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German Pages 246 [251] Year 1979
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Inhalt
Einleitung 1 . Kapitel: § 1. § 2. § 3.
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Mathematik, Logik und Phänomenologie . Der psychologische Ursprung der arithmetischen Begriffe . Reine Logik und Psychologie . . . . . .. . Phänomenologische Erkenntnistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kapitel: Die methodische Grundlegung der Phänomenologie als Wissenschaft vom reinen bzw. transzendentalen Bewußtsein 56 § 1. Die phänomenologische oder transzendentale Epoche und Reduktion 56 § 2. Die »eidetische« Reduktion: Phänomenologie als Wesenswissen· schaft des Bewußtseins - Die Methode der Wesensforschung 74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 . Kapitel: Allgemeine Strukturen des Bewußtseins im phänomenologischen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 5 § 1 . Die Intentionalität . . ................................... 85 § 2. Das Zeitbewußtsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 . . .
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4. Kapitel: Wahrnehmung, Ding und Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Erscheinung als gemischte Repräsentation und als partielle Selbstgegebenheit des Dinges . . .. . . § 2. Das Erscheinungskontinuum und seine konstitutive Leistung § 3 . Die kinästhetische Motivation der Konstitution von Ding und . . . . . . . . Raum . . . . . . . . . . . . . . . .
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108 109 1 17 121
5. Kapitel: Phänomenologie der anschaulichen Vergegenwärtigungen 1 3 1 § 1 . Phantasie, Bildbewußtsein, Erinnerung . . ............ 131 § 2 . Fremderfahrung .. .. . . . . . 143 . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Kapitel: Urteil und Wahrheit . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 54 § 1 . Sprachlicher Ausdruck, Bedeutung und intentionales Bewußtsezn . . . . .. . 1 54 § 2. Wahres Urteilen, vernünftiges Denken und anschauliche Gegebenheit des Erkenntnisgegenstandes . . 1 66 . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI
Inhalt
7. Kapitel: Statische und genetische Konstitution
8 . Kapitel: Ich und Person
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181
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1 90
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9. Kapitel: Die Lebenswelt als Grundlagenproblem der objektiven Wis senschaften und als universales Wahrheits- und Seinsproblem 199 10. Kapitel: Erste und Zweite Philosophie (Transzendentale Phänomenologie und Metaphysik) 209 ........... . . ............................................
A nhang Daten zu Leben, Werk und Lehrtätigkeit
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217
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225
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229
Notiz zu Husserls Nachlaß Bibliographie Namenregister
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237
Sachregister . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . 239
Einleitung
Diese Darstellung von Edmund Busserls phänomenologischer Philosophie ver fährt entwicklungsgeschichtlich (chronologisch), gliedert sich aber auch nach systematischen Zusammenhängen, die im Fortgang seines Denkens deutlich her vortreten. Im Rückgang auf die Quellen, d. h. den Nachlaß und die edierten Werke, wird die Entfaltung seines Denkens nachgezeichnet. Im Vordergrund steht sein Werk und nicht dessen philosophiegeschichtliche Ursprünge oder sein Einfluß auf andere Denker. In allererster Annäherung an das sehr umfangreiche Gesamtwerk Busserls läßt sich eine Art Zweiteilung ausmachen. Chronologisch gesehen beginnt sie sich in den letzten Göttinger Jahren abzuzeichnen (um 1915-1917), deutlich faßbar wird sie aber erst in den ersten Jahren der Freiburger Lehrtätigkeit (um 1917-1921). In systematischer Hinsicht betrifft die Zweiteilung die konsequente Erweiterung des Forschungsprogrammes der phänomenologischen Philosophie um die Dimension einer genetisch-erklärenden neben der bis anhin verfolgten statisch-deskriptiven Phänomenologie. Grob gesprochen läßt sich diese Entwick lung wie folgt umreißen: In den frühen Phasen war Husserl zum einen vor nehmlich mit der phänomenologisch-deskriptiven A nalyse einzelner Erlebnis· arten und deren Korrelaten (Denk- und Erkenntniserlebnisse bzw. -gebilde) so wie der Beschreibung allgemeiner Bewußtseinsstrukturen, zum anderen mit der Grundlegung und Ausgestaltung der zugehörigen Methodik (phänomenologi sche Reflexion, Reduktion und Eidetik) beschäftigt. Später trat, neben weite ren Verfeinerungen und teils wesentlichen Ergänzungen zu jenen Problem bereichen, immer mehr der Versuch in den Vordergrund, die konkrete Verein· heitlichung des Erlebens im personalen Ich bzw. in der transzendentalen Ich- oder Monadengemeinschaft sowie in der Konstitution der korrelativen Umwelten und der einen, allen gemeinsamen wett phänomenologisch-genetisch aufzuklären. Unsere Darstellung spiegelt die systematischen Zusammenhänge dieses Denk weges in einzelnen Kapiteln wider. Es ergab sich dabei auch eine Relativierung im Setzen von Schwerpunkten bei den Quellen. Große Teile von Busserls ei genen Publikationen (vorab die Logischen Untersuchungen, 1900/1901, die Ideen, 1913, und die Formale und transzendentale Logik, 1929) erscheinen nämlich so zusagen als bloß momentane Ruhephasen oder >>Kondensierungen>in Trance>FestgehalteneS>Psychologismusstatischen Phä nomenologie« erläutert, was Husserl unter einer versteht, deren Idee er vor
»genetischen Phänomenologie« allem in den Jahren 1917-1921 entworfen hat. Die
statische Phänomenologie bzw. Konstitutionsanalyse hat eine feste »Ontolo gie« zum Leitfaden, und sie hat es mit Erlebnissen zu tun. Bezüglich der »gene tischen Phänomenologie« wird zuerst nachgewiesen, daß Husserl schon vor dem eigentlichen Durchbruch der Idee der genetischen Phänomenologie in drei Sach bereichen(konstitutive Phänomenologie vs. Ontologie; konstitutive Systeme als
8
Einleitung
Stufenbau; Zeitbewußtsein) gelegentlich den Terminus > genetisch < gebraucht. Als Grundeinsicht zur Kennzeichnung der Idee der eigentlich genetischen Phä nomenologie wird dann zur Geltung gebracht, daß Husserl nicht mehr, wie noch in den Ideen (1913), vom Ich als leerem Identitätspol spricht, sondern ei nen Begriff des Ich entwickelt, das Vermögen, Stellungnahmen, Überzeugun gen etc. hat und dem die Welt als Horizont des > Ich kann < vorgegeben ist. Aufgabe der genetischen Phänomenologie wird es, der Geschichte des Ich nach zugehen, nach dem Ursprung der Konstitutionssysteme und der darin konsti tuierten Gegenstände selbst zu fragen. Näher werden dann die von Husserl unterschiedenen zwei Grundformen der aktiven und passiven Genesis skizziert. Bezüglich der passiven Genesis wird deren universales Prinzip der Assoziation nach zwei Hauptformen erläutert. Husserls Idee der genetischen Phänomeno logie zieht auch die Lehre von der Selbstkonstitution des Ich als bestimmte Per sönlichkeit nach sich sowie die Aufgabe, die Genesis der konkreten Monade in ihrer Vergemeinschaftung mit anderen Monaden aufzuklären. Am Schluß des Kapitels wird auf Husserls Verständnis seiner Philosophie als transzenden talem Idealismus in Verbindung mit der Idee der Genesis aufmerksam gemacht. Im Kapitel 8 kommen die soeben bei der Kennzeichnung der Idee der geneti schen Phänomenologie gegenübergestellten Begriffe des reinen und des persona len Ich ausführlicher zur Sprache. > Reines Ich < und > personales Ich < bilden zwei Aspekte einer einheitlichen Problematik, die erst nach den Logischen Untersu chungen, dann aber in zunehmendem Maße von Bedeutung wurde. Zwei ganz verschiedene Zusammenhänge der statischen Erlebnisanalyse motivierten Hus serl, das zunächst als Fiktion verworfene reine Ich mit in Betracht zu ziehen. Es ergibt sich daraus im Gesamtwerk eine Zweideutigkeit im Begriff des reinen Ich. Einerseits kam Husserl kurz vor den Ideen (1913) dazu, das reine Ich als Prinzip der Einheit eines Bewußtseinsstromes in Abgrenzung gegen andere Be wußtseinsströme einzuführen. Angedeutet wird, wie sich dieser intersubjekti ve Problembestand auch im späteren Werk immer wieder findet. Andererseits führte Husserl, ebenfalls kurz vor den Ideen, den Begriff des reinen Ich zur Bestimmung des Bewußtseinsaktes im prägnanten Sinn des cogito ein. Dies ge schah in Verknüpfung mit dem Phänomen des Aufmerkens. Im späteren Werk brachte Husserl in Entsprechung zum reinen Ich als Ausstrahlungszentrum der intentionalen Erlebnisse dann auch den Gedanken vom Ich als Pol der Affek tion, als Einstrahlungszentrum, in Ansatz. Husserls Konzeption des personalen Ich steht engstens mit der Hinwendung zu einem genetischen Verständnis der Konstitutionsproblematik in Zusammenhang. In der Freiburger Zeit gelangte Husserl durch die Thematisierung der Beziehung zwischen personalem Ich und Umwelt zu einer an Kant anknüpfenden Theorie der transzendentalen Subjek tivität und Intersubjektivität in Korrelation zur objektiven Welt der Erfahrung.
Einleitung
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Mit einem Hinweis auf Husserls Bestimmung des Zusammenhanges zwischen dem reinen und dem personalen Ich schließt das Kapitel. Das Kapitel 9 ist der Darstellung von Husserls Lehre von der Lebenswelt ge widmet. Nach einer Vorbemerkung zu Husserls Gebrauch des Wortes > Lebens welt < (§ 1) wird die Thematik nach drei Hinsichten näher erläutert. In einem ersten Schritt wird die Lebenswelt als Grundlagenproblem der objektiven Wis senschaften diskutiert (§ 2). Erst in den zwanziger Jahren trat in Husserls wis senschaftstheoretischen Erörterungen gegenüber seiner früheren Orientierung an den einzelnen Wissenschaften die Frage nach deren Einheit und prinzipiel len Gliederung in den Vordergrund. Diese neue Frage stellte sich Husserl ins besondere mit Bezug auf die Einheit und innere Struktur der Welt, auf die sich die Einzelwissenschaften beziehen. Diese vereinheitlichende Fragestellung steht mit dem Ideal einer universalen, philosophisch letztbegründeten Wissen schaft in Zusammenhang. Die Motivation zur Entfaltung der Problematik des >>natürlichen Weltbegriffs>Lebenswelt>Etwas-überhaupt« aufeinander be zieht und synthetisch vereinheitlicht. In die Terminologie der Logischen Unter suchungen übersetzt heißt dies nichts anderes, als daß kategoriale Gegenstände nicht in sinnlicher Anschauung, sondern nur in einem Akte kategorialer Tä tigkeit gegeben sind bzw. sich konstituieren (vgl. unten S. 169-171).6 Ein problematischer Teil in Husserls Ausführungen zum psychologischen Ursprung des Zahlbegriffs bleibt jedoch die der Reflexion zugeschriebene Funktion. Husserl behauptet, der Begriff der Zahl als bestimmte Vielheit er gebe sich aus der Reflexion auf den Akt des Kolligierens. Der Begriff der Zahl leite sich nämlich vom Begriff der kollektiven Verbindung her; die kollek tive Verbindung der Elemente sei ein unterscheidendes Merkmal von allen konkreten Inbegriffen; dieses Merkmal könne durch abstraktive Aufmerksam keit jedem konkreten Inbegriff entnommen werden; diese abstraktive Aufmerk samkeit sei notwendig mit Reflexion verbunden, denn die kollektive Verbin dung entstehe im psychischen Akt des Kolligierens. Eine erste Schwierigkeit ergibt sich bereits aus der Bestimmung der Tätigkeit der kollektiven Eini gung, auf die zur Gewinnung der Begriffe kollektive Verbindung und Vielheit zu reflektieren sei (S. 330, 333 ff.). Der Akt des Kolligierens besteht darin, in zeitlicher Sukzession und logisch bestimmter Ordnung diskrete Inhalte für sich zu bemerken und zugleich in einer sie umfassenden Einheit zusammen zufassen (S. 337). Genauer besehen richtet sich der Akt des Kolligierens auf bewußtseinsmäßig gegebene Inhalte, er ist also ein >>psychischer Akt zweiter Ord nung>höherer OrdnungAkt des zusammenfassenden Interesses und BemerkensAllgemeinbegriffs der Vielheitkollektive Verbindungeine besondere Reflexion>kollektive Verbindung>diese Einigung bemerkt>kol lektive VerbindungNatürlich meine ich hier nicht Abstraktion in dem bloßen Sinne der Hervorhebung irgendeines unselbständi gen Moments an einem sinnlichen Objekte, sondern die ideierende Abstrak tion, in welcher statt des unselbständigen Moments seine > Idee seit Locke allgemein verbreiteten, aber grundirrigen Lehre, daß . . . die logischen Kategorien, wie . . . Einheit . . . , Anzahl . . . durch Reflexion auf gewisse psychische Akte, also im Gebiete des inneren Sinnes, der > inneren Wahrnehmung< entspringen.>kollektive Verbindung überhaupt>Etwas>Dadurch, daß man Subjektives und Objektives unter dem Worte > Vorstellung< zusammenfaßt, verwischt man die Grenze zwischen beiden . . . So erscheint . . . der Inbegriff (die Menge, Vielheit) bald als Vorstellung . . . , bald als Objektives . . . >wird alles Vorstellung>Psycholo gismus« aus. Freges Kritik geht jedoch zu weit, und die sich darauf stützenden Busserl-Interpreten gehen meist ganz fehl. Zwar wird die Beziehung zwischen der objektiv-logischen kollektiven Verbindung und dem Akt des Kolligierens bei Husserl nicht deutlich genug herausgearbeitet, jedoch wird die kollektive Verbindung nicht als psychischer Akt bezeichnet. Nur einem oberflächlichen Leser kann entgehen, daß in Husserls Bezeichnung der kollektiven Verbindung als >>psychische Verbindung« der Terminus >>psychisch« nicht im Gegensatz zu »objektiv«, »logisch« oder >>ideal« gebraucht wird, sondern im Gegensatz zu >>phy sisch«. Eine >>psychische« Relation ist in dieser sich an Brentano anlehnenden Terminologie im Gegensatz zu der >>physischen« Relation eine Verbindung, die nicht in der inhaltlichen Bestimmung der verbundenen Glieder fundiert ist (S. 329 ff.). Was nun die Begriffe Etwas und kollektive Verbindung angeht, so be hauptet Husserl zwar, daß es zu ihrer Bildung der Reflexion auf psychische Tä tigkeiten bedarf. Aber dadurch wird der >>Formbegriff oder Kategorie« (S. 84) der kollektiven Verbindung doch nicht eo ipso schon mit dem ihm als Abstrak tionsfundament dienenden >>psychischen Akt zweiter Ordnung« identifiziert. Gleichermaßen bedeutet auch Husserls schwankende Bestimmung des Abstrak tionsfundamentes für den Begriff Etwas doch keineswegs, daß er den Gegenstand bei allen calculatorischen Disciplinen, die schwierigen Fragen nach Wesen und logischer Berechti gung der rechnenden Methode, zumal von der Beantwortung derselben allererst der Erkenntnis wert der Resultate dieser Disciplinen abhängig ist . . . Aber die Logik dieses algebraischen [Logik-] Calculs fällt nicht in den Gesichtskreis der ihn für deduktive Logik haltenden Forscher, zumal ja die Geistesoperationen, auf denen er beruht, selbst nicht in jenes Gebiet reiner Folgerungen gehö ren, welches er ausschließlich beherrscht. Der Logikcalcul ist also ein Calcul der reinen Folgerun gen, nicht aber ihre Logik.>erkenntnistheoretischen ErforschungEinsDer Begriff 50 ist uns gegeben durch die Bildung 49 + 1. Was ist aber 49? 48 + 1. Was 48 ? 47 + 1 usw. Jede Antwort bedeutet eine Zurückschiebung der Frage um einen neuen Schritt, und erst wenn wir in das Gebiet der eigentlichen Zahlbegriffe [ 1 1 2] gekommen sind, kön nen wir befriedigt stehen bleiben.>das jeder be stimmten Zahl ein bequemes, leicht unterscheidbares Zeichen verleiht und zu gleich ihre systematische Stelle in der Zahlenreihe scharf ausprägt>1 >2>5>Prole gomena zur reinen Logik>höchster DignitätBegründung>Wissen schaftslehrePsychologismusreinen Psychologie einer allgemeinen Theorie der formalen deduktiven SystemeBerechtigung>Logik als Methodologie, als Kunstlehre des wissenschaftlichen Er kennens . . . natürlich unangetastet bleibt.>Ein Urteil soll nur bei voller Einsicht in den beurteilten Sachverhalt gefällt werden!>Wenn unklar und zweifelhaft geworden ist, wie Triftigkeit der Erkenntnis möglich sei, und wenn wir geneigt werden zu zweifeln, ob dergleichen möglich sei, müssen wir zunächst zweifellose Fälle von Erkenntnissen oder möglichen Erkenntnissen im Auge haben, die ihre Erkenntnisgegenstände wirklich treffen, bzw. treffen würden . . . . Da bietet uns einen Anfang die Cartesianische Zweifelsbetrachtung: . . . die cogitationes sind die ersten absoluten Gegebenheiten.>mythische Begriffsbildung>transzen dental-subjektiven > Vermögen Funktionen Formungen «>Ich der transzendentalen Apperzeption>Ding an sich>konstruktive Be11
Zu Husserls Lehre von der formalen und den materialen Ontologien und der letztlich alles fundierenden Ontologie der Lebenswelt vgl. Kapitel 1, § 2, S. 41 ff. und Kapitel 9. " Vgl. etwa Hu XIII, Nr. 6, 1910/ 1 1 , S. 1 80, 1 82. 23 Hu XIII, Nr. 6, §§ 36 ff. ; Hu VIII, Beilage XX.
§ 1 . Phänomenologische Epoche und Reduktion
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griffe>Von der WolfEschen Ontologie kommend . . . auch in der Transzendentalphilosophie immer wesent· lieh ontologisch gerichtet>die systematische Durchführung eines kor relativen konkret anschaulichen Studiums der leistenden Subjektivität und ihrer Bewußtseinsfunktionen . . . für die Erledigung seiner Problematik für entbehr lich Erkenne dich selbst ! < , aus dem, wie sich immer deutlicher zeigt, die gesamte Philosophie entquillt« (Hu VIII, S. 1 2 1 ; vgl. S. 1 66 f.) Den spekulativen Philosophien des Deutschen Idealismus stand Husserl stets, auch in seinen Frei burger Jahren, im Grunde fremd gegenüber. In einer von vornherein nicht vorhersehbaren Radikalität und Konsequenz gewann bzw. erneuerte Husserl die in seinem Verständnis bei Sokrates-Platon gestiftete »Idee der Philosophie als absoluter Erkenntnis«, als Episteme gegenüber bloßer Doxa. Diese Episteme als wahre Idee der Rationalität der von Husserl oft beschworenen griechischen Urstiftung der europäischen Philosophie ver band sich bei ihm ganz wesentlich mit der Selbsterkenntnis. »Vielleicht, daß es im strengsten Verstande wahr ist, daß Selbsterkenntnis, aber dann nur radikal reine oder transzendentale Selbsterkenntnis, die einzige Quelle aller im letzten und höchsten Sinn echten, befriedigenden wissenschaftlichen Erkenntnis, der philosophischen, ist, die ein > philosophisches < Leben möglich macht. Dann wäre also Philosophie selbst nur systematische Selbstentfaltung der transzendentalen Subjektivität in Form systematischer transzendentaler Selbsttheoretisierung auf dem Grunde der transzendentalen Selbsterfahrung und ihrer Derivate« (Hu VIII, S. 1 67; vgl. auch S. 5). Das im Kontext, dem das Zitat entstammt, >>rhetorisch« Vorgetragene war durchaus Husserls Meinung. >>Aber das Ziel ist fern, der Weg
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2. Kapitel. Methodische Grundlegung der Phänomenologie
ist mühselig und muß erst gebahnt werden. Ohne Leitgedanken kann man nicht suchen. Aber die Wege, die sie bereitenden Theorien, müssen Schritt für Schritt erarbeitet werden>eine IdeeWesentliche theo retische Fundamente in eidetischen Ontologien« (Ideen I, § 9). Von besonderer Bedeutung ist das Verhältnis der >>A nwendung« apriorischer Erkenntnis auf das Faktische, das von den Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Tatsache und Wesen bzw. Tatsachen- und Wesenswissenschaften her verständ lich zu machen ist. 46 Es läßt sich nach Husserl >>die Idee einer vollkommen ra tionalisierten Erfahrungswissenschaft« (Ideen I, § 9) bilden, die auf folgenden Ü berlegungen beruht: Die eidetische Allgemeinheit läßt sich zu vorkommen den Wirklichkeiten in Beziehung setzen, weil jede wirklich vorkommende Ge genständlichkeit zugleich eine im reinen Sinne mögliche ist, die sich als Exempel, als Fall reiner Möglichkeit, ansehen und in eine Variante verwandeln läßt (EU, § 90, S. 426). Das oben (S. 77) besprochene Verhältnis der Wesensnotwendigkeit im Falle eidetischer Besonderung >>gilt dann mit für alles Faktische«. Wir kön nen nämlich sehen, daß alles, was zum reinen Eidos unabtrennbar gehört, auch zu jedem entsprechenden faktischen Vorkommnis gehören muß (EU, § 90; Ideen I, § 6; Ideen III, § 8 , S. 40 f.). Die Rationalisierung des Faktischen geschieht also auf dem Wege der Beur teilung der faktischen Wirklichkeiten nach den Gesetzen ihrer reinen Möglich keiten, d.i. den apriorischen Bedingungen möglicher Erfahrung (Ms. K VI 4, S. 5; EU, § 90). Es ist deutlich, daß eine solche Rationalisierung ihrem eigenen Sinne gemäß natürlich nicht dazu berufen und imstande ist, die entsprechende erfahrungswissenschaftliche Erkenntnis etwa selbst zu leisten und schließlich sozusagen überflüssig zu machen. Die realen Bedingungen der Möglichkeit wer den stets nach den Methoden der Erfahrungswissenschaften zu bestimmen sein (vgl. Ideen III, S. 39 f. ; Ms. F I 1 7). Husserl glaubt aber, daß eine Erfahrungswis senschaft, in der eine Rationalisierung ihres regionalen Gebietes, sei es auch nur teilweise, verwirklicht ist, als Wissenschaft >>auf eine neue Stufe erhoben« wird und daß die Konstitution der eidetischen Disziplin >>einen entscheiden den Fortschritt der entsprechenden Erfahrungswissenschaft bedeuten muß« (Ideen III, S. 43). Einen solchen Fall sieht Husserl in der physischen Naturwissenschaft im 45 Vgl. z. B. Ideen I, § 8; Ideen III, § 7; Ms. K VI 4, S. 6 f. - Siehe auch oben Kapitel 1 , S. 46 ff. 46 47
Vgl. hierzu auch unten Kapitel 10. Vgl. Ideen I, § 9; Ideen III, S. 43; Krisis, § 9.
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2 . Kapitel. Methodische Grundlegung der Phänomenologie
17. Jahrhundert angebahnt, als durch die Anwendung der >>als reine Eidetik hoch ausgebildeten Geometrie