition des Begriffs verzichtet.567 Demgegenüber haben in jüngerer Vergangenheit einige nationale Gesetzgeber den Versuch unternommen, Legaldefinitionen für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts vorzugeben,568 die jedoch nicht in jedem Fall als geglückt angesehen werden.569 Vor diesem Hintergrund kann auch im Verzicht auf eine Begriffsbestimmung in der Rom III-Verordnung eine bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers gesehen werden, die dazu führt, dass der konkrete Inhalt des Anknüpfungsmerkmals des gewöhnlichen Aufenthalts von den Gerichten durch Auslegung zu bestimmen ist.570 Zu bemerken ist jedoch auch, dass die zeitlich nach der Rom III-Verordnung erlassene Erbrechtsverordnung in den Erwägungsgründen571 erstmals auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eingeht und Lösungsvorschläge für bestimmte problematische Konstellationen unterbreitet. Als sekundäres Unionsrecht unterliegt die Rom III-Verordnung, wie auch die anderen europäischen Verordnungen, die auf den gewöhnlichen Aufenthalt Bezug nehmen, dabei grundsätzlich der Auslegung durch den EuGH, der im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV entscheidet. Jedoch muss die Verordnung in der gerichtlichen Praxis durch die Gerichte der teilnehmenden Mitgliedstaaten angewendet und umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass in erster Linie das mit der Scheidung befasste Gericht, in Deutschland also das Familiengericht, dafür zuständig ist, den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten zum Zwecke der Bestimmung des anwendbaren Rechts zu ermitteln. Dabei sind die Instanzgerichte zwar an die Rechtsprechung und die Vorgaben des EuGH gebunden, müssen anhand dieser Kriterien jedoch Einzelfallentscheidungen treffen,572 die letztendlich mit einer gewissen Unsicherheit für die Ehegatten verbunden sind. Diese Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 6; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 23 Rom II-VO Rn. 1; Weller in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0Verordnung?, S. 293 (306). 567 Baetge in FS Kropholler, S. 77; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 1 (S. 281); Pirrung, IPRax 2011, S. 50 (53); Weller in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 293 (306). 568 Belgien (Art. 4 § 2 Abs. 1 Loi du 16 juillet 2004 portant le Code de droit international privé), Bulgarien (Art. 48 VII des Gesetzbuchs über das Internationale Privatrecht), Schweiz (Art. 20 Abs. 1 lit. b) IPRG), siehe auch Baetge in FS Kropholler, S. 77 (78); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 1 (S. 281). 569 Kritisch insbesondere gegenüber der Schweizer Regelung Baetge in FS Kropholler, S. 77 (79); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 5. 570 Siehr, IPRax 2012, S. 316 (317); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 1. 571 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 23 und Nr. 24 EuErbVO. 572 Siehe auch Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 42; Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 56; Pirrung, IPRax 2011, S. 50 (53).

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Gefahr rührt daher, dass der gewöhnliche Aufenthalt schwieriger zu ermitteln ist als beispielsweise die Staatsangehörigkeit. Im Vergleich zu dieser handelt sich beim gewöhnlichen Aufenthalt nämlich um ein offeneres Kriterium, zu dessen Bestimmung verschiedene Aspekte beitragen, die im Einzelfall zu berücksichtigen und zu gewichten sind und daher nicht vollständig vorhergesehen oder im Wege einer Definition problemlos um- oder beschrieben werden können. Es kann jedoch ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dem europäischen Gesetzgeber diese Problematik bekannt war und er sich dennoch bewusst für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt entschieden und die damit verbundenen Folgen in Kauf genommen hat. Dies führt jedoch dazu, dass das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts hier nicht in allen Einzelheiten und Detailfragen dargestellt und die Problematik abschließend geklärt werden kann. Die Darstellung muss sich vielmehr darauf beschränken, Kriterien und Aspekte herauszuarbeiten, die bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zu beachten sind. Mangels Rechtsprechung zur Rom III-Verordnung muss dabei in erster Linie die bisherige Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts herangezogen werden, die im Zusammenhang mit anderen, bereits vor der Rom III-Verordnung in Kraft getretenen Regelungen ergangen ist. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Frage zu richten, ob überhaupt ein homogener Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im europäischen internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht existiert,573 das heißt ob es einheitliche Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts gibt, die für alle Verordnungen gleichermaßen gelten und somit zumindest einen gemeinsamen Kern- und Grundbegriff bilden, der sodann auch auf die Rom III-Verordnung übertragbar ist. Darüber hinaus ist zu fragen, ob und gegebenenfalls welche Aspekte, die für die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts relevant sind, im Rahmen der Rom III-Verordnung besonders zu berücksichtigen oder anders zu gewichten sind als im Zusammenhang mit anderen Verordnungen, und welchen Einfluss dies auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts hat. a) Grundsatz der autonomen Auslegung Maßgeblich für die Bestimmung des Begriffes des gewöhnlichen Aufenthalts ist zunächst der Grundsatz der autonomen Auslegung. So herrscht in Schrifttum574 und Rechtsprechung weitgehend Einigkeit darüber, dass „aus den

573

Helms in LA Pintens, S. 681 (687). MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 3, 11; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 12; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 23 Rom II-VO Rn. 7; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 10 III 2 (S. 80); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 125; Helms in LA Pintens, S. 681 574

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Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts als auch des Gleichheitssatzes [folgt], dass die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Gemeinschaft eine autonome […] Auslegung erhalten müssen“.575 Wie auch die Brüssel IIa-Verordnung,576 verweist die Rom III-Verordnung für die Ermittlung des Sinnes und der Bedeutung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts nicht ausdrücklich auf das nationale Recht der teilnehmenden Mitgliedstaaten, sodass der Begriff hier aus dem Unionsrecht selbst heraus und nicht unter Rückgriff auf das jeweilige nationale Verständnis auszulegen und zu bestimmen ist.577 b) Unionsrechtlich-einheitlicher Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts? Fraglich ist jedoch, ob der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts als ein einheitlicher Begriff des Unionsrechts zu verstehen ist, das heißt als ein Begriff, der in allen Zusammenhängen und Verordnungen, in denen er auf der Ebene des Unionsrechts verwendet wird, nach einheitlichen Kriterien zu bestimmen ist, oder ob insoweit zwischen den einzelnen Verordnungen und Kontexten eine funktionelle Differenzierung des Begriffs erforderlich ist. Der im Schrifttum im Zusammenhang mit Begriffsbestimmungen vielfach gebrauchte Ausdruck der „verordnungsautonomen“ Auslegung578 ist zwar diesbezüglich nicht gänzlich eindeutig und lässt grundsätzlich Raum für unterschiedliche Interpretationen, deutet auf den ersten Blick jedoch eher in die Richtung einer für die jeweilige Verordnung eigenständigen und spezifischen Auslegung der verwendeten Begriffe. Zudem geht auch der EuGH davon aus, dass Rechtsprechung zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, die zu bestimmten Rechtsquellen ergangen ist, nicht unmittelbar und zwangsläufig auf alle anderen Bereiche des Unionsrechts übertragen werden kann, sondern insofern der Kontext der Vorschrift und die mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele zu berücksichtigen sind.579 Daraus zu schließen, dass der besondere international-privatrechtliche Zweck einer Verordnung sodann auch die Auslegung des Begriffes des ge(687); Bariatti, Cases and Materials on EU Private International Law, S. 241; MörsdorfSchulte, RabelsZ 2013, S. 786 (807). 575 Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 34; Rs. C497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 45. 576 Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 35. 577 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (103); MörsdorfSchulte, RabelsZ 2013, S. 786 (807). 578 Siehe z.B. MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 3, 11; Rauscher/ Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 12; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 23 Rom II-VO Rn. 7. 579 Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 34, 36.

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wöhnlichen Aufenthalts beherrschen müsse und für diese nicht ohne Weiteres auf die Bedeutung zurückgegriffen werden könne, die ihm in anderen Zusammenhängen zukommt,580 erscheint indes als eine zu weitreichende Folgerung aus dem Gebot der funktionalen Begriffsdifferenzierung, wie es vom EuGH vorgegeben wird. Zu beachten ist dabei nämlich, dass die Entscheidung, in deren Rahmen der EuGH diese Feststellung getroffen hat, im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO ergangen ist und in erster Linie spezifische Aussagen zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes enthält. Insoweit stellt der EuGH in seinem Urteil klar, dass „die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in anderen Bereichen des Rechts der Europäischen Union […] nicht unmittelbar auf die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern im Sinne von Art. 8 Abs. 1 [Brüssel IIa-VO] übertragen werden“581 kann. Dabei verweist das Urteil durch Zitierung auf Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der sogenannten „Wanderarbeitnehmer-VO“,582 mit der Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls583 und mit dem Beamtenrecht584 zum gewöhnlichen Aufenthalt von Erwachsenen ergangen sind.585 Somit kann dem Urteil letztendlich lediglich entnommen werden, dass bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern bestehen können, die unter anderem darin begründet liegen, dass Minderjährige eine besondere Schutzbedürftigkeit aufweisen, die bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts angemessen zu berücksichtigen ist. Anders als Minderjährige sind Erwachsene zudem nicht ausschließlich von den sie unmittelbar umgebenden Bezugspersonen abhängig, sondern können ihre sozialen Verbindungen aufgrund besserer Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten auch längerfristig über größere Entfernungen hinweg erhalten.586 Aus diesem Grund kann eine unterschiedliche Bewertung der Lebensumstände und maßgeblichen Aspekte zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern im Vergleich zu Erwachsenen erforderlich werden, sodass ein homogener Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, der für Kinder und Er-

580

MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 721. Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 36; Hervorhebung durch Verf. 582 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABlEG Nr. L 149 vom 05.07.1971, S. 2 ff.; Rs. C-372/02, Urteil vom 11.11.2004, EuGHE 2004, S. I-10761. 583 Rs. C-66/08, Urteil vom 17.07.2008, EuGHE 2008, S. I-06041. 584 Rs. C-452/93, Urteil vom 15.09.1994, EuGHE 1994, S. I-04295. 585 Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 36. 586 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); Hilbig-Lugani, GPR 2014, S. 8 (11). 581

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wachsene gleichermaßen gilt, nicht existiert, sondern insofern eine Differenzierung bei der Begriffsbestimmung notwendig ist.587 Dies bedeutet auch, dass die Präjudizien, die in Kindschaftssachen ergangenen sind, nicht ohne Weiteres auf die Rom III-Verordnung übertragen werden können, da die Zielsetzung von Regelungen, die Kindschaftssachen betreffen, regelmäßig eine andere ist als die von Regelungen im Eherecht.588 So sind Entscheidungen im Bereich des Kindschaftsrechts maßgeblich am Wohl des Kindes auszurichten, das es gebieten kann, einen Gerichtsstand zu eröffnen, der dem Lebensumfeld des Kindes räumlich nahe steht, um eine schnelle und am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu ermöglichen.589 Die Zielsetzung der Rom III-Verordnung besteht, wie grundsätzlich bei jeder kollisionsrechtlichen Regelung hingegen darin, eine Rechtsordnung, hier für die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, zur Anwendung zu berufen, zu der der zu beurteilende Sachverhalt einen engen Bezug aufweist,590 auch wenn dies die Anwendung fremden Rechts bedeutet und ein kompliziertes Verfahren nach sich zieht. Auch sind in Ehesachen die Interessen beider Ehegatten zu berücksichtigen und in Ausgleich zu bringen,591 während in Kindschaftssachen das Wohl des Kindes stets Vorrang vor den Interessen anderer Beteiligter hat. Dass die Zielsetzung bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern eine andere ist als bei Erwachsenen, kommt unter anderem auch dadurch zum Ausdruck, dass die Brüssel IIaVerordnung mit Art. 13 Brüssel IIa-VO eine Regelung für den Fall vorsieht, dass es unmöglich ist, den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zu ermitteln und in diesem Fall an den schlichten Aufenthalt des Kindes anknüpft. Eine entsprechende Regelung existiert in der Rom III-Verordnung hingegen nicht, was insoweit folgerichtig ist, als die Rom III-Verordnung gerade nicht den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern betrifft. Für Erwachsene sieht wiederum auch die Brüssel IIa-Verordnung eine solche Auffangregelung nicht vor, was die unterschiedliche Behandlung von Kindern und Erwachsenen im Hinblick auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zusätzlich verdeutlicht und rechtfertigt. 587

Zu den Besonderheiten und Unterschieden in der Begriffsbestimmung im Hinblick auf Kinder siehe auch MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 723; Baetge in FS Kropholler, S. 77 (81); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770). 588 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (103); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (808); Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 116. 589 Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 35; Rs. C497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 46; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Pirrung, IPRax 2011, S. 50 (53); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 173. 590 Erwägungsgrund Nr. 21 Rom III-VO; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); vgl. auch MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 11. 591 Gleiches gilt auch für Vertragspartner oder Unterhaltsberechtigte und -verpflichtete.

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Die Ausprägung und Konkretisierung, die der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Hinblick auf Kinder erfährt, ist für die Zwecke der Rom IIIVerordnung jedoch nachrangig, da für die Bestimmung des auf die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbaren Rechts der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten, also Erwachsener, maßgeblich ist. Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts von Erwachsenen enthalten die oben zitierten Urteile jedoch keine weiterführenden Aussagen, und die dort vorgenommene Differenzierung ist nicht ohne Weiteres dahingehend verallgemeinerungsfähig, dass sie auch eine differenzierte Betrachtung im Hinblick auf eng verbundene Rechtsgebiete erforderlich macht.592 Es ist somit weiterhin denkbar, dass trotz der notwendigen inhaltlichen Differenzierung im Hinblick auf bestimmte Personengruppen eine einheitliche Begriffsbestimmung im Hinblick auf verschiedene Rechtsgebiete möglich bleibt, ohne das Gebot der funktionalen Differenzierung zu unterlaufen. So kann zumindest für den gewöhnlichen Aufenthalt von Erwachsenen, die nicht in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handeln, ein verordnungsübergreifendes Begriffsverständnis existieren, das durch einheitliche Kriterien zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts und deren Bewertung im Einzelfall herausgebildet wird, ebenso wie für den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern ein einheitliches, rechtsquellenübergreifendes Begriffsverständnis entwickelt werden kann.593 Dafür spricht auch, dass der europäische Gesetzgeber häufig bereits in den Erwägungsgründen zum Ausdruck bringt, dass den Bestimmungen verschiedener Verordnungen ein übereinstimmendes Begriffsverständnis zugrunde liegen soll. So sollen beispielsweise gemäß Erwägungsgrund Nr. 10 Rom III-VO die Bestimmungen der Rom III-Verordnung mit der Brüssel IIaVerordnung im Einklang stehen. Gleiches gilt auch für die Bestimmungen der Rom I-Verordnung, die gemäß Erwägungsgrund Nr. 7 Rom I-VO mit den Verordnungen Rom II und Brüssel I in Einklang stehen sollen.594 Daraus kann geschlossen werden, dass der Unionsgesetzgeber die Herausbildung möglichst einheitlicher europäischer Begriffe erreichen wollte, als und soweit er die einzelnen Verordnungen sprachlich aufeinander abgestimmt hat.595 Dass der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne der Brüssel IIa-Verordnung wenig gemein haben soll mit dem gleichnamigen kollisionsrechtlichen Begriff,596 ist vor dem Hintergrund dieser offen zum Ausdruck gebrachten Zielsetzung 592

A.A. Helms in LA Pintens, S. 681 (688). Siehe auch Rs. C-523/07, Schlussanträge der Generalanwältin vom 29.01.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 23; Pirrung, IPRax 2011, S. 50 (53); vgl. auch Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (373). 594 Zum Auslegungszusammenhang zwischen der Brüssel I-Verordnung und der Rom IVerordnung siehe Bitter, IPRax 2008, S. 96 ff. 595 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 13; Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (49); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (808); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (316). 596 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 721 mit Fn. 2169. 593

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hingegen nur schwer nachvollziehbar. Auch in sogenannten „Grenzfällen“ sollte eine Begriffsdifferenzierung nach Rechtsgebieten im Hinblick auf den erstrebten Einklang der Bestimmungen und im Sinne der Rechtssicherheit möglichst vermieden werden.597 Diese einheitliche Behandlung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts widerspricht auch nicht dem Gebot der funktionalen Begriffsdifferenzierung, denn die Verordnungen zum internationalen Privat- und Verfahrensrecht, die den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts verwenden, unterscheiden sich in ihren Funktionen und Zusammenhängen nicht derart stark voneinander, dass sie eine unterschiedliche Bewertung der Kriterien zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts und insbesondere unterschiedliche Ergebnisse rechtfertigen, geschweige denn erforderlich machen würden. So ist beispielsweise nicht ersichtlich, warum ein Ehepaar für die Begründung einer internationalen Zuständigkeit im Rahmen der Brüssel IIa-Verordnung einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat haben soll und zum Zwecke der Bestimmung des anwendbaren Rechts im Rahmen der Rom III-Verordnung dieser verneint würde.598 Schließlich handelt es sich doch in beiden Zusammenhängen um dieselben tatsächlichen Umstände, die für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zu bewerten sind und entweder nach Maßgabe der entsprechenden Kriterien einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen oder dafür nicht genügen. Eine differenzierte Betrachtung und Bewertung dieser Umstände würde zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, die weder dem Interesse des europäischen Gesetzgebers, der eine einheitliche Systematik des europäischen internationalen Privat- und Verfahrensrechts anstrebt, noch den Bedürfnissen der betroffenen Ehepaare und ihrem Interesse an Rechtssicherheit entsprechen dürften.599 Mit seinen Urteilen zum gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes gemäß Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO macht der EuGH jedoch deutlich, dass die grundsätzlich angestrebte und wünschenswerte Einheitlichkeit der Begriffsbestimmung dort ihre Grenzen findet, wo eine funktionale Begriffsdifferenzierung in Form einer unterschiedliche Bewertung der Umstände geboten ist, weil unterschiedliche Zielsetzungen einer einheitlichen Begriffsbestimmung objektiv entgegenstehen.600 Aus diesen Erwägungen und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH folgt für den Begriff des gewöhnlichen 597 A.A. wohl Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769 f.); Helms in LA Pintens, S. 681 (684); Baetge in FS Kropholler, S. 77 (82); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 5 (S. 285 f.). 598 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385) Fn. 57; Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 55, § 4 Rn. 28; a.A. Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); Fallon, RTDF 2012, S. 291 (312). 599 Vgl. auch Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (48). 600 Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 34; Rs. C497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 45; Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (39).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Aufenthalts, dass dieser zwar für Kinder und Erwachsene nicht deckungsgleich sein muss und insoweit kein „schematisch anwendbarer Einheitsbegriff“ des gewöhnlichen Aufenthalts existiert.601 Davon abgesehen ist aber grundsätzlich von einem rechtsgebietsübergreifenden europarechtlicheinheitlichen Begriffsverständnis auszugehen.602 c) Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts Als übergreifender, gemeinsamer Begriffskern kann unter dem gewöhnlichen Aufenthalt nach allgemeiner Auffassung der tatsächliche Lebensmittelpunkt einer Person im maßgeblichen Zeitpunkt verstanden werden.603 Dieses Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts geht zurück auf die Haager Konferenz und scheint sich in Europa weitgehend durchgesetzt zu haben.604 So sieht beispielsweise der BGH den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person an dem Ort, an dem der „Schwerpunkt ihrer Bindungen, ihr Daseinsmittelpunkt“605 liegt; auch die Begriffsbestimmungen durch den belgischen und den bulgarischen IPR-Gesetzgeber weisen in diese Richtung.606 Der EuGH versteht unter dem gewöhnlichen Aufenthalt einer Person den Ort, an dem der Betreffende den „ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen“ hat607 und überträgt damit die Definitionen, die er auch bereits im Zusammenhang mit den Bezeichnungen „Wohnort“,608 „ständiger Wohnsitz“,609 „Wohnmitglied601

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 54. 602 Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (49); Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 54; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385); Martiny, IPRax 2011, S. 437 (450); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 275; Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 3; Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (316); Kemper, FamRBint 2012, S. 63 (65) Fn. 13; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (807); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 28; für ein einheitliches Begriffsverständnis, jedoch noch im Hinblick auf das autonome deutsche Recht auch Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (186); vgl. auch Pirrung, IPRax 2011, S. 50 (53); a.A. Fiorini, IJLPF 2008, S. 178 (197). 603 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 15; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 23 Rom II-VO Rn. 7; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 11; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 23 Rom II-VO Rn. 16; vgl. auch Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 13; Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 23; Helms in LA Pintens, S. 681 (687); Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 56; Hilbig-Lugani, GPR 2014, S. 8 (9). 604 Baetge in FS Kropholler, S. 77 (79). 605 BGH NJW 1975, S. 1068, seitdem ständige Rechtsprechung. Siehe auch Baetge in FS Kropholler, S. 77 (78). 606 Weiterführende Nachweise bei Baetge in FS Kropholler, S. 77 (78) Fn. 8, 15. 607 Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 51. 608 Rs. C-372/02, Urteil vom 11.11.2004, EuGHE 2004, S. I-10761 Rn. 37. 609 Rs. C-452/93, Urteil vom 15.09.1994, EuGHE 1994, S. I-04295 Rn. 22.

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staat“610 oder „gewöhnlicher Wohnsitz“611 verwendet hat, auch auf den gewöhnlichen Aufenthalt. Entscheidend für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist also die Frage, wo die Lebensführung einer Person hauptsächlich stattfindet.612 Davon ausgehend sind zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person, die stets eine Gesamtbetrachtung des konkreten Einzelfalls erfordert, verschiedene Kriterien heranzuziehen und im Hinblick auf die tatsächliche Lebenssituation der Ehegatten zu bewerten.613 Ausgehend vom Wortsinn der Bezeichnung „gewöhnlicher Aufenthalt“ zählen zu diesen Kriterien zunächst die Anwesenheit der Person im Aufenthaltsstaat und die Regelmäßigkeit sowie Dauer ihres Aufenthalts,614 wobei letztere nur einen ersten Anhaltspunkt bieten kann, denn maßgeblich bestimmt wird der gewöhnliche Aufenthalt einer Person durch ihre soziale Integration in den Aufenthaltsstaat. Ausschlaggebend für die Integration sind dabei die tatsächlichen Beziehungen, die eine Person im potentiellen Aufenthaltsstaat unterhält.615 Im Ergebnis bestimmen damit objektive Kriterien den gewöhnlichen Aufenthaltsort einer Person.616 aa) Anwesenheit Ein gewöhnlicher Aufenthalt setzt stets eine physische Präsenz im Aufenthaltsstaat voraus.617 Dies folgt bereits aus der Verwendung des Begriffs „Aufenthalt“, der ohne tatsächliche körperliche Anwesenheit nicht denkbar ist.618 Die Anwesenheit einer Person ist somit notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung eines gewöhnlichen Aufenthalts, denn nicht jede vorübergehende Abwesenheit führt zum Verlust oder jede gelegentliche Anwesenheit zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts.619 Dies zeigt sich auch in der Regelung des Art. 13 Brüssel IIa-VO, die die bloße körperliche Anwe610

Rs. C-90/97, Urteil vom 25.02.1999, EuGHE 1999, S. I-01075 Rn. 29. Rs. C-262/99, Urteil vom 12.07.2001, EuGHE 2001, S. I-05547 Rn. 51. 612 Baetge in FS Kropholler, S. 77 (78). 613 Vgl. Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 47, 56; Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 37, 42; so auch Erwägungsgrund Nr. 23 EuErbVO. 614 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 EuErbVO. 615 Baetge in FS Kropholler, S. 77 (80). 616 Baetge in FS Kropholler, S. 77 (81). 617 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); vgl. auch Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 14; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 3 (S. 283); HilbigLugani, GPR 2014, S. 8 (9). 618 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 3 (S. 283). 619 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); vgl. auch MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 722; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (188); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 3 (S. 284). 611

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senheit in einem Staat als gegenüber dem Tatbestand des Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO, der auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellt, eigenständigen und subsidiären Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit festlegt.620 bb) Dauer Damit es sich also um einen gewöhnlichen und nicht bloß vorübergehenden oder gelegentlichen Aufenthalt handelt, muss die Anwesenheit eine gewisse Beständigkeit oder Regelmäßigkeit aufweisen.621 Diese kann darin bestehen, dass der Aufenthalt entweder objektiv dauerhaft ausgestaltet ist oder subjektiv auf eine längerfristige Anwesenheit angelegt ist, die darauf abzielt, am Ort der Anwesenheit den Daseinsmittelpunkt zu errichten.622 Dies bedeutet sodann auch, dass eine objektive Mindestdauer des Aufenthalts im maßgeblichen Zeitpunkt nicht erforderlich ist, um einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen.623 Auch wenn sich eine Person erst seit kurzer Zeit in einem Staat aufhält, kann sie dort bereits ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet haben, wenn der Aufenthalt nach dem Willen der Person dauerhaft sein soll und entsprechende objektive Umstände wie Umzug oder Arbeitsaufnahme diesen Willen nach außen manifestieren.624 Umgekehrt ist der Wille zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ebenfalls keine zwingende Voraussetzung,625 auch ein unfreiwilliger Aufenthalt kann einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wenn er von gewisser Dauer und nicht nur vorübergehend ist.626 Die 620

Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 33. Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 44, 51; vgl. auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 3 (S. 284). 622 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 15; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 11; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 51; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 23 Rom II-VO Rn. 17; vgl. auch Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 14; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 23. 623 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 51; Siehr, IPRax 2012, S. 316 (317); Fallon, RTDF 2012, S. 291 (312); vgl. auch MünchKomm/ Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 722. 624 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 15; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 11; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 23 Rom II-VO Rn. 17; Siehr, IPRax 2012, S. 316 (317); vgl. auch Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 14. 625 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); vgl. auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 13; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 725. 626 Umstritten; für einen gewöhnlichen Aufenthalt auch im Falle von erzwungenem Aufenthalt z.B. bei Strafhaft Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); differenzierend Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 6 (S. 288 f.); dagegen Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 14; 621

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Dauer eines Aufenthalts ist daher letztendlich nur ein Indiz im Rahmen der Beurteilung seiner Beständigkeit, die unter Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls vorzunehmen ist.627 In Zweifelsfällen ist dabei vor allem entscheidend, ob der Aufenthalt Ausdruck einer gewissen sozialen Integration ist.628 cc) Soziale Integration Aus dem Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts als Daseinsmittelpunkt einer Person folgt zugleich, dass die Person im Aufenthaltsstaat in einem gewissen Umfang sozial integriert sein muss.629 Als maßgebliche Kriterien für eine Integration im Aufenthaltsstaat sind dabei die familiären und sozialen Beziehungen einer Person, ihre Berufstätigkeit, ihre Eingebundenheit in lokale Netzwerke und Institutionen sowie allgemein ihr Freizeitverhalten, aber auch ihre Sprachkenntnisse und gegebenenfalls ihre Staatsangehörigkeit630 zu berücksichtigen und entsprechend zu bewerten.631 Die Beurteilung der sozialen Integration erfordert also stets eine Bewertung im Einzelfall, die auf einer Gesamtschau der Lebensumstände der Betroffenen beruht. In der Mehrzahl der zu beurteilenden Fälle wird das angerufene Gericht unter Zugrundelegung dieser Kriterien zu klaren Ergebnissen gelangen und somit in die Lage versetzt, den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten eindeutig bestimmen zu können. 2. Doppelter gewöhnlicher Aufenthalt Es können jedoch auch Konstellationen auftreten, in denen die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten problematisch ist. Zu denken ist hier beispielsweise an Fälle, in denen Ehegatten aus beruflichen Gründen für einen längeren Zeitraum oder auf ungewisse Zeit in einen anderen Staat umMünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 725 und wohl auch Weller in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 293 (323). 627 Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 51; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); vgl. auch MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 722; Baetge in FS Kropholler, S. 77 (81); Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 56; Weller in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 293 (320). 628 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); vgl. Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 14; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 5 (S. 286). 629 Baetge in FS Kropholler, S. 77 (80); Hilbig-Lugani, GPR 2014, S. 8 (9). 630 Zum Einfluss der Staatsangehörigkeit auf den gewöhnlichen Aufenthalt Schulze, IPRax 2012, S. 526 (527 f.); vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 24 EuErbVO. 631 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); Schulze, IPRax 2012, S. 526 (527); Siehr, IPRax 2012, S. 316 (317); vgl. auch den Kriterienkatalog bei Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR, Rn. 108 ff.

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ziehen, aber zu ihrem bisherigen Wohnsitzstaat intensive Bindungen aufrechterhalten.632 Auch die Lebenssituation von Grenzpendlern, Wochenendheimfahrern oder Saisonarbeitern kann zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung des (einen) gewöhnlichen Aufenthalts führen.633 Problematisch wird die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts grundsätzlich also immer dann, wenn die einzelnen Aspekte der sozialen Integration jeweils zugunsten verschiedener Staaten sprechen und sich dabei derart die Waage halten, dass es unmöglich wird, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse sicher zugunsten eines Staates zu bestimmen.634 So kann zum Beispiel bei Personen, die ihre Berufstätigkeit getrennt vom Wohnort ihrer Familie in einem anderen Staat ausüben, die Bestimmung der Lebensbereiche nach beruflicher Betätigung auf der einen Seite und Familienleben auf der anderen Seite zu einer gleichen Gewichtung führen, insbesondere wenn sowohl am Arbeits- als auch am Familienwohnort weitergehende soziale Kontakte bestehen und beide Aufenthalte durch Dauer oder Regelmäßigkeit die notwendige Beständigkeit aufweisen. Solche Konstellationen werfen sodann die Frage auf, ob eine Person mehrere gewöhnliche Aufenthalte zur gleichen Zeit haben kann, ob es also einen sogenannten „doppelten gewöhnlichen Aufenthalt“635 geben kann. a) Möglichkeit eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts Die Problematik des doppelten gewöhnlichen Aufenthalts ist ungeklärt und im Schrifttum umstritten.636 Die wohl überwiegende Meinung geht davon aus, dass ein doppelter gewöhnlicher Aufenthalt wegen der Maßgeblichkeit des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse nicht denkbar sei, da der Daseinsmittelpunkt auf einen einzigen Ort verweise.637 Auch wenn sich eine Person an mehreren Orten abwechselnd aufhalte, sei einer der beiden Orte im Regelfall im Hinblick auf die sozialen Bindungen hervorgehoben, sodass ein absolutes Patt nicht oder kaum bestehen könne.638 Ein solches könne sich vielmehr gerade wegen des notwendigen Schwerpunkts der Beziehungen von vornhe632

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770); vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 24 EuErbVO. Vgl. Schulze, IPRax 2012, S. 526 (527). 634 Vgl. auch Schulze, IPRax 2012, S. 526 (527). 635 Vgl. z.B. MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 11; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 15. 636 MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 11; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 15; Baetge in FS Kropholler, S. 77 (87); Pirrung, IPRax 2011, S. 50 (54). 637 Siehe z.B. Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 13; Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 724; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 24; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 317. 638 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 724; Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 13. 633

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rein nur einstellen, wenn nirgends derartige Bindungen bestünden, was wiederum bedeuten würde, dass es allenfalls mehrfache einfache Aufenthalte geben könne.639 Zudem würde die Annahme eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts auch hinsichtlich der damit einhergehenden Folgen nicht überzeugen, da sie eine Eliminierung eines der Orte des gewöhnlichen Aufenthalts erforderlich machen würde, um ein eindeutiges Anknüpfungsergebnis zu erzielen; dies sei jedoch nur durch eine systematisch-schematische Bevorzugung eines Aufenthaltsortes möglich und mit der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung daher nicht vereinbar.640 Ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt sei deshalb im Interesse eindeutiger und berechenbarer Anknüpfungsergebnisse abzulehnen.641 Faktisch lassen sich jedoch Beispiele bilden,642 die vor Augen führen, dass es bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes durchaus zu Pattsituation kommen kann, die der Gesetzgeber nicht vorhergesehen hat.643 Diese können auch nicht dadurch wegdiskutiert werden, dass man auf die vermeintliche begriffliche Beschränkung der Formel des Daseinsmittelpunktes verweist, die dazu führe, dass dieser nur einmal existieren könne.644 Ein solcher Daseinsmittelpunkt ist in Pattsituation nämlich gerade nicht zu ermitteln; vielmehr halten sich in diesen Fällen die verschiedenen maßgeblichen Aspekte zur Bestimmung der sozialen Integration die Waage, sodass eben gerade kein einziger Schwerpunkt, sondern zwei gleichstark ausgeprägte Lebensräume existieren, die sich ergänzende Teilbereiche des Lebens einer Person darstellen und die im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesamtsituation gleich zu gewichten sind.645 In einer solchen Lage sind grundsätzlich zwei Lösungsansätze denkbar: Es kann entweder ein doppelter gewöhnlicher Aufenthalt angenommen oder von einem überhaupt fehlenden gewöhnlichen Aufenthalt ausgegangen werden.646 Dass es Konstellationen geben kann, in denen ein gewöhnlicher Aufenthalt fehlt, ist weitestgehend anerkannt.647 In diesen Fällen kommt sodann die von der Kollisionsnorm ausdrücklich vorgesehene Ersatzanknüpfung zum Tragen.648 Wenn eine solche fehlt und einsei639

MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 724. MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 724. 641 Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10. 642 Für ausführlichere Darstellungen möglicher Pattkonstellationen siehe z.B. Schulze, IPRax 2012, S. 526 ff.; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (187 f.); Baetge in FS Kropholler, S. 77 (86). 643 Vgl. Schulze, IPRax 2012, S. 526 (528); Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (188). 644 Schulze, IPRax 2012, S. 526 (528). 645 Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (188). 646 Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (188). 647 Siehe nur Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 6 (S. 288); Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (188); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 317. 648 Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (188). 640

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tig an den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person angeknüpft wird, kommt der schlichte Aufenthalt einer Person als Ersatzanknüpfung in Betracht.649 Wenn jedoch die soziale Integration, die maßgeblich für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist, an zwei Aufenthaltsorten gleichermaßen gegeben ist, erscheint es nicht nachvollziehbar, warum diese Situation so behandelt werden sollte, als würde eine soziale Integration überhaupt nicht bestehen, indem man beide Aufenthalte nicht als gewöhnliche, sondern lediglich als schlichte Aufenthalte betrachtet.650 Eine solche Bewertung führt an der Lebenswirklichkeit vorbei und missachtet die Integrationsleistung der Betroffenen, indem sie dazu führt, dass die Betroffenen im Zweifel keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der maßgeblichen Regelung haben und ihnen somit ein wichtiges Anknüpfungsmerkmal von vornherein vorenthalten wird.651 Zudem sollte berücksichtigt werden, dass die Formel vom Daseinsmittelpunkt nicht auf einer Legaldefinition beruht und ihrer genauen begrifflichen Bedeutung und möglichen Beschränkung daher im Zweifel gegenüber der Würdigung der Kriterien der sozialen Integration kein übermäßiges Gewicht zukommen sollte. Geht man hingegen vom Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts selbst aus, ist nicht ersichtlich, warum ein doppelter gewöhnlicher Aufenthalt schon begrifflich ausscheiden sollte,652 da der Aufenthalt in seiner Qualität zwar gewöhnlich, nicht aber überwiegend oder ausschließlich sein soll. Aus diesen Erwägungen ergibt sich folglich, dass eine Person zugleich mehrere gewöhnliche Aufenthalte in verschiedenen Staaten haben kann.653 b) Auswirkungen eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts Die Anerkennung eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts führt sodann zu der Frage, wie ein solcher im Hinblick auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts zu behandeln ist, wobei aufgrund der unterschiedlichen Regelungsfunktionen der beiden Anknüpfungswege zunächst zwischen Rechtswahl und objektiver Anknüpfung differenziert werden sollte. Für die Rechtswahl ist ein doppelter gewöhnlicher Aufenthalt weitestgehend unproblematisch, denn es kann grundsätzlich das Recht jedes Staates gewählt werden, in dem die Ehe649

Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (188); vgl. beispielsweise Art. 13 Abs. 1 Brüssel IIa-

VO.

650

Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (189). Ähnlich Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (189). 652 Ähnlich Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (189). 653 Staudinger/Blumenwitz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 48 m.w.N.; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (189); Schulze, IPRax 2012, S. 526 (528); Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 61; grundsätzlich zustimmend, wenn auch differenzierend nach dem Zweck der Anknüpfung Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 II 6 (S. 287); Baetge in FS Kropholler, S. 77 (87); offen gelassen durch OLG Oldenburg FamRZ 2010, S. 1565 (1566); ablehnend Pirrung, IPRax 2011, S. 50 (54). 651

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gatten zum maßgeblichen Zeitpunkt einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ob zur gleichen Zeit noch ein weiterer gewöhnlicher Aufenthalt einer oder beider Ehegatten in einem anderen Staat besteht, ist für die Rechtswahl unerheblich. So eröffnet ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt den Ehegatten gegebenenfalls erweiterte Wahlmöglichkeiten, was jedoch im Einklang mit dem von der Verordnung verfolgten Ziel der Stärkung der Parteiautonomie654 steht und deshalb keine Wertungswidersprüche hervorruft. Komplexer stellt sich die Situation hingegen in Bezug auf die objektive Anknüpfung dar. Insoweit ist zunächst zu prüfen, ob das Vorliegen eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts bei einem oder beiden Ehegatten dazu führt, dass die gewöhnlichen Aufenthalte sich nur im Hinblick auf einen der Aufenthaltsstaate überschneiden und somit nur ein einziger gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt besteht. Ist dies der Fall wird dieser gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt für die objektive Anknüpfung gemäß Art. 8 Rom IIIVO relevant,655 sodass sich auch hier aus der Annahme eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts keine weiterführenden Probleme ergeben. Problematisch wird die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt jedoch dann, wenn die Ehegatten zwei gemeinsame gewöhnliche Aufenthalte aufweisen, wenn etwa beide Ehegatten zusammen zwischen denselben Aufenthaltsstaaten pendeln und sich ein Schwerpunkt der Lebensführung zugunsten eines Staates für keinen der Ehegatten ermitteln lässt. In einer solchen Konstellation stellt sich die Frage, ob einem der gewöhnlichen Aufenthalte der Vorrang zu gewähren ist, um die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zu ermöglichen, oder ob die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt mangels Eindeutigkeit des Ergebnisses ausgeschlossen ist und aus diesem Grund die nächste Anknüpfungsstufe zum Tragen kommt. Hierin weist die Problematik des mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalts sodann durchaus Parallelen auf zur Konstellation der mehrfachen Staatsangehörigkeit, die für die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Rahmen der Rom III-Verordnung ebenfalls von Bedeutung ist, da es auch für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im Rahmen von Art. 8 Rom III-VO auf eine gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten ankommt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt besteht jedoch darin, dass anders als bei der Staatsangehörigkeit, ein Verweis auf das Kriterium der Effektivität beim gewöhnlichen Aufenthalt bereits grundsätzlich ausscheidet. Der gewöhnliche Aufenthalt erfordert aufgrund der Kriterien zu seiner Bestimmung stets und zwangsläufig eine aktive, das heißt aktuell gelebte soziale Integration, da andernfalls der gewöhnliche Aufenthalt schon gar nicht bestehen und sich die Problematik des doppelten Aufenthaltes 654 655

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 Rom III-VO. So auch Andrae, Internationales Familienrecht, § 2 Rn. 61.

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somit von vornherein nicht stellen würde.656 Eine Staatsangehörigkeit besteht hingegen dennoch weiter, auch wenn sie im Hintergrund „ruht“ und nicht aktiv und bewusst „gelebt“ wird, was beim gewöhnlichen Aufenthalt jedoch nicht möglich ist. Somit scheidet ein Rückgriff auf das Konzept der effektiven Staatsangehörigkeit, wie es beispielsweise in Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB vorgesehen ist, für die Lösung der Problematik des doppelten gewöhnlichen Aufenthalt von vornherein aus, sodass die Annahme eines „effektiven“657 oder auch „engeren“658 gewöhnlichen Aufenthalts hier abzulehnen ist. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls nicht zu vertreten ist – jedenfalls bei zwei gewöhnlichen Aufenthalten innerhalb der Europäischen Union – die pauschale Bevorzugung eines inländischen gewöhnlichen Aufenthalts wie sie beispielsweise Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB für Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit vorgibt.659 Ein solches Heimwärtsstreben unter Privilegierung einer Rechtsordnung gegenüber einer anderen ohne sachlichen Grund ist mit den europäischen Prinzipien nicht vereinbar und muss daher unterbleiben.660 Da die Regelung der objektiven Anknüpfung in der Rom III-Verordnung im Sinne der Billigkeit und Rechtssicherheit zudem nicht als Alternativanknüpfung sondern als Anknüpfungsleiter ausgestaltet ist und die Verordnung ausweislich ihrer Erwägungsgründe Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts schaffen und stärken will, sollte in den oben beschriebenen Konstellationen darauf verzichtet werden, einem der beiden gewöhnlichen Aufenthalte gegenüber dem anderen den Vorrang zu gewähren. Stattdessen ist auf die nächste Stufe der Anknüpfungsleiter abzustellen, wenn ein einziger gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten nicht zu ermitteln ist. Diese Lösung wahrt die Interessen beider Ehegatten gleichermaßen und stellt keine unbillige Bevorzugung einer der beiden Aufenthaltsstaaten dar. Darüber hinaus steht es den Ehegatten frei, die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt dadurch zu erreichen, dass sie selbst im Wege der Rechtswahl zugunsten eines gewöhnlichen Aufenthaltes entscheiden. Das Gericht kann und sollte diese Entscheidung jedoch nicht im Rahmen der objektiven Anknüpfung treffen,661 da ihm hierfür keinerlei sachliche Kriterien zur Verfügung stünden, sodass willkürliche Ergebnisse zu befürchten 656

In diesem Sinne wohl auch Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (189). Staudinger/Blumenwitz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 48; insoweit offen OLG Oldenburg FamRZ 2010, S. 1565 (1566). 658 So Schulze, IPRax 2012, S. 526 (528). 659 So im Ergebnis auch Staudinger/Blumenwitz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 48; Schulze, IPRax 2012, S. 526 (528); a.A. Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (189), aber aus heutiger Sicht im Hinblick auf die europarechtliche Entwicklung wohl nicht mehr vertretbar. 660 Vgl. dazu auch sogleich unten (III. 1.). 661 Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (16) im Zusammenhang mit mehrfacher Staatsangehörigkeit. 657

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und kaum zu vermeiden wären, was jedoch mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar wäre. Im Falle eines gemeinsamen doppelten gewöhnlichen Aufenthalts scheidet mangels einer Rechtswahl der Ehegatten eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt daher zugunsten der nächsten Anknüpfungsstufe des Art. 8 Rom III-VO aus. Mithin kommt sodann die Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit zum Tragen oder mangels einer solchen nach der Regelung des Art. 8 Rom III-VO die Anknüpfung an die lex fori. III. Staatsangehörigkeit Obwohl die Staatsangehörigkeit im Rahmen der Rom III-Verordnung ihre Funktion als Regelanknüpfung verloren hat, bleibt sie für die Bestimmung des anwendbaren Rechts weiterhin von Bedeutung.662 So wird einerseits bei der Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO auf die Staatsangehörigkeit Bezug genommen, andererseits dient sie als subsidiäres objektives Anknüpfungskriterium im Rahmen des Art. 8 Rom III-VO. Sofern die Ehegatten jeweils (nur) einem Staat angehören, führt der Verweis auf die Staatsangehörigkeit sowohl bei der Rechtswahl als auch bei der objektiven Anknüpfung zu eindeutigen und vorhersehbaren Ergebnissen. Problematisch sind jedoch die Fälle, in denen einer der Ehegatten oder beide Ehegatten mehrere Staatsangehörigkeiten besitzen oder staatenlos sind. In diesen Konstellationen ist fraglich, welche der Staatsangehörigkeiten für die Rechtswahl oder die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts heranzuziehen sind, beziehungsweise welche Auswirkungen die Staatenlosigkeit auf die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit hat. 1. Mehrfache Staatsangehörigkeit Zwar stellt die Rom III-Verordnung an verschiedenen Stellen auf das Kriterium der Staatsangehörigkeit ab, jedoch regelt die Verordnung nicht, wie mit einer mehrfachen Staatsangehörigkeit umzugehen ist.663 Stattdessen verweist Erwägungsgrund Nr. 22 Rom III-VO zur Lösung dieser Problematik ausdrücklich auf das nationale Recht der teilnehmenden Mitgliedstaaten, wobei gleichzeitig hervorgehoben wird, dass „die allgemeinen Grundsätze der Europäischen Union uneingeschränkt zu achten sind.“ Somit sind für den Umgang mit der Problematik der mehrfachen Staatsangehörigkeit die innerstaatlichen Regeln der lex fori maßgeblich.664 Die deutschen Gerichte werden damit auf die Vorschriften des EGBGB verwiesen, das in Art. 5 Abs. 1 EGBGB eine Regelung für den Umgang mit mehrfacher Staatsangehörigkeit 662

Helms in LA Pintens, S. 681 (693). Für Hau, FamRZ 2013, S. 249 (252) eine sträfliche Vernachlässigung des Problems durch den Verordnungsgeber. 664 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770). 663

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bereitstellt. Dementsprechend ist nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB für den Fall, dass eine Person mehreren Staaten angehört, das Recht desjenigen dieser Staaten anzuwenden, mit der die Person am engsten verbunden ist, insbesondere durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens. Dabei geht jedoch gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB das deutsche Recht stets vor, sofern eine Person auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Vergleichbare Regelungen existieren auch in anderen teilnehmenden Mitgliedstaaten, die ebenfalls die eigene Staatsangehörigkeit bevorzugen und bei Konkurrenz zweier ausländischer Staatsangehörigkeiten auf die effektive abstellen.665 Aus deutscher Sicht stellt sich im Hinblick auf die Regelung des Art. 5 Abs. 1 EGBGB sodann die Frage, wie sich diese Regelungen des innerstaatlichen Rechts auf die Anwendung der Rom III-Verordnung im Einzelnen auswirken. Dabei ist insbesondere auch zu klären, ob und wie die innerstaatlichen Regelungskonzepte mit den allgemeinen Grundsätzen der Europäischen Union zu vereinbaren sind. a) Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB auf die Rom III-Verordnung Ein Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB zur Auslegung der Vorschriften zur Rechtswahl der Rom III-Verordnung hätte zur Folge, dass bei mehrfacher, auch-deutscher Staatsangehörigkeit eines oder beider Ehegatten lediglich das deutsche Heimatrecht des jeweiligen Ehegatten im Rahmen des Art. 5 Rom III-VO wählbar wäre. Bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts gemäß Art. 8 Rom III-VO wäre sodann bei der Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten ebenfalls nur die deutsche Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen. Zu prüfen ist daher zunächst, ob diese pauschale Bevorzugung der deutschen Staatsangehörigkeit gegenüber anderen Staatsangehörigkeiten eines Ehegatten, wie sie Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB vorsieht, im Rahmen der Rom III-Verordnung grundsätzlich tragbar und umsetzbar ist. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass die im Zuge der IPR-Reform von 1986 eingeführte Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB in weiten Teilen der Literatur als Rückschritt gegenüber der vorherigen Rechtslage bewertet wird und allgemein als rechtspolitisch verfehlt gilt, da sie gegen das kollisionsrechtliche Gerechtigkeitsgebot verstoße, diejenige Rechtsordnung zu berufen, zu der die engste Verbindung besteht, und zudem die Entstehung hinkender Rechtsverhältnisse begünstige.666 665

Siehe beispielsweise Belgien, Italien, Österreich, Spanien; vgl. auch Helms in LA Pintens, S. 681 (694) mit Nachweisen in Fn. 40; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 119 mit Nachweisen in Fn. 539; Kruger/Verhellen, JPIL 2011, S. 601 (606 f.) m. w. N.; Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (10). 666 Siehe z.B. Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 8; MünchKomm/ Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10, 12; Kropholler, Internationales Privatrecht,

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In Anbetracht des Erwägungsgrundes Nr. 22 Rom III-VO ist vor allem fraglich, ob die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB angeordnete abstrakte Bevorzugung der deutschen Staatsangehörigkeit mit dem Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 18 AEUV vereinbar ist. Wegen der herausragenden Bedeutung des Verbotes der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit für die Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union,667 kann im Verstoß gegen Art. 18 AEUV eine Verletzung der allgemeinen Grundsätze der Europäischen Union gesehen werden,668 die zur Folge hätte, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB im Rahmen der Rom IIIVerordnung nicht zur Anwendung kommen kann. Ein solcher Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV ist zunächst im Verhältnis zu anderen EU-Staaten zu bejahen, also in Fällen, in denen ein Ehegatte neben der deutschen auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt. Hierbei kommt es aus Sicht der ausländischen Staatsangehörigkeit zu einer Diskriminierung, die darin besteht, dass die Staatsangehörigkeit des anderen Mitgliedstaates ohne sachlichen Grund als nicht bestehend behandelt und damit im Vergleich zur deutschen pauschal abgewertet wird, wenn ein Ehegatte wegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB nur die deutsche Staatsangehörigkeit wählen kann oder nur diese bei der objektiven Anknüpfung berücksichtigt wird.669 Aber auch im Verhältnis zu Drittstaaten kommt es zu einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, denn Bezugspunkt für die Diskriminierung ist nicht nur die ausländische Staatsangehörigkeit. Vielmehr beruht die Benachteiligung in erster Linie darauf, dass eine Person (auch) die inländische Staatsangehörigkeit besitzt. Werden also in Fällen, in denen das Kollisionsrecht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, Mehrstaater grundsätzlich gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates ihrer effektiven Staatsangehörigkeit behandelt und nur der deutsch-ausländische Doppelstaater gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB unter Außerachtlassen des Effektivitätsprinzips ohne Weiteres nach deutschem Recht, so ist darin eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit zu sehen, unabhängig davon, ob die neben der deutschen Staatsangehörigkeit bestehende Staatsangehörigkeit die eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Dritt-

§ 37 II 1 a (S. 266); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 119; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185 (189); Kruger/Verhellen, JPIL 2011, S. 601 (607). 667 Zum Diskriminierungsverbot als „Leitmotiv“ des Vertrages siehe Calliess/Ruffert/ Epiney, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 1. 668 Basedow in LA Pintens, S. 135 (140); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (253); Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 4. 669 Vgl. auch Rs. C-148/02, Urteil vom 02.10.2003, EuGHE 2003, S. I-11613 Rn. 28 („Garcia Avello“); Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 41 („Hadadi“); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 32.

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staates ist.670 Diese Konstellation stellt auch keinen Fall einer – aus Sicht des Unionsrechts – zulässigen Inländerdiskriminierung dar, denn eine solche kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten beziehungsweise des Art. 18 AEUV nicht eröffnet ist.671 In einem solchen Fall beurteilt sich die Zulässigkeit der Inländerdiskriminierung mangels Einschlägigkeit der europäischen Normen nicht anhand der Vorgaben des Unionsrechts, sondern allein nach den Maßstäben des nationalen (Verfassungs)Rechts.672 Ist hingegen Art. 18 AEUV einschlägig, verbietet die Vorschrift jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, also auch die Diskriminierung aufgrund inländischer Staatsangehörigkeit.673 Eröffnet ist der Anwendungsbereich des Art. 18 AEUV dabei grundsätzlich für alle Sachverhalte, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen.674 Von Art. 18 AEUV nicht erfasst werden hingegen rein innerstaatliche Fälle, also Sachverhalte ohne jeden Auslandsbezug,675 wobei der EuGH den Auslandsbezug dabei tendenziell eher weit auslegt.676 So genügt bereits das Vorhandensein einer ausländischen Staatsangehörigkeit, um den notwendigen Auslandsbezug zu vermitteln.677 Damit fallen Sachverhalte, in denen eine mehrfache Staatsangehörigkeit der Betroffenen vorliegt, stets in den Anwendungsund Schutzbereich des Art. 18 AEUV. Dies bedeutet, dass die Regelung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB im Verhältnis zu allen ausländischen Staatsangehörigkeiten eine unzulässige Diskriminierung aufgrund der inländischen Staatsangehörigkeit darstellt.678 Die im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der 670 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 162; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 119. 671 Schwarze/Holoubek, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 28; Calliess/Ruffert/Epiney, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 30 f; Bösch, JURA 2009, S. 91 (93). 672 Schwarze/Holoubek, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 30; Bösch, JURA 2009, S. 91 (93). 673 Schwarze/Holoubek, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 28; Calliess/Ruffert/Epiney, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 29, 32; a.A. Hau, FamRZ 2013, S. 249 (254), der aber dennoch die Nichtanwendung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB auch in Drittstaatenfällen befürwortet. 674 Bösch, JURA 2009, S. 91 (93); Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 22 Rn. 13; Calliess/Ruffert/Epiney, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 32. 675 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 22 Rn. 13; Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, Rn. 1107; Calliess/Ruffert/Epiney, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 31 m.w.N.; Schwarze/Holoubek, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 28; 676 Bösch, JURA 2009, S. 91 (93); Schwarze/Holoubek, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 29; Calliess/Ruffert/Epiney, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 32. 677 Schwarze/Holoubek, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 29; Calliess/Ruffert/Epiney, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 32; Rs. C-148/02, Urteil vom 02.10.2003, EuGHE 2003, S. I-11613 („Garcia Avello“); vgl. auch Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (13). 678 Vgl. auch MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 162; a.A. wohl Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386).

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Europäischen Union ohnehin bestehende Diskriminierung der ausländischen Staatsangehörigkeit wird durch den Aspekt der Inländerdiskriminierung damit noch einmal verstärkt. Die Regelung Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist somit insgesamt mit den allgemeinen Grundsätzen der Europäischen Union unvereinbar.679 Zudem spricht auch der durch die europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung angestrebte internationale Entscheidungseinklang für die Nichtanwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB, denn eine Bevorzugung der eigenen Staatsangehörigkeit des Forumstaates gefährdet die einheitliche Beurteilung innerhalb der teilnehmenden Mitgliedstaaten.680 Hierin zeigen sich erneut die Parallelen des europäischen zum staatsvertraglichen Kollisionsrecht, denn auch dort sprechen der internationale Entscheidungseinklang und die angestrebte Harmonisierung gegen die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB.681 Überdies wäre die Bevorzugung der inländischen Staatsangehörigkeit im Rahmen der Rechtswahl schon deshalb schwer umzusetzen, weil der Forumsstaat zum Zeitpunkt der Rechtswahl nicht notwendigerweise bereits feststehen muss.682 Zu bedenken ist außerdem, dass das deutsche Kollisionsrecht selbst ausdrücklich die Nichtanwendung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB bei einigen Rechtswahlmöglichkeiten des EGBGB vorsieht,683 die im Wege der Analogie zudem auf weitere Vorschriften des EGBGB übertragen wird.684 Dies zeigt, dass die Nichtanwendung der Norm im Rahmen der Rom III-Verordnung keine für das deutsche Kollisionsrecht völlig systemfremde Lösung darstellt. Aus all diesen Erwägungen folgt sodann, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB im Zusammenhang mit der Rom III-Verordnung keine Anwendung finden kann,685 und die pauschale Bevorzugung der Forumstaats679

Vgl. auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); a.A. Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 3. 680 Vgl. MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 11; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 37 II 1 a (S. 266); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 119; Helms in LA Pintens, S. 681 (694). 681 Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 12; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 37 II 1 b (S. 267); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 120; Henrich in LA Pintens, S. 701 (703). 682 Helms in LA Pintens, S. 681 (694). 683 Art. 10 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, Art. 14 Abs. 2 EGBGB. 684 Art. 10 Abs. 3 Nr. 3, Art. 15 Abs. 2 EGBGB; Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 9; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 10; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 37 II 1 a (S. 267). 685 Helms in LA Pintens, S. 681 (694); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); offen Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (39); a.A. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Stürner, JURA

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angehörigkeit im Rahmen der Rom III-Verordnung grundsätzlich ausgeschlossen ist.686 Es kommt somit auch bei deutsch-ausländischen Mehrstaatern allenfalls eine Anwendung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB in Betracht, der auf die effektive Staatsangehörigkeit abstellt.687 b) Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB für die Auslegung der Rom III-Verordnung Die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB im Rahmen der Rom IIIVerordnung würde bedeuten, dass bei Ehegatten mit mehrfacher Staatsangehörigkeit jeweils nur die effektive Staatsangehörigkeit für die Wahl des anwendbaren Rechts in Betracht käme und bei der objektiven Anknüpfung nur eine gemeinsame effektive Staatsangehörigkeit zur Bestimmung des anwendbaren Rechts herangezogen werden könnte. Eine solche Einschränkung ist jedoch im Hinblick auf die Ziele der Verordnung und das Gleichbehandlungsgebot durchaus nicht unproblematisch. Dies wird unter anderem verdeutlicht durch die Rechtsprechung des EuGH zur Bevorzugung der effektiven Staatsangehörigkeit, die im Zusammenhang mit anderen Verordnungen ergangen und bei der Auslegung der Vorschriften der Rom III-Verordnung angemessen zu berücksichtigen ist. So hat der Europäische Gerichtshof im Jahre 2003 zunächst belgischspanischen Doppelstaatern, deren effektive Staatsangehörigkeit die belgische war, das Recht zugestanden, auch in Belgien den aufgrund spanischen Rechts in Spanien registrierten Namen zu führen.688 Zur Begründung verweist der Gerichtshof darauf, dass eine Verschiedenheit der Namensführung in beiden Mitgliedstaaten zu schwerwiegenden Nachteilen beruflicher und privater Art führen könne, sodass der Wunsch nach einheitlicher Namensführung unter dem Aspekt der Freizügigkeit und der Gleichbehandlung unionsrechtlich geschützt sei.689 Dass es sich bei der gewünschten Namensführung um die nach dem Recht der ineffektiven Staatsangehörigkeit gebildeten Namen han2012, S. 708 (710); jedenfalls keine Anwendung im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der Union Makowsky, GPR 2012, S. 266 (271); siehe auch Nademleinsky, Zak 2012, S. 146 (149), der eine Anwendung der vergleichbaren österreichischen Regelung des § 9 Abs. 1 S. 2 IPRG im Rahmen der Rom III-Verordnung ebenfalls ablehnt; Franzina, CDT 2011, S. 85 (111) lehnt die Anwendung der vergleichbaren italienischen Regelung des Art. 19 Abs. 2 des IPR-Reformgesetztes vom 31.05.1995 jedoch nur im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten ab. 686 A.A. (für eine Bevorzugung der mitgliedstaatlichen Forumstaatsangehörigkeit im Verhältnis zu Drittstaaten bei der objektiven Anknüpfung) Kruger/Verhellen, JPIL 2011, S. 601 (613); Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374). 687 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386). 688 Rs. C-148/02, Urteil vom 02.10.2003, EuGHE 2003, S. I-11613 („Garcia Avello“). 689 Rs. C-148/02, Urteil vom 02.10.2003, EuGHE 2003, S. I-11613 Rn. 36, 45 („Garcia Avello“).

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delte, war für den EuGH dabei unbeachtlich. Einen etwaigen Vorrang der effektiven gegenüber einer ineffektiven Staatsangehörigkeit hielt der Gerichtshof insoweit nicht für erheblich.690 Obwohl die Entscheidung nicht auf Vorschriften und Prinzipien des internationalen Privatrechts beruht, wird sie allgemein dahingehend interpretiert, dass eine Person zumindest im Bereich des Namensrechts jedes ihrer Heimatrechte wählen und auch die Behandlung nach dem Recht einer ineffektiven Staatsangehörigkeit verlangen kann.691 Auch im Rahmen der Brüssel IIa-Verordnung, mit deren Bestimmungen die Rom III-Verordnung ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 10 Rom IIIVO in Einklang stehen soll, hat der EuGH mit seinem Urteil in der Rechtssache Hadadi aus dem Jahr 2009 entschieden, dass bei Doppelstaatern beide Staatsangehörigkeiten gleichermaßen und gleichberechtigt zu berücksichtigen sind und insofern keine Effektivitätsprüfung vorzunehmen ist.692 Fraglich ist jedoch, ob und inwieweit die Argumentation des Gerichtshofs zur Auslegung des Begriffes der Staatsangehörigkeit in Art. 3 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO auch auf die Rom III-Verordnung übertragbar ist.693 Zunächst ist, wie auch bei der Brüssel IIa-Verordnung, aus dem Verordnungstext der Rom III-Verordnung nicht erkennbar, dass die Verordnung zumindest grundsätzlich danach unterscheidet, ob eine Person eine oder gegebenenfalls mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt.694 Auch lässt sich weder dem Wortlaut des Art. 3 Brüssel IIa-VO noch dem Wortlaut der Rom IIIVerordnung entnehmen, dass nur die effektive Staatsangehörigkeit bei der Anwendung ihrer Bestimmungen berücksichtigt werden soll.695 Sonst müssten wegen der Ungenauigkeit des Begriffs „effektive Staatsangehörigkeit“ eine Vielzahl tatsächlicher Umstände berücksichtigt werden, die nicht in jedem Fall ein eindeutiges Ergebnis hervorbringen.696 Dies kann insbesondere bei der Rechtswahl zu nicht unerheblichen Unsicherheiten führen, weil die Betroffenen im Zeitpunkt der Rechtswahl beurteilen müssten, welche Staats690

Vgl. Helms in LA Pintens, S. 681 (695). Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (8) mit Fn. 20; Helms in LA Pintens, S. 681 (695). 692 Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 („Hadadi“); Helms in LA Pintens, S. 681 (695). 693 Insofern skeptisch, weil die Begründung nicht unmittelbar für das Kollisionsrecht passe Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (39); ebenso Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (18). 694 Vgl. Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 40 („Hadadi“); Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Bariatti, Cases and Materials on EU Private International Law, S. 242. 695 Vgl. Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 51 („Hadadi“). 696 Vgl. Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 55 („Hadadi“); Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (18). 691

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angehörigkeit die effektive ist.697 Aber auch im Rahmen der objektiven Anknüpfung würde die Notwendigkeit einer Nachprüfung der Berührungspunkte zwischen den Ehegatten und ihren jeweiligen Staatsangehörigkeiten die Bestimmung des anwendbaren Rechts erschweren und damit dem Ziel zuwiderlaufen, die Anwendung der Verordnung durch die Verwendung eines einfachen und eindeutigen Anknüpfungskriteriums zu erleichtern und zugleich die Rechtssicherheit zu stärken.698 Wie der EuGH außerdem betont, sieht Art. 3 Brüssel IIa-VO mehrere Gerichtsstände vor, die nicht in eine Rangordnung gestellt worden sind, sondern alternativ nebeneinander bestehen.699 Zumindest für die Rechtswahlmöglichkeiten im Rahmen der Rom III-Verordnung lässt sich dieser Gedanke übertragen, da auch Art. 5 Rom III-VO mehrere Rechtsordnungen gleichberechtigt nebeneinander zur Auswahl stellt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass letztendlich nur ein Recht auf die Ehescheidung anwendbar sein kann, denn auch dies ist vergleichbar mit der Regelung des Art. 3 Brüssel IIa-VO, da trotz alternativ bestehender Gerichtsstände im Ergebnis nur ein Gericht den Fall entscheiden kann.700 Außerdem ist insbesondere für die Rechtswahl zu beachten, dass die Rom III-Verordnung ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 15 Rom III-VO die Flexibilität und die Rechtssicherheit bei der Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erhöhen und zu diesem Zweck die Parteiautonomie stärken will, indem sie den Ehegatten die Möglichkeit gibt, das anzuwendende Recht durch Rechtswahl zu bestimmen. Dieses Ziel kann jedoch nur durch eine großzügige Auslegung der Bestimmungen zur Rechtswahl erreicht werden, die Mehrstaatern die Wahl jedes Heimatrechts eines Ehegatten ermöglicht.701 So wie den Ehegatten im Rahmen des Art. 3 Brüssel IIa-VO die Wahl des Mitgliedsstaats freisteht, dessen Gerichte mit dem Rechtsstreit befasst werden sollen,702 sollten diese Kriterien auch für die Wahl des anwendbaren Rechts im Rahmen des Art. 5 Rom IIIVO gelten. Dass der europäische Gesetzgeber diese Lösung favorisiert, hat er zumindest für die Rechtswahl im Rahmen der Erbrechtsverordnung, die zeitlich nach der Rom III-Verordnung und dem Urteil in der Rechtssache Hadadi erlassen worden ist, auch ausdrücklich klargestellt, indem er gemäß Art. 22 Abs. 1 S. 2 EuErbVO Mehrstaatern die Wahl jedes ihrer Heimatrechte als Erbstatut ausdrücklich erlaubt.

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Helms in LA Pintens, S. 681 (694); a.A. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386) Fn. 66. Vgl. Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 55 („Hadadi“). 699 Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 48 („Hadadi“); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771). 700 Missverständlich insoweit Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (16). 701 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1770). 702 Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 58 („Hadadi“). 698

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Demgegenüber stellt Art. 8 Rom III-VO durchaus eine Rangfolge der Anknüpfungskriterien auf, indem er eine Anknüpfungsleiter bildet. In dieser Anknüpfungsleiter ist jedoch nicht die Staatsangehörigkeit, sondern der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten das vorrangige Anknüpfungskriterium, während die gemeinsame Staatsangehörigkeit erst mangels eines solchen als Anknüpfungskriterium zum Tragen kommt. Dadurch wird deutlich, dass der Verordnungsgeber bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts, die ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 21 Rom IIIVO dem Schwerpunktrechtsprinzip unterliegt,703 davon ausgeht, dass grundsätzlich der gewöhnliche Aufenthalt die engste Verbindung zu einer Rechtsordnung vermittelt.704 Sobald ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten nach den Kriterien des Art. 8 Rom III-VO jedoch nicht besteht, soll hilfsweise die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten den Bezug zur berufenen Rechtsordnung gewährleisten. An dieser Rangfolge zeigt sich, dass der Verordnungsgeber den durch die Staatsangehörigkeit vermittelten Bezug zu einer Rechtsordnung als nicht so eng bewertet wie die Verbundenheit aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts. Folglich können an die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium sodann auch keine derart hohen Anforderungen hinsichtlich der tatsächlichen Verbundenheit der Ehegatten gestellt werden wie dies beim gewöhnlichen Aufenthalt der Fall ist. Da der gewöhnliche Aufenthalt für die Bestimmung der effektiven Staatsangehörigkeit jedoch von wesentlicher Bedeutung wäre, würde das Erfordernis einer Effektivität der Staatsangehörigkeit allerdings genau auf dieses Ergebnis hinauslaufen und die Staatsangehörigkeit den gleichen strengen Kriterien hinsichtlich der tatsächlichen Verbundenheit unterwerfen wie sie für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts gelten.705 Dies käme im Ergebnis einer doppelten Berücksichtigung des gewöhnlichen Aufenthalts gleich, was vom Verordnungsgeber in dieser Form jedoch nicht gewollt sein dürfte.706 Dass eine derart restriktive Handhabung des Kriteriums der Staatsangehörigkeit nicht vorgesehen ist, kommt vor allem auch dadurch zum Ausdruck, dass die Rom III-Verordnung, wie auch Art. 3 Brüssel IIa-VO, in verschiedener Hinsicht Bezug nimmt auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten,707 sowohl für die Rechtswahl als auch als Anknüpfungskriterium im Rahmen der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts. Demgegenüber wird als weiteres Kriterium zur Bestimmung des anwendbaren Rechts die Staatsangehörigkeit verwendet. Mit der Wahl der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungs703

Helms in LA Pintens, S. 681 (696). Vgl. Basedow in FS Posch, S. 17 (25). 705 Vgl. Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 54 („Hadadi“). 706 Vgl. Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (328); Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (809). 707 Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 50 („Hadadi“). 704

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kriterium entscheiden sich beide Verordnungen somit bewusst und in Abgrenzung zum gewöhnlichen Aufenthalt zugunsten eines eindeutigen und leicht anzuwendenden Anknüpfungspunkts und sehen kein anderes Kriterium im Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit, wie zum Beispiel deren Effektivität vor,708 denn die Staatsangehörigkeit vermittelt durch ihre bloße Existenz den notwendigen Bezug zum anwendbaren Recht.709 Dies wird insbesondere deutlich, wenn man die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im Falle von Ehegatten betrachtet, die jeweils nur einem einzigen Staat angehören. Während diese ohne Probleme auch das Recht eines Staates wählen oder sich für die objektive Anknüpfung auf das Recht eines Staates berufen können, zu dem sie außer dem Besitz der Staatsangehörigkeit keinerlei Bezug aufweisen müssen,710 stünde dieses Recht Mehrstaatern nicht in der gleichen Weise zu, da diese an die besondere Effektivität der Staatsangehörigkeit gebunden wären. Eine solche Ungleichbehandlung ist jedoch mit den Grundsätzen der Europäischen Union nicht vereinbar.711 Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass auch Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB im Rahmen der Rom III-Verordnung nicht angewendet werden kann.712 Zwar verweist die Rom III-Verordnung für die Ermittlung der genauen Bedeutung des Kriteriums der „Staatsangehörigkeit“ in Erwägungsgrund Nr. 22 Rom IIIVO ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten, enthält insofern jedoch eine wichtige Einschränkung dahingehend, dass die allgemeinen Grundsätze der Europäischen Union einzuhalten sind. Die vorangegangen Ausführungen machen deutlich, dass auch die Bevorzugung einer effektiven Staatsangehörigkeit zu Ungleichbehandlungen führt, die weder mit den Zielen der Verordnung noch mit dem Diskriminierungsverbot in Einklang zu bringen sind und somit die Regelungen des nationalen Rechts den allgemeinen Grundsätzen der Europäischen Union nicht entsprechen. Das Konzept der effektiven

708 Vgl. Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 51 („Hadadi“). 709 Aus diesem Grund vermag auch der Einwand von Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388) Fn. 97 nicht zu überzeugen, der eine Anknüpfung an eine gemeinsame ineffektive Staatsangehörigkeit der Ehegatten im Rahmen von Art. 8 lit. c) Rom III-VO deswegen als nicht ausreichend ansieht, weil sie dazu führe, dass ein Recht zur Anwendung gelangen könne, zu dem (mindestens) einer der Ehegatten keinen näheren Bezug habe. 710 Vgl. Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 54 („Hadadi“). 711 Siehe auch oben a). 712 A.A. Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Helms in LA Pintens, S. 684 (696); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (271); Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 4; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 31; vgl. auch Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (809), die „den Auswahlmechanismen des Art. 5 Abs. 1 EGBGB lediglich die Bedeutung einer Vorrangregel“ beimessen möchte.

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Staatsangehörigkeit kann daher im Rahmen der Rom III-Verordnung keine Anwendung finden.713 Warum der Verordnungsgeber den Verweis auf das nationale Recht in Erwägungsgrund Nr. 22 Rom III-VO aufgenommen hat, bleibt indes unklar.714 Vergleichbare Regelungen finden sich weder in den Vorgängerregelungen der Verordnungen Rom I und Rom II noch in der später erlassenen Erbrechtsverordnung oder dem Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht. Auch in der Brüssel IIa-Verordnung wird weder im Verordnungstext noch in den Erwägungsgründen für die Ermittlung der genauen Bedeutung des Kriteriums der Staatsangehörigkeit ausdrücklich auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten verwiesen.715 Denkbar ist, dass die Regelung im Bewusstsein und im Hinblick auf die Tatsache geschaffen wurde, dass ein allgemeiner Teil des europäischen internationalen Privatrechts, der die Frage der mehrfachen Staatsangehörigkeit regeln könnte, in Form einer gesetzlichen Regelung zum Zeitpunkt des Erlasses der Rom III-Verordnung noch nicht existierte und der Gesetzgeber deutlich machen wollte, dass die Rom III-Verordnung diesen Teil des internationalen Privatrechts nicht mitregeln soll. Letztendlich ist die Regelung jedoch aufgrund der konkreten Ausgestaltung der nationalen Vorschriften und vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH sowie perspektivisch auch im Hinblick auf eine mögliche Erweiterung des europäischen Kollisionsrechts um einen allgemeinen Teil als missglückt zu betrachten.716 Der Verweis auf das nationale Recht hätte unterlassen werden sollen, denn er ist nicht nur problematisch in Bezug auf die Grundsätze der Union, sondern kann auch zu einer uneinheitlichen Auslegung der Verordnung führen.717 Auch wenn die nationalen Regelungen zum Umgang mit mehrfacher Staatsangehörigkeit ähnlich ausgestaltet sind, kann es im Einzelfall zu unterschiedlichen Bewertungen kommen, sodass eine einheitliche Anwendung der Verordnung in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten nicht vollständig erreicht und gewährleistet werden kann. Darüber hinaus ist der Verweis auf das nationale 713 So auch aus italienischer Sicht Franzina, CDT 2011, S. 85 (117); in diese Richtung auch Lardeux, RD 2011, S. 1835 (1837); a.A. Nademleinsky, Zak 2012, S. 146 (149); Kruger/Verhellen, JPIL 2011, S. 601 (608, 626); Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374) in Bezug auf Drittstaaten, offen gelassen in Bezug auf EU-Staaten. 714 Laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8 geschah dies auf Wunsch nur eines teilnehmenden Mitgliedstaates. 715 Rs. C-168/08, Urteil vom 16.07.2009, EuGHE 2009, S. I-06871 Rn. 39 („Hadadi“); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Bariatti, Cases and Materials on EU Private International Law, S. 242. 716 Vgl. auch Kruger/Verhellen, JPIL 2011, S. 601 (620): „This consideration in Rome III is incomprehensible from a strictly legal standpoint, and can only be understood as a required political compromise.” 717 Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (10).

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Recht zum derzeitigen Zeitpunkt auch nicht erforderlich, da der EuGH mit seiner Rechtsprechung hinreichende Anhaltspunkte für eine europäischautonome Auslegung des Begriffs der Staatsangehörigkeit vorgibt. c) Folgen für die Auslegung der Rom III-Verordnung Aus der Nichtanwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 EGBGB im Rahmen der Rom III-Verordnung folgt, dass weder pauschal die deutsche Staatsangehörigkeit noch eine effektive Staatsangehörigkeit der Ehegatten bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts bevorzugt werden dürfen.718 Dies führt zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Auslegung und Anwendung der Rom III-Verordnung, je nachdem, ob die anwendbare Rechtsordnung aufgrund einer Rechtswahl der Ehegatten oder durch objektive Anknüpfung bestimmt werden soll. aa) Rechtswahl Aus dem Wortlaut des Art. 5 Rom III-VO, der keine Beschränkung auf die Wahl einer bestimmten Staatsangehörigkeit eines Ehegatten vorsieht, und dem Ziel der Norm, die Parteiautonomie wesentlich zu stärken, ergibt sich, dass die Ehegatten das Recht jedes Staates, dem einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl angehört, gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III-VO als Scheidungsstatut wählen können.719 Eine Begrenzung der Rechtswahlmöglichkeit dahingehend, dass nur die inländische oder die jeweils effektive Staatsangehörigkeit eines Ehegatten zur Wahl steht, ist abzulehnen.720 Dies gilt sowohl für Fälle, in denen die Ehegatten mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union angehören als auch in Bezug auf Drittstaaten, denn die 718 Vgl. auch Jayme/Zimmer, IPRax 2013, S. 99; offen Martiny, IPRax 2011, S. 437 (450); a.A. Wilke, GPR 2012, S. 334 (337). 719 Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 4; Coester-Waltjen, FF 2013, S. 48 (53); Basedow in FS Posch, S. 17 (27); Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 7; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 281; Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (710); Kruger, SSRN. 2012, S. 1 (9); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (318). 720 So auch Helms in LA Pintens, S. 681 (694); Basedow in LA Pintens, S. 135 (141); Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (18); Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (19); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (269); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (103); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (809 f.); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (252); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 818; Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (371); vgl. auch Kindler, IPRax 2010, S. 44 (49); unentschieden Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (39); Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (814); a.A. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); Finger, FuR 2011, S. 61 (65), der aber in Finger, FuR 2013, S. 305 (309) die gegenteilige Ansicht vertritt.

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universelle Anwendbarkeit der Verordnung zielt auf eine gleichberechtigte Berufung drittstaatlichen Rechts ab, die auch im Falle der Rechtswahl zur Geltung kommen muss.721 bb) Objektive Anknüpfung Bei der objektiven Anknüpfung zeigen sich im Falle mehrfacher Staatsangehörigkeit eines oder beider Ehegatten deutliche Parallelen zur oben diskutierten Problematik des doppelten gewöhnlichen Aufenthalts. Wie auch beim doppelten gewöhnlichen Aufenthalt scheidet im Fall doppelter Staatsangehörigkeit eine Bevorzugung einer der Staatsangehörigkeiten aus, sodass jede Staatsangehörigkeit der Ehegatten gleichermaßen zu berücksichtigen ist. Um eine in sich widerspruchsfreie Anwendung der Verordnung zu erreichen, sollte daher in beiden Konstellationen der gleiche Lösungsansatz zum Umgang mit der Problematik des mehrfachen Vorhandenseins eines Anknüpfungskriteriums verfolgt werden. Somit ist jede gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten, also auch eine gemeinsame ineffektive Staatsangehörigkeit, für die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts heranzuziehen,722 unabhängig davon, ob neben der gemeinsamen Staatsangehörigkeit noch andere Staatsangehörigkeiten eines oder beider Ehegatten bestehen. Dies führt zu eindeutigen Anknüpfungsergebnissen, wenn sich trotz oder wegen ihrer mehrfachen Staatsangehörigkeiten lediglich eine einzige gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten ergibt und somit allein diese für die Anknüpfung nach Art. 8 lit. c) Rom III-VO maßgeblich werden kann.723 Sollten die Ehegatten hingegen mehrere gemeinsame Staatsangehörigkeiten besitzen, kann, wie auch beim gemeinsamen doppelten gewöhnlichen Aufenthalt, keine der gemeinsamen Staatsangehörigkeiten gegenüber einer anderen bevorzugt werden.724 In diesem Fall schlägt die Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit mangels Eindeutigkeit fehl, sodass die nächste Stufe der Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO zum Tragen kommt, was wiederum zu einer Anwend721

Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (14). Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (14); a.A. Helms in LA Pintens, S. 684 (696); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388) Fn. 97; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 324; Rauscher, Internatioanles Privatrecht, Rn. 815; Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 4; Finger, FuR 2013, S. 305 (309) Fn. 21; Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 4; Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (328); offen gelassen bei de Vido, CDT 2012, S. 222 (230); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (105). 723 Vgl. Andrae, FPR 2010, S. 505 (507). 724 Vgl. auch Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (811); a.A. Andrae, FPR 2010, S. 505 (507), die für eine Bevorzugung der Forumsstaatsangehörigkeit eintritt. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388) Fn. 97 hingegen hält die Rechtsprechung im Fall Hadadi für „gänzlich unübertragbar“ auf den Fall von Doppelstaatern mit identischen Staatsangehörigkeiten. 722

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barkeit der lex fori führt.725 Diese Lösung bedeutet zwar, dass die Ehegatten so behandelt werden, als hätten sie überhaupt keine gemeinsame Staatsangehörigkeit,726 was die Ehegatten – wie auch schon im Falle eines gemeinsamen doppelten gewöhnlichen Aufenthalts – jedoch vermeiden können, indem sie das anwendbare Recht durch Rechtswahl bestimmen, sodass der Verweis auf die lex fori im Rahmen der objektiven Anknüpfung nicht als unbillige Benachteiligung angesehen werden kann. Dafür, dass im Falle einer mehrfachen gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten die Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit keine Anwendung finden kann, spricht neben den oben angeführten Argumenten im Übrigen auch Art. 17 Abs. 2 EhegüterRVO-E,727 der ausdrücklich eine entsprechende Regelung enthält.728 Ob es sich bei den gemeinsamen Staatsangehörigkeiten um Staatsangehörigkeiten von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder (auch) von Drittstaaten handelt, ist dabei in einer solchen Konstellation irrelevant.729 Eine Bevorzugung einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates gegenüber der eines Drittstaates würde zu einer uneinheitlichen Anwendung der Verordnung im Hinblick auf Drittstaatensachverhalte führen, was nicht nur aus Gründen der Praktikabilität abzulehnen ist, sondern auch dem Prinzip der universellen Anwendbarkeit der Verordnung widerspräche. 2. Staatenlosigkeit Anders als bei der mehrfachen Staatsangehörigkeit verweist die Rom IIIVerordnung für die Sondersituation der Staatenlosigkeit weder im Verordnungstext noch in den Erwägungsgründen auf das nationale Recht der teilnehmenden Mitgliedstaaten, denn Erwägungsgrund Nr. 22 Rom III-VO spricht ausdrücklich nur von Fällen der mehrfachen Staatsangehörigkeit. Da staatenlose Personen jedoch gerade keine Staatsangehörigkeit besitzen und sich somit der Begriff der Staatsangehörigkeit auf diese Personengruppe nicht erstreckt, kann die Problematik – im Gegensatz zur mehrfachen Staatsangehörigkeit – nicht als Auslegungsfrage in Bezug auf den Begriff der Staatsangehörigkeit verstanden werden, denn bei Staatenlosen kommt das Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit gerade nicht zur Anwendung, sondern 725 Vgl. auch Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (811); Franzina, CDT 2011, S. 85 (117); Fallon, RTDF 2012, S. 291 (311); einschränkend nur für den Fall, dass die Ehegatten nicht die gemeinsame Staatsangehörigkeit des Forumstaates besitzen Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (16, 18 f.). 726 Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (4). 727 Vorschlag vom 16.03.2011 für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts, KOM (2011) 126 endgültig. 728 De Vido, CDT 2012, S. 222 (230); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (811). 729 Bariatti, YB PIL 2011, S. 1 (16).

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muss durch einen anderen Anknüpfungsgrund ersetzt werden.730 Deshalb kommt eine Lösung im Wege der europäisch-autonomen Auslegung des Begriffes der Staatsangehörigkeit, wie sie nach ständiger Rechtsprechung des EuGH mangels Verweises auf nationales Recht grundsätzlich vorzunehmen ist,731 hier nicht in Betracht. Da zudem die Rom III-Verordnung keine eigene Ersatzanknüpfung für die Personengruppe der Staatenlosen vorsieht, ist die Frage nach der rechtlichen Behandlung dieser besonderen Personengruppe als eigenständige Problematik zu betrachten, die vom Regelungsbereich der Rom III-Verordnung nicht umfasst wird. Somit ist auch ohne einen entsprechenden expliziten Verweis das Recht der teilnehmenden Mitgliedstaaten zur Lösung der Problematik heranzuziehen.732 Aus deutscher Sicht kommt daher in erster Linie das New Yorker Übereinkommen über die Rechtstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954733 (StaatenlÜbk) zur Anwendung,734 das gemäß Art. 3 Nr. 2 EGBGB in seinem Anwendungsbereich der nationalen Regelung zum Personalstatut von Staatenlosen in Art. 5 Abs. 2 EGBGB vorgeht. Das Übereinkommen ist auf alle Personen anwendbar, die staatenlos im Sinne des Art. 1 StaatenlÜbk sind, wobei Art. 1 Abs. 1 StaatenlÜbk der allgemeinen Regel folgt, dass jeder Staat selbst über seine Staatsangehörigkeit entscheidet.735 Damit ist Art. 5 Abs. 2 EGBGB weitgehend gegenstandslos, da er nur noch für die gemäß Art. 1 Abs. 2 StaatenlÜbk vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommenen Personen anwendbar bleibt.736 Ebenso wie die Genfer Flüchtlingskonvention737 enthält das Übereinkommen über die Rechtstellung der Staatenlosen in seinem Art. 12 Regelungen für die Bestimmung des „Personalstatuts“ von Staatenlosen. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, definieren die Konventionen hingegen nicht,738 sodass fraglich ist, welchen Regelungsinhalt und -umfang die Vorschrift eigentlich hat. Eine rechtsvergleichende Auslegung des Begriffes führt hier ins Leere, da die Bedeutung und Verwendung der dem deutschen „Personalstatut“ entsprechenden Begriffe in den verschiedenen Konventionsstaaten 730

MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 18. Siehe z.B. Rs. C-523/07, Urteil vom 02.04.2009, EuGHE 2009, S. I-02805 Rn. 34; Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 45 jeweils m.w.N.. 732 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386). 733 Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954, BGBl. 1976 II, S. 474. 734 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 4. 735 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. I Rn. 2; Pirrung, IPRax 2011, S. 50 (53). 736 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 26. 737 Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. 1953 II, S. 560. 738 Auch in früheren Genfer Konventionen findet sich keine nähere Beschreibung des Begriffs, MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 731

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nicht einheitlich ist.739 So wird der Begriff „Personalstatut“ beispielsweise in der englischen und französischen Sprachfassung der Norm mit „personal status“ beziehungsweise „statut personnel“ übersetzt,740 wobei die beiden Begriffe im englischen und französischen Recht inhaltlich nicht übereinstimmen.741 Auch eine Definition des Personalstatuts als „persönliche Rechtsstellung“ wäre hier nicht zielführend, da sie ebenso wenig aussagekräftig ist wie die Bezeichnung „Personalstatut“.742 Somit ist ein Rückgriff auf die jeweiligen nationalen Vorstellungen der Konventionsstaaten für die nähere Bestimmung des Begriffs nahezu unvermeidlich.743 Dies kann zwar zu Differenzen bei der Anwendung des Übereinkommens zwischen den daran beteiligten Staaten führen, diese Abweichungen sind jedoch als unumgänglich hinzunehmen.744 Aus Sicht des deutschen Rechts ist dabei zunächst festzustellen, dass eine Definition des Begriffs auch im nationalen Recht nicht existiert und der Begriff selbst lediglich in der Überschrift des Art. 5 EGBGB Verwendung findet.745 Inhaltlich sieht die Regelung des Art. 5 Abs. 2 EGBGB vor, dass bei staatenlosen Personen die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen beziehungsweise an den schlichten Aufenthalt ersetzt wird.746 Darüber hinaus wurde der Begriff des Personalstatuts traditionell dahingehend verstanden, dass er die Materien betraf, bei denen vorrangig an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, was sodann zur Anwendung des Heimatrechts führte.747 Auf diese Weise umfasste der Begriff vor allem die heimatrechtlichen Normen des Personen-, Familien- und Erbrechts.748 Nachdem die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit in diesen Bereichen nunmehr zunehmend durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt verdrängt oder ersetzt wird, erscheint es jedoch zweifelhaft, ob diese Materien auch insoweit weiterhin als Materien des „Personalstatuts“ im Sinn des Art. 12 StaatenlÜbk betrachtet werden können, wenn sie nicht mehr an die Staatsangehörigkeit anknüpfen.749 Die Bezeichnung „Personalstatut“ in Art. 12 StaatlÜbk wird heute daher oftmals dahingehend verstanden, dass Art. 12 Abs. 1 StaatenlÜbk nur das durch die Staatsangehörigkeit indizierte 739

MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. Von MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74 als „eine nicht geglückte Übersetzung“ bezeichnet. 741 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 742 Vgl. MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74 m.w.N. 743 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 744 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 745 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 746 Vgl. MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 28. 747 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 748 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 749 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 740

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Heimatrecht durch ein anderes Anknüpfungskriterium ersetzt und die Vorschrift in Deutschland somit stets und ausschließlich zur Anwendung gelangt, wenn das deutsche Kollisionsrecht an die Staatsangehörigkeit einer Person anknüpft.750 Dies schließt nunmehr auch die Kollisionsnormen der Rom IIIVerordnung mit ein, denn diese sind seit dem Geltungsbeginn der Verordnung die in Deutschland allein maßgeblichen Kollisionsnormen für Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Wo das Kollisionsrecht hingegen nicht (mehr) auf die Staatsangehörigkeit verweist, wird Art. 12 Abs. 1 StaatenlÜbk funktionslos, denn in diesem Fall gibt es nichts zu ersetzen.751 Art. 12 StaatenlÜbk enthält also keine Kollisionsnormen im eigentlichen Sinn, die unmittelbar zur Anwendung eines bestimmten Rechts führen,752 sondern erschöpft sich darin, für die Kollisionsnormen, die nach ihrem Wortlaut oder durch Auslegung an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, ein anderes Anknüpfungskriterium zu benennen, um die nicht vorhandene Staatsangehörigkeit zu ersetzen.753 Aus diesem Grund fällt das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen auch nicht unter die Regelung des Art. 19 Abs. 1 Rom III-VO, denn anders als internationale Verträge, die Kollisionsnormen für die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes enthalten, ersetzt das Übereinkommen die Kollisionsregeln der Rom III-Verordnung nicht durch eine eigenständige Regelung, sondern ergänzt diese lediglich in einem bestimmten Aspekt, den die Verordnung selbst nicht regelt. In anderen dem Übereinkommen beigetretenen Staaten kann jedoch wegen einer anderen Umschreibung des Personalstatuts der Regelungsinhalt des Art. 12 StaatenlÜbk von der deutschen Interpretation der Norm abweichen.754 Solche Schwankungen sind unumgänglich755 und können dazu führen, dass das Verhältnis zwischen dem Staatenlosenübereinkommen und der Rom III-Verordnung in anderen teilnehmenden Mitgliedstaaten anders bewertet werden mag. Inhaltlich bestimmt Art. 12 Abs. 1 StaatenlÜbk, dass an die Stelle der nicht vorhandenen Staatsangehörigkeit der Wohnsitz und hilfsweise der Aufenthalt einer Person tritt. Dabei ist strittig, ob der Wohnsitz im Sinne des materiellen Rechts des Forums oder als gewöhnlicher Aufenthalt einer Person auszulegen ist.756 Die herrschende Meinung interpretiert den Begriff des Wohnsitzes im Zusammenhang mit Staatsverträgen jedoch als gewöhnlichen Aufenthalt einer 750

Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 54; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. I Rn. 4. 751 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 74. 752 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 23. 753 Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 5 EGBGB Rn. 54; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. I Rn. 5. 754 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. I Rn. 4. 755 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. I Rn. 4. 756 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. I Rn. 8.

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Person, um eine einheitliche Anwendung der Übereinkommen zu ermöglichen.757 Für diese Auslegung spricht insbesondere im Zusammenhang mit der Anwendung europäischen Kollisionsrechts, dass auch der EuGH die Begriffe Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im Wesentlichen gleich definiert.758 In Abgrenzung zum Anknüpfungsmerkmal des Wohnsitzes ist daher unter dem Begriff des Aufenthalts gemäß Art. 12 Abs. 1 StaatenlÜbk der schlichte Aufenthalt einer Person zu verstehen.759 Für die Anwendung der Rom III-Verordnung bedeutet dies, dass im Rahmen der Rechtswahl gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III-VO als Ersatzrecht das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines staatenlosen Ehegatten wählbar ist und mangels eines solchen, das Recht des Staates des schlichten Aufenthalts.760 Auch bei der objektiven Anknüpfung im Rahmen von Art. 8 lit. c) Rom III-VO ist statt der Staatsangehörigkeit der gewöhnliche Aufenthalt eines staatenlosen Ehegatten heranzuziehen und hilfsweise dessen schlichter Aufenthalt. Dieser muss sich sodann mit der Staatsangehörigkeit des anderen Ehegatten decken oder bei zwei staatenlosen Ehegatten mit dem gewöhnlichen beziehungsweise schlichten Aufenthalt des anderen Ehegatten übereinstimmen. Oftmals wird in der letztgenannten Konstellation jedoch bereits die Anknüpfung gemäß Art. 8 lit. a) Rom III-VO greifen, sodass die Ersatzanknüpfung gemäß Art. 12 Abs. 1 StaatenlÜbk nicht zum Tragen kommt.

§ 2 Rechtswahl § 2 Rechtswahl

Die Ehegatten können im Rahmen der Rom III-Verordnung das auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht durch Vereinbarung selbst bestimmen, sofern es dem Kreis der Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO wählbaren Rechte entstammt.761 Insoweit ist die Rom IIIVerordnung Teil einer jüngeren, maßgeblich durch das europäische Kollisionsrecht geprägten Entwicklung hin zur Ausweitung der Parteiautonomie im internationalen Familienrecht.762 Die nunmehr mögliche einvernehmliche Wahl des Scheidungsstatuts durch die Ehegatten wird dabei zwar in der Rom III-Verordnung durch mehrere Vorschriften vergleichsweise ausführlich geregelt, wirft aber dennoch Fragen auf, die der Klärung bedürfen. 757

MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 718; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386) Fn. 69. 758 Vgl. Rs. C-497/10, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-14309 Rn. 51; Rs. C452/93, Urteil vom 15.09.1994, EuGHE 1994, S. I-04295 Rn. 22; Rs. C-262/99, Urteil vom 12.07.2001, EuGHE 2001, S. I-05547 Rn. 51. 759 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 5 EGBGB Anh. I Rn. 9. 760 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386). 761 Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 97. 762 Henrich in LA Schurig, S. 63 (71).

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I. Hintergrund und Bedeutung der Parteiautonomie im Rahmen der Rom III-Verordnung Dass die Ehegatten das auf die Ehescheidung anwendbare Recht durch Vereinbarung untereinander wählen können, stellt für die Mehrheit der teilnehmenden Mitgliedstaaten eine wesentliche Neuerung dar.763 In den wenigen Mitgliedstaaten, die die Rechtswahl in ihrem nationalen Scheidungskollisionsrecht als solche kennen oder kannten,764 hat sie im Vergleich zu ihrer hervorgehobenen Bedeutung im Rahmen der Rom III-Verordnung zumeist nur eine untergeordnete oder ergänzende Funktion.765 Ursprünglich war die Parteiautonomie, also die Möglichkeit das anwendbare Recht durch Parteivereinbarung zu wählen, eine Domäne des internationalen Schuldrechts und bildete das Gegenstück zum sachrechtlichen Grundprinzip der Privatautonomie, also der Freiheit der Partner eines Vertrages, ihre Beziehungen nach ihrem Willen zu gestalten.766 Im Familienrecht hatte die Privatautonomie und damit korrespondierend auch die Parteiautonomie zunächst jedoch keine Bedeutung,767 was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass das Familienrecht traditionell als von überlieferten gesellschaftlichen Konventionen geprägter Bereich galt, der neben den privaten Bedürfnissen der Beteiligten auch dem staatlichen Ordnungsinteresse diene und daher nicht der Disposition des Einzelnen unterliege.768

763

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1677); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (806); Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (529 f.); Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 1; Franzina, CDT 2011, S. 85 (108); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (311); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (707). 764 Beispielsweise Belgien und die Niederlande, Darstellungen und Nachweise im Einzelnen bei Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (529 f.) mit Fn. 22; Henrich in LA Pintens, S. 701 (702); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (708). Im autonomen deutschen Kollisionsrecht war eine eigenständige Wahl des Scheidungsstatuts nicht vorgesehen, die Ehegatten konnten das auf die Scheidung anwendbare Recht allenfalls mittelbar über die Wahl des Ehewirkungsstatuts gemäß Art. 14 EGBGB wählen, vgl. Finger, FuR 2011, S. 61; Ganz, FuR 2011, S. 369 (370). 765 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385) Fn. 50; siehe auch Basedow in LA Pintens, S. 135 (139 f.). 766 Henrich in LA Pintens, S. 701; Weller, IPRax 2011, S. 429 (432); grundlegend zur Parteiautonomie im internationalen Privatrecht Basedow, RabelsZ 2011, S. 32 ff.; Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (39). 767 Henrich in LA Pintens, S. 701; Jayme, YB PIL 2009, S. 1 (2); Helms in LA Pintens, S. 681 (690); Basedow in LA Pintens, S. 135 (138); Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (34); einen Überblick über die Entwicklung im deutschen Kollisionsrecht gibt Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 ff. 768 Pertegás in International Family Law for the European Union, S. 319 (330).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

1. Gründe für die Ausweitung der Parteiautonomie im internationalen Familienrecht Da objektive Anknüpfungskriterien jedoch auf verallgemeinernden Annahmen beruhen, die der Vielfalt der gelebten Familienwirklichkeit nicht immer gerecht werden und eine starre objektive Anknüpfung von grenzüberschreitenden Scheidungsfällen an eine bestimmte Rechtsordnung insbesondere auch in Anbetracht zunehmender Liberalisierungen im materiellen Familienrecht kaum mehr zu rechtfertigen sein dürfte,769 wird das Instrument der Rechtswahl zu einer hilfreichen Option, um interessengerechte Lösungen zu schaffen.770 Hinzu kommt, dass der europäische Gesetzgeber beim Erlass einer Verordnung vor der Aufgabe steht, die unterschiedlichen Rechtssysteme und Anknüpfungsprinzipien der Mitgliedstaaten adäquat zu berücksichtigen. Legen die Mitgliedstaaten – wie im Falle der Ehescheidung – in ihren nationalen Kollisionsrechten also unterschiedliche Anknüpfungsprinzipien zugrunde, um das anwendbare Recht zu bestimmen, bietet es sich an, statt die Anwendung eines dieser Prinzipien als zwingend vorrangig vorzuschreiben, den Beteiligten die Wahl des von ihnen für passend gehaltenen Rechts zu überlassen.771 Vor diesem Hintergrund verwundert es daher kaum, dass sich die Parteiautonomie inzwischen zu einem grundlegenden und weitverbreiteten Anknüpfungsprinzip des europäischen Kollisionsrechts entwickelt hat,772 das neben der Rom III-Verordnung auch bereits in den Verordnungen Rom I773 und Rom II774 sowie im Haager Unterhaltsprotokoll775 und nunmehr auch in der Erbrechtsverordnung776 vorzufinden ist.777

769

Henrich in LA Pintens, S. 701 (703); Jayme, YB PIL 2009, S. 1 (3); Basedow in LA Pintens, S. 135 (139 f.); Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (34); Helms in LA Pintens, S. 681 (690 f). Dazu, wie im Gegenzug auch die Zulassung der Rechtswahl zur Liberalisierung des materiellen Familienrechts beitragen kann, siehe Marzal Yetano, JPIL 2010, S. 155 (178 ff.); Hau in FS Stürner, S. 1237 (1241). 770 Zu den Funktionen der Parteiautonomie insbesondere im internationalen Familienund Erbrecht siehe auch Nagy, NiPR 2012, S. 576 ff. 771 Henrich in LA Pintens, S. 701 (703); Jayme, YB PIL 2009, S. 1 (3); Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (39); Kruger, SSRN. 2012, S. 1 (2); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 15. 772 Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (39, 50); Martiny, IPRax 2011, S. 437 (448). 773 Siehe Art. 3 Rom I-VO. 774 Siehe Art. 14 Rom II-VO. 775 Siehe Art. 7, Art. 8 HUP. 776 Siehe Art. 22 EuErbVO. 777 Auch Art. 16 EhegüterRVO-E ermöglicht es den Parteien, das anwendbare Recht zu wählen, wohingegen der Verordnungsvorschlag zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften keine Rechtswahlmöglichkeiten vorsieht, was jedoch im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des Art. 21 GRCh nicht unproblematisch ist, dazu auch Helms in LA Pintens, S. 681 (685) m.w.N.

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2. Vor- und Nachteile der Rechtswahl Im Vergleich zur früheren Rechtslage wird die Parteiautonomie durch die Einführung der Rom III-Verordnung also wesentlich gestärkt. Dies ist nicht nur im Hinblick auf den Interessenausgleich zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten, sondern auch aus Sicht der scheidungswilligen Paare begrüßenswert und sinnvoll, da die Regeln über die objektive Anknüpfung nicht in jedem Fall geeignet sind, dem Recht zur Anwendung zu verhelfen, mit dem sich die Ehegatten am engsten verbunden fühlen.778 So eröffnet die Rechtswahl einerseits den Ehegatten, die mit der gesetzlichen Reihenfolge der Anknüpfungspunkte, insbesondere der Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, nicht einverstanden sind, die Option, sich für eine andere Anknüpfung, insbesondere das – gemeinsame – Heimatrecht zu entscheiden.779 Andererseits ermöglicht die Rechtswahl den Beteiligten, einem objektiv an sich anwendbaren scheidungsfeindlichen Recht auszuweichen und ein scheidungsfreundliches Recht als anwendbar zu bestimmen.780 Dies trägt zur grundsätzlich scheidungsfreundlichen Ausrichtung der Rom III-Verordnung bei, die im Zusammenspiel mit den Zuständigkeitsregelungen der Brüssel IIa-Verordnung einen weitgehenden favor divortii verwirklicht.781 Zudem kann durch die Rechtswahl Rechtssicherheit insbesondere für die „mobile Binnenmarktehe“782 geschaffen werden, was für die betreffenden Paare vor allem insofern von Vorteil sein kann, als die im Rahmen der objektiven Anknüpfung im Vordergrund stehende Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt weniger dauerhaft und nicht so eindeutig zu bestimmen ist, wie die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit.783 Andererseits wirkt sich gerade im Falle der Rechtswahl der eingeschränkte räumliche Geltungsbereich der Rom III-Verordnung negativ aus, denn die 778

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767); Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (14); Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (34); Looschelders in FS Kropholler, S. 329 (350). 779 Henrich in LA Pintens, S. 701 (705 f.); Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434); Stürner, JURA 2012, S. 708 (709); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (252); Kruger, SSRN. 2012, S. 1 (2). 780 Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 97; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Looschelders in FS Kropholler, S. 329 (350); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 267. 781 Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 8; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1677); Franzina, CDT 2011, S. 85 (99); Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374); Lardeux, RD 2011, S. 1835 (1837). 782 Bezeichnung nach Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1675) als Beschreibung einer Ehe, die von den Ehegatten in wechselnden Mitgliedstaaten geführt wird. 783 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767); Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (211); vgl. auch Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (708).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Rom III-Verordnung, die die Wahl des Scheidungsstatuts ermöglicht, wird zwar in den teilnehmenden Mitgliedstaaten, nicht jedoch notwendigerweise auch in den anderen Mitgliedstaaten der Union oder in Drittstaaten beachtet.784 Dies bedeutet, dass die Wahl der Ehegatten nur dann zum Tragen kommt, wenn der Scheidungsantrag bei einem Gericht eines teilnehmenden Mitgliedstaates verhandelt wird785 oder vor dem Gericht eines Staates, das die Rechtswahl ebenfalls akzeptiert.786 Wird dagegen ein nichtteilnehmender Mitgliedstaat oder ein Drittstaat mit dem Scheidungsbegehren befasst, dessen Recht die parteiautonome Wahl des Scheidungsstatuts nicht akzeptiert, bleibt die Rechtswahl wirkungslos.787 Ehegatten, die eine Rechtswahl bereits bei Eheschließung oder sonst vorgerichtlich in Betracht ziehen, müssen sich also auch damit auseinandersetzen, welche Gerichte für ein potentielles Scheidungsverfahren zuständig wären, und ob die Rechtswahlvereinbarung vor diesen Gerichten Bestand haben wird.788 Die vorgerichtliche Rechtswahl kann damit je nach Lage des Einzelfalls mit einer erheblichen Unsicherheit belastet sein, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Brüssel IIa-Verordnung (noch) keine Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung vorsieht.789 Doch auch wenn das Scheidungsverfahren in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten durchgeführt wird und die Rechtswahl somit zum Tragen kommt, ist dies nicht in jedem Fall unproblematisch für die Ehegatten. So kann die Rechtswahl des Scheidungsstatuts im Einzelfall zur Entstehung hinkender Rechtsverhältnisse führen, wenn die unter Zugrundelegung der Rechtswahl ausgesprochene Scheidung im Heimat(dritt)staat790 der Ehegatten nicht anerkannt wird.791 Die Problematik wird immer dann relevant, wenn der Heimatstaat im Rahmen der Anerkennung eine kollisionsrechtliche Kontrolle durchführt, das heißt eine ausländische Scheidung nur dann anerkennt, wenn sie aufgrund des gleichen Sachrechts erfolgt ist, das auch aus Sicht des Anerkennungsstaates hätte angewendet werden müssen.792 Diese Folge kann grundsätzlich auch im Rahmen der objektiven Anknüpfung auftreten und ist 784 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Henrich in LA Pintens, S. 701 (710); Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 2. 785 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (310). 786 Coester-Waltjen, FF 2013, S. 48 (52). 787 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384); vgl. auch Finger, FuR 2011, S. 61 (63); Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 74; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 267; Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (310); vgl. dazu die Beispielsfälle bei Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (721 ff.). 788 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385); Coester-Waltjen, FF 2013, S. 48 (52); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (310). 789 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385); Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (372). 790 Im Geltungsbereich der Brüssel IIa-Verordnung kann diese Problematik wegen Art. 25 Brüssel IIa-VO nicht auftreten. 791 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1768); Stürner, JURA 2012, S. 708 (710). 792 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1768).

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daher kein spezifisches Problem der Rechtswahl; insbesondere im Falle der Wahl der lex fori ist es jedoch unwahrscheinlich, dass das Heimatrecht im Hinblick auf das anwendbare Recht zum gleichen Ergebnis gekommen wäre wie das die Scheidung aussprechende Gericht des teilnehmenden Mitgliedstaates, weshalb die Problematik im Zusammenhang mit der Rechtswahl eine verstärkte Bedeutung erlangen kann, die es dementsprechend zu berücksichtigen gilt. II. Die für die Rechtswahl relevanten Bestimmungen der Rom III-Verordnung Die Rom III-Verordnung enthält ausführliche Regelungen für die Wahl des Scheidungsstatuts durch die Ehegatten. So bestimmt Art. 5 Rom III-VO den Kreis der wählbaren Rechte und legt den Zeitrahmen für die Vornahme der Rechtswahl fest. Art. 6 Rom III-VO befasst sich mit dem Zustandekommen und der Wirksamkeit von Rechtswahlvereinbarungen, während Art. 7 Rom III-VO die Formgültigkeit der Rechtswahl regelt. 1. Begrenzte Zulässigkeit der Rechtswahl – wählbare Rechtsordnungen (Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO) Um eine tatsächliche793 Verbindung der Ehegatten zum gewählten Recht zu gewährleisten und die Interessen beider Ehegatten gleichermaßen zu wahren, schränkt Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO den Kreis der wählbaren Rechtsordnungen ein und ermöglicht somit lediglich eine begrenzte Rechtswahl.794 Im Wesentlichen sind dies die Rechte, die auch als objektiv anwendbares Recht in Betracht kommen795 und zugleich die Rechte der Staaten,796 in denen auch ein Gerichtsstand nach der Brüssel IIa-Verordnung besteht, wobei jedoch der Kreis der wählbaren Rechte nicht vollständig mit den internationalen Zuständigkeiten übereinstimmt.797 Aufgrund der universellen Anwendbarkeit der Verordnung kann dabei grundsätzlich auch das Recht eines nichtteilnehmenden Mitgliedstaates oder eines Drittstaates gewählt werden.798 793 Erwägungsgrund Nr. 16 Rom III-VO spricht insofern von einem „besonderen Bezug“. 794 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767); Wagner, StAZ 2012, S. 133 (139); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (269); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (252); Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 2; Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (211); ausführlich zu der Frage, welche Belange eine Beschränkung der Parteiautonomie rechtfertigen können, siehe KrollLudwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, S. 303 ff. 795 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434). 796 Wählbar gemäß Art. 5 Rom III-VO ist nur ein staatliches Recht, dieses kann dann allerdings bei einer interpersonellen Rechtsspaltung auf nichtstaatliches, wie z.B. religiöses Recht verweisen, Coester-Waltjen, FF 2013, S. 48 (52). 797 Henrich in LA Pintens, S. 701 (706). 798 Pietsch, NJW 2012, S. 1769.

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a) Aktueller oder letzter gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten und Staatsangehörigkeit eines Ehegatten Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a) Rom III-VO kann das Recht des Staates gewählt werden, in dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt am gleichen Ort ist dabei nicht erforderlich, es genügt vielmehr ein gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten im selben Staat.799 Wählbar ist darüber hinaus gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b) Rom III-VO auch das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch immer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. In diesen Regelungen zeigt sich erneut die Nähe und die gewünschte größtmögliche Kongruenz der Rom III-Verordnung zur Brüssel IIa-Verordnung, denn der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 lit. a) und lit. b) Rom III-VO entspricht weitestgehend der Regelung des Art. 3 Abs. 1 lit. a) 1. und 2. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO.800 Wählbar ist zudem gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III-VO das Recht eines Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt.801 In dieser Konstellation haben zwar möglicherweise nicht beide, sondern nur einer der Ehegatten eine tatsächliche Verbindung zum gewählten Recht,802 dies erscheint jedoch insbesondere dadurch gerechtfertigt, dass nur die parteiautonome und bewusste Entscheidung beider Ehegatten diesem Recht zur Anwendbarkeit verhilft. Da weder ein Ehegatte dazu verpflichtet wird, eine Rechtsordnung zu wählen, zu der er selbst keinerlei Verbindung aufweist, noch ein solches Recht ohne seine aktive Mitwirkung auf die Ehescheidung Anwendung finden kann, erscheint es durchaus interessengerecht, dass im Unterschied zur objektiven Anknüpfung gemäß Art. 8 lit. c) Rom III-VO und im Unterschied zur Begründung einer internationalen Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-Verordnung für die Rechtswahl die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten genügt.803 Der in zeitlicher Hinsicht für die Rechtswahlmöglichkeiten gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a) bis lit. c) Rom III-VO maßgebliche Bezugspunkt ist der Zeitpunkt der Rechtswahl. Das bedeutet, dass die verbindenden Faktoren des 799

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767); Basedow in LA Pintens, S. 135 (143 f.); Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 2; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (809); vgl. auch Ganz, FuR 2011, S. 369 (371); Kruger, SSRN. 2012, S. 1 (4). 800 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385). 801 Eine ähnliche Regelung enthält auch Art. 8 Abs. 1 lit. a) HUP, der ebenfalls die Möglichkeit vorsieht, das Recht des Staates zu wählen, dem eine der Parteien angehört. 802 Vgl. Kruger, SSRN. 2012, S. 1 (6); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (314). 803 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386) sieht diese Wahlmöglichkeit hingegen als nicht unproblematisch an, weil einer der Ehegatten mit dem gewählten Recht sodann gegebenenfalls besser vertraut sei als der andere; auch Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (38) halten dies für „nicht ungefährlich“.

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gewöhnlichen Aufenthalts oder der Staatsangehörigkeit der Ehegatten in diesem Zeitpunkt vorliegen müssen und ein späterer Wegfall des gewählten Bezugspunktes unschädlich ist.804 Dies hat den Vorteil, dass bei der Rechtswahl eine aktuelle Verbundenheit der Ehegatten zum gewählten Recht sichergestellt wird und die Ehegatten Rechtssicherheit erlangen können, indem sie das anwendbare Recht frühzeitig bestimmen und gleichfalls „konservieren“ können, sodass dieses nicht von späteren Veränderungen der Anknüpfungspunkte beeinflusst wird.805 Dass als Scheidungsstatut dabei gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b) Rom III-VO auch das Recht des früheren gemeinsamen Aufenthalts gewählt werden kann, sofern einer der Ehegatten diesen Aufenthalt bis zum Zeitpunkt der Rechtswahl beibehalten hat, trägt der Tatsache Rechnung, dass in einer zerbrechenden Ehe im Regelfall wenige aktuelle Gemeinsamkeiten bestehen und diese daher durch die frühere Verbundenheit ersetzt werden sollen.806 Allerdings führt die Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Rechtswahl auch dazu, dass zum Zeitpunkt der Durchführung des Scheidungsverfahrens unter Umständen keine enge Verbundenheit der Ehegatten zum gewählten Recht mehr besteht.807 Dies ist jedoch notwendige Konsequenz der sachlich gut nachvollziehbaren Weichenstellung, für die Verbindung zum gewählten Recht auf den Zeitpunkt der Rechtswahl abzustellen. Die Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Rechtswahl bringt jedoch auch weitere Nachteile und Gefahren mit sich, über die sich die Ehegatten bei der Wahl des anwendbaren Rechts im Klaren sein sollten. So ist die Rechtswahl, die eigentlich die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöhen soll, insbesondere bei der Wahl des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts mit einer gewissen Unsicherheit für die Ehegatten verbunden, denn diese müssen bei Vornahme der Rechtswahl beurteilen, in welchem Staat der gemeinsame Aufenthalt aktuell besteht. Dies kann wegen der Komplexität der Materie808 zu Problemen führen und eine Unwirksamkeit der getroffenen Rechtswahl zur Folge haben.809 Hinzu kommt, dass ein Gericht unter Umständen Jahre oder Jahrzehnte nach Abschluss der Rechtswahlvereinbarung mit der Frage befasst werden kann, ob zum Zeitpunkt der Rechtswahl die notwendige Verbunden804 Basedow in LA Pintens, S. 135 (141); Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (266); Rudolf, EFZ 2012, S. 101 (103); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (809); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 10. 805 Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (38); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (320). 806 Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (38). 807 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (15); Kruger, SSRN. 2012, S. 1 (11); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (317, 320); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 170, 252. 808 Siehe oben § 1 II. 809 Auch wenn die nötige Verbundenheit zum gewählten Recht später eintritt, ist eine „Heilung“ einer solchen unwirksamen Rechtswahlvereinbarung im Rahmen von Art. 5 Rom III-VO nicht möglich, Gruber, IPRax 2012, S. 381 (385) Fn. 59.

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heit zum gewählten Recht vorgelegen hat.810 Ein solcher Nachweis kann im Einzelfall schwierig zu erbringen sein. In der Praxis wird bei der Gestaltung von Rechtswahlvereinbarungen daher besonders auch auf die Beschreibung der Umstände zu achten sein, die die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute in Bezug auf das gewählte Recht rechtfertigen.811 b) Recht des Staates des angerufenen Gerichts – vorsorgliche Wahl der lex fori? Als weitere Alternative ermöglicht Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO den Ehegatten auch, das Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu wählen.812 Dadurch kann eine Übereinstimmung von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht erreicht und somit die oft arbeits-, kosten- und zeitintensivere Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts vermieden werden, was nicht nur ein berechtigtes Interesse der Ehegatten darstellen kann, sondern oftmals auch im Hinblick auf die Ressourcen der Rechtspflege wünschenswert sein dürfte und zudem der Tradition und Übung einiger Mitgliedstaaten der Union entspricht.813 Gleichzeitig bietet die Vereinheitlichung und Begrenzung der internationalen Zuständigkeit durch die Brüssel IIaVerordnung Gewähr dafür, dass – wie auch in der Konstellation des Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III-VO – zumindest einer der Ehegatten eine Verbindung zum Recht des Forumstaates besitzt, da andernfalls eine internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß Art. 3 Brüssel IIa-VO regelmäßig nicht gegeben ist. An dieser Stelle kommt das enge Zusammenspiel der beiden Verordnungen nochmals deutlich zum Ausdruck, aus dem sich das Streben und Bedürfnis nach einer möglichst übereinstimmenden Auslegung und Anwendung der Verordnungen ergibt. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Vereinheitlichung der Vorschriften zum anwendbaren Scheidungsrecht nach ursprünglichen Reformvorstellungen im Wege einer Änderung und Ergänzung der Brüssel IIa-Verordnung erfolgen sollte, in deren Rahmen gleichzeitig auch die Einführung einer Gerichtsstandsvereinbarung geplant war.814 Insofern war vorgesehen, dass Ehegatten, die eine Ehescheidung oder Trennung ohne Auf810

Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (15). Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545). 812 Siehe in diesem Zusammenhang auch Flessner in LA Pintens, S. 593 (598, 606), der die Auffassung vertritt, dass das europäische Kollisionsrecht grundsätzlich, d.h. auch ohne ausdrückliche besondere Gestattung zugunsten der lex fori abwählbar sein müsse. 813 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386) Fn. 75; Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 5. 814 Vgl. Vorschlag der Kommission vom 17.07.2006 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, KOM (2006) 399 endgültig. 811

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lösung des Ehebandes beantragen, die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaates einvernehmlich festlegen können, sofern ein enger Bezug zu diesem Mitgliedstaat gegeben ist.815 Die erforderliche Verbindung zum vereinbarten Gerichtsstand konnte sich dabei entweder aus den Zuständigkeitsgründen des Art. 3 Brüssel IIa-VO,816 dem längerfristigen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten in einem Staat817 oder der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten818 ergeben. Zudem war auch bereits im Rahmen dieses Reformvorhabens beabsichtigt, die Wahl des anwendbaren Scheidungsrechts zuzulassen, wobei die Ausgestaltung der Rechtswahlvorschriften – unter Berücksichtigung der Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments819 – weitestgehend den nunmehr in der Rom IIIVerordnung vorgesehenen Rechtswahlmöglichkeiten entsprach.820 So war beispielsweise auch im ursprünglichen Reformvorschlag die Wahl der lex fori vorgesehen.821 Die angedachten Regelungen zur Wahl des Gerichtsstandes lassen somit durchaus gewisse Parallelen zur ursprünglich geplanten und nunmehr in der Rom III-Verordnung geschaffenen Möglichkeit der Rechtswahl erkennen. Da zudem die isolierte Vereinbarung eines Gerichtsstandes ohne gleichzeitige Rechtswahl der lex fori nach der Vereinheitlichung des Kollisionsrechts ihrem Zweck nicht immer vollständig gerecht werden kann und daher oftmals wenig sinnvoll erscheint, ist zu vermuten, dass der Einführung der Gerichtsstandsvereinbarung die Vorstellung zugrunde lag, die Ehegatten würden neben der Wahl des Gerichtsstandes zugleich die lex fori zum anwendbaren Recht bestimmen. Nichtsdestotrotz sind keine Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich, dass beide Wahlmöglichkeiten miteinander derart verknüpft waren, dass sie sich gegenseitig bedingen oder voneinander abhängen. So liefern weder der Text des Verordnungsvorschlages, noch dessen Erläuterungen und Änderungen oder sonstige Gesetzgebungsmaterialien Belege oder Anzeichen dafür, dass die Wahl des Gerichtsstandes zwangsweise auch die Wahl des anwendbaren Rechts nach sich ziehen beziehungsweise die Wahl des anwendbaren Rechts die gleichzeitige Wahl des Gerichtsstandes 815

Art. 1 Abs. 2 Verordnungsvorschlag KOM (2006) 399 endgültig. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) Verordnungsvorschlag KOM (2006) 399 endgültig. 817 Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) Verordnungsvorschlag KOM (2006) 399 endgültig. 818 Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) Verordnungsvorschlag KOM (2006) 399 endgültig. 819 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Oktober 2008 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich (KOM(2006)0399 – C60305/2006 – 2006/0135(CNS)), ABlEU Nr. C 15 E vom 21.01.2010, S. 128 (133), Abänderungen 18 bis 25. 820 Art. 1 Abs. 7 (Artikel 20a) Verordnungsvorschlag KOM (2006) 399 endgültig. 821 Art. 1 Abs. 7 (Artikel 20a) Nr. 1 lit. d) Verordnungsvorschlag KOM (2006) 399 endgültig. 816

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voraussetzen würde. Vor diesem Hintergrund verwundert es dann auch nicht, dass die Rechtswahlmöglichkeiten des ursprünglichen Reformvorschlags nach dessen Scheitern unabhängig von der Einführung einer Gerichtsstandsvereinbarung und nur unwesentlich verändert in der Rom IIIVerordnung umgesetzt wurden, und auch die Möglichkeit, die lex fori zum anwendbaren Recht zu bestimmen, erhalten geblieben ist. Im Hinblick auf die Rechtswahlmöglichkeit des Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO ist dabei allerdings zu beachten, dass die Wahl der lex fori den Ehegatten ermöglicht, das anwendbare Recht durch Anrufung eines bestimmten Gerichts zu beeinflussen, was im Grunde einem forum shopping gleich kommt. Bedacht werden sollte dabei andererseits aber auch, dass jede Rechtswahl eine bewusste Beeinflussung des anwendbaren Rechts darstellt, was zudem gerade Sinn und Zweck der Einführung einer Rechtswahlmöglichkeit entspricht. Darüber hinaus kann die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO nur einvernehmlich mit Zustimmung beider Ehegatten erfolgen, denn beide Ehegatten müssen gemeinsam die lex fori zum anwendbaren Recht wählen. Da die Gefahr eines Wettlaufs zu den Gerichten somit kaum gegeben ist, bestehen auch keine Bedenken dagegen, die Wahl der lex fori als eine Option im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO grundsätzlich zuzulassen. Fraglich ist diesbezüglich jedoch, ob das zuständige Gericht bei der Rechtswahl durch die Ehegatten bereits angerufen sein muss, oder ob eine Wahl der lex fori auch vorsorglich822 zu einem früheren Zeitpunkt möglich ist. Der deutsche Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO823 legt zunächst die Vermutung nahe, dass eine Wahl der lex fori erst nach Anrufung des Gerichts erfolgen kann.824 Auch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit der Rechtswahl und dem Erfordernis einer informierten Entscheidung der Ehegatten ließe sich argumentieren, dass ein Gericht erst angerufen und damit als Forum bestimmt sein muss, bevor dessen lex fori als auf die Ehescheidung anwendbares Recht gewählt werden kann. Da jedoch nicht alle Sprachfassungen auf das Recht des angerufenen Gerichts, sondern vielfach lediglich auf das Recht des Forums Bezug nehmen,825 kann dem genauen Wortlaut der deutschen Formulierung bei der Auslegung der Norm keine allzu hohe Bedeutung beigemessen werden, denn der Verweis auf das Recht des Forums in anderen Sprachfassungen lässt durchaus Raum für die Deutung, dass auch vorsorglich das Recht des jeweils angerufe822 Auch als „floating choice of law“ bezeichnet, siehe z.B. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 72. 823 „ […] des angerufenen Gerichts“. 824 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); Basedow in LA Pintens, S. 135 (142); Hau in FS Stürner, S. 1237 (1241). 825 Siehe z.B. die englische Fassung „the law of the forum“ und die französische Version „la loi du for“.

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nen Gerichts gewählt werden kann.826 Für eine großzügige Auslegung zugunsten einer vorsorglichen Wahl der lex fori spricht zudem, dass der Zeitrahmen für die Rechtswahl für alle Alternativen des Art. 5 Abs. 1 Rom IIIVO einheitlich durch die Absätze 2 und 3 der Norm geregelt ist.827 Systematische Erwägungen sprechen demnach dafür, dass auch die Wahl der lex fori gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO grundsätzlich jederzeit bis zur Anrufung des Gerichts und in den durch Absatz 3 bestimmten Fällen auch später erfolgen kann. Auch die Tatsache, dass Erwägungsgrund Nr. 18 Rom III-VO die informierte Entscheidung828 beider Ehegatten bei der Rechtswahl als wesentlichen Grundsatz der Verordnung hervorhebt und betont, dass sich jeder Ehegatte genau über die rechtlichen und sozialen Folgen der Rechtswahl im Klaren sein sollte, steht nicht im Widerspruch zu einer vorsorglichen Wahl der lex fori.829 Das Erfordernis einer informierten Entscheidung, so es denn überhaupt als ein wirkliches Erfordernis und nicht nur als ein Grundsatz oder eine Zielvorstellung zu deuten sein sollte, verlangt nicht, dass die Ehegatten eine konkrete Rechtsordnung bezeichnen oder die Durchführung des Scheidungsverfahrens vor einem konkreten Gericht ins Auge gefasst haben,830 denn eine informierte Entscheidung kann auch schlichtweg darin bestehen, dass sich die Ehegatten der Ungewissheit bewusst sind, die diese sogenannte floating choice of law mit sich bringt. So spricht Erwägungsgrund Nr. 18 Rom III-VO letztlich auch nicht davon, dass die Ehegatten über das gewählte Recht informiert sein sollen, sondern vielmehr über die Bedeutung und Folgen der Rechtswahl an sich.831 Dies ist jedoch auch bei einer vorsorglichen Wahl der lex fori ohne Weiteres möglich, solange die Ehegatten wissen, dass diese Art der Rechtswahl zwangsläufig ein gewisses Maß an Unsicherheit bedeutet, die unter anderem darin besteht, dass die vollen Auswirkungen der Entscheidung im Zeitpunkt der Rechtswahl im Einzelnen noch nicht überblickbar sind. Zudem birgt die vorsorgliche Wahl der lex fori in besonderem Maße die Gefahr des forum shopping durch einen Ehegatten, sodass sich die Ehepartner 826

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767); Basedow in LA Pintens, S. 135 (142); Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 5; Basedow in FS Posch, S. 17 (22). 827 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 5. 828 In der deutschen Fassung „ […] dass beide Ehegatten ihre Rechtswahl in voller Sachkenntnis treffen“, aber in der englischen Version „The informed choice of both spouses“ und französich: „Le choix éclairé des deux conjoints”. 829 So wohl aber Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 5; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (814); Hau in FS Stürner, S. 1237 (1241 f.). 830 So aber Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1768). 831 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386) verweist in diesem Zusammenhang zudem darauf, dass auch nach den zur Rom I-Verordnung entwickelten Kriterien eine wirksame Rechtswahl nicht notwendig voraussetzt, dass die Parteien über den Inhalt des von ihnen gewählten Rechts näher informiert sind.

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auch über dieses Risiko im Klaren sein sollten. Wollen die Ehegatten gemeinsam ein solches Risiko jedoch bewusst in Kauf nehmen, so ist nicht ersichtlich, warum ihnen diese Möglichkeit verwehrt werden sollte. Vielmehr ist den mündigen und voll geschäftsfähigen Ehegatten diese Unklarheit bedenkenlos zuzutrauen und ihnen insofern ein Recht auf Risiko zu gewähren, zumal die Unvorhersehbarkeit, die mit der vorsorglichen Wahl der lex fori verbunden ist, durch die Begrenzung der internationalen Zuständigkeiten durch die Brüssel IIa-Verordnung doch erheblich eingedämmt wird. Hinzu kommt, dass der Grundsatz einer informierten Entscheidung in erster Linie dem Schutz der Ehegatten selbst dienen und sie vor Unsicherheit bewahren soll. Auf diesen Schutz können die Ehegatten jedoch auch verzichten und bewusst ein bestimmtes Ausmaß an Unsicherheit in Kauf nehmen. So ist der Erwägungsgrund Nr. 18 Rom III-VO also dahingehend zu verstehen, dass es sich bei der Rechtswahl zwar um eine informierte Entscheidung handeln soll, dies jedoch nicht zwangsweise mit Bestimmtheit und detaillierter Kenntnis des gewählten Rechts einhergehen muss, zumal Letzteres in der Praxis ohnehin selten erreichbar sein dürfte. Darüber hinaus genügt das Gebot, dass sich jeder Ehegatte genau über die rechtlichen und sozialen Folgen der Rechtswahl im Klaren sein sollte, ebenfalls nicht, um eine vorsorgliche Wahl der lex fori auszuschließen. Wäre eine solche restriktive Handhabung der Rechtswahlmöglichkeiten durch den Verordnungsgeber beabsichtigt gewesen, hätte dies deutlicher und in erster Linie wohl im Verordnungstext selbst zum Ausdruck kommen müssen.832 Eine in den Erwägungsgründen formulierte Zielvorstellung, die sprachlich bewusst auf ein „sollen“ reduziert ist, vermag zwar der Intention des Verordnungsgebers Ausdruck zu verleihen, jedoch keine derart weitreichenden Einschränkungen des Verordnungstextes zu bewirken.833 Zudem sollte man bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO stets im Blick behalten, dass die – auch vorsorgliche – Wahl der lex fori lediglich eine Option unter vielen darstellt. Gerade im Bereich der Rechtswahl sind eine tendenziell großzügige Auslegung sowie Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten und eine „Vermeidung von Paternalismus“834 nicht nur angezeigt, sondern auch unentbehrlich, wenn nicht von vornherein das mit der Einführung der Rechtswahl verfolgte Ziel der Stärkung der Parteiautonomie konterkariert werden soll. Insgesamt bestehen damit gegenüber einer bedingten Rechtswahl in Form der vorsorglichen Wahl der lex fori keine durchschlagenden Bedenken, sodass im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 lit. d) 832

In anderem Zusammenhang Gruber, IPrax 2012, S. 381 (387). In diesem Sinne auch Gruber, IPrax 2012, S. 381 (387), der den Erwägungsgrund Nr. 18 angesichts des Erwägungsgrundes Nr. 19 in erster Linie als ein an die nationalen Gesetzgeber gerichtetes „rechtspolitisches Desiderat“ ansieht; vgl. dazu auch Hau in FS Stürner, S. 1237 (1242). 834 Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (47). 833

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Rom III-VO auch eine sogenannte floating choice of law vorgenommen werden kann.835 2. Zeitrahmen für die Vornahme der Rechtswahl (Art. 5 Abs. 2 und 3 Rom III-VO) Der Zeitrahmen, innerhalb dessen eine Rechtswahl von den Ehegatten vorgenommen werden kann, wird durch Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Rom III-VO bestimmt. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO „kann eine Rechtswahlvereinbarung jederzeit, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, geschlossen oder geändert werden.“ Aus dieser Formulierung ergibt sich zunächst, dass eine Rechtswahlvereinbarung grundsätzlich auch bereits vor der Eheschließung getroffen werden kann. Dem steht auch nicht der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO entgegen, der den Ehegatten ermöglicht, das auf die Ehescheidung anwendbare Recht zu wählen. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass die Rechtswahl erst nach der Eheschließung vorgenommen werden kann, weil es sich vorher bei den Wählenden noch nicht um Ehegatten handelt. Eine derart restriktive Auslegung des Normtextes würde dem Bedürfnis der Ehegatten und dem Streben des Verordnungsgebers nach Rechtssicherheit zuwiderlaufen. Die künftigen Ehegatten sind also nicht gehindert, eine Rechtswahlvereinbarung in einen vor der Heirat geschlossenen Ehevertrag aufzunehmen.836 Die Rechtswahl ist in diesem Fall aufschiebend bedingt und wird erst mit der Eheschließung wirksam.837 Die durch Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO bestimmte zeitliche Begrenzung der Rechtswahl spätestens auf den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, der sich unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe Nr. 10 und Nr. 13 Rom III-VO wiederum nach Art. 16 Brüssel IIa-VO bestimmt,838 wird jedoch sodann durch Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO dadurch relativiert, dass die Norm auch eine 835

Basedow in LA Pintens, S. 135 (142); Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (265); Rudolf, EFZ 2012, S. 101 (103); Basedow in FS Posch, S. 17 (23); wohl auch Makowsky, GPR 2012, S. 266 (269 f.); so auch bereits für die Rom I-Verordnung Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 72; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 18; zuvor bereits für Art. 27 EGBGB Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 II 3 c) (S. 463); Hau in FS Stürner, S. 1237 (1242); a.A. Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom IIIVO Rn. 5; Coester-Waltjen, FF 2013, S. 48 (53) Fn. 31; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 284; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (814); Rösler, RabelsZ 2014, S. 155 (169 f.). 836 Vgl. Kruger, SSRN. 2012, S. 1 (11). 837 Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (372). 838 Art. 16 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO: „Ein Gericht gilt als angerufen zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht wurde, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken.“; vgl. auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1768); Ganz, FuR 2011, S. 369 (371).

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Rechtswahl im Laufe des Verfahrens, also noch nach Anrufung des Gerichts, erlaubt, sofern das Recht des Staates des angerufenen Gerichts dies vorsieht.839 Für Scheidungsverfahren vor deutschen Gerichten bedeutet dies, dass eine Rechtswahlvereinbarung auch noch nach Antragstellung gemäß § 124 FamFG geschlossen werden kann. Dies wird nunmehr ausdrücklich geregelt durch Art. 46 d Abs. 2 EGBGB, der bestimmt, dass die Ehegatten „die Rechtswahl […] auch noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug vornehmen“ können.840 Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO war zudem auch vor Inkrafttreten des Anpassungsgesetzes, das zeitlich erst nach dem Geltungsbeginn der Rom III-Verordnung erfolgte, auf Scheidungsverfahren vor deutschen Gerichten anwendbar, da auch die einschlägigen Vorschriften des FamFG841 und der ZPO842 auf den Schluss der letzten mündlichen Verhandlung als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachund Rechtslage abstellen.843 Allerdings ermöglichen die allgemeinen Vorschriften der ZPO auch eine Rechtswahl im Berufungsverfahren,844 sodass Art. 46 d Abs. 2 EGBGB den Zeitrahmen für die Vornahme der Rechtswahl im Vergleich zur früheren Rechtslage im Ergebnis verkürzt hat. 3. Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung (Art. 6 Rom III-VO) Art. 5 Rom III-VO regelt zwar die grundsätzliche Zulässigkeit einer Rechtswahlvereinbarung, nicht jedoch deren Zustandekommen und Wirksamkeit.845 Die Bestimmung des auf diese Fragen anwendbaren Rechts erfolgt durch Art. 6 Rom III-VO. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO richten sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung oder einer ihrer Bestimmungen nach dem Recht, das aufgrund der Rom IIIVerordnung anzuwenden wäre, wenn die Vereinbarung oder die Bestimmung wirksam wäre. Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO sieht also vor, dass auch bereits das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahl grundsätzlich durch 839

Die Regelung begrüßend Schurig in FS von Hoffmann, S. 404 (408), da sie „am ehesten wirklichen Bedürfnissen entsprechen“ dürfte; kritisch gegenüber der Möglichkeit einer nachträglichen Rechtswahl hingegen Hodson, IFL 2011, S. 65 (66). 840 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434) befürwortet die Schaffung einer solchen Rechtswahlmöglichkeit nach Anrufung des Gerichts, da den Parteien in vielen Fällen erst vor Gericht die Problematik des anwendbaren Rechts bewusst werde und sie dadurch eine ihren Erwartungen entsprechende Rechtswahl treffen könnten. 841 § 134 Abs. 2 FamFG. 842 § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m § 121 Nr. 1 FamFG und § 296 a ZPO. 843 Süß/Ring/Süß, Eherecht in Europa, § 2 Rn. 284; a.A. Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 11; Dimmler/Bißmaier, FamRBint 2012, S. 66 (69). 844 Vgl. Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 139. 845 Vgl. Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 39.

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das Recht beurteilt werden sollen, dessen Anwendung die Ehegatten durch die Vereinbarung zu bestimmen wünschen. Die gewählte Anknüpfung basiert dabei jedoch nicht auf der zu prüfenden Vereinbarung selbst, sondern auf dem rein äußerlichen Tatbestand des Anscheins einer Rechtswahl.846 Dies ist durchaus sinnvoll, da einerseits zunächst geklärt werden muss, ob die Vereinbarung tatsächlich zustande gekommen und wirksam geworden ist, diese Frage andererseits aber auch nicht dem Recht des Forums unterworfen werden kann, weil ein solches im Zeitpunkt der Rechtswahl noch nicht feststehen muss.847 a) Reichweite des Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO Die Rechtswahlvereinbarung stellt eine Abrede zwischen den Ehegatten dar, deren Wirksamkeit anhand der allgemeinen Bestimmungen über Willenserklärungen und das Zustandekommen von Verträgen zu beurteilen ist.848 In seiner Reichweite umfasst Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO somit Fragen, die den Abschluss und die inhaltliche Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung betreffen.849 Dies sind also beispielsweise Willensmängel beim Abschluss der Rechtswahlvereinbarung, die zur Anfechtbarkeit wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung führen können.850 Der von Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO angeordnete Vorgriff auf das gewählte Recht gilt zudem im Grundsatz auch für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt eine Einigung auf eine Rechtswahl vor-

846 Vgl. Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 40; MünchKomm/ Martiny, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 105. 847 Basedow in LA Pintens, S. 135 (143); Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 40; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 106; a.A. Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (214 ff.), der eine verordnungsautonome Lösung dem Verweis auf das nationale Recht vorgezogen hätte; Lardeux, RD 2011, S. 1835 (1841), die eine Anknüpfung an die lex fori bevorzugt hätte. 848 Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (810). 849 Zu beachten ist jedoch, dass (Vor)Fragen, die die Rechts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen betreffen, gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. a) Rom III-VO vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind, sodass beispielsweise die Geschäftsfähigkeit als Vorfrage selbständig anzuknüpfen ist, vgl. auch Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB, Art. 6 Rom III-VO Rn. 1; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (104); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (807); ausführliche Darstellungen bei MünchKomm/Spellenberg, BGB, Art. 10 Rom I-VO Rn. 21 ff. und 97 ff. sowie Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom I-VO Rn. 3; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 292 ff.; Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 124; Kemper, FamRBint 2012, S. 63 (65). 850 Vgl. Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 39 f.; Rauscher/ Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 10 Rom I-VO Rn. 9; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 108; Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB, Art. 6 Rom III-VO Rn. 1; vgl. auch Dimmler/Bißmaier, FamRBint 2012, S. 66 (69).

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liegt.851 Im Hinblick auf die inhaltliche Wirksamkeit ist insbesondere an Treu und Glauben oder eine mögliche Sittenwidrigkeit zu denken, die aber wegen der ausdrücklichen Zulässigkeit der Rechtswahl und der Vorgabe der wählbaren Rechte durch die Rom III-Verordnung selbst im Ergebnis kaum vorstellbar ist.852 Mit seinem Verweis auf die lex causae ermöglicht Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO somit eine nationale Abschluss- und Inhaltskontrolle853 der Rechtswahlvereinbarung, wobei eine genaue Abgrenzung zwischen beiden Instrumenten aufgrund fließender Übergänge nicht in jedem Fall möglich, wegen der einheitlichen Regelung in Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO aber auch nicht erforderlich sein dürfte.854 Eine weitere, über den ordre-publicVorbehalt hinausgehende unionsrechtliche Inhaltskontrolle ist dagegen nicht vorgesehen,855 sodass allein das berufene Recht den Maßstab für die Prüfung des Zustandekommens und der Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung bildet.856 Kommt dieses zu dem Ergebnis, dass die fragliche Rechtswahlvereinbarung nicht zustande gekommen oder unwirksam ist, sind für die Bestimmung des anwendbaren Rechts die objektiven Anknüpfungsregeln des Art. 8 Rom III-VO heranzuziehen.857 Die gewählte lex causae ist hingegen nicht zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Rechtswahl berufen.858 Ob die von den Ehegatten berufene Rechtsordnung selbst eine Rechtswahl für die Ehescheidung vorsieht, ist irrelevant, weil eine solche Prüfung gegen den Ausschluss des renvoi durch Art. 11 Rom III-VO verstoßen würde.859 Auch die Frage, ob die Ehegatten gerade das vereinbarte Recht wählen durften, ist nicht Gegenstand des Art. 6 Rom IIIVO, denn diese Frage wird durch die Anknüpfungsregeln des Art. 5 Rom IIIVO geregelt.860 Der europäische Gesetzgeber hat in der Rom III-Verordnung 851

Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 10 Rom I-VO Rn. 10; MünchKomm/ Spellenberg, BGB, Art. 10 Rom I-VO Rn. 107; Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB, Art. 6 Rom III-VO Rn. 1. 852 Vgl. Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (810); Coester-Waltjen, FF 2013, S. 48 (54); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 293. 853 Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 268; Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (68 f.) lehnt jedoch eine nationale Inhaltskontrolle ab und möchte die Vorschrift dahingehend teleologisch reduzieren, dass sie lediglich Fragen der Abschlusskontrolle umfasst; ähnlich wohl auch Finger, FuR 2013, S. 305 (308); offen im Hinblick auf das geltende Recht, jedoch in der Sache für eine unionsrechtliche Inhaltskontrolle plädierend Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (216 f.). 854 Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (68). 855 Hau, FamRZ 2013, S. 249 (252); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 819. 856 Finger, FuR 2011, S. 61 (65); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 819. 857 Vgl. Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (63, 65). 858 Vgl. MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 104. 859 Basedow in LA Pintens, S. 135 (143); vgl. auch Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 39. 860 Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 10 Rom I-VO Rn. 12.

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die Rechtswahl in beschränktem Umfang gestattet und damit abschließend über die Zulässigkeit der Rechtswahl entschieden.861 Einer nach der Rom IIIVerordnung zulässigen Rechtswahl kann daher weder über die lex causae die Geltung versagt werden, noch kann einer nach der Rom III-Verordnung unzulässigen Rechtswahl nach der lex causae Wirkung verliehen werden.862 Die Vorschriften der Rom III-Verordnung und nicht das nationale Recht entscheiden zudem auch grundsätzlich über die Anforderungen, die an die Rechtswahlvereinbarung zu stellen sind. So ist insbesondere und beispielsweise aus der Verordnung selbst und nicht aus der lex causae zu entnehmen, ob eine Rechtswahl auch stillschweigend getroffen werden kann, wohingegen die lex causae darüber entscheidet, ob der äußere und innere Konsens über die Rechtswahl vorliegt.863 b) Regelung des Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO Eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO stellt sodann jedoch Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO auf, demgemäß sich ein Ehegatte für die Behauptung, er habe der Rechtswahlvereinbarung nicht zugestimmt, auf das Recht des Staates berufen kann, in dem er zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich aus den Umständen ergibt, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Wirkung seines Verhaltens nach dem vermeintlich gewählten Recht zu beurteilen.864 Damit ist die Regelung des Art. 6 Rom III-VO im Hinblick auf Wortlaut und Systematik offensichtlich der Vorschrift des Art. 10 Rom I-VO nachgebildet,865 die gemäß Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO auch für Rechtswahlvereinbarungen im Rahmen der Rom I-Verordnung Anwendung findet. Jedoch stellt Art. 6 Abs. 2 Rom IIIVO für die Berufung auf das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ab, wohingegen Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO den maßgeblichen Zeitpunkt nicht benennt. Gruber866 hält die Regelung insoweit allerdings für verfehlt,867 da durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts eine ursprünglich wirk-

861

Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 10 Rom I-VO Rn. 12. Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 10 Rom I-VO Rn. 12. 863 Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 294. 864 Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1769) Fn. 35 sieht die Vorschrift als „reichlich verunglückt“ an, ohne dafür jedoch Gründe zu nennen; auch Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (215) lehnt sie als ungeeignet ab. 865 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1768); Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (214 f.); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387); Basedow in LA Pintens, S. 135 (143); Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (270); Palandt/Thorn, BGB, Art. 6 Rom III-VO Rn. 2; Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (711). 866 IPRax 2012, S. 381 (387); vgl. auch Basedow in LA Pintens, S. 135 (143). 867 Dazu auch Basedow in LA Pintens, S. 135 (143). 862

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same Rechtswahlvereinbarung durch Aufenthaltswechsel eines Ehegatten nachträglich unwirksam werden kann.868 Inhaltlich dürfte – insbesondere im Hinblick auf die durch Art. 7 Rom IIIVO aufgestellten Formerfordernisse für die Rechtswahl – für Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO wohl nur ein eng begrenzter Anwendungsbereich verbleiben.869 Die im Rahmen der Parallelvorschrift des Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO diskutierten Fälle, in denen das bloße Schweigen einer Partei von dem nach Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO bestimmten Recht als Zustimmung gewertet wird,870 können innerhalb der Rom III-Verordnung aufgrund des Schriftlichkeitserfordernisses871 nicht auftreten.872 Darüber hinaus stellt Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO auch keinen besonderen Vorbehalt des ordre public dar.873 Dies kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO gleichermaßen die Heranziehung inländischen und ausländischen Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des betroffenen Ehegatten vorsieht. Entscheidend ist jedoch, dass es im Rahmen von Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO nicht um die Unvereinbarkeit des Ergebnisses einer Anwendung ausländischen Rechts mit inländischen grundlegenden Vorstellungen, sondern um eine Frage der Zumutbarkeit geht.874 4. Form der Rechtswahl (Art. 7 Rom III-VO) Hinsichtlich der formellen Anforderungen, die an eine wirksame Rechtswahlvereinbarung zu stellen sind, muss unterschieden werden zwischen Rechtswahlvereinbarungen, die bis zur Anrufung des Gerichts getroffen werden und solchen, die erst nach Anrufung des Gerichts im Laufe des Verfahrens erfolgen: Für vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarungen gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO gelten die differenzierten Regelungen des Art. 7 Abs. 1 bis Abs. 4 Rom III-VO, wohingegen für nachträgliche Rechtswahlvereinba868

Vgl. dazu auch Basedow in FS Posch, S. 17 (24); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (323); Lardeux, RD 2011, S. 1835 (1841); Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (820). 869 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387); Basedow in LA Pintens, S. 135 (143); Palandt/Thorn, BGB, Art. 6 Rom III-VO Rn. 2; Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (711); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 819 verweist insoweit beispielsweise auf Einbeziehungsprobleme bei AGB, die auch unter Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO vorstellbar seien. 870 Vgl. Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 41; MünchKomm/ Martiny, BGB, Art. 3 Rom I-VO Rn. 107; Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom I-VO Rn. 5. 871 Dazu sogleich unten (4.). 872 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387) Fn. 88; Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (215); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (711); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 22. 873 Vgl. MünchKomm/Spellenberg, BGB, Art. 10 Rom I-VO Rn. 241. 874 Stürner, JURA 2012, S. 708 (709); vgl. MünchKomm/Spellenberg, BGB, Art. 10 Rom I-VO Rn. 241.

§ 2 Rechtswahl

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rungen gemäß Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO lediglich die Formvorschrift des Art. 5 Abs. 3 S. 2 Rom III-VO zu beachten ist. a) Vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarung Die vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarung bedarf gemäß Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO „der Schriftform, der Datierung sowie der Unterzeichnung durch beide Ehegatten“, wobei die Schriftform gemäß Satz 2 der Norm ausdrücklich auch durch elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, gewahrt werden kann.875 Bei diesen durch die Verordnung selbst aufgestellten Vorgaben handelt es sich um Mindeststandards, die in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten einzuhalten sind.876 Gemäß Art. 7 Abs. 2 bis Abs. 4 Rom III-VO können die teilnehmenden Mitgliedstaaten darüber hinaus jedoch zusätzliche, strengere Formvorschriften für vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarungen vorsehen. Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung sind dabei die Vorschriften des teilnehmenden Mitgliedstaates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.877 Haben die Ehegatten zu diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben teilnehmenden Mitgliedstaat, so sind gemäß Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO dessen Formvorschriften auf die Rechtswahlvereinbarung anzuwenden. Sofern die Ehegatten jedoch zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen teilnehmenden Mitgliedstaaten haben, ist die Rechtswahlvereinbarung gemäß Art. 7 Abs. 3 Rom III-VO formgültig, wenn sie den Vorschriften eines dieser Mitgliedstaaten entspricht. Hat hingegen zum Zeitpunkt der Rechtswahl nur einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem teilnehmenden Mitgliedstaat hat, sind dessen zusätzliche Formanforderungen an die Rechtswahlvereinbarung gemäß Art. 7 Abs. 4 Rom III-VO zu beachten. In Deutschland schreibt Art. 46 d Abs. 1 EGBGB für eine vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarung gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO die notarielle

875

Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 820 sieht diese Option als „merkwürdig“ an und wirft die berechtigte Frage auf, ob die elektronische Form die Unterschriftlichkeit überwindet oder eine elektronische Signatur erfordert, worüber letztlich wohl tatsächlich der EuGH zu entscheiden haben wird. 876 Vgl. Zeitzmann, ZEuS 2011, S. 87 (108); Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (213); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (323); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (711); Andrae, FPR 2010, S. 505 (506). 877 Campuzano Diaz, YB PIL 2011, S. 233 (248) weist in diesem Zusammenhang darauf hin und kritisiert, dass die Formvorschriften für die Rechtswahl in Art. 19 EhegüterRVO-E von denen der Rom III-Verordnung abweichen, was zu zusätzlichem Aufwand und Problemen für die Ehegatten führt und ggf. verhindert, dass die Ehegatten beide Statute in einer einheitlichen Rechtswahlvereinbarung wählen können.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Beurkundung vor.878 Diese strenge Formanforderung ist im nationalen Kollisionsrecht und im materiellen Familienrecht bereits in anderen Bereichen vorgesehen879 und soll vor allem dem Schutz des „schwächeren“ Ehegatten dienen.880 Durch die Einführung der notariellen Beurkundung wird somit auch den Vorgaben des Erwägungsgrundes Nr. 19 Rom III-VO Rechnung getragen, der im Hinblick auf die Formgültigkeit der Rechtswahlvereinbarung Schutzvorkehrungen fordert, um sicherzustellen, dass sich die Ehegatten der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind. b) Nachträgliche Rechtswahlvereinbarung Bei einer nachträglichen Rechtswahlvereinbarung gemäß Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO gelten die Formvorschriften des Art. 7 Rom III-VO nicht, denn diese Vorschrift bezieht sich ausweislich des eindeutigen Wortlauts ihres Absatzes 1 nur auf Rechtswahlvereinbarungen gemäß Art. 5 Abs. 1 und 2 Rom III-VO, also lediglich auf solche, die spätestens zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts getroffen werden.881 Für Rechtswahlvereinbarungen, die im Laufe des Gerichtsverfahrens vorgenommen werden, gilt stattdessen Art. 5 Abs. 3 S. 2 Rom III-VO, der bestimmt, dass das Gericht die Rechtswahl im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll nimmt. Der Gesetzentwurf zum Anpassungsgesetz geht hingegen davon aus, dass die Form der notariellen Beurkundung grundsätzlich auch für nachträgliche Rechtswahlvereinbarungen gilt.882 Dadurch würde gewährleistet, dass „im Fall einer Vereinbarung gemäß Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO […] die Formanforderungen für eine Rechtswahlvereinbarung nicht schwächer sind als die 878

Gegen die Einführung einer verschärften Formvorschrift, um keine zusätzlichen Hürden für die Rechtswahl zu schaffen und einen Gleichlauf zur Entwicklung im internationalen Unterhaltsrecht herzustellen, wo die Wahl des auf den nachehelichen Unterhalt anwendbaren Rechts im Wege einfacher Schriftform möglich ist Helms in LA Pintens, S. 681 (692 f.); skeptisch auch Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (266); für zusätzlich Formerfordernisse etwa in Form einer notariellen Beurkundung hingegen Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (324). 879 Siehe etwa Art. 14 Abs. 4, 15 Abs. 3 EGBGB und §§ 1408, 1410 BGB, § 7 VersAusglG. 880 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 11; für Helms in LA Pintens, S. 681 (692) ist jedoch ein gravierendes Schutzbedürfnis, das die Einführung einer verschärften Formvorschrift erforderlich macht, nicht ersichtlich. 881 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769). 882 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 11.

§ 2 Rechtswahl

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für einen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs im materiellen Recht nach § 7 Abs. 1 VersAusglG.“883 Dies sei angemessen, da der deutsche Versorgungsausgleich faktisch auch durch die Wahl eines ausländischen Scheidungsrechts ausgeschlossen werden könne. Konsequenterweise solle deshalb aber auch wie in § 7 Abs. 1 VersAusglG für die Rechtswahlvereinbarung während des laufenden Gerichtsverfahrens eine Erleichterung geschaffen werden und § 127 a BGB entsprechende Anwendung auf nachträgliche Rechtswahlvereinbarungen finden, wodurch die notarielle Beurkundung „im Einzelfall entbehrlich“ werden könne.884 Zudem geht die Begründung des Gesetzentwurfes davon aus, dass § 127 a BGB auch auf einen nicht protokollierten, aber auf Vorschlag des Gerichts schriftlich zustande gekommenen Vergleich mit Rechtswahlvereinbarung entsprechend angewandt werden soll, weil an dessen Vorbereitung und Formulierung der Richter selbst mitgewirkt hat.885 Aus dem Wortlaut und der damit verbundenden inhaltlichen Begrenzung des Art. 7 Rom III-VO auf vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarungen ergibt sich jedoch, dass die teilnehmenden Mitgliedstaaten nur für diese Art der Rechtswahlvereinbarungen zusätzliche Formerfordernisse aufstellen dürfen.886 Für diese Auslegung spricht neben Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Rom III-VO887 auch Erwägungsgrund Nr. 20 Rom III-VO, der vorsieht, dass es für nachträgliche Rechtswahlvereinbarungen genügen sollte, wenn die Rechtswahl vom Gericht im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll genommen wird. Die Möglichkeit einer strengeren Formanforderung wird hier im Gegensatz zu Erwägungsgrund Nr. 19 Rom III-VO, der sich ausweislich der Systematik auf vorgerichtliche Rechtswahlvereinbarungen bezieht, nicht aufgeführt.

883

Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 11. 884 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 11. 885 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 11. 886 A.A. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387) mit Verweis darauf, dass Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO die Zulässigkeit einer nachträglichen Rechtswahl ganz in die Hände des nationalen Gesetzgebers legt. 887 Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO: „für solche Vereinbarungen“; engl.: „for this type of agreement“; frz.: „pour ce type de convention“.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Demzufolge ist die Regelung des Art. 46 d Abs. 2 S. 2 EGBGB bestenfalls überflüssig, wenn nicht sogar fehlerhaft, denn die Formvorschrift der gerichtlichen Protokollierung ergibt sich bereits unmittelbar aus der Verordnung selbst. Für eine zusätzliche Formanforderung, wie sie durch die weite Formulierung des Art. 46 d Abs. 1 EGBGB888 aufgestellt wird, besteht damit kein Raum, sodass eine Protokollierung der im Laufe des Verfahrens erfolgten Rechtswahl nach den Vorschriften der ZPO und des FamFG hinreichend und formgültig ist. Einer besonderen Durchführungsnorm zur Umsetzung der in der Verordnung angeordneten Protokollierung der nachträglichen Rechtswahl bedarf es, wie der Gesetzentwurf anerkennt, ebenfalls nicht, denn gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG gelten für Ehesachen889 unter anderem die Allgemeinen Vorschriften der ZPO entsprechend.890 Darunter fällt auch die Regelung des § 160 Abs. 2 ZPO, wonach die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung – mithin auch die Abgabe von Rechtswahlerklärungen – in das Protokoll aufzunehmen sind.891 c) Konkludente Rechtswahl? Angesichts dieser Formerfordernisse für Rechtswahlvereinbarungen ist fraglich, ob auch im Rahmen von Art. 5 Rom III-VO eine konkludente Rechtswahl wie bei den Verordnungen Rom I und Rom II möglich ist. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass die Rom III-Verordnung im Gegensatz zu den Verordnungen Rom I892 und Rom II893 eine konkludente Rechtswahl nicht ausdrücklich vorsieht. Demgegenüber stellt die Rom III-Verordnung aber ein Schriftformerfordernis894 für Rechtswahlverein888

„Eine Rechtswahlvereinbarung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 […] “. Konsequenterweise hätte es jedoch lauten müssen „ […] nach Artikel 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 […]“. 889 Legaldefinition in § 121 FamFG. 890 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8. 891 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8. 892 Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO: „Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben.“ 893 Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO: „Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben […]“. 894 Auch die gerichtliche Protokollierung einer im Laufe des Verfahrens getroffenen Rechtswahlvereinbarung bedeutet im Ergebnis eine notwendige Verschriftlichung der Rechtswahl.

§ 2 Rechtswahl

181

barungen auf, während die Verordnungen Rom I und Rom II die Formanforderungen in Bezug auf die Rechtswahl vollständig den nationalen Rechten überlassen.895 Zwar lässt sich ein Schriftformerfordernis grundsätzlich nur in wenigen Fällen mit einer konkludenten Rechtswahl vereinbaren, dennoch sind Konstellationen denkbar, die die Frage nach der Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl aufwerfen. So käme eine konkludente Rechtswahl beispielsweise in Betracht, wenn die Ehegatten eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung treffen, die zwar keine auf die Scheidung bezogene Rechtswahlklausel enthält, aber ersichtlich eine bestimmte Rechtsordnung zugrunde legt.896 Eine solche Konstellation lag beispielsweise in einem Sachverhalt vor, über den das OLG Hamm in einem der ersten Verfahren zur Rom III-Verordnung zu entscheiden hatte.897 In diesem Fall enthielt die iranische Heiratsurkunde der Ehegatten verschiedene bei der Eheschließung vereinbarte Bedingen für einen möglichen Scheidungsantrag durch die Ehefrau und ging dabei offenbar, wenn auch nicht ausdrücklich, von der Anwendbarkeit iranischen Scheidungsrechts aus.898 Aus einem Umkehrschluss zu Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO folgt für Gruber, dass eine konkludente Rechtswahl auch im Rahmen der Rom III-Verordnung möglich sei, denn Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO lasse ein bloßes „Verhalten“ als Zustimmung zur Rechtswahlvereinbarung genügen und gehe damit offenkundig von der Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl aus.899 Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO ist jedoch zu bedenken, dass die Norm in ihrem Wortlaut fast identisch ist mit der Regelung des Art. 10 Rom I-VO und somit offensichtlich aus der Rom I-Verordnung übernommen wurde, was die Verwendung der Begrifflichkeiten erklärt. Die Fragen, die im Rahmen des Art. 10 Rom I-VO hauptsächlich diskutiert werden und dort vor allem deshalb relevant werden, weil eine konkludente Rechtswahl im Rahmen der Rom I-Verordnung einerseits ausdrücklich vorgesehen ist, ein Schriftformerfordernis andererseits jedoch nicht besteht,900 können schon gerade wegen des Schriftformerfordernisses bei Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO nicht auftreten.901 Somit verbleibt für Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO nur ein begrenzter Kreis an 895

Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 11 Rom I-VO bzw. für außervertragliche Schuldverhältnisse Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 11 Rom I-VO analog, Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 14 Rom II-VO Rn. 27. 896 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387) Fn. 83; Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 167. 897 OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2013 (3 UF 267/12). 898 OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2013 (3 UF 267/12), Rn. 4, 60. 899 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387) mit Fn. 83 . 900 Beispielsweise, ob das bloße Schweigen einer Partei als Zustimmung gewertet werden kann, vgl. oben 3 b). 901 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387) Fn. 88; vgl. auch Basedow in FS Posch, S. 17 (24); Lardeux, RD 2011, S. 1835 (1841).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Anwendungsfällen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die nahezu wortgleiche Übernahme der Regelung aus der Rom I-Verordnung ohne inhaltliche Anpassungen an die veränderten Voraussetzungen der Rom IIIVerordnung unglücklich ist.902 Aus der Bezugnahme auf das „Verhalten eines Ehegatten“ wird man daher kaum ableiten können, dass dadurch die Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl geschaffen werden sollte. Wäre dies die Intention des Verordnungsgebers gewesen, hätte man problemlos die Formulierungen der Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO beziehungsweise Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO übernehmen können, was jedoch nicht geschehen ist. Ein Umkehrschluss zu diesen Normen sowie die Einführung des Schriftformerfordernisses sprechen vielmehr dafür, dass eine konkludente Rechtswahl im Rahmen der Rom III-Verordnung nicht vorgesehen ist.903 Das OLG Hamm ging abweichend von der hier vertretenen Auffassung in dem oben genannten Fall jedoch – wie selbstverständlich – von einer Zulässigkeit der konkludenten Rechtswahl aus, ohne diese Frage zu problematisieren.904 III. Einzelfragen im Bereich der Rechtswahl Über die Regelung der Rechtswahl in den Art. 5 bis 7 Rom III-VO hinaus ist die Einführung der Parteiautonomie auch für andere im Rahmen der Rom IIIVerordnung relevante Fragestellungen von Bedeutung. So ist einerseits fraglich, ob die Rom III-Verordnung auch die Wahl von Rechtsordnungen erlaubt, die eine Privatscheidung zulassen. Andererseits ist bezüglich des Umfangs der Rechtswahl die Frage zu klären, ob die parteiautonome Wahl des anwendbaren Rechts Auswirkungen auf die Anknüpfung von Vorfragen haben kann. Darüber hinaus ist auch auf die verfahrensrechtlichen Aspekte der Rechtswahl kurz einzugehen.

902

Basedow in LA Pintens, S. 135 (143); Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434); Lardeux, RD 2011, S. 1835 (1841). 903 So auch Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1768); Rühl in FS Kropholler, S. 187 (197 f.); Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (52); Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 80; Palandt/Thorn, BGB, Art. 6 Rom III-VO Rn. 2; Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 167; für Jayme, YB PIL 2009, S. 1 (8) eine offene Frage (in Bezug auf eine ähnliche Formulierung im internationalen Unterhaltsrecht); offen gelassen auch bei Hau, FamRZ 2013, S. 249 (253); Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (817); a.A. Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 21; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 273; Finger, FuR 2013, S. 305 (309); Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (266), Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (104) und Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 130, die davon ausgehen, dass das gewählte Recht über die Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl zu entscheiden hat. 904 OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2013 (3 UF 267/12), Rn. 53 ff.; kritisch dazu Helms, IPRax 2014, S. 334 f.; zur Entscheidung siehe auch Hilbig-Lugani, FamRBint 2013, S. 83.

§ 2 Rechtswahl

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1. Wahl einer Rechtsordnung, die eine Privatscheidung vorsieht? Als Folge der universellen Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung kann grundsätzlich jedes staatliche Recht Gegenstand der Rechtswahl sein. Da Art. 4 Rom III-VO keinerlei Einschränkungen der universellen Anwendbarkeit vorsieht, kann somit auch das Recht eines Staates gewählt werden, das die Privatscheidung zulässt, sofern es dem Kreis der nach Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO wählbaren Rechte entstammt.905 Denkbar ist dies beispielsweise, wenn einer der Ehegatten die Staatsangehörigkeit eines solchen Staates besitzt. Zwar betont Erwägungsgrund Nr. 16 Rom III-VO ausdrücklich, dass das von den Ehegatten gewählte Recht mit den Grundrechten vereinbar sein muss, wie sie durch die Verträge und durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt werden. Dies dürfte für viele Rechtsordnungen, die eine Privatscheidung zulassen, insbesondere solche aus dem islamisch-geprägten Rechtskreis, deren Scheidungsrecht einseitig zugunsten des Ehemannes ausgestaltet ist,906 aufgrund von Verstößen gegen den Gleichheitssatz nicht zutreffen. Jedoch ist zu beachten, dass die nunmehr in Erwägungsgrund Nr. 16 Rom III-VO ausgesproche Forderung nach Vereinbarkeit mit den Grundrechten im ursprünglichen Verordnungsentwurf in Art. 3 Abs. 1 noch als Teil des Verordnungstextes vorgesehen war.907 Die Forderung ist und war wohl in der Tat auf Rechtsordnungen ausgerichtet, die eine Privatscheidung wie beispielsweis den talaq ermöglichen, und würde als Bestandteil des eigentlichen Verordnungstextes aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass viele unter anderem muslimische Rechtsordnungen von vornherein und unabhängig von den Regelungen des ordre public aus dem Kreis der wählbaren Rechte ausgeschlossen wären.908 Da jedoch in der Endfassung der nunmehr geltenden Rom III-Verordnung diese Forderung nicht mehr in den Regelungen der Verordnung selbst enthalten ist, sondern in die Erwägungsgründe verschoben wurde, die wiederum zwar eine Auslegungshilfe, aber keine Regelungen mit Gesetzescharakter darstellen, kann darin eine bewusste Abkehr des Verordnungsgebers von der Einschränkung der Parteiautonomie auf der Ebene des wählbaren Rechts gesehen werden.909 Daher gelten nunmehr für den Fall, dass eine Rechtsordnung gewählt wird, die eine Privatscheidung kennt, die gleichen Kriterien und Einschränkungen, die auch dann maßgeblich sind, wenn eine solche Rechtsordnung im Wege der objek905

Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Makowsky, GPR 2012, S. 266 (268); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 180. 906 Dazu noch ausführlicher unten § 4 IV. 907 Basedow in LA Pintens, S. 135 (147). 908 Basedow in LA Pintens, S. 135 (147). 909 Basedow in LA Pintens, S. 135 (147).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

tiven Anknüpfung berufen wird. Dazu gehören unter anderem Fragen im Zusammenhang mit dem ordre public910 oder die Frage nach der Anpassung des auf Verfahrensscheidungen ausgerichteten Wortlauts an die Besonderheiten der Privatscheidung, die jedoch an anderer Stelle erörtert werden.911 2. Auswirkungen der Rechtswahl auf die Anknüpfung von Vorfragen Die Rechtswahl im Rahmen der Rom III-Verordnung ist auf die Wahl des Scheidungsstatuts, also auf das auf die Hauptfrage anwendbare Recht beschränkt. Das auf Vorfragen, wie beispielsweise auf die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe, anzuwendende materielle Recht ist hingegen nicht wählbar, da diese Vorfragen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen.912 Eine Wahl des Rechts, das über das Bestehen der Ehe entscheiden soll, würde eine Wahl des Eheschließungsstatuts bedeuten, das jedoch weiterhin unvereinheitlicht und nicht Gegenstand der Rom III-Verordnung ist, und auf das somit die Vorschriften der Rom III-Verordnung über die Rechtswahl nicht anwendbar sind. Zugleich führt der Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung durch Art. 11 Rom III-VO dazu, dass das aufgrund der Verordnung anzuwendende Recht lediglich die Sachnormen der berufenen Rechtsordnung umfasst und die Vorschriften des internationalen Privatrechts dieser Rechtsordnung unberücksichtigt lässt. Da die Norm keinerlei Unterschiede dahingehend vorsieht, ob das berufene Recht als Folge einer Rechtswahl oder aufgrund objektiver Anknüpfung zur Anwendung kommt, ist auch die Rechtswahl auf das materielle Recht der gewählten Rechtsordnung beschränkt.913 Dies bedeutet im Ergebnis, dass auch das auf Vorfragen anwendbare Kollisionsrecht nicht wählbar ist, die Ehegatten also nicht zwischen selbständiger und unselbständiger Anknüpfung der Vorfrage entscheiden können. Es bleibt somit auch im Falle der Rechtswahl bei der oben begründeten selbständigen Anknüpfung der Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe. Zwar ist es denkbar, dass die Ehegatten mit der Rechtswahl bezwecken wollten, dass eine Scheidungsentscheidung so ergeht, wie ein Richter im Staat des gewählten Rechts sie treffen würde und eine unselbständige Anknüpfung der Vorfrage nach dem Recht der lex causae somit dem (mutmaßlichen) Willen der Ehegatten entsprechen würde.914 Nichtsdestotrotz wird man zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Verordnung den Eheleuten eine solche weitreichende Rechtswahlmöglichkeit schlichtweg nicht eröffnet. Zum anderen tragen die Argu910

Makowsky, GPR 2012, S. 266 (268); Basedow in LA Pintens, S. 135 (147). Siehe unten § 4 IV. 912 Siehe oben (Abschnitt B § 2 I.). 913 Rühl in FS Kropholler, S. 187 (195); insoweit unverständlich Finger, FuR 2011, S. 61 (65). 914 Henrich in LA Schurig, S. 63 (72). 911

§ 2 Rechtswahl

185

mente, die im Rahmen der objektiven Anknüpfung für eine selbständige Anknüpfung der Vorfrage sprechen,915 auch für den Fall der Rechtswahl, insbesondere im Hinblick auf die Problematik der Ehe als Statusverhältnis. Es darf zudem vermutet werden, dass sich die Eheleute oftmals ohnehin keinerlei Gedanken um das internationale Privatrecht machen, wenn sie das auf die Ehescheidung anwendbare Recht wählen, sondern hauptsächlich oder lediglich das auf die Scheidung der Ehe anwendbare Sachrecht im Blick haben dürften. Somit entspricht die Vorfragenanknüpfung nach der lex causae nicht unbedingt dem Willen oder dem Interesse der Beteiligten, weil ein solcher Wille bei den Eheleuten mangels eines entsprechenden Problembewusstseins im Zweifel gar nicht existiert. Aus den oben bereits ausführlich dargestellten Gründen sind daher Vorfragen im Rahmen der Rom III-Verordnung grundsätzlich – auch im Fall der Rechtswahl – selbständig nach der lex fori anzuknüpfen. Dieser Gleichlauf von Rechtswahl und objektiver Anknüpfung ist damit nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern auch im Hinblick auf Rechtssicherheit und Praktikabilität begrüßenswert. 3. Verfahrensrechtliche Aspekte der Rechtswahl Die Rom III-Verordnung umfasst ausschließlich das Kollisionsrecht der Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und regelt nicht das dazugehörige Scheidungsverfahren. Da auch die verfahrensrechtliche Brüssel IIa-Verordnung lediglich die internationale Zuständigkeit der Gerichte sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen betrifft und keine Regelungen über die Durchführung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens enthält, bleiben hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Aspekte der Scheidung die autonomen Verfahrensregeln der lex fori, in Deutschland also die Vorschriften des FamFG und der ZPO maßgebend.916 Auch die Frage, wie mit der Rechtswahlvereinbarung der Ehegatten im Verfahren umzugehen ist, richtet sich daher nach dem Verfahrensrecht des Forums. Dies betrifft unter anderem die Frage, ob die Rechtswahlvereinbarung von Amts wegen zu beachten ist oder nur dann, wenn sich ein Ehegatte ausdrücklich auf die Vereinbarung beruft, ob also insoweit der Beibringungsgrundsatz oder ein Amtsermittlungsprinzip gilt.917 Auch der Umfang und Maßstab der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Vereinbarung wird vom Verfahrensrecht des Forums bestimmt. Diese Fragen bilden jedoch eine eigenständige verfahrensrechtliche Thematik, die hier nicht im Einzelnen erörtert werden kann und soll. Nicht zu verwechseln ist diese Thematik hingegen mit der Frage nach der Anwendbarkeit der kollisionsrechtlichen Regelungen an sich. Das in Deutschland geltende internationale Privatrecht, also auch die Rom III-Verordnung, ist in allen 915

Dazu oben Abschnitt B § 2 I. 2. b). Vgl. Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 138. 917 Vgl. Rauscher/von Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 138. 916

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Fällen mit Auslandsberührung von Amts wegen zu beachten und anzuwenden, ohne dass eine Partei die Anwendung ausländischen Rechts reklamieren muss.918

§ 3 Objektive Anknüpfung § 3 Objektive Anknüpfung

Haben die Ehegatten keine Rechtswahl getroffen, muss das auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht anhand objektiver Anknüpfungskriterien ermittelt werden. Die in der Rom III-Verordnung getroffene Regelung zur objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts stellt dabei eine Kompromisslösung dar, die einerseits die unterschiedlichen Interessen und Traditionen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union berücksichtigt und andererseits die rechtspolitischen Ziele der Union umsetzen soll. Dies führt dazu, dass die Rom III-Verordnung grundlegende Änderungen im Vergleich zum zuvor maßgeblichen Scheidungsstatut des autonomen deutschen Kollisionsrechts mit sich gebracht hat, die insbesondere durch einen Wechsel des vorrangigen Anknüpfungsprinzips gekennzeichnet sind. I. Das mangels Rechtswahl auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht In Ermangelung einer Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO wird das auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht durch Art. 8 Rom III-VO bestimmt. Wie auch die bisherige deutsche Regelung, sieht die Norm eine „Anknüpfungsleiter“, also mehrere subsidiäre Anknüpfungsmöglichkeiten in Form von Stufen der Haupt- und Hilfsanknüpfungen vor.919 Dabei greift die Rom III-Verordnung zwar teilweise auf die gleichen Anknüpfungskriterien zurück wie das autonome deutsche Kollisionsrecht, verwendet diese aber in einer anderen Reihenfolge und kehrt damit letztendlich die Anknüpfung des Scheidungsstatuts im Vergleich zur bisherigen deutschen Regelung um.920 918

Siehe nur Zöller/Geimer, ZPO, § 293 ZPO Rn. 9a, 10; Musielak/Huber, ZPO, § 293 ZPO Rn. 8. 919 Becker, NJW 2011, S. 1543 (1544); Stürner, JURA 2012, S. 708 (710); Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433; Palandt/Thorn, BGB, Vorb. Rom III-VO Rn. 4; Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (104); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 815; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (809); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (326); Kemper, FamRBint 2012, S. 63 (65). 920 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1544); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679) Fn. 56; Stürner, JURA 2012, S. 708 (710); Palandt/Thorn, BGB, Vorb. Rom III-VO Rn. 4; Ganz, FuR 2011, S. 369 (371); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (270).

§ 3 Objektive Anknüpfung

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1. Die Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO Die Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO stellt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts vorrangig auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ab und nimmt hilfsweise auf die Staatsangehörigkeit der Ehegatten und die lex fori Bezug. Die Norm lehnt sich dabei an bereits existierende europäische Regelungen, insbesondere in der Brüssel IIa-Verordnung an und ermöglicht damit grundsätzlich einen Gleichlauf von Forum und anwendbarem Recht. a) Aktueller gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten (Art. 8 lit. a) Rom III-VO) Gemäß Art. 8 lit. a) Rom III-VO ist zunächst das Recht des Staates zur Anwendung berufen, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies entspricht nicht nur dem nach Art. 5 Abs. 1 lit. a) Rom III-VO wählbaren Recht, sondern ist auch angelehnt an die Regelung des Art. 3 Abs. 1 lit. a) 1. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO,921 wodurch sichergestellt wird, dass im Staat der vorrangig berufenen Rechtsordnung auch eine internationale Gerichtszuständigkeit besteht und somit der Gleichlauf zwischen Forum und anwendbarem Recht zumindest ermöglicht wird. Da Art. 3 Brüssel IIa-VO jedoch alternative Zuständigkeiten begründet, zwischen denen der Antragsteller wählen kann,922 ist dieser Gleichlauf aber keinesfalls garantiert, sodass die Problematik der Anwendung fremden Sachrechts weiterhin existiert. b) Letzter gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten (Art. 8 lit. b) Rom III-VO) Für den Fall, dass die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im selben Staat haben, kommt gemäß Art. 8 lit. b) Rom III-VO der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im selben Staat als Anknüpfungspunkt zum Tragen, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch immer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auch bei dieser Anknüpfung sind deutliche Parallelen zu anderen Vorschriften zu erkennen, denn auch Art. 5 lit. b) Rom III-VO und Art. 3 Abs. 1 lit. a) 2. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO verweisen auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten im selben Staat, jedoch ohne die in Art. 8 lit. b) Rom III-VO vorgesehene Jahresfrist zu beinhalten oder eine andere zeitliche Begrenzung für die Bezugnahme auf den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten vorzugeben. 921

Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 99. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 1; Magnus/Mankowski/ Borrás, Brussels IIbis Regulation, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 7; Kohler, FPR 2008, S. 193. 922

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Allerdings ist die Koppelung des gewöhnlichen Aufenthalts an eine Jahresfrist auch im internationalen Verfahrensrecht nicht grundsätzlich unbekannt. So eröffnet beispielsweise Art. 3 Abs. 1 lit. a) 5. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO einen Gerichtsstand in dem Staat, in dem Antragsteller seit mindestens einem Jahr vor Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. c) Gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten (Art. 8 lit. c) Rom III-VO) Sofern die Voraussetzungen des Art. 8 lit. a) und lit. b) Rom III-VO nicht vorliegen und eine Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten somit nicht möglich ist, wird gemäß Art. 8 lit. c) Rom IIIVO das Recht des Staates zur Anwendung berufen, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen. Abweichend von Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III-VO, der auf die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten abstellt, ist im Rahmen der objektiven Anknüpfung damit nur eine gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten für die Bestimmung des anwendbaren Rechts von Bedeutung. Bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit weicht Art. 8 lit. c) Rom III-VO somit zwar von der Regelung der Rechtswahl ab, läuft aber andererseits parallel zur Regelung der internationalen Zuständigkeit in Ehesachen gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b) Brüssel IIa-VO und ermöglicht somit erneut einen Gleichlauf von Forum und anwendbarem Recht. Diese Regelung ist auch aus Gründen der Billigkeit zu befürworten, denn nur die Anknüpfung an eine gemeinsame Staatsangehörigkeit bietet Gewähr dafür, dass beide Ehepartner auch eine tatsächliche Verbindung zu dem Recht besitzen, dessen Anwendbarkeit sie nicht eigenverantwortlich gewählt haben, sondern ihnen vorgegeben wird. d) Recht des Staates des angerufenen Gerichts (Art. 8 lit. d) Rom III-VO) Haben die Ehegatten weder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat noch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, kommt gemäß Art. 8 lit. d) Rom III-VO spätestens923 nach Ablauf der Jahresfrist des Art. 8 lit. b) Rom III-VO das Recht des Staates des angerufenen Gerichts zur Anwendung. Die Anknüpfung an die lex fori fungiert dabei als Notanknüpfung und Auffangregelung und stellt sicher, dass zumindest auf der letzten Stufe der Anknüpfungsleiter immer ein Anknüpfungskriterium zur Verfügung steht, das zur sicheren und eindeutigen Bestimmung eines anwendbaren Rechts führt. Die Wahl der lex fori als Anknüpfungskriterium ist dabei zugleich Ausdruck eines gewissen „Heimwärtsstrebens“924 und kommt damit auch denjenigen 923

Wenn die Ehegatten nie einen gemeinsamen Aufenthalt hatten, kommt bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit der Ehegatten von vornherein nur die Anwendung der lex fori in Betracht. 924 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388).

§ 3 Objektive Anknüpfung

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Mitgliedstaaten entgegen, die beim Scheidungsstatut grundsätzlich an die lex fori anknüpfen und die Anwendung ausländischen Scheidungsrechts ablehnen.925 2. Vergleich zur früheren Regelung des deutschen Kollisionsrechts Nach dem Scheidungsstatut des autonomen deutschen Kollisionsrechts, das in Art. 17 EGBGB a. F. geregelt war, unterlag die Scheidung dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend war. Das Scheidungsstatut war also an das Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB angebunden. Durch diese einheitliche Anknüpfung sollte der Zusammenhang zwischen den Pflichten der Ehegatten während der Ehe und den Folgen ihrer Verletzung gewahrt bleiben, ohne jedoch die Eigenständigkeit der beiden Statute in Frage zu stellen.926 Entsprechend der im Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB getroffenen Regelung war damit in Form einer Anknüpfungsleiter nacheinander gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zunächst an die (letzte) gemeinsame Staatsangehörigkeit, sodann gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB an den (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt und zuletzt gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB an die gemeinsame engste Verbundenheit der Ehegatten anzuknüpfen.927 a) Änderung der Anknüpfungsreihenfolge Im Vergleich zur bisherigen deutschen Regelung ist somit vor allem die Änderung der Anknüpfungsreihenfolge durch die nunmehr einschlägige Regelung des Art. 8 Rom III-VO von Bedeutung. Dabei entspricht zwar die Anknüpfungstechnik des Art. 8 Rom III-VO in Form einer Anknüpfungsleiter im weitesten Sinne der Kegel‘schen Leiter des Art. 14 EGBGB, jedoch stellt nun nicht mehr die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute, sondern ihr gewöhnlicher Aufenthalt das erstrangige Anknüpfungskriterium dar, während die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten nur noch nachrangig zu berücksichtigen ist, was letztendlich einen Sprossentausch im Vergleich zur früheren Rechtslage bedeutet.928 Hinzu kommt die hilfsweise Anknüpfung an die lex fori, die bisher im deutschen Recht nicht vorgesehen war und die Anknüpfung an die engste Verbindung der Ehegatten ersetzt. Durch diese Ände925

Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 329; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (806). 926 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 37 f.; Ganz, FuR 2011, S. 369 (370). 927 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 35. 928 Süß/Ring/Süß, Eherecht in Europa, § 2 Rn. 287; Palandt/Thorn, BGB, Vorb. Rom III-VO Rn. 4; Stürner, JURA 2012, S. 708 (710); Ganz, FuR 2011, S. 369 (371); Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (806).

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rungen wird im Zusammenspiel mit den Aufenthaltszuständigkeiten der Brüssel IIa-Verordnung der Gleichlauf zwischen anwendbarem Recht und Gerichtszuständigkeit verstärkt und die Anwendung ausländischen Rechts zurückgedrängt.929 Hierdurch sollte unter anderem den Interessen derjenigen Staaten Rechnung getragen werden, die auf eine Ehescheidung grundsätzlich die lex fori anwenden und die Anwendung von ausländischem Scheidungsrecht vor ihren innerstaatlichen Gerichten ablehnen.930 b) Maßgeblicher Zeitpunkt Hinsichtlich des maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkts und der Wandelbarkeit des Scheidungsstatuts sind keine grundlegenden Änderungen der Rechtslage zu verzeichnen. Art. 8 lit. a) bis lit. c) Rom III-VO verweisen auf den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts als maßgeblichen Zeitpunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts. Was unter der Anrufung des Gerichts zu verstehen ist, wird durch die Rom III-Verordnung nicht definiert. Da aber Art. 16 Brüssel IIa-VO die Anrufung des Gerichts regelt und dafür auf die Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes bei Gericht als maßgeblichen Zeitpunkt abstellt,931 kann im Hinblick auf die Erwägungsgründe Nr. 10 und Nr. 13 Rom III-VO932 davon ausgegangen werden, dass sich die Anrufung des Gerichts auch für die Zwecke der Rom III-Verordnung nach Art. 16 Brüssel IIa-VO bestimmt und somit durch die Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks erfolgt.933 Damit wird das Scheidungsstatut für die objektive Anknüpfung im Zeitpunkt der Anhängigkeit des Scheidungsantrags unwandelbar festgelegt, sodass eine Änderung des anwendbaren Rechts nach diesem Zeitpunkt allenfalls noch durch eine nachträgliche Rechtswahl gemäß Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO möglich ist.934 Insofern weicht die Regelung des Art. 8 Rom III-VO nicht wesentlich von der bisherigen Regelung des autonomen deutschen Kollisionsrechts ab, denn gemäß Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. war der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit 929

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769). Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769). 931 Art. 16 Abs. 1 lit. a) Brüssel IIa-VO: „Ein Gericht gilt als angerufen zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht wurde, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken.“ 932 Erwägungsgrund Nr. 13 S. 2 Rom III-VO: „Soweit zweckmäßig, sollte ein Gericht als gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 angerufen gelten.“ 933 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (386); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767 f.); Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 88; Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 6. 934 Makowsky, GPR 2012, S. 266 (270); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Stürner, JURA 2012, S. 708 (710); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (104); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (253); Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 6. 930

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des Scheidungsantrags für die Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblich. Nach diesem Zeitpunkt eintretende Änderungen der für die Anknüpfung maßgebenden Umstände wirkten sich auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht mehr aus, sodass das Scheidungsstatut des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. ab Eintritt der Rechtshängigkeit unwandelbar war, ohne dass dabei jedoch die Möglichkeit einer nachträglichen Rechtswahl des Scheidungsstatuts existierte.935 Da der Scheidungsantrag gemäß §§ 124, 113 FamFG i.V.m. §§ 261, 253 Abs. 1 ZPO mit der Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner und nicht bereits mit der Einreichung des Schriftsatzes bei Gericht rechtshängig wurde,936 stimmt der maßgebliche Anknüpfungszeitpunkt des Art. 8 Rom III-VO jedoch nicht exakt mit der Regelung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. überein. Während unter dem Scheidungsstatut des autonomen deutschen Kollisionsrechts also die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages maßgeblich war, kommt es nunmehr auf die Anhängigkeit des Scheidungsantrages an.937 II. Bewertung und Stellungnahme Die Regelung der objektiven Anknüpfung in Art. 8 Rom III-VO bedeutet insgesamt eine grundlegende Veränderung der Rechtslage im Vergleich zum zuvor maßgeblichen Scheidungsstatut des autonomen deutschen Kollisionsrechts. Die Ausgestaltung des Scheidungsstatuts der Rom III-Verordnung ist dabei insbesondere im Hinblick auf die vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten als positiv und zeitgemäß zu bewerten.938 Jedoch können manche der gewählten Anknüpfungskriterien im Einzelfall zu unerwünschten Auswirkungen und Ergebnissen führen und die betroffenen Ehepaare vor Probleme stellen. Dies gilt insbesondere für die Anknüpfung an die lex fori, die dem Ziel des Verordnungsgebers entgegensteht, forum shopping zu verhindern. Problematisch ist zudem, dass die Rom III-Verordnung auf flexible Anknüpfungsmomente, wie etwa die „engste Verbindung“, vollständig verzichtet und diese auch nicht subsidiär verwendet.939

935 Siehe nur MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 14, 38; Ganz, FuR 2011, S. 369 (371). 936 Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 50. 937 Stürner, JURA 2012, S. 708 (710). Die Bezugnahme auf die Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht in Art. 16 Brüssel IIa-VO ist dabei dem deutschen Recht nicht völlig fremd, denn gemäß § 167 ZPO wird auch im autonomen deutschen Recht unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anhängigkeit einer Klage abgestellt. 938 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679). 939 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679).

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1. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt Die vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt bedeutet eine Abkehr von dem in vielen Ländern bisher maßgeblichen Staatsangehörigkeitsprinzip und einen Übergang zum Aufenthaltsprinzip.940 Damit wird ein Paradigmenwechsel vollzogen, der auch in anderen Bereichen des internationalen Privatrechts bereits stattgefunden hat.941 Vor allem im internationalen Kindschaftsrecht ist man im Interesse einer schnellen und an den realen Bedürfnissen des Kindes orientierten Entscheidung schon relativ früh zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt übergegangen.942 Mit der Rom IIIVerordnung dringt das Aufenthaltsprinzip nunmehr auch in einen Kernbereich des internationalen Eherechts vor, der bis vor Kurzem vor allem im deutschen Recht als Domäne des Staatsangehörigkeitsprinzips galt, sodass diesbezüglich inzwischen von einem grundsätzlichen Trend im europäischen internationalen Privatrecht gesprochen werden kann.943 Die Gründe944 für die Abkehr vom Staatsangehörigkeits- zugunsten des Aufenthaltsprinzips sind vielfältig. So ermöglicht die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unterscheidet sich somit von der starren Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, die eine Berücksichtigung der tatsächlichen Lebensumstände der Ehegatten verhindert945 und die zudem im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot problematisch ist.946 Außerdem wird durch die veränderte Anknüpfungsreihenfolge im Zusammenspiel mit den Aufenthaltszuständigkeiten der Brüssel IIa-Verordnung der Gleichlauf zwischen anwendbarem Recht und Gerichtszuständigkeit verstärkt und damit die Anwendung ausländischen Rechts zurückgedrängt.947 In 940

Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (10); de Vido, CDT 2012, S. 222 (231); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 806. 941 Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170. 942 Helms in LA Pintens, S. 681 (685); für eine Darstellung über die Anfänge des Übergangs vom Staatsangehörigkeits- zum Aufenthaltsprinzip siehe Kropholler, JZ 1972, S. 16 und Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (2 f.). 943 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 720; Helms in LA Pintens, S. 681 (684); Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 84; „Modetrend“ bei Schurig in FS von Hoffmann, S. 404; Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (712). 944 Vgl. dazu auch Schurig in FS von Hoffmann, S. 404, der den Umstand beklagt, dass sich „kaum jemand noch die Mühe macht“, den „Modetrend“ der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. 945 Baetge in FS Kropholler, S. 77 (82). 946 Helms in LA Pintens, S. 681 (686 f.); Kindler, IPRax 2010, S. 44 (47), der jedoch zugleich betont, dass Art. 18 AEUV kein Verbot der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit enthält; vgl. auch Bogdan, Concise Introduction to EU Private International Law, S. 19 ff. 947 Süß/Ring/Süß, Eherecht in Europa, § 2 Rn. 289; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (270); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 I

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Zeiten hoher Mobilität schont dies die innerstaatliche Rechtspflege und vermeidet eine Überforderung der Gerichte, indem eine übermäßige Anwendung ausländischen Rechts verhindert wird, die angesichts mannigfacher Migrationsbewegungen bei einer Bezugnahme auf die Staatsangehörigkeit zu befürchten wäre.948 Dies ist nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern stellt im Regelfall auch eine Erleichterung für die scheidungswilligen Ehegatten dar, da so die zeitintensive Einholung von Gutachten zum ausländischen Recht entfällt und die Ehegatten somit auch nicht mit den zusätzlichen Kosten für diese Gutachten belastet werden.949 Die Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts fördert zugleich die Integration der Zugewanderten, indem sie die Existenz von (juristischen) Parallelwelten eindämmt, in denen Migranten nach anderen Regeln behandelt werden als die eigenen Staatsangehörigen.950 Darüber hinaus gewährleistet die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, dass das Recht des Staates zur Anwendung kommt, in dem die Eheleute langfristig leben und in dem auch die Ehe tatsächlich gelebt wurde.951 Dies ist unter anderem im Hinblick darauf zu begrüßen, dass insbesondere bei langjährigem Aufenthalt der Ehegatten in einem Staat dieser regelmäßig die engste Verbindung der Ehegatten zu einer Rechtsordnung vermittelt, sodass die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt das Prinzip der Sachnähe, das den kollisionsrechtlichen Verweisungen zugrundeliegt, hier besser erfüllt als eine Anknüpfung an die (letzte) gemeinsame Staatsangehörigkeit.952 Durch die Anknüpfung an die (letzte) gemeinsame Staatsangehörigkeit könnte das Recht eines Staates zur Anwendung kommen, dem beide Ehegatten ursprünglich angehörten, dessen Staatsangehörigkeit jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt nur noch einer der Ehegatten besitzt, was zur Folge hat, dass ein Ehegatte einseitig die Anwendung des Heimatrechtes bewirken kann, indem er sich weigert, seine Staatsangehörigkeit aufzugeben. Dies kann dazu führen, dass beispielsweise gegen die Interessen der Ehefrau auf eine Ehescheidung islamisches Recht anzuwenden wäre, obwohl die Ehe1 (S. 279); Kindler, IPRax 2010, S. 44 (47); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (104); Campuzano Diaz, YB PIL 2011, S. 233 (249); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (329); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 171. 948 Basedow in LA Pintens, S. 135 (144); Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (10); Basedow in FS Posch, S. 17 (25). 949 Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (10); Kindler, IPRax 2010, S. 44 (47). 950 Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (14); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I-VO Rn. 5; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Einl. IPR Rn. 720; Kindler, IPRax 2010, S. 44 (47); Helms in LA Pintens, S. 681 (686); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (270); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (712); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 27. 951 Henrich in FS Spellenberg, S. 195 (197). 952 Posch, ZfRV 2012, S. 71 (75); Stürner in FS von Hoffmann, S. 463; vgl. auch Ganz, FuR 2011, S. 369 (372).

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gatten seit langer Zeit in Europa leben.953 Dies verhindert die Integration und stellt eine Benachteiligung gegenüber Inländern dar, die aus rechtspolitischen Gründen als nicht wünschenswert angesehen wird. Durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt und die damit verbundene Zurückdrängung der Anwendung ausländischen Rechts sollte zudem auch den Interessen derjenigen Staaten Rechnung getragen werden, die auf eine Ehescheidung grundsätzlich die lex fori anwenden und die Anwendung von ausländischem Scheidungsrecht vor ihren innerstaatlichen Gerichten ablehnen.954 Da die Rom IIIVerordnung jedoch die Anwendung fremden Rechts nicht generell verhindert und die betreffenden Staaten vom lex-fori-Prinzip nicht abweichen wollten,955 konnte mit der Regelung des Art. 8 Rom III-VO trotz Annäherung kein für alle Mitgliedstaaten tragbarer Kompromiss geschaffen werden, was zu dem eingeschränkten räumlichen Geltungsbereich der Verordnung führte. Andererseits bringt die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt auch Schwierigkeiten und Nachteile mit sich, die ebenfalls angemessen zu berücksichtigen sind. So führt gerade die Notwendigkeit der Berücksichtigung aller Aspekte des Einzelfalles dazu, dass der gewöhnliche Aufenthalt schwieriger zu ermitteln ist als die Staatsangehörigkeit. Zudem ist der gewöhnliche Aufenthalt in einer mobilen Gesellschaft flüchtig und leichter zu manipulieren.956 Darüber hinaus kann die Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts zu Problemen bei der verfahrensrechtlichen Anerkennung der Scheidung in Drittstaaten führen, wenn diese dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen und eine kollisionsrechtliche Kontrolle der anzuerkennenden Entscheidung durchführen.957 Nichtsdestotrotz ist der Wechsel vom Staatsangehörigkeitszum Aufenthaltsprinzip wegen der damit verbundenen Vorteile auf Unionsebene rechtspolitisch gewollt und als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu bewerten und anzunehmen. Die mit dem Wechsel zum Aufenthaltsprinzip verbundenen Nachteile sollen durch die Ermöglichung einer Rechtswahl ausgeglichen werden. Diese soll Ehepaaren, die ihre Bindung an ihr Heimatrecht und ihre kulturelle Identität bewahren wollen oder ihr Heimatrecht deswegen bevorzugen, weil es die von ihnen beiden gewünschte Schei953

Siehe beispielsweise Posch, ZfRV 2012, S. 71 (73), der den Fall einer Österreicherin saudi-arabischer Herkunft beschreibt, in dem das Ehepaar mit seinen fünf gemeinsamen Kindern seit mehr als 20 Jahren in Österreich lebte, der Ehemann jedoch seine saudiarabische Staatsangehörigkeit beibehalten hatte, was gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 österreichisches IPRG zur Anwendung saudi-arabischen Rechts und damit zu einem vergleichsweise geringen nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau führte. 954 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1769); Helms in LA Pintens, S. 681 (686). 955 Dazu noch ausführlicher unten Drittes Kapitel. 956 Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (38). 957 Kemper, FamRBint 2012, S. 63 (66); vgl. dazu auch Ruiz Sutil, RIDC 2012, S. 525 (533), die am Beispiel der marokkanischen Bevölkerung in Spanien auf diese Folgen der Rom III-Reform hinweist.

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dung eher ermöglicht als das Recht ihres gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, die Möglichkeit geben, ihr Heimatrecht im Wege der Rechtswahl zur Anwendung zu berufen.958 Durch die Möglichkeit der Rechtswahl wird zudem den Kontinuitätsinteressen der Ehegatten Rechnung getragen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt häufig ändern, aber nicht durch jeden Umzug einen Statutenwechsel auslösen wollen.959 Insgesamt überwiegen somit die Vorteile des Aufenthaltsprinzips dessen Nachteile, die zudem durch die Möglichkeiten der Rechtswahl weitestgehend ausgeglichen werden können, sodass der Wechsel zum Aufenthaltsprinzip als zeitgemäße und interessengerechte Lösung zu begrüßen ist.960 2. Auswirkungen der Jahresfrist des Art. 8 lit. b) Rom III-VO Die Anknüpfung an den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten in Art. 8 lit. b) Rom III-VO führt in Verbindung mit der Jahresfrist dazu, dass der grenzüberschreitende Aufenthaltswechsel eines Ehegatten zunächst keine Auswirkungen auf das anwendbare Recht hat, wodurch für den Zeitraum eines Jahres die Kontinuität des Scheidungsstatuts bei „einseitigem“ Umzug ins Ausland gewahrt wird. Zugleich bedeutet dies jedoch auch, dass der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten nach Ablauf eines Jahres die Hilfsanknüpfung nach lit. c) oder lit. d) der Norm und damit in den meisten Fällen die Anwendung eines anderen materiellen Scheidungsrechts zur Folge hat.961 Dies wiederum ermöglicht es den Ehegatten, durch taktisches Vorgehen einseitig in ihrem jeweiligen Interesse das Ergebnis der Anknüpfung zu beeinflussen und so gegebenenfalls das aus ihrer Sicht günstigere materielle Scheidungsrecht zur Anwendung zu bringen.962 Möchte ein Antragsteller, dass das von Art. 8 lit. b) Rom III-VO bestimmte Recht auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbar ist, muss die Anrufung des Gerichts rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist erfolgen; soll jedoch erreicht werden, dass das nach Art. 8 lit. c) oder lit. d) Rom III-VO berufene Recht zur Anwendung kommt, muss zunächst die Jahresfrist abgewartet werden, bevor das Gericht angerufen werden kann.963

958

Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (11). Vgl. auch Kindler, IPRax 2010, S. 44 (47); Helms in LA Pintens, S. 681 (686); Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (211). 960 So auch Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (3, 16); a.A. Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 806 („bedenklich“). 961 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387), der diesbezüglich von einer „irritierenden Flüchtigkeit des Scheidungsstatuts“ spricht. 962 Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 3; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (811); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 16; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (808); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 29. 963 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (387). 959

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Zur genauen Bewertung der Auswirkungen der Jahresfrist des Art. 8 lit. b) Rom III-VO muss jedoch zwischen zwei verschiedenen Konstellationen differenziert werden. So stellt die Jahresfrist des Art. 8 lit. b) Rom III-VO für den Fall, dass die Ehegatten eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen, eine durchaus sinnvolle Begrenzung der Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt dar. Denn sobald ein Ehegatte den Staat des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes verlässt, verliert dieser selbst bei einem langjährigen gemeinsamen Aufenthalt im Vergleich zu einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten an Bedeutung für die tatsächliche Verbindung beider Ehegatten zum anwendbaren Recht.964 In diesem Fall gewährleistet die Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit nicht nur eine aktuelle, sondern auch eine engere und beständigere Verbindung beider Ehegatten zum berufenen Recht, weswegen ihr der Vorzug gegeben werden sollte gegenüber einem lange zurückliegenden gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt.965 Problematischer ist die Jahresfrist des Art. 8 lit. b) Rom III-VO jedoch dann, wenn die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen, denn in diesem Fall bewirkt die Frist, dass bei Ehegatten mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten relativ schnell die lex fori zur Anwendung kommt.966 Dies fördert zwar einerseits den Gleichlauf von Forum und anwendbarem Recht und vermeidet somit die Anwendung fremden Rechts im Forum, bietet andererseits jedoch Raum für das vom Verordnungsgeber geächtete forum shopping.967 So kann ein Antragsteller einseitig das auf die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht „wählen”, indem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt für die Dauer von einem Jahr in den Staat verlegt, dessen Sachrecht er zur Anwendung zu bringen wünscht und dort das sodann gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) 5. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO zuständige Gericht anruft.968 Zwar stellt die Jahresfrist des Art. 8 lit. b) Rom III-VO dabei sicher, dass seit der Trennung der Ehegatten mindestens ein Jahr verstrichen ist, bevor der Antragsteller einseitig das Recht der lex fori und damit gegebenenfalls ein scheidungsfreundlicheres Recht zur Anwendung bringen kann. Da längere Trennungsfristen in Europa ohnehin rückläufig sind und die Aufrechterhaltung eines nicht mehr gelebten Ehestatuts im Allgemeinen als wenig schutzwürdig angesehen wird, mag es daher auch nicht den Wertungen der meisten mitgliedstaatlichen Scheidungs964

Basedow in LA Pintens, S. 135 (144). Basedow in LA Pintens, S. 135 (144). 966 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Beispielsfall bei Ganz, FuR 2011, S. 369 (371); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 29. 967 Siehe Erwägungsgründe Nr. 9 und Nr. 21 Rom III-VO; vgl. auch Dimmler/Bißmaier, FamRBint 2012, S. 66 (68). 968 Basedow in LA Pintens, S. 135 (145); Ganz, FuR 2011, S. 369 (371); Basedow in FS Posch, S. 17 (26). 965

§ 3 Objektive Anknüpfung

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rechte widersprechen, wenn nach Ablauf dieser Frist die Scheidung durch Auswahl eines bestimmten Forums aufgrund dessen Scheidungsfreundlichkeit schnell herbeigeführt werden kann. Dennoch erscheint diese Einflussnahme insbesondere dann unbillig, wenn der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt von erheblicher Dauer war.969 Lebte ein gemischt-nationales Ehepaar beispielsweise jahrzehntelang in demselben Staat, bevor einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat verlegt, ist es nur schwer nachvollziehbar, dass das Recht des langjährigen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts bereits nach Ablauf eines Jahres zugunsten der lex fori verdrängt wird und der zurückgebliebene Ehegatte mit einem Recht konfrontiert wird, zu dem er selbst gegebenenfalls nicht den geringsten Bezug hat.970 Auch wenn solche taktischen Überlegungen hinsichtlich des anwendbaren Rechts in den allermeisten Fällen nicht den Ausschlag dafür geben mögen, dass ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat verlegt,971 wird diese durch die Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom IIIVO eröffnete Möglichkeit des forum shopping wohl dennoch nicht gänzlich ungenutzt bleiben, sodass man sich der diesbezüglich latenten Gefahr zumindest bewusst sein sollte.972 3. Folgen und Auswirkungen der Anknüpfung an die lex fori Damit wird zugleich die grundsätzliche Problematik einer Anknüpfung an die lex fori offenbar. Es drängt sich die Frage auf, inwiefern das Recht des angerufenen Gerichts prinzipiell ein taugliches Anknüpfungskriterium zur Bestimmung des anwendbaren Rechts darstellt, insbesondere im Hinblick auf die von der Verordnung verfolgten rechtspolitischen Ziele. Für die lex fori als Anknüpfungsmerkmal spricht dabei neben ihrer eindeutigen Bestimmbarkeit zunächst und in erster Linie, dass die Anwendung ausländischen Rechts im Forum durch die Berufung des Rechts des angerufenen Gerichts konsequent vermieden wird und somit die Ressourcen der Rechtspflege geschont werden.973 Andererseits begünstigt die Anknüpfung an die lex fori in besonderem Maße ein forum shopping durch den Antragsteller, das durch die Einführung einheitlicher Kollisionsnormen gerade verhindert werden sollte.974 Die An969

Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 3. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388). 971 Basedow in LA Pintens, S. 135 (145); Kropholler, Internationales Privatrecht, § 39 I 2 (S. 279). 972 Vgl. auch Ganz, FuR 2011, S. 369 (375); im Hinblick auf Art. 8 lit. a) Rom III-VO vgl. auch Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 807. 973 Pertegás in International Family Law for the European Union, S. 319 (321 f.). 974 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 8; Looschelders in FS Kropholler, S. 329 (349); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 27. 970

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

knüpfung an die lex fori hat zur Folge, dass nicht unabhängig davon, welches Gericht angerufen wird, dasselbe Sachrecht auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes Anwendung findet, sondern bedeutet im Gegenteil, dass das anwendbare Recht bewusst vom Gerichtsort abhängig gemacht wird. Die Ehegatten können daher leicht – und im Unterschied zur Rechtswahl der lex fori gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO zudem einseitig – das anwendbare Recht durch Anrufung eines bestimmten Gerichts beeinflussen. Auf diese Weise schaffen die Anknüpfungsregeln des Art. 8 Rom III-VO die Grundlage für einen Wettlauf zu den Gerichten und perpetuieren damit eine Problematik, die durch den Erlass der Verordnung gerade überwunden werden sollte. Darüber hinaus kann die Anknüpfung an die lex fori auch dazu führen, dass ein Recht zur Anwendung kommt, zu dem die Ehegatten keine enge Verbindung haben, was dem in Erwägungsgrund Nr. 21 Rom III-VO zum Ausdruck gebrachten Regelungsziel widerspricht.975 Die Problematik wird insbesondere dann relevant, wenn der Ehegatte, der den vormaligen gemeinsamen Aufenthaltsstaat verlassen hat, den Scheidungsantrag an seinem neuen Aufenthaltsort stellt.976 III. Änderungsvorschläge und Empfehlungen Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Probleme, die die Anknüpfungsregeln des Art. 8 Rom III-VO mit sich bringen, sind Änderungen in der Anknüpfungsleiter nötig, um gerechte Lösungen im Einzelfall zu ermöglichen und gleichzeitig die Ziele der Verordnung zu erreichen. Dabei kann die vorrangige Anknüpfung an den gemeinsamen Aufenthalt der Ehegatten sowie die nachrangige Anknüpfung an eine gemeinsame Staatsangehörigkeit als sachgerechte und zeitgemäße Lösung beibehalten werden, die Anknüpfung an den letzten gemeinsamen Aufenthalt der Ehegatten sowie die höchsthilfsweise Anwendung der lex fori sollten hingegen revidiert werden. 1. Beibehaltung der vorrangigen Anknüpfung an den aktuellen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt Die vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ist aus den oben dargestellten Gründen zu begrüßen. Der aktuelle gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt stellt daher zu Recht die erste Stufe der Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO dar. Zwar ist der gewöhnliche Aufenthalt weniger beständig und gegebenenfalls schwieriger zu ermitteln als die Staatsangehörigkeit der Ehegatten,977 jedoch überwiegen die Vorteile dieser An975

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Pertegás in International Family Law for the European Union, S. 319 (322). 976 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388). 977 Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (38).

§ 3 Objektive Anknüpfung

199

knüpfung vor allem aus rechtspolitischer Sicht im Hinblick auf Integration, Gleichbehandlung und Ressourcenschonung in der Rechtspflege. Insbesondere im Zusammenspiel mit der Möglichkeit einer Rechtswahl ist die – aus deutscher Sicht betrachtete – Verschiebung der Anknüpfungspriorität zugunsten des gewöhnlichen Aufenthalts akzeptabel, denn Ehepaare, für die die Staatsangehörigkeit eine derart wichtige identitätsstiftende Funktion hat, dass sie das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts nicht auf ihre Scheidung angewendet haben wollen, können durch Rechtswahl bestimmen, dass ihre Staatsangehörigkeit maßgeblich bleibt beziehungsweise wird. 2. Verzicht auf die Anknüpfung an einen früheren gemeinsamen Aufenthalt Die explizite Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten gemäß Art. 8 lit. b) Rom III-VO ist hingegen durchaus nicht unproblematisch, insbesondere in Verbindung mit der oben beschriebenen Jahresfrist.978 Diese Problematik ließe sich umgehen, wenn man auf die gesonderte Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt verzichten und stattdessen auf der zweiten Stufe der Anknüpfungsleiter direkt auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten abstellen würde. Hinsichtlich der Auswirkungen einer solchen veränderten Anknüpfungsreihenfolge ist zwischen zwei verschiedenen Konstellationen zu unterscheiden, nämlich einerseits dem Fall, dass die Ehegatten eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen und andererseits der Fallgruppe der gemischt-nationalen Ehepaare. Bei einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten würde ein Verzicht auf die Anknüpfung an den letzten gemeinsamen Aufenthalt dazu führen, dass ohne Übergangsfristen an die gemeinsame Staatsangehörigkeit anzuknüpfen wäre, sobald ein Ehegatte den Staat des gemeinsamen Aufenthalts verlassen und einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat begründet hat. Dadurch werden die Manipulationsmöglichkeiten zwar einerseits geringfügig erhöht, da ein Ehegatte durch bloßen Umzug ins Ausland sofort das gemeinsame Heimatrecht zur Anwendung bringen kann, wobei entweder ein scheidungswilliger Ehegatte die Scheidung beschleunigen kann, wenn das gemeinsame Heimatrecht scheidungsfreundlich ausgestaltet ist und kurze Trennungsfristen vorsieht, oder ein scheidungsunwilliger Ehegatte gegebenenfalls durch Umzug einem scheidungsfeindlicherem Recht zur Anwendung verhelfen und damit die Scheidung verzögern kann. Dies ist andererseits jedoch insofern gerechtfertigt, als die gemeinsame Staatsangehörigkeit einen aktuellen und gemeinsamen Bezug der Ehegatten zum anwendbaren Recht garantiert, den der gewöhnliche Aufenthalt nicht (mehr) im gleichen Maße zu vermitteln vermag, wenn der gemeinsame Aufenthalt im selben Staat bereits beendet ist.979 Zwar besteht auch bei einer derartigen Anknüp978 979

Kritisch auch Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (18). Basedow in LA Pintens, S. 135 (144).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

fungskette die Gefahr des forum shopping, jedoch in nur begrenztem Maße, da der Antragsteller durch Verlassen des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts nicht ein beliebiges Scheidungsrecht, sondern allenfalls das gemeinsame Heimatrecht zur Anwendung bringen kann. Damit eröffnet diese Regelung insgesamt nur vergleichsweise geringe Missbrauchs- und Manipulationsmöglichkeiten, die außerdem für den jeweiligen Antragsgegner durchaus zumutbar sind, denn das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit ist dem Antragsgegner grundsätzlich ebenso vertraut wie dem Antragsteller und die Option, dass das Recht der eigenen Staatsangehörigkeit zur Anwendung kommt, sollte für beide Ehegatten und damit auch für den Antragsgegner zumindest soweit präsent sein, dass die Gefahr der Unvorhersehbarkeit bezüglich des anwendbaren Rechts nicht besteht. Zudem bleibt auch der Antragsgegner stets in gewissem Maße mit seinem Heimatrecht gleichsam schicksalhaft verbunden, sodass auch der durch manipulatives Verhalten des Antragstellers bewusst herbeigeführte Rückgriff auf das Heimatrecht keine übermäßige oder ungerechtfertigte Benachteiligung des Antragsgegners mit sich bringt und daher keineswegs eine als misslich einzuschätzende Rechtslage darstellt. Bei gemischt-nationalen Paaren kommt angesichts der mangelnden aktuellen Verbindung über eine gemeinsame Staatsangehörigkeit einem früheren gemeinsamen Aufenthalt regelmäßig eine größere Bedeutung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts zu als bei Ehegatten mit gemeinsamer Staatsangehörigkeit. Von daher muss durch die Regelungen zur objektiven Anknüpfung sichergestellt werden, dass auch ein früherer gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts angemessen berücksichtigt wird. Allerdings führt die in Art. 8 lit. b) Rom III-VO gewählte Lösung einschließlich der kurzen Jahresfrist zu den oben dargestellten Ungereimtheiten und Problemen und ist daher zu überdenken. Der vollständige Verzicht auf den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt als eigenständige Anknüpfungsstufe würde für gemischt-nationale Ehepaare wiederum bedeuten, dass mangels einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit unmittelbar die dritte Stufe der Anknüpfungsleiter zum Tragen käme, wenn ein aktueller gemeinsamer Aufenthalt der Ehegatten nicht besteht. Über diese Anknüpfungsstufe müsste sodann ein früher gemeinsamer Aufenthalt Berücksichtigung finden. Dies kann erreicht werden, indem die Anknüpfung an die lex fori durch das Anknüpfungsmerkmal der engsten Verbindung ersetzt wird. 3. Verzicht auf die Anknüpfung an die lex fori zugunsten der engsten Verbindung Hinsichtlich der dritten und derzeit letzten Anknüpfungsstufe sollte in Anbetracht der oben dargestellten Probleme, die eine Anknüpfung an die lex fori mit sich bringt, auf diese gänzlich verzichtet und stattdessen, parallel zur

§ 3 Objektive Anknüpfung

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Regelung in Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB, an die engste Verbindung der Ehegatten angeknüpft werden,980 wie dies im Übrigen auch im Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht vorgesehen ist.981 Dies hätte den Vorteil, dass das Auftreten unerwünschten forum shoppings weiter zurückgedrängt würde, weil die engste Verbindung der Ehegatten im Gegensatz zur lex fori unabhängig vom Gerichtsort nach allgemeinen Kriterien zu bestimmen ist. Über das Kriterium der engsten Verbindung könnte sodann auch ein früherer langjähriger gemeinsamer Aufenthalt angemessen berücksichtigt werden, ohne dass einer der Ehegatten dort noch immer seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben müsste oder das angerufene Gericht an starre Fristen gebunden wäre. Dies ermöglicht eine Betrachtung des Einzelfalles, die im Zweifel zu besseren und gerechteren Ergebnissen führen wird als die unflexible Regelung des Art. 8 lit. b) Rom III-VO.982 Zudem wird durch die Anknüpfung an die engste Verbindung eine spezielle Fristenlösung für gemischt-nationale Ehepaare, wie sie beispielsweise Basedow vorgeschlagen hat,983 überflüssig und verhindert somit eine zusätzliche Ausdifferenzierung der Regeln zur objektiven Anknüpfung. Darüber hinaus verwirklicht die Anknüpfung an die engste Verbindung auch das in Erwägungsgrund Nr. 21 Rom III-VO dargestellte Ziel, dass die Anknüpfungspunkte der Rom III-Verordnung einen engen Bezug der Ehegatten zum anzuwendenden Recht gewährleisten sollen.984 Im Hinblick auf den Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht stellt die Anknüpfung an die engste Verbindung zudem einen Gleichlauf der Anknüpfungskriterien bei den familienrechtlichen Statuten her und trägt damit zur Kohärenz des europäischen internationalen Familienrechts bei.

980

Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 99 mit Fn. 136; NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 18; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 27; siehe auch schon Anknüpfungsvorschlag des Deutschen Rates für IPR, wiedergegeben bei Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (7); für eine Berücksichtigung der engsten Verbindung auch Rüberg, Auf dem Weg zu einem europäischen Scheidungskollisionsrecht, S. 173 ff., 246; kritisch bezüglich der Anknüpfung an die lex fori auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 5; a.A. wohl Stürner, JURA 2012, S. 708 (710), der die Regelungen zur objektiven Anknüpfung in der Rom III-VO für „insgesamt sinnvoll“ hält und für den die Notanknüpfung des Art. 8 lit. d) Rom III-VO eine „optimale Sicherheit bei der Rechtsanwendung“ bietet; auch Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 180 hält die Notanknüpfung an die lex fori für angemessen. 981 Art. 17 Abs. 1 lit. c) EhegüterRVO-E. Auch die Rom III-Verordnung stellt bei der Unteranknüpfung für Mehrrechtsstaaten auf die engste Verbindung ab, siehe Art. 14 lit. c) Rom III-VO. 982 Vgl. auch Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (174); siehe auch Rüberg, Auf dem Weg zu einem europäischen Scheidungskollisionsrecht, S. 174. 983 Basedow in LA Pintens, S. 135 (145). 984 Vgl. auch Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679).

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Ein geringfügiger Nachteil der Anknüpfung an die engste Verbindung gegenüber der Anknüpfung an die lex fori besteht darin, dass es sich bei der engsten Verbindung um ein „weiches“ Kriterium handelt, das schwerer zu bestimmen ist als die insoweit eindeutige Anknüpfung an die lex fori, und somit das anwendbare Recht für die Ehegatten weniger vorhersehbar wird.985 Dies bedeutet jedoch weder eine unverhältnismäßige Belastung der Ehegatten noch stellt es die Gerichte vor unlösbare Schwierigkeiten. Eine Bezugnahme auf ein weiches Kriterium wie die engste Verbindung ist für eine mit unbestimmten Rechtsbegriffen vertraute Rechtspflege ohne Probleme handhabbar und bietet somit eine tragbare Alternative zur Anknüpfung an das Recht des angerufenen Gerichts, denn ein Verlust an Rechtssicherheit ist zumindest nicht in einem solchen Maße zu befürchten, dass er den durch die Anknüpfung an die engste Verbindung geschaffenen Gewinn an Flexibilität und Gerechtigkeit überwiegen würde. Im Gegensatz zur Anknüpfung an die lex fori verhindert die Anknüpfung an die engste Verbindung jedoch auch nicht, dass fremdes Recht im Forum zur Anwendung kommt. Diese Folge kann aber grundsätzlich bei allen Anknüpfungskriterien auftreten, mit Ausnahme einer konsequenten und ausschließlichen Anknüpfung an die lex fori, welche jedoch wiederum das forum shopping stark begünstigen würde.986 Letztendlich ist bei der Regelung der objektiven Anknüpfung also eine Wertentscheidung dahingehend zu treffen, ob zuvörderst das forum shopping bekämpft oder die Anwendung fremden Rechts im Forum verhindert werden soll. Ausweislich der Materialien987 und Erwägungsgründe988 der Rom III-Verordnung sieht der Verordnungsgeber bei der Vereinheitlichung der Kollisionsnormen ein Hauptanliegen offenbar darin, das forum shopping zu verhindern. An dieser Wertentscheidung sind mithin die vereinheitlichten Kollisionsnormen auszurichten, sodass die Anknüpfung an die lex fori als nicht zielführend abzulehnen ist. Die Problematik der Anwendung fremden Rechts im Forum wiederum kann durch die vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Verbindung mit den ebenfalls auf den gewöhnlichen Aufenthalt ausgerichteten Zuständigkeitsregeln der Brüssel IIa-Verordnung zumindest eingedämmt werden, ganz zu verhindern ist sie jedoch nicht, wenn weiterhin alternative Gerichtsstände 985

Vgl. auch Stürner, JURA 2012, S. 708 (710); Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170

(174). 986

Unter anderem deshalb ist ein strikter lex-fori-Ansatz nicht überzeugend, vgl. Hau in FS Stürner, S. 1237 (1239 f.). 987 Siehe beispielsweise Erwägungsgrund Nr. 6 des Beschlusses des Rates vom 12. Juli 2010 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2010/405/EU), ABlEU Nr. L 189 vom 22.07.2010, S. 12; Pressemitteilung vom 24.03.2010, IP/10/347, S. 2. 988 Siehe Erwägungsgrund Nr. 9 Rom III-VO.

§ 3 Objektive Anknüpfung

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existieren sollen. Die Anwendung fremden Rechts im Forum gänzlich zu unterbinden, ist jedoch auch nicht notwendig, denn die Probleme, die mit der Anwendung ausländischen Rechts einhergehen, sind einerseits als wesentlich weniger schwerwiegend anzusehen als das Problem des Wettlaufs zu den Gerichten, und zudem durch eine gut organisierte Rechtspflege durchaus handhabbar, wie die bisherigen Erfahrungen in diesem Bereich zeigen. So verhinderten beispielsweise auch die Kollisionsnormen des autonomen deutschen Kollisionsrechts die Anwendung ausländischen Rechts vor deutschen Gerichten nicht, was jedoch in der Vergangenheit in der Gerichtspraxis keine unlösbaren Probleme hervorgerufen hat, sodass dies auch in Zukunft unter der Anwendung vereinheitlichter europäischer Kollisionsnormen nicht zu befürchten ist. 4. Notanknüpfung an den Eheschließungsort Sollte sich dennoch eine engste Verbindung der Ehegatten zu einem Staat nicht eindeutig ermitteln lassen, etwa weil die Ehegatten zwei gemeinsame doppelte gewöhnliche Aufenthalte, aber keine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen und auch die sonstigen zu berücksichtigenden Faktoren zu keinem eindeutigen Beziehungsschwerpunkt zugunsten eines Staates führen, bliebe höchsthilfsweise die Anknüpfung an den Ort der Eheschließung.989 Diese Anknüpfung hätte den Vorteil, dass sie, ähnlich wie die lex fori, ein „starres“ Anknüpfungskriterium darstellt und somit zu einem eindeutigen und leicht zu ermittelnden Anknüpfungsergebnis führt,990 und auf diese Weise auf der letzten Stufe den Verlust an Rechtssicherheit wieder ausgleicht, der durch die Anknüpfung an die engste Verbindung im Einzelfall entstehen kann. Im Gegensatz zur lex fori ist das anwendbare Recht bei der Anknüpfung an den Eheschließungsort nicht abhängig davon, in welchem Staat das Scheidungsverfahren durchgeführt wird, sodass die Problematik des forum shopping nicht auftritt. Zudem stellt die Anknüpfung an den Ort der Eheschließung sicher, dass jedenfalls beide Ehegatten eine – wenn auch gegebenenfalls äußerst schwache – Verbindung zum Anknüpfungskriterium und damit zum anwendbaren Recht aufweisen,991 auch wenn der Ort der Eheschließung für die Ehe als solche nur von begrenzter Aussagekraft sein mag.992 Vor dem Hintergrund dieser Änderung der Bestimmungen zur objektiven Anknüpfung wäre jedoch zugleich auch die Möglichkeit, das Recht des Staates zu wählen, in dem die Ehe geschlossen wurde, in den Kreis der wählbaren Recht des 989

Vgl. auch de Vido, CDT 2012, S. 222 (231). Mit diesem Argument wird zugleich auch die Registeranknüpfung in Art. 17 b EGBGB gerechtfertigt, vgl. auch Coester, IPRax 2013, S. 114 (116). 991 A.A. wohl de Vido, CDT 2012, S. 222 (231) Fn. 48; Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 165. 992 Martiny, IPRax 2011, S. 437 (451). 990

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO aufzunehmen, um die parallele und aufeinander abgestimmte Ausgestaltung der Vorschriften zu Rechtswahl und objektiver Bestimmung des anwendbaren Rechts aufrecht zu erhalten. 993 Auch der europäische Gesetzgeber scheint bereit, dem Ort der Eheschließung eine gewisse Bedeutung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts zukommen zu lassen. So bezieht beispielsweise der Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht den Ort der Eheschließung in die Bestimmung des anwendbaren Rechts mit ein, wenn auch nicht als eigenständiges Anknüpfungskriterium, sondern als besonders zu berücksichtigenden Aspekt bei der Ermittlung der engsten Verbindung der Ehegatten. Auch für das Eheschließungsstatut des autonomen deutschen Kollisionsrechts existieren Überlegungen dahingehend, dem Eheschließungsort bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts ein stärkeres Gewicht beizumessen, beispielsweise indem dieser als hinreichende Verbindung zum anwendbaren Recht angesehen wird.994 5. Regelungsentwurf und Zusammenfassung Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Erwägungen ergäbe sich damit folgende alternative Regelung der objektiven Anknüpfung in Art. 8 Rom IIIVO, die hier als Änderungsvorschlag vorgestellt werden soll: „Mangels einer Rechtswahl gemäß Art. 5 unterliegen die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes: a) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ersatzweise b) dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, ersatzweise c) dem Recht des Staates, mit dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind, ersatzweise d) dem Recht des Staates, in dem die zu scheidende oder zu trennende Ehe geschlossen worden ist.“

993 Vgl. auch Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Oktober 2008 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich (KOM(2006)0399 – C60305/2006 – 2006/0135(CNS)), ABlEU Nr. C 15 E vom 21.01.2010, S. 128 (133), Abänderungen 22 und 23; Marks, Response of the General Council of the Bar of England and Wales to the European Commission’s Green Paper COM(2005) 82 final of 14 March 2005 entitled Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters, S. 6 (Question 7); a.A. Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 165. 994 Vgl. Coester-Waltjen, StAZ 2013, S. 10 (16).

§ 3 Objektive Anknüpfung

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Die vorgeschlagene Anknüpfungsleiter übernimmt die als zeitgemäß zu begrüßende vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, verzichtet jedoch auf die Anknüpfung an einen früheren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten. Dies hat zur Folge, dass mangels eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes der Ehegatten unmittelbar das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit zur Anwendung kommt, was als unproblematisch angesehen werden kann.995 Um die Probleme zu vermeiden, die die Anknüpfung an die lex fori mit sich bringt, wird zudem auf der dritten Stufe der Anknüpfungsleiter auf das Kriterium der engsten Verbindung abgestellt, das heißt hilfsweise auf das Recht des Staates verwiesen, zu dem die Ehe den engsten Bezug aufweist. Damit kann für gemischt-nationale Paare auch das Recht des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts berufen werden, wenn dieser die engste Verbindung darstellt, ein dahingehender Automatismus besteht jedoch nicht. Die engste Verbindung stellt zwar ein „weicheres“ und damit schwieriger zu bestimmendes Kriterium dar als die lex fori und verhindert die Anwendung fremden Rechts im Forum nicht, eröffnet jedoch einen Weg, um einen Bezug der Eheleute zum anwendbaren Recht sicherzustellen und gleichzeitig forum shopping effektiv zu verhindern und damit tatsächlich den gewünschten internationalen Entscheidungseinklang herzustellen, ohne dabei die Rechtspflege unverhältnismäßigen Belastungen auszusetzen. Ihr ist aus diesem Grund der Vorzug zu geben gegenüber der Anknüpfung an die lex fori. Sollte eine engste Verbindung zu einer Rechtsordnung nicht ermittelt werden können, ist höchsthilfsweise auf das starre Kriterium des Eheschließungsortes abzustellen, das sodann ein eindeutiges Anknüpfungsergebnis liefert und dabei zumindest eine minimale Verbindung der Ehegatten zum anwendbaren Recht gewährleistet, ohne das unerwünschte forum shopping zu begünstigen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die hier dargestellten Änderungsvorschläge stets zusammenhängend betrachtet und im Ganzen umgesetzt werden müssen, um ihre positiven Wirkungen zu entfalten. So wäre beispielsweise eine losgelöste Abschaffung der Anknüpfung an den früheren gemeinsamen Aufenthalt der Ehegatten ohne gleichzeitige Abkehr von der Anknüpfung an die lex fori zugunsten der engsten Verbindung wenig ratsam, weil dies die Manipulationsmöglichkeiten der Ehegatten erhöhen würde, ohne entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um deren Folgen abzumildern und negative Auswirkungen zu vermeiden. Auch der Wechsel zur Anknüpfung an die engste Verbindung ist nur dann ohne Abstriche zu empfehlen, wenn dieser 995

De Vido, CDT 2012, S. 222 (231) möchte hingegen bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts vollständig auf die (gemeinsame) Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium verzichten zugunsten der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt oder an den Eheschließungsort; auch Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (174) sieht den Zwischenschritt über die gemeinsame Staatsangehörigkeit als überflüssig an und befürwortet eine direkte Hilfsanknüpfung an die engste Verbindung.

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gemeinsam mit der Einführung der Notanknüpfung an den Eheschließungsort erfolgt, denn nur so kann sichergestellt werden, dass der potentielle Verlust an Rechtssicherheit, der durch den Verzicht auf die Anknüpfung an die lex fori entsteht, durch geeignete Korrekturmechanismen ausgeglichen wird. Berücksichtigt man jedoch diese Zusammenhänge und setzt alle hier vorgeschlagenen Modifikationen gemeinsam um, so stellt der Änderungsentwurf eine sinnvolle und in sich schlüssige Regelung des Scheidungsstatuts auf europäischer Ebene dar, der einen angemessenen Ausgleich zwischen den teilweise widerstreitenden Interessen der beteiligten Eheleute und Mitgliedstaaten schafft.

§ 4 Einzelfragen § 4 Einzelfragen

Neben Vorschriften zur Rechtswahl und Kollisionsregeln zur objektiven Bestimmung des auf die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbaren Rechts enthält die Rom III-Verordnung auch allgemeine Bestimmungen, die Einzelfragen in Bezug auf das anwendbare Recht betreffen und für beide Anknüpfungswege gleichermaßen relevant werden können. Dazu zählt die Bestimmung des auf die Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung anzuwendenden Rechts ebenso wie Nichtanwendung des an sich berufenen ausländischen Sachrechts im Zusammenhang mit dem ordre public oder der kollisionsrechtliche Umgang mit Mehrrechtsstaaten. Im Hinblick auf die grundsätzlich auf Verfahrensscheidungen ausgerichteten Bestimmungen der Rom III-Verordnung bedarf darüber hinaus auch die Thematik der Privatscheidungen einer genaueren Betrachtung und Auseinandersetzung. I. Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung Während Art. 8 Rom III-VO das mangels Rechtswahl auf die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht bestimmt, enthält Art. 9 Rom III-VO eine spezielle Kollisionsregelung für die Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung. Die Norm basiert auf dem Grundsatz der Kontinuität des anwendbaren Rechts, der jedoch in bestimmten Konstellationen ausnahmsweise durchbrochen wird. 1. Grundsatz der Kontinuität des anwendbaren Rechts Gemäß Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO ist bei der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht das Recht, das auf die Trennung ohne Auflösung

§ 4 Einzelfragen

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des Ehebandes angewendet wurde. Durch den damit geschaffenen Gleichlauf des anwendbaren Rechts in Trennungs- und Umwandlungsverfahren ermöglicht die Regelung eine Kontinuität, die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit gewährleisten soll996 und somit im Regelfall den Interessen der Beteiligten entsprechen dürfte.997 Die Kopplung des Umwandlungsverfahrens an das Trennungsverfahren bewirkt, dass nach dem Abschluss des Trennungsverfahrens eintretende Statutenwechsel, zum Beispiel wegen Aufenthaltswechsels aufgrund von Umzug in einen anderen Staat, unerheblich bleiben und keine Auswirkungen auf das anwendbare Recht haben.998 Damit stellt die Regelung des Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO eine kollisionsrechtliche Parallelregelung und Ergänzung zu Art. 5 Brüssel IIa-VO dar, der eine Zuständigkeitsperpetuierung für das Umwandlungsverfahren beim Gericht des Trennungsverfahrens vorsieht.999 Unabhängig davon gilt die kollisionsrechtliche Kontinuität nach dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO jedoch auch für den Fall, dass das Umwandlungsverfahren – aufgrund einer durch die Brüssel IIa-Verordnung alternativ begründeten Zuständigkeit – in einem anderen Staat durchgeführt wird als die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes.1000 In diesem Fall ist zu ermitteln, nach welchem Recht die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ursprünglich ausgesprochen wurde, und dieses ist sodann auch auf die Umwandlung in die Ehescheidung anzuwenden. Ferner gilt die Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO auch dann, wenn die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ursprünglich in einem nichtteilnehmenden Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat ausgesprochen wurde.1001 Zwar wurde das auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht in einem solchen Fall nicht anhand der Vorschriften der Rom III-Verordnung, sondern durch unvereinheitlichtes, drittstaatliches Kollisionsrecht bestimmt,1002 jedoch sprechen gewichtige Gründe dafür, dass die Regelung des Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO auch in dieser Konstellation Anwendung finden sollte. So enthält der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO einerseits keinerlei Einschränkungen im Hinblick auf die diesbezügliche Anwendbarkeit der Norm,1003 andererseits würde es bei der Nichtanwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO an einer kollisionsrechtlichen Regelung 996

Siehe Erwägungsgrund Nr. 23 Rom III-VO. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 100. 998 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 100; anders noch bei Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 16. 999 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 100. 1000 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Palandt/Thorn, BGB, Art. 9 Rom III-VO Rn. 1. 1001 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Palandt/Thorn, BGB, Art. 9 Rom III-VO Rn. 1. 1002 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388). 1003 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388). 997

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für derartige Konstellationen völlig fehlen, da Art. 8 Rom III-VO ausweislich des Wortlauts nur auf Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes direkt anwendbar ist, sodass eine analoge Anwendung einer bestehenden Vorschrift erforderlich würde. Darüber hinaus besteht das zu schützende Kontinuitätsinteresse der Ehegatten grundsätzlich unabhängig davon, durch welches Kollisionsrecht das auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht bestimmt wurde,1004 sodass Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO auf alle Konstellationen der Umwandlung gleichermaßen anzuwenden ist. Dies gilt auch in zeitlicher Hinsicht für die Fälle, in denen die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in einem teilnehmenden Mitgliedstaat vor Geltungsbeginn der Rom III-Verordnung ausgesprochen wurde, die Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung jedoch nach diesem Zeitpunkt beantragt wird.1005 2. Ausnahmen vom Kontinuitätsprinzip Die kollisionsrechtliche Kontinuität des Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO findet jedoch dann ihre Grenzen, wenn das Recht, das auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes angewendet wurde, keine Umwandlung der Trennung in eine Ehescheidung vorsieht. In diesem Fall ist eine Umwandlung der Ehetrennung in eine Ehescheidung nicht möglich. Stattdessen ist gemäß Art. 9 Abs. 2 Rom III-VO das auf die Ehescheidung anwendbare Recht nach Art. 8 Rom III-VO zu bestimmen. Ob eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung umgewandelt werden kann, bestimmt also nicht die Rom III-Verordnung, sondern das jeweils berufene materielle Recht.1006 Sieht dieses die Möglichkeit der Umwandlung einer Trennung in eine Ehescheidung nicht vor, sondern verlangt stattdessen die Durchführung eines separaten Scheidungsverfahrens, so finden die Bestimmungen der Rom IIIVerordnung über die Ehescheidung Anwendung.1007 Der Gleichlauf von Trennungsstatut und Umwandlungsstatut kann darüber hinaus auch durch eine Rechtswahl der Ehegatten durchbrochen werden.1008 Gemäß Art. 9 Abs. 1 a. E. Rom III-VO1009 können die Ehegatten auch das auf die Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung anwendbare Recht wählen.1010 Die Norm verweist insoweit auf 1004

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388). Vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 2013, S. 1803 f.; OLG Nürnberg, FamRZ 2014, S. 835 f.; dazu auch Özen/Odendahl, FamRB 2014, S. 85 (86). 1006 Vgl. Magnus/Mankowski/Borrás, Brussels IIbis Regulation, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 6; Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 16. 1007 Erwägungsgrund Nr. 23 Rom III-VO; vgl. auch Magnus/Mankowski/Borrás, Brussels IIbis Regulation, Art. 5 Brüssel IIa-VO Rn. 6. 1008 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Palandt/Thorn, BGB, Art. 9 Rom III-VO Rn. 1. 1009 „[…], sofern die Parteien nicht gemäß Artikel 5 etwas anderes vereinbart haben.“ 1010 Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770). 1005

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Art. 5 Rom III-VO, sodass auch hier die Einschränkungen der Rechtswahl in Bezug auf die wählbaren Rechte zu beachten sind. Gemäß Art. 9 Abs. 2 a. E. Rom III-VO können die Ehegatten auch für die Konstellation des Art. 9 Abs. 2 Rom III-VO eine Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO treffen.1011 Diese hat, dem übergreifenden Prinzip der Rom III-Verordnung zur Stärkung der Parteiautonomie folgend, stets Vorrang vor den objektiven Anknüpfungsregeln der Verordnung. II. Nichtanwendung des berufenen ausländischen Rechts: ordre public Neben den Kollisionsnormen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts enthält die Rom III-Verordnung zugleich auch Regelungen, die die Anwendbarkeit des eigentlich berufenen ausländischen Sachrechts einschränken. Diese Normen stehen im Zusammenhang mit dem ordre public und führen in unterschiedlichen Ausprägungen dazu, dass das durch die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung bestimmte oder gemäß Art. 5 Rom III-VO gewählte ausländische Sachrecht ganz oder teilweise nicht zur Anwendung gelangt. So enthält Art. 10 Rom III-VO einen speziellen ordre-public-Vorbehalt für Scheidungsfeindlichkeit und Geschlechterdiskriminierung im berufenen ausländischen Sachrecht, der neben dem allgemeinen ordre-public-Vorbehalt des Art. 12 Rom III-VO zu beachten ist.1012 In Bezug auf die Nichtanwendung ausländischen Sachrechts ist darüber hinaus auch die Vorschrift des Art. 13 Rom III-VO von Bedeutung, die zwar ebenfalls im Bereich des ordre public angesiedelt werden kann,1013 die aber insoweit eine Sonderrolle hinsichtlich ihrer Reichweite einnimmt und deren genaue Funktion umstritten ist. 1. Spezielle ordre-public-Klausel des Art. 10 Rom III-VO Gemäß Art. 10 Rom III-VO ist von der Anwendung des nach Art. 5 Rom IIIVO oder Art. 8 Rom III-VO berufenen ausländischen Rechts abzusehen und stattdessen das Recht des Staates des angerufenen Gerichts anzuwenden, wenn das berufene ausländische Recht eine Ehescheidung nicht vorsieht oder einem der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen 1011

Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770). Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389); Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434); Henrich in LA Pintens, S. 701 (707); Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (409); Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (55); a.A. wohl Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770), der in Art. 10 Rom III-VO einen renvoi auf die lex fori sieht, statt sie dem ordre public zuzuordnen. 1013 Vgl. Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (409); Nademleinsky, Zak 2012, S. 146 (148); Franzina, CDT 2011, S. 85 (125). 1012

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gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes gewährt. Die Vorschrift setzt keinen über die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines teilnehmenden Mitgliedstaates für das Scheidungsverfahren hinausgehenden Inlandsbezug voraus1014 und gilt sowohl für den Fall, dass eine Rechtsordnung nach Art. 8 Rom III-VO berufen wurde als auch für die Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO.1015 a) Scheidungsfeindlichkeit des berufenen Rechts Art. 10 Var. 1 Rom III-VO betrifft den Fall, dass eine Ehescheidung im berufenen ausländischen Recht nicht vorgesehen ist. Ausweislich des klaren Wortlauts der Regelung insbesondere in der englischen Sprachfassung1016 und im Lichte des Erwägungsgrundes Nr. 26 Abs. 1 Rom III-VO1017 werden von Art. 10 Var. 1 Rom III-VO nur die Fälle erfasst, in denen das berufene Recht das Rechtsinstitut der Ehescheidung überhaupt nicht kennt.1018 Sieht hingegen das berufene Recht eine Ehescheidung zwar grundsätzlich vor, ermöglicht diese aber im konkreten Einzelfall nicht oder stellt unzumutbar hohe Scheidungsvoraussetzungen auf, ist Art. 10 Rom III-VO nicht einschlägig, sondern es kommt allenfalls eine allgemeine ordre-public-Kontrolle im Rahmen des Art. 12 Rom III-VO in Betracht.1019 Art. 10 Var. 1 Rom III-VO sieht also eine generell-abstrakte Inhaltskontrolle der berufenen Rechtsordnung im Hinblick 1014

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Weller, IPRax 2014, S. 225 (232). Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (409); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770); Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 81; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (812); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (333). 1016 “[…] makes no provision for divorce […]”. 1017 Ausweislich seines Wortlautes („das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaates, dessen Gericht angerufen wird“) und seiner systematischen Stellung nach Erwägungsgrund Nr. 24 Rom III-VO, der sich direkt auf Art. 10 Rom III-VO bezieht und Erwägungsgrund Nr. 25 Rom III-VO, der sich auf Art. 12 Rom III-VO bezieht, dient der Erwägungsgrund Nr. 26 Rom III-VO primär der Erläuterung des Art. 13 Rom III-VO, jedoch wird man im Sinne der einheitlichen Auslegung der Verordnung auch im Rahmen des Art. 10 Rom IIIVO darauf zurückgreifen dürfen, insbesondere da Art. 10 Var. 1 Rom III-VO wie auch Art. 13 Var. 1 Rom III-VO vor allem im Hinblick auf das maltesische Recht in den Verordnungstext aufgenommen wurden; siehe auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390) mit Fn. 125; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771). 1018 Sog. „Malta-Klausel“: Malta kannte zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Rom III-Verordnung als einziger der teilnehmenden Mitgliedstaaten in seinem nationalen Familienrecht das Institut der Ehescheidung nicht; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389, 390); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (409); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1544); Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom III-VO Rn. 2; Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 178. 1019 Henrich in LA Pintens, S. 701 (708); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (271); Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom III-VO Rn. 2; Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (333). 1015

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auf die Scheidbarkeit der Ehe vor und ermöglicht keine Überprüfung im konkreten Einzelfall.1020 Da nunmehr alle teilnehmenden Mitgliedstaaten die Ehescheidung in ihren Rechtsordnungen vorgesehen haben, ist die Regelung des Art. 10 Var. 1 Rom III-VO jedoch nur noch von Bedeutung, wenn drittstaatliche Rechtsordnungen berufen werden, die die Ehescheidung als Rechtsinstitut nicht kennen.1021 Allerdings ist die Vorschrift auch dann anzuwenden, wenn die Ehegatten das scheidungsfeindliche Recht gemäß Art. 5 Rom IIIVO gewählt haben, sodass hier die scheidungsfreundliche Grundtendenz der Rom III-Verordnung auch gegenüber der parteiautonomen Entscheidung der Ehegatten Vorrang hat.1022 Im Ergebnis etabliert und akzeptiert die Rom IIIVerordnung damit letztendlich ein universelles und unverzichtbares Grundrecht auf Scheidung.1023 b) Diskriminierung aus Gründen der Geschlechtszugehörigkeit Die Anwendung des berufenen Rechts ist gemäß Art. 10 Var. 2 Rom III-VO auch dann zugunsten der lex fori ausgeschlossen, wenn das nach Art. 5 oder Art. 8 Rom III-VO anzuwendende Recht einem der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes gewährt. Diese Regelung wirft die Frage auf, ob auch hier bereits die geschlechterdiskriminierende Ausgestaltung eines Scheidungsrechts an sich zur Anwendung der lex fori führt oder ob sich die Ungleichbehandlung auch im jeweiligen Einzelfall manifestiert haben muss, ob also im Rahmen des Art. 10 Var. 2 Rom III-VO eine abstrakt-generelle Prüfung der berufenen Rechtsordnung oder eine Überprüfung des konkreten Rechtsanwendungsergebnisses im Einzelfall vorzunehmen ist.1024 Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst der Wortlaut der Regelung heranzuziehen, der allgemein vom ungleichen Zugang zur Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und nicht etwa von Nachteilen bei 1020

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389); Nademleinsky, Zak 2012, S. 146 (148); a.A. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8. 1021 Vgl. Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (714); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390). 1022 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390); mit entsprechenden Beispielskonstellationen Henrich in LA Pintens, S. 701 (707); Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374). 1023 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390); Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (21); vgl. auch Basedow in LA Pintens, S. 135 (148); Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (212); Kruger, SSRN. 2012, S. 1 (14); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (333); Torga, NiPR 2012, S. 547 (548); Lardeux, RD 2011, S. 1835 (1837). 1024 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); BoeleWoelki, YB PIL 2010, S. 1 (19).

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der Ehescheidung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit spricht.1025 In der Wahl dieser Formulierung kann somit ein erster Anhaltspunkt dafür gesehen werden, dass es hier abstrakt auf die Rechte und Handlungsmöglichkeiten der Ehegatten in Bezug auf die Einleitung und Durchführung eines Scheidungsoder Trennungsverfahrens ankommen soll und das Regelungsgefüge zur Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes als solches für die Prüfung maßgeblich ist.1026 Noch klarer kommt dies zum Ausdruck, wenn man die Formulierung des Art. 10 Rom III-VO mit dem Wortlaut des Art. 12 Rom III-VO vergleicht, der ausdrücklich auf den Fall verweist, dass die Anwendung einer Vorschrift mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar ist und somit bewusst „ergebnisbezogen“ konzipiert ist.1027 Zudem nimmt Art. 10 Rom III-VO Bezug auf das anzuwendende Recht und das Recht des Staates des angerufenen Gerichts, während Art. 12 Rom III-VO lediglich von einer Vorschrift des berufenen Rechts spricht. Diese sprachliche Differenzierung setzt sich auch in den die Normen der Verordnung jeweils erläuternden Erwägungsgründen fort: Im Unterschied zu Erwägungsgrund Nr. 24 Rom IIIVO, der zur näheren Bestimmung des Art. 10 Rom III-VO dient, verweist Erwägungsgrund Nr. 25 Rom III-VO, der sich auf Art. 12 Rom III-VO bezieht, ausdrücklich auf die Anwendung einer Bestimmung des ausländischen Rechts „in einem konkreten Fall“.1028 Eine Gesamtschau und ein Vergleich dieser unterschiedlichen sprachlichen Ausgestaltungen legen daher die Interpretation nahe, dass Art. 10 Rom III-VO, anders als Art. 12 Rom III-VO, sowohl in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen als auch auf die Rechtsfolge stets die berufene Rechtsordnung als Ganzes im Blick hat und diese einer abstrakten Überprüfung zugänglich macht.1029 Neben dem Wortlaut sprechen zudem auch systematische Erwägungen für eine vom Einzelfall unabhängige, abstrakte Prüfung des anwendbaren Rechts im Rahmen von Art. 10 Var. 2 Rom III-VO. So sieht Art. 10 Var. 1 Rom III-VO ebenfalls eine abstrakte Überprüfung der berufenen Rechtsordnung im Hinblick auf die Scheidbarkeit der Ehe vor und es ist nicht ersichtlich, warum die Norm in ihrer zweiten Variante einem anderen Prüfungsmaßstab unterliegen sollte, ohne dass dies durch den Wortlaut selbst oder in den Erwägungsgründen zumindest andeutungsweise zum Ausdruck kommt. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutet eher auf eine abstrakt-generelle Überprüfung der berufenen Rechtsordnung im Hinblick auf Geschlechterdiskriminierung hin. Während der Beratungen über den Rom IIIVorschlag haben insbesondere die nordischen Staaten die potentielle Anwen1025 1026

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772). Vgl. Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (409); Henrich in LA Pintens, S. 701

(707).

1027

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772). Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (104) Fn. 54. 1029 Coester-Waltjen, FF 2013, S. 48 (54). 1028

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dung islamischen Rechts kritisiert und diese als grundsätzliches und schwerwiegendes Problem dargestellt, das mit den rechtspolitischen Vorstellungen dieser Staaten nicht in Einklang zu bringen war.1030 Um einen politischen Kompromiss zu ermöglichen und diese Bedenken zerstreuen, wurde sodann Art. 10 Rom III-VO in den Verordnungsvorschlag aufgenommen und blieb auch bestehen, nachdem der angestrebte Kompromiss gescheitert war und stattdessen der Weg der Verstärkten Zusammenarbeit beschritten wurde.1031 Dies lässt darauf schließen, dass der Regelungszweck der Vorschrift in erster Linie darin bestehen dürfte, die Anwendung islamischen Rechts grundsätzlich zu verhindern,1032 sodass auch aus teleologischer Sicht eine abstrakte Prüfung des anwendbaren Rechts im Rahmen von Art. 10 Var. 2 Rom III-VO angezeigt ist. Dies verdeutlicht auch Erwägungsgrund Nr. 16 S. 2 Rom III-VO, der betont, dass das von den Ehegatten gewählte Recht mit den Grundrechten vereinbar sein muss, wie sie durch die Verträge und durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt werden,1033 wodurch ebenfalls der Wille des Verordnungsgebers zum Ausdruck kommt, die Ausgestaltung der anwendbaren Rechtsordnung an sich zum Prüfungsmaßstab zu erheben. Insgesamt sprechen somit nahezu alle relevanten Gesichtspunkte dafür, dass Art. 10 Rom III-VO auch in seiner zweiten Variante auf eine abstrakte Prüfung der anwendbaren Rechtsordnung ausgerichtet ist. Lediglich in Erwägungsgrund Nr. 24 Rom III-VO, der die Anwendung der lex fori nur „in bestimmten Situationen“ vorsieht, könnte ein Hinweis auf eine einzelfallbezogene Prüfung gesehen werden.1034 Jedoch ist auch diese Formulierung nicht eindeutig, sondern lässt Raum für unterschiedliche Interpretationen1035 und vermag somit die bisher dargestellten Erwägungen nicht zu entkräften. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass Art. 10 Rom III-VO in beiden 1030

Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Weller, IPRax 2014, S. 225 (232). 1031 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom III-VO Rn. 3; Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (713). 1032 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 100 mit Fn. 139; Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom III-VO Rn. 3; Weller, IPRax 2014, S. 225 (232). Betroffen ist aber auch das jüdische Recht, Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Henrich in LA Pintens, S. 701 (707). Darüber hinaus können auch andere Rechtsordnungen gleichheitswidrig ausgestaltet sein, wie der Beispielsfall eines haitianischen Ehepaares bei Stürner, JURA 2012, S. 708 (713) zeigt. 1033 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (409). 1034 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (254); vgl. auch Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8. 1035 Vgl. z. B. Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (715).

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erfassten Konstellationen eine abstrakt-generelle Überprüfung der berufenen Rechtsordnung vorsieht.1036 Dies hat zur Folge, dass wohl fast alle islamischen Rechte, aber auch andere das Gleichberechtigungsgebot verletzende Scheidungsrechte letztendlich durch die lex fori zu ersetzen sein werden, auch wenn die Ehegatten das gleichheitswidrige Recht als Scheidungsstatut selbst gewählt haben.1037 c) Bewertung Der weitreichende Prüfungsumfang des Art. 10 Rom III-VO basiert auf einer vorrangig rechtspolitisch motivierten Entscheidung des Verordnungsgebers, die als solche zur Kenntnis zu nehmen ist.1038 Dennoch ist die abstraktgenerelle Ausgestaltung der Norm nicht unumstritten, da die Regelung in bestimmten Konstellationen über das eigentliche Ziel hinaus gehen und dadurch Probleme hervorrufen kann.1039 So könnte die Vorschrift durchaus als ihrerseits diskriminierend angesehen werden, wenn sie die Anwendung religiös-geprägten Rechts – unter dem Deckmantel des Diskriminierungsverbotes – per se verhindert.1040 In gewissem Maße muss sich der Verordnungsgeber hier den Vorwurf des Eurozentrismus gefallen lassen,1041 der fremde Rechtsordnungen pauschal und ohne Prüfung des Einzelfalles von der Anwendbarkeit im Geltungsbereich der Verordnung zwingend ausschließt. Dies ist nicht nur bedenklich im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern kann auch die Entstehung hinkender Ehen provozieren, wenn die Anwendung der lex fori dazu führt, dass die darauf basierende Entscheidung im

1036

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389); Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (267); Rudolf, EF-Z 2012, S. 101 (105); Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom III-VO Rn. 3; Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (812); Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374); Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rn. 138; Weller, IPRax 2014, S. 225 (232); a.A. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 8; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (825); offen Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (44); unentschieden und mit der Forderung nach „guidance“ durch den Verordnungsgeber Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (19). 1037 Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (44). 1038 Weller, IPRax 2014, S. 225 (232); vgl. Fallon gemäß Jayme, IPRax 2013, S. 101. 1039 Die Norm wurde unter anderem als „Schnitzer“ oder „Entgleisung“ des europäischen Gesetzgebers bewertet, vgl. Jayme/Zimmer, IPRax 2013, S. 99 (100); vgl. auch Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374). 1040 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (410). 1041 Siehe Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (410); vgl. auch Jayme/Kohler, IPRax 2006, S. 537; Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); Fiorini, IJLPF 2008, S. 178 (194); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 49.

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Heimatstaat oder einem anderen Drittstaat nicht anerkannt wird.1042 Zudem führt die Ersatzanknüpfung an die lex fori im Fall der Rechtswahl zu uneinheitlichen Rechtsfolgen innerhalb der Rom III-Verordnung im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Rechtswahl. Scheitert die Rechtswahl nämlich an anderen als den in Art. 10 Rom III-VO benannten Gründen, so ist das anzuwendende Recht anhand der Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO zu bestimmen, im Rahmen des Art. 10 Rom III-VO kommt hingegen unmittelbar die lex fori zur Anwendung, was einen internen Wertungswiderspruch darstellt.1043 Im Bewusstsein dieser Probleme schlagen manche Autoren sodann eine teleologische Reduktion des Art. 10 Var. 2 Rom III-VO dahingehend vor, dass die Norm einschränkend nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Anwendung des gleichheitswidrigen Scheidungsrechts auch tatsächlich zu einer Benachteiligung eines Ehegatten im Scheidungsverfahren führt.1044 Damit würde der Prüfungsumfang der Norm letztendlich nachträglich doch noch auf eine konkret-individuelle Prüfung reduziert. Dies würde bedeuten, dass ein Scheidungsrecht, das beispielsweise grundsätzlich der Ehefrau weniger Rechte einräumt als dem Ehemann jedenfalls dann zur Anwendung kommen könnte, wenn es im konkreten Fall geeignet ist, den Scheidungsantrag der Ehefrau zu stützen.1045 Ebenso könnte es bei der Anwendung gleichheitswidrigen Scheidungsrechts bleiben, wenn eine Rechtsordnung zwar einseitig dem Ehemann ein Scheidungsrecht einräumt, die Frau mit der Ehescheidung im konkreten Fall jedoch einverstanden und somit durch den Scheidungsantrag des Mannes nicht beschwert ist, oder wenn auch die ersatzweise berufene lex fori dem Ehemann unter den gegebenen Voraussetzungen ohnehin ein Scheidungsrecht unabhängig von der Zustimmung der Ehefrau einräumt.1046 Eine derartige Reduktion des Anwendungsbereichs der Norm würde es den Ehegatten gegebenenfalls auch ermöglichen, ihr gemeinsames Heimatrecht zu wählen, um die Anerkennung der Entscheidung im Heimatstaat zu erreichen, auch wenn dieses dem Ehemann ein einseitiges Verstoßungsrecht einräumt, 1042

Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (19); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Basedow in LA Pintens, S. 135 (149); Henrich in LA Pintens, S. 701 (708) und Internationales Scheidungsrecht, Rn. 82. 1043 Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (410); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Andrae, FPR 2010, S. 505 (507). 1044 Basedow in LA Pintens, S. 135 (149); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (410); Henrich in LA Pintens, S. 701 (707) und Internationales Scheidungsrecht, Rn. 82, 95; Hau, FamRZ 2013, S. 249 (254); Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom III-VO Rn. 4; NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 21; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 342. 1045 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391). 1046 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772); Henrich in LA Pintens, S. 701 (708); Basedow in LA Pintens, S. 135 (146 f.); vgl. auch Posch, ZfRV 2012, S. 71 (75).

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von dem aber im konkreten Fall kein Gebrauch gemacht wird, weil es sich um eine einverständliche Scheidung handelt.1047 Allerdings wäre eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm konträr zum klaren Willen des Verordnungsgebers1048 und würde somit eben gerade keine teleologische Reduktion, sondern eine dem Sinn der Norm widersprechende Einschränkung darstellen, die in der Sache zwar durchaus sinnvoll und berechtigt sein mag, andererseits aber contra legem geschehen würde. Die nachträgliche Reduktion der Norm ist daher im Hinblick auf das Prinzip der Gewaltenteilung durchaus problematisch, denn sie birgt die Gefahr, die Grenzen der Auslegung und somit die Kompetenz der Gerichte zu überschreiten. Ein Hinwegsetzen über den Willen und die politische Entscheidung des Verordnungsgebers in Form einer Reduktion oder Nichtanwendung der Norm erscheint nach hier vertretener Auffassung daher nur möglich, wenn eine Unvereinbarkeit der Regelung des Art. 10 Rom III-VO mit den Verträgen der Europäischen Union im durch die Verträge vorgegebenen Rahmen geltend gemacht und festgestellt würde.1049 Nichtsdestotrotz kann die Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich nicht vorausgesagt werden, sondern bleibt – durchaus mit Spannung – abzuwarten.1050 Einen ersten Anhaltspunkt aus deutscher Sicht liefert dabei die bereits oben zitierte Entscheidung des OLG Hamm, in dem die Ehegatten die Anwendung iranischen Rechts durch – konkludente – Rechtswahl nach Auffassung des Gerichts wirksam gewählt hatten.1051 Diese Wahl verstößt nach Auffassung des Gerichts nicht gegen die ordre-public-Vorschriften der Art. 10 und Art. 12 Rom III-VO, da auch nach deutschem Recht die Voraussetzungen für eine Ehescheidung vorliegen würden.1052 Zu bemängeln ist dabei jedoch, dass das Gericht stillschweigend von einem konkret-individuellen Prüfungsmaßstab des Art. 10 Rom III-VO ausgeht, ohne auf die strittige Frage nach der abstrakt-generellen Ausgestaltung der Norm auch nur ansatzweise einzugehen. Damit übergeht oder übersieht der Senat jedoch eine sich auf das anwendbare Recht unmittelbar auswirkende Problematik, was äußerst bedauerlich, in dem 1047

Vgl. Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1772). So auch Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (715); vgl. auch Weller, IPRax 2014, S. 225 (232). 1049 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391) Fn. 139 verweist insofern auf kompetenzrechtliche Bedenken gegen Art. 10 Rom III-VO, da die Anordnung einer „abstrakten Inhaltskontrolle“ der Norm eher einen materiell-rechtlichen als einen kollisionsrechtlichen Charakter verleihe, sich die Gesetzgebungskompetenz der Union gemäß Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV jedoch auf Kollisionsnormen beschränke. 1050 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (254); CoesterWaltjen, FF 2013, S. 48 (55); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 49. 1051 OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2013 (3 UF 267/12). 1052 OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2013 (3 UF 267/12), Rn. 78 ff.; insoweit zustimmend Helms, IPRax 2014, S. 334 (335). 1048

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konkreten Fall jedoch nicht mehr zu korrigieren ist, da die Entscheidung des Senats unanfechtbar ist.1053 Unabhängig davon, welche Position die Rechtsprechung zu dieser Frage letztlich einnehmen wird, erscheint jedoch eine andere Lösung empfehlenswert: Im Hinblick auf die mit Art. 10 Rom III-VO verbundenen Probleme wäre der Verordnungsgeber vielleicht gut beraten, die Norm im Rahmen einer Revision der Verordnung ersatzlos zu streichen. Die Regelung ist nicht nur rechtspolitisch und im Hinblick auf ihre Folgen problematisch, sondern zudem auch nicht notwendig zum Schutz der potentiell benachteiligten Ehegatten und schießt insgesamt über das sinnvolle Maß hinaus.1054 Regelungsund Handlungsbedarf besteht nämlich in der Tat nur für die Fälle, in denen eine konkrete Benachteiligung und Beschwer sowie ein Verstoß gegen europäische Grundprinzipien in Form des Diskriminierungsverbotes vorliegen.1055 Diese Fälle können jedoch, wie sich zeigen wird, problemlos unter den Anwendungsbereich des Art. 12 Rom III-VO subsumiert werden, der eine Nichtanwendung diskriminierender Vorschriften im Einzelfall ohnehin erfasst,1056 sodass auch ohne die Existenz des Art. 10 Rom III-VO dem Schutz der europäischen Grundrechte und -werte einerseits und der potentiell benachteiligten Ehegatten andererseits genüge getan wäre. 2. Allgemeiner ordre-public-Vorbehalt (Art. 12 Rom III-VO) Neben Art. 10 Rom III-VO und von diesem unberührt, enthält die Rom IIIVerordnung in Art. 12 einen allgemeinen ordre-public-Vorbehalt,1057 der sich in ähnlichen Formulierungen auch bereits in anderen kollisionsrechtlichen

1053

OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2013 (3 UF 267/12), Rn. 90. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (391); Palandt/Thorn, BGB, Art. 10 Rom III-VO Rn. 4; Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (212); Stürner, JURA 2012, S. 708 (711) bewertet die Norm hingegen positiv, da sie zu den „gerechtesten und sichersten Ergebnissen“ führe und den deutschen Gerichten die Rechtsanwendung erleichtere; ähnlich argumentiert auch Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (715 f.), der darauf verweist, dass die Verwerfungsklausel des Art. 10 Rom III-VO die Rechtssicherheit fördere und insbesondere im Zusammenhang mit Privatscheidungen eine dogmatisch saubere Lösung ermögliche. 1055 Vgl. Andrae, FPR 2010, S. 505 (507). 1056 Siehe auch Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (410); Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (44). Dass ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im konkreten Fall auch einen Verstoß gegen den ordre public des Forums darstellt, der im Fall der teilnehmenden Mitgliedstaaten ohnehin durch europäische Grundsätze mitgeprägt wird, verdeutlichen auch die Erwägungsgründe Nr. 16 und Nr. 25 Rom III-VO. 1057 Erwägungsgrund Nr. 24 Rom III-VO; Gruber, IPrax 2012, S. 381 (389); Henrich in LA Pintens, S. 701 (707); Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434); Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (408); Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 102; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771). 1054

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Verordnungen der Union findet.1058 Gemäß Art. 12 Rom III-VO kann eine Vorschrift des berufenen Rechts dann umgangen werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist. Dieser allgemeine ordre-public-Vorbehalt gilt sowohl für das durch objektive Anknüpfung berufene Recht als auch bei einer Rechtswahl.1059 Er wird für solche Konstellationen relevant, die nicht bereits von Art. 10 Rom III-VO erfasst werden,1060 und weist hinsichtlich seiner Anwendungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen wesentliche Unterschiede zur speziellen und konkretisierten1061 Vorbehaltsklausel des Art. 10 Rom III-VO auf. a) Prüfungsmaßstab: ordre public des Forumstaates Während Art. 10 Rom III-VO mit der grundsätzlichen Scheidbarkeit der Ehe sowie dem gleichberechtigten Zugang beider Ehegatten zur Ehescheidung zwei konkrete Voraussetzungen nennt, die das anzuwendende Recht zu erfüllen hat, verweist Art. 12 Rom III-VO auf der Tatbestandsseite ausweislich seiner klaren Formulierung ausdrücklich auf die öffentliche Ordnung des Forumstaates und macht somit den nationalen ordre public des Staates des angerufenen Gerichts zum Prüfungsstab.1062 In erster Linie gibt somit das nationale Recht die Prinzipien vor, an denen die Anwendung des berufenen Rechts zu messen ist1063 Dies bedeutet jedoch nicht, dass das europäische Recht im Zusammenhang mit dem ordre-public-Vorbehalt des Art. 12 Rom III-VO unerheblich ist, denn die Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterliegen auch bei der Ausformulierung ihres nationalen ordre public den durch das Unionsrecht festgeschriebenen Grenzen, die sich insbesondere aus den Europäischen Verträgen und den Grundfreiheiten ergeben.1064 Auf diese Weise wird auch der nationale ordre public durch die Grund- und Wertvorstellungen des Unionsrechts zumindest mitgeprägt.1065 Dabei kann

1058

Vgl. Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO, Art. 35 EuErbVO; Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Basedow in LA Pintens, S. 135 (146); Rühl in FS Kropholler, S. 187 (207); Heinze in FS Kropholler, S. 105 (121); Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (244). 1059 Coester-Waltjen/Coester in LA Schurig, S. 33 (42). 1060 Gruber, IPrax 2012, S. 381 (391). 1061 Vgl. Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (825). 1062 Heinze in FS Kropholler, S. 105 (122); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Rühl in FS Kropholler, S. 187 (208); Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (244); Palandt/Thorn, BGB, Art. 12 Rom III-VO Rn. 2. 1063 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 5. 1064 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 5. 1065 Heinze in FS Kropholler, S. 105 (122); Rühl in FS Kropholler, S. 187 (208); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 5; Rauscher/Jakob/Picht,

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hier dahinstehen, ob der Verweis auf die öffentliche Ordnung des Forumstaates in Art. 12 Rom III-VO dogmatisch damit zu begründen ist, dass der europäische ordre public für die Zwecke der Verordnung in der Gestalt des nationalen ordre public auftritt, oder dass sich ein gegenüber dem nationalen ordre public eigenständiger europäischer ordre public bisher nicht herausgebildet hat und die grundlegenden Regeln des Unionsrechts stattdessen in den nationalen ordre public integriert werden und diesen dadurch europäisch ausgestalten.1066 Im Ergebnis erfasst Art. 12 Rom III-VO jedenfalls auch die Grundprinzipien des europäischen Rechts, weil das Unionsrecht aufgrund seiner Geltung in den teilnehmenden Mitgliedstaaten Teil der öffentlichen Ordnung dieser Staaten ist.1067 Nichtsdestotrotz kann der Verweis auf den jeweiligen ordre-public-Vorbehalt des Forumstaates zu gewissen Unterschieden in der Anwendung des berufenen ausländischen Rechts führen, was jedoch als unvermeidlich und systemimmanent hinzunehmen ist, da eine flächendeckende Vereinheitlichung des Sachrechts innerhalb der Union auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist.1068 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch Erwägungsgrund Nr. 25 S. 2 Rom III-VO,1069 demgemäß die Anwendung des (nationalen) ordrepublic-Vorbehalts dann ausgeschlossen sein soll, wenn die daraus folgende Nichtanwendung einer Bestimmung des berufenen ausländischen Rechts gegen die Grundrechtecharta der Europäischen Union und insbesondere gegen das darin enthaltene Diskriminierungsverbot verstoßen würde. Die durch diese Formulierung bezweckte Einschränkung der ordre-public-Kontrolle hat jedoch keine ausdrückliche Entsprechung im eigentlichen Verordnungstext gefunden. Ihr kommt damit weder formal ein Regelungscharakter zu noch enthält sie einen inhaltlich eigenständigen Regelungsgehalt. Vielmehr macht Erwägungsgrund Nr. 25 S. 2 Rom III-VO mit dieser Aussage lediglich ebenfalls deutlich, dass der nationale ordre-public-Vorbehalt seine äußere Grenzen in den Grundprinzipien des europäischen Rechts und dabei insbesondere in der Grundrechtecharta findet.1070 Zudem ist ein eigenständiger Anwendungsfall des Erwägungsgrundes Nr. 25 S. 2 Rom III-VO nur schwer vorEuZPR/EuIPR, Art. 26 Rom II-VO Rn. 1; Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (55); Schack in FS Spellenberg, S. 497 (509). 1066 Vgl. Heinze in FS Kropholler, S. 105 (122); Rühl in FS Kropholler, S. 187 (208); Pfütze, ZEuS 2011, S. 35 (55); Finger, FuR 2011, S. 61 (65); Schack in FS Spellenberg, S. 497 (509); ausführliche Diskussion auch bei Stürner in FS von Hoffmann, S. 463 (473 ff.). 1067 Heinze in FS Kropholler, S. 105 (122); Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (244); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 5; ausführlich zur Anreicherung des nationalen ordre public durch europäische Werte Stürner in FS von Hoffmann, S. 462 (464 ff.); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (335). 1068 Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (244). 1069 Dazu auch Basedow in LA Pintens, S. 135 (147 f.). 1070 Stürner in FS von Hoffmann, S. 463 (475).

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stellbar, denn es ist nicht ersichtlich, wie die Anwendung einer Vorschrift des berufenen ausländischen Rechts einerseits unvereinbar sein sollte mit dem ordre public des Forums, der die Grundrechtecharta und das darin enthaltene Diskriminierungsverbot bereits mit umfasst, und gleichzeitig die Berufung auf den ordre public gegen die Grundrechtecharta verstößt. In letzterem Fall dürfte vielmehr ein Verstoß gegen den ordre public des Forums schon gar nicht vorliegen.1071 b) Gegenstand der ordre-public-Kontrolle Anders als bei Art. 10 Rom III-VO ist zudem nicht die ausländische Rechtsordnung oder eine ihrer Vorschriften als solche Gegenstand der ordre-publicKontrolle des Art. 12 Rom III-VO, sondern maßgeblich ist das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall. Eine abstrakte Normenkontrolle gegenüber ausländischem Recht ist im Rahmen des allgemeinen ordre-public-Vorbehalts des Art. 12 Rom III-VO somit nicht möglich.1072 Es ist folglich irrelevant, ob eine Norm des ausländischen Rechts und der dahinter stehende Rechtsgedanke wesentlichen Wertungen der lex fori widerspricht, solange das Ergebnis ihrer Anwendung im zu bewertenden Einzelfall mit den fundamentalen Vorstellungen der inländischen Rechtsordnung vereinbar ist.1073 Dabei unterscheidet die Regelung des Art. 12 Rom III-VO nicht danach, ob das zu beurteilende Anwendungsergebnis auf der Anwendung des Rechts eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Drittstaates beruht. Die ordre-public-Kontrolle der Rom III-Verordnung umfasst also grundsätzlich auch Fälle, in denen das Recht eines anderen EUMitgliedstaates zur Anwendung berufen ist, sodass eine Pflicht zur vorbehaltlosen Anwendung mitgliedstaatlichen Rechts nicht besteht.1074 c) Verstoß gegen die öffentliche Ordnung Inhalt und Grenzen des ordre public sind nur in Ansätzen abstrakt und allgemein bestimmbar. Die Ausgestaltung als Generalklausel und die damit verbundene bewusste Unbestimmtheit des Begriffes stehen einer genauen Defi-

1071

Vgl. auch Stürner in FS von Hoffmann, S. 463 (475). Basedow in LA Pintens, S. 135 (146); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 11; Basedow in FS Posch, S. 17 (29). 1073 Basedow in LA Pintens, S. 135 (146); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 11. 1074 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 15; MünchKomm/ Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 76; vgl. auch Heinze in FS Kropholler, S. 105 (126); Rühl in FS Kropholler, S. 187 (208); Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 26 Rom II-VO Rn. 12. 1072

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nition entgegen.1075 Prinzipiell schützt der ordre public den unantastbaren Kernbereich der lex fori1076 und umfasst die fundamentalen Rechtsprinzipien und Wertvorstellungen, die den nationalen Normen zugrunde liegen und die von derart großer Wichtigkeit sind, dass sie nicht zugunsten gegensätzlicher Wertungen und Regelungen eines berufenen ausländischen Rechts zurücktreten können.1077 Ob und wann ein Verstoß gegen den ordre public des Forums vorliegt, kann letztendlich aber nur für den konkreten Einzelfall und unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilt werden.1078 Allerdings sieht Art. 12 Rom III-VO die Nichtanwendung einer Vorschrift des berufenen Rechts „nur“ dann vor, wenn die Anwendung der Vorschrift mit dem ordre public des Forums „offensichtlich unvereinbar“ ist. Aus dieser Formulierung ergibt sich, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Wortlaut des Erwägungsgrund Nr. 25 Rom III-VO („in Ausnahmefällen“), dass es sich bei Art. 12 Rom III-VO um eine restriktiv auszulegende Sonderregelung handelt, von der nur möglichst zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte.1079 Im Hinblick auf die restriktive Formulierung des Art. 12 Rom III-VO ist ein Verstoß gegen den ordre public daher grundsätzlich nur anzunehmen, wenn die Anwendung des berufenen ausländischen Rechts im konkreten Fall einen besonders schwerwiegenden Widerspruch zu den Rechtsgrundsätzen des Forumstaates bedeuten würde.1080 Deutsche Gerichte können und müssen bei der Prüfung des Einzelfalles im Rahmen des Art. 12 Rom III-VO auf den (unionsrechtlich geprägten) deutschen ordre public des Art. 6 EGBGB zurückgreifen.1081 Ein wichtiger Bestandteil der deutschen öffentlichen Ordnung sind dabei die Grundrechte, die Art. 6 S. 2 EGBGB als besonders hervorgehobene Wertentscheidungen der Verfassung gesondert erwähnt.1082 Der ordre-public-Vorbehalt dient damit auch als Einbruchstelle der Grundrechte in das Kollisionsrecht.1083 Da Ver1075

Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 III 1 (S. 248); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 586. 1076 Stürner in FS von Hoffmann, S. 463. 1077 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 III 1 (S. 248); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 6, 12; Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (408); MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 75; Wagner, StAZ 2012, S. 133 (139); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 7. 1078 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 75. 1079 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 1, 12; Rauscher/Jakob/ Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 26 Rom II-VO Rn. 4; Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 47. 1080 Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (824). 1081 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (244). 1082 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 IV 1 (S. 251); MünchKomm/ Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 46; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 7; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 588. 1083 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 7.

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stöße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG wegen des Vorrangs der speziellen Vorbehaltsklausel zumindest in Bezug auf eine Geschlechterdiskriminierung bereits durch Art. 10 Rom III-VO erfasst werden, verbleibt für Art. 12 Rom III-VO angesichts der strengen Tatbestandsvoraussetzungen jedoch nur ein recht begrenzter Kreis denkbarer Anwendungsfälle, in denen eine Abwehr ausländischer Rechtsanwendung über den allgemeinen ordrepublic-Vorbehalt gerechtfertigt ist. Als Ablehnungsgrund für die Anwendung einer Vorschrift des berufenen ausländischen Scheidungsrechts kommt dabei in erster Linie eine Verletzung der aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleiteten (negativen) Eheschließungsfreiheit in Betracht.1084 Diese beruht auf dem in der deutschen Gesellschaft mittlerweile tief verankerten und weitverbreitenden Verständnis von der Ehe, dass diese grundsätzlich auch zu Lebzeiten der Ehegatten jederzeit auflösbar ist und sein muss. Die Freiheit der Eheschließung betrifft somit nicht nur den Beginn einer Ehe, sondern besteht auch während der Ehezeit fort und zählt in dieser Form zu den grundlegenden Prinzipien des deutschen Eherechts.1085 Daraus folgt sodann, dass niemand auf Dauer gegen seinen Willen zur statusmäßigen Aufrechterhaltung einer nicht mehr existierenden ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet werden kann.1086 Auch hier ist jedoch zunächst zu beachten, dass die Fälle der generellen Unscheidbarkeit der Ehe im berufenen ausländischen Recht bereits durch Art. 10 Rom III-VO erfasst werden. Übrig bleiben also nur die Fälle, in denen das berufene Recht die Ehescheidung zwar nicht grundsätzlich, aber im vorliegenden konkreten Fall – aus welchen Gründen auch immer – ausschließt.1087 Darin liegt bei entsprechendem hinreichendem Inlandsbezug eine Verletzung der negativen Eheschließungsfreiheit der scheidungswilligen Ehegatten, die einen Verstoß gegen den deutschen ordre public darstellt und somit eine Nichtanwendung der betreffenden Vorschriften des berufenen ausländischen Rechts rechtfertigt. Eine solche Verletzung der negativen Eheschließungsfreiheit kann zudem auch dann vorliegen, wenn das berufene Recht im Vergleich zur deutschen lex fori wesentlich längere Trennungsfristen vorsieht oder die möglichen Scheidungsgründe deutlich enger fasst als das deutsche Recht, und die Scheidung für die Betroffenen dadurch unzumutbar erschwert.1088 Dabei ist jedoch zu anzumerken, dass nicht jede strengere Regelung der Scheidungsvoraussetzungen im ausländischen Recht zu einer 1084

Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 50. Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 51. 1086 Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 51. 1087 Gruber, IPrax 2012, S. 381 (391); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1771); vgl. auch Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (11); Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (824); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (718). Damit dürfte zugleich auch die von Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (19) Fn. 69 aufgeworfene Frage beantwortet sein. 1088 Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (718); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 51. 1085

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Grundrechtsverletzungen und damit einem ordre-public-Verstoß führt.1089 Vielmehr muss es sich um wesentliche Abweichungen vom deutschen Recht handeln, die eine für die Beteiligten unzumutbare Einschränkung der persönlichen Freiheit bedeuten. So ist der ordre public beispielsweise nicht betroffen, wenn das ausländische Scheidungsrecht für eine Scheidung ähnliche Trennungsfristen vorsieht wie das deutsche Recht, die Trennungsfrist nach dem ausländischen Recht aber mangels Einleitung eines förmlichen Trennungsverfahrens noch nicht zu laufen begonnen hat.1090 Ob darüber hinaus auch eine Erleichterung der Scheidung in Form von wesentlich verkürzten Trennungsfristen oder einer völlig voraussetzungslosen Ermöglichung der Scheidung im Einzelfall mit dem durch Art. 6 Abs. 1 GG garantierten Schutz von Ehe und Familie unvereinbar sein und daher über den allgemeinen ordrepublic-Vorbehalt des Art. 12 Rom III-VO abgewehrt kann,1091 dürfte angesichts des gewandelten Ehe- und Scheidungsverständnisses hingegen äußerst fraglich sein und ist wohl eher zu bezweifeln. d) Inlandsbezug Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 12 Rom III-VO setzt die Nichtanwendung ausländischen Rechts wegen Verstoßes gegen den nationalen ordre public zudem eine hinreichende Inlandsbeziehung des zu beurteilenden Lebenssachverhaltes voraus.1092 Die Voraussetzung eines Inlandsbezuges ergibt sich daraus, dass die Nichtanwendung ausländischen Rechts nur dadurch gerechtfertigt werden kann, dass tatsächliche Beziehungen des zu beurteilenden Falles zur inländischen Rechtsordnung bestehen, auf denen die Unerträglichkeit der Anwendung fremden Rechts beruhen kann. Die Wertvorstellungen des inländischen Rechts können Personen und Sachverhalten, die keinerlei Beziehungen zum Forumstaat aufweisen, auch dann nicht ohne Weiteres aufgedrängt werden, wenn inländische Gerichte für das Scheidungsverfahren zuständig sind,1093 denn der ordre-public-Vorbehalt dient in erster Linie der Abwehr kollidierender ausländischer Wertvorstellungen und nicht der Durchsetzung zwingender Vorschriften der lex fori.1094

1089

Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 51. Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 51. 1091 Vgl. Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (718). 1092 Basedow in LA Pintens, S. 135 (147); Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 13; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 II 2 (S. 246); MünchKomm/ Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 79; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 589. 1093 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 13; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 590. 1094 Negative Funktion des ordre public, Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 9; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 I (S. 244); MünchKomm/ 1090

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Eine allgemeingültige Aussage darüber, wodurch ein hinreichend starker Inlandsbezug begründet wird, lässt sich jedoch nicht treffen, dies kann nur für den Einzelfall bewertet und entschieden werden.1095 Es können daher auch nicht abstrakt Umstände benannt werden, die stets oder in keinem Fall als Inlandsbeziehung ausreichen.1096 Grundsätzlich gilt jedoch, dass nicht jede beliebige Beziehung zum Inland genügt, sondern diese den Kern der jeweiligen Rechtsfrage berühren und deshalb von gewisser Intensität sein muss.1097 Darüber hinaus besteht auch ein Zusammenhang zwischen der Intensität des Inlandsbezuges im konkreten Fall zum Ausmaß der Anstößigkeit des Rechtsanwendungsergebnisses.1098 Je schwächer der Inlandsbezug, desto bedeutender müssen die Verstöße gegen inländische Rechtsgrundsätze, desto befremdlicher also muss das Ergebnis der Rechtsanwendung sein, damit die Vorbehaltsklausel des Art. 12 Rom III-VO greifen kann.1099 Denkbar ist zudem, dass die Relativität des Inlandsbezuges im Zusammenspiel mit der europäischen Prägung des ordre public und im Hinblick auf die Tatsache, dass die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf der Grundlage eines europäischen Rechtsakts erfolgt, zu veränderten Anforderungen an den Inlandsbezug führt.1100 So erscheint es als logische Konsequenz der Europäisierung des ordre public, dass für die Inlandsbeziehung eines Sachverhalts nicht mehr zwangsläufig eine Nähe gerade zum Forumstaat erforderlich ist, sondern eine Beziehung zur Europäischen Union ausreichend ist, wenn spezifisch europäische Grundwerte betroffen sind.1101 Es liegt daher nahe, in diesem Fall statt eines spezifischen Bezugs zum Forumstaat eine Unionsbeziehung als maßgeblich und hinreichend für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel zu betrachten.1102

Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 3; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 581; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 26 Rom II-VO Rn. 2. 1095 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 80; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 13. 1096 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 80. 1097 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 II 2 (S. 246). 1098 Auch bekannt als Relativität des ordre public, siehe Rauscher/Thorn, EuZPR/ EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 14; MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 80; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 II 2 (S. 246); Basedow in LA Pintens, S. 135 (147). 1099 Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 14; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 II 2 (S. 246). 1100 Siehe auch Stürner in FS von Hoffmann, S. 463 (481). 1101 Stürner in FS von Hoffmann, S. 463 (481). 1102 Stürner in FS von Hoffmann, S. 463 (481); Siehr in FS von Hoffmann, S. 424 (436).

§ 4 Einzelfragen

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e) Rechtsfolgen eines ordre-public-Verstoßes Die Rechtsfolgen eines ordre-public-Verstoßes sind für die ordre-publicKlauseln der Rom III-Verordnung nicht einheitlich geregelt und ausgestaltet. Während Art. 10 Rom III-VO die zwingende Anwendung der lex fori anordnet, sieht Art. 12 Rom III-VO lediglich vor, dass als Folge eines ordrepublic-Verstoßes die Anwendung einer Vorschrift des ausländischen Rechts verweigert werden kann. Darüber hinaus sieht Art. 10 Rom III-VO als Rechtsfolge die Nichtanwendung der ausländischen Rechtsordnung als Ganzes zugunsten der lex fori vor, wohingegen Art. 12 Rom III-VO, wie auch Art. 6 EGBGB, lediglich die Nichtanwendung einer betroffenen Vorschrift als Rechtsfolge benennt.1103 Art. 12 Rom III-VO enthält jedoch keine über die bloße Ermöglichung der Nichtanwendung einer Vorschrift des ausländischen Rechts hinausgehende Bestimmung der Rechtsfolgen eines ordre-publicVerstoßes. Dadurch dass Art. 12 Rom III-VO aber ausdrücklich die öffentliche Ordnung des Forumsstaates zum Maßstab der Prüfung zum Maßstab erhebt, ergibt sich für Scheidungsverfahren vor deutschen Gerichten, dass ein Verstoß gegen den ordre public gemäß Art. 6 EGBGB zumindest zur zwingenden Nichtanwendung der betroffenen ausländischen Vorschrift führt. Sowohl Art. 12 Rom III-VO als auch Art. 6 EGBGB enthalten aber keine Aussage über die Folgen der Nichtanwendung einer ausländischen Norm, also beispielsweise darüber, welche Regelung stattdessen und in welchem Umfang anzuwenden ist.1104 Für Art. 6 EGBGB ist jedoch anerkannt, dass es bei der bloßen Nichtanwendung der betroffenen ausländischen Rechtsnorm unter Anwendung des ausländischen Rechts im Übrigen bleibt, wenn dies nicht zu unüberbrückbaren Regelungslücken führt, und auf der Grundlage des verbleibenden Teils der ausländischen Normen ein ordre-public-gerechtes Einzelfallergebnis erreicht werden kann.1105 Entstehen durch die Nichtanwendung ausländischer Vorschriften jedoch für die Rechtsanwendung im zu beurteilenden Fall nicht hinnehmbare Lücken im fremden Recht, so sind diese in erster Linie unter der Prämisse der zurückhaltenden Anwendung des ordre-public-Vorbehalts und im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs primär aus dem Geist des ausländischen Rechts selbst und durch eine ordre-public-gemäß modifizierte Anwendung der Rechtsgedanken des fremden Rechts zu schlie-

1103

Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 594. Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (408); Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (244); Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (268). 1105 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 91; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 595; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 36 V (S. 254) 1104

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ßen.1106 Erst wenn dies nicht möglich ist, oder wenn eine aus Sicht der lex fori unerlässliche Regelung in der berufenen Rechtsordnung von vornherein fehlt, ist die Lücke ersatzweise durch die Anwendung der lex fori zu schließen.1107 Da der ordre-public-Vorbehalt des Art. 12 Rom III-VO als umfassende Bezugnahme auf die mitgliedstaatlichen ordre-public-Klauseln verstanden werden kann,1108 erstreckt sich der Verweis auf den nationalen ordre public in Art. 12 Rom III-VO auch auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung, sodass die für das autonome deutsche Kollisionsrecht insoweit entwickelten Grundsätze auch zum Tragen kommen, wenn das ausländische Recht aufgrund der Vorschriften der Rom III-Verordnung bestimmt wurde. Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass auch insoweit Unterschiede in der Anwendungspraxis zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten entstehen können,1109 die jedoch nicht so schwerwiegend sein dürfen, dass sie den Vereinheitlichungszweck der Verordnung gefährden würden,1110 und die zudem als Folge der bewusst national geprägten Konzeption der ordre-public-Klausel hinzunehmen sind. 3. Die Regelung des Art. 13 Rom III-VO Der Verordnungsgeber hat erkannt, dass sich aufgrund divergierender nationaler Ehebegriffe und Eheschließungsvoraussetzungen der sachliche Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung im konkreten Einzelfall auch auf Eheformen erstrecken kann, die im Sachrecht eines teilnehmenden Mitgliedstaates nicht vorgesehen sind. Er hat daher mit Art. 13 Rom III-VO eine Regelung in die Verordnung aufgenommen, die verdeutlicht, dass – trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Verordnung auch auf solche Ehen – die teilnehmenden Mitgliedstaaten als Forumstaaten nicht durch die Rom IIIVerordnung gezwungen werden, Ehen zu scheiden, die sie selbst nicht kennen. Gemäß Art. 13 Rom III-VO1111 „sind die Gerichte eines teilnehmenden Mitgliedstaates, nach dessen Recht die Ehescheidung nicht vorgesehen ist oder die betreffende Ehe für die Zwecke des Scheidungsverfahrens als nicht gültig angesehen wird, nicht verpflichtet eine Ehescheidung in Anwendung der Verordnung auszusprechen.“ Die Norm ist zu lesen in Verbindung mit 1106

Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 596; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 16; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 26 Rom II-VO Rn. 28. 1107 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 92; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 597; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 16; so auch schon BGHZ 169, S. 240 (255). 1108 Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (244). 1109 Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 (244). 1110 Für die ähnliche österreichische Lösung siehe Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (268). 1111 Die Vorschrift ist überschrieben mit der Bezeichnung „Unterschiede beim nationalen Recht“ – für Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (21) ein nichtssagender Titel.

§ 4 Einzelfragen

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Erwägungsgrund Nr. 26 Rom III-VO, der die Bestimmung des Art. 13 Rom III-VO näher erläutert. Beide Regelungen unterscheiden zwischen dem Fall, dass eine Ehescheidung im Recht des teilnehmenden Mitgliedstaates nicht vorgesehen ist und der Konstellation, dass die betreffende Ehe für die Zwecke des Scheidungsverfahrens als „nicht gültig“ angesehen wird. a) Scheidungsfeindlichkeit der lex fori Art. 13 Var. 1 Rom III-VO betrifft den Fall, dass der teilnehmende Mitgliedstaat, dessen Gerichte angerufen wurden, die Ehescheidung als Rechtsinstitut in seinem Sachrecht nicht kennt, das berufene ausländische Recht die Ehescheidung aber vorsieht. Damit stellt die Norm die Umkehrregelung zu Art. 10 Var. 1 Rom III-VO dar, der die gegenteilige Konstellation betrifft, dass zwar die lex fori, nicht aber das berufene ausländische Recht die Ehescheidung kennt. Beide Regelungen wurden vor allem im Hinblick auf das maltesische Recht in die Verordnung aufgenommen,1112 das zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Rom III-Verordnung als einziges Sachrecht eines teilnehmenden Mitgliedstaates die Ehescheidung nicht kannte.1113 Nachdem sodann im Jahr 2011 auch in Malta die Ehescheidung als Rechtsinstitut im nationalen Familienrecht etabliert wurde, gibt es nunmehr für die erste Alternative des Art. 13 Rom III-VO keinen Anwendungsfall mehr.1114 b) Keine Verpflichtung durch die Rom III-Verordnung zur Scheidung „als nicht gültig angesehener“ Ehen Weiterhin von Bedeutung ist hingegen die zweite Alternative der Norm, die die Ungültigkeit einer konkreten Ehe betrifft. Mag der Wortlaut des Art. 13 Rom III-VO noch Ungewissheit darüber aufkommen lassen, welche Art von Ehen oder welche Form der Ungültigkeit einer Ehe von der Regelung umfasst werden, so geht aus der Formulierung des Erwägungsgrundes Nr. 26 Abs. 2 S. 1 Rom III-VO eindeutig hervor, dass es sich hierbei um die Fälle handelt, in denen das nationale Sachrecht des Forumstaates1115 eine bestimmte Aus-

1112

Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434). Die Vorschriften sind daher auch als sog. „Malta-Klausel“ bekannt; vgl. z.B. Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (21); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1544); Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (267); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 825; Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (336). 1113 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (21) sieht darin allerdings ein „falsches Signal“. 1114 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389); Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770); Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 825; Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (723). 1115 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390); aA, jedoch nur schwer nachvollziehbar Torga, NiPR 2012, S. 547 (549).

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prägung der Ehe nicht kennt.1116 Somit wird Art. 13 Rom III-VO unter anderem für die oben beschriebenen Fälle der gleichgeschlechtlichen und der polygamen Ehe relevant.1117 Vor dem Hintergrund, dass als Folge der selbständigen Vorfragenanknüpfung jedoch ohnehin die lex fori darüber entscheidet, ob eine wirksame Ehe besteht, mag die Frage aufkommen, welche eigenständige, darüber hinausgehende Aussage Art. 13 Var. 2 Rom III-VO noch beinhaltet. Um dies zu verdeutlichen, muss zwischen der Vorfragenanknüpfung, die in erster Linie das Kollisionsrecht des Forumstaates in Verbindung mit dem berufenen, gegebenenfalls ausländischen Sachrecht betrifft, und dem Sachrecht des Forums unterschieden werden, auf das sich Art. 13 Var. 2 Rom III-VO bezieht. Dies bedeutet, dass gerade die Fälle, in denen Gerichte von einer Ehescheidung deshalb absehen, weil sie aufgrund der Vorfragenanknüpfung eine Ehe als nicht bestehend ansehen, keinen Anwendungsfall des Art. 13 Var. 2 Rom III-VO darstellen,1118 denn eine Ehe, die nicht besteht, kann von den Gerichten auch nicht geschieden werden.1119 Gemeint und von Art. 13 Rom III-VO erfasst sind vielmehr die Fälle, in denen aufgrund der selbständigen Vorfragenanknüpfung beispielsweise eine gleichgeschlechtliche Ehe als wirksam angesehen werden muss, weil die Heimatrechte der Ehegatten eine solche Eheschließung vorsehen. In diesem Fall liegt aus Sicht des Forumstaates eine wirksame Ehe vor, weil das Kollisionsrecht und das ausländische Sachrecht zu diesem Ergebnis führen. Folglich wäre der Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung eröffnet1120 und die betreffende Ehe unter Anwendung der Verordnung zu scheiden. Da aber gleichzeitig nicht notwendigerweise auch das Sachrecht des Forums eine solche Ehe vorsieht und beispielsweise die gleichgeschlechtliche Ehe nicht kennt, stellt Art. 13 Var. 2 Rom III-VO klar, dass die Gerichte der teilnehmenden Mitgliedstaaten in einem solchen Fall nicht durch die Rom III-Verordnung verpflichtet werden, die Ehescheidung auszusprechen.1121 Die Norm spiegelt den Verhandlungshintergrund und den Kompromisscharakter unionsrechtlicher Regelungen wider und trägt den Befindlichkeiten der teilnehmenden Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre nationalen Ehebegriffe Rechnung, indem sie 1116 „[…] im Recht dieses teilnehmenden Mitgliedstaates eine solche Ehe nicht vorgesehen ist.“ 1117 So auch Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Rn. 103; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 383; Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390). 1118 Dies verkennt beispielsweise Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (798); andeutungsweise anders auch bei Süß/Ring/Ring/Olsen-Ring, Eherecht in Europa, § 1 Fn. 141. 1119 Vgl. auch Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (338). 1120 Dazu siehe oben Abschnitt B § 2 I. 3. b) bb). 1121 Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (268). Die Regelung sollte im Wege der Analogiebildung auch auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erstreckt werden, denn auch diese setzt eine wirksame Ehe und damit letztlich die kollisionsrechtliche Anerkennung der Ehe voraus; vgl. auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390) Fn. 119.

§ 4 Einzelfragen

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die Traditionen und die unterschiedliche kulturelle Identität und Prägung in den Mitgliedstaaten respektiert, die gerade auch im Familienrecht besonders zum Ausdruck kommt.1122 c) Verweigerungsrecht durch die Rom III-Verordnung? Ob Art. 13 Rom III-VO jedoch so weitreichend zu verstehen ist, dass die Norm den Gerichten der teilnehmenden Mitgliedstaaten ein Verweigerungsrecht in der Form vermittelt, dass diese die Durchführung eines Scheidungsverfahrens unter Verweis auf Art. 13 Rom III-VO ohne weitere Sachprüfung ablehnen können und damit zur Verweigerung einer Sachentscheidung befugt werden,1123 darf allerdings bezweifelt werden. Vielmehr stellt die Vorschrift letztendlich nur klar, dass sich aus der Rom III-Verordnung – trotz ihrer grundsätzlichen Anwendbarkeit auch auf spezielle Erscheinungsformen der Ehe – keine Verpflichtung zur Ehescheidung ergibt, wenn das nationale Recht diese Ausprägung der Ehe nicht kennt. Dies wird besonders deutlich, wenn man andere Sprachfassungen der Norm betrachtet, die den eingeschränkten Regelungsgehalt der Vorschrift besser zum Ausdruck bringen als die deutsche Übersetzung: So sprechen beispielsweise die englische und die französische Fassung der Norm (“Nothing in this Regulation shall oblige the courts of a participating Member State […]” – “Aucune disposition du présent règlement n’oblige les jurisdictions d’un État membre […]”)1124 für eine Auslegung dahingehend, dass Art. 13 Rom III-VO keinerlei eigenständige Rechte vermittelt, sondern lediglich den begrenzten Regelungsumfang und -willen der Verordnung aufzeigen und bekräftigen will. Eine darüber hinausgehende Intention des Verordnungsgebers und ein weiterführender Regelungsgehalt, wie es zum Beispiel ein durch Art. 13 Rom III-VO genuin begründetes Verweigerungsrecht darstellen würde, ist jedoch nicht ersichtlich.1125 Die Rom III-Verordnung überlässt es vielmehr dem einzelstaatlichen Recht und somit unter anderem auch dem nationalen ordre public, den Umgang mit unbekannten Eheformen zu regeln.

1122 1123

Becker, NJW 2011, S. 1543; Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (374). So Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390); Palandt/Thorn, BGB, Art. 13 Rom III-VO

Rn. 1.

1124

Engl.: “Nothing in this Regulation shall oblige the courts of a participating Member State whose law does not provide for divorce or does not deem the marriage in question valid for the purposes of divorce proceedings to pronounce a divorce by virtue of the application of this Regulation”; frz.: “Aucune disposition du présent règlement n’oblige les jurisdictions d’un État membre participant don’t la loi ne prévoit pas le divorce ou ne considère pas le mariage en question comme valuable aux fins de la procédure de divorce à prononcer un divorce en application du présent règlement.” 1125 Von einem Verweigerungsrecht spricht jedoch auch Makowsky, GPR 2012, S. 266 (267).

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d) Möglichkeit zur Scheidung „als nicht gültig angesehener“ Ehen Somit werden beispielsweise deutsche Gerichte gemäß Art. 13 Var. 2 Rom III-VO nicht durch die Rom III-Verordnung dazu verpflichtet, gleichgeschlechtliche oder polygame Ehen zu scheiden. Aus der einseitigen Formulierung des Art. 13 Rom III-VO ergibt sich zugleich jedoch, dass die Gerichte der teilnehmenden Mitgliedstaaten unionsrechtlich aber auch nicht an der Durchführung einer solchen Ehescheidung gehindert sind. Ob eine Scheidung gleichgeschlechtlicher oder polygamer Ehen in Deutschland möglich ist, muss daher letztlich das deutsche Recht entscheiden. Für die polygame Ehe ist die Möglichkeit einer Ehescheidung vor deutschen Gerichten bereits seit längerem anerkannt.1126 Gleiches sollte in Anbetracht und als logische Konsequenz der hier befürworteten Anknüpfung der gleichgeschlechtlichen Ehe über das Eheschließungsstatut des Art. 13 EGBGB auch für diese Ausprägung der Ehe gelten.1127 Es ist schlichtweg nicht ersichtlich, warum Deutschland für eine solche Ehescheidung „nicht das richtige Pflaster“1128 sein sollte. Wie oben dargestellt, beschränkt sich die Entscheidungsgewalt des deutschen Gesetzgebers in Bezug auf gleichgeschlechtliche Ehen darauf, solche Eheschließungen unter deutscher Beteiligung oder bei Eheschließungen im Inland nicht zu erlauben. Die Behandlung im Ausland wirksam geschlossener Ehen hat jedoch diskriminierungsfrei zu erfolgen, sofern der deutsche ordre public einer solchen Gleichbehandlung nicht entgegensteht. Da, wie oben gezeigt, der deutsche ordre public die kollisionsrechtliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe jedoch nicht behindert, ist eine Ehescheidung gleichgeschlechtlicher Ehen auch in Deutschland jedenfalls möglich.1129 Einen ersten Schritt in diese Richtung ging bereits das AG Münster, das in einer kritisch aufgenommenen Entscheidung aus dem Jahr 20101130 die Scheidung einer niederländischen gleichgeschlechtlichen Ehe aussprach.1131 Entgegen anderslautender Meinungen aus dem Schrifttum1132 ist das Urteil nach der hier vertretenen Auffassung als im Ergebnis richtig anzusehen, auch wenn das AG die gleichgeschlechtliche Ehe über Art. 17 b EGBGB analog angeknüpft und somit einen durchaus zu kritisierenden Wertungswiderspruch1133 hervorgerufen hat. 1126

Dilger, Zuständigkeit in Ehesachen, Rn. 118; Röthel, IPRax 2002, S. 496 (499). So im Ergebnis auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390). 1128 So aber Mankowski/Höffmann, IPrax 2011, S. 247 (252). 1129 Siehe auch Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 235. 1130 AG Münster NJW-RR 2010, S. 1308. 1131 Der Tenor lautete: „Die […] vor dem Standesamt […] geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.“ 1132 Mankowski/Höffmann, IPrax 2011, S. 247 (252). 1133 A.A. Wiggerich, FamRZ 2012, S. 1116 (1119). 1127

§ 4 Einzelfragen

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Darüber hinaus erscheint die Durchführung einer solchen Ehescheidung im Hinblick auf das aus Art. 20 Abs. 3 GG erwachsende Gebot des effektiven Rechtsschutzes und den daraus abgeleiteten Justizgewährungsanspruch auch verfassungsrechtlich zumindest geboten, wenn nicht sogar erforderlich, insbesondere dann, wenn das deutsche Forum der gemäß Brüssel IIaVerordnung einzig eröffnete Gerichtsstand ist, oder wenn auch andere zuständige Staaten die gleichgeschlechtliche Ehe nicht kennen und somit die Gefahr besteht, dass diese Gerichte die Ehescheidung verweigern würden.1134 Andernfalls müsste man Überlegungen hinsichtlich eines forum necessitatis anstellen,1135 um den betroffenen gleichgeschlechtlichen Paaren eine Ehescheidung zu ermöglichen, da ihnen das Recht der Ehescheidung sonst faktisch verwehrt würde. Da aber nach der hier vertretenen Auffassung auch in Deutschland gleichgeschlechtliche Ehen unter Anwendung der Verordnung geschieden werden können und sollen,1136 wird die Problematik eines Notgerichtsstandes zumindest aus deutscher Sicht obsolet, weshalb auf sie an dieser Stelle auch nicht weiter eingegangen werden soll. 4. Zusammenfassung Die öffentliche Ordnung im weiteren Sinne wird durch die Rom IIIVerordnung mehrfach und in unterschiedlichen Ausprägungen „auf den Plan gerufen“.1137 Auf der Tatbestandsseite nehmen dabei sowohl Art. 10 als auch 1134 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 27; Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (534 f.); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 381; Makowsky, GPR 2012, S. 266 (267); Palandt/Thorn, BGB, Art. 13 Rom III-VO Rn. 2 sieht eine Begründung mithilfe des Justizgewährungsanspruchs hingegen als unzutreffend an. 1135 Vgl. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (723). Auch das Europäische Parlament drängt auf die Aufnahme einer entprechenden Regelung in die Brüssel IIa-Verordnung, siehe Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Oktober 2008 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich (KOM(2006)0399 – C6-0305/2006 – 2006/0135(CNS)), ABlEU Nr. C 15 E vom 21.01.2010, S. 128 (132), Abänderung 15 und Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2010 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (KOM(2010)0105 – C7-0315/2010 – 2010/0067(CNS)), ABlEU Nr. C 169 E vom 15.06.2012, S. 205, Nr. 3; dazu auch Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1676); Kohler, FPR 2008, S. 193 (196) mit Fn. 15; Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (22). 1136 So im Ergebnis auch Makowsky, GPR 2012, S. 266 (268, 271); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (390), nach dessen Auffassung von einem Verweigerungsrecht gemäß Art. 13 Var. 2 Rom III-VO kein Gebrauch gemacht werden sollte. 1137 Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (408).

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Art. 12 Rom III-VO Regelungen zur Ehescheidung in den Blick, während (die nach der Einführung der Ehescheidung in Malta einzig noch bedeutsame Variante des) Art. 13 Rom III-VO die Ehe selbst und ihre Gültigkeit betrifft. Art. 10 Rom III-VO erfasst dabei in Form einer lex specialis nur einzelne, im Hinblick auf den ordre public besonders problematische, und deshalb abstrakt-generell abzuwehrende Regelungen im berufenen Scheidungsrecht, wohingegen Art. 12 Rom III-VO eine Generalklausel zum Schutz der öffentlichen Ordnung des Forumstaates enthält, die allerdings nur bei ordre-publicVerstößen im konkreten Einzelfall einschlägig ist. Bezüglich der Rechtsfolgen sind insbesondere die graduellen Abstufungen zwischen den verschiedenen ordre-public-Klauseln auffällig und von Bedeutung. So ist gemäß Art. 10 Rom III-VO die berufene Rechtsordnung zwingend und im Umfang vollständig durch die Anwendung der lex fori zu ersetzen. Art. 12 Rom III-VO sieht hingegen lediglich vor, dass die Anwendung einer Vorschrift des berufenen Rechts versagt werden kann und vermittelt somit ein Verweigerungsrecht, überlässt es darüber hinaus aber der lex fori, die Folgen der Nichtanwendung zu regeln. Art. 13 Rom III-VO beschränkt sich schließlich darauf, die Mitgliedstaaten nicht zur Durchführung der Ehescheidung zu verpflichten und überlässt den Umgang mit problematischen Ehekonstellation vollständig der lex fori. Art. 13 Rom III-VO stellt somit eine Sonderregelung dar, die zwar in mancher Hinsicht einer ordre-public-Klausel ähnelt, jedoch nur in abgeschwächter Form zum Tragen kommt. Sie schließt nicht zwingend die Ehescheidung aus, wenn die lex fori eine bestimmte Ausprägung der Ehe nicht kennt, oder vermittelt ein Recht, die Ehe nicht zu scheiden, sondern betont lediglich den Verzicht auf eine Verpflichtung zur Ehescheidung durch die Rom III-Verordnung. Trotz dieses begrenzten Regelungsumfangs der Norm, sieht sich die Regelung teilweise schwerer Kritik ausgesetzt, da sie das falsche Signal sende oder das Recht auf Freizügigkeit verletze.1138 Allerdings hat die Norm im Hinblick auf die unterschiedlichen Traditionen und Wertvorstellung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die gerade im Bereich des Familienrechts besonders ausgeprägt sind, und den langwierigen und schwierigen Entstehungsprozess der Verordnung durchaus ihre Daseinsberechtigung, insbesondere auch in der Hoffnung darauf, dass sie den Beitritt weiterer Staaten zur Verordnung erleichtern könnte. Insgesamt geht von der Norm wegen ihres begrenzten Regelungsumfangs keine grundlegende Gefahr für die Rechtsanwendung in der Europäischen Union aus. Die Norm ist vielmehr als der Konsensfindung geschuldete und den Kompromisscharakter der Verordnung widerspiegelnde Regelung in Kauf zu nehmen, die den teilnehmenden Mitgliedstaaten jedoch mehr als ausreichenden Spielraum dafür lässt, die Scheidung von Ehen, die im eigenen Sachrecht nicht vorgesehenen sind, durch ihre innerstaatlichen Gerichte zu 1138

Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (22).

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ermöglichen, was insbesondere für das deutsche Recht hier gefordert und propagiert werden soll. III. Mehrrechtsstaaten Besondere Fragen wirft die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf, wenn in einem Staat mehrere Rechtsordnungen gleichzeitig nebeneinander gelten. Die Problematik der sogenannten Mehrrechtsstaaten kann dabei in unterschiedlichen Konstellationen auftreten und kollisionsrechtlich relevant werden. So kann einerseits eine territoriale Rechtsspaltung vorliegen, bei der verschiedene Teile des Staatsgebietes jeweils eigene, voneinander abweichende Rechtssysteme aufweisen.1139 Andererseits ist eine Koexistenz verschiedener Rechtssysteme für verschiedene Personengruppen denkbar. Im Zusammenhang mit der Rom III-Verordnung sind solche Rechtsspaltungen vor allem dann von Bedeutung, wenn internationale Sachverhalte Bezüge zu einem oder mehreren solcher Mehrrechtsstaaten aufweisen. Für rein innerstaatliche Kollisionen, die dann vorliegen, wenn ein Sachverhalt eine Verbindung nur zu einem Mehrrechtsstaat aufweist, innerhalb dieses Mehrrechtsstaates aber zu mehreren Teilrechtsordnungen,1140 ist die Anwendung der Rom III-Verordnung hingegen nicht verpflichtend. 1. Territoriale Rechtsspaltung (Art. 14 Rom III-VO) Art. 14 Rom III-VO enthält vergleichsweise detaillierte Regelungen1141 für den Fall, dass bei internationalen Sachverhalten ein Staat betroffen ist, der mehrere Gebietseinheiten umfasst, von denen wiederum jede ihr eigenes Rechtssystem oder ihr eigenes Regelwerk für die in der Rom III-Verordnung geregelten Angelegenheiten besitzt, wenn also in unterschiedlichen Teilen des Staatsgebietes unterschiedliches Scheidungsrecht gilt.1142 Wegen der universellen Anwendbarkeit der Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung ist es dabei unerheblich, ob es sich bei dem Mehrrechtsstaat um einen teilnehmenden Mitgliedstaat oder um einen Drittstaat handelt.1143 Im Bereich des Privatrechts sind territoriale Rechtsspaltungen vor allem im anglo-amerikanischen Rechtsraum verbreitet, so zum Beispiel im Vereinigten Königreich,

1139

MünchKomm/Junker, BGB, Art. 25 Rom II-VO Rn. 1. Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom II-VO Rn. 8. 1141 In den Verordnungen Rom I und Rom II wird die Problematik der Mehrrechtsstaaten in jeweils nur einer einzigen Norm wesentlich knapper geregelt, siehe Art. 22 Rom I-VO bzw. Art. 25 Rom II-VO. 1142 Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 1. 1143 Vgl. Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom II-VO Rn. 3. 1140

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Kanada, und den Vereinigten Staaten von Amerika, sie können grundsätzlich jedoch auch in anderen, vor allem in föderal geprägten Staaten auftreten.1144 Räumliche Rechtsspaltungen in Mehrrechtsstaaten werfen dabei zunächst die Frage auf, ob die Kollisionsnormen der Verordnung direkt auf eine Teilrechtsordnung verweisen, oder ob erst das interlokale Kollisionsrecht des betreffenden Mehrrechtsstaates darüber entscheidet, welche der lokalen Rechtsordnungen auf den betreffenden Sachverhalt anzuwenden ist.1145 Diese Problematik wird in den kollisionsrechtlichen Verordnungen der Europäischen Union jedoch nicht einheitlich gelöst: Während die Verordnungen Rom I und Rom II im Zusammenhang mit internationalen Konflikten jede Gebietseinheit eines Mehrrechtsstaates als eigenständigen Staat ansehen und somit unmittelbar auf das Recht der betreffenden Gebietseinheit verweisen,1146 stellt Art. 36 Abs. 1 EuErbVO ausdrücklich klar, dass im Rahmen der Erbrechtsverordnung vorrangig das interlokale Kollisionsrecht des betroffenen Mehrrechtsstaates über das anzuwendende Teilrecht entscheidet. Nur für den Fall, dass solche internen Kollisionsvorschriften nicht existieren, enthält die Erbrechtsverordnung eigene Regelungen für die Problematik der interterritorialen Rechtsspaltung. Die Rom III-Verordnung wiederum entscheidet sich im Umgang mit Staaten, die eine räumliche Rechtsspaltung aufweisen, nicht vollständig für einen dieser Wege, sondern enthält eine differenzierte Regelung, die Elemente von beiden Lösungsansätzen beinhaltet und somit im Hinblick auf den Umgang mit territorialer Rechtsspaltung innerhalb des europäischen Kollisionsrechts eine Zwischenposition einnimmt. a) Inhalt der Regelung Art. 14 lit. a) Rom III-VO regelt zunächst, dass jede Bezugnahme auf das Recht eines Staates mit territorialer Rechtsspaltung für die Bestimmung des nach der Rom III-Verordnung anzuwendenden Rechts als Bezugnahme auf das in der betreffenden Gebietseinheit geltende Recht zu verstehen ist. Eine ähnliche Regelung findet sich auch in Art. 36 Abs. 2 lit. c) EuErbVO.1147 1144 Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 1; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom II-VO Fn. 1; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 25 Rom II-VO Rn. 1. 1145 Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 1; MünchKomm/ Martiny, BGB, Art. 22 Rom I-VO Rn. 1; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 25 Rom II-VO Rn. 5. 1146 Art. 22 Abs. 1 Rom I-VO, Art. 25 Abs. 1 Rom II-VO; Rauscher/Freitag, EuZPR/ EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 2; Heinze in FS Kropholler, S. 105 (120); Rauscher/ Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom II-VO Rn. 1; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 22 Rom I-VO Rn. 3; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 25 Rom II-VO Rn. 8. 1147 Anders als in der Rom III-Verordnung ist Art. 36 Abs. 2 lit. c) EuErbVO jedoch als Auffangregelung konzipiert, was nicht nur durch die systematische Stellung am Ende der Vorschrift, sondern auch durch die gewählte Formulierung („[…] aufgrund sonstiger

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Damit gilt zunächst grundsätzlich auch für die Rom III-Verordnung jede Teilrechtsgebietseinheit als eigenständiger Staat. Darüber hinaus enthält Art. 14 Rom III-VO spezielle Regelungen für die Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit. Dabei bestimmt Art. 14 Rom III-VO für die Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mehrrechtsstaat eine andere Herangehensweise als bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit. So ist gemäß Art. 14 lit. b) Rom III-VO jede Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mehrrechtsstaat als Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in einer Gebietseinheit zu verstehen. Damit verweisen die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung bei der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls unmittelbar auf die Teilrechtsordnung, in deren Geltungsbereich sich der gewöhnliche Aufenthalt der oder des Ehegatten befindet. Insofern übernimmt die Rom III-Verordnung also auch hier das bereits in den Verordnungen Rom I und Rom II etablierte Modell der Direktverweisung.1148 Bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit soll gemäß Art. 14 lit. c) Rom III-VO hingegen vorrangig das interlokale Kollisionsrecht des betroffenen Mehrrechtsstaates die anzuwendende Teilrechtsordnung bestimmen.1149 In Ermangelung solcher internen Kollisionsregeln können die Ehegatten die maßgebliche Gebietseinheit wählen; mangels einer solchen Wahl1150 kommt höchsthilfsweise die Rechtsordnung der Gebietseinheit zur Anwendung, zu der die engste Verbindung des oder der Ehegatten besteht.1151 Anders als beim gewöhnlichen Aufenthalt folgt die Rom III-Verordnung somit bei der Bezugnahme auf die Staatsangehörigkeit dem Lösungsansatz der Erbrechtsverordnung, der auf dem Vorrang des internen Kollisionsrechts des Mehrrechtsstaates basiert. Diese Lösung entspricht zugleich auch der in Art. 4 Abs. 3 EGBGB gewählten Herangehensweise, wobei dort jedoch – wie auch in Art. 36 Abs. 2 lit. b) EuErbVO – keine Rechtswahlmöglichkeit vorgesehen ist, sondern stattdessen direkt auf die engste Verbindung abgestellt wird.

Bestimmungen, die sich auf andere Anknüpfungspunkte beziehen, […]“) zum Ausdruck kommt. 1148 Stürner, JURA 2012, S. 708 (711). 1149 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389); von Sachsen Gessaphe in Deinert (Hrsg.), Internationales Recht im Wandel, S. 163 (176). 1150 Der deutsche Verordnungstext spricht insoweit von „Wahlmöglichkeit“, wobei es sich jedoch um einen Übersetzungsfehler handeln dürfte, da Art. 14 lit. c) Rom III-VO die Wahlmöglichkeit gerade selbst schafft und diese somit denklogisch nicht fehlen kann. Dementsprechend verwenden die englische und französische Sprachfassung richtigerweise auch lediglich die Begriffe „choice“ bzw. „choix“. 1151 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389).

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b) Bewertung Durch die Direktverweisung auf die Rechtsordnungen der einzelnen Gliedstaaten wird das interlokale Kollisionsrecht des betroffenen Mehrrechtsstaates verdrängt, das die maßgebliche innerstaatliche Gebietseinheit möglicherweise nach abweichenden Regeln bestimmen würde als die Rom III-Verordnung.1152 Mit dieser Regelungstechnik verlängert die Rom III-Verordnung ihre Anknüpfungsentscheidung bis in die innerstaatliche Gebietseinheit, was einerseits zur Vereinfachung der Rechtsanwendung beitragen kann und andererseits den kollisionsrechtlichen Vorstellungen der Union auch auf der Ebene der territorialen Teilrechtsgebiete zur Durchsetzung verhilft.1153 Dieses Modell funktioniert allerdings nur dann, wenn die Kollisionsnormen der Verordnung an einen Ort anknüpfen, der in einer der Gebietseinheiten lokalisiert werden kann.1154 Wenn es jedoch, wie bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, an einer solchen ortsgebundenen Anknüpfung fehlt, ist eine Direktverweisung nicht möglich, sodass in diesem Fall zusätzliche Kriterien erforderlich sind, um die maßgebliche Gebietseinheit zu bestimmen.1155 Der Verordnungsgeber hat diese Problematik erkannt und den Ruf nach einer klaren Regelung der nicht-ortsbezogenen Anknüpfungen1156 erhört, indem er in Ermangelung eines interlokalen Privatrechts des betroffenen Mehrrechtsstaates den Ehegatten die Wahl der maßgeblichen Gebietseinheit ermöglicht und hilfsweise auf die engste Verbindung abstellt. Allerdings ist auch diese Lösung nicht unproblematisch, denn die in Art. 14 lit. c) Rom III-VO vorgesehene Wahlmöglichkeit eröffnet den Ehegatten eine vergleichsweise weitreichende Wahlfreiheit, die nicht an die Restriktionen des Art. 5 Rom III-VO gebunden ist.1157 Dies kann dazu führen, dass die Ehegatten – sofern der betroffene Mehrrechtsstaat über kein interlokales Privatrecht verfügt – jede Teilrechtsordnung des Mehrrechtsstaates wählen können, auch wenn sie zu dieser keine enge Verbindung besitzen.1158 Dies widerspricht jedoch der Grundkonzeption der Verordnung, die darauf ausgerichtet ist, ein Recht zur

1152

Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 2; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 22 Rom I-VO Rn. 1; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 25 Rom II-VO Rn. 1. 1153 Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 2; Heinze in FS Kropholler, S. 105 (121); Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom II-VO Rn. 2. 1154 Heinze in FS Kropholler, S. 105 (121); MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 4 EGBGB Rn. 76. 1155 Palandt/Thorn, BGB, Art. 14 Rom III-VO Rn. 2. 1156 Siehe Heinze in FS Kropholler, S. 105 (121). 1157 A.A. wohl Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 385, 395. 1158 Vgl. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389).

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Anwendung zu berufen, zu dem die Ehegatten einen engen1159 oder besonderen1160 Bezug haben. Insgesamt ausgereifter erscheint daher die Lösung der Erbrechtsverordnung, die zunächst vom grundsätzlichen Vorrang des interlokalen Kollisionsrechts des betroffenen Mehrrechtsstaates ausgeht und nur in Ermangelung solcher Kollisionsvorschriften eigene Regelungen für die Unteranknüpfung bei Mehrrechtsstaaten aufstellt.1161 Die mangels eines interlokalen Privatrechts geltende Regelung zur Bestimmung des anwendbaren Partikularrechts lässt bei der Bezugnahme auf die Staatsangehörigkeit keine Wahlmöglichkeit zu, sondern knüpft unmittelbar an die engste Verbindung an.1162 Eine solche Regelung ist begrüßenswert, da sie einerseits das interne Regelungsgefüge des Mehrrechtsstaates respektiert und dieses nicht durch die kollisionsrechtlichen Verweisungen der Verordnung übergeht und andererseits die mit der Wahlmöglichkeit des Art. 14 lit. c) Rom III-VO einhergehenden Folgen vermeidet.1163 Die im Zusammenhang mit den Verordnungen Rom I und Rom II diskutierte Frage,1164 wie das anwendbare Partikularrecht zu bestimmen ist, wenn die Parteien in einer Rechtswahlvereinbarung nicht konkret das Recht einer Gebietseinheit eines Mehrrechtsstaates bestimmen, sondern pauschal das Recht des Mehrrechtsstaates, also beispielsweise „US-amerikanisches“ oder „britisches“ Recht wählen, dürfte hingegen für die Anwendung der Rom IIIVerordnung unproblematisch sein. Da die Rechtswahl im Rahmen der Rom III-Verordnung wegen der nur begrenzten Wahlmöglichkeiten des Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO ohnehin auf ortsgebundenen Kriterien oder auf der Staatsangehörigkeit beruht, und die Rom III-Verordnung für die Bezugnahme auf diese Kriterien in Art. 14 Rom III-VO klare Regelungen enthält, die für die Rechtswahl und die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts glei-

1159

Siehe Erwägungsgrund Nr. 21 Rom III-VO. Siehe Erwägungsgrund Nr. 16 Rom III-VO. 1161 Siehe Art. 36 EuErbVO. 1162 Siehe Art. 36 Abs. 2 lit. b) EuErbVO. Für die Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt sowie für alle anderen Anknüpfungspunkte ist die Gebietseinheit maßgeblich, in der sich der einschlägige Anknüpfungspunkt befindet, Art. 36 Abs. 2 lit. a) und lit. c) EuErbVO. Auch hier ist eine eigenständige Regelung für den gewöhnlichen Aufenthalt daher im Grunde nicht erforderlich. 1163 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 4 EGBGB Rn. 92. 1164 Siehe Heinze in FS Kropholler, S. 105 (121); Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 3; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom II-VO Rn. 7; MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 22 Rom I-VO Rn. 6. 1160

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chermaßen gelten,1165 sind diese hier zur Bestimmung der anwendbaren Teilrechtsrechtsordnung heranzuziehen.1166 Auf eine Rechtswahl, die gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a) oder lit. b) Rom IIIVO auf dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten beruht, ist daher Art. 14 lit. b) Rom III-VO anzuwenden,1167 sodass sich die Rechtswahl auf die Teilrechtsordnung der Gebietseinheit bezieht, in der die Ehegatten zum maßgeblichen Zeitpunkt ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten.1168 Hatten die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in unterschiedlichen Gebietseinheiten, so lag ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO nicht vor, was dazu führt, dass eine auf den gewöhnlichen Aufenthalt bezugnehmende Rechtswahl nicht zulässig war und daher unwirksam ist.1169 Bei einer Rechtswahl aufgrund der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III-VO kommt Art. 14 lit. c) Rom III-VO zur Anwendung, sodass in erster Linie das interlokale Privatrecht des betroffenen Mehrrechtsstaates über die weitere Anknüpfung entscheidet und mangels eines solchen die engste Verbindung maßgeblich wird.1170 Für eine Rechtswahl gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO gilt die allgemeine Regelung des Art. 14 lit. a) Rom III-VO, was dazu führt, dass das Recht derjenigen Gebietseinheit zur Anwendung kommt, in der sich das angerufene Gericht befindet. 2. Personelle Rechtsspaltung (Art. 15 Rom III-VO) Spezielle Probleme bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts ergeben sich auch dann, wenn bei internationalen Sachverhalten ein Staat betroffen ist, dessen Recht personell zersplittert ist, das heißt, wenn beispielsweise für Angehörige verschiedener Religionen, Stämme oder Stände innerhalb eines Staates unterschiedliches Recht gilt.1171 Insbesondere in Asien und Afrika sind religiöse und stammesgebundene Partikularrechte weit verbreitet.1172 Gemäß Art. 15 S. 1 Rom III-VO ist bei einer solchen personellen Rechtszer1165

Vgl. Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1769); MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 22 Rom I-VO Rn. 4. 1166 Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1769); MünchKomm/Martiny, BGB, Art. 22 Rom IVO Rn. 4; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 389; Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB Art. 14 Rom III-VO Rn. 2 f.; a.A. wohl Hau, FamRZ 2013, S. 249 (255); Basedow in FS Posch, S. 17 (27), der eine Wahl beispielsweise US-amerikanischen Rechts als unwirksam ansieht, weil keine Einigung über die essentialia negotii der Rechtswahl vorliege. 1167 Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1769). 1168 Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 389. 1169 Vgl. NomosKomm/Nordmeier, Rom-Verordnungen, Art. 14 Rom III-VO Rn. 18. 1170 Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1769). 1171 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 4 EGBGB Rn. 75. 1172 MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 4 EGBGB Rn. 85.

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splitterung des von der Rom III-Verordnung berufenen Staates zunächst das interpersonelle Privatrecht dieses Staates zur Bestimmung des anwendbaren Rechts heranzuziehen.1173 Eine unmittelbare Verweisung auf ein personelles Partikularrecht kennt die Rom III-Verordnung – wie auch das deutsche Kollisionsrecht1174 – somit nicht. Besitzt der betroffene Mehrrechtsstaat hingegen kein interpersonelles Privatrecht, ist gemäß Art. 15 S. 2 Rom III-VO die Teilrechtsordnung anzuwenden, zu der die engste Verbindung der oder des Ehegatten besteht.1175 Damit stimmt die Vorschrift des Art. 15 Rom III-VO inhaltlich mit der Regelung zur personellen Rechtszersplitterung in Art. 37 EuErbVO überein, was im Hinblick auf die Einheitlichkeit und innere Geschlossenheit des europäischen Kollisionsrechts zu begrüßen ist. 3. Innerstaatliche Kollisionen (Art. 16 Rom III-VO) Anders als die beiden ihm vorangestellten Vorschriften betrifft Art. 16 Rom III-VO keine internationalen Konflikte, sondern rein innerstaatliche Kollisionen in den teilnehmenden Mitgliedstaaten der Rom III-Verordnung. Die Norm regelt die Frage, ob solche rein internen Konflikte zwischen unterschiedlichen Gliedstaaten eines Mehrrechtsstaates nach der Rom IIIVerordnung oder nach dem autonomen interlokalen Privatrecht des betreffenden Mehrrechtsstaates zu beurteilen sind.1176 Wie auch schon die entsprechenden Regelungen in den Verordnungen Rom I1177 und Rom II1178 und nunmehr auch in der Erbrechtsverordnung,1179 bestimmt Art. 16 Rom III-VO dabei, dass ein Mehrrechtsstaat, in dem die Verordnung gilt, nicht verpflichtet ist, die Verordnung auch auf rein innerstaatliche Kollisionen anzuwenden. Damit reduziert Art. 16 Rom III-VO den Anwendungsbereich der Rom IIIVerordnung grundsätzlich auf echte internationale Sachverhalte und nimmt reine Binnensachverhalte in Mehrrechtsstaaten von der Geltung der Verordnung aus.1180 Hat ein Sachverhalt also lediglich Bezüge zu mehreren Teilrechtsordnungen eines einzigen Mehrrechtsstaates, so ist dieser auch weiterhin berechtigt, derartige interne Kollisionen nach seinem eigenen Binnenkol-

1173

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389). MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 4 EGBGB Rn. 106. 1175 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (389). 1176 Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 1. 1177 Art. 22 Abs. 2 Rom I-VO. 1178 Art. 25 Abs. 2 Rom II-VO. 1179 Art. 38 EuErbVO. 1180 Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 4. Schurig in FS von Hoffmann, S. 404 (414) kritisiert die Regelung, da sie nicht hinreichend deutlich mache, was unter Binnensachverhalten in Abgrenzung zu internationalen Sachverhalten zu verstehen sei. 1174

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lisionsrecht zu beurteilen.1181 Jedoch bleibt es der autonomen Entscheidung des nationalen Gesetzgebers überlassen, den Anwendungsbereich des europäischen Rechts freiwillig auch auf rein innerstaatliche Konflikte zu erstrecken, denn Art. 16 Rom III-VO will zwar die Anwendung internen Kollisionsrechts für Binnensachverhalte ermöglichen, nicht aber die Anwendung der Rom IIIVerordnung untersagen.1182 Somit kann und muss jeder Mehrrechtsstaat selbst entscheiden, ob die Beibehaltung eines von der Rom III-Verordnung abweichenden internen Scheidungskollisionsrechts angemessen ist oder zu einer übermäßigen Komplexität der Rechtslage führt.1183 IV. Privatscheidungen Auch Privatscheidungen werden vom kollisionsrechtlichen Scheidungsbegriff und somit vom Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung umfasst.1184 Da die Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung auch auf Privatscheidungen jedoch nicht zugleich bedeutet, dass eine solche Scheidung für die Zwecke der Verordnung auch wirksam ist, sondern lediglich eine Überprüfung der Scheidung anhand der Bestimmungen der Verordnung ermöglicht, soll nunmehr an dieser Stelle der Frage nachgegangen werden, woran sich die Wirksamkeit einer solchen Privatscheidung im Rahmen der Rom III-Verordnung bemisst und wie diese in den unterschiedlichen Konstellationen im Einzelnen zu beurteilen ist. Dabei ist in erster Linie zwischen dem Vollzug einer Privatscheidung im Inland unter Anwendung der Rom III-Verordnung einerseits und der nachträglichen Beurteilung einer im Ausland bereits vollzogenen Privatscheidung andererseits zu differenzieren.1185 Darüber hinaus ist zudem zu klären, wie der auf Verfahrensscheidungen ausgerichtete Wortlaut der Verordnung an die spezifischen Gegebenheiten der Privatscheidung angepasst werden kann. 1. Vollzug einer Privatscheidung im Inland Wegen ihrer universellen Anwendbarkeit kann im Rahmen der Rom IIIVerordnung grundsätzlich auch eine Rechtsordnung, die eine Privatscheidung vorsieht, gewählt oder durch objektive Anknüpfung zum Scheidungsstatut berufen werden. Ist eine solche Rechtsordnung gemäß Art. 5 oder Art. 8 Rom III-VO anwendbar, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie eine Privatscheidung auch im Inland vollzogen werden kann. Der Vollzug einer 1181 Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 4; Rauscher/Jakob/ Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom II-VO Rn. 8. 1182 Vgl. Heinze in FS Kropholler, S. 105 (119); Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom II-VO Rn. 9; MünchKomm/Junker, BGB, Art. 25 Rom II-VO Rn. 10. 1183 Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 22 Rom I-VO Rn. 4. 1184 Siehe oben Abschnitt B § 2 II. 4. a). 1185 Siehe auch Gärtner, Privatscheidung, S. 43 ff.

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Privatscheidung im Ausland ist hingegen nicht Gegenstand dessen, womit sich die angerufenen inländischen Gerichte befassen müssen, weshalb an dieser Stelle nur die Problematik einer Inlandsprivatscheidung relevant wird. Vor Geltungsbeginn der Rom III-Verordnung galt im autonomen deutschen Recht der Grundsatz, dass aufgrund der Regelungen des § 1564 BGB sowie des Art. 17 Abs. 2 EGBGB a. F. eine Ehe in Deutschland ausschließlich durch ein deutsches Gericht geschieden werden konnte, unabhängig davon, welches Recht auf die Ehescheidung anwendbar war.1186 Das gerichtliche Scheidungsmonopol diente dem Schutz des öffentlichen Interesses an einem geordneten Scheidungsverfahren und galt als unabdingbar zur Wahrung der Rechtsklarheit und der Interessen mittelbar Beteiligter.1187 Fraglich ist nun, wie sich die Rom III-Verordnung auf die Problematik der Inlandsprivatscheidung auswirkt. Dabei ist zunächst zu beachten, dass insbesondere in islamisch geprägten Rechtsordnungen die Privatscheidung oftmals einseitig zugunsten des Ehemannes ausgestaltet ist.1188 So hat beispielsweise nach klassischem islamischem Recht der Ehemann das alleinige Recht zur Ehescheidung.1189 Er kann die Scheidung dadurch bewirken, dass er durch das dreimalige Aussprechen des Wortes talaq die Ehefrau verstößt.1190 In seiner Grundform bedarf der talaq dabei weder der Zustimmung der Ehefrau noch der Angabe von Gründen oder einer behördlichen Mitwirkung, wobei sich die Einzelheiten des Scheidungsrechts je nach islamischer Rechtsschule unterscheiden.1191 Auch wenn die reine Form des talaq mittlerweile nur noch selten in den islamisch geprägten Rechtsordnungen anzutreffen und eine zunehmende Formalisierung der Scheidung zum Schutz der Ehefrau etwa in Form einer amtlichen Registrierung zu verzeichnen ist, oder teilweise sogar ein besonderes Recht der Ehefrau existiert, den Ehemann auf Ausspruch des talaq zu verklagen,1192 werden diese Rechtsordnungen jedoch selten einen völlig gleichberechtigten Zugang beider Ehegatten zur Ehescheidung ermöglichen. Diese Problematik wird auch für das jüdische Recht relevant, das ebenfalls die Privatscheidung durch die Ehegatten vorsieht. Dabei wird die Scheidung dadurch vollzogen, dass der Ehemann der Ehefrau den Scheide1186 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 102; Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 74. 1187 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 99; OLG Stuttgart, FamRZ 2004, S. 25 (26); Palandt/Thorn, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 12 (71. Auflage 2012); Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 182. 1188 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 112. 1189 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 63; Gärtner, Privatscheidung, S. 11 f. 1190 Gärtner, Privatscheidung, S. 12; vgl. auch Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 64. 1191 Gärtner, Privatscheidung, S. 12 f.; Überblick bei Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 66 ff. 1192 Gärtner, Privatscheidung, S. 14 ff.

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brief (get) überreicht, während die Ehefrau ihr Einverständnis zur Ehescheidung zum Ausdruck bringt, indem sie den Scheidebrief entgegennimmt und akzeptiert.1193 Zwar kann die Ehe im jüdischen Recht somit nur einvernehmlich mit Zustimmung der Ehefrau geschieden werden,1194 jedoch wird auch hier die Frage nach dem gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung relevant, denn dieser dürfte nur dann gewährleistet sein, wenn auch die Ehefrau die Ehescheidung durch Übergabe eines Scheidebriefes initiieren könnte.1195 Sofern ein gleichberechtigter Zugang beider Ehegatten zur Ehescheidung jedoch nicht gegeben ist, kommt unter Geltung der Rom III-Verordnung die spezielle ordre-public-Klausel des Art. 10 Rom III-VO zur Anwendung.1196 Dies hat zur Folge, dass viele Rechtsordnungen, die eine Privatscheidung vorsehen, schon wegen Art. 10 Rom III-VO nicht zur Anwendung kommen und stattdessen zwingend die lex fori, hier also deutsches Scheidungsrecht, das eine Privatscheidung nicht kennt,1197 auf die Ehescheidung anzuwenden ist. Der Vollzug einer Privatscheidung im Inland scheitert in diesem Fall also bereits an der gleichheitswidrigen Ausgestaltung des berufenen Rechts, sodass es auf das Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte nicht mehr ankommt. Anders verhält es sich jedoch, wenn die berufene Rechtsordnung die Privatscheidung erlaubt und dabei gleichberechtigt ausgestaltet ist. So sehen beispielsweise einige ostasiatische Rechtsordnungen1198 neben der gerichtlichen Ehescheidung auch die Möglichkeit der Scheidung durch privaten Aufhebungsvertrag vor. In diesen Rechtsordnungen wird die Ehe im Wesentlichen als ein Vertrag zwischen den Ehegatten verstanden, der eine rein private Angelegenheit der Beteiligten darstellt, was zur Folge hat, dass die Ehegatten den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag auch einvernehmlich selbst wieder auflösen können.1199 Erforderlich ist dazu lediglich das – gegebenenfalls vor Zeugen – schriftlich oder mündlich zu erklärende Einverständnis beider Ehe-

1193

Gärtner, Privatscheidung, S. 21; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 77. Gärtner, Privatscheidung, S. 21. 1195 Vgl. Basedow in FS Posch, S. 17 (31); Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 71a. 1196 Siehe oben II. 1. 1197 Vgl. § 1564 S. 1 BGB, der vorsieht, dass eine Ehe nur auf Antrag durch richterliche Entscheidung geschieden werden kann, MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 378; Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 10. 1198 So z.B. Taiwan, Japan oder Südkorea, vgl. Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 59. 1199 Gärtner, Privatscheidung, S. 23. 1194

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gatten, durch welches die Ehescheidung vollzogen wird.1200 Einer eventuell nachfolgenden Registrierung des Aufhebungsvertrages durch staatliche Stellen kommt in diesem Fall somit nur noch eine deklaratorische Bedeutung zu.1201 Da eine solche Regelung der Privatscheidung den Ehegatten einen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung gewährt, kommt ein Verweis auf Art. 10 Rom III-VO hier nicht in Betracht. Allerdings könnte hier weiterhin das Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte der Durchführung einer Inlandsprivatscheidung entgegenstehen, denn § 1564 BGB und Art. 17 Abs. 2 EGBGB bleiben auch unter Geltung der Rom III-Verordnung bewusst im deutschen Recht erhalten.1202 Fraglich ist jedoch, ob diese Vorschriften des autonomen deutschen Rechts nunmehr durch europäisches Recht in ihrer Anwendung verdrängt oder überlagert werden. Dabei ist zunächst festzustellen, dass weder die Rom III-Verordnung selbst1203 noch andere europäische Rechtsakte eine dem Art. 17 Abs. 2 EGBGB beziehungsweise § 1564 S. 1 BGB entsprechende Vorschrift kennen. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der europäische Gesetzgeber durch einen bewussten Verzicht auf eine solche Regelung Inlandsprivatscheidungen zur Wirksamkeit verhelfen wollte.1204 Eine solche Regelungsabsicht hätte der Verordnungsgeber deutlich zum Ausdruck bringen müssen, was jedoch unterblieben ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber sich mit Privatscheidungen im Gesetzgebungsverfahren überhaupt nicht befasst hat, weil er diese Problematik übersehen hat.1205 Zu klären ist daher, ob die Zulässigkeit von Inlandsprivatscheidungen dennoch durch die bestehenden Vorschriften der Rom III-Verordnung zur Bestimmung des anwendbaren Scheidungsrechts mitgeregelt wird. Dies ist in erster Linie davon abhängig, wie die Regelung des gerichtlichen Scheidungsmonopols im autonomen deutschen Recht vor dem Hintergrund und im Zusammenspiel mit der Rom III-Verordnung einzuordnen und zu qualifizieren ist. Vieles spricht dafür, die Pflicht zur gerichtlichen Scheidung wie das Erfordernis einer notariellen Beurkundung zu behandeln und dementsprechend als

1200 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 59; vgl. auch Gärtner, Privatscheidung, S. 24 f. 1201 Staudinger/Mankowski, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 59. 1202 Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (360). 1203 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 10; Kemper, FamRBint 2012, S. 63 (64). 1204 Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (362). 1205 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (362).

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Formvorschrift zu qualifizieren.1206 Ähnlich wie beispielsweise das Formerfordernis der notariellen Beurkundung der Rechtswahl gemäß Art. 46 d EGBGB schreibt das gerichtliche Scheidungsmonopol nur vor, dass eine bestimmte Form, nämlich die Gerichtsform, einzuhalten ist. Dies beinhaltet jedoch keine Aussage über das Verfahren, das zur Durchführung und Einhaltung der Formvorgaben erforderlich ist. Dass die Gerichte zu entscheiden haben, ist also eine Formvoraussetzung, wie sie zu dieser Entscheidung gelangen, ist eine Frage des gerichtlichen Verfahrens. Dieses regelt beispielsweise die Besetzung des Gerichts1207 und bestimmt, ob ein Urteil oder ein Beschluss zu ergehen hat. Die Tatsache, dass sich die Gerichte eines speziellen Verfahrens auf Grundlage eigener Verfahrensordnungen bedienen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, führt jedoch nicht dazu, dass das Formerfordernis der gerichtlichen Entscheidung zu einer Regelung des Verfahrens wird. Das Verfahren wird vielmehr unabhängig von der Formvorschrift geregelt und die Einhaltung des Verfahrens ist für die Erfüllung der Formvorschrift ohne Belang, denn auch eine mit Verfahrensfehlern behaftete richterliche Entscheidung wahrt die vorgeschriebene Gerichtsform und stellt eine gerichtliche Entscheidung im Sinne des Art. 17 Abs. 2 EGBGB und des § 1564 BGB dar. Hinzu kommt, dass die Frage, ob die Ehescheidung auch als Privatscheidung oder in einer religiösen Zeremonie vollzogen werden kann, schon deshalb keine Frage des gerichtlichen Verfahrens sein kann, weil ein solches im Falle einer Privatscheidung gerade nicht durchgeführt wird. Da die Frage nach der Zulässigkeit einer Privatscheidung in diesem Fall also die Form der Ehescheidung betreffen muss, folgt daraus, dass auch die inhaltlich gegenteilige Regelung derselben Problematik als eine Formfrage zu qualifizieren ist. Die Form der Ehescheidung wird jedoch vom Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung mit umfasst,1208 sodass die Rom III-Verordnung letztendlich durchaus eine Regelung hinsichtlich der Zulässigkeit von Inlandsprivatscheidungen enthält, die aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts der autonomen deutschen Regelung des Art. 17 Abs. 2 EGBGB und des § 1564 BGB zunächst vorgeht. Dementsprechend bestimmt grundsätzlich das berufene Recht darüber, in welcher Form die Ehescheidung durchzuführen ist, ob also eine richterliche Entscheidung erforderlich ist, oder ob die Scheidung auch als Privatscheidung oder in einer religiösen Zeremonie vollzogen werden kann.1209 Weichen die Formvorschriften des berufenen Rechts dabei jedoch grundlegend von den Formvorschriften der lex fori ab, kann dies 1206 BGHZ 110, S. 267 (276): „Das in ihr normierte Erfordernis eines gerichtlichen Urteils ist nicht nur ein Formerfordernis, sondern auch materiell-rechtlich erheblich.“; vgl. auch Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 75. 1207 Deshalb zu Recht Verweis auf die lex fori in OLG Stuttgart, FamRZ 2004, S. 25 (26). 1208 Vgl. oben Abschnitt B § 2 II. 1. b) cc). 1209 Palandt/Thorn, BGB, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8.

§ 4 Einzelfragen

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einen Verstoß gegen den ordre public begründen. Da das Prinzip der gerichtlichen Scheidung zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts gehört, von denen nicht abgewichen werden kann, und damit Teil der deutschen öffentlichen Ordnung ist,1210 wird es durch den allgemeinen ordrepublic-Vorbehalt des Art. 12 Rom III-VO geschützt, der ausdrücklich an nationalen Maßstäben ausgerichtet ist. Der Vollzug einer Privatscheidung in Deutschland ist mit dem gerichtlichen Scheidungsmonopol unvereinbar und scheitert daher auch unter Geltung der Rom III-Verordnung spätestens am allgemeinen Vorbehalt des ordre public gemäß Art. 12 Rom III-VO.1211 Qualifiziert man entgegen der hier vertretenen Auffassung § 1564 BGB und Art. 17 Abs. 2 EGBGB verfahrensrechtlich,1212 schließt das Scheidungsmonopol der Gerichte die Durchführung einer Privatscheidung im Inland ohne Weiteres aus, denn das Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung umfasst zwar die Form der Ehescheidung, nicht aber das (gerichtliche) Scheidungsverfahren. Dieses richtet sich weiterhin nach der lex fori,1213 sodass nach diesem Verständnis von vornherein das deutsche Recht für die Frage nach der Zulässigkeit einer Privatscheidung maßgeblich wäre, wodurch ein Rückgriff auf den ordre public obsolet würde. Unabhängig von der Qualifikation des gerichtlichen Scheidungsmonopols als Form- oder Verfahrensvorschrift steht dieses also der Durchführung einer Privatscheidung auch weiterhin entgegen, sodass die Einführung der Rom III-Verordnung keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit von Inlandsprivatscheidungen mit sich bringt.1214 2. Wirksamkeit im Ausland vollzogener Privatscheidungen Auch wenn eine Privatscheidung im Inland nicht wirksam vollzogen werden kann, stellt sich oftmals die Frage, ob eine im Ausland vollzogene Privatscheidung aus inländischer Sicht wirksam ist. So kann die Wirksamkeit einer 1210 Vgl. MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 99; Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3; Rauscher, FPR 2013, S. 257 (260). 1211 So wohl auch in Österreich, vgl. Nitsch, ZfRV 2012, S. 264. 1212 So beispielsweise Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.10.2012 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 17/11049, S. 10; Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (360); Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (12). 1213 Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 6; Nitsch, ZfRV 2012, S. 264 (265); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250); Finger, FuR 2013, S. 305 (307); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (808); Erman/Hohloch, BGB, Anh. Art. 17 EGBGB Vorbemerkungen Rn. 5; Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (304); Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (12). 1214 Vgl. Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (362); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3; Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (13); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (704).

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Scheidung als Vorfrage für andere Verfahren, beispielsweise für Unterhaltsansprüche, maßgeblich sein. Dabei ist aus deutscher Sicht zu unterscheiden zwischen reinen Privatscheidungen, die völlig ohne Mitwirkung einer staatlichen Stelle vollzogen wurden, und solchen Privatscheidungen, bei denen eine gerichtliche oder behördliche Mitwirkung beispielsweise in Form einer nachträglichen Registrierung der Privatscheidung stattgefunden hat. Da es sich bei reinen Privatscheidungen um ausschließlich privatrechtliche Rechtsgeschäfte handelt1215 und eine verfahrensrechtliche Anerkennung einer bereits vollzogenen Privatscheidung in dieser Konstellation somit nicht in Betracht kommt,1216 muss die Wirksamkeit einer solchen Scheidung anhand der einschlägigen Regelungen des internationalen Privatrechts, hier und nunmehr also anhand der Vorschriften der Rom III-Verordnung, beurteilt werden.1217 Demgegenüber ist über die Anerkennung einer behördlich registrierten Privatscheidung im Anerkennungsverfahren gemäß § 107 FamFG zu entscheiden,1218 in dessen Rahmen aber ebenfalls eine Überprüfung anhand der einschlägigen inländischen Kollisionsvorschriften, nunmehr also ebenfalls anhand der Rom III-Verordnung erfolgen muss.1219 Gelangt man dabei zu dem Ergebnis, dass die vollzogene Privatscheidung wirksam ist, bedeutet dies eine kollisionsrechtliche Anerkennung der betroffenen Scheidung, die im Falle des § 107 FamFG eine verfahrensrechtliche Anerkennung nach sich ziehen kann. Für die Frage nach der Wirksamkeit einer bereits vollzogenen Scheidung ist dabei in erster Linie das gemäß Art. 5 Rom III-VO beziehungsweise Art. 8 Rom III-VO anwendbare Recht maßgeblich. Kennt dieses keine Privatscheidung, ist die vollzogene Scheidung unwirksam und die Ehe weiter von Bestand. Sieht das berufene Recht hingegen eine Privatscheidung vor und wurde diese im Einklang mit den Regelungen 1215

MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 378. Weder nach Art. 21 Brüssel IIa-VO noch nach § 107 FamFG, vgl. Zöller/Geimer, ZPO, § 107 FamFG Rn. 23; Hau, FamRZ 2013, S. 249 (250); Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (362); Wagner, FamRZ 2013, S. 1620 (1629). 1217 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (383); Palandt/Thorn, BGB, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8; vgl. auch Bamberger/Roth/Heiderhoff, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 81; MünchKomm/ Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 378; Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (363); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (704); Wagner, FamRZ 2013, S. 1620 (1623). 1218 Anders als Art. 21 Brüssel IIa-VO umfasst § 107 FamFG auch Privatscheidungen mit deklaratorischer behördlicher Mitwirkung, vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 21 Brüssel IIa-VO Rn. 14; Prütting/Helms/Hau, FamFG, § 107 Rn. 26; Zöller/Geimer, ZPO, § 107 FamFG Rn. 24; Wagner, FamRZ 2013, S. 1620 (1629); weiterführend zum Anwendungsbereich des § 107 FamFG Hau in FS Spellenberg, S. 435 ff.; a.A. wohl Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 810. 1219 Palandt/Thorn, BGB, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8; Prütting/Helms/Hau, FamFG, § 107 Rn. 43; Zöller/Geimer, ZPO, § 107 FamFG Rn. 25; vgl. auch OLG München, FamRZ 2012, S. 1142 ff.; Pietsch, FF 2011, S. 237 (241); Wagner, FamRZ 2013, S. 1620 (1629) Fn. 147. 1216

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des berufenen Rechts vollzogen, kommt es für die kollisionsrechtliche Anerkennung der fraglichen Privatscheidung in einem nächsten Schritt noch darauf an, ob die vollzogene Scheidung mit den ordre-public-Vorschriften der Rom III-Verordnung vereinbar ist.1220 Ein Verstoß gegen den ordre public kommt dabei jedoch nur in Betracht, wenn die im Ausland nach ausländischem Recht vollzogene Privatscheidung einen hinreichenden Inlandsbezug aufweist. Dieser kann sich beispielsweise aus der inländischen Staatsangehörigkeit oder dem inländischen gewöhnlichen Aufenthalt eines oder beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Ehescheidung ergeben.1221 Liegt ein solcher Inlandsbezug vor, ist die ausländische Privatscheidung an den ordre-public-Vorschriften der Rom III-Verordnung zu messen. Bei gleichheitswidriger Ausgestaltung des anwendbaren Scheidungsrechts scheitert daher auch die Anerkennung einer im Ausland vollzogenen Privatscheidung an Art. 10 Var. 2 Rom III-VO.1222 Sind Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht ersichtlich, ist gemäß Art. 12 Rom III-VO zu prüfen, ob die vollzogene Privatscheidung anderweitig gegen wesentliche Grundsätze der lex fori verstößt. Dabei kommt es aus deutscher Sicht auf das Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte jedoch gerade nicht an, denn dieses gilt nur innerhalb der territorialen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland.1223 Sind Verstöße gegen die öffentliche Ordnung des Forumstaates nicht ersichtlich, ist die im Ausland vollzogene Privatscheidung kollisionsrechtlich anzuerkennen.1224 Auch wenn ein Inlandsbezug der Scheidung nicht vorliegt, ist die ausländische Privatscheidung unabhängig von der möglicherweise gleichheitswidrigen Ausgestaltung des zugrundeliegenden anwendbaren Rechts oder von sonstigen Verstößen gegen inländische Rechtsgrundsätze anzuerkennen, denn der Sinn der ordre-public-Regelungen besteht nicht darin, die ausländische Rechtswelt per se und ohne tatsächlichen Bezug zum Inland an inländischen Wertvorstellungen zu messen1225 und dadurch die Entstehung hinkender Ehen zu provozieren. Diese sind vielmehr als Folge der ordre-public-Kontrolle nur

1220

Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (363); vgl. auch MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 113; Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (704); vgl. auch Wagner, FamRZ 2013, S. 1620 (1623). 1221 Vgl. MünchKomm/Sonnenberger, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 81; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 13; OGH (6 Ob 69/11 g) ZfRV 2012, S. 31 (32); Posch, ZfRV 2012, S. 71 (76); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom III-VO Rn. 3. 1222 Vgl. auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8; a.A. Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (716). 1223 A.A. wohl Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (716). 1224 Palandt/Thorn, BGB, Art. 2 Rom III-VO Rn. 8. 1225 Vgl. MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 111; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 21 Rom I-VO Rn. 13.

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dann hinzunehmen, wenn die Inlandsbeziehung des Sachverhaltes die Verweigerung der Anerkennung rechtfertigt und erforderlich macht. 3. Anpassung der Rom III-Verordnung an die Besonderheiten der Privatscheidung Die Erstreckung des Anwendungsbereiches der Rom III-Verordnung auf Privatscheidungen führt jedoch zu Folgeproblemen,1226 die wegen der mangelnden Berücksichtigung der Problematik der Privatscheidungen bei der Ausarbeitung der Rom III-Verordnung nicht diskutiert worden sind. So kann die Prüfung der Wirksamkeit einer im Ausland vollzogenen Privatscheidung anhand der Bestimmungen der Rom III-Verordnung eine analoge Anwendung der einschlägigen Vorschriften beziehungsweise eine Anpassung des Wortlauts an den rechtsgeschäftlichen Charakter der Privatscheidung erforderlich machen, da einer direkten Anwendung der auf Verfahrensscheidungen ausgerichtete Wortlaut der Verordnung entgegenstehen kann. So verweisen unter anderem Art. 5 Abs. 1 lit. d), Abs. 2, Abs. 3 Rom III-VO und Art. 8 Rom IIIVO auf die Anrufung des Gerichts beziehungsweise auf die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens.1227 Fraglich ist daher, wie diese Bezugspunkte im Hinblick auf Privatscheidungen zu interpretieren beziehungsweise auf diese zu übertragen sind. a) Rechtswahl gemäß Art. 5 Rom III-VO Für die Rechtswahl stellt sich die Frage, wie die Wahlmöglichkeit zugunsten des Rechts des Staates des angerufenen Gerichts gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO im Zusammenhang mit der Wahl einer Rechtsordnung, die Privatscheidungen vorsieht, zu realisieren ist. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Funktionsäquivalent zur eheauflösenden gerichtlichen Entscheidung bei Privatscheidungen im rechtsgeschäftlichen Vollzug der Scheidung und nicht etwa in einer gerichtlichen Anerkennung der Privatscheidung zu sehen ist. Somit kommt eine Auslegung dahingehend, dass bei Privatscheidungen unter der Anrufung des Gerichts im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO die Anrufung des mit der kollisionsrechtlichen Anerkennung befassten Gerichts der Hauptfrage zu verstehen ist, nicht in Betracht.1228 Da bei einer rechtsgeschäftlichen Scheidung keine Anrufung eines Gerichts erfolgt, kann die Rechtswahl in der Alternative des Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO im Fall einer Privatscheidung daher nur dahingehend verstanden werden, dass das Recht des Staates gewählt werden kann, in dem die Privat1226

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 33. So auch Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766). 1228 Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (363); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 182. 1227

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scheidung vollzogen wird.1229 Da Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO grundsätzlich auch die vorsorgliche Wahl der lex fori ermöglicht,1230 kann diese Variante somit auch auf die vorsorgliche Wahl des Rechts am Vollziehungsort der Privatscheidung angewendet werden.1231 Daraus folgt für und im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO, dass im Falle einer bereits vollzogenen Privatscheidung die zugrundeliegende Rechtsordnung nur bis zum Zeitpunkt der Abgabe der auf die Eheauflösung gerichteten privaten Willenserklärung gewählt werden konnte.1232 Mangels Funktionsäquivalent ist Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO hingegen auf Privatscheidungen nicht anwendbar, sodass die Rechtswahl stets vor der Durchführung der Privatscheidung erfolgen muss und eine nachträgliche Rechtswahl einer Privatscheidung nicht mehr zur Anerkennung zu verhelfen mag.1233 Da im Rahmen der Rom III-Verordnung zudem eine ausdrückliche Rechtswahl erforderlich ist, kann folglich auch die bloße Durchführung einer Privatscheidung nach den Vorschriften einer bestimmten Rechtsordnung nicht als wirksame Rechtswahl angesehen werden.1234 b) Objektive Anknüpfung gemäß Art. 8 Rom III-VO Wie schon Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F., der auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages abstellte, sind auch die Rom III-Vorschriften zur objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts auf Verfahrensscheidungen zugeschnitten. Ebenso wie bei Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F.1235 müssen daher für die Rom III-Verordnung die Tatbestandsmerkmale der Kollisionsnormen im Hinblick auf die Besonderheiten der Privatscheidung ausgelegt und angepasst werden. So verweist Art. 8 lit. a) bis lit. c) Rom III-VO als maßgeblichen Zeitpunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf die Anrufung des Gerichts, die bei einer Privatscheidung gerade nicht erfolgt. Diese ist daher durch einen den Gegebenheiten der Privatscheidung entsprechenden und zur Anrufung des Gerichts funktionsäquivalenten Anknüpfungszeitpunkt zu ersetzen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Anrufung des Gerichts grund1229 A.A. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 33, der Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO im Falle von Privatscheidungen als nicht anwendbar ansieht; ebenso auch Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 180. 1230 Dazu oben § 2 II. 1. b). 1231 Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (363); a.A. wohl Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 33. 1232 Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (363); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766). 1233 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1768); a.A. Palandt/Thorn, BGB, Art. 5 Rom III-VO Rn. 5. 1234 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1768) Fn. 29; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 180; insofern anders Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 33. 1235 MünchKomm/Winkler v. Mohrenfels, BGB, Art. 17 EGBGB Rn. 39; BGHZ 110, S. 267 (273 f.); Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766).

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sätzlich den Zeitpunkt markiert, in dem der Antragsgegner erstmals förmlich mit dem Scheidungsbegehren des Antragstellers konfrontiert wird. Dieser Grundgedanke ist sodann auch auf rechtsgeschäftliche Scheidungen zu übertragen und für diese ebenfalls auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Scheidungsgegner zum ersten Mal förmlich mit der Scheidung befasst wird, bei Privatscheidungen also auf den Zeitpunkt der Abgabe der Scheidungserklärung.1236 Zudem kommt im Rahmen der Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO auf der letzten Stufe gemäß Art. 8 lit. d) Rom III-VO hilfsweise das Recht des Staates des angerufenen Gerichts zur Anwendung. Wie auch bei Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO bezeichnet hier die lex fori nicht das Recht des mit der Anerkennung der Privatscheidung befassten Staates, sondern das Recht des Staates, in dem die Privatscheidung vollzogen wurde.1237 Sieht dieses eine Privatscheidung vor, so ist die vollzogene Privatscheidung vorbehaltlich des ordre public als wirksam anzuerkennen.1238 c) Folgen der Anpassung Geht man, wie hier vertreten, davon aus, dass die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung auch in den Fällen des Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO und des Art. 8 lit. d) Rom III-VO auf Privatscheidungen anwendbar sind und passt die Vorschriften dementsprechend an die Gegebenheiten der Privatscheidung an, bedeutet dies, dass auch Ehegatten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem teilnehmenden Mitgliedstaat haben oder die Staatsangehörigkeit eines teilnehmenden Mitgliedstaates besitzen, wirksame Auslandsprivatscheidungen durchführen können, indem sie das Recht eines Staates wählen, der die Privatscheidung erlaubt und sodann die Privatscheidung in diesem Staat vornehmen.1239 Die gleiche Möglichkeit besteht auch im Rahmen des Art. 8 lit. d) Rom III-VO für gemischt-nationale Paare, die nie einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten oder deren gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in einem Staat vor mehr als einem Jahr vor Durchführung der Privatscheidung geendet hat, oder wenn beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in jeweils getrennte Staaten verlegt haben. Zu beachten ist dabei jedoch, dass diese Problematik immer nur dann relevant wird, wenn es um die Anerkennungsprüfung einer im Ausland bereits vollzogenen 1236 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (363); Palandt/Thorn, BGB, Art. 8 Rom III-VO Rn. 7; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 239; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 808 will auf den Zeipunkt abstellen, in dem die Scheidung wirksam wird. 1237 Gärtner, StAZ 2012, S. 357 (363); vgl. auch Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 33; a.A. Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 182. 1238 A.A. Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 33, der von einer Unwirksamkeit der Privatscheidung ausgeht, wenn das anwendbare Recht auf Art. 8 lit. d) Rom III-VO beruht. 1239 Vgl. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 33.

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Privatscheidung geht, da alle anderen Konstellationen der Privatscheidung ohnehin an den ordre-public-Regelungen der Verordnung scheitern, und zudem eine Rechtswahl gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO oder eine Anknüpfung an Art. 8 lit. d) Rom III-VO im Falle einer noch durchzuführenden Scheidung im Inland von vornherein auf die Berufung des deutschen Rechts hinauslaufen würde, das eine Privatscheidung nicht kennt.1240 Auch wenn man entgegen der hier vorgeschlagenen Interpretation Art. 8 lit. d) Rom III-VO als auf Privatscheidungen unanwendbar ansehen oder – wie oben vorgeschlagen – auf die Anknüpfung an die lex fori in Art. 8 Rom III-VO insgesamt verzichten würde, wären die soeben beschriebenen Auswirkungen der Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung auf Privatscheidungen nur unvollständig beseitigt, denn es bliebe auch dann die Möglichkeit, gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO eine Rechtsordnung zu wählen, die Privatscheidungen vorsieht. Diese Folgen ließen sich daher nur vermeiden, wenn man denjenigen Autoren folgt, die eine Anpassung der Art. 5 Abs. 1 lit. d) und Art. 8 lit. d) Rom III-VO auf Privatscheidungen ablehnen und diese Normen aufgrund ihrer Bezugnahme auf die lex fori als nicht auf Privatscheidungen anwendbar ansehen.1241 Dabei stellt sich jedoch die Frage, mit welcher Begründung und aus welcher Notwendigkeit eine solche Einschränkung der Anwendbarkeit der Rom III-Verordnung vorgenommen werden soll. Würde man dazu auf den Wortlaut der Norm abstellen, der in den maßgeblichen Alternativen nicht auf Privatscheidungen passe oder mangels Funktionsäquivalent nicht auf diese übertragbar sei, müsste man konsequenterweise Art. 8 Rom III-VO als auf Privatscheidungen gänzlich unanwendbar ansehen, denn der Wortlaut der Norm erfasst Privatscheidungen in keiner Konstellation, und ein Funktionsäquivalent, das Voraussetzung für eine Anpassung des Wortlauts ist, existiert für alle Alternativen. Ähnliches gilt auch für das Argument, die Rom III-Verordnung sei auf ein Scheidungsverfahren in einem nach der Brüssel IIa-Verordnung zuständigen europäischen Mitgliedstaat ausgerichtet,1242 denn wollte man diese Ausrichtung der Bestimmung des Anwendungsbereiches der Verordnung zugrunde legen, dürfte man die Rom III-Verordnung grundsätzlich nicht auf Privatscheidungen anwenden, was aber wiederum nicht mit der universellen Ausgestaltung der Verordnung in Einklang zu bringen wäre. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die theoretisch bestehende Möglichkeit des Vollzuges einer Privatscheidung im Ausland in der Praxis wohl kaum eine derartige Bedeutung erfahren dürfte, dass sie als ein schwerwiegendes Problem oder gar Gefahr anzusehen ist. Die Zahl derer, die diese Möglichkeit bewusst zur Umgehung eines gerichtli1240 1241

Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766 f.). Vgl. Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1766); Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384)

Fn. 33. 1242

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (384) Fn. 33.

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chen Scheidungsverfahrens im Geltungsbereich der Rom III-Verordnung nutzen, dürfte gering bleiben, zumal ein solches Vorgehen immer auch das Risiko birgt, dass die Anerkennung der vorgenommenen Privatscheidung an den ordre-public-Regelungen der Verordnung scheitert, da Scheidungsrechte, die Privatscheidungen erlauben, oftmals ohnehin gleichheitswidrig ausgestaltet sind und somit Art. 10 Rom III-VO einschlägig wäre. Eine Änderung und ausdrückliche Einschränkung des Art. 5 Rom III-VO durch den Verordnungsgeber dahingehend, dass Rechtsordnungen, die eine Privatscheidung ermöglichen, nicht wählbar sind, dürfte daher weder erforderlich noch wünschenswert sein. 4. Zusammenfassung Insgesamt zeigen sich bei der Thematik der Privatscheidungen deutliche Parallelen zur oben diskutierten Problematik des kollisionsrechtlichen Ehebegriffs und der Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe, denn auch diese betrifft ausschließlich die kollisionsrechtliche und nicht eine verfahrensrechtliche Anerkennung des Rechtsinstituts. Anders als bei der gleichgeschlechtlichen Ehe kommt es im Fall der kollisionsrechtlichen Anerkennung der Privatscheidungen nun jedoch nicht auf nationale Kollisionsrechte und das Personalstatut an, sondern die Wirksamkeit der Privatscheidung richtet sich nach Art. 5 beziehungsweise Art. 8 Rom III-VO, abhängig davon, ob eine Rechtswahl der Ehegatten vorliegt oder eine objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts zu erfolgen hat. Da die Wirksamkeit der Privatscheidung im Gegensatz zum Bestehen der Ehe keine nach nationalem Kollisionsrecht zu beurteilende Vorfrage darstellt, sondern sich nach der Rom III-Verordnung richtet, hat auch die ordre-public-Kontrolle hier auf Ebene der Verordnung, das heißt anhand von Art. 10 Rom III-VO und Art. 12 Rom III-VO zu erfolgen, wobei letzterer jedoch auf die öffentliche Ordnung des Forums und damit auf nationale Maßstäbe verweist. Eine Privatscheidung kann daher nur dann kollisionsrechtlich als wirksam anerkannt werden, wenn das nach Art. 5 oder Art. 8 Rom III-VO berufene Recht die Privatscheidung zulässt. Darüber hinaus kann auch der ordre-public-Vorbehalt der Wirksamkeit der Privatscheidung entgegenstehen, wenn der erforderliche Inlandsbezug vorliegt. Die ordre-public-Kontrolle wird dabei die kollisionsrechtliche Anerkennung einer Privatscheidung insbesondere dann verhindern, wenn es sich um eine Inlandsprivatscheidung handelt oder Verstöße gegen den unionsrechtlichen Gleichberechtigungsgrundsatz vorliegen.

§ 5 Resümee

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§ 5 Resümee: Die wichtigsten Prinzipien des neuen Unionskollisionsrechts § 5 Resümee

Die kollisionsrechtlichen Regelungen der Rom III-Verordnung sind durch verschiedene grundlegende Prinzipien gekennzeichnet, die einerseits in weiten Teilen zu Neuerungen gegenüber der ursprünglichen Rechtslage unter Geltung des autonomen deutschen Scheidungsstatuts führen, die andererseits aber auch bereits bekannte Elemente enthalten. Hervorzuheben sind dabei insbesondere die Zulassung der Rechtswahl, der Wechsel zum Aufenthaltsprinzip, die Abkehr vom renvoi sowie die grundsätzliche Bereitschaft zur Anwendung ausländischen Sachrechts in Scheidungsverfahren. I. Zulassung der Rechtswahl Die Rom III-Verordnung eröffnet den Ehegatten die Möglichkeit, das auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht in einem begrenzten Rahmen durch Rechtswahl selbst festzulegen. Maßgebliche Bezugspunkte sind dabei der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten, ihre Staatsangehörigkeit sowie die lex fori. Mit der Zulassung der Rechtswahl greift die Rom III-Verordnung ein aus den zuvor erlassenen kollisionsrechtlichen Verordnungen der Union1243 bereits bekanntes Anknüpfungsprinzip auf und will dadurch die Autonomie der Ehegatten stärken. II. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten Bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts gilt im Rahmen der Rom III-Verordnung vorrangig das Aufenthaltsprinzip. Dieses wird verwirklicht, indem der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten die erste Stufe der Anknüpfungsleiter bildet und somit vor der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten und vor der lex fori, die auf der letzten Stufe als Notanknüpfung fungiert, zur Bestimmung des anwendbaren Rechts heranzuziehen ist. Durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt soll im Zusammenspiel mit den Aufenthaltszuständigkeiten der Brüssel IIa-Verordnung die Anwendung ausländischen Sachrechts zurückgedrängt und die Integration am Aufenthaltsort erleichtert werden. III. Prinzip der Sachnormverweisung Im Rahmen der Rom III-Verordnung umfasst sowohl das gewählte als auch das durch objektive Anknüpfung bestimmte Recht ausschließlich die Sach1243 Siehe Verordnungen Rom I und Rom II, sowie mittelbar über das Haager Unterhaltsprotokoll die Unterhaltsverordnung.

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Zweites Kapitel: Neues Unionskollisionsrecht – Die Rom III-Verordnung

normen der berufenen Rechtsordnung und schließt deren Kollisionsnormen nicht mit ein, sodass es nicht zu Rück- und Weiterverweisungen durch das berufene Recht kommen kann. Die Rom III-Verordnung spricht somit ausschließlich Sachnormverweisungen aus und lässt einen renvoi nicht zu. IV. Anwendung ausländischen Sachrechts Die Rom III-Verordnung schließt die Anwendung ausländischen Rechts im Forum nicht aus. Die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung können im Zusammenspiel mit den Vorschriften der Brüssel IIa-Verordnung, die im Regelfall mehrere alternative internationaler Zuständigkeiten eröffnet, dazu führen, dass das angerufene Gericht ausländisches Sachrecht auf das Scheidungs- oder Trennungsverfahren anzuwenden hat. Die Anwendung fremden Rechts im Forum bleibt somit trotz vorrangiger Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt möglich, kann jedoch durch die Anrufung des Gerichts am gemeinsamen Aufenthaltsort oder im Staat der gewählten Rechtsordnung vermieden werden. Da die Anwendung ausländischen Sachrechts zu erhöhtem Kosten- und Zeitaufwand führt, dürfte es zwar im Regelfall auch im objektiven Interesse der Ehegatten liegen, durch Anrufung des entsprechenden Gerichts oder durch (nachträgliche) Rechtswahl eine Übereinstimmung von Forum und anwendbarem Recht herzustellen,1244 ein durch andere Motive und Zielsetzungen geleitetes Verhalten kann insbesondere bei stark zerstrittenen Ehegatten jedoch nicht ausgeschlossen werden und somit weiterhin zur Anwendung fremden Rechts im Forum führen.

1244

Vgl. auch Flessner in LA Pintens, S. 593; Henrich in FS Spellenberg, S. 195 (197).

Drittes Kapitel

Verbliebenes nationales Kollisionsrecht: Die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten Neben den 16 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die gemeinsam die Verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts begründet haben oder ihr beigetreten sind, verbleiben nach dem EU-Beitritt Kroatiens zum 01.07.2013 noch zwölf EU-Mitgliedstaaten, in denen die Rom IIIVerordnung nicht gilt. Zu diesen Staaten gehört Dänemark, das sich grundsätzlich nicht an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen beteiligt1 und somit auch dann nicht von der Vereinheitlichung der Kollisionsnormen erfasst gewesen wäre, wenn diese im Wege des herkömmlichen europäischen Gesetzgebungsverfahrens, das heißt ohne den Rückgriff auf das Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit, erfolgt wäre. Eine Sonderstellung nehmen auch das Vereinigte Königreich und Irland ein, da sie sich ebenfalls nicht uneingeschränkt an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen beteiligen, sondern sich das Recht vorbehalten, über die Teilnahme an einem Rechtsakt im Einzelfall im Wege eines opt in zu entscheiden.2 Von dieser Option haben die beiden Staaten beispielsweise bei den kollisionsrechtlichen Verordnung Rom I und Rom II, nicht jedoch bei der Rom III-Verordnung Gebrauch gemacht. Darüber hinaus beteiligen sich aber auch Estland, Finnland, Kroatien, die Niederlande, Polen, Schweden, die Slowakei, Tschechien und Zypern nicht an der Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts. In allen diesen Mitgliedstaaten unterliegt das auf die Ehescheidung anwendbare Recht damit nicht den einheitlichen Vorschriften der Rom III-Verordnung, sondern wird weiterhin durch die jeweiligen nationalen Kollisionsnormen bestimmt. Im Folgenden soll die Position dieser nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts dargestellt werden, wobei insbesondere auch auf die Gründe und Folgen ihrer Nichtteilnahme einzugehen ist. Zudem sollen die nationalen Regelungen des Scheidungsstatuts in diesen Mitgliedstaaten vergleichend anhand 1 Vgl. Protokoll (Nr. 22) über die Position Dänemarks, ABlEU Nr. C 326 vom 26.10.2012, S. 299. 2 Vgl. Protokoll (Nr. 21) über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ABlEU Nr. C 326 vom 26.10.2012, S. 295.

256

Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

der Maßstäbe der Rom III-Verordnung untersucht und dargestellt werden, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum vereinheitlichten Kollisionsrecht aufzuzeigen und dadurch die Chancen und Aussichten auf weitere Beitritte zur Verordnung auszuloten.

§ 1 Die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten § 1 Die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten

Um die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten nachvollziehen zu können, ist zunächst zu fragen, welche konkreten Motive diese Staaten dazu bewogen haben, von einer Beteiligung an der Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts in Form der Rom III-Verordnung Abstand zu nehmen, und welche Auswirkungen diese Haltung auf den Vereinheitlichungsprozess und auf die Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten hat. I. Motive der Nichtteilnahme Die Gründe, aus denen die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten von einer Beteiligung an der Rom III-Verordnung Abstand genommen haben, sind vielfältig.3 So sehen manche die Regelungen und Auswirkungen der Rom IIIVerordnung als unvereinbar mit ihren überkommenen Rechtstraditionen an, andere wollen ihre kulturellen oder religiösen Vorstellungen in Bezug auf die Ehe oder die Ehescheidung schützen, die sie durch die Vorschriften der Verordnung gefährdet sehen. Auch die Kriterien, anhand derer das anwendbare Recht im Rahmen der Rom III-Verordnung zu bestimmen ist, stoßen bei manchen Mitgliedstaaten auf Skepsis oder gar Ablehnung.4 1. Verfahrensrechtliche Gründe Eine Folge der vereinheitlichten Kollisionsnormen, wie sie die EU in der Rom III-Verordnung, aber auch in anderen kollisionsrechtlichen Verordnungen geschaffen hat, ist die Möglichkeit der Berufung von – aus Sicht des angerufenen Gerichts – ausländischem Sachrecht. Eine Teilnahme an der Rom III-Verordnung setzt somit die grundsätzliche Bereitschaft voraus, im inländischen Scheidungsverfahren gegebenenfalls die materiellen Rechtsnormen eines anderen Staates anzuwenden.5 Dies steht jedoch im Widerspruch zur Gerichtspraxis des Vereinigten Königreichs und Irlands, die – der lange zurückreichenden Tradition des common law entsprechend – bei der Bejahung der internationalen Zuständigkeit ihrer Gerichte auf eine Scheidung

3

Basedow in LA Pintens, S. 135 (137); Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (9). Basedow in LA Pintens, S. 135 (137). 5 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678). 4

§ 1 Die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten

257

stets das eigene Recht anwenden.6 Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass die Voraussetzungen für die Bejahung der Zuständigkeit in Ehesachen traditionell7 so gefasst waren, dass aus der internationalen Zuständigkeit der Gerichte nachvollziehbar die Anwendung der lex fori folgen konnte.8 Hinzu kommt, dass ausländisches Recht im common law-Prozess als beweisbedürftige Tatsache gilt, und dass seine Ermittlung mit erheblichem Aufwand verbunden ist, der sich sodann in den Kosten niederschlägt.9 Darüber hinaus haben viele common law-Juristen offenbar grundsätzliche und tiefgreifende Zweifel daran, dass ausländisches Recht in einem inländischen Gerichtsverfahren korrekt angewendet werden kann und wird.10 So scheint es eine durchaus verbreitete Ansicht zu sein, dass nicht in der Tradition des common law ausgebildete Juristen dieses Recht wegen seiner Komplexität nicht beherrschen und korrekt anwenden können, genauso wie die „originalgetreue“ Anwendung fremden Familienrechts in common law-Staaten für manche Autoren unvorstellbar erscheint.11 Daraus wird sodann teilweise der Schluss gezogen, dass die Vereinheitlichung von Kollisionsnormen zwar nominell zur Anwendung desselben Rechts führen mag, die tatsächliche Anwendung des berufenen Rechts jedoch derart stark von der Anwendung im Heimatstaat des berufenen Rechts abweichen könne, dass es in der Sache zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, was wiederum den Anreiz für forum shopping aufrecht erhalte.12 Auch diese Haltung gegenüber der Anwendung fremden Rechts trägt dazu bei, dass Kollisionsnormen, die zur Anwendung 6 Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (532); Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (11); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); Franzina, CDT 2011, S. 85 (90); Wagner, IPRax 2007, S. 290 (292); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (701); House of Lords, European Union Committee, Rome III – choice of law in divorce, S. 6 Rn. 8. 7 Mittlerweile richtet sich die internationale Zuständigkeit in Scheidungssachen auch in diesen common law-Staaten nach europäischem Recht in Gestalt der Brüssel IIaVerordnung. 8 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); vgl. auch Fiorini, IJLPF 2008, S. 178 (188). 9 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); Marks, Response of the General Council of the Bar of England and Wales to the European Commission’s Green Paper COM(2005) 82 final of 14 March 2005 entitled Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters, S. 3; Bradley/Hodson/Woelke, Response of Resolution to EU Green Paper on Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters (Rome III), S. 11. 10 Vgl. Marks, Response of the General Council of the Bar of England and Wales to the European Commission’s Green Paper COM(2005) 82 final of 14 March 2005 entitled Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters, S. 2; Hodson, IFL 2011, S. 65 (67 f.). 11 Marks, Response of the General Council of the Bar of England and Wales to the European Commission’s Green Paper COM(2005) 82 final of 14 March 2005 entitled Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters, S. 2 f.; Hodson, IFL 2011, S. 65 (68); Bradley/Hodson/Woelke, Response of Resolution to EU Green Paper on Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters (Rome III), S. 11 f. 12 Hodson, IFL 2011, S. 65 (68).

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Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

ausländischen Sachrechts führen können, weitestgehend abgelehnt werden. Vor diesem Hintergrund dürfte die Aussicht, durch den europäischen Gesetzgeber zur Anwendung ausländischen Scheidungsrechts verpflichtet zu werden, für die common law-Staaten wohl einer der maßgeblichen Beweggründe gewesen sein, sich nicht an der Rom III-Verordnung zu beteiligen.13 2. Materiell-rechtliche Erwägungen Neben den common law-Staaten haben zudem mehrere kontinentaleuropäische Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Beteiligung an der Rom III-Verordnung abgelehnt. Die Gründe, die einige dieser Staaten dazu bewogen haben, nicht an der Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts mitzuwirken, sind jedoch eher im Bereich des materiellen Rechts angesiedelt.14 So geht es manchen Staaten darum, ihr eigenes liberales Scheidungsrecht gegenüber strengerem ausländischem Recht durchzusetzen. Andere Mitgliedstaaten wiederum wollen ihre Rechtsordnung vor unerwünschten Einflüssen bewahren, die ihrem traditionellen Verständnis von der Ehe widersprechen. a) Scheidungsrecht Manche Mitgliedstaaten, die eine liberale Haltung gegenüber der Scheidung einnehmen,15 lehnen die Rom III-Verordnung ab, weil sie nicht bereit sind, infolge der Verordnung ein restriktiveres ausländisches Recht auf ein inländisches Scheidungsverfahren anzuwenden.16 Im Unterschied zu den common law-Staaten geht es dabei jedoch nicht darum, dass die Anwendung fremden Rechts als zu komplex oder aufwendig angesehen wird, sondern vielmehr um die Überzeugung, dass das eigene Scheidungsrecht inhaltlich richtig und deshalb grundsätzlich in allen im Inland durchgeführten Scheidungsverfahren anzuwenden sei.17 Die potentielle Verpflichtung, fremde Bestimmungen mit 13 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); Jayme/Kohler, IPRax 2007, S. 493 (496); vgl. auch Marks, Response of the General Council of the Bar of England and Wales to the European Commission’s Green Paper COM(2005) 82 final of 14 March 2005 entitled Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters, S. 5; House of Commons, European Scrutiny Committee, Enhanced Co-operation – applicable law in certain matrimonial matters, Rn. 80.7; Hau in FS Stürner, S. 1237 (1238 f.); weiterführend dazu auch Harding, JPIL 2011, S. 203 (228). 14 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678). 15 Umgekehrt kann der Wunsch, die lex fori anzuwenden, auch darauf beruhen, dass ausschließlich das eigene restriktive materielle Scheidungsrecht zur Anwendung kommen soll, Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 150. 16 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); Wagner, StAZ 2012, S. 133 (136); Nademleinsky, Zak 2012, S. 146. 17 Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (532); Finger, FuR 2011, S. 61 (62 f.).

§ 1 Die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten

259

strengerem Inhalt heranzuziehen, ruft daher starke Ablehnung bei diesen Mitgliedstaaten hervor, wobei insbesondere eine mögliche Anwendung islamischen Rechts durch inländische Gerichte als Bedrohung angesehen wird.18 Zu den Mitgliedstaaten, die diese Position einnehmen, gehört beispielsweise und in erster Linie Schweden,19 in dessen Sachrecht die Ehescheidung als ein fundamentales Recht des einzelnen Ehegatten angesehen wird, das nicht durch strenge Voraussetzungen übermäßig erschwert oder verzögert werden darf.20 Die Scheidung soll vielmehr für jeden Ehegatten ohne großen Zeitund Kostenaufwand möglich sein.21 Das uneingeschränkte Recht auf Scheidung wird zudem als ein wichtiger Aspekt in der Gleichberechtigung der Geschlechter angesehen.22 Die leichte Scheidbarkeit der Ehe gilt somit als wichtige Errungenschaft des eigenen Rechts, die bei inländischen Scheidungsverfahren stets gegeben sein muss.23 So wurde das Recht schwedischer oder in Schweden lebender Ehegatten, nach den liberalen schwedischen Sachnormen geschieden zu werden, in der Diskussion um die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts als nicht verhandelbar dargestellt.24 b) Eheverständnis Im Gegensatz zu den Staaten, die ein Recht auf möglichst erleichterte Scheidung für wesentlich halten und dies auch bei auslandsbezogenen Sachverhal18

Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); Finger, FuR 2011, S. 61 (62 f.). Wagner, StAZ 2012, S. 133 (136); Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (11); Nademleinsky, Zak 2012, S. 146; Basedow in FS Posch, S. 17 (18); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 214. 20 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (11); vgl. auch Regeringskansliet, Justitiedepartementet, Stellungnahme der schwedischen Regierung zu dem Vorschlag der Kommission vom 17.07.2006 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, KOM (2006) 399 endgültig, Faktapromenoria 2006/07:FPM8 Förordning om val av lag för skilsmässa, S. 4; Jänterä-Jareborg in Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective, S. 317 (340). 21 Jänterä-Jareborg in Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective, S. 317 (340). 22 Jänterä-Jareborg in Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective, S. 317 (340). 23 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (532). 24 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (701); vgl. auch Regeringskansliet, Justitiedepartementet, Stellungnahme der schwedischen Regierung zu dem Vorschlag der Kommission vom 17.07.2006 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, KOM (2006) 399 endgültig, Faktapromenoria 2006/07:FPM8 Förordning om val av lag för skilsmässa, S. 5. 19

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Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

ten umsetzen, wollen andere Mitgliedstaaten, die ein traditionelles Verständnis von der Ehe pflegen, dieses vor einer Aushöhlung durch den Einfluss liberaler Ehekonzepte anderer Staaten schützen. So befürchtete beispielsweise Polen, dass polnische Gerichte durch die Rom III-Verordnung zur Scheidung gleichgeschlechtlicher Ehen verpflichtet würden.25 Diese Sorgen dürften sich jedoch als unbegründet erweisen, denn zum einen lässt die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts die rechtlichen Strukturen der Ehe unberührt,26 zum anderen stellt die Rom III-Verordnung selbst ausdrücklich klar, dass die Gerichte eines teilnehmenden Mitgliedstaates durch die Verordnung nicht verpflichtet werden, Ehen zu scheiden, die als solche im Recht des Staates des angerufenen Gerichts nicht vorgesehen sind.27 3. Kollisionsrechtliche Motive Darüber hinaus ist zu vermuten, dass manche Mitgliedstaaten der Rom IIIVerordnung aus Gründen ferngeblieben sind, die in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Inhalt der kollisionsrechtlichen Regelungen der Verordnung stehen, beispielsweise wegen abweichender Vorstellungen darüber, welche Anknüpfungskriterien zur Bestimmung des auf die Ehescheidung anwendbaren Rechts herangezogen werden sollten. Insbesondere für Staaten, die im Zusammenhang mit persönlichen Statusverhältnissen nach wie vor die Staatsangehörigkeit als wichtigsten Bezugspunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ansehen, dürfte der in der Rom III-Verordnung vollzogene Wechsel zum Aufenthaltsprinzip ein schwerwiegendes Argument dafür gewesen sein, sich nicht den einheitlichen Kollisionsregelungen der Union zu unterwerfen.28 Auch für die Niederlande, die basierend auf einer Analyse des vorhandenen Fallrechts davon ausgehen, dass die grundsätzliche Anknüpfung an die lex fori den Erwartungen der Ehegatten und den tatsächlichen Gegebenheiten der Gerichtspraxis in internationalen Sachverhalten am ehesten entspricht, dürfte die vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in der Rom III-Verordnung den Anstoß dafür gegeben haben, sich nicht an der Verordnung zu beteiligen.29 Andere Mitgliedstaaten, wie beispielsweise die Slowakei, lehnen zudem die Zulassung der Rechtswahl im Bereich der Ehescheidung als mit dem staatlichen Ordnungsanspruch unvereinbar ab und nehmen unter anderem deshalb nicht an der Rom III-Verordnung teil.30 25

Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (11). Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (6). 27 Siehe Art. 13 Var. 2 Rom III-VO i.V.m. Erwägungsgrund Nr. 26 Abs. 2 Rom III-VO; vgl. auch Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1678). 28 Vgl. Basedow in LA Pintens, S. 135 (144). 29 Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 41; Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (11). 30 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (12). 26

§ 1 Die Position der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten

261

4. Sonstige Motive Neben den oben dargestellten rechtlichen Erwägungen kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass manche Mitgliedstaaten aus rechtspolitischen,31 innenpolitischen32 oder gar finanziellen33 Gründen eine Beteiligung an der Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts auf europäischer Ebene abgelehnt haben. II. Folgen der Nichtteilnahme Die Nichtteilnahme derjenigen Mitgliedstaaten, die sich grundsätzlich uneingeschränkt an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen beteiligen, führte aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses des Art. 81 Abs. 3 AEUV dazu, dass eine Vereinheitlichung nur partiell im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit erfolgen konnte. Als Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit hat die Rom III-Verordnung nunmehr keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten und gehört auch nicht zum acquis communautaire der Union, der von neuen Mitgliedstaaten bei einem Beitritt zur Europäischen Union übernommen werden muss.34 In den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten unterliegt das auf die Ehescheidung anwendbare Recht daher nicht den einheitlichen Vorschriften der Verordnung, sondern wird weiterhin durch die jeweiligen nationalen Kollisionsnormen bestimmt. Die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten sind somit von der Verordnung allenfalls mittelbar betroffen, beispielsweise wenn ihr autonomes Kollisionsrecht eine Gesamtverweisung auf das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaates ausspricht. Darüber hinaus ergeben sich für die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten aus der Verordnung keinerlei Verpflichtungen, im Gegenzug sind sie jedoch auch von weiteren die Verordnung betreffenden Gestaltungs- oder Änderungsprozessen ausgeschlossen.35 Zudem dürfen sie die Verstärkte Zusammenarbeit der teilnehmenden Mitgliedstaaten weder behindern noch deren Weiterentwicklung stören.36 Gemäß Art. 331 AEUV haben die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten jedoch das Recht, der 31 Estland lehnte die Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit ab, da es die Auswirkungen einer solchen Vorgehensweise als nicht hinreichend untersucht und geklärt ansah, scheint aber nunmehr offen für einen Beitritt zu sein, vgl. Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (11); Torga, NiPR 2012, S. 547 (549) m.w.N. in Fn. 30. 32 So wohl Tschechien, vgl. Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (11). 33 So wohl Griechenland, das ursprünglich zu den 15 Mitgliedstaaten gehörte, die die Verstärkte Zusammenarbeit initiierten, später aber seinen Antrag zurückzog und der Rom III-Verordnung dann letztendlich doch nachträglich beigetreten ist, vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 Rom III-VO und Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (12). 34 Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 EUV Rn. 24; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, S. 1. 35 Vgl. Art. 330 AEUV. 36 Vgl. Art. 327 S. 2 AEUV.

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Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

Rom III-Verordnung jederzeit beizutreten und sich dadurch mit allen Rechten und Pflichten an der Verordnung und ihrer Umsetzung zu beteiligen. Um das reibungslose Funktionieren der bestehenden Verstärkten Zusammenarbeit nicht zu gefährden, müssen beitrittswillige Mitgliedstaaten dafür ein Aufnahmeverfahren durchlaufen, in dessen Rahmen die Kommission prüft, ob die beitrittswilligen Mitgliedstaaten die Teilnahmebedingungen erfüllen, und gegebenenfalls die für einen Beitritt erforderlichen Maßnahmen sowie eine angemessene Umsetzungsfrist festlegt.37

§ 2 Unüberbrückbare Differenzen? – Verbliebene nationale Kollisionsrechte im Vergleich zur Rom III-Verordnung § 2 Unüberbrückbare Differenzen?

Die Chancen für einen späteren Beitritt der derzeit nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten zur Rom III-Verordnung hängen unter anderem davon ab, wie die autonomen kollisionsrechtlichen Regelungen des Scheidungsstatuts in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten ausgestaltet sind, das heißt wie stark diese sich von den Prinzipien der Rom III-Verordnung unterscheiden und wie diese Unterschiede in ihrer Bedeutung und Wertigkeit zu beurteilen sind. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Kollisionsrechte der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten insgesamt durch eine große Regelungsvielfalt gekennzeichnet sind und unterschiedliche Ansätze bei der Bestimmung des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts verfolgen. Die maßgeblichen Kollisionsnormen weisen zum Teil erhebliche Abweichungen von den Regelungen und Prinzipien der Rom III-Verordnung auf, lassen aber in manchen Aspekten durchaus auch Parallelen zu den Vorschriften der Rom III-Verordnung erkennen. Um diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Unionskollisionsrecht und den autonomen Kollisionsrechten aufzuzeigen, sollen die für das Scheidungsstatut relevanten Vorschriften der verbliebenen nationalen Kollisionsrechte in erster Linie anhand der wesentlichen Prinzipien der Rom III-Verordnung betrachtet werden. Zu untersuchen ist also, ob die autonomen Kollisionsrechte die Möglichkeit der Rechtswahl vorsehen, auf welche Anknüpfungskriterien sie zur objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts zurückgreifen, inwieweit sie dabei die Rück- und Weiterverweisung beachten und welche Haltung sie zur Anwendung ausländischen Sachrechts im Scheidungsverfahren einnehmen. I. Möglichkeit der Rechtswahl Die Möglichkeit, das auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht durch Rechtswahl selbst zu bestimmen, 37

Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 331 AEUV Rn. 1.

§ 2 Unüberbrückbare Differenzen?

263

ist ein wichtiger Bestandteil des kollisionsrechtlichen Systems der Rom IIIVerordnung. Die Zulassung der Rechtswahl bedeutet dabei nicht nur eine Neuerung für viele teilnehmende Mitgliedstaaten, sondern zugleich auch eine Abweichung von der Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten, deren Kollisionsrechte eine Wahl des Scheidungsstatuts mehrheitlich nicht vorsehen. Jedoch ist nicht zu befürchten, dass die Zulassung der Rechtswahl in der Rom III-Verordnung einer Ausweitung des Teilnehmerkreises der Verordnung dauerhaft entgegensteht. 1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten Die Wahl des Scheidungsstatuts durch die Ehegatten ist in den Kollisionsrechten der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten kaum vorgesehen. So enthält lediglich das niederländische Recht eine Regelung, die den Ehegatten die Wahl des Rechts ihrer gemeinsamen Staatsangehörigkeit ermöglicht.38 Dabei bestehen jedoch Unterschiede zwischen dem niederländischen Kollisionsrecht und der Rom III-Verordnung im Hinblick auf die Form und den möglichen Zeitrahmen der Rechtswahl. So kann die Rechtswahl nach niederländischem Recht erst im Scheidungsverfahren und nicht bereits vorsorglich, beispielsweise im Rahmen eines Ehevertrages, vorgenommen werden.39 Besondere Anforderungen an die Form der Rechtswahl existieren im niederländischen Recht jedoch nicht.40 Hingegen stimmen das niederländische Kollisionsrecht und die Rom III-Verordnung darin überein, dass sie keine konkludente Rechtswahl des Scheidungsstatuts ermöglichen.41 Zwar nicht für das Scheidungsstatut, wohl aber in anderen Bereichen des internationalen Familienrechts lässt auch die Mehrzahl der übrigen nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten eine Rechtswahl zu. Insbesondere im internationalen Güterrecht sehen viele autonome Kollisionsrechte (begrenzte) Rechtswahlmöglichkeiten für die Ehegatten vor. So ermöglichen beispielsweise Estland,42 Finnland,43 Polen,44 Tschechien,45 Schweden,46 das Vereinigte 38

Art. 56 Abs. 2 Buch 10 niederl. BGB, deutscher Text bei StAZ 2013, S. 155 (160). Siehe Art. 56 Abs. 2 Buch 10 niederl. BGB („in dem Verfahren“); vgl. auch Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 251. 40 Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 248. 41 Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 249. 42 § 58 Abs. 1 IPRG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Schulze, Internationales Eheund Kindschaftsrecht, Estland S. 77 ff. 43 § 130 EheG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Arends, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Finnland S. 52. 44 Art. 52 Abs. 1 IPRG, deutscher Text bei RabelsZ 2012, S. 639 ff, vgl. dazu auch Ernst, RabelsZ 2012, S. 597 (628). 45 § 49 Abs. 4 IPRG. 46 Bergmann/Ferid/Carsten, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden S. 22. 39

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Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

Königreich47 und Irland48 den Ehegatten, das Güterrechtsstatut durch Rechtswahl selbst zu bestimmen, wobei die meisten dieser Staaten49 die Wahlmöglichkeiten jedoch auf das Heimatrecht der Ehegatten und das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts beziehungsweise des Wohnsitzstaates begrenzen. Dänemark50 lässt zumindest die Wahl des eigenen Rechtes zu, wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz ins Inland verlegen, während Kroatien51 die Rechtswahl nur anerkennt, wenn das grundsätzlich anwendbare Recht sie gestattet. Hingegen hat beispielsweise die Slowakei52 ihr internationales Familienrecht derzeit (noch) nicht für die Parteiautonomie geöffnet. 2. Aussichten Auch wenn die Mehrzahl der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten die Wahl des Scheidungsstatuts in ihren autonomen Kollisionsrechten bisher nicht vorsieht, haben die meisten dieser Staaten die Parteiautonomie in anderen Bereichen des internationalen Eherechts bereits auf unterschiedliche Weise in ihr autonomes Recht integriert. Dabei stimmen die Bezugspunkte, anhand derer die Parteiautonomie in der Rom III-Verordnung begrenzt wird, nicht selten mit den Kriterien überein, an denen die Rechtswahlmöglichkeiten in den autonomen Kollisionsrechten der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten ausgerichtet sind, oder weisen zumindest ansatzweise Parallelen auf. Somit dürfte die Zulassung der begrenzten Rechtswahl des Scheidungsstatuts in der Rom III-Verordnung die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten vor keine größeren Herausforderungen stellen und daher kein konkretes Hindernis im Hinblick auf einen eventuellen Beitritt zur Verordnung darstellen. Diese Einschätzung steht auch im Einklang mit den oben dargestellten Motiven der Nichtteilnahme, denn nur wenige nichtteilnehmende Mitgliedstaaten sahen in der Einführung der Parteiautonomie einen Grund, sich nicht an der Verordnung zu beteiligen. Hinzu kommt, dass auch für viele teilnehmende Mitgliedstaaten die Zulassung der begrenzten Rechtswahl für das Scheidungsstatut eine Neuerung im Vergleich zu den Regelungen ihres autonomen Kollisionsrecht darstellte, die sich aber auch für die Teilnehmerstaaten nicht als Hin47

Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Vereinigtes Königreich (England) S. 30 / Vereinigtes Königreich (Schottland) S. 3. 48 Bergmann/Ferid/Coester-Waltjen/Jakob, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Irland S. 20. 49 Jedenfalls Estland, Finnland, Polen, Tschechien und Schweden. 50 Bergmann/Ferid/Giesen, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark S. 28; Henrich in LA Pintens, S. 701 (702). 51 Art. 37 Abs. 2 IPRG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Hrabar/Korac-Graovac, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kroatien S. 37 ff.; Henrich in LA Pintens, S. 701 (702). 52 § 21 IPRG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Bohata, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Slowakei S. 56 ff.; Henrich in LA Pintens, S. 701 (702).

§ 2 Unüberbrückbare Differenzen?

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dernis für eine Beteiligung an der Verordnung oder für einen späteren Beitritt erwies. So hatte beispielsweise auch Griechenland53 die Rechtswahl in seinem internationalen Familienrecht nicht vorgesehen, was jedoch einem Beitritt des Landes zur Rom III-Verordnung nicht entgegenstand.54 Die Einführung der Parteiautonomie im Rahmen des Scheidungsstatuts stellt somit für nahezu alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Novum dar. Dieses zu akzeptieren und anzunehmen bedarf es daher weniger der Abkehr von spezifischen, charakteristischen Prinzipien des eigenen Kollisionsrechts als einer allgemeinen Bereitschaft zur Weiterentwicklung und Ausweitung der Parteiautonomie im internationalen Familienrecht. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten an einer entsprechenden Bereitschaft grundsätzlich mangelt, sodass insofern die Voraussetzungen für einen Konsens durchaus gegeben sein dürften.55 II. Vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten Mit ihrer klaren Ausrichtung auf das Aufenthaltsprinzip, das durch die vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts verwirklicht wird, weicht die Rom III-Verordnung in einem ganz wesentlichen Aspekt von der Rechtslage in fast allen nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten ab. Inwieweit diese Divergenz sodann ein Beitrittshindernis darstellt, hängt jedoch von der konkreten Ausgestaltung der Regelungen zur objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts in den Kollisionsrechten der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten ab, die insoweit kein einheitliches Bild ergeben. 1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten In der deutlich überwiegenden Zahl der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten unterliegt das Scheidungsstatut nicht dem Aufenthaltsprinzip. Einzig das estnische Kollisionsrecht kennt eine den Bestimmungen der Rom IIIVerordnung vergleichbare Regelung des Scheidungsstatuts, das heißt eine Anknüpfungsleiter, die auf dem Aufenthaltsprinzip beruht. So unterliegt im estnischen Recht die Ehescheidung gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. § 57 IPRG56 vorrangig dem Recht des Staates, in welchem die Ehegatten zum Zeitpunkt 53

Henrich in LA Pintens, S. 701 (702). Vgl. Beschluss der Kommission vom 27. Januar 2014 zur Bestätigung der Teilnahme Griechenlands an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2014/39/EU), ABlEU Nr. L 23 vom 28.01.2014, S. 41 f. 55 Vgl. auch Jänterä-Jareborg in Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective, S. 317 (337). 56 Deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Schulze, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Estland S. 79 f. 54

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Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

der Einleitung des Scheidungsverfahrens ihren gemeinsamen Wohnsitz haben. Haben die Ehegatten Wohnsitze in verschiedenen Staaten, kommt auf der zweiten Stufe die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten zum Tragen. Haben die Ehegatten weder einen gemeinsamen Wohnsitz noch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, ist auf der dritten Stufe das Recht des Staates maßgeblich, in welchem die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, sofern einer der Ehegatten seinen Wohnsitz noch in diesem Staat hat. Auf der vierten und letzten Stufe ist an die engste Verbindung der Ehegatten anzuknüpfen. Damit weist das estnische Scheidungsstatut insgesamt deutliche Parallelen zu der Regelung des Art. 8 Rom III-VO auf, was die Hürden für einen eventuellen Beitritt zumindest im Hinblick auf die objektive Anknüpfung gering erscheinen lässt.57 Die übrigen nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten, deren Scheidungsstatute weitaus größere Abweichungen zu den Anknüpfungsregeln der Rom IIIVerordnung aufweisen, lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, und zwar in diejenigen, die dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen, und diejenigen, die grundsätzlich die lex fori anwenden. Zu der ersten Gruppe gehören Kroatien,58 Polen,59 die Slowakei60 und Tschechien,61 deren Scheidungsstatute vorrangig auf die (letzte) gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten Bezug nehmen, teilweise auf der zweiten Stufe gefolgt vom (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt62 der Ehegatten. Als hilfsweise Anknüpfung wird auf der letzten Stufe zumeist auf die lex fori63 verwiesen. Demgegenüber knüpfen Dänemark,64 Finnland,65 die Niederlande,66 Schweden,67 das Vereinigte Königreich,68 Irland69 und Zypern70 bei inländischen Scheidungsverfahren grundsätzlich an die lex fori an.

57

Vgl. Torga, NiPR 2012, S. 547 (550). Art. 35 IPRG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Hrabar/Korac-Graovac, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kroatien S. 39. 59 Art. 54 Abs. 1 IPRG, deutscher Text bei RabelsZ 2012, S. 639 (649). 60 § 22 Abs. 1 IPRG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Bohata, Internationales Eheund Kindschaftsrecht, Slowakei S. 57. 61 § 50 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 IPRG. 62 Polen: Art. 54 Abs. 2 IPRG; Tschechien: § 50 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 IPRG. 63 Polen: Art. 54 Abs. 3 IPRG; Slowakei: § 22 Abs. 1 IPRG; Tschechien: § 50 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 IPRG. 64 Bergmann/Ferid/Giesen, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark S. 29. 65 § 120 EheG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Arends, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Finnland S. 50. 66 Art. 56 Abs. 1 Buch 10 niederl. BGB, deutscher Text bei StAZ 2013, S. 155 (160). 67 § 4 Abs. 1 Gesetz (1904:26 s 1), deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Carsten, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden S. 45. 68 Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Vereinigtes Königreich (England) S. 31 / Vereinigtes Königreich (Schottland) S. 3. 58

§ 2 Unüberbrückbare Differenzen?

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2. Aussichten Inwieweit das in der Rom III-Verordnung verwirklichte Aufenthaltsprinzip zur Bestimmung des anwendbaren Rechts einem möglichen Beitritt der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten entgegensteht, ist differenziert zu bewerten: Die teilnehmenden Mitgliedstaaten, die beim Scheidungsstatut dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen, bestimmen das anwendbare Recht, wie auch die Kollisionsnormen der Rom III-Verordnung, auf der Grundlage von Anknüpfungsfaktoren, die darauf ausgerichtet sind, dasjenige Sachrecht zur Anwendung zu berufen, mit dem die Ehegatten (gemeinsam) am engsten verbunden sind.71 Dabei weichen zwar die Anknüpfungsfaktoren in ihrer Rangfolge und damit in der Bewertung ihrer Bedeutung für die Vermittlung einer Verbundenheit zum anwendbaren Recht voneinander ab, das grundlegende Prinzip der Sachnähe liegt aber beiden Herangehensweisen zugrunde und verbindet sie.72 Unterschiede bestehen also nur in Bezug auf die Frage, welchem Anknüpfungskriterium für die Bestimmung des anwendbaren Rechts die größte Bedeutung beizumessen ist, weil es die engste Verbundenheit der Ehegatten am besten widerspiegelt. Dass sich diese Bewertung in den Staaten, die derzeit dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen, zugunsten des gewöhnlichen Aufenthalts verschieben wird, bleibt angesichts der Vorteile der Aufenthaltsanknüpfung nicht nur zu hoffen, sondern ist auch nicht gänzlich unrealistisch, zumal auch viele der teilnehmenden Mitgliedstaaten in ihrem autonomen Kollisionsrecht ursprünglich das Staatsangehörigkeitsprinzip anwendeten und dieses im Rahmen der Rom III-Verordnung überwinden konnten. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Wandel der Auffassung der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten nicht allzu unwahrscheinlich, sodass das in der Rom IIIVerordnung verankerte Aufenthaltsprinzip für diese Mitgliedstaaten zwar eine Hürde für einen Beitritt darstellt, jedoch keineswegs eine unüberwindbare, wie das Beispiel Griechenlands verdeutlicht, das in seinem nationalen Kollisionsrecht ebenfalls dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgte73 und der Rom III-Verordnung dennoch nachträglich beigetreten ist.74 69 Bergmann/Ferid/Coester-Waltjen/Jakob, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Irland S. 17. 70 Bergmann/Ferid/Unbekannter Verfasser, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Zypern S. 25. 71 Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 150. 72 Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 150. 73 Art. 16 i.V.m. Art. 14 ZGB, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Kastrissios, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Griechenland S. 50: vorrangige Bezugnahme auf die letzte gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten, auf der zweiten Stufe der Anknüpfungsleiter gefolgt vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten sowie auf der dritten Stufe von der hilfsweisen Anknüpfung an die engste Verbindung der Ehegatten. 74 Beschluss der Kommission vom 27. Januar 2014 zur Bestätigung der Teilnahme Griechenlands an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung

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Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

Schwieriger gestaltet sich die Lage in den Staaten, die ausschließlich an die lex fori anknüpfen. Dies hängt jedoch nicht in erster Linie mit der konkreten Auswahl des Anknüpfungsfaktors zusammen, der die engste Verbindung zum anwendbaren Recht sicherstellen soll, sondern liegt vielmehr darin begründet, dass diese Staaten oftmals von vornherein nicht dem Prinzip der Sachnähe und der engsten Verbundenheit folgen, sondern konsequent ihr eigenes Recht anwenden, unabhängig davon, ob ein anderes Recht das sachnähere wäre. Kern des Problems ist also nicht der Anknüpfungsfaktor des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern vielmehr das mangelnde Zugeständnis, dass gegebenenfalls die Anwendung eines anderen als des eigenen Sachrechts angebracht wäre. Damit ist die Frage des Anknüpfungsprinzips untrennbar verbunden mit der Problematik der Anwendung fremden Sachrechts, die es in erster Linie zu überwinden gilt.75 Anzumerken ist an dieser Stelle jedoch, dass auch Lettland in seinem nationalen Scheidungskollisionsrecht ursprünglich dem lex fori-Prinzip folgte und dieses zugunsten des Aufenthaltsprinzips der Rom III-Verordnung aufgegeben hat, was darauf hoffen lässt, dass auch hier keine unüberwindbaren Gräben zwischen beiden Ansätzen existieren. III. Prinzip der Sachnormverweisung Die Rom III-Verordnung spricht ausschließlich Sachnormverweisungen aus und lässt einen renvoi nicht zu. Diesbezüglich stimmt sie zwar nur teilweise mit der Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten überein, dennoch dürfte der Ausschluss des renvoi in der Rom III-Verordnung kein nennenswertes Hindernis für einen Beitritt weiterer Staaten darstellen. 1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten Die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten sind in zwei Lager gespalten, was den Ausschluss beziehungsweise die grundsätzliche Anerkennung des renvoi betrifft, wobei jedoch keine allzu deutliche Mehrheit zugunsten einer der Positionen zu erkennen ist. So sind beispielsweise die Kollisionsrechte der nordischen Staaten Dänemark,76 Finnland 77 und Schweden,78 aber auch das internationale Privatrecht der Niederlande79 wie die Rom III-Verordnung vom Prinzip der Sachnormverweisung geprägt; diese Staaten lehnen den renvoi und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2014/39/EU), ABlEU Nr. L 23 vom 28.01.2014, S. 41 f. 75 Dazu sogleich unten IV. 76 Bergmann/Ferid/Giesen, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark S. 26. 77 § 139 Abs. 1 EheG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Arends, Internationales Eheund Kindschaftsrecht, Finnland S. 54. 78 Bergmann/Ferid/Carsten, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden S. 21. 79 Art. 5 Buch 10 niederl. BGB, deutscher Text bei StAZ 2013, S. 155.

§ 2 Unüberbrückbare Differenzen?

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teilweise aus grundsätzlichen Erwägungen ab.80 Hingegen schließen die ehemals sozialistischen Staaten Estland,81 Kroatien,82 Polen,83 die Slowakei84 und Tschechien85 den renvoi nicht grundsätzlich aus, wobei jedoch beispielsweise Estland und Polen nur die Rückverweisung auf das eigene Recht, nicht jedoch die Weiterverweisung auf ein drittes Recht akzeptieren. Das tschechische Kollisionsrecht wiederum akzeptiert die Weiterverweisung auf das Recht eines Drittstaates nur, wenn der Drittstaat diese Verweisung auch annimmt, andernfalls kommt tschechisches Recht zur Anwendung.86 2. Aussichten Der Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung durch die Rom IIIVerordnung dürfte einer Erweiterung des Teilnehmerkreises kaum entgegenstehen, denn ungefähr die Hälfte der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten hat den renvoi ohnehin nicht in ihrem autonomen Kollisionsrecht vorgesehen und andere lassen ihn nur eingeschränkt zu. Zudem haben die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten auch keine besondere Skepsis gegenüber dem Prinzip der Sachnormverweisung geäußert, sodass im Ausschluss des renvoi keine Hürde für einen Beitritt zu sehen ist. IV. Anwendung ausländischen Sachrechts Die Rom III-Verordnung schließt die Anwendung ausländischen Rechts im Forum nicht aus. Die an der Verordnung teilnehmenden Mitgliedstaaten müssen also hinnehmen und akzeptieren, dass ihre eigenen Gerichte gegebenenfalls ausländisches Sachrecht auch in inländischen Scheidungsverfahren anwenden. Eine entsprechende Bereitschaft ist jedoch nicht in allen nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten gleichermaßen gegeben, was ein durchaus ernstzunehmendes Problem darstellt und für manche Mitgliedstaaten zumindest derzeit eine unüberwindbare Hürde für einen Beitritt bedeuten könnte.

80

Henrich in FS von Hoffmann, S. 159; jedoch wurde beispielsweise in Griechenland zwischenzeitlich gefordert, diese Ablehnung zu überdenken, Henrich in FS von Hoffmann, S. 159 (161). 81 § 6 IPRG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Schulze, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Estland S. 77. 82 Art. 6 IPRG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Hrabar/Korac-Graovac, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kroatien S. 37 (38). 83 Art. 5 IPRG, deutscher Text bei RabelsZ 2012, S. 639 (640). 84 § 35 IPRG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Bohata, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Slowakei S. 59. 85 § 21 Abs. 1 IPRG. 86 § 21 Abs. 1 IPRG; Bohata, FamRBint 2012, S. 95 (98).

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Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

1. Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten Hinsichtlich der Anwendung ausländischen Sachrechts ist zunächst grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den Staaten, die bei der Bestimmung des auf die Ehescheidung anwendbaren Rechts dem Staatsangehörigkeits- oder dem Aufenthaltsprinzip folgen, und denjenigen nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten, die beim Scheidungsstatut grundsätzlich an die lex fori anknüpfen. Da die vorrangige Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit genauso wie die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten nach der derzeitigen Ausgestaltung der Zuständigkeitsregeln durch die Brüssel IIaVerordnung zur Berufung einer aus Sicht des Forums ausländischen Rechtsordnung führen kann, stellt sich die Rechtslage in den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten, die an diese Kriterien anknüpfen, im Hinblick auf die potentielle Anwendung ausländischen Sachrechts grundsätzlich nicht anders dar, als unter Geltung der Rom III-Verordnung. Die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten Estland, Polen, Kroatien, die Slowakei und Tschechien unterscheiden sich also in dieser Hinsicht nicht von den teilnehmenden Mitgliedstaaten und würden somit durch die Rom III-Verordnung vor keine neuen Herausforderungen bezüglich der Anwendung ausländischen Sachrechts gestellt. Demgegenüber verhindert die Anknüpfung an die lex fori prinzipiell die Anwendung fremden Sachrechts, was eine wesentliche Abweichung von den Regelungen der Rom III-Verordnung bedeutet und sich somit als Hürde für einen möglichen Beitritt der lex fori-Staaten erweisen könnte. Allerdings ist auch unter den lex fori-Staaten keine einheitliche Position bezüglich der Anwendung ausländischen Sachrechts zu erkennen, denn die insoweit grundsätzlich ablehnende Haltung ist in den einzelnen Staaten unterschiedlich stark ausgeprägt. So knüpft zum Beispiel das niederländische Kollisionsrecht beim Scheidungsstatut zwar grundsätzlich an die lex fori an, erlaubt aber die abweichende Rechtswahl zugunsten der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten87 und offenbart damit die Bereitschaft, auch im Scheidungsverfahren in besonderen Fällen ausländisches Sachrecht anzuwenden. Auch im Rahmen des schwedischen Scheidungsstatuts sind trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit der lex fori in bestimmten Konstellationen die Voraussetzungen des Heimatrechts der Ehegatten zu beachten.88 Hingegen sehen manche nichtteilnehmende Mitgliedstaaten zwar bei der Ehescheidung die ausschließliche Anwendung des eigenen Sachrechts vor, sind aber in anderen Bereichen des internationalen Familienrechts durchaus bereit, ausländisches Sachrecht anzuwenden. So können beispielsweise die kollisionsrechtlichen Regelungen Dänemarks,89 Finnlands90 und des Vereinigten Königreichs91 im Bereich des 87

Art. 56 Abs. 1 Buch 10 niederl. BGB, deutscher Text bei StAZ 2013, S. 155 (160). Vgl. § 4 Abs. 2 und 3 Gesetz (1904:26 s 1), deutscher Text bei Bergmann/Ferid/ Carsten, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden S. 45. 89 Bergmann/Ferid/Giesen, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark S. 28. 88

§ 2 Unüberbrückbare Differenzen?

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Ehegüterrechts zur Anwendung ausländischen Sachrechts führen, indem sie auf den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit der Ehegatten Bezug nehmen oder insofern die Rechtswahl erlauben. Zudem sind auch außerhalb des internationalen Familienrechts alle nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks im Rahmen der Verordnungen Rom I und Rom II verpflichtet, im Bereich der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse gegebenenfalls ausländisches Sachrecht anzuwenden. 2. Aussichten Die Haltung der lex fori-Staaten gegenüber der Anwendung ausländischen Sachrechts im Bereich des internationalen Familienrechts dürfte für die Beitrittsfrage von wesentlicher Bedeutung sein. Eine grundsätzliche Ablehnung der Anwendung fremden Sachrechts in internationalen Scheidungsverfahren ist mit den Prinzipien der Rom III-Verordnung unvereinbar, da die Rom IIIVerordnung zumindest in Ausnahmefällen zur Anwendung ausländischen Sachrechts auch bei Beteiligung eines inländischen Staatsbürgers führen kann, etwa wenn die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben oder hatten. Die Ablehnung der Rom III-Verordnung durch Schweden und andere Mitgliedstaaten, die eine vergleichbare Auffassung vertreten, erscheint daher vor dem Hintergrund ihrer Motive nachvollziehbar und konsequent. Anzumerken ist jedoch, dass kein Staat durch die Rom IIIVerordnung zu einer Änderung seines Ehescheidungsrechts angehalten wird. Zudem wird die charakteristische Ausprägung, die ein Rechtsinstitut wie die Ehescheidung in einem nationalen Sachrecht erfahren hat, nicht durch eine Regelung berührt, die einem Staat lediglich abverlangt, auf die Anwendung seines eigenen Recht zu verzichten, wenn ein anderes Recht das sachnähere ist.92 Hinzu kommt weiterhin, dass die Regelungen zur Rechtswahl den Ehegatten die Anwendung des inländischen Rechts ermöglichen würden und mit einer Anwendung ausländischen Sachrechts ohnehin nur in Ausnahmefällen zu rechnen sein dürfte. Nicht vergessen werden sollte zudem, dass beispielsweise auch das schwedische Kollisionsrecht in bestimmten Ausnahmefällen die Beachtung der Vorgaben eines restriktiveren Heimatrechts ausländischer Ehegatten vorsieht,93 und damit, wenn auch in sehr begrenztem Maße, ausländisches Scheidungsrechts in einem inländischen Scheidungsverfahren zur Anwendung kommt. So kategorisch, wie die Diskussion um die Rom III90 §§ 129, 130 EheG, deutscher Text bei Bergmann/Ferid/Arends, Internationales Eheund Kindschaftsrecht, Finnland S. 52. 91 Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Vereinigtes Königreich (England) S. 30 / Vereinigtes Königreich (Schottland) S. 3. 92 Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (6). 93 Vgl. § 4 Abs. 2 und 3 Gesetz (1904:26 s 1), deutscher Text bei Bergmann/Ferid/ Carsten, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden S. 45.

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Drittes Kapitel: Verbliebenes nationales Kollisionsrecht

Verordnung sie erscheinen lassen mag, ist die Ablehnung Schwedens gegenüber der Anwendung ausländischen Scheidungsrechts also nicht, da auch Schweden zumindest in bestimmten Fällen bereit zu sein scheint, bei einem starken Bezug zu einem ausländischen Staat dessen Recht gegenüber dem eigenen Scheidungsrecht den Vorzug zu geben. Zu hoffen und nicht auszuschließen bleibt daher, dass sich, auf diesem Ansatz aufbauend, in der Zukunft die Bereitschaft dazu entwickelt, auch bei einem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten im Ausland den Bezug zum Aufenthaltsstaat als hinreichend stark zu bewerten, um in dieser Konstellation statt des eigenen Rechts das Recht des Aufenthaltsstaates anzuwenden. Gleiches gilt auch im Hinblick auf die europäischen common law-Staaten, die in Rechtsbereichen außerhalb des internationalen Scheidungsrechts durchaus bereit sind, ausländisches Recht anzuwenden, was offenbar wird durch die Beteiligung dieser Staaten an den Verordnungen Rom I und Rom II, die ebenfalls zur Anwendung ausländischen Sachrechts führen können. Wenn aber beispielsweise im internationalen Schuldrecht die Anwendung fremden Rechts vor inländischen Gerichten akzeptiert und praktiziert wird, ist – auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten und Unterschiede, die das Familienrecht im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten aufweisen mag94 – nur schwer nachvollziehbar, warum dies bei Scheidungsverfahren nicht auch möglich und mit vertretbarem Aufwand umsetzbar sein sollte.95 V. Zusammenfassung Die Chancen und Aussichten darauf, dass die derzeit nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten der Rom III-Verordnung beitreten werden, sind von verschiedenen Faktoren abhängig und können daher nicht pauschal für alle Mitgliedstaaten bewertet werden. Die konkreten Aussichten für einen Beitritt eines Mitgliedstaates hängen unter anderem davon ab, inwieweit die jeweilige nationale Regelung des Scheidungsstatuts von den wichtigsten Prinzipien der Rom III-Verordnung abweicht und davon, ob die Motive, die zur Nichtteilnahme geführt haben, auch weiterhin von Bedeutung sind oder ob diese entkräftet werden können. Dementsprechend sind die zu überwindenden Hürden für manche Mitgliedstaaten größer als für andere und auch manche Beweggründe für einen Nichtbeitritt nachvollziehbarer und bedeutender als andere. 94

Vgl. Marks, Response of the General Council of the Bar of England and Wales to the European Commission’s Green Paper COM(2005) 82 final of 14 March 2005 entitled Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters, S. 2 f., der hauptsächlich auf die kulturellen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Ehescheidung und auf den finanziellen und persönlichen Hintergrund der Beteiligten verweist, der in Familienangelegenheiten ein grundsätzlich anderer sei als im Bereich des internationalen Handels. 95 So auch Fiorini, IJLPF 2008, S. 178 (189).

§ 2 Unüberbrückbare Differenzen?

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So dürften beispielsweise Befürchtungen dahingehend, die Rom III-Verordnung könne das traditionelle Verständnis von der Ehe gefährden, weitestgehend unbegründet sein und daher kein dauerhaftes Beitrittshindernis darstellen. Auch in den Fällen, in denen die Mitgliedstaaten aus rechtspolitischen oder innenpolitischen Gründen eine Beteiligung an der Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts auf europäischer Ebene abgelehnt haben, bleibt zu hoffen, dass sich die dafür maßgeblichen Begleitumstände zugunsten des einheitlichen Scheidungskollisionsrechts wandeln mögen und ein Beitritt zur Rom III-Verordnung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird.96 Für einen Beitritt zur Rom III-Verordnung ist es jedoch von wesentlicher Bedeutung, dass die einzelnen Mitgliedstaaten grundsätzlich dazu bereit sind, in den Grenzen des nationalen ordre public ausländisches Sachrecht in internationalen Scheidungsverfahren anzuwenden. Diese Bereitschaft ist derzeit (noch) nicht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorhanden, worin die wohl größte Hürde für eine Teilnahme an der Rom III-Verordnung liegt. Auch wenn daher die Beitrittsaussichten der Staaten, die, wie beispielsweise Schweden und die common law-Staaten, im Scheidungsverfahren grundsätzlich ihr eigenes Recht anwenden, zum jetzigen Zeitpunkt eher gering erscheinen mögen,97 geben insbesondere die Beteiligung Lettlands, das die Anknüpfung an die lex fori überwinden konnte, sowie Litauens und Griechenlands, die der Verordnung trotz anfänglicher Ablehnung nunmehr doch beigetreten sind, Hoffnung auch für die verbleibenden nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten.

96

Möglicherweise plant Estland einen Beitritt zur Rom III-Verordnung, konkrete Maßnahmen diesbezüglich sind bisher jedoch nicht ersichtlich, vgl. Torga, NiPR 2012, S. 547 (549). 97 Zeitzmann, ZEuS 2011, S. 87 (111).

Viertes Kapitel

Bewertung und Ausblick Diese Arbeit hat sich mit dem Scheidungskollisionsrecht in der Europäischen Union befasst und untersucht, wie sich dieses nach Inkrafttreten der Rom IIIVerordnung darstellt. Sie hat dabei insbesondere auch die Veränderungen, Fortschritte und Probleme aufgezeigt, die das einheitliche Scheidungskollisionsrecht mit sich bringt. In diesem Kapitel soll nun eine Zusammenfassung und Bewertung der neuen Rechtslage erfolgen und ein Ausblick auf künftige Entwicklungen gewagt werden.

§ 1 Zusammenfassung und Bewertung § 1 Zusammenfassung und Bewertung

Im Folgenden sollen zunächst die wichtigsten kollisionsrechtlichen Prinzipien, die der Rom III-Verordnung zugrunde liegen, bewertet werden. Darüber hinaus soll untersucht werden, inwieweit die mit dem Erlass der Rom IIIVerordnung verfolgten rechtspolitischen Ziele erreicht werden konnten, bevor schließlich ein Fazit zum einheitlichen Scheidungskollisionsrecht der Europäischen Union gezogen werden soll. I. Prinzipien der Rom III-Verordnung Zu den wesentlichen Prinzipien, die das einheitliche Scheidungskollisionsrecht der Rom III-Verordnung grundlegend prägen, gehören die Zulassung der Rechtswahl, die vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts, der Ausschluss des renvoi sowie die Möglichkeit der Berufung ausländischen Sachrechts im inländischen Scheidungsverfahren. Damit weicht die Rom III-Verordnung einerseits in wichtigen Aspekten vom zuvor maßgeblichen autonomen deutschen Kollisionsrecht ab, übernimmt andererseits aber auch Elemente aus dem nationalen Kollisionsrecht, was die damit verbundenen Probleme und die teilweise bereits bekannten Folgen für die Rechtsanwendung mit sich bringt. 1. Rechtswahl Die in der Rom III-Verordnung zugelassene Option, das auf die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht per

§ 1 Zusammenfassung und Bewertung

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Rechtswahl zu bestimmen, fördert und respektiert die Autonomie der Ehegatten und ist deshalb zu begrüßen.1 Vorsorgliche Rechtswahlvereinbarungen können insbesondere für Ehegatten in mobilen Binnenmarktehen Vorhersehbarkeit und Rechtsicherheit schaffen und Statutenwechseln durch (häufige) Aufenthaltswechsel vorbeugen.2 Gewinnbringend ist die Möglichkeit der Rechtswahl zudem für die Ehepaare, die nicht in ihrem Heimatstaat leben, aber dennoch nach ihrem Heimatrecht geschieden werden möchten.3 Die einvernehmliche Wahl des anwendbaren Rechts durch die Ehegatten kann außerdem im Idealfall zur Vermeidung oder Entschärfung langwieriger Streitigkeiten führen.4 Bei der Einräumung von Rechtswahlmöglichkeiten muss jedoch bestmöglich dafür Sorge getragen werden, dass den Beteiligten Bedeutung und Folgen ihrer Rechtswahl bewusst sind, um einerseits inhaltlich unerwünschte Ergebnisse durch die Wahl eines „falschen“ Rechts zu vermeiden und andererseits einer Übervorteilung eines Ehegatten durch den anderen vorzubeugen.5 Dass auch der Verordnungsgeber dieses Ziel verfolgt, bringt er in den Erwägungsgründen deutlich zum Ausdruck.6 Im Verordnungstext selbst hingegen fehlen jedoch klare einheitliche Regelungen und Vorgaben, die den Schutz der Ehegatten durch Informations-, Form- oder Beratungspflichten sicherstellen. Der Verordnungsgeber begnügt sich im Hinblick auf die formellen Voraussetzungen der Rechtswahl vielmehr damit, die schriftliche Abfassung der Rechtswahlvereinbarung mit Datierung und Unterschrift der Ehegatten zu verlangen und überlässt den teilnehmenden Mitgliedstaaten die Entscheidung, ob sie über das bloße Schriftformerfordernis hinausgehende Formvorschriften zum Schutz der Ehegatten und des Rechtsverkehrs erlassen wollen.7 Zwar betont der Verordnungsgeber, dass die Rechte und die Chancengleichheit beider Ehegatten durch die Möglichkeit der einvernehmlichen Rechtswahl nicht beeinträchtigt werden dürfen und auch den Richtern in den teilnehmenden Mitgliedstaaten bewusst sein sollte, dass die Kenntnis der Ehegatten von den Rechtsfolgen der Rechtswahlvereinbarung von wesentlicher Bedeutung ist.8 Wie die Chancengleichheit der Ehegatten gewahrt und ihre Sachkenntnis sichergestellt und im Zweifelsfall auch überprüft werden soll, regelt die Verordnung indes nicht. In diesem Auseinanderfallen von 1 Vgl. auch Schack, IPRax 2013, S. 315 (320); Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (217); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (314); Dimmler/Bißmaier, FamRBint 2012, S. 66 (69); Hau in FS Stürner, S. 1237 (1241). 2 Kohler, FPR 2008, S. 193 (195). 3 Stürner, JURA 2012, S. 708 (710); Finger, FuR 2013, S. 305 (307). 4 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679). 5 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); Finger, FuR 2013, S. 305 (306). 6 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 18 und Nr. 19 Rom III-VO. 7 Vgl. Hau in FS Stürner, S. 1237 (1242): „mit allzu laxen Mindestanforderungen“. 8 Erwägungsgrund Nr. 18 Rom III-VO.

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

Anspruch und Umsetzungsmaßnahmen liegt ein klares Manko der Rom IIIVerordnung:9 Erlässt ein teilnehmender Mitgliedstaat keine weitergehenden Formvorschriften, so genügt ein von beiden Ehegatten unterschriebenes Schriftstück, notfalls auch in Form elektronischer Übermittlung, um die Rechtswahl vorzunehmen. Dass die Ehegatten sich bei der Rechtswahl der Folgen und Tragweite ihrer Vereinbarung bewusst waren und die Chancengleichheit gewahrt wurde, kann durch die bloße schriftliche Verkörperung der Vereinbarung allerdings weder sichergestellt nach nachgewiesen werden.10 Einen gewissen Schutz vor Übervorteilung bietet jedoch zumindest der Umstand, dass der Kreis der wählbaren Rechte auf den aktuellen oder früheren gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten oder ihre gemeinsame Staatsangehörigkeit beschränkt ist und somit wenigstens überraschende Ergebnisse durch die Wahl exotischer Rechte weitgehend verhindert werden können.11 Die Gefahr unvorhergesehener Rechtsfolgen durch die Wahl eines unverbundenen Rechts besteht somit allenfalls bei der vorsorglichen Wahl der lex fori, dieses Risiko wird aber wiederum durch die Zuständigkeitsregelungen der Brüssel IIa-Verordnung zumindest begrenzt. Nichtsdestotrotz sind prinzipiell keine Gründe ersichtlich, warum die Ehegatten nicht in einem vorgegebenen Rahmen das anwendbare Recht einvernehmlich wählen können sollten, sodass die Zulassung der Rechtswahl generell positiv zu bewerten ist.12 Ob und wieweit von der Möglichkeit der Rechtswahl in der Praxis Gebrauch gemacht werden wird, bleibt abzuwarten. Berechtigte Zweifel bestehen diesbezüglich insbesondere im Hinblick auf die vorsorgliche Rechtswahl,13 denn Handlungsbedarf werden wohl in erster Linie die Ehepaare sehen, die konkrete Scheidungspläne verfolgen und gegebenenfalls bereits ein Scheidungsverfahren eingeleitet haben.14 Eine (nachträgliche) Rechtswahlvereinbarung in dieser Situation setzt jedoch auch vo9

Vgl. auch Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (213); Boiché, AJ Famille 2012, S. 370 (373); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (323); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 170; kritisch auch Hodson, IFL 2011, S. 65 (66); Rösler, RabelsZ 2014, S. 155 (187 f.); siehe auch Marks, Response of the General Council of the Bar of England and Wales to the European Commission’s Green Paper COM(2005) 82 final of 14 March 2005 entitled Applicable Law and Jurisdiction in Divorce Matters, S. 7. 10 Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (214). 11 Vgl. Finger, FuR 2013, S. 305 (308); Coester-Waltjen, FF 2013, S. 48 (53); Rühl in FS von Hoffmann, S. 364 (368 ff.). 12 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 817 („nicht bedenklich“). 13 Helms, FamRZ 2011, S. 1765 (1767) und LA Pintens, S. 681 (692); Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 74; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 806, 817. 14 Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 75; Höbbel/Seibert/Möller, FuR 2013, S. 28 gehen davon aus, dass mit der Einführung der Rom III-Verordnung mehr Ehegatten von der Rechtswahlmöglichkeit Gebrauch machen werden.

§ 1 Zusammenfassung und Bewertung

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raus, dass einvernehmliche Lösungen und Absprachen zwischen den Ehegatten im Endstadium der Ehe noch möglich sind und das Zerwürfnis nicht derart ausgeprägt ist, dass es einer Einigung entgegensteht oder die unterschiedlichen Interessen der Ehegatten in diesem Punkt unvereinbar auseinanderfallen.15 Es kann also dazu kommen, dass sich das in der Verordnung angelegte Regel-Ausnahme-Prinzip zugunsten der Rechtswahl in der Praxis umkehrt und dort die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts der Regelfall bleiben wird.16 Aber auch wenn die Möglichkeit der Rechtswahl nur in Einzelfällen genutzt werden sollte, ändert dies nichts daran, dass die Stärkung der Parteiautonomie, die durch die Zulassung der Rechtswahl erreicht wird, grundsätzlich begrüßenswert ist.17 Die Rom III-Verordnung eröffnet den Ehegatten durch die Zulassung der Rechtswahl eine (zusätzliche) Möglichkeit, das anwendbare Recht in begrenztem Rahmen selbst zu bestimmen. Von dieser Option können die Ehegatten nach freiem Ermessen Gebrauch machen. Sollten sie dies nicht tun, hält die Rom III-Verordnung Regelungen zur objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts bereit, die auf den Regelfall ausgerichtete, hinreichend interessengerechte Lösungen bieten, sodass es unproblematisch erscheint, wenn diese letztendlich regelmäßig und öfter zur Anwendung kommen als die Vorschriften zur Rechtswahl. 2. Aufenthaltsprinzip Dass die Rom III-Verordnung der allgemeinen unionsrechtlichen Entwicklung hin zum Aufenthaltsprinzip folgt und statt der Staatsangehörigkeit den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten zum Leitkriterium für die Bestimmung des anwendbaren Rechts erhebt, ist ebenfalls grundsätzlich zu begrüßen.18 Trotz der legitimen Gegenargumente sprechen die besseren Gründe, insbesondere im Hinblick auf Integrationsbestrebungen und Entlastung der Rechtspflege durch vermehrte Anwendung des Forumsrechts, für die vorrangige Beachtung des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten.19 Die mit dem Wechsel zum Aufenthaltsprinzip verbundene Kehrseite der Flüchtigkeit und Manipulierbarkeit sowie der erschwerten Bestimmbarkeit des Hauptanknüp15

Vgl. Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (407, 413). 16 Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 74; Becker, NJW 2011, S. 1543 (1544); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (253); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); vgl. auch Stürner, JURA 2012, S. 708 (709). 17 Becker, NJW 2011, S. 1543 (1544): „Autonomie ist ein schützenswertes Gut“. Vgl. auch Franzina, CDT 2011, S. 85 (114). 18 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (392); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 321; Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 27. 19 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (392); NomosKomm/Gruber, BGB, Anhang zu Art. 17 EGBGB Rn. 17.

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fungskriteriums ist hinnehmbar und mit angemessenem Aufwand handhabbar. Zudem können die entstehenden Nachteile zumindest teilweise durch die Zulassung der Rechtswahl ausgeglichen werden, denn diese ermöglicht es den Ehegatten, die ihre kulturelle Identität durch Bindung an ihr Heimatrecht wahren und zum Ausdruck bringen wollen, ihr Heimatrecht einvernehmlich zum anwendbaren Recht zu bestimmen. Durch die Möglichkeit der Rechtswahl wird außerdem den Kontinuitätsinteressen der Ehegatten Rechnung getragen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt häufig ändern, aber nicht durch jeden Umzug einen Statutenwechsel auslösen wollen. Somit bietet die Rom III-Verordnung einen interessengerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen Bezugspunkten mit einer im Ergebnis gerechtfertigten Bevorzugung des gewöhnlichen Aufenthalts als Standardanknüpfung. 3. Prinzip der Sachnormverweisung Die weitreichende Abkehr vom renvoi im europäischen Kollisionsrecht ist ebenfalls grundsätzlich zu begrüßen.20 Dies liegt jedoch nicht daran, dass es sich bei den Regelungen des europäischen Kollisionsrechts um im besonderen Maße „ausdifferenzierte“ Kollisionsregeln21 oder um vereinheitlichtes Kollisionsrecht22 handelt,23 sondern vielmehr an den grundsätzlichen Vorzügen der Sachnormverweisung gegenüber der Gesamtverweisung. So fördern Sachnormverweisungen die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im Hinblick auf das anzuwendende Recht und erleichtern die Rechtsanwendung, da eine zusätzliche Befassung mit fremdem Kollisionsrecht nicht erforderlich wird.24 Darüber hinaus ermöglicht die Sachnormverweisung, dass die einmal 20

Zustimmend, insbesondere in Bezug auf die Rom III-Verordnung, Henrich in FS von Hoffmann, S. 159 (164, 167); von Hein in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 341 (371 f.); vgl. auch Leible in Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31 (52); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (330); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 156; Mörsdorf-Schulte, RabelsZ 2013, S. 786 (821); a.A. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (388); Sonnenberger, IPRax 2011, S. 325 (330); Hau, FamRZ 2013, S. 249 (254); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); Finger, FuR 2013, S. 305 (310); Basedow in FS Posch, S. 17 (32); Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (813); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 346; deutlich ablehnend Schurig in FS von Hoffmann, S. 404 (412); kritisch wohl auch Ganz, FuR 2011, S. 369 (373); zustimmend zumindest in Hinblick auf EU-Binnensachverhalte Schack, IPRax 2013, S. 315 (319). 21 Vgl. MünchKomm/Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 2; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 24 III 2 (S. 178). 22 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 24 Rom II-VO Rn. 2; MünchKomm/ Junker, BGB, Art. 24 Rom II-VO Rn. 8; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 24 III 2 (S. 178). 23 Solomon in LA Schurig, S. 237 (245 f.). 24 Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom I-VO Rn. 1; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 24 III 2 (S. 178); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band

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getroffenen kollisionsrechtlichen Entscheidungen des Gesetzgebers auch tatsächlich umgesetzt werden, ohne dass dies davon abhängig ist, ob andere Kollisionsrechte diese Entscheidung akzeptieren und in der gleichen Weise treffen.25 Insgesamt ist das Konzept einer Gesamtverweisung daher als unzeitgemäß und wenig praktikabel abzulehnen, da es die Rechtsanwendung ohne Notwendigkeit und ohne ersichtlichen Gewinn erschwert.26 Die Schaffung eines europäischen Kollisionsrechts bietet dabei eine gute Gelegenheit, die im autonomen deutschen Kollisionsrecht verankerte Grundentscheidung zugunsten der Gesamtverweisung zu überdenken und abzuändern. Vor diesem Hintergrund wäre daher ein vollständiger Verzicht auf den renvoi auch im internationalen Erbrecht – vor allem auch im Sinne einer einheitlichen Ausgestaltung des europäischen Kollisionsrechts – wünschenswert gewesen,27 auch wenn an dieser Stelle nicht bestritten werden soll, dass es durchaus legitime Gründe28 dafür gegeben haben mag, gerade im internationalen Erbrecht die Beachtung der Rück- und Weiterverweisung unter bestimmten Voraussetzungen anzuordnen. 4. Anwendung ausländischen Sachrechts Die Rom III-Verordnung verhindert nicht, dass fremdes Recht im Forum zur Anwendung kommt. Die Problematik der Anwendung fremden Rechts im Forum wird durch die vorrangige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Verbindung mit den ebenfalls auf den gewöhnlichen Aufenthalt ausgerichteten Zuständigkeitsregeln der Brüssel IIa-Verordnung zwar eingedämmt, wegen der alternativen Gerichtsstände der Brüssel IIa-Verordnung und der I, § 3 Rn. 116; Leible in Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31 (51); a.A. Solomon in LA Schurig, S. 237 (251 f.). 25 Vgl. Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom I-VO Rn. 1; MünchKomm/ Martiny, BGB, Art. 20 Rom I-VO Rn. 2; Leible in Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31 (50); a.A. Solomon in LA Schurig, S. 237 (246 ff.). 26 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 24 Rom II-VO Rn. 2; vgl. auch Henrich in FS von Hoffmann, S. 159 (167); a.A. Max Planck Institut, RabelsZ 2010, S. 524 (659); de Lima Pinheiro, YB PIL 2012/2013, S. 153 (168). 27 A.A. Solomon in LA Schurig, S. 237 (252); Schack, IPRax 2013, S. 315 (319); Max Planck Institut, RabelsZ 2010, S. 524 (657 f.), das insoweit eine Differenzierung zwischen mitgliedstaatlichem und drittstaatlichem Recht vorschlägt; Kindler, IPRax 2010, S. 44 (48), der die Verweisung auf einen drittstaatlichen gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers als Gesamtverweisung ausgestalten möchte; Heinze in FS Kropholler, S. 105 (119), der einen grundsätzlichen Ausschluss des renvoi bei Zulassung der akzeptierten Weiterverweisung zwischen Nichtmitgliedstaaten oder den Abbruch der Verweisung bei drittstaatlichem Rückverweis auf das Recht eines Mitgliedstaates propagiert; Schurig in FS Spellenberg, S. 343 (349), der im Ausschluss des renvoi einen „schwerwiegenden rechtspolitischen Fehler“ sieht. 28 Vgl. Max Planck Institut, RabelsZ 2010, S. 524 (660); Heinze in FS Kropholler, S. 105 (119); Henrich in FS von Hoffmann, S. 159 (164 f.).

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO sowie der Möglichkeit der Rechtswahl wird sie jedoch nicht ganz verhindert.29 Auch wenn die Anwendung ausländischen Rechts im Forum nicht ideal oder sonderlich wünschenswert sein mag, da sie oftmals mit erhöhtem Kosten-, Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden ist, besteht keine Notwendigkeit, die Anwendung fremden Rechts im Forum grundsätzlich zu unterbinden. Die Probleme, die mit der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts einhergehen, sind durch eine gut organisierte Rechtspflege ohne Weiteres handhabbar, wie die bisherigen nationalen Erfahrungen in diesem Bereich zeigen. Insbesondere verhindern zudem die ordre-public-Klauseln der Rom III-Verordnung effektiv und weitreichend, dass Rechte oder Vorschriften zur Anwendung gelangen, die mit inländisch-nationalen oder europäischen Rechtsgrundsätzen nicht zu vereinbaren sind, sodass auch eine „Überfremdung“ der eigenen Rechtspflege nicht zu befürchten ist. II. Rechtspolitische Ziele Mit der europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Allgemeinen und der Rom III-Verordnung im Speziellen verfolgt der europäische Gesetzgeber verschiedene rechtspolitische Ziele, deren Verwirklichung zur Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beitragen sollen. So möchte der Verordnungsgeber der Problematik des forum shopping begegnen und vermeiden, „dass ein Ehegatte alles daran setzt, die Scheidung zuerst einzureichen, um sicherzugehen, dass sich das Verfahren nach einer Rechtsordnung richtet, die seine Interessen seiner Ansicht nach besser schützt.“30 Darüber hinaus soll ein klarer, umfassender Rechtsrahmen für die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes geschaffen werden, der den Bedürfnissen nach Rechtssicherheit und Berechenbarkeit einerseits und Flexibilität andererseits Rechnung trägt und zugleich die Parteiautonomie stärkt. 1. Verhinderung von forum shopping Ausweislich der Materialien31 und Erwägungsgründe32 der Rom IIIVerordnung verfolgt der Verordnungsgeber das klare und hehre Ziel, mithilfe der Verordnung das forum shopping innerhalb der Europäischen Union zu 29

Höbbel/Seibert/Möller, FuR 2013, S. 28 (33). Erwägungsgrund Nr. 21 Rom III-VO. 31 Siehe beispielsweise Erwägungsgrund Nr. 6 des Beschlusses des Rates vom 12. Juli 2010 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2010/405/EU), ABlEU Nr. L 189 vom 22.07.2010, S. 12; Pressemitteilung vom 24.03.2010, IP/10/347, S. 2. 32 Siehe Erwägungsgründe Nr. 9 und Nr. 21 Rom III-VO. 30

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unterbinden und den Wettlauf zu den Gerichten zu verhindern.33 Dazu wählt der europäische Gesetzgeber den Weg über die Vereinheitlichung von Kollisionsnormen, die allerdings im Fall der Rom III-Verordnung nur räumlich begrenzt im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit erfolgt und in ihrer Ausgestaltung durch die hilfsweise Anknüpfung an die lex fori dem eigentlichen Ziel teilweise zuwiderläuft. a) Vereinheitlichung von Kollisionsnormen Initiativen zur Verhinderung von forum shopping und des damit möglicherweise verbundenen Wettlaufs zu den Gerichten sind grundsätzlich begrüßenswert, denn sie dienen dem Schutz des schwächeren Ehegatten vor einer potentiell rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Binnenmarktfreiheiten und der Regelungen zur internationalen Zuständigkeit durch den anderen Ehegatten. Die möglichen Alternativen zur effektiven Bekämpfung des forum shopping sind allerdings begrenzt und überschaubar. So wäre zunächst eine konsequente und vollständige Vereinheitlichung des materiellen Scheidungsrechts der Mitgliedstaaten denkbar, sodass in allen Mitgliedstaaten der Union Ehen nach den gleichen Sachvorschriften geschieden würden. Angesichts der Vielzahl und der inhaltlichen Vielfalt der materiellen Scheidungsrechte würde dieses Vorgehen jedoch nicht nur einen erheblichen Aufwand bedeuten, sondern dürfte wegen der stark ausgeprägten unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen, die gerade auch im Familienrecht zum Ausdruck kommen, politisch in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar sein.34 In Betracht käme weiterhin, die Regeln der internationalen Zuständigkeit derart restriktiv zu gestalten, dass für einen Scheidungsfall jeweils nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staates bestünde.35 Diese Herangehensweise erscheint jedoch sowohl aus Praktikabilitäts- als auch aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten problematisch, insbesondere bei unterschiedlichen Aufenthaltsorten der Ehegatten.36 Vor diesem Hintergrund hat sich die Europäische Union dazu entschlossen, zunächst die internationale Zuständigkeit in der verfahrensrechtlichen Brüssel IIa-Verordnung begrenzend zu regeln und damit das forum shopping einzudämmen und den infolge dessen weiterhin bestehenden Möglichkeiten zum forum shopping innerhalb der Europäischen Union durch Vereinheitlichung der einschlägigen Kollisionsnormen zu begegnen. Die Rom IIIVerordnung stellt somit die notwendige Ergänzung der Brüssel IIaVerordnung dar, die das Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten ignoriert und 33

Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (536). Vgl. Melcher, JPIL 2013, S. 149 (152). 35 Vgl. Fiorini, IJLPF 2008, S. 178 (190); Hau in FS Stürner, S. 1237 (1238). 36 Vgl, auch Hau in FS Stürner, S. 1237 (1238), der zudem auf einen möglichen Konflikt mit dem Justizgewährungsanspruch verweist. 34

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

deshalb das forum shopping nicht zu verhindern vermag, sondern dieses durch die Schaffung einer Vielzahl von alternativen Gerichtsständen in gewissen Rahmen sogar begünstigt.37 Durch die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts auf Unionsebene wird nunmehr erreicht, dass Gerichte in verschiedenen Mitgliedstaaten das anwendbare Recht anhand einheitlicher Kollisionsnormen bestimmen, sodass unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat ein Scheidungsverfahren durchgeführt wird, stets das gleiche Sachrecht auf diese Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes zur Anwendung kommt.38 Die europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung stellt damit einen durchaus erfolgversprechenden und begrüßenswerten Weg dar, um forum shopping zumindest innerhalb der Europäischen Union mit vertretbarem Aufwand wirksam zu verhindern, ohne dabei in die Sachrechte der Mitgliedstaaten eingreifen zu müssen, wofür der Union beim derzeitigen Stand der Integration ohnehin die Kompetenz fehlen würde. b) Anknüpfung an die lex fori Der Ansatz, das forum shopping über eine Vereinheitlichung der Kollisionsrechte zurückzudrängen, kann seine volle Wirksamkeit jedoch nur entfalten, wenn die einheitlichen Kollisionsnormen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht auf Anknüpfungskriterien basieren, die auf den Gerichtsort Bezug nehmen. Dies geschieht aber beispielsweise in Art. 8 lit. d) Rom III-VO, der an die lex fori anknüpft. Die Anknüpfung an die lex fori führt dazu, dass eben nicht unabhängig davon, welches Gericht angerufen wird, dasselbe Sachrecht auf eine Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes Anwendung findet, sondern bedeutet im Gegenteil, dass das anwendbare Recht ausdrücklich vom Gerichtsort abhängig gemacht wird. Damit können die Ehegatten durch Anrufung eines bestimmten Gerichts Einfluss darauf nehmen, welches Sachrecht zur Anwendung kommt. Auf diese Weise perpetuieren die einheitlichen Anknüpfungsregeln eine Problematik, die durch die Kollisionsrechtsvereinheitlichung gerade überwunden werden sollte. Zwar wird im Rahmen der Rom III-Verordnung bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts nur hilfsweise auf der letzten Stufe der Anknüpfungsleiter auf die lex fori verwiesen, jedoch hat die genauere Untersuchung dieser Regelung gezeigt, dass bei gemischt-nationalen Paaren im Einzelfall recht schnell die Anknüpfung an die lex fori zum Tragen kommen kann. Um diese Situation zu vermeiden und das forum shopping konsequent und bestmöglich zu bekämpfen, hat diese Arbeit Alternativen zur Anknüpfung an die lex fori aufgezeigt, die im Wesentlichen in einer gerichtsortunabhängigen hilfsweisen Anknüpfung an die engste Verbindung der Ehegatten und höchsthilfsweisen Anknüpfung an den Eheschließungsort bestehen. 37 38

Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1681); Kohler, FPR 2008, S. 193 (195). Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (536).

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c) Verstärkte Zusammenarbeit Zudem führt die Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts in Form einer Verstärkten Zusammenarbeit dazu, dass die Rom III-Verordnung nur eine regional begrenzte Abhilfe in Bezug auf das forum shopping innerhalb der Europäischen Union schaffen kann, denn die Gerichte der nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten bestimmen das anwendbare Scheidungsrecht nach wie vor anhand ihrer nationalen Kollisionsnormen und können daher zu anderen Ergebnissen kommen als die Gerichte in den teilnehmenden Mitgliedstaaten.39 Gleiches gilt natürlich im Verhältnis zu Drittstaaten, auf deren Kollisionsnormen der Europäische Gesetzgeber jedoch ohnehin keinen Einfluss hat. Nach wie vor spielt damit auch innerhalb Europas der Ort, an dem die Scheidung eingereicht wird, eine Rolle für die Bestimmung des anwendbaren Rechts, sei es, weil sich eben nicht alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union an der Vereinheitlichung des internationalen Scheidungsrechts beteiligen, oder weil bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts hilfsweise an die lex fori angeknüpft wird, was dazu führt, dass mittelbar auch die Brüssel IIa-Verordnung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts an Bedeutung gewinnt.40 Ob das forum shopping im Verhältnis zu den nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten und Drittstaaten durch die Rom IIIVerordnung allerdings zunimmt, weil die Rom III-Verordnung im Vergleich zu den verbliebenen nationalen Kollisionsrechtsordnungen inhaltlich andere Wege geht,41 wird die Zukunft zeigen. Die Tatsache, dass die Vereinheitlichung des Scheidungskollisionsrechts nur im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit umgesetzt werden konnte, offenbart jedenfalls eindrucksvoll, wie verfestigt und bedeutsam die nach wie vor existierenden unterschiedlichen Vorstellungen der Mitgliedstaaten nicht nur im materiellen Scheidungsrecht, sondern auch im internationalen Familienrecht sind.42 Angesichts der divergierenden Regelungsansätze der Mitgliedstaaten und der nur bedingt vorhandenen Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft in diesem Bereich blieben für den europäischen Gesetzgeber nur die Alternativen, entweder das Vorhaben der Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet der Ehescheidung aufzuschieben oder vorerst aufzugeben oder den nun beschrittenen Weg der Verstärkten Zusammenarbeit zu gehen und damit zumindest eine 39

Gruber, IPRax 2012, S. 381 (382); Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (537). 40 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (24); Palandt/Thorn, Art. 2 Rom III-VO Rn. 1; Zeitzmann, ZEuS 2011, S. 87 (106, 108); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 330; Hodson, IFL 2011, S. 65 (67). 41 Vgl. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (382); Palandt/Thorn, BGB, Vorb. vor Rom III-VO Rn. 2; Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, Rn. A 217; Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (298, 310). 42 Vgl. Butruille-Cardew, AJ Famille 2012, S. 376.

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

räumlich begrenzte Vereinheitlichung des Kollisionsrechts zu erreichen.43 Vor dem Hintergrund dieser Alternativen scheint eine partielle Rechtsvereinheitlichung begrüßenswert und einer Aufgabe des Vorhabens vorzuziehen, da auch eine räumlich begrenzte Vereinheitlichung die Rechtssicherheit und Übersichtlichkeit erhöht und damit die Rechtsanwendung erleichtert und somit einen (Fort)Schritt in die richtige Richtung bedeutet.44 Zudem verbleibt die Möglichkeit für die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten, der Rom IIIVerordnung beizutreten, was mit Litauen und Griechenland bereits zwei Mitgliedstaaten getan haben. Ob weitere Mitgliedstaaten beitreten werden, ist jedoch offen. Die Verstärkte Zusammenarbeit kann damit als Motor der Vereinheitlichung dienen, wenn sie als letztes Mittel angewandt wird, um zumindest einen Teilfortschritt im Bereich der europäischen Rechtsvereinheitlichung zu erzielen, der andernfalls vollständig unterblieben wäre. Die Gefahr einer Spaltung der Europäischen Union durch ein Vorantreiben des Einigungsprozesses in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und einer daraus folgenden Rechtszersplitterung sollte dabei nicht überbewertet werden,45 denn das Ausmaß der Rechtszersplitterung, das vor dem Vereinheitlichungsprozess bestand, dürfte kaum zu übertreffen sein. Es ist also in dieser Hinsicht insgesamt keine Verschlechterung der Rechtslage zu erkennen, sondern vielmehr von einer Verbesserung des Zustands auszugehen, wenn wenigstens eine partielle Vereinheitlichung erreicht wird. Es ist daher insgesamt als positiv und folgerichtig zu werten, dass bei der Rom III-Verordnung der Weg der Verstärkten Zusammenarbeit beschritten wurde. 2. Schaffung eines klaren, umfassenden Rechtsrahmens Ziel der Rom III-Verordnung war es zudem, den Ehegatten „einen klaren, umfassenden Rechtsrahmen im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts in den teilnehmenden Mitgliedstaaten“ vorzugeben.46 Auch dieses Ziel kann im Hinblick auf die oben dargestellten ungelösten Auslegungsfragen und den eingeschränkten Anwendungsbereich der Verordnung als nur teilweise erreicht angesehen werden.47 Zwar gibt die Verordnung einen in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten geltenden Rechtsrahmen in Form von einheitlichen Anknüpfungsregeln für die Ehescheidung und Trennung ohne Eheauflösung als solches, also für die reine Statusentscheidung vor, überlässt andererseits jedoch einzelne, für das Anknüpfungsergebnis relevante Aspekte dem nationalen 43

Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 72. Vgl. auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, S. 1 (30); Kohler in FS von Hoffmann, S. 208 (217); vgl. auch Leutheusser-Schnarrenberger, ZEuP 2011, S. 451 (458). 45 Vgl. Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434). 46 Erwägungsgrund Nr. 9 Rom III-VO. 47 Vgl. Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 189. 44

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Gesetzgeber48 oder wirft Auslegungsfragen auf, die einer Klärung durch die Rechtsprechung bedürfen.49 Zudem werden die Scheidungsfolgen vollständig aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgeklammert, was dazu führt, dass in Scheidungsverfahren auch weiterhin andere Regelungsinstrumente und Rechtsquellen neben der Rom III-Verordnung von wesentlicher Bedeutung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts sein werden. Insgesamt gibt die Verordnung daher zwar einen im Vergleich zur früheren Rechtslage erweiterten Rechtsrahmen vor,50 allerdings kann auch die Rom III-Verordnung kein einheitliches Statut für Scheidung und Scheidungsfolgen schaffen, sodass von einer umfassenden Regelung für die Scheidung als Ganzes nicht gesprochen werden kann.51 3. Rechtssicherheit, Berechenbarkeit, Flexibilität, Stärkung der Parteiautonomie Darüber hinaus verfolgt die Rom III-Verordnung das Ziel, „den Bürgern in Bezug auf Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Flexibilität sachgerechte Lösungen [zu] garantieren“.52 Da eine erhöhte Mobilität der Bürger gleichermaßen mehr Flexibilität und mehr Rechtssicherheit erfordere, soll die Verordnung die Parteiautonomie bei der Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes stärken53 und damit durch die Einführung der Rechtswahl zugleich die Flexibilität erhöhen. Dass die Einführung der Rechtswahl den Ehegatten mehr Flexibilität bietet und ihre Autonomie erhöht, dürfte unbestritten sein. Ob die Verordnung scheidungswilligen Paaren jedoch in jedem Fall zu mehr Rechtssicherheit und Berechenbarkeit verhilft, darf im Hinblick auf den begrenzten Anwendungsbereich der Verordnung und die Tatsache, dass wesentliche Aspekte weiterhin dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten unterliegen und viele Auslegungs- und Anwendungsfragen ungeklärt sind, durchaus bezweifelt werden.54 Nichtsdestotrotz sind die Bemühungen zur Schaffung von Rechtssicherheit und Berechenbarkeit klar erkennbar und entsprechende positive Auswirkungen zumindest in Ansätzen vorhan-

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Gruber, IPRax 2012, S. 381 (382). Basedow in LA Pintens, S. 135 (150); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545). 50 Siehe auch Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (535). 51 Jänterä-Jareborg in Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective, S. 317 (342). 52 Erwägungsgrund Nr. 9 Rom III-VO; vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 21 Rom III-VO. 53 Erwägungsgrund Nr. 15 Rom III-VO. 54 Fiorini, IJLPF 2008, S. 178 (194, 199); Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (24) sieht durch die Rom III-Verordnung eine bessere Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts, beklagt andererseits jedoch die zunehmenden Schwierigkeiten, bei der Vielzahl der unterschiedlichen Rechtsquellen zum internationalen Privatrecht, die richtige ausfindig zu machen, YB PIL 2010, S. 1 (4 f.). 49

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

den.55 Die Rom III-Verordnung ist Teil eines Prozesses zur Vereinheitlichung des europäischen Kollisionsrechts und bildet insoweit einen wichtigen Baustein im Bereich des internationalen Familienrechts. Sie kann Rechtssicherheit und Berechenbarkeit jedoch nur schaffen, soweit ihr Anwendungsbereich reicht und wird daher ihre positiven Auswirkungen erst mit der fortschreitenden Vereinheitlichung des europäischen Kollisionsrechts in räumlicher und sachlicher Hinsicht voll entfalten können, und in diesem Rahmen sodann auch zur Erreichung der anvisierten, übergeordneten Ziele der Gewährleistung von Rechtssicherheit und Berechenbarkeit beitragen.56 III. Fazit Die Rom III-Verordnung ist die erste rein kollisionsrechtliche Verordnung der Europäischen Union auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts. Wegen der nach wie vor vorhandenen kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede, die nicht nur die materiellen Familienrechte der einzelnen Mitgliedstaaten prägen und differieren lassen, sondern deren Wertungen in der Folge auch die Kollisionsrechte beeinflussen, ging der Rom III-Verordnung zunächst ein schwieriger und langwieriger Entstehungsprozess voraus. Da die Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Rahmen einer europäischen Verordnung nur unter angemessener Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Regelungsansätze und Interessenlagen gelingen konnte, wurden Kompromisslösungen erforderlich, die sich nicht nur in der konkreten Ausgestaltung der Anknüpfungsregeln niederschlagen, sondern auch an anderen Stellen des Verordnungstextes deutlich zu Tage treten.57 Der notwendige Interessenausgleich führt im Ergebnis jedoch dazu, dass die Normen der Verordnung nicht konsequent den verfolgten Zielen entsprechen und die Regelungen insoweit Optimierungsmöglichkeiten und -bedarf aufweisen.58 So bieten die Fristenregelung des Art. 8 lit. b) Rom III-VO und die hilfsweise Anknüpfung an die lex fori in Art. 8 lit. d) Rom III-VO den Ehegatten im Hinblick auf forum shopping und die (einseitige) Manipulierbarkeit des Scheidungsstatuts einen vergleichsweise großen Spielraum und öffnen damit der missbräuchlichen Ausnutzung der geschaffenen Rechtslage Tür und Tor.59 Zugleich steht die

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Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (6); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545); Nademleinsky, Zak 2012, S. 146 (149); vgl. auch Hodson, IFL 2011, S. 65. 56 Jänterä-Jareborg in Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective, S. 317 (343); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 189. 57 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (392); Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770). 58 Basedow in LA Pintens, S. 135 (150). 59 Vgl. Gruber, IPRax 2012, S. 381 (392).

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räumliche und sachliche Begrenzung des Anwendungsbereiches der Schaffung eines klaren, umfassenden Rechtsrahmens entgegen.60 Abgesehen von diesen Mängeln geht die Rom III-Verordnung bei der Bestimmung des anwendbaren Scheidungsrechts, verglichen mit den früheren und verbliebenen nationalen Kollisionsrechtsordnungen, an vielen Stellen inhaltlich neue Wege,61 die durchaus als positiv zu bewerten und als solche zu begrüßen sind.62 So nimmt die Verordnung die Entwicklung hin zum gewöhnlichen Aufenthalt als Leitkriterium für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf und etabliert die Möglichkeit der Rechtswahl im internationalen Scheidungsrecht, wodurch die Autonomie der Ehegatten eine bedeutende Stärkung erfährt.63 Zudem darf prognostiziert werden, dass die Anwendung ausländischen Rechts im Forum durch die Aufenthaltsanknüpfung im Zusammenspiel mit den Aufenthaltszuständigkeiten der Brüssel IIa-Verordnung deutlich zurückgedrängt und wohl zur Ausnahme werden wird.64 Darüber hinaus verwirklicht die Verordnung insbesondere durch die Nichtanwendbarkeit und Wählbarkeit scheidungsfeindlicher Rechtsordnungen einen äußerst weitreichenden favor divortii und bringt damit ihre grundsätzlich scheidungsfreundliche Tendenz klar zum Ausdruck.65 Dass die Verordnung in besonderem Maße dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Grundrechte-Charta verpflichtet ist, zeigt zudem die Existenz der speziellen ordre-public-Klausel des Art. 10 Rom III-VO, der die Anwendung geschlechterdiskriminierenden Scheidungsrechts zugunsten der lex fori durch seine abstrakt-generelle Ausgestaltung weitreichend und konsequent verhindert.66 Der auf den ersten Blick abschreckende Umfang des Rechtsaktes, der 21 Artikel benötigt, um eine dem Art. 17 Abs. 1 EGBGB entsprechende Regelung zu treffen, ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass viele der in der Verordnung enthaltenen Vorschriften nicht das Scheidungsstatut im Speziellen betreffen, sondern Regelungen darstellen, die eigentlich dem allge60

Nitsch, ZfRV, S. 264 (269); Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770); vgl. auch Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434): „Ihre Achillesferse ist die institutionelle Sonderstellung“. 61 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (382); Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770); Basedow in LA Pintens, S. 135 (150); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1677). 62 Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (724). 63 Basedow in LA Pintens, S. 135 (150); Kohler, FamRZ 2008, S. 1673 (1679). 64 Traar, ÖJZ 2011, S. 805 (811); Makowsky, GPR 2012, S. 266 (272); Posch, ZfRV 2012, S. 71 (77, 79); Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 92; Höbbel/Seibert/ Möller, FuR 2013, S. 28 (33); Andrae, Internationales Familienrecht, § 4 Rn. 27; vgl. auch Ruiz Sutil, RICD 2012, S. 525 (532); Hammje, RCDIP 2011, S. 291 (329); Kemper, FamRBint 2012, S. 63 (66). 65 Makowsky, GPR 2012, S. 266 (272). 66 Gruber, IPRax 2012, S. 381 (392) sieht die Regelung als verfehlt an und ruft den europäischen Gesetzgeber auf, sich nicht als Zensor von Drittstaatenrechten aufzuspielen.

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

meinen Teil des internationalen Privatrechts zuzurechnen sind (wie beispielsweise Begriffsbestimmungen und Regelungen zum renvoi, zu Mehrrechtsstaaten, zum ordre public). Solange jedoch ein allgemeiner Teil des europäischen Kollisionsrechts in Form einer eigenständigen und allgemeingültigen Regelung nicht existiert,67 müssen die entsprechenden Regelungen in jeder Verordnung zum europäischen Kollisionsrecht erneut aufgenommen werden, was zum einen deren Umfang erhöht und zum anderen die Gefahr der Inkohärenz birgt, wenn die Regelungen der einzelnen Verordnungen nicht sorgfältig aufeinander abgestimmt oder inhaltlich identisch sind. Dieser Umstand ist zu bedauern und zu beklagen und bedarf in näherer Zukunft einer besseren Lösung. Die eigentlichen, für das Scheidungsstatut relevanten Regelungen (Art. 5, Art. 8 und Art. 9 Rom III-VO) bewegen sich jedoch in einem durchaus akzeptablem Rahmen und können weder als inhaltlich überflüssig angesehen werden noch kann dem europäischen Gesetzgebers der Vorwurf einer übermäßigen Detailverliebtheit und eines übertriebenen Regelungseifers gemacht werden. Insgesamt stellt die Vereinheitlichung des internationalen Scheidungsrechts durch die Rom III-Verordnung trotz der nicht zu verschweigenden Mängel und Unzulänglichkeiten einen durchaus bedeutsamen Fortschritt bei der unionsrechtlichen Kollisionsrechtsvereinheitlichung dar und dient als wichtiger Baustein für das in der Entwicklung befindliche europäische Kollisionsrecht.68 Angesichts der Schwierigkeiten, die speziell bei der Vereinheitlichung des internationalen Familienrechts zu überwinden waren und sind, kann und sollte das erzielte Ergebnis wohlwollend betrachtet und bewertet werden.69 Es gilt zu bedenken, dass das vorliegende Regelungswerk mit seinem räumlich begrenzten Geltungsbereich und den teilweise den eigentlichen Zielen zuwiderlaufenden, aber der Berücksichtigung der Bedürfnisse einzelner Mitgliedstaaten geschuldeten Regelungen wohl das bestmögliche Resultat darstellt, das in Anbetracht der komplexen Ausgangslage und divergierenden Auffassungen zu erreichen war.70 Auch wenn die Maximalziele der vollständigen Vereinheitlichung des internationalen Scheidungsrechts auf Unionsebene und die Verhinderung von forum shopping innerhalb der Europäischen Union damit verfehlt wurden,71 ist die Schaffung der Verordnung als ein Schritt in die richtige Richtung zu würdigen und einer Kapitulation vor der vermeintlich unlösbaren Problematik und einer daraus folgenden Untätigkeit

67

Dazu sogleich unten § 2 II. 3. Basedow in LA Pintens, S. 135 (150); Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (541). 69 De Vido, CDT 2012, S. 222 (230). 70 Vgl. auch de Vido, CDT 2012, S. 222 (231); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545). 71 Pietsch, NJW 2012, S. 1768 (1770); Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (414). 68

§ 2 Ausblick

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vorzuziehen.72 Es war daher gut und richtig, das Experiment der teilweisen Vereinheitlichung zu wagen, das ein tragfähiges und akzeptables Ergebnis hervorgebracht hat.73 Darüber hinaus ist stets zu berücksichtigen, dass auch das nun vorliegende Werk keinesfalls auf alle Zeit in Stein gemeißelt, sondern sowohl inhaltlich änderbar als auch räumlich erweiterbar ist.74 Einstweilen dient es jedoch als brauchbare und stabile Grundlage für die weitere, hoffentlich positive Entwicklung des europäischen internationalen Familienrechts.75

§ 2 Ausblick § 2 Ausblick

Ein Blick in die Zukunft ohne die berühmte Glaskugel ist stets ein Blick ins Ungewisse und bleibt damit zwangsweise Spekulation. Doch auch wenn die Zukunft nicht vorausgesagt werden kann, ermöglichen zumindest die im Brüsseler Gesetzgebungsverfahren befindlichen Vorhaben, die vom europäischen Gesetzgeber bereits in Form von Verordnungsvorschlägen konkretisiert wurden, einen nicht nur auf bloßen Vermutungen basierenden Ausblick auf künftige Entwicklungen im Bereich des internationalen Familienrechts, und können somit als Grundlage für weitere Überlegungen herangezogen werden. Zudem konnten auch in anderen Bereichen des internationalen Privatrechts Fortschritte im europäischen Vereinheitlichungsprozess erzielt werden, die es zu berücksichtigen gilt, und auch diesbezüglich zeichnen sich bereits weitere Entwicklungen ab, die von einer regen Diskussion um die Zukunft des europäischen Kollisionsrechts begleitet und vorangetrieben werden. So scheint auch das große Fernziel nicht nur klar, sondern auch langsam aber stetig näher zu rücken: Die vollständige Vereinheitlichung der Kollisionsrechte innerhalb der Europäischen Union und die Schaffung einer unionsweit geltenden Kodifikation des europäischen internationalen Privatrechts. I. Internationales Familienrecht Wegen des vergleichsweise starken Einflusses von Tradition, Kultur und Religion auf Fragen des Familienrechts, der sich auch auf das Kollisionsrecht erstreckt, gestaltet sich der Harmonisierungsprozess auf dem Gebiet des in72

In diesem Sinne auch Henrich, Internationales Scheidungsrecht, Rn. 84; Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (6); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545); Winkler v. Mohrenfels in FS von Hoffmann, S. 527 (534): „[…] dass der Spatz in der Hand immer noch besser ist als die Taube auf dem Dach“; a.A. Schurig in FS von Hoffmann, S. 405 (406). 73 Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (6). 74 Kohler/Pintens, FamRZ 2011, S. 1433 (1434) gehen davon aus, dass sich weitere Mitgliedstaaten an der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligen werden. 75 Vgl. Stürner, JURA 2012, S. 708 (710); Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545).

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

ternationalen Familienrechts besonders schwierig und wird nur in kleinen Schritten erfolgen können.76 Ob dabei eventuell auch erneut auf den Modus der Verstärkten Zusammenarbeit zurückgegriffen werden muss und wird, bleibt abzuwarten. Nicht übersehen werden sollte jedoch, dass die einzelnen Schritte des Vereinheitlichungsprozesses teilweise recht schnell aufeinander folgen können:77 So hat die Europäische Kommission bereits im März 2011, also nur wenige Monate nach der Verabschiedung der Rom III-Verordnung ihre beiden Verordnungsvorschläge für das internationale Güterrecht vorgelegt. Auch die Diskussion um die Reform und Vereinheitlichung weiterer familienrechtlicher Statute wird verstärkt geführt. 1. Verstärkte Zusammenarbeit Die Chancen und Aussichten darauf, dass die derzeit nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten der Rom III-Verordnung beitreten werden, sind im Hinblick auf die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgeprägt und können daher nicht pauschal als gut oder schlecht bewertet werden. So dürfte in manchen Fällen durchaus die berechtigte Hoffnung bestehen, dass die ursprünglichen Vorbehalte gegenüber der Rom III-Verordnung in naher Zukunft überwunden werden können oder sich hinderliche Begleitumstände zugunsten des einheitlichen Scheidungskollisionsrechts wandeln werden und somit kein dauerhaftes Beitrittshindernis darstellen. Andererseits gibt es nichtteilnehmende Mitgliedstaaten, deren Vorstellungen und Prinzipien bezüglich des anwendbaren Scheidungsrechts fundamental von den Regelungen der Rom III-Verordnung abweichen, sodass die Chancen auf einen baldigen Beitritt dieser Staaten zur Verordnung zum jetzigen Zeitpunkt als äußerst gering einzuschätzen sind. Jedoch stellt auch diese Einschätzung lediglich eine Momentaufnahme dar und bedeutet keinesfalls, dass ein unionsweit geltendes einheitliches Scheidungskollisionsrecht in der Zukunft unerreichbar ist. Insbesondere die Beispiele Lettlands, das die Anknüpfung an die lex fori überwinden konnte, sowie Litauens und Griechenlands, die der Verordnung trotz anfänglicher Ablehnung nunmehr doch beigetreten sind, zeigen, dass Hindernisse überwunden und Vorbehalte aufgegeben werden können, und verdeutlichen damit, dass eine Verstärkte Zusammenarbeit kein dauerhafter und endgültiger Zustand sein muss. Ob die Rom III-Verordnung hinsichtlich ihrer Umsetzung im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit als Blaupause dienen und weitere Verfahren dieser Art nach sich ziehen wird,78 bleibt abzuwarten.79 Angesichts der be76

Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545). Becker, NJW 2011, S. 1543 (1545). 78 Vgl. Boele-Woelki, VUWLR 2008, S. 779 (792); einen weitereren Anwendungsfall der Verstärkten Zusammenarbeit außerhalb des internationalen Familienrechts stellt beispielsweise die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des 77

§ 2 Ausblick

291

sonderen Herausforderungen, die eine Vereinheitlichung des internationalen Familienrechts mit sich bringt, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass auch in Zukunft auf die Verstärkte Zusammenarbeit zurückgegriffen werden muss und wird, um den Vereinheitlichungsprozess voranzutreiben. Die Befürchtung, die Vereinheitlichung des internationalen Scheidungsrechts im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit komme einem Dammbruch gleich, der dazu führe, dass von nun an alle Vereinheitlichungsschritte nur noch über den Modus der Verstärkten Zusammenarbeit ablaufen würden und unionsweite Instrumente zur Ausnahme würden,80 erscheint jedoch zu pessimistisch. Die Unterhaltsverordnung und die Erbrechtsverordnung zeigen, dass europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung auch (weiterhin) ohne die Verstärkte Zusammenarbeit gelingen kann.81 Die Gefahr der Rechtszersplitterung innerhalb der Union82 sollte daher nicht überbewertet werden. 2. Verordnungsvorschläge zum Güterrecht Die Verhandlungen zu den beiden güterrechtlichen Verordnungsvorschlägen konnten in den Jahren 2012 und 2013 wegen der Vorrangigkeit anderer Projekte nicht zum Abschluss gebracht werden, die Vorhaben befinden sich daher nach wie vor im Gesetzgebungsverfahren.83 Das Ergebnis der regelmäßigen und ausführlichen Beratungen zu diesen Verordnungsvorschlägen kann jedoch weder inhaltlich noch im Hinblick auf den anvisierten Zeitrahmen abgeschätzt werden. Wann und ob hier eine Einigung aller an der justiziellen Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten erzielt werden kann, oder ob erneut auf das Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit zurückgegriffen werden muss,84 bleibt daher abzuwarten. Das Vereinigte Königreich und Irland jedenfalls haben von ihrer opt in-Möglichkeit bisher keinen Gebrauch gemacht, was jedoch angesichts der bei der Entwicklung der Rom IIIVerordnung bereits zu Tage getretenen Vorbehalte gegenüber den vorgesehenen Anknüpfungskriterien und der generellen Skepsis bezüglich einer Vereinheitlichung des internationalen Familienrechts nicht überrascht.85 Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, ABlEU Nr. L 361 vom 31.12.2012, S. 1 ff. dar. 79 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, S. 1 (30). 80 Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (25); Boele-Woelki, VUWLR 2008, S. 779 (790); vgl. dazu auch Andrae, FPR 2010, S. 505 (506). 81 Vgl. Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (6). 82 Vgl. Boele-Woelki, VUWLR 2008, S. 779 (792). 83 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (10); zum Stand der Vorhaben auch Kohler/Pintens, FamRZ 2014, S. 1498 ff. 84 So die Vorhersage bei Boele-Woelki, YB PIL 2010, S. 1 (25); einen anderen Eindruck vermitteln hingegen Kohler/Pintens, FamRZ 2014, S. 1498. 85 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (10).

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

Inhaltlich umfasst der Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht sowohl das Kollisionsrecht als auch verfahrensrechtliche Fragen. Bezüglich des anwendbaren Rechts orientiert sich der Vorschlag teilweise an dem von einigen Mitgliedstaaten ratifizierten Haager Ehegüterrechtsübereinkommen von 1978,86 weist jedoch auch Parallelen zur Unterhaltsverordnung, zur Rom IIIVerordnung und zur Erbrechtsverordnung auf.87 Wie auch die Rom IIIVerordnung eröffnet der Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht den Ehegatten die Möglichkeit, das auf ihren ehelichen Güterstand anzuwendende Recht selbst zu wählen, grenzt dabei jedoch den Kreis der wählbaren Rechte ein, um eine Verbundenheit der Ehegatten mit dem gewählten Recht sicherzustellen.88 Als Bezugspunkte für die Rechtswahl stützt sich der Verordnungsvorschlag – ähnlich wie die Rom III-Verordnung – auf den gewöhnlichen Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit eines oder beider Ehegatten. Die mangels Rechtswahl vorzunehmende objektive Anknüpfung89 unterliegt dem Leiterprinzip und stellt auf der ersten Stufe auf den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten nach der Eheschließung ab und knüpft auf der zweiten Stufe an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung an. Schlussendlich nimmt der Verordnungsvorschlag auf der dritten Stufe Bezug auf die gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Orts der Eheschließung. Der Verordnungsvorschlag zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften sieht hingegen weder eine Rechtswahlmöglichkeit noch eine Anknüpfungsleiter vor, sondern knüpft für den Güterstand einer eingetragenen Partnerschaft ausschließlich objektiv an das Recht des Staates an, in dem die Partnerschaft eingetragen ist.90 Mit der Realisierung des Vorhabens zum Ehegüterrecht würde neben den durch die Unterhaltsverordnung bereits erfassten Fragen des nachehelichen Unterhalts eine weitere wichtige Scheidungsfolge einer auf Unionsebene vereinheitlichten Anknüpfung zugeführt und durch diese Lückenfüllung der anvisierte umfassende und klare Rechtsrahmen für die Ehescheidung um einen wesentlichen Aspekt erweitert und damit deutlich gestärkt.91 Dies würde nicht nur die Übersichtlichkeit und Kohärenz der Rechtslage erhöhen, sondern auch das forum shopping, das sich in diesem Bereich vor allem auch an den Scheidungsfolgen orientiert und durch diese motiviert ist, weiter zu-

86

Ratifiziert von Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden, abgedruckt bei BoeleWoelki, European Private International Law 2012/2014, S. 19 ff. 87 Martiny, IPRax 2011, S. 437 (443). 88 Vgl. Art. 16 EhegüterRVO-E; Martiny, IPRax 2011, S. 437 (448); Buschbaum, GPR 2014, S. 4 f. 89 Art. 17 EhegüterRVO-E. 90 Vgl. Art. 15 EPartGüterRVO-E; siehe dazu auch Buschbaum, GPR 2014, S. 4 (5). 91 Becker, NJW 2011, S. 1543 (1546); Martiny, IPRax 2011, S. 437 (443).

§ 2 Ausblick

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rückdrängen.92 Eine baldige Umsetzung der geplanten Verordnung wäre daher wünschenswert. 3. Weitere familienrechtliche Statute Im Zuge der schrittweisen Vereinheitlichung des internationalen Familienrechts durch die Europäische Union und der damit verbundenen Auswirkungen auf die deutsche Rechtspraxis wird im Schrifttum vermehrt die Frage erörtert, ob auch die verbleibenden Regelungen des autonomen deutschen Kollisionsrechts auf dem Gebiet des Familienrechts an die europäischen Entwicklungen angeglichen werden müssen und wie dies im Einzelnen geschehen soll. Dabei wird insbesondere eine Reform des Ehewirkungsstatuts diskutiert sowie eine Änderung des Eheschließungsstatuts und eine entsprechende Anpassung des Statuts für eingetragene Lebenspartnerschaften erwogen. Dies geschieht vor allem im Hinblick darauf, dass gesamteuropäische Lösungen in diesem Bereich noch nicht abzusehen sind. a) Art. 14 EGBGB: Allgemeine Wirkungen der Ehe In seiner derzeitigen Fassung knüpft Art. 14 Abs. 1 EGBGB für die allgemeinen Wirkungen der Ehe nach dem Leiterprinzip auf der ersten Stufe an die (letzte) gemeinsame Staatsangehörigkeit (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB), auf der zweiten Stufe an den (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) und auf der dritten Stufe an die gemeinsame engste Verbundenheit der Ehegatten (Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) an. Obwohl der eigenständige Anwendungsbereich der Norm stark begrenzt ist, kam dem Ehewirkungsstatut in der Vergangenheit eine große Bedeutung für das deutsche internationale Familienrecht zu, denn Art. 14 EGBGB diente als Grundsatzkollisionsnorm, auf die viele andere familienrechtliche Statute verwiesen93 und übernahm somit die Funktion eines übergreifenden Familienstatuts.94 Die Vereinheitlichung des internationalen Familienrechts durch die Europäische Union hat insoweit jedoch bedeutende Veränderungen bewirkt. Seit dem Geltungsbeginn der Unterhaltsverordnung und der damit verbundenen Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls wird der nacheheliche Unterhalt nicht mehr gemäß Art. 18 Abs. 4 EGBGB a. F. an das auf die Ehescheidung angewandte Recht angeknüpft und damit gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB a. F. mittelbar über das Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB bestimmt. Der 92

Becker, NJW 2011, S. 1543 (1546). Vgl. Art. 15 Abs. 1 EGBGB (Ehegüterstand), Art. 17 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 EGBGB a.F. (Scheidung und Scheidungsfolgen), Art. 18 Abs. 4 a.F. (nachehelicher Unterhalt), Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB (Abstammung ehelicher Kinder), Art. 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB (Adoption durch Ehegatten). 94 Helms in LA Pintens, S. 681 (697). 93

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

nunmehr maßgebliche Art. 3 HUP knüpft für die Bestimmung des anwendbaren Rechts stattdessen eigenständig an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten an. Diese Entwicklung wird durch die Rom IIIVerordnung aufgegriffen und fortgesetzt, indem nun auch das auf die Scheidung anwendbare Recht nicht mehr unter Verweis auf das Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB bestimmt wird, sondern diesbezüglich neue, eigenständige Anknüpfungsregeln gelten. Damit hat das autonome deutsche Ehewirkungsstatut seine Bedeutung als Grundlage für die Bestimmung des auf die Ehescheidung anwendbaren Rechts verloren und ist zudem für eine wichtige Scheidungsfolge irrelevant geworden.95 Sollte auch der Verordnungsvorschlag zum Ehegüterrecht in eine gesetzliche Regelung umgesetzt werden, würde das Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB seine Funktion für einen weiteren wichtigen Aspekt des internationalen Familienrechts einbüßen und damit in seiner Bedeutung als Grundsatzkollisionsnorm noch weiter zurückgeworfen.96 Als mit dem Ehewirkungsstatut verbundene Statute verblieben sodann noch die Abstammung der ehelichen Kinder und die Adoption durch die Ehegatten.97 Vor diesem Hintergrund dürfte beim Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB somit kaum mehr von einem allgemeinen „Familienstatut“ zu sprechen sein.98 Angesichts dieses Bedeutungsverlusts verwundert es dann auch nicht, dass Zweifel aufkommen, ob das Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB weiterhin geeignet ist, als kollisionsrechtliche Grundlage für die Anknüpfung statusrechtlicher Beziehungen zwischen Eltern und Kindern zu dienen und insofern eine Reaktion des Gesetzgebers angemahnt wird.99 Noch ungeklärt ist darüber hinaus, welcher Anwendungsbereich für das Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB nach Inkrafttreten einer europäischen Regelung zum Ehegüterrecht überhaupt verbleiben wird. Auch wenn die endgültige Fassung der entsprechenden Verordnung noch nicht feststeht, deutet vieles darauf hin, dass ihr Anwendungsbereich vergleichsweise weit ausgestaltet sein wird, und das eheliche Güterrecht im Sinne der Verordnung auch Regelungen umfassen wird, die aus deutscher Sicht nicht güterrechtlich zu qualifizieren sind.100 Da eindeutige Eingrenzungen des Anwendungsbereichs durch präzise Definitionen seitens des europäischen Gesetzgebers eher nicht zu erwarten sind und seit jeher enge Zusammenhänge und fließende Übergänge zwischen dem Ehewirkungsstatut und dem ehelichen Güterrecht

95

Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (171). Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (171). 97 Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (171); vgl. auch Henrich in FS Spellenberg, S. 195 (199 f.). 98 Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (171). 99 Siehe Helms in LA Pintens, S. 681 (698 f); Helms in FS Hahne, S. 69 (84 ff.). 100 Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (171). 96

§ 2 Ausblick

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bestehen, ist mit einer Vielzahl von Abgrenzungsproblemen zwischen beiden Statuten zu rechnen.101 Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der inhaltlichen Veränderungen, die die europäische Rechtsvereinheitlichung im Bereich des internationalen Familienrecht mit sich gebracht hat, wird daher zunehmend auch über eine Reform des Art. 14 EGBGB diskutiert und die Frage aufgeworfen, ob die Norm an die europäischen Entwicklungen angepasst werden sollte.102 So spricht sich unter anderem der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht für eine Änderung des Art. 14 EGBGB aus.103 Neben der Zulassung einer begrenzten Rechtswahl104 sieht er dabei in seinem Vorschlag für ein reformiertes Ehewirkungsstatuts vor allem eine Änderung der Anknüpfungsreihenfolge zugunsten der primären Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten vor. Auf die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit verzichtet der Entwurf hingegen vollständig und knüpft stattdessen auf der zweiten und zugleich letzten Stufe an die engste Verbundenheit der Ehegatten an. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang jedoch auch eine vorrangige Anknüpfung an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten105 oder eine Anpassung des Ehewirkungsstatuts an das Scheidungsstatut der Rom III-Verordnung.106 b) Eheschließung und eingetragene Lebenspartnerschaft Insgesamt zeigen die vorangegangenen Entwicklungen und aktuellen Diskussionen im Bereich des internationalen Familienrechts eine starke Tendenz, die in diesem Gebiet bisher vorherrschende Orientierung an der Staatsangehörigkeit der Betroffenen zugunsten des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt aufzugeben.107 Dies führt sodann zu der Frage, ob ein solcher Abschied vom Staatsangehörigkeitsprinzip nicht auch Auswirkungen auf das Eheschließungsstatut des Art. 13 EGBGB und die Anknüpfung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in Art. 17 b EGBGB haben muss.108 Diese Thematik wird im deutschen Schrifttum bereits diskutiert und entsprechende erste Lösungs- und Reformvorschläge liegen vor. So will beispielsweise Henrich nach dem Vorbild des Schweizer Rechts für die Eheschließungsvoraussetzungen primär auf das Recht des Eheschließungsortes 101

Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (171); Helms in LA Pintens, S. 681 (699 f). Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (171); Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (13); Winkler v. Mohrenfels, ZEuP 2013, S. 699 (710). 103 Vgl. Mansel, IPRax 2013, S. 200 f. 104 Dafür auch Henrich in FS Spellenberg, S. 195 (198). 105 Vgl. Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (174 f.). 106 Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (13); Henrich in FS Spellenberg, S. 195 (197). 107 Coester-Waltjen, StAZ 2013, S. 10 (11). 108 Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (14); Coester-Waltjen, StAZ 2013, S. 10 (11); Helms in LA Pintens, S. 681 (700); Henrich in FS Spellenberg, S. 195 (201). 102

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

abstellen, soweit mindestens einer der Ehegatten dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und nur noch hilfsweise im Interesse der Begünstigung der Eheschließungsfreiheit auf das Heimatrecht zurückgreifen.109 In diese Richtung geht auch der Vorschlag von Coester-Waltjen, die ebenfalls für eine Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip beim Eheschließungsstatut zugunsten einer Anknüpfung an den Eheschließungsort eintritt, wobei jedoch zwischen Inlands- und Auslandstrauungen unterschieden werden soll und kein genereller Verweis auf die lex loci celebrationis vorgesehen ist, sondern insoweit Einschränkungen, Ausnahmen und zusätzliche Voraussetzungen zu beachten sind.110 Auch der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht sieht Reformbedarf bei Art. 13 EGBGB, hat die Thematik jedoch noch nicht abschließend behandelt und konnte sich bisher nicht auf ein bestimmtes, Inlands- und Auslandsehen erfassendes Regelungsmodell einigen, zeigt aber Sympathien für den Vorschlag Coester-Waltjens zur Anknüpfung von Inlandsehen.111 Vor dem Hintergrund der sich immer stärker abzeichnenden allgemeinen Ordnungsprinzipien des europäischen Familienkollisionsrechts und einer möglichen Reform des Art. 13 EGBGB wird zudem auch eine Änderung des Art. 17 b EGBGB diskutiert, der in seiner jetzigen Form vorrangig auf die Sachvorschriften des registerführenden Staates verweist. Dazu hat insbesondere Coester detaillierte Überlegungen angestellt und Vorschläge unterbreitet,112 auf deren Grundlage sich sodann auch der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht für eine Reform des Art. 17 b EGBGB ausgesprochen hat.113 Die Überlegungen orientieren sich dabei vor allem an den Prinzipien des europäischen Familienkollisionsrechts und der Neuregelung des Eheschließungsstatuts, mit denen eine weitestmögliche Konformität und Parallelität hergestellt werden soll, soweit nicht spezifische Charakteristika der eingetragenen Lebenspartnerschaft Unterschiede gebieten.114 Insbesondere in Bezug auf die Statusbegründung sollen die kollisionsrechtlichen Regelungen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft daher parallel ausgestaltet werden.115

109

Henrich in FS Spellenberg, S. 195 (201). Coester-Waltjen, StAZ 2013, S. 10 (18). 111 Vgl. Mansel, IPRax 2013, S. 200 (201). 112 Coester, IPRax 2013, S. 114 ff. 113 Vgl. Mansel, IPRax 2013, S. 200 (201). 114 Coester, IPRax 2013, S. 114 (116). 115 Vgl. Mansel, IPRax 2013, S. 200 (201); vgl. auch Henrich in FS Spellenberg, S. 195 (201 f.); Henrich in Familie, Erbe, Name, S. 1 (20). 110

§ 2 Ausblick

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c) Nationale Reformen und europäische Ziele Auch wenn Initiativen des europäischen Gesetzgebers zur Regelung und Vereinheitlichung weiterer Bereiche des internationalen Familienrechts bislang nicht ersichtlich sind und ein vollständiges, in sich geschlossenes europäisches Familienrecht für die nahe Zukunft nicht realistisch sein mag,116 muss und sollte auch in Zukunft darauf hingewirkt werden, dass die Europäische Union auf dem Gebiet der Kollisionsrechtsvereinheitlichung weiterhin tätig wird und unionsweite Regelungen für die noch verbliebenen Statute des internationalen Familienrechts schafft.117 Diese müssen inhaltlich mit den bereits erlassenen Regelungen und den Verordnungsvorschlägen zum Güterrecht abgestimmt werden, sodass insgesamt ein schlüssiges und geschlossenes System des europäischen Familienkollisionsrechts entsteht, das den gewünschten stabilen Rechtsrahmen vorgibt. In der Zwischenzeit sind Überlegungen zur Reform des autonomen Restkollisionsrechts durchaus angebracht, um die Weiterentwicklung des internationalen Familienrechts aufzugreifen oder gar voranzutreiben.118 Der nationale Gesetzgeber ist aufgerufen, die europäischen Entwicklungen des internationalen Familienrechts zu begleiten und nachzuvollziehen, damit die Kohärenz des Gesamtsystems bestehend aus europäischen, völkervertraglichen und nationalen Kollisionsregeln nicht verloren geht.119 Wegen der besonderen Nähe der allgemeinen Ehewirkungen zum Ehegüterrecht,120 und um die europäischen Entwicklungen insgesamt besser beurteilen und berücksichtigen zu können, sollte der nationale Gesetzgeber im internationalen Familienrecht jedoch erst aktiv werden, wenn das europäische Gesetzgebungsverfahren zum internationalen Güterrecht abgeschlossen ist und die Verordnungen zum Ehegüterrecht und zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften in ihren endgültigen Fassungen vorliegen.121 Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass beim derzeitigen Stand der Erkenntnisse nicht völlig auszuschließen ist, dass der europäische Gesetzgeber dazu übergeht, das Ehewirkungsstatut zusammen mit dem Ehegüterrecht oder in einer eigenständigen Verordnung zu regeln, und damit ein Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers zumindest auf diesem Gebiet obsolet macht.122 116

Helms in LA Pintens, S. 681 (696). Vgl. Melcher, JPIL 2013, S. 149 (159), die einen Entwurf für eine kollisionsrechtliche Verordnung über eingetragene Partnerschaften entwickelt und dabei an den Registerort anknüpfen will. 118 Coester, IPRax 2013, S. 114 (122). 119 Vgl. Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (173); Helms in LA Pintens, S. 681 (696 f.). 120 Coester-Waltjen, FamRZ 2013, S. 170 (173). 121 Helms in LA Pintens, S. 681 (700). 122 Helms in LA Pintens, S. 681 (700). 117

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

II. Europäisches Kollisionsrecht Auch außerhalb des internationalen Familienrechts befindet sich das europäische Kollisionsrecht in Bewegung und Entwicklung. So war der europäische Gesetzgeber in anderen Bereichen des Kollisionsrechts ebenfalls nicht untätig und hat den Vereinheitlichungsprozess in jüngerer Vergangenheit vor allem auf dem Gebiet des internationalen Erbrechts durch Erlass der Erbrechtsverordnung weiter vorangetrieben. Darüber hinaus existieren Pläne, weitere Bereiche des Kollisionsrechts zu vereinheitlichen, die jedoch noch nicht so weit fortgeschritten sind, dass konkrete Gesetzgebungsvorschläge vorliegen. Insbesondere in der Rechtswissenschaft wird zudem über die Notwendigkeit und Umsetzbarkeit einer Verordnung zur Regelung des allgemeinen Teils des europäischen internationalen Privatrechts diskutiert, die zugleich einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung einer Gesamtkodifikation des europäischen Kollisionsrechts leisten könnte. 1. Erbrechtsverordnung Die bereits im August 2012 in Kraft getretene Erbrechtsverordnung123 wird ab dem Jahr 2015 gelten und auf Erbfälle anwendbar sein, die nach dem 16.08.2015 eintreten.124 Bislang sind weder Dänemark, das sich weiterhin nicht an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen beteiligt, noch das Vereinigte Königreich oder Irland, die von ihrer opt in-Möglichkeit bisher keinen Gebrauch gemacht haben,125 vom räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung erfasst. Da die Erbrechtsverordnung im Gegensatz zu den Verordnungen Rom I bis Rom III nicht nur kollisionsrechtliche Vorschriften beinhaltet, sondern ähnlich wie die Unterhaltsverordnung und die Verordnungsvorschläge zum Güterrecht auch das internationale Zivilverfahrensrecht betrifft, dabei aber anders als die Unterhaltsverordnung vom Unionsgesetzgeber selbst geschaffene Kollisionsnormen enthält, ist fraglich und wird sich zeigen müssen, ob sich die Bezeichnung Rom IV-Verordnung beziehungsweise Rom V-Verordnung126 für die Erbrechtsverordnung etablieren wird, da der Beiname „Rom-Verordnung“ bisher nur für rein kollisionsrechtliche

123

Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABlEU Nr. L 201 vom 27.07.2012, S. 107 ff. 124 Vgl. Art. 83 Abs. 1, Art. 84 Abs. 2 EuErbVO. 125 Vgl. Protokoll Nr. 21 zum EUV und AEUV und Erwägungsgrund Nr. 82 EuErbVO. 126 Je nachdem, ob und wie man auch die Güterrechtsverordnungen in diese Namensreihe integrieren würde.

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Rechtsakte verwendet wurde und dies somit zu Missverständnissen führen könnte.127 In kollisionsrechtlicher Hinsicht vollzieht auch die Erbrechtsverordnung eine Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip und knüpft bei der objektiven Bestimmung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Todeszeitpunkt an, enthält zusätzlich jedoch eine Ausweichklausel für den Fall, dass zu einem anderen Staat eine offensichtlich engere Verbindung des Erblassers besteht.128 Zugleich erhält der Erblasser die Möglichkeit, das objektiv anwendbare Recht zugunsten eines seiner Heimatrechte abzuwählen.129 Auch wenn der Kreis der wählbaren Rechte im internationalen Erbrecht damit zwar sehr stark begrenzt ist,130 sind bei der Erbrechtsverordnung somit die gleichen Prinzipien erkennbar, die auch den anderen Bereichen des europäischen Kollisionsrechts zugrunde liegen. Dazu zählt in erster Linie die vorrangige objektive Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt bei gleichzeitiger Stärkung der Parteiautonomie durch Zulassung der Rechtswahl. Zudem sind auch im internationalen Erbrecht die Kollisionsnormen universell ausgestaltet und auch die Erbrechtsverordnung strebt einen Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht an, um die Anwendung fremden Rechts im Forum weitestgehend zu vermeiden.131 2. Weitere Initiativen des europäischen Gesetzgebers Das Stockholmer Programm des Europäischen Rats aus dem Jahr 2009 sieht vor, bis zum Auslaufen des Programmes im Jahr 2014 noch weitere Bereiche des Kollisionsrechts zu vereinheitlichen.132 Dazu zählen insbesondere das internationale Gesellschaftsrecht133 sowie die Schaffung von Kollisionsnormen für grenzüberschreitende Sicherungsrechte.134 Konkrete Gesetzesinitiati127

Vgl. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (6); Boele-Woelki, VUWLR 2008, S. 779 (783). 128 Vgl. Art. 21 EuErbVO. 129 Vgl. Art. 22 EuErbVO. 130 Es wurde bewusst davon abgesehen, dem Erblasser weitergehende Rechtswahlmöglichkeiten einzuräumen, um unter anderem einer Umgehung von Pflichtteilsrechten von vornherein entgegenzuwirken, vgl. Erwägungsgrund Nr. 38 EuErbVO; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (7). 131 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (7). 132 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2). 133 Hierzu existieren bereits Vorschläge des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht, die nach den Vorstellungen des Europäischen Parlaments zum Ausgangspunkt der Überlegungen für eine unionsweite gesetzliche Regelung gemacht werden sollen, vgl. Sonnenberger (Hrsg.), Vorschläge und Berichte zur Reform des europäischen und deutschen internationalen Gesellschaftsrechts, 2007; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (36) mit Fn. 439. 134 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2, 36).

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ven dazu liegen noch nicht vor, allerdings sind entsprechende Grünbücher angedacht beziehungsweise angekündigt.135 3. Diskurs über eine Rom 0-Verordnung Damit sind viele Bereiche des internationalen Privatrechts bereits in unterschiedlichen Stadien vom europäischen Vereinheitlichungsprozess erfasst. In den bereits erlassenen Verordnungen und den vorliegenden Verordnungsvorschlägen werden dabei neben den eigentlich betroffenen Gebieten des Kollisionsrechts stets auch einzelne Fragen mit geregelt, die nach deutschem Verständnis den sogenannten allgemeinen Teil des internationalen Privatrechts betreffen. Dabei handelt es sich um grundsätzliche Fragen, die im Zusammenhang mit den verschiedenen Regelungsbereichen immer wieder auftreten können und daher einer Regelung durch den Verordnungsgeber bedürfen. Der europäische Gesetzgeber hat diese Fragen bisher zwar wiederholt in den einzelnen Verordnungen aufgegriffen, sie dabei jedoch leider weder einheitlich noch vollständig geregelt.136 Vor diesem Hintergrund hat vor allem in der Rechtswissenschaft ein Diskurs darüber begonnen, wie eine bessere Reglung der Probleme des allgemeinen Teils des internationalen Privatrechts erreicht werden kann,137 mit dem Ziel, hierfür langfristig eine dogmatisch saubere und zugleich übersichtliche Lösung zu finden.138 In Deutschland wird die Diskussion dazu in jüngster Zeit vorwiegend unter dem Projektnamen „Rom 0-Verordnung“ geführt und konzentriert sich dabei vor allem auf die Frage, ob und in welchem Umfang die Probleme des allgemeinen Teils übergreifend in einer eigenständigen Verordnung geregelt werden können und sollen.139 Die so ausgestaltete Verordnung soll nach dem Vorbild deutscher Kodifikationen als „vor die Klammer gezogene Regelung“ für alle anderen Bereiche und Verordnungen des europäischen Kollisionsrechts gelten.140 Inhaltlich könnte die Verordnung verschiedene Einzelfragen des allgemeinen Teils umfassen und damit einerseits diejenigen Fragen einheitlich zusammenfassen, die bereits in den bestehenden Verordnungen geregelt sind, wie zum Beispiel die universelle Geltung, ordre public und renvoi, aber auch solche Probleme einer Lösung zu135

Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2, 36). Vgl. auch Jayme/Zimmer, IPRax 2013, S. 99; Wilke, GPR 2012, S. 334. 137 Vgl. Heinze in FS Kropholler, S. 105 ff.; Sonnenberger in FS Kropholler, S. 227 ff.; Lagarde, RabelsZ 2011, S. 673 ff. 138 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2). 139 Vgl. Wilke, GPR 2012, S. 334 ff.; Jayme/Zimmer, IPRax 2013, S. 99 ff.; Mansel/ Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2); Leible/Müller, YB PIL 2012/2013, S. 137 ff.; Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, 2013. 140 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2); Leible in Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31 (33); vgl. auch Mansel in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 241 (244). 136

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führen, die bisher in den Verordnungen ausgespart wurden, wie beispielsweise die Thematik der Vorfragen.141 Eine Rom 0-Verordnung würde damit nicht nur die einzelnen Verordnungen inhaltlich entlasten und ihren Umfang verringern, sondern könnte auch Regelungslücken auffüllen und einen wesentlichen Beitrag zur Kohärenz und Übersichtlichkeit des europäischen Kollisionsrechts leisten.142 Angesichts der Vielzahl der offenen Fragen und der zu überwindenden Hürden auf dem Weg zu einer Rom 0-Verordnung ist jedoch fraglich, ob eine solche Verordnung mittel- oder auch nur langfristig jemals zustande kommt.143 Die dahinter stehenden Grundgedanken der Kohärenz und Übersichtlichkeit sind jedoch von zentraler Bedeutung für die erfolgreiche Weiterentwicklung des europäischen Kollisionsrechts.144 Einzufordern ist daher in jedem Fall zumindest eine bessere Koordinierung der Einzelregelungen zum allgemeinen Teil des Kollisionsrechts in den separaten Verordnungen.145 Inhaltliche Unterschiede sollten nur bestehen, soweit sie sachlich begründet sind. Voneinander abweichende Formulierungen im Wortlaut der Parallelregelungen sollten nur der bewussten Hervorhebung solcher Unterschiede dienen und keinesfalls lediglich als Zufallsergebnis des jeweiligen Verhandlungsverlaufs auftreten oder Folge mangelnder Genauigkeit beim Entwurf des Verordnungstextes sein.146 4. Gesamtkodifikation Eine bessere Abstimmung der einzelnen kollisionsrechtlichen Verordnungen unter- und aufeinander könnte zudem den Ausgangspunkt bilden für eine geschlossene, übersichtliche Gesamtkodifikation des europäischen Kollisionsrechts, die als Fern- und Endziel der europäischen Rechtsvereinheitlichung die nächste und wohl größte Herausforderung des europäischen Gesetzgebers im Bereich des internationalen Privatrechts darstellen dürfte.147 141 Weitergehende Aufzählung und ausführliche Darstellung bei Wilke, GPR 2012, S. 334 ff.; Jayme/Zimmer, IPRax 2013, S. 99 (100 f); vgl. auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2). 142 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2); Leible/Müller, YB PIL 2012/2013, S. 137 (150). 143 Vgl. Jayme/Zimmer, IPRax 2013, S. 99 (100); Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2); Wilke, GPR 2012, S. 334 (339 f.). 144 Vgl. Wilke, GPR 2012, S. 334. 145 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2); vgl. auch Wilke, GPR 2012, S. 334 (340); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 270, 303; Roth in Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 11 (49). 146 Vgl. auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2); zum Problem uneinheitlicher sprachlicher Ausgestaltung des europäischen Rechts siehe auch Rauscher, IPRax 2012, S. 40 ff. 147 Becker, NJW 2011, S. 1543 (1546); Wilke, GPR 2012, S. 334 (340).

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Ein solcher IPR-Kodex, für den bereits erste Ideen und Vorschläge aus dem Kreise der Rechtswissenschaft existieren,148 würde die Rechtsanwendung deutlich erleichtern und ein hohes Maß an Übersichtlichkeit schaffen.149 Dazu müssten die einzelnen Verordnungen in ein stimmiges europäisches Regelungswerk überführt und in diesem zusammengefasst werden.150 Die vorherige oder gleichzeitige Schaffung einer Rom 0-Verordnung könnte dabei eine Verklammerung aller kollisionsrechtlichen Verordnungen bewirken und somit als Grundstein und Ankerpunkt für eine Gesamtkodifikation des europäischen Kollisionsrechts dienen,151 womit ihr im Hinblick auf die Kodifikationsbestrebungen eine überaus bedeutsame Funktion zukäme. III. Parallele und konkurrierende Entwicklungen Neben der Vereinheitlichung des Kollisionsrechts finden weitere Entwicklungen im europäischen Privatrecht statt, die die Aufmerksamkeit des europäischen Gesetzgebers beanspruchen und damit auf den ersten Blick der Kollisionsrechtsvereinheitlichung Konkurrenz machen. Dazu gehören einerseits Bestrebungen zur Angleichung der Sachrechte der Mitgliedstaaten, was eine weitaus komplexere und umfangreichere Aufgabe bedeutet als die Vereinheitlichung der Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten und damit eine enorme Herausforderung für die Union darstellen dürfte. Nichtsdestotrotz hat sich die Europäische Union auch dieser Aufgabe verschrieben und konkrete Pläne vor allem im Bereich des Schuldrechts entwickelt. So hat die Europäische Kommission einen auf Art. 114 AEUV gestützten Verordnungsvorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht vorgelegt,152 der derzeit in der Wissenschaft und in den zuständigen Gremien kontrovers diskutiert wird. Dabei soll die Harmonisierung des Vertragsrechts der Mitgliedstaaten „nicht durch eine Änderung des bestehenden innerstaatlichen Vertragsrechts bewirkt werden, sondern durch Schaffung einer fakultativen zweiten Vertragsrechtsregelung in jedem Mitgliedstaat für in ihren Anwendungsbereich fallende Verträ-

148

Lagarde, RabelsZ 2011, S. 673 ff.; siehe auch Fallon/Lagarde/Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Quelle architecture pour un code européen de droit international privé?, 2011. 149 Becker, NJW 2011, S. 1543 (1546); Rauscher, IPRax 2012, S. 40 (48), Kieninger in FS von Hoffmann, S. 184 (189). 150 Vgl. auch Campuzano Diaz, YB PIL 2011, S. 233 (253); Boele-Woelki, VUWLR 2008, S. 779 (783); vgl. auch Mansel in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 241 (244). 151 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, S. 1 (2); Leible/Müller, YB PIL 2012/2013, S. 137 (139). 152 Vorschlag der Europäischen Kommission vom 11.10.2011 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM (2011) 635 endgültig.

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ge.“153 Diese zweite Vertragsrechtsregelung soll parallel zum bestehenden innerstaatlichen Vertragsrecht Anwendung finden.154 Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht soll auf grenzübergreifende Verträge angewendet werden können, wenn die Vertragsparteien dies ausdrücklich beschließen.155 Ob der Verordnungsvorschlag letztendlich in geltendes Recht umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten. Gleiches gilt für die Frage, ob durch diese Entwicklung „Gegenwind“156 für das europäische Kollisionsrecht entsteht, was jedoch durchaus bezweifelt werden darf, denn die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts und die Schaffung eines fakultativen europäischen materiellen Rechts sind zwei eigenständige Themenkomplexe, die zwar miteinander in Wechselwirkung stehen mögen, sich jedoch nicht gegenseitig ausschließen, da das europäische Kollisionsrecht gerade auch Regelungen für den Fall enthält, dass die Betroffenen keine Wahl des anwendbaren Rechts vornehmen und für diesen Fall Lösungen bereit halten muss.157 Dies zeigt, dass die Schaffung eines einheitlichen europäischen Sachrechts die Existenz von Kollisionsvorschriften keineswegs überflüssig macht. Insbesondere für eine Vereinheitlichung des materiellen Familienrechts fehlt es der Union derzeit zudem an der Kompetenz,158 sodass hier zumindest in absehbarer Zukunft keine Entwicklung zu erwarten ist, die die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts verdrängen würde. Zudem werden vermehrt Befürchtungen laut, die Europäische Union wolle zur Regelung von Binnensachverhalten statt des klassischen VerweisungsIPRs Savigny‘scher Prägung in Zukunft auf eine Anerkennung von Rechtslagen zurückgreifen und damit das Kollisionsrecht umgehen oder ersetzen,159 um die Freizügigkeit innerhalb der Union besser zu gewährleisten. Nicht nur

153 Vorschlag der Europäischen Kommission vom 11.10.2011 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM (2011) 635 endgültig, S. 9. 154 Vorschlag der Europäischen Kommission vom 11.10.2011 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM (2011) 635 endgültig, S. 9. 155 Vorschlag der Europäischen Kommission vom 11.10.2011 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM (2011) 635 endgültig, S. 9. 156 Wagner zitiert in Jayme/Zimmer, IPRax 2013, S. 99 (100). 157 Vgl. auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2012, S. 1 (2). 158 Becker, NJW 2011, S. 1543 (1546); Melcher, JPIL 2013, S. 149 (152); wohl anders, aber missverständlich Vaige, SocSt 2012, S. 755 (769); Jänterä-Jareborg in Japanese and European Private International Law in Comparative Perspective, S. 317 (343). 159 Vgl. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, S. 1 (3); Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2012, S. 1; Sonnenberger in FS Spellenberg, S. 371 (372); Buschbaum, StAZ 2011, S. 106 (108); anders aber Heiderhoff in FS von Hoffmann, S. 127, die einen dahingehenden politischen Willen des europäischen Gesetzgebers nicht zu erkennen vermag.

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

vereinzelte Entscheidungen des EuGH,160 sondern insbesondere auch ein Grünbuch zur Anerkennung von Personenstandsurkunden161 haben in letzter Zeit Anlass zu solchen Vermutungen gegeben. In diesem Grünbuch hat die Europäische Kommission mit der inhaltlichen Anerkennung von Personenstandsurkunden ein neues Prinzip162 zur Anerkennung im Ausland erworbener Statusverhältnisse zur Diskussion gestellt, das sich von der kollisionsrechtlichen Methode ganz wesentlich unterscheidet.163 Nach diesem Prinzip soll der Status, der sich aus der Personenstandsurkunde eines EUMitgliedstaats ergibt, auch in allen anderen Mitgliedstaaten der Union gelten.164 Anerkannt werden soll dabei nicht die Echtheit oder die Beweiskraft der Personenstandsurkunde, sondern ihr Inhalt, soweit er den Personenstand als solchen betrifft.165 Wenn aus einer Personenstandsurkunde etwa hervorgeht, dass zwei Personen die Ehe geschlossen haben, sollen diese auch in allen anderen Mitgliedstaaten als verheiratet gelten, ohne dass eine Überprüfung der Rechtslage vorgenommen wird, sodass sich auch die Frage nach dem anwendbaren Recht erübrigen würde.166 Ein solches Vorgehen läuft damit konträr zu den Prinzipien des Kollisionsrechts, nach denen die Frage, ob eine Ehe besteht, anhand der jeweiligen Kollisionsnormen und des danach anwendbaren Rechts eigenständig zu beantworten ist. Die inhaltliche Anerkennung von Rechtslagen würde somit zwar keine verfahrensrechtliche Anerkennung einer Entscheidung bedeuten, wohl aber die kollisionsrechtliche Prüfung und Anerkennungsmethode verdrängen.167 Daher verwundert es nicht, dass die Diskussion um dieses neue Prinzip mitunter plakativ unter der Überschrift „Anerkennung vs. Verweisung“ geführt wird.168 Derartige Be160

Rs. C-208/00, Urteil vom 05.11.2002, EuGHE 2002, S. I-09943 (“Überseering“); Rs. C-148/02, Urteil vom 02.10.2003, EuGHE 2003, S. I-11613 („Garcia Avello“); Rs. C353/06, Urteil vom 14.10.2008, EuGHE 2008, S. I-07639 („Grunkin-Paul II“); Rs. C208/09, Urteil vom 22.12.2010, EuGHE 2010, S. I-13693 („Sayn-Wittgenstein”). 161 Grünbuch „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern“, KOM 2010, 747 endgültig. 162 Der Vorschlag ist nicht völlig neu, denn die Methode wurde vor geraumer Zeit schon einmal diskutiert, konnte sich damals aber nicht durchsetzen, Wagner, StAZ 2013, S. 133 (141); Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, S. 335 (339); Melcher, JPIL 2013, S. 149 (155). 163 Wagner, StAZ 2013, S. 133 (136); Melcher, JPIL 2013, S. 149 (154). 164 Wagner, StAZ 2013, S. 133 (136). 165 Wagner, StAZ 2013, S. 133 (136); Buschbaum, StAZ 2011, S. 106 (108). 166 Wagner, StAZ 2013, S. 133 (136). 167 Wagner, StAZ 2013, S. 133 (137); Melcher, JPIL 2013, S. 149 (155). 168 Vgl. Sonnenberger in FS Spellenberg, S. 371; Grünberger in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?, S. 81; Melcher, JPIL 2013, S. 149 (152); siehe auch Kohler/Pintens, FamRZ 2012, S. 1425 (1430); Baarsma, The Europeanisation of International Family Law, S. 117.

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strebungen, die inhaltliche Anerkennung von Rechtslagen als allgemeines Prinzip des Unionsrechts zu Lasten des Kollisionsrechts zu etablieren, werden jedoch vor allem von der deutschen Rechtswissenschaft aus guten Gründen vehement abgelehnt169 und stattdessen die Fortführung der Kollisionsrechtsvereinheitlichung und die Beibehaltung des Verweisungsprinzips angemahnt.170 IV. Schluss Mit der Rom III-Verordnung hat die Union den von ihr bereits zuvor eingeschlagenen Weg der Kollisionsrechtsvereinheitlichung fortgesetzt und auf das internationale Familienrecht ausgeweitet. Inhaltlich hat sie dabei auf die klassische kollisionsrechtliche Verweisungstechnik gesetzt, die Autonomie der Ehegatten durch Zulassung der begrenzten Rechtswahl gestärkt und objektive Anknüpfungsregeln geschaffen, die einerseits zeitgemäße Entwicklungen aufgreifen und bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts in vielen Fällen zu vertretbaren Ergebnissen führen und einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Ehegatten bewirken, die aber andererseits nicht immer die gewünschten Effekte haben und nicht alle Erwartungen erfüllen, die mit ihrer Einführung verbunden waren, denn sie verhindern weder das forum shopping vollständig noch setzen sie dem Wettlauf zu den Gerichten ein Ende. So muss sich etwa die österreichische Ehefrau aus dem einleitenden Beispielsfall auch unter Geltung der Rom III-Verordnung zunächst fragen, in welchem Staat ihr Scheidungsverfahren durchgeführt werden kann und soll. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte bestimmt sich dabei nach der Brüssel IIa-Verordnung, die in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks gilt und gegebenenfalls mehrere alternative Gerichtsstände eröffnet. Im Beispielsfall kann sich die österreichische Ehefrau daher aussuchen, ob sie ihren Scheidungsantrag gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) 2. und 5. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO vor österreichischen oder gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) 3. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO vor schwedischen Gerichten einreicht. Gleiches gilt gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) 4. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO auch im Falle eines gemeinsamen Scheidungsantrags der Ehegatten und gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) 3. und 6. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO nach einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten in seinem Heimatland auch für den Ehemann. 169 Vgl. Wagner, StAZ 2013, S. 133 (138 ff.); Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, S. 1 (3); Mansel, IPRax 2011, S. 341 (342); Sonnenberger in FS Spellenberg, S. 371 (390); Buschbaum, StAZ 2011, S. 106 (108); anders aber Vaige, SocSt 2012, S. 755 (768, 771). 170 Wagner, StAZ 2013, S. 133 (141); Mansel/Coester-Waltjen/Henrich/Kohler, IPRax 2011, S. 335 (338); Mansel, IPRax 2011, S. 341 (342); Nordmeier, IPRax 2012, S. 31 (39); Mansel, IPRax 2014, S. 87 (88); Buschbaum, StAZ 2011, S. 106 (110); Buschbaum, GPR 2014, S. 4 (6 f.); vgl. auch Melcher, JPIL 2013, S. 149 (169).

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Viertes Kapitel: Bewertung und Ausblick

Bei einem Scheidungsverfahren vor österreichischen Gerichten wäre sodann gemäß Art. 8 lit. b) Rom III-VO österreichisches Recht auf die Scheidung anwendbar, wenn – wovon hier zunächst ausgegangen werden soll – zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts noch kein Jahr seit der Rückkehr des Ehegatten in sein Heimatland vergangen ist. Darüber hinaus könnte gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III-VO auch schwedisches Recht zur Anwendung kommen, wenn sich die Ehegatten darauf vor Beginn oder gegebenenfalls noch während des Scheidungsverfahrens einigen und dies durch gemeinsame Rechtswahl bestimmen würden. Eine andere Situation ergäbe sich hingegen bei einem Scheidungsverfahren vor einem schwedischen Gericht, da sich Schweden nicht an der Rom IIIVerordnung beteiligt und somit die Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht anhand des Art. 8 Rom III-VO erfolgen würde. Stattdessen wenden die schwedischen Gerichte bei inländischen Scheidungsverfahren grundsätzlich die lex fori an, sodass hier schwedisches Recht zur Anwendung käme. Eine Rechtswahl zugunsten des österreichischen Rechts wäre in diesem Fall zudem unbeachtlich beziehungsweise nicht möglich, da das schwedische Recht die Rechtswahl des Scheidungsstatuts nicht kennt. Die Frage der Ehefrau nach dem anwendbaren Recht ließe sich also dahingehend beantworten, dass sie sich in Schweden nach schwedischem oder in Österreich nach österreichischem Recht beziehungsweise bei entsprechender einvernehmlicher Rechtswahl der Ehegatten auch nach schwedischem Recht scheiden lassen könnte. Damit bestünde grundsätzlich die Möglichkeit des forum shopping und bei unterschiedlichen Präferenzen und Interessen beider Ehegatten wäre zudem der Wettlauf zu den Gerichten eröffnet, wobei jedoch der Ehemann insoweit einen Nachteil hätte, als in den ersten sechs Monaten nach Rückkehr in sein Heimatland nur die österreichischen Gerichte für seinen Scheidungsantrag international zuständig wären. Etwas anders, wenn auch im Ergebnis nicht grundlegend verschieden, würde sich die Situation darstellen, wenn die österreichische Ehefrau einen Franzosen in Frankreich geheiratet hätte. In diesem Fall wären nach den oben genannten Zuständigkeitsregeln österreichische oder französische Gerichte für das Scheidungsverfahren zuständig. Da sowohl Österreich als auch Frankreich an der Rom III-Verordnung teilnehmen, wäre gemäß Art. 8 lit. b) Rom III-VO in beiden Staaten österreichisches Recht auf die Scheidung anwendbar, solange der Scheidungsantrag innerhalb eines Jahres nach Rückkehr des Ehemannes in sein Heimatland eingereicht wird. Geschieht dies hingegen später, käme in beiden Staaten die jeweilige lex fori zur Anwendung, also einmal österreichisches und einmal französisches Recht, sodass auch in diesem Fall ein Jahr nach Rückkehr des Ehemannes in sein Heimatland das forum und law shopping möglich wäre. Insgesamt ist also festzustellen, dass auch unter Geltung der Rom IIIVerordnung das vom europäischen Gesetzgeber als maßgeblich benannte

§ 2 Ausblick

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Problem nicht vollständig gelöst, sondern allenfalls zeitlich herausgezögert wurde. Dies liegt einerseits, wie im ursprünglichen Beispielsfall, darin begründet, dass sich nicht alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union an der Rom III-Verordnung beteiligen, andererseits, wie im abgewandelten Fall des französischen Ehemanns, an der Ausgestaltung der Anknüpfungsleiter des Art. 8 Rom III-VO, der hilfsweise auf die lex fori verweist. Diese beiden Unzulänglichkeiten der Verordnung sind aber überwindbar, einerseits durch Beitritt der verbliebenen Mitgliedstaaten, andererseits durch Wahl anderer, gerichtsortunabhängiger Hilfsanknüpfungen, wie beispielsweise der hier vorgeschlagenen engsten Verbindung oder des Eheschließungsortes. Würden diese beiden Maßnahmen realisiert, hätte dies zur Folge, dass ein Ehegatte zwar nach wie vor das Forum nach der Brüssel IIa-Verordnung, nicht mehr jedoch das anwendbare Recht „einkaufen“ könnte. Die Hoffnung, dass dies in naher oder fernerer Zukunft erreicht und umgesetzt werden kann, bleibt bestehen.

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Sachregister acquis communautaire 111, 261 Allgemeiner Teil des europäischen Kollisionsrechts 44 f., 49, 151, 287 f., 298, 300 f. Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen 6 f., 9 ff., 24, 128, 185 Anknüpfungsleiter 140, 149, 154, 186, 187 ff., 198 ff., 205 f., 215, 250, 253, 265, 280, 282, 292, 307 – aktueller gewöhnlicher Aufenthalt 187 – früherer gewöhnlicher Aufenthalt 188 – gemeinsame Staatsangehörigkeit 188 – lex fori 189 Anknüpfungszeitpunkt 190 f. Antrag auf Herstellung des ehelichen Lebens 96 f. Anwendungsbereich der Rom IIIVerordnung 28 ff. – räumlich 28 f. – persönlich 30 – sachlich 30 ff. – zeitlich 102 ff. Aufenthaltsprinzip 124, 192 ff., 253, 260, 265 ff., 277 f. Auslandsbezug 1, 15 f., 30, 97 ff., 144 Auslegungskompetenz des EuGH 49, 125 autonome Auslegung 32 f., 35 f., 79 f., 126 f. Beitritt zur Rom III-Verordnung 23, 29, 107, 262, 264 ff., 290 f. Binnenmarktklausel 16 Brüssel I-Verordnung 6 ff. Brüssel IIa-Verordnung 3, 6 ff., 28, 30, 32 f., 36 ff., 65, 91 ff., 104, 115, 127,

129 ff., 151, 161 ff., 166, 170, 185, 187, 190, 193, 203, 207, 231, 251, 253 f., 270, 276, 279, 281, 283, 287, 305, 307 Drittstaaten 16, 29 f., 47, 54, 93, 98, 108 ff., 121, 143 f., 153 f., 162, 195, 208, 211, 215, 221, 234, 269, 283 Ehebegriff 31 ff., 54 ff., 227 ff. – der Rom III-Verordnung 31 ff. – verfassungsrechtlicher 56, 59 ff. – kollisionsrechtlicher 31 f., 54 ff. Ehegüterrecht 11 f., 121, 151, 201 ff., 271, 292, 294, 297 Eheschließung 51 ff., 295 f. – Voraussetzungen 51 f., 78 – Form 52 – Mängel und Mängelfolgen 53 – Eheschließungsstatut 39, 50, 51 ff., 54, 57, 71, 77 ff., 95, 184, 204, 230, 293, 295 f. Ehewirkungsstatut 189, 293 ff., 297 Eingetragene Partnerschaften 60 ff., 75, 293, 295 Entscheidungseinklang 42 ff., 46 f., 79, 105, 114, 145, 205, 226 – international 42, 44, 79, 105, 205, 226 – intern 42 f., 46 f., 114 Erbrechtsverordnung 10 f., 120, 125, 148, 151, 160, 234 f., 236 f., 239, 291 f., 298 f. Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe 95 f. floating choice of law 168 ff. Form der Ehescheidung 82, 85, 244 f. forum necessitatis 231

324

Sachregister

forum shopping 3 f., 7, 17 f., 50, 79, 168 ff., 192, 197 ff., 257,280 ff., 305 f. Geltungsbeginn der Rom IIIVerordnung 3, 35, 102 ff., 116, 157, 172, 208, 241, 293 Gerichtsstandsvereinbarung 162, 167 f. Geschlechterdiskriminierung 209, 212 ff., 222 Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union 14 ff. gewöhnlicher Aufenthalt 124 ff., 164 ff., 187 ff., 192 ff., 277 f. – verordnungsautonome Begriffsbestimmung 126 f. – Gebot der funktionalen Begriffsdifferenzierung 127 ff. – Lehre vom Daseinsmittelpunkt 132 ff., 137 f. – doppelter gewöhnlicher Aufenthalt 135 ff. gleichgeschlechtliche Ehe 32, 58 ff., 88, 228 f., 230 ff., 260 Haager Unterhaltsprotokoll 9, 120, 160, 293 hinkende Ehe 57, 65, 69, 76 ff., 143, 162, 215, 248 Inkrafttreten der Rom III-Verordnung 102 f. Inlandsbezug 56 f., 72, 75, 210, 223 ff., 247, 252 innerstaatliche Kollisionen 239 f. internationale Zuständigkeit 2, 23, 131, 163 f., 166 f., 170, 185, 188, 210, 256 f., 281, 305 intertemporales Kollisionsrecht 103 f. Kodifikation des europäischen IPR 44, 51, 289, 298, 301 f. lex causae 40 ff., 174 f., 185 lex fori 39 ff., 166 ff., 189 ff., 198 ff., 201 ff. loi uniforme 29 f. Mehrrechtsstaaten 233 ff., 288

Minderjährigenehe 72 f. Motive der Nichtteilnahme 256 ff. nichtteilnehmende Mitgliedstaaten 255 ff. nichteheliche Lebensgemeinschaft 76 ordre public 52 f., 56 f., 68 f., 72 ff., 78 f., 85, 87, 176, 183 f., 209 ff., 245, 273, 288, 300 personelle Rechtsspaltung 239 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 15, 31, 34, 39, 46, 110 Privatscheidung 90 ff., 240 ff. – Vollzug im Inland 241 ff. – Scheidungsmonopol der Gerichte 241 ff. – Auslandsprivatscheidungen 246 ff. – Anpassung der Rom III-Verordnung 248 ff. polygame Ehe 54 ff., 68 ff., 79, 228, 230 Qualifikation 39, 46, 55 ff., 63 ff. 80, 83, 245 Rechtsnachfolge von Todes wegen siehe Erbrechtsverordnung rechtspolitische Ziele 3 f., 280 ff. Rechtswahl 158 ff., 253, 274 ff. – Gründe für die Zulassung 160 – Vor- und Nachteile 161 ff. – wählbare Rechtsordnungen 163 ff. – informierte Entscheidung der Ehegatten 169 f. – konkludente Rechtswahl 180 ff. – maßgeblicher Zeitpunkt 165 f. – notarielle Beurkundung 178 f. – Privatscheidung 183 f. – verfahrensrechtliche Aspekte 185 f. – Vorfragen 184 f. – vorsorgliche Wahl der lex fori 166 ff. – Zeitrahmen 171 f. – Zustandekommen und Wirksamkeit 173 ff. renvoi siehe Sachnormverweisung Rom 0-Verordnung 300 f.

Sachregister Rom I-Verordnung 8 ff., 21, 30, 44 f., 111, 118, 122, 130, 151, 176, 181 f., 234 f., 237, 255, 271 f., 298 Rom II-Verordnung 8 ff., 16, 111, 118, 122, 130, 151, 181, 234 f., 237, 271 Rom III-Anpassungsgesetz 115 ff. Sachnormverweisung 119 ff., 253 f., 268 f., 278 f. Scheidungsbegriff 79 ff. Scheidungsfeindlichkeit des berufenen Rechts 210 f. Scheidungsfeindlichkeit der lex fori 227 f. Scheidungsfolgen 9, 83 ff., 116, 285, 292 Scheidungsgründe und -voraussetzungen 2, 82, 211, 223 Scheidungsmonopol der Gerichte 117, 241 ff. Staatsangehörigkeit 141 ff. – mehrfache Staatsangehörigkeit 141 ff. – effektive Staatsangehörigkeit 146 ff., 152 ff. – Bevorzugung der inländischen Staatsangehörigkeit 142 ff., 152 ff. – Hadadi-Entscheidung 147 ff. – Inländerdiskriminierung 144 f. Staatsangehörigkeitsprinzip 124, 192, 195, 266 ff., 295, 299 Staatenlosigkeit 154 ff. – Übereinkommen über die Rechtstellung der Staatenlosen 155 ff. staatsvertragliche Kollisionsnormen 43 ff., 84, 105 ff., 145, 158 – Verhältnis zur Rom III-Verordnung 105 ff. – Außenkompetenz der Europäischen Union 110 ff. Statusverhältnis 7, 41, 65, 81, 93, 95, 185, 260, 304 Trennung ohne Auflösung des Ehebandes 86 ff. territoriale Rechtsspaltung 234 ff. Umfang des Scheidungsstatuts 81, 94

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Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung 88 f., 207 ff. Ungültigerklärung einer Ehe 8, 94 ff. universelle Anwendbarkeit 16, 29 f., 91 f., 153 Unterhaltsverordnung 9 f., 44 f., 120, 291 f., 298 Unterhaltsprotokoll siehe Haager Unterhaltsprotokoll Versorgungsausgleich 116 ff., 179 Verstärkte Zusammenarbeit 19 ff., 283 f., 290 f. – Voraussetzungen 20 ff. – Begründung 25 – Durchführung 25 f. – Beitritt 26 – Wirkungen 27 f. Verwandtenehe 73 f. Vorfragenanknüpfung 32 ff., 39 ff. Wandelbarkeit des Scheidungsstatuts 190 f. Wettlauf zu den Gerichten 3, 17, 168, 198, 203, 281, 305 f. Zwangsehe 74 f.