E-Learning: Digitale Lehr- und Lernangebote in Zeiten von Smart Devices und Online-Lehre [5., aktual. Aufl.] 9783110754728, 9783110754650

E-learning and online learning have gained in significance in recent years, not least due to the growth of home schoolin

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German Pages 342 Year 2022

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einleitung
1 Ein kurzer historischer Rückblick auf die langen evolutionären – und die kurzen revolutionären – Entwicklungsphasen des eLearning
2 Universität Hamburg: eLearning an der Fakultät für Rechtswissenschaft
3 Hochschule Furtwangen: Digitale Beteiligungsformen in Präsenz- und Online-Lehre
4 Hochschule Macromedia: Konzeption von Lehreund Qualifikation von Lehrenden unter der Maßgabe digitaler Transformation
5 FernUniversität in Hagen: Praktiken forschenden Lernens
6 Pädagogische Hochschule Zürich: Multimediale Formen von Feedback
7 FH Joanneum: Online-Didaktik
8 Erfahrungen von Studentinnen und Studenten mit drei Semestern digitaler Lehre
9 Praxisbeispiel: Know How! AG
10 Praxisbeispiel: Product Owner Training
11 Praxisbeispiel: Corporate Learning Community
12 Praxisbeispiel: EY Deutschland
13 Praxisbeispiel: Endress+Hauser
14 Praxisbeispiel: WWK Versicherung
Stichwortverzeichnis
Autorenverzeichnis
Recommend Papers

E-Learning: Digitale Lehr- und Lernangebote in Zeiten von Smart Devices und Online-Lehre [5., aktual. Aufl.]
 9783110754728, 9783110754650

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Ullrich Dittler (Hrsg.) E-Learning

Weitere empfehlenswerte Titel IT für soziale Inklusion Digitalisierung – Künstliche Intelligenz – Zukunft für alle Herausgegeben von Aljoscha Burchardt, Hans Uszkoreit, 2018 ISBN 978-3-11-055883-8, e-ISBN 978-3-11-056137-1

Personalized Human-Computer Interaction Herausgegeben von Mirjam Augstein, Eelco Herder, Wolfgang Wörndl, 2019 ISBN 978-3-11-055247-8, e-ISBN 978-3-11-055248-5

Mediendidaktik Konzeption und Entwicklung digitaler Lernangebote Michael Kerres, 2018 ISBN 978-3-11-045682-0, e-ISBN 978-3-11-045683-7

Hochschule auf Abstand Ein multiperspektivischer Zugang zur digitalen Lehre Herausgegeben von Iris Neiske, Judith Osthushenrich, Niclas Schaper, Ulrike Trier, Nerea Vöing, 2021 e-ISBN 978-3-8394-5690-3

E-Learning |

Digitale Lehr- und Lernangebote in Zeiten von Smart Devices und Online-Lehre Herausgegeben von Ullrich Dittler (Hrsg.) 5. aktualisierte Auflage

Herausgeber Prof. Dr. Ullrich Dittler Hochschule Furtwangen Fakultät Digitale Medien Robert-Gerwig-Platz 1 78120 Furtwangen Im Schwarzwald Deutschland [email protected]

ISBN 978-3-11-075465-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-075472-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-075475-9 Library of Congress Control Number: 2022930265 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverabbildung: Westend61 / Getty Images Satz: VTeX UAB, Lithuania Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort eLearning ist bereits seit mehreren Jahrzehnten im Bildungsangebot sowohl von Hochschulen als auch im Angebot der betrieblichen und außerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung etabliert. Während eLearning dennoch über viele Jahre nur eine untergeordnete Rolle spielte, hat die Bedeutung von elektronischen Lehr- und Lernformen in den letzten Jahren massiv zugenommen: Die schnelle und flächendeckende Akzeptanz von Smart Devices (vor allem Smartphones und Tablet-PCs) erwiesen sich dabei ebenso als Treiber dieser Entwicklung wie die Covid-19-Pandemie. Diese Entwicklungen begleiteten die vielfältigen Digitalisierungsimpulse und ermöglichten nicht nur die Entwicklung neuer digitaler Bildungsangebote, sondern sorgten parallel auch für eine Zunahme der Medien- und der Selbstlernkompetenz bei den Nutzerinnen und Nutzern – was wiederum neue Angebote ermöglichte und die Zugangsschwelle zu digitalen Bildungsangeboten deutlich senkte. Ziel der Neuauflage des Buches ist es daher aufzuzeigen, wie verschiedene Bildungsanbieter – Hochschulen ebenso wie private Bildungsanbieter – auf diese vielfältigen Entwicklungen der letzten Jahre reagierten und ihre Bildungsangebote an die erweiterten technischen Möglichkeiten sowie an die zunehmende Medien- und Nutzungskompetenz der unterschiedlichen Zielgruppen anpassten: – Inwieweit veränderten sich das Bildungsangebot und einzelne Lehr- und Lernformen durch die digitalen Möglichkeiten? Welche Rolle spielen heute digitale Lehrund Lernformen sowie digitale Bildungsangebote im hochschulischen Studienangebot und im Bereich der betrieblichen und außerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung? – Welche herausragenden und exemplarischen Best-Practice-Beispiele, die sich in der Online-Lehre der letzten Corona-geprägten Jahre bewährt haben, könnten interessant auch für andere betriebliche Bildungsanbieter und auch für Hochschulen sein? – Inwieweit verändern die Digitalisierungsimpulse der letzten Jahre die Didaktik des mediengestützten Lernens dauerhaft? – Und nicht zuletzt: Wie gehen die Lernenden, also beispielsweise Studierende, mit den neuen Anforderungen und neuen Angeboten um? Kommen sie damit zurecht und resultiert daraus eine neue und andere Erwartungshaltung der nachwachsenden Generationen an Bildungsangebote, deren technische Unterstützung/Begleitung und die Weiterbildungsdidaktik? Dieses Buch soll zum einen dokumentieren und aufzeigen, wie Hochschulen und Bildungsanbieter aus dem betrieblichen Kontext die erweiterten technischen Möglichkeiten der digitalen Wissensvermittlung aufgreifen. Zum anderen soll es Überlegungen und Visionen zusammenführen, wie die durch die Digitalisierungsimpulse ausgelösten Entwicklungen dauerhaft die Lehre an Hochschulen und die Bildungsangebote im Bereich der Aus- und Weiterbildung verändern können. Es sollen dabei behttps://doi.org/10.1515/9783110754728-201

VI | Vorwort wusst vielfältige und unterschiedliche Blickwinkel in den einzelnen Beiträgen vertreten sein, aus denen heraus die skizzierten Fragen betrachtet werden. Ebenso wie die aktuellen Trends des eLearnings auf technischen Vorgängern und Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte beruhen, basiert auch diese 5. Auflage des Buches auf vier vorangegangenen Publikationen, die jeweils die aktuelle Situation und Bedeutung von eLearning zum Zeitpunkt des Erscheinens dokumentiert haben: Mitte der 90er Jahre gewannen elektronische Lehr- und Lernformen auch im deutschsprachigen Raum zunehmend an Bedeutung. Das im Jahre 2002 im Oldenbourg Verlag veröffentlichte Buch E-Learning: Einsatzkonzepte und Erfolgsfaktoren des Lernens mit interaktiven Medien dokumentierte den Einsatz von eLearning an zahlreichen Praxisbeispielen aus der betrieblichen Aus- und Weiterbildung: Programme zur Vermittlung von Hardskills wurden ebenso thematisiert wie die seinerzeit aktuellen Ansätze zur Softskill-Vermittlung mittels Computer-Based-Trainings (CBT). Die große Aufmerksamkeit, die dem Buch zuteilwurde, sowie die rasanten Entwicklungen im Bereich des elektronischen Lehrens und Lernens zu Beginn des neuen Jahrtausends bedingten gemeinsam, dass schon im Jahr 2003 eine überarbeitete und deutlich erweiterte 2. Auflage des Buches erscheinen konnte: Wiederum stand der eLearning-Einsatz in der Aus- und Weiterbildung im Mittelpunkt des Buches. WebBased-Trainings (WBT) und Lernplattformen waren für zahlreiche größere Firmen damals die Produkte der Wahl, wenn es darum ging, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern computerunterstützt berufsrelevantes Wissen zu vermitteln. Zahlreiche neue in das Buch aufgenommene Best-Practice-Beispiele zeigten die Möglichkeiten auf, die Anfang des Jahrtausends mit dem Einsatz von eLearning verbunden waren. 2011 erschien die 3. Auflage des Herausgeberwerkes. Der Titel E-Learning: Einsatzkonzepte und Erfolgsfaktoren des Lernens mit interaktiven Medien war zwar unverändert, inhaltlich war das Buch jedoch neu ausgerichtet: Seit rund 2005 erlangten unter dem Stichwort „Web 2.0“ die neuen Formen des user-generated Content zunehmend an Bedeutung und die sich allerorts entwickelnden Blogs, Wikis und Podcasts wurden auch auf ihre Verwendbarkeit im Kontext von eLearning hin untersucht. Aber nicht nur die neuen technischen Formen des eLearnings fanden Einzug in die neue Auflage des Buches, vielmehr wurde auch die zunehmend von elektronischen Lehr- und Lernformen durchdrungene Hochschullehre als Einsatzfeld – neben der betrieblichen Aus- und Weiterbildung – betrachtet. Mit den massiv an Bedeutung gewinnenden Sozialen Netzwerken, mit der Verbreitung mobiler Devices wie Smartphones und Tablet-PCs sowie der damit einhergehenden ubiquitären und jederzeitigen Nutzung des Internets haben sich innerhalb kürzester Zeit neue Formen der Kommunikation und des Lernens im privaten, im hochschulischen und auch im Umfeld der betrieblichen Aus- und Weiterbildung etabliert. Diese Möglichkeiten und die Digitalisierung verschiedener Arbeits- und Lebensbereiche haben auch zu neuen Formen der industriellen Produktion von Gütern geführt, die mit dem Begriff „Industrie 4.0“ beschrieben wurden; die neuen technischen Formen des elektronischen Lehrens und Lernens wurden parallel hierzu konsequenterweise als

Vorwort | VII

„eLearning 4.0“ bezeichnet. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erschien 2017 die 4. Auflage des Buches unter dem erweiterten Titel E-Learning 4.0: Mobile Learning, Lernen mit Smart Devices und Lernen in Sozialen Netzwerken. Da auch die Verlagslandschaft in Deutschland sich in den vergangenen Jahren neu aufstellte, erschien diese 4. Auflage im de Gruyter Verlag, zu dem der Oldenbourg Verlag inzwischen gehört. Die eingangs skizzierten Entwicklungen, die Allgegenwart von SmartDevices im privaten und beruflichen Kontext, die Corona-Pandemie und der damit einhergehende Impuls für die Digitalisierung von Bildungsangeboten auf allen Bildungsstufen, für alle Inhalte und alle Zielgruppen sowie die damit verbundene zunehmende Medienund Selbstlernkompetenz machen die nun vorliegende 5. Auflage des Buches möglich und notwendig. Auch die größten Verfechter von eLearning hätten vermutlich nicht zu hoffen gewagt, was im März 2020 Realität wurde: Innerhalb weniger Wochen wurden weltweit (nahezu) alle Bildungsangebote in elektronische Vermittlungs- und Kommunikationsformen überführt, da Präsenzveranstaltungen pandemiebedingt nicht mehr möglich waren. Bedingt durch die Covid-19-Pandemie gab es so innerhalb der ersten zwei Jahre des neuen Jahrzehnts größere Entwicklungen im Bereich eLearning als in den 20 Jahren zuvor. Diese Entwicklungen zu dokumentieren und die Auswirkungen auf aktuelle und zukünftige Bildungsangebote aufzuzeigen ist das Ziel dieser komplett überarbeiteten und aktualisierten 5. Auflage. Dieses Buch richtet sich an Leserinnen und Leser, die an Fragen der Konzeption, Realisierung und Implementierung von zeitgemäßen elektronischen Lehr- und Lernformen im hochschulischen und im betrieblichen Umfeld interessiert sind: Für die Entwicklung und Einführung eigener eLearning-Maßnahmen liefern neben den Hintergrundinformationen auch die zahlreichen Best-Practice-Beispiele und Projektberichte Denkanstöße zu grundlegenden Überlegungen. Ziel ist es, die einzelnen Beiträge so zu gestalten, dass sie jeweils auch aus dem Zusammenhang dieses Buches genommen werden können und den Leserinnen und Lesern Anregungen für die Entwicklung und Einführung eigener eLearning-Maßnahmen bieten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre! Furtwangen im Schwarzwald, im März 2022

Prof. Dr. Ullrich Dittler

Inhalt Vorwort | V Einleitung | XI Ullrich Dittler 1 Ein kurzer historischer Rückblick auf die langen evolutionären – und die kurzen revolutionären – Entwicklungsphasen des eLearning | 1 Daniela Schröder, Hannah Ofterdinger & Milan Kuhli 2 Universität Hamburg: eLearning an der Fakultät für Rechtswissenschaft | 69 Sandra Hübner & Satjawan Walter 3 Hochschule Furtwangen: Digitale Beteiligungsformen in Präsenz- und Online-Lehre | 81 Andreas Hebbel-Seeger & Annette Strauß 4 Hochschule Macromedia: Konzeption von Lehreund Qualifikation von Lehrenden unter der Maßgabe digitaler Transformation | 101 Jennifer Grüntjens, Sabrina Schaper & Sandra Hofhues 5 FernUniversität in Hagen: Praktiken forschenden Lernens | 119 Dominic Hassler 6 Pädagogische Hochschule Zürich: Multimediale Formen von Feedback | 143 Jutta Pauschenwein & Gert Lyon 7 FH Joanneum: Online-Didaktik | 159 Christian Kreidl & Ullrich Dittler 8 Erfahrungen von Studentinnen und Studenten mit drei Semestern digitaler Lehre | 173 Annette Bosch 9 Praxisbeispiel: Know How! AG | 201 Marina Lang 10 Praxisbeispiel: Product Owner Training | 233

X | Inhalt Jochen Robes 11 Praxisbeispiel: Corporate Learning Community | 251 Oliver Lorenz & Stefan Krüger 12 Praxisbeispiel: EY Deutschland | 269 Michelle Rowbotham & Stephanie Walther 13 Praxisbeispiel: Endress+Hauser | 283 Stephan Delles 14 Praxisbeispiel: WWK Versicherung | 305 Stichwortverzeichnis | 313 Autorenverzeichnis | 319

Einleitung Als Mitte der 90er Jahre elektronische Lehr- und Lernformen – damals meist in Form von Disketten-basierten Computer-Based-Trainings (CBT) – in Großunternehmen Einzug hielten, wurde vielerorts von einer Revolution im Bildungswesen gesprochen. Aus heutiger Sicht stellt sich die Einführung der damaligen CBTs im Rahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung weniger als revolutionäre, vielmehr als evolutionäre Entwicklung dar, da die Prozesse des Lernens nahezu unverändert blieben und nur ein neues, buntes und ansatzweise interaktives Medium zur Inhaltspräsentation verwendet wurde (dies spiegelt auch der damals übliche Terminus des „computerunterstützten Unterrichts“ [CUU] wider). Die revolutionären Änderungen, die mit eLearning einhergingen, folgten ein paar Jahre später, als webbasierte Lernformen, neben der interaktiven Inhaltspräsentation, auch die vernetzte Kommunikation mit anderen Lernenden und den ubiquitären und jederzeitigen Zugriff auf Lerninhalte sowie Lernpartnerinnen und Lernpartner ermöglichten. Nicht in der neuen, bunten und interaktiven Inhaltsaufbereitung der 90er Jahre liegen die massiven Änderungen begründet, die eLearning in Hochschulen und in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung initiierten, sondern in der jederzeitigen Verfügbarkeit des Netzes aus Inhalten und Lernpartnerinnen und -partnern: Erst der enorme Bedeutungsgewinn Sozialer Netzwerke, die Verfügbarkeit von Smart Devices, die das Internet quasi in die Hosen- bzw. Jackentasche steckten, und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten des Mobile Learnings und des Smart Social Learnings führten zu einer revolutionären Veränderung des Lehrens und Lernens. Die Auswirkungen dieser Revolution für Bildungsinstitutionen wie Schule und Hochschule, aber auch für die betriebliche Aus- und Weiterbildung, wurden Mitte der 2010er Jahre zunehmend sichtbar. Die jungen Generationen verfügen über eine deutlich andere Mediennutzungserfahrungen (und damit auch Medienkompetenz) als die vorangegangenen Generationen. Sie verfügen zudem über eine andere technische Ausstattung und durch ihre andersartigen Medienbiografien auch über andere Erwartungen, mit denen sie heute Bildungsinstitutionen und -angeboten begegnen. Während diese erste Veränderungswelle vor allem durch die technische jederzeitige Verfügbarkeit des Internets getragen wurde, stieß die Corona-Pandemie vor dem Hintergrund der flächendeckenden Verbreitung von Smart Devices 2020 eine zweite massive Veränderungswelle an: Bildungsangebote in Schulen und Hochschulen, aber auch in der betrieblichen und außerbetrieblichen Bildung wurden innerhalb von wenigen Wochen auf Online-Formate umgestellt [1] und alle in Bildungsmaßnahmen involvierten Lernenden mussten sich – wie auch alle Lehrenden – innerhalb kürzester Zeit in die Funktionsweisen der verschiedenen Kommunikationstools, Konferenzsysteme und Lernplattformen einarbeiten. Dies führte nicht nur zur Entwicklung zahlreicher neuer digitaler Lehrangebote, sondern auch zu einem beachtlichen Kompetenzaufbau innerhalb von wenigen Monaten bei den Lehrenden und bei den Lernenden. Diese Lernenden werden in den nächsten Jahren auch als Mitarbeiterinnen und https://doi.org/10.1515/9783110754728-202

XII | Einleitung Mitarbeiter in Unternehmen andersartige Anforderungen an betriebliche Weiterbildungsangebote stellen. Anforderungen, die besser zu den zunehmend digitalisierten Prozessen und Abläufen passen, als dies bei den heutigen – oft noch traditionell ausgerichteten – Bildungsangeboten der Fall ist. Das vorliegende Buch beschreibt die Situation im Winter 2021/22, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem zahlreiche der im Frühjahr 2020 ggf. in aller Eile entwickelten digitalen Bildungsangebote (stellenweise ist in der Literatur in diesem Zusammenhang von „rapid emergency teaching“ die Rede [2]) bereits die erste oder zweite Überarbeitungsrunde hinter sich haben und fundiertere Erfahrungen vorliegen. Die Beiträge dieses Buches betrachten die unterschiedlichen eLearning-Konzepte und -Angebote auf einer übergeordneten Ebene sowie an zahlreichen ganz konkreten aktuellen Beispielen aus der Praxis. Um die Entwicklungen in den Bereichen des elektronischen Lehrens und Lernens zu verstehen und angemessen einordnen zu können, ist es zunächst hilfreich, einen Blick auf die historische Entwicklung von eLearning und dessen zentrale Entwicklungsschritte, Ereignisse und Produkte zu werfen. Dies geschieht in Kapitel 1 unter dem Titel Ein kurzer historischer Rückblick auf die langen evolutionären - und die kurzen revolutionären - Entwicklungsphasen des eLearnings: Von den Anfängen des maschinengestützten Lernens bis zur Corona-bedingten flächendeckenden Digitalisierung aller Bildungsangebote. Das Kapitel beschreibt dabei chronologisch einige wichtige technische Entwicklungsstufen und stellt herausragende und vielbeachtete Beispiele der jeweiligen Entwicklungsphase vor. Die Ausführungen verdeutlichen, wann eher evolutionäre Entwicklungsschritte zu beobachten waren und wann von revolutionären Entwicklungsschritten gesprochen werden kann. In den Kapiteln 2 bis 7 sind zunächst Erfahrungen und Berichte aus unterschiedlichen Hochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengestellt. Diese umfassen grundsätzliche Überlegungen zur Verzahnung von traditioneller, durch Präsenzlehre geprägter Hochschullehre mit elektronischen Lehr- und Lernformen, aber auch ausgewählte hochschuldidaktische Konzepte und konkrete Beispiele. Da die traditionelle und bewährte Hochschullehre durch die Covid-19-Pandemie empfindlich infrage gestellt und zunächst um digitale und später auch um hybride Lehrformate erweitert wurde, finden sich auch diese Aspekte in den Beiträgen wieder. Zu Beginn des Themenblocks Hochschule stellen Dr. Daniela Schröder, Hannah Ofterdinger und Prof. Dr. Milan Kuhli in Kapitel 2 zunächst unter dem Titel eLearning an der Fakultät für Rechtswissenschaft – ein Praxisbericht ihre an der Universität Hamburg gemachten Erfahrungen vor, welche explizit unter dem Gesichtspunkt der Corona-Pandemie betrachtet werden. Exemplarisch werden im Beitrag die Erfahrungen mit eLearning und digitaler Lehre an der Fakultät für Rechtswissenschaft vorgestellt und die Wechselbeziehungen zwischen Notwendigkeiten, Herausforderungen und Lösungsansätzen diskutiert.

Einleitung

| XIII

Ergänzend hierzu erläutert der Beitrag Digitale Beteiligungsformen in Präsenz- und Online-Lehre – Implementierungsbeispiele zur Förderung von Kommunikation, Interaktion und Eingebundenheit von Dr. Sandra Hübner und Satjawan Walter von der Hochschule Furtwangen in Kapitel 3, wie digitale Beteiligungsmöglichkeiten bei der Entwicklung und dem Einsatz von Lehrformaten und didaktischen Settings berücksichtigt werden können. Der Beitrag führt zunächst eine Modalitäten-Matrix ein, die Lehrenden als Orientierungshilfe dienen soll, das durchgeführte Lehrformat auf den Dimensionen „Ort“ und „Zeit“ einzuordnen. Anschließend werden die Veranstaltungsformate der klassischen Präsenzvorlesung und das Flipped-Classroom-Konzept näher beleuchtet. Dabei erfolgt eine Beschreibung und Einordnung der Veranstaltungen in die Modalitäten-Matrix, eine Ableitung der Chancen und Risiken sowie eine Vorstellung von digitalen Beteiligungsformen unter verschiedenen Gesichtspunkten Prof. Dr. Andreas Hebbel-Seeger und Prof. Dr. Annette Strauß beschreiben in Kapitel 4 unter dem Titel Konzeption von Lehre und didaktisch-methodische Qualifikation von Lehrenden unter der Maßgabe digitaler Transformation, wie an der Hochschule Macromedia der Einsatz digitaler Medien in der Hochschullehre nicht erst seit der Corona-Pandemie und einem aus den Maßnahmen der Pandemiebekämpfung resultierenden Shift von der analog geprägten On-Site-Lehre zu einer auf eine medienvermittelte Kommunikation setzenden Alternative vorangetrieben wird. Didaktische Konzepte, welche die Nutzung digitaler Medien nicht als austauschbare Varianten zu tradierten Lehr-Lern-Settings verstehen, sondern die spezifischen Potentiale als Treiber für hochschuldidaktische Innovation sehen, bestimmen – wie der Beitrag verdeutlicht – spätestens seit Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts in zunehmendem Maße die Fachdiskussion. Der oben genannte Shift hat die Umsetzung dieser Konzepte plötzlich Wirklichkeit werden lassen und Erfahrungen damit in der Breite möglich gemacht. In der Folge wird nicht über eine „Rückkehr“ zu tradierten Lehr-Lern-Formaten nachgedacht, sondern die Nutzbarmachung der gesammelten Erfahrungen und der Verstetigung von „Good Practice“ in den Fokus genommen. Jennifer Grüntjens, Sabrina Schaper und Prof. Dr. Sandra Hofhues zeigen in Kapitel 5 in ihrem Beitrag Praktiken forschenden Lernens auf, wie an der FernUniversität in Hagen diese besondere Form der Lehre eingesetzt wird. Der Beitrag beschreibt, dass nicht nur Lehren und Lernen, sondern auch Forschen durch eine ‚Kultur der Digitalität‘ bedingt ist. Mit Rekurs auf das forschende Lernen wird verdeutlicht, wie dann ‚digitalitätsbedingte‘ Praktiken innerhalb der Universität eingeführt werden können (und sollten). Dabei wird auf (eigene) Erfahrungswerte der Autorinnen aus zwei Modulen der beiden erziehungswissenschaftlichen Studiengänge zurückgegriffen, da hier Fernstudium und Online-Lehre praktisch miteinander einhergehen und forschendes Lernen in den betrachteten Modulen in, mit und durch digitale Medien erfolgt. Im Folgenden rücken die wissenschaftlichen Praktiken des Organisierens, Recherchierens, Reflektierens und Vernetzens und ihre Verschränkung mit digitalen Medien in den Fokus.

XIV | Einleitung Die Wirksamkeit von Interaktionen für die Vermittlungsprozesse an Hochschulen hängt stark auch vom Feedback hierzu ab. Dominic Hassler thematisiert dies in seinem Beitrag Multimediale Formen von Feedback – während und nach der Pandemie in Kapitel 6, in dem er Leserinnen und Leser an den Erfahrungen der Pädagogischen Hochschule Zürich teilhaben lässt. Im Fernunterricht während der Covid-19Pandemie war es für Dozierende besonders herausfordernd, eine gewisse Nähe und Beziehung zu ihren Studierenden zu pflegen. Eine zeitgemäße Möglichkeit, mehr Nähe zwischen Lehrenden und Studierenden zu schaffen, ist, Feedback in multimedialer Form zu kommunizieren, anstatt dieses – wie bislang eher üblich – in schriftlicher Form zu übermitteln. Multimedial meint dabei, dass Lehrende das Feedback als Video aufzeichnen und mit der eigenen Stimme kommentieren. Den Abschluss der Beiträge aus Hochschulen bildet das Thema Online-Didaktik – Experimente und eine Vision von Dr. Jutta Pauschenwein und Dr. Gert Lyon, die in Kapitel 7 die Veränderung der Online-Lehre an der FH Joanneum während der CoronaPandemie reflektieren: Studierende und Lehrende erweiterten ihr Repertoire, stellten sich der Enttäuschung, wenn die Technik nicht klappte, und teilten motivierende, manchmal auch berührende Online-Begegnungen miteinander. Drei didaktische Experimente, die ohne technische Tools nicht möglich wären und die gerade auch in asynchronen Lernszenarien besonders hilfreich sind, werden in diesem Beitrag vorgestellt. Der Artikel schließt mit einer Vision, wie es auch nach der Pandemie mit den neuen technischen Möglichkeiten und der Hochschullehre weitergehen könnte. In den genannten Beiträgen kommen Lehrende verschiedener Hochschultypen (Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen etc.) zu Wort, die historisch bedingt auf unterschiedliche Vermittlungsformen (Präsenzhochschulen, Fernuniversitäten etc.) setzen und die Entwicklungen an ihren Hochschulen beschreiben. Ergänzend hierzu wird in Kapitel 8 auch die Perspektive der Studierenden dargestellt, da diese an der Grenze zwischen hochschulischer Ausbildung und betrieblicher Mitarbeit stehen und die Erfahrungen, die sie in der Hochschule und mit der (teilweise digitalen) Hochschullehre gemacht haben, auch Auswirkungen auf die Erwartungen an betriebliche und außerbetriebliche Weiterbildungsangebote haben. Hon.-Prof. Dr. Christian Kreidl und Prof. Dr. Ullrich Dittler stellen im Beitrag Erfahrungen von Studentinnen und Studenten mit drei Semestern digitaler Lehre dar, welche Erwartungen die Lernenden an zeitgemäße Hochschullehre und betriebliche Weiterbildung haben. In mehreren Studien mit insgesamt rund 12.000 Teilnehmern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben die Autoren Erfahrungen von Studentinnen und Studenten mit der digitalen Online-Lehre der vergangenen sogenannten „Corona-Semester“ erhoben. Diese aktuellen Ergebnisse können im vorliegenden Beitrag Erhebungsergebnissen gegenübergestellt werden, die die Einstellung von Studierenden gegenüber elektronischen Lehr- und Lernangeboten bereits vor 2020 ermittelt und dokumentiert haben – zu einer Zeit, als Hochschulunterricht noch von traditioneller Präsenzlehre geprägt war.

Einleitung

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Aus der Gegenüberstellung der Ergebnisse können Entwicklungen und Einstellungsänderungen abgeleitet werden, die Hinweise darauf geben, welche Erwartungen die aktuellen Studierenden als angehende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch an zukünftige Bildungsangebote der betrieblichen und außerbetrieblichen Bildung stellen werden. In den Kapiteln 9 bis 14 werden die bisherigen Ausführungen um die Perspektive der betrieblichen Aus- und Weiterbildung ergänzt. In diesen Beiträgen kommen sowohl Bildungsverantwortliche von Unternehmen als auch Mitarbeiter von Bildungsanbietern sowie Mitarbeiter von Consulting-Unternehmen zu Wort. In Kapitel 9 beschreibt Annette Bosch unter dem Titel Praxisbeispiel KnowHow! AG: Content is king! Context is queen! Collaboration is dauphin!, wie sich betriebliche Weiterbildung in den letzten Jahrzehnten verändert hat, welche technologischen Entwicklungen wirkten und wie betriebliche Weiterbildung sich den jeweiligen Anforderungen des Marktes und den Seh- und Lerngewohnheiten der Menschen anpasst. Angesichts des Strukturwandels müssen Unternehmen ihre Mitarbeitenden für die Zukunft fit machen, gleichzeitig sollen diese ihre aktuellen Aufgaben gut erledigen können. Mit Kollaboration und dem passenden Mix aus Weiterbildungsangeboten kann das funktionieren, aber die Mitarbeitenden brauchen auch Zeit für Weiterbildung, Ziele und Unterstützung – das zeigt die Analyse der Lernkultur in einer deutschen Versicherung. Mit ihren Weiterbildungsangeboten können – auch das macht die Autorin deutlich – Unternehmen nicht nur qualifizieren, sondern auch Wertschätzung für ihre Mitarbeitenden zum Ausdruck bringen. Am Praxisbeispiel: Product Owner Training stellt Dr. Marina Lang im gleichnamigen Kapitel 10 dar, welche Auswirkung HomeOffice auf Mitarbeiter und Weiterbildungsangebote hat: Monatelang im HomeOffice arbeiten, ohne seine Kollegen persönlich zu treffen, und dann auch noch ein Training erfolgreich digital bewältigen und parallel Arbeitsmails beantworten? Wie kann das erfolgreich funktionieren? Die Autorin zeigt anhand des Praxisbeispiels einer PSPO-Weiterbildung auf, wie aus motivationspsychologischer Perspektive motiviert und erfolgreich im HomeOffice digitale Weiterbildung stattfinden kann. Den Bereich des Peer-to-Peer-Lernens fokussiert Jochen Robes in Kapitel 11 in seinem Beitrag Praxisbeispiel Corporate Learning: cMOOCs und Online-BarCamps - Formen des Peer-2-Peer-Lernens. Der Autor zeigt, wie MOOCs, BarCamps, Communities of Practice, Learning Circles als Formate des Peer-to-Peer-Lernens neue Lernformen ermöglichen. Einige Formate sind komplex und stellen dabei hohe Anforderungen an die Organisations-, Moderations- und/oder Selbstlernkompetenzen der Beteiligten. Andere schließen unmittelbar an die alltäglichen Austauschprozesse auf den sozialen Netzwerken an und werden gar nicht als Formen des Peer-to-Peer-Lernens wahrgenommen. In jedem Fall treffen diese Formate, wie der Autor in seinem Beitrag schlussfolgert, offensichtlich die Bedürfnisse einer großen bzw. größer werdenden Zielgruppe, die sich in den Formen des selbstgesteuerten, vernetzten und informellen

XVI | Einleitung Lernens wiederfindet. Zwei Formate des Peer-to-Peer-Lernens – cMOOCs und OnlineBarCamps – werden im Beitrag näher vorgestellt. Ebenfalls aus der Perspektive externer Berater, aber auch mit Blick auf die internen Schulungsangebote haben Oliver Lorenz und Stefan Krüger in Kapitel 12 ihren Beitrag Praxisbeispiel EY Deutschland: Wie EY das Thema Lernen in Zeiten der Digitalisierung nachhaltig für Mitarbeitende und Kunden gestaltet verfasst. Dieser deckt zwei Schwerpunkte ab, die beide im Kontext der Veränderung der Trainings- und Lernlandschaft in den Jahren 2020 und 2021 durch die Covid-19-Pandemie stehen: Zum einem gibt der Beitrag einen Einblick in den internen Umgang mit Training und Lernen im unternehmerischen Kontext bei Ernst & Young (EY) und bildet somit einen Schwerpunkt der Weiterbildungsarbeit der Abteilung Talent Development. Zum anderen zeigt er, wie die Abteilung People Advisory Services bei EY die Themen Training, Change und Lernen bei Kunden implementiert, und setzt den Akzent auf die Anforderungen des Marktes in diesen Bereichen. Leserinnen und Leser finden in diesem Beitrag somit die Perspektive aus der Praxis für das Lernen in Unternehmen in bewusster An- bzw. Abgrenzung zum Lernen an den Hochschulen. Michelle Rowbotham und Stephanie Walther offenbaren den Leserinnen und Lesern in ihrem Praxisbeispiel Endress+Hauser: Change-Prozesse in der digitalen Transformation durch die Kombination aus Kommunikation, modernen Lernangeboten und Performance-Support optimal begleiten in Kapitel 13, wie in ihrem Unternehmen die Digitalisierung im Bereich des digitalen Arbeitsplatzes als Chance genutzt wird, um neue Formen der internen und externen Kommunikation, Zusammenarbeit, Kooperation und Mobilität zu ermöglichen. Der Erfolg des digitalen Transformationsprogramms Digital Workplace (DWP) hängt allerdings, wie die Autorinnen zeigen, davon ab, ob sich die Mitarbeitenden auf den Wandel einlassen, bereit sind, Dinge anders zu tun, motiviert die Vorteile erkennen und neue digitale Kompetenzen erlernen und nachhaltig etablieren. Für die optimale Begleitung des Change-Prozesses wird eine Change-Matrix präsentiert, die Kommunikation, moderne Lernangebote und Performance-Support verbindet. Die einzelnen menschlichen und digitalen Elemente der Matrix werden vorgestellt und liefern so ein interessantes und praxistaugliches Vorgehensmodell, das auch für andere digitale Transformationsprogramme als Best Practice verwendet werden kann. In Kapitel 14 berichtet Stefan Delles im Beitrag Praxisbeispiel WWK Versicherung: eLearning im Aufwind in der Versicherungsbranche, welche Schritte eine kleinere Versicherung unternommen hat, um eLearning-Angebote für eine Zielgruppe zu entwickeln und zu etablieren, die traditionell auf Präsenztrainings fokussiert war. Der Autor zeigt, dass auf dem Weg zum digitalen Lernen nicht immer komplexe Projekte mit dem Anspruch auf Perfektion erforderlich sind, sondern vielmehr Kreativität und experimenteller Pragmatismus der Schlüssel zum Erfolg sind.

Einleitung

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Literaturverzeichnis [1] Dittler, U. & Kreidl, C. (Hrsg.) (2021). Wie Corona die Hochschullehre verändert: Erfahrungen und Gedanken aus der Krise zum zukünftigen Einsatz von eLearning. Wiesbaden/Berlin: Springer. [2] Hodges, C., Moore, S., Lockee, B., Trust, T. & Bond, A. (2020). The Difference Between Emergency Remote Teaching and Online Learning. EDUCAUSE Review. https://er.educause. edu/articles/2020/3/the-difference-between-emergency-remote-teaching-and-online-learning (abgerufen am 01.12.2021).

Ullrich Dittler

1 Ein kurzer historischer Rückblick auf die langen evolutionären – und die kurzen revolutionären – Entwicklungsphasen des eLearning Von den Anfängen des maschinengestützten Lernens bis zur Corona-bedingten Digitalisierung der Bildungsangebote Zusammenfassung: Ein Blick auf die Geschichte des eLearning zeigt zu Beginn dieses Kapitels, dass die bisherige Einführung von elektronischen Lehr- und Lernformen in verschiedenen Phasen erfolgte. Es gibt Anzeichen dafür, dass wir, basierend auf der beschriebenen omnipräsenten Verfügbarkeit des Internet und der allgegenwärtigen Verbindung über Soziale Netzwerke seit der Corona-Pandemie und dem dabei erfolgten Auf- und Ausbau von Medienkompetenz in breiten Bevölkerungsschichten, nun am Beginn einer weiteren Phase stehen, die wiederum die Formen und Möglichkeiten des mediengestützten Lernens in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung und (mit einiger zeitlicher Verzögerung auch) der Hochschullehre deutlich verändern wird. Abschließend wird in diesem Kapitel die zukünftige Rolle von Bildungsinstitutionen und das sich verändernde Verständnis von Wissen reflektiert. Schlagwörter: Computer-Based-Training, Web-Based-Training, Learn-TV, BusinessTV, MOOCs, Virtuelle Seminare, Social-Media-Learning, Lernplattformen, Wissen, Wissensgesellschaft

1.1 Die Anfänge des maschinengestützten Lernens Die Idee Lehr- und Lernprozesse maschinell zu unterstützen oder automatisiert abzubilden ist nicht neu. Die Entwicklung von elektronischen Lehr- und Lernmedien stellt daher nur die zeitgemäße Weiterentwicklung jener zunächst mechanischen und später elektromechanischen Lernmaschinen dar, mit denen bereits seit mehreren Jahrhunderten versucht wurde, Lehr- und Lernprozesse zu automatisieren. Die Erfindung von mechanischen Lernmaschinen stand am Beginn dieser Automatisierungsbestrebung, die mit der Konzeption des Bücherrads (in manchen Quellen auch „Leserad“ genannt) von Agostino Ramelli bereits im 16. Jahrhundert ihren Anfang nahmen (siehe Abbildung 1.1). Ramellis Konstruktion bot Aufnahme für zwölf Büchern, zwischen denen der Lesende wechseln konnte, wobei die Bücher „[…] nicht

https://doi.org/10.1515/9783110754728-001

2 | U. Dittler

Abb. 1.1: Das Bücherrad von Agostino Ramelli (Quelle [1], ullstein bild – NMSI/Science Museum / Science Museum).

fallen, genau so liegen bleiben, wie sie hingelegt worden sind, sie bleiben immer im gleichen Zustand und wann immer der Leser es wünscht, erscheinen sie so, ohne dass sie irgendwie angebunden oder befestigt werden müssen“ [1].

1 Ein kurzer historischer Rückblick auf die Entwicklungsphasen des eLearning

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Im Rahmen der fortschreitenden Entwicklung der Medien hielten neben Büchern auch andere Medien Einzug in Bildungsprozesse: Aufbauend auf dem Visualisierungsschub des 19. Jahrhunderts [2] und parallel zum Bedeutungsgewinn der optischen Massenmedien des 20. Jahrhunderts, fanden zur Hochzeit der medienpsychologischen Filmforschung, die sich um 1910 mit den Wirkungen der Filmwahrnehmung durch die Rezipienten beschäftigte und hierzu auch die emotionale Wirkungen des Filmkonsums durch psychogalvanischer Reaktionsmessungen währen des Filmkonsums untersuchte, in Rochester (USA) auch erste Filme als Lehrfilme Einzug in den Unterricht [3]. Es entstand in den folgenden Jahren ein kurzer Hype, der in ähnlicher Form später bei vielen Lehrmedien beobachtet werden konnte: Es gab Forderungen klassische Schulbücher komplett durch die neuen Lehrmedien (hier: des Films) zu ersetzen; eine Forderung, die sich nicht durchsetzen konnte [4]. Ausgehend von den frühen Versuchen, Lehr- und Lernprozesse mit mechanischen Maschinen zu unterstützen, wurden in der Blütezeit des Behaviorismus, d. h. Anfang des 20. Jahrhunderts, eine ganze Reihe von Lehr- und Übungsmaschinen entwickelt und gebaut. Diese folgten meist dem 1923 von Edward Thorndike geäußerten Gedanken, Lernstoff in kleine Einheiten aufzuteilen und diese Einheiten direkt nach der Vermittlung zu prüfen, ehe die nächsten kleinen Lerneinheiten vermittelt und geprüft werden. Thorndike selbst stellte 1926 eine solche Lernmaschine vor, die den Lernenden Single- und Multiple-Choice-Fragen anbot und die gewählten Antworten maschinell auswertete. Die Besonderheit dieser Maschine bestand darin, dass nicht nur die Anzahl der richtigen Antworten automatisch gezählt werden konnte, sondern die Maschine darüber hinaus die Möglichkeit bot, den Lernenden die richtigen und falschen Antworten anzuzeigen, um so Lernprozesse zu ermöglichen, mit dem Ziel, dass beim nächsten Fragedurchgang die richtige Antwort gegeben werden konnte. Die nachweisbare Zunahme an richtigen Antworten im Rahmen des Arbeitens und Lernens mit derartigen Maschinen gab Thorndike recht – war aber nur wenig geeignet, die Gegner des maschinengestützten Lernens zu beruhigen, die eher an humanistischen oder bildungstheoretischen Unterrichtsansätzen (wie sie später beispielsweise Wolfgang Klafki formulierte) orientiert waren. Etwa zur gleichen Zeit, d. h. ebenfalls in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, entwickelte auch Sidney L. Pressey an der Ohio State University mechanische Maschinen zur Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen. Pressey konzentrierte sich weniger auf die Wissensvermittlung als vielmehr auf das Prüfen von Lernerfolgen. Die von ihm entwickelten Maschinen präsentierten den Lernenden Fragen und verschiedene Antwortalternativen in Textform. Wenn der oder die Lernende die Frage richtig beantwortete, wurde ihm bzw. ihr die nächste Frage präsentiert. Wählten die Lernenden jedoch eine falsche Antwort, so blieb die Frage so lange sichtbar, bis der oder die Lernende die richtige Antwort auswählte. Pressey ging davon aus, dass Lernende durch derartige Maschinen nicht nur getestet werden, sondern durch das direkte und unmittelbare Feedback auch beim Lernen unterstützt werden. Pressey sieht

4 | U. Dittler große Einflussmöglichkeiten derartiger Lernmaschinen auf Schule und Hochschule, wenn er sagt: „Diese Unterrichtshilfen […] würden den Lehrer frei machen von für seine eigentliche Aufgabe, die Schüler zu begeistern und sie zu klarem Denken und höheren Idealen zu führen. […] Wofür der Verfasser eintritt, ist die Befreiung des Lehrers von den mechanischen Aufgaben seines Berufs – die Last der Korrekturen und der Routine-Übungen – so daß [sic!] er nicht weitgehend mit Schreibarbeiten beschäftigt ist, sondern ein echter Lehrer sein kann“ (Pressey zitiert nach [5], S. 63 f). Die von Thorndike verfolgten Ansätze griff später auch der Burrhus Frederic Skinner auf und unternahm an der Harvard University eine Reihe von Versuchen zum Lernen von Tieren und Menschen (siehe Abbildung 1.2). Geleitet war auch er dabei stets

Abb. 1.2: Skinner während eines Versuchs mit einer Ratte in der Skinner Box (Quelle: Nina Leen/Getty Images).

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vom behavioristischen Lernverständnis, das die Grundlage seiner zahlreichen Versuche mit Ratten und Tauben bildete (im Rahmen derer er auch zahlreiche Tauben im Zweiten Weltkrieg für militärische Zwecke trainierte). Auf seinen Lernversuchen mit Tieren aufbauend – und die Entwicklungen von Pressey aufgreifend – befasste sich Skinner später auch mit dem Entwickeln von Lern-Settings zur Schulung einer größeren Anzahl von Menschen. In einer Zeit, in der die Forderung nach Optimierung von Prozessen und Steigerung der Effizienz vielen Bereiche des Nachkriegsalltags erfasst hatten, war Skinner bestrebt, solche Optimierungen und Effizienzsteigerungen auch für Lehrprozesse umzusetzen. Gemeinsam mit James G. Holland entwickelte Skinner Lernmaschinen, die Menschen nach dem Modell der Programmierten Unterweisung unterrichten sollten (siehe Abbildung 1.3). Die Programmierte Unterweisung (je nach Quelle auch „Programmiertes Lernen“ und „Programmierte Instruktion“ genannt) basiert dabei konsequent auf der systematischen Verstärkung von gewünschten Reaktionen im behavioristischen Sinne. Neben der Festlegung des Lernziels sind die Planung des Lernwegs und die Erfolgskontrolle („Programmierte Prüfung“) die zentralen Elemente des skinnerschen Verständnis des Programmierten Unterrichts. Skinner geht davon aus, dass eine solche lineare Programmierte Unterweisung so lange verändert werden sollte, bis rund 95 % der Lernenden die Aufgaben erfolgreich bewältigen können. Norman Crowder kannte die Arbeiten Skinners und modifizierte das Modell des Programmierten Unterrichts um dieses an größere Zielgruppen bzw. die Heterogenität

Abb. 1.3: Lehrmaschine, die nach dem Modell der Programmierten Unterweisung arbeitete (Quelle: Wikipedia).

6 | U. Dittler der Lernenden anzupassen: Während Skinner noch von einem linearen Lernweg für alle Lernenden ausgeht, sieht Crowder in einer auf der Basis der gegebenen Antwort verzweigten Lernstruktur deutliche Vorteile für den Lernprozess. Er schreibt hierzu: „In jedem Programmschritt wird dem Schüler eine Stoffeinheit von dreißig bis siebzig Zeilen Länge, zum Lesen gegeben. Dieser Stoffeinheit folgt eine Frage in Wahlantwortform. Die Antwortwahl des Schülers bestimmt unmittelbar und automatisch, welchen Lesestoff er anschließend durchnimmt. Wählt er die richtige Antwort auf die ihm gestellte Frage, so werden ihm automatisch die nächste Stoffeinheit und die nächste Frage vorgelegt. Wählt er eine falsche, so wird er automatisch zu einem Lehrstück dirigiert, das eigens zur Verbesserung des bestimmten, von ihm gemachten Fehlers geschrieben wurde. Am Ende dieser Korrektureinheit angelangt, wird der Schüler […] zuerst zu der von ihm (falsch) beantworteten Stoffeinheit zurückgeführt, um sich an der dort gestellten Frage noch einmal zu versuchen […]“ (Crowder zitiert nach [5], S. 42). Die von Crowder erweiterten Ansätze des Programmierten Unterrichts wurden in den folgenden Jahren in unterschiedlichen Richtungen weiterentwickelt (behavioristisch-psychologischer Ansatz, anthropologisch-pädagogischer Ansatz sowie kybernetisch-pädagogischer Ansatz), von denen im deutschsprachigen Raum vor allem der kybernetisch-pädagogischer Ansatz mit seiner starken Orientierung am Lehrinhalt und am Medium Beachtung fand. Zentraler Aspekt der kybernetisch-orientierten Lernmaschinen (die erstmals nicht mehr nur auf die Möglichkeiten mechanischer Maschinen angewiesen waren, sondern auch auf elektronische Maschinen, d. h. Computer, zurückgreifen konnten) war die Erwartung, dass die Maschine während der Inhaltsbearbeitung der Lernenden auch etwas über diese lernt und so adaptiv individuelle Lernwege anbieten kann, die optimal zum Vorwissen, Wissen und Lernprozess der individuellen Lernenden passen. In der oben skizzierten Entwicklung der frühen Lehr- und Lernmaschinen ist schon zu erkennen, inwieweit sich parallel zur technischen Entwicklung auch das didaktische und mediendidaktische Verständnis von Lehren und Lernen weiterentwickelte: Ausgehend von den Tierversuchen dominierte zunächst ein behavioristisch geprägtes Verständnis von Lehren und Lernen. Die erweiterten Ansätze der Programmierten Unterweisung zielen in Richtung eines kognitivistischen Verständnisses von Lernen. Und kybernetische Ansätze beginnen in die Richtung zu weisen, die später als konstruktivistisches Lehr- und Lernverständnis bezeichnet werden. Darauf aufbauend, und die Aspekte vernetzter Strukturen von Lernenden stärker berücksichtigend, wurde der Ansatz des Konnektivismus formuliert. Diese grundlegenden lernpsychologischen Ansätze sollen daher im Folgenden kurz betrachtet werden.

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1.1.1 Behaviorismus: Lernen durch Belohnung und Strafe Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts fanden eine ganze Reihe von Versuchen zum Lehren und Lernen statt, erinnert sei hier nur an die – später mit dem Nobelpreis ausgezeichneten – klassischen Versuche von Iwan P. Pawlow zur Konditionierung und zum bedingten Reflex (siehe Abbildung 1.4) sowie an die bereits kurz angesprochenen umfangreichen Versuche von Edward Thorndike und Burrhus Frederic Skinner zum Lernen durch Versuch und Irrtum sowie durch Belohnung und Bestrafung.

Abb. 1.4: Iwan Pawlow mit Versuchshund im Kreise seiner Mitarbeiter (Quelle: Bettmann/Getty Images).

Die Ergebnisse der zahlreichen Tierversuche zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden ihre Entsprechung in der Lerntheorie des Behaviorismus, die – sehr verkürzt dargestellt – Lernen als Verknüpfen von Reiz und Reaktion versteht [6]. Durch Belohnung im Falle des Auftretens der gewünschten Reaktion kann die Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht werden, durch Strafe kann sie vermindert werden. Die Theorie des Behaviorismus und die späteren Forschungsergebnisse von Skinner haben insofern eine Bedeutung für die Entwicklung von eLearning, als sie in Form so genannter Programmierter Lernprogramme (in Anlehnung an Programmierte Unterweisung und Programmierten Unterricht) in den 60er und 70er Jahren die Anfänge des computergestützten Lernens markierten. Auch im deutschsprachigen Raum wurden zu dieser Zeit eine ganze Reihe von Programmierten Lernprogrammen entwickelt, bei denen – im Sinne von Skinners Ansatz des Lernens durch Erfolg und Belohnung – bei den drei Stufen Informationsdarbietung (Präsentation von Lerninhalten), Aufgabe oder Fragestellung anbieten (um Lernerfolg zu testen) und Erfolgskontrolle (Feedback

8 | U. Dittler über den Erfolg der Aufgabenbearbeitung) der Schwerpunkt stets auf den Bereich der Erfolgskontrolle und des Feedback gelegt wurde.

1.1.2 Kognitivismus: Lernen durch Verstehen und Einsicht Während bei den oben skizzierten Programmierten Lernanwendungen noch das Erkennen der richtigen Lösung als Lernerfolg gewertet wurde, änderte sich in der Lerntheorie des Kognitivismus das Verständnis von Lehr- und Lernprozessen dahingehend, dass der Prozess des Denkens in das Zentrum der Betrachtungen gerückt wurde: Denken wird im kognitivistischen Sinn nicht als das Abrufen von Reiz-ReaktionsSchemata (wie im Behaviorismus) verstanden, sondern bildet die Grundlage für Erkenntnisprozesse, die einen kreativen Problemlösevorgang ermöglichen [7]. Bei der Erstellung von Computer-Based-Trainings fanden diese Erkenntnisse in der Form Einfluss, dass eine deutliche Verschiebung des Schwerpunktes von der Erfolgskontrolle zur Informationsdarbietung stattfand: Die Darstellung des Lernstoffs soll in einem für den Lernenden erkennbaren Zusammenhang erfolgen, um es ihm zu ermöglichen, die Zusammenhänge der einzelnen Lerninhalte zu verstehen und so eine Kompetenz zur Problemlösung aufzubauen. Nicht mehr das Wissen um die richtige Lösung steht im Zentrum eines Lehr-/Lernprozesses, sondern der Aufbau des Verständnisses für ein Problem und damit der Aufbau von Problemlösekompetenz, die es dem Lernenden ermöglicht, sich die Lösung eines Problems selbstständig zu erarbeiten.

1.1.3 Konstruktivismus: Lernen als Konstruktion von Wissen Ausgehend von den Überlegungen des Behaviorismus sowie des Kognitivismus konnte unter Einbeziehung der Ergebnisse, die mit behavioristisch- und kognitivistischorientierten Lernumgebungen gewonnen wurden, festgestellt werden, dass verschiedene Lernende in der gleichen Lernumgebung mit unterschiedlichem Erfolg lernen. Die Berücksichtigung der jeweils individuellen Vorerfahrungen und des individuellen Vorwissens der einzelnen Lernenden findet ihren Einfluss in der Lerntheorie des Konstruktivismus [8]: Lernen wird im Konstruktivismus verstanden als die Konstruktion von Wissen auf der Basis des individuellen Vorwissens; Lehr- und Lernsituationen müssen daher immer auf den einzelnen Lerner und seine individuelle Situation eingehen können. Beim konstruktivistischen Lernen übernimmt der/die Lehrende die Rolle eines Coaches oder einer Trainerin bzw. eines Trainers und unterstützt die Lernenden beim Aufbau von eigenen Wissensstrukturen und mentalen Modellen sowie kognitiven Repräsentationen. Aus den angesprochenen konstruktivistischen Ansätzen zur Gestaltung von Lernumgebungen lassen sich einige zentrale Aspekte ableiten, die den

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Prozess des Erwerbs anwendbaren Wissens fördern können. Dies sind bekanntermaßen die Möglichkeiten: – Lernen als aktiven und konstruktiven Prozess zu gestalten, – den Wissenserwerb selbst steuern zu können, – Wissen in der aktiven Auseinandersetzung mit einem Problem erwerben zu können, – Wissen in authentischen Problemsituationen erwerben zu können, – das erworbene Wissen in verschiedenen Problemsituationen anwenden zu können (multiple Kontexte, multiple Perspektiven) und – das neu erworbene Wissen in einer sozialen Gruppe überprüfen zu können. Es haben sich in den vergangenen Jahren vor allem zwei konstruktivistische Instruktionsansätze etablieren können, die zur Gestaltung konstruktivistischer Lernumgebungen geeignet sind: Der „Anchored Instruction“-Ansatz geht davon aus, dass es primär von der Art des Wissenserwerbs abhängt, ob Wissen träge bleibt (innert knowledge) oder angewendet werden kann (usefull knowledge). Damit der Lernende neue Wissensinhalte mit seinem vorhandenen Vorwissen verankern kann, scheint es notwendig die Vermittlung der Wissensinhalte mit Hilfe konkreter Anwendungsfälle zu verdeutlichen und in möglichst realitätsnahen Anwendungs- und Transfersituationen zu erproben. Erst diese Einbindung und Verankerung des neu zu erwerbenden Wissens schafft die Möglichkeit, auf dieses Wissen auch außerhalb der konkreten Lernsituation zurückzugreifen. Hingegen steht im Zentrum des „Cognitive Apprenticeship“-Ansatzes weniger ein explorativer Ansatz sondern stärker die explizite Anleitung des Lernenden und die Überlegung, dass eine Lernende oder ein Lernender die Möglichkeit erhalten soll, sein Wissen Schritt für Schritt auszubauen. Sie oder er erhält dabei nur jeweils so viel Hilfe, wie nötig ist, damit sie oder er selbständig ein Problem lösen kann und dabei kognitive Strukturen ausbaut und festigt. Der cognitive-apprentices-Ansatz greift dabei auf Ergebnisse der Expertiseforschung zurück. Neben explizitem Wissen verfügen Expertinnen und Experten auch über implizites, strategisches Wissen, das eng mit der Praxis verbunden ist und auf das sie bei der Lösung von Problemen zurückgreifen; dass aber in klassischen Unterrichtsformen nicht vermittelt wird. Der aus dieser Erkenntnis abgeleitete Ansatz zur Wissensvermittlung fordert, dass – ähnlich wie in der Handwerksausbildung – eine Expertin oder ein Experte zunächst ein Problem löst, ihre bzw. seine kognitiven Problemlöseprozesse artikuliert und auf Fragen des Lernenden eingeht. Im Anschluss an diese Phase der externalisierten Wissensvermittlung löst die oder der Lernende ein ähnliches Problem unter Aufsicht des oder der Experten und kann auf deren bzw. dessen Kompetenz bei Unklarheiten oder Fragen zurückgreifen. In einer dritten Phase löst die bzw. der Lernende ein Problem selbständig und die Expertin oder der Experte kontrolliert nur noch das Ergebnis.

10 | U. Dittler Gemeinsam ist den beiden angesprochenen Instruktionsansätzen, dass sie sehr gut geeignet sind um Lehr- und Lernprozesse in institutionalisierten Formen des Lernens zu erklären. Während derartige institutionalisierten Lernformen wie beispielsweise das angeleitete Lernen in Kindergarten, Schule, Hochschule – aber auch in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung – in den letzten Jahrhunderten die Lehr- und Lernszenarien maßgeblich prägten und kulturell tief verankert sind, gewinnen seit wenigen Jahrzehnten informelle Lernformen zunehmend an Bedeutung (wie Tully [22] schon sehr früh für den Bereich der Computerkompetenz aufzeigte). Diese informellen Lernformen von in sozialen Beziehungen vernetzten Lernenden sind es, die eLearning ganz massiv prägen und auch auf institutionalisierte Lernformen zurückwirken.

1.1.4 Konnektivismus: Lernen in vernetzten sozialen Strukturen Die durch das Internet zwar nicht entstehenden, aber seit der seit etwa 2005 flächendeckenden Verfügbarkeit des Internet sehr viel bedeutungsvoller gewordene Möglichkeit der weltweiten Kommunikation in elektronisch mediatisierten Kommunikationsräumen, kann als Durchbruch des Informellen Lernens – auf das später noch detaillierter eingegangen wird – bezeichnet werden: In dieser Phase des Informellen Lernens ist der Kommunikationsraum durch sogenannte Soziale Netzwerke (wie Facebook, YouTube, Twitter, Instagram, TikTok, Jodel etc.) digital so stark erweitert, dass den Interessenten und Lernenden weltweit Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zu jedem möglichen Themengebiet zur Verfügung stehen. Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner von denen wir meist zunächst nichts anderes wissen, als das sie auch Interesse an dem Gegenstand haben, mit dem sich der entsprechende Kommunikationsraum, in dem man sich trifft, befasst. Es ist offensichtlich, dass die traditionellen Modelle des behavioristischen Lernens, des kognitivistischen Lernens und des konstruktivistischen Lernens nicht mehr ausreichen um diese Phase des informellen Lernens zu erklären. George Siemens thematisierte dieses seit dem Jahrtausendwechsel beobachtbare veränderte Kommunikations- und Lernverhalten in seiner Schrift „Connectivism: A Learning Theory of the Digital Age“ [9] und entwickelte darin als Erklärungsmodell den Konnektivismus (ebd.), der in seinem Verständnis über den Konstruktivismus hinausgeht – und in wesentlichen Punkten geeignet ist, das veränderte Kommunizieren und Lernen zu beschreiben. Ausgangspunkt für den Konnektivismus ist die Feststellung, dass die klassischen Lerntheorien weder mediale Lehr- und Lernformen noch die sich schnell ändernde Informationsmenge angemessen berücksichtigen. Auch die sich ständig weiterentwickelnde mediale Lebensumwelt lernender Individuen erscheint Siemens in den traditionellen Lerntheorien nicht ausreichend berücksichtigt. Einen weiteren Kritikpunkt sieht er in der Tatsache, dass Wissen in den klassischen Lerntheorien stets an einzelne Personen gebunden ist, Institutionen (bspw. Lernende Unternehmen) oder techni-

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sche Wissensspeicher (Informationsdatenbanken) jedoch keinerlei Berücksichtigung finden. Siemens stellt vor dem Hintergrund dieser Überlegungen acht Prinzipien des Konnektivismus auf: 1) Lernen und Wissen setzen verschiedene Meinungen und Denkansätze voraus, um aus ihnen die besten Alternative zu wählen. („Learning and knowledge rests in diversity of opinions“ [10]) 2) Lernen ist ein Prozess, der spezialisierte Wissensknoten oder Informationsquellen miteinander verbindet. („Learning is a process of connecting specialized nodes or information sources“, ebd.) 3) Wissen/Lernen kann in nicht-menschlichen Einrichtungen stattfinden/gespeichert werden. („Learning may reside in non-human appliances“, ebd.) 4) Die Eigenschaft mehr wissen zu wollen ist wichtiger als der aktuelle Wissensstand. („Capacity to know more is more critical than what is currently known“, ebd.) 5) Pflege und Aufrechterhaltung von Verbindungen ist notwendig zur Unterstützung durchgehender Lernprozesse. („Nurturing and maintaining connections is needed to facilitate continual learning.“, ebd) 6) Die Fähigkeit, Verbindungen zwischen Wissensbereichen, Ideen und Konzepten zu erkennen ist eine Kernkompetenz. („Ability to see connections between fields, ideas, and concepts is a core skill.“, ebd.) 7) Zeitgemäßes, aktuelles Wissen ist das Ziel aller konnektivistischen Lernaktivitäten. („Currency (accurate, up-to-date knowledge) is the intent of all connectivist learning activities.“, ebd.) 8) Entscheidungen zu treffen ist schon an sich ein Lernprozess. Die Auswahl von Lerninhalten und die Bewertung von Informationen finden in einer sich verändernden Welt statt. Was heute richtig erscheint kann morgen falsch sein, da sich das Informationsumfeld geändert hat. („Decision-making is itself a learning process. Choosing what to learn and the meaning of incoming information is seen through the lens of a shifting reality. While there is a right answer now, it may be wrong tomorrow due to alterations in the information climate affecting the decision“, ebd.) Ausgehend von diesen Prinzipen versteht Siemens ein lernendes Individuum als ein stark vernetztes Wesen, dass auch mehrere Informationsquellen – technischer und menschlicher Art, d. h. Datenspeicher und Mitmenschen – zugreifen kann und Wissen durch verschiedene Kontakte und Verbindungen (bei Siemens als „Pipe“ bezeichnet) austauscht (siehe Abbildung 1.5). Die Auswahl und Bewertung der erhaltenen Informationen ist dabei ein wesentlicher Teil der Lernleistung. Die Aufrechterhaltung der bestehenden Verbindungen zu Wissensquellen ist dabei ebenso essenziell, wie das Erkennen von thematischen Verbindungen zwischen verschiedenen Disziplinen. Ebenso unabdingbar ist für das Modell des Konnektivismus die (intrinsische) Motiva-

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Abb. 1.5: Grafische Darstellung des Konnektivismus nach G. Siemens Quelle: [18].

tion des Individuums zum Lernen und die Bereitschaft sich auf Themen und Fragestellung zu unterschiedlichen Zeitpunkten wieder neu einzulassen, da die Bewertung der Situation durch die sich entwickelnde ändernde Lebenswelt stets neu und unvoreingenommen vorgenommen werden sollte. Mit Blick auf die heute den Alltag vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dominierenden Formen des Lernens zeigen sich in diesem Zusammenhang massive Veränderungen: Parallel zu den in den meisten Unternehmen angebotenen institutionalisierten Lernangeboten aus Inhouse-Seminaren, externen Workshops und medialen Angeboten zum Lernen in unternehmenseigenen Learning-ManagementSystemen, haben in zahlreichen Unternehmen die Mitarbeitenden eine parallele Kommunikationsstruktur aufgebaut, die auf die auch in der Freizeit erfolgreich genutzten Kommunikationsplattformen und Soziale Netzwerke zurückgreift. Die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit wird auch bezogen auf die Kommunikationsinhalte und -tools zunehmend durchlässiger: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter publizieren in Sozialen Netzwerken auch Aspekte der beruflichen Tätigkeit und tauschen sich beispielsweise mit anderen über Kundinnen und Kunden sowie Kolleginnen und Kollegen aus. Neben Texten und Bildern, die schon heute mit den aktuellen SmartDevices wie Smartphones und Tablets mit wenig Aufwand in sozialen Netzwerken publiziert und rezipiert werden können, stehen wir derzeit an der Schwelle zum nächsten technischen Schritt, der die netzgestützte Kommunikation nochmals vereinfachen und noch enger mit unserem Alltag verbinden wird. Es ist anzunehmen, dass wearable computer-Devices (die seit einigen Jahren schon sehr erfolgreichen SmartWatches stellen da sicherlich erst den Anfang dar), die zur Nutzung nicht einmal mehr aus der Hosen- oder Jackentasche genommen werden müssen, sondern direkt verbal aktiviert werden können, eine nochmals einfachere Nutzung sozialer Kontakten als auch webbasierter Informationssysteme ermöglichen werden.

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Während die vergangenen Jahre unter dem Schlagwort des „mobile Learning“ oft die Verwendung von klassischen multimedialen Lernanwendungen auf einem Notebook, Tablet-PC oder SmartDevice verstanden wurde, werden Wearable Computer eine völlig neue Form des mobile Learning ermöglichen, bei der vermutlich der Austausch mit anderen Lernenden eine deutlich wichtigere Rolle spielen wird, als der Abruf vorgefertigten Lerncontents. Neben den derzeit zu beobachtenden Ansätzen des Social eLearning werden die SmartDevices der wearable Computer zukünftig eine neue Form des „Smart Social eLearning“ ermöglichen/hervorbringen (siehe hierzu auch [11]). Für die einzelnen technisch geprägten historischen Entwicklungsphasen und -stufen verschiedenen eLearning-Medien vom Anfang des Jahrtausends bis heute sollen im Folgenden jeweils einige typische Vertreter ihrer Art vorgestellt werden.

1.2 Monolithische Lernanwendungen prägend den Durchbruch des eLearning Basierend auf den frühen Versuchen Lehr- und Lernprozesse mit mechanischen Lehrmaschinen zu unterstützen, entwickelten sich seit den 60er verschiedene Formen des computerunterstützten Unterrichts (siehe Abbildung 1.6). Die frühen Lernmaschinen wurden oft zunächst testweise in Hochschulprojekten entwickelt und eingesetzt, später wurden diese Ansätze in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung aufgegriffen und hielten noch später auch im Regelbetrieb in Hochschulen Einzug. Mitte der 60er Jahre war die Entwicklung computerbasierter Unterrichtsmaschinen vor allem geprägt durch das oben kurz skizzierte kybernetische Verständnis von Lernen. In den folgenden Jahrzehnten wurden neben Texten mit Audios, Bildern und Filmen auch zunehmend weitere Medien und Präsentationsformen in die computergesteuerte Inhaltspräsentation integriert. Zudem wurden verstärkt auch Maschinen entwickelt, die nicht mehr nur Einzelpersonen das Lernen ermöglichten, sondern Lernen in Gruppen unterstützten: Der 1964 am Institut für Kybernetik entwickelte Robbimat diente beispielsweise der parallelen Schulung von bis zu 24 Lernenden auf der Basis eines Tonbandgeräts in Verbindung mit einem Diaprojektor. Zunächst vermittelte das System akustische Informationen und steuerte hierzu begleitend die Bildpräsentation über einen Diaprojektor (siehe Abbildung 1.7). In bestimmten Sequenzen konnten die Lernenden Fragen beantworten, indem sie jeweils eine von zwei Tasten drückten um die Frage mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten. Individuelles Feedback erhielten die Lernenden anschließend durch ein grünes oder rotes Licht. Weitere Funktionen und Medien wurden in den Folgejahren in leistungsfähigeren Lerncomputer wie dem Geromat III integriert: Dieses Gerät bot dem Lernenden nicht nur zwei, sondern fünf Antwortoptionen. Zudem konnten sich die Lernenden über Kopfhörer und Mikrofon mit bis zu zwei anderen Mitlernenden austauschen und zur

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Abb. 1.6: Zwei Schüler an einer Lernmaschine im Jahre 1963: Auf Papierrollen ist ein Lernprogramm eingespannt, das Informationen gibt und Fragen stellt, deren Beantwortung der Schüler auf den Papierstreifen schreiben muss. Wenn der Schüler weiterdreht, taucht aus einem bisher verdeckten Feld die richtige Antwort auf (Quelle: Ullstein Bild – Pressefoto Kindermann).

Lösungsfindung besprechen. Die Inhaltspräsentation erfolgte bei diesem frühen Lerncomputer ebenfalls über akustische und optische Inhaltspräsentation über Tonband und Dias. In den 60er und 70er Jahren werden weitere Lernmaschinen entwickelt, die oft dem Ansatz von Parallelschulungsgeräten folgen und die Zahl der parallel unterrichteten Menschen zu erhöhen und gleichzeitig die Inhaltspräsentation über Bild, später auch Film und Ton zu optimieren. An zahlreichen Bildungseinrichtungen entstanden in dieser Zeit Pilotprojekte um die Möglichkeiten und Grenzen des PC-basierten Lernens auszuloten. Zu den seinerzeit vielbeachteten Projekten gehörte beispielsweise Algorithmieren von Lehrprogrammen für computergesteuerten Unterricht (ALCU) aus Berlin. Parallel zum computergestützten Unterricht (CGU) – so der damals weitverbreitete Terminus – fand eine traditionelle Veranstaltung mit dem gleichen Inhalt statt; und es zeigte sich als ein Ergebnis dieses Versuchs, dass durch den computerunterstützten Unterricht rund 30–35 % der für das Lernen aufgewendeten Zeit eingespart werden konnten.1 1 Damit steht dieser Pilotversuch in zweierlei Hinsicht in der Tradition seiner Zeit: Zum einen wiederholte es sich später auch bei anderen Formen des mediengestützten Lernens, dass zunächst Inhalte

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Abb. 1.7: Hier ist der in den 70er Jahren Entwickelte Lerncomputer vom Typ Robbimat III im Einsatz in einer Klasse zu sehen: Nach der Inhaltspräsentation können die Lernenden Fragen beantworten, indem sie auf den Abstimmungskästen die entsprechende Antworttaste drücken (Quelle: [12], Seite 27).

Der Vergleich von computergestütztem Unterricht mit traditionellem Unterricht war auch das Ziel des Projektes Effizienzvergleich computergesteuerten Parallelunterrichts mit programmiertem Einzelunterricht in Buchform (EFFI). Im Ergebnis dieses bis 1975 laufenden Versuchs zeigte sich, dass der Organisationsaufwand und damit die Kosten für computergestützten Unterricht um 10 bis 45 % über denen eines Buchbasierten Unterrichts liegen. Zudem zeigten sich in diesem Versuch keine Vorteile des computergestützten Unterrichts gegenüber dem Buchunterricht und auch bezogen auf die Lernmotivation bei Schülern konnten keine Vorteile gemessen werden. Gemeinsam ist den beispielhaft genannten Lernmaschinen und Pilotprojekten, dass die Hardware der Lerncomputer speziell für den Einsatzzweck gebaut werden musste. Dies ändert sich erst in der 80er Jahren mit der (rasant) zunehmenden Verbreitung von Personal Computern (PC). Personal Computer sind ab den 70er Jahren die Basis der Wahl, wenn es um unterrichtstechnologische Entwicklungen im Bereich des mediengestützten Lehrens und Lernens ging. Die Fragestellungen bleiben aber zunächst die gleichen wie in den Jahrvermittelt wurden, die PC-nah einzustufen sind. Zum anderen spiegelt sich in dem Pilotversuch die lange dominierende Zielsetzung wieder, dass mediengestütztes Lernen Zeit und Geld sparen soll; qualitative Ziele wanderten erst seit dem Jahrtausendwechsel zunehmen in den Fokus.

16 | U. Dittler zehnten zuvor: In verschiedenen nationalen (beispielsweise das an der Universität Tübingen durchgeführte Projekt Knowledge Acquisition Video Assisted Video Instruction System (KAVIS)) und internationalen Projekten und Förderprogrammen wurde zunächst die weitere Integration von Medien in die Settings des computerunterstützten Lernens untersucht. Zudem wurden in den 70er und 80er Jahren zahlreiche Studien durchgeführt, die verschiedene Formen des Computergestützten Unterrichts (CGU) – der in den 80er Jahren zunehmend öfter auch Computerunterstützter Unterricht (CUU) genannt wurde – mit traditionellen Unterrichtsformen verglichen. Auch der erste breite Einsatz von elektronischen Lehr- und Lernformen zur Mitarbeiterqualifizierung in Unternehmen fällt in diese Zeit: Die Warenhauskette Hertie führte 1978 unternehmensweit für ihre 55.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Schulungsplattform Videomit 2000 ein, die die Präsentation von Videomaterial auf der Basis von U-matic Videorekordern in Verbindung mit einer Microchip-basierten Steuereinheit ermöglichte. Ab 1978 ersetzen LaserDisks in derartigen Lernsettings zunehmend Videorekorder und -bänder und boten damit zwar didaktisch keinen weiteren Vorteil, aber deutlich performantere und bessere Bild- und Filmdarstellung. Da LaserDisks – und später auch digitale Video-CDs – deutliche schnellere Zugriffe auf Bilder und Filmsequenzen ermöglichten, wurden Form und Anzahl der Interaktionen in derartigen videobasierten Lernsequenzen deutlich erhöht. Neben der Interaktion mit dem Programm (im Sinne der Programmsteuerung) wurde die Interaktion mit den Lerninhalten zunehmend wichtiger – der Programmierte Unterricht entwickelte sich daher in dieser Zeit deutlich in Richtung des Interaktiven Lernens. Aus den LaserDisks entwickelten sich die Compact Disks (CDs) als Datenträger, denen Philips 1991 die CompactDisk interactive (CD-i, (siehe Abbildung 1.8)) zur Seite stellte und damit der Interaktivität als Alleinstellungsmerkmal dieser Form des medienbasierten Lernens die Bühne bereitete. Zahlreiche große Unternehmen wählten damals die CD-i als Basis für die Erstellung von Lernanwendungen, um den Mehrwert der Interaktion mit den Lerninhalten nutzen zu können. Der Erfolg der CD-i endete Mitte der 90er Jahre relativ abrupt, da sich CD-ROMs als Speichermedium für Computer in kurzer Zeit entwickelt und etabliert hatten und

Abb. 1.8: CD-i-Player ersetzen Anfang bis Mitte der 90er Jahre die deutlich größeren VideoPlayer als Basis für interaktive Lernanwendungen (Quelle: Wikipedia).

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PCs zunehmend öfter mit entsprechenden Laufwerken ausgestattet waren. Da Lernanwendungen für CD-ROM bei gleicher oder größerer Interaktivität deutlich preiswerter entwickelt werden konnten, als dies für CD-i der Fall war, gewannen CD-ROM-basierte Lernanwendungen auch in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung schnell an Bedeutung – und wurden später durch die netzbasierte Distribution von Lernprogrammen abgelöst (siehe Unterkapitel 1.3). Anfang der 90er Jahre liegen umfangreiche Erfahrungen mit medienbasierter Programmierter Unterweisung aber auch mit interaktiven Lernanwendungen vor – zudem ist die Verbreitung von PCs in einigen Firmen soweit fortgeschritten –, so dass Unternehmen computerbasierte interaktive Unterrichtsformen im Rahmen der Ausund Weiterbildung verstärkt einsetzen; nicht mehr nur pilotartig, sondern oft als Ersatz für traditionelle Präsenzveranstaltungen. Zunächst sind dies meist Unternehmen aus dem Technik-Sektor, ab Mitte der 90er Jahre verstärkt auch Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche (d. h. Banken und Versicherungen), da deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischenzeitlich mehrheitlich an mit PCs ausgestatteten Arbeitsplätzen arbeiten und daher bei dieser Form des Lernens keine zusätzlichen Investitionen in Infrastruktur notwendig sind.2 Die zunehmende Verbreitung des Personal Computer ermöglichte damit den Einzug des eLearning in die betrieblichen Aus- und Weiterbildung: Diese sich von Mitte der 80er bis Mitte der 90er Jahre etablierende Form des eLearning war im breiten Einsatz in Unternehmen gekennzeichnet durch interaktive und multimediale Lernanwendungen (d. h. die Integration von Text, Bild, Animationen und kleinen Bewegtbildelementen/Videos und Sounds in interaktiven Lernanwendungen), die in der Regel zunächst auf Diskette, später auf CD-ROM distribuiert wurden. In vielen Fällen dienten die damals meist Computer-Based-Trainings (CBT) genannten Anwendungen der Vermittlung von Faktenwissen (Hardskills), nur seltener der Vermittlung von Softskills.

1.2.1 Beispielhaftes monolithisches Computer-Based-Training: Das Vermächtnis des Amun Als Beispiele für ein Lernprogramm, das den Stand des damals übliche und technisch Machbaren im Bereich der multimedialen Lernprogramme aufzeigt, kann das seinerzeit vielbeachtete Computer-Based-Training Das Vermächtnis des Amun (siehe Abbildung 1.9) dienen, das 1997 von einer süddeutschen Großbank in Auftrag gegeben wur2 Die fehlende Verfügbarkeit von PCs am Arbeitsplatz führte in anderen Branchen – beispielsweise dem Einzelhandel – dazu, dass sich hier erst deutlich später und/oder in deutlich geringerem Umfang eLearning als Lernform etablierte. Wie später gezeigt werden wird, eröffnen mobile Lernformen hier in den vergangenen Jahren zunehmend neue Möglichkeiten für Berufsgruppen, die bisher nicht von computergestützten Lehr- und Lernformen erreicht werden konnten.

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Abb. 1.9: Die virtuelle Tutorin S’i-Tut’is feiert im CBT Das Vermächtnis des Amun wilde Partys und lässt den Lernenden anschließend beim Aufräumen helfen.

de, um die Mitarbeiter bei der Einführung des Betriebssystems WindowsNT zu unterstützen.3 Das Programm nutzt die Möglichkeiten, die sich seinerzeit unter dem Stichwort „Multimedia“ boten: Die Anschaulichkeit des Gesagten wurde durch Animationen oder Filme erhöht, die Inhaltspräsentation wurde durch die Einbindung von Audios erweitert. Üblich war zu dieser Zeit der Multimedia-Lernprogramme ein weitgehend monolithischer Aufbau der Lernanwendung, die vom Lernenden durchgearbeitet werden sollten. Das CBT Das Vermächtnis des Amun orientiert sich hieran, wählte aber sowohl für die den inhaltlichen Aufbau, als auch für die grafische Gestaltung einen damals neuartigen Ansatz.4 Die hinter der Konzeption des CBTs Das Vermächtnis des Amun stehenden Überlegungen schildern Katja Hoffmeister und Kai Roloff, die gemeinsam die Konzeption des Programms entwickelt haben, folgendermaßen: „Natürlich muss man zugeben: Windows NT 4.0 & Co stellen kein Wissen dar, auf das man als Mitarbeiter schon immer sehnlichst gewartet hat. Also haben wir uns 3 Da die technischen Voraussetzungen für eine Online-Anbindung bei der Bank damals noch nicht vorlagen, wurde das Projekt auf Basis von Macromedia Director als Offline-Anwendung entwickelt. Die Auslieferung erfolgte aufgrund der damals noch sehr speicheraufwändigen Audio-Files auf drei CD-ROMs zur Vorinstallation auf der Festplatte des Lernrechners. Insgesamt umfasste das Programm acht Stunden Animation, Sound und Sprache bei einer Bildschirmauflösung von 1024x768 Pixel. 4 Der beim CBT Das Vermächtnis des Amun gewählte Ansatz wurde später unter Begriffen wie GameBased-Training und Story-Based-Training bekannt.

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[Hoffmeister und Roloff waren die Geschäftsführer der Berliner Firma Virtual Heaven, die das Programm realisierten] mit unserem Ansatz an das Prinzip der Werbung angelehnt – es kommt nicht auf das Produkt, sondern auf die Verpackung an. Jedes der Kapitel wurde deshalb in eine spannende Rahmenhandlung eingebettet, wobei zwischen diesen beiden Bereichen kein gestalterischer Bruch stattfinden durfte, sondern beides inhaltlich und gestalterisch miteinander eng verwoben sein sollte. Die Kapitel wurden sehr anschaulich und einprägsam an verschiedenen Orten angesiedelt, die der User während einer Rundreise besuchen sollte. Jedes Reiseziel wurde von einem anderen Tutor betreut, der für diese Aufgabe aus charakterlichen oder sonstigen Gründen besonders geeignet schien. Damit sowohl die echten Anfänger als auch die Fortgeschrittenen von dem Programm profitieren, haben wir drei verschieden Zugänge und Nutzungsarten entwickelt: – Einen durch einen Tutor geführten und in der Reihenfolge festgelegten Weg durch das Programm. – Den Zugang über ein Auswahlmenü, so dass der User Inhalte und Reihenfolge selbst nach seinen Bedürfnissen festlegen konnte. – Den Zugriff auf ganz bestimmte Inhalte zum Nachschlagen über ein Stichwortverzeichnis. Nach einem Einstiegstest wurden dem User jeweils einer dieser Zugänge und bestimmte Inhalte empfohlen. Für diejenigen, die noch gar keine Erfahrung mit einer grafischen Benutzeroberfläche hatten, wurde außerdem noch ein Maustrainingsprogramm vorgeschaltet. Eigentlich naheliegend: Das alte Ägypten mit seinen aus heutiger Sicht immer noch rätselhaft herausragenden Leistungen in Wissenschaft, Architektur und Kultur muss der Ort gewesen sein, an dem auch das Wort Informationstechnologie seinen Ursprung hatte. Wie hätten die ägyptischen Architekten denn ohne Computerunterstützung solche baulichen Wunderwerke wie die Pyramiden errichten können? Mit dem CBT Das Vermächtnis des Amun wird diese Vermutung endlich bestätigt: Nach vielen tausend Jahren hat der etwas eitle und mysteriöse Gott Amun beschlossen, die Sterblichen in die letzten großen Geheimnisse seines Landes einzuweihen. Dazu hat er eine Reihe seiner Mitarbeiter beauftragt, den Lernenden während seiner Reise durch das Land zu betreuen und ihm in Sachen Computer und Bankensoftware alles zu zeigen und selbst ausprobieren zu lassen, was wichtig für ihn ist. Schnell stellt der Lernende fest, dass die Gehilfen, wie etwa die attraktive S’i-Tut’is oder der zerstreute Leuchtturmwärter aus Alexandria, alle recht eigenwillige Charaktere besitzen und nicht immer mit ihrem göttlichen Chef Amun übereinstimmen. Jede Reisestation wartet also mit spannenden und humorvollen Erlebnissen auf. Während die Gäste aus der Neuzeit für Windows NT 4.0 kreuz und quer durch das Land reisen müssen, können sie die neue Bankensoftware komplett im schönen Theben kennenlernen, dem Banken-Frankfurt des alten Ägyptens. Hier sind es vor allem die skurrilen Kunden,

20 | U. Dittler die dem User mit ihren sonderbaren Wünschen viel Gelegenheit zum Üben geben. Gestaltet ist das ganze Programm als eine Art interaktiver Trickfilm mit teilweise authentischer Illustration, jeder Menge Hieroglyphen und ägyptischen Piktogrammen für die Bedienelemente. Durch die enge Verknüpfung der Inhalte mit der Rahmenstory gibt es mnemotechnisch viele Anknüpfungspunkte für das neue Wissen, und damit einen reichhaltigen Kontext um die Inhalte leichter zu merken. Durch den humorvollen und selbstironischen Zeichentrick-Stil verliert der Lernende darüber hinaus den Computer und damit auch seine Angst völlig aus dem Auge. Die Tutoren sind bewusst keine oberlehrerhaften Intelligenzbestien, sondern erklären die Vorteile – aber auch die Fragezeichen – der neuen Software ganz einfach und anschaulich aus ihrer Sicht. Das Erklären der Inhalte findet tatsächlich hauptsächlich über Sprache mittels Kopfhörer statt – bei acht Stunden CBT in einer Umgebung mit viel Ablenkung war die Einbindung dieses aufmerksamkeitsstarken Lernkanals von zentraler Bedeutung für das Konzept. Neben dem Ton wiederholen der Lesetext und das ausdruckbare Begleitmaterial die wichtigsten Inhalte noch einmal in schriftlicher Form. Durch den ständigen Wechsel von Wissenspräsentation und Anwendung innerhalb der Lektionen und die abwechslungsreich gestalteten Kapitelübungen wird ein hoher Grad an Interaktivität und praxisnaher Wissensvermittlung gewährleistet. Am Ende jeder Übung erhält der Nutzer außerdem noch ein aussagekräftiges Feedback vom Tutor und eine Empfehlung, welche Lektionen wiederholt werden sollten. Spätestens in der abschließenden Gesamtübung kann der User dann auch beweisen, dass er die Inhalte nicht nur gelernt, sondern auch verstanden hat. Hier darf er selbstständig eine Aufgabenstellung bearbeiten, die die verschiedenen Aspekte der Lerninhalte auf neue Art miteinander kombiniert. Das erfolgreiche Absolvieren der Gesamtübung und damit des Lernprogramms wird in einem ausdruckbaren Zertifikat bestätigt. Die Benutzung von Lernerdisketten erlaubt den Lernenden aber auch jederzeit den Abbruch und problemlosen Wiedereinstieg an allen Programmstellen. Schließlich verfügt Das Vermächtnis des Amun über die üblichen Steuerungs- und Bedienungsfunktionen, wie Hilfe, Empfehlungen, Lesezeichen, Lautstärke oder Lexikon“ ([13], 220ff).

1.2.2 Beispielhaftes monolithisches Computer-Based-Training: Der Persönliche Berater Wie oben bereits angesprochen, waren kognitive Lernziele, d. h. die Vermittlung von Faktenwissen, oft der Inhalt von Computer-Based-Trainings, die den Durchbruch von eLearning in den 90er Jahren prägten. Es gab aber Ende der 90er Jahre auch bereits erste Ansätze um CBTs auch zur Vermittlung von Softskills einzusetzen. Da – naheliegender Weise – hierfür Zeichentrickfiguren wie im oben genannten CBT Das Vermächtnis des Amun ungeeignet schienen, wurde zur Vermittlung von Softskills in CBTs auf

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Abb. 1.10: Die Frühstücksszene aus dem CBT Der Persönliche Berater: Nachdem die Situation im Video gezeigt wurde, kann der Lernende eine Reaktion wählen.

den Einsatz von Video zurückgegriffen und so echte Personen in Realfilmen präsentiert; in der Hoffnung hierdurch eine bessere Identifikation der Lernenden mit den Charakteren zu ermöglichen und daher den Lernerfolg zu unterstützen. Das 1997 von der Münchner Firma IWL Martens Lernsysteme entwickelte CBT Der Persönliche Berater (siehe Abbildung 1.10) ist ein vielbeachtetes Lernprogramm zur Vermittlung affektiver Lernziele aus dieser Zeit. Ziel des Programms ist es, die Grundeinstellung von Menschen zu ihrem Leben und beruflichen Erfolg zum Positiven zu verändern. Jens-Uwe Martens, der für die Konzeption des CBT Der Persönliche Berater verantwortlich ist, beschreibt dies wie folgt: „Einstellungen werden erlernt und können grundsätzlich auch neu erlernt, d. h. verändert werden. Das gilt auch für solche Grundeinstellungen, die wir gegenüber unserer Person oder unserem Leben haben. Grundlegende Einstellungen zu verändern, gelingt allerdings nur, wenn der Betreffende das selbst will und sich darum bemüht. Eine der wichtigsten Aufgaben in einem solchen Prozess ist es daher, die Bereitschaft für eine Veränderung der Einstellungen zu entwickeln (Sensibilisierungsphase). Multimedia-Programme sind in idealer Weise dazu geeignet, vor allem in der Sensibilisierungsphase einen wesentlichen Beitrag zur Vermittlung dieser Einstellungen zu leisten. Sie haben sogar einige wesentliche Vorteile gegenüber einem Trainer, wenn man sie zur Vermittlung affektiver Lernziele (und damit neuer Einstellungen) einsetzen will:

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Durch entsprechende, z. B. über Video vermittelte Erfahrungen und geschickte Frage- und Aufgabenstellung hat der Lernende die Möglichkeit, wichtige Einsichten selbst für sich zu entdecken, was sehr viel wirksamer ist, als wenn diese Einsichten z. B. von einem Referenten als Behauptung dargestellt werden. Bei der Arbeit mit einem Multimedia-Programm steht der Lernende nicht unter Beobachtung. Er kann daher auf kritische Fragen, die seine Person betreffen, ehrlich antworten, ohne zu riskieren, dass er sein Gesicht verliert. Auf diese Weise kann er sich auch für ihn selbst nicht so angenehme Einsichten bewusst machen. Die Kombination von Text, Grafik und vor allem bewegtem Bild macht eine für die Veränderung von Einstellungen sehr wirksame Form der Darstellung von Inhalten möglich, die in dieser Form von einem Referenten in der Regel nicht eingesetzt wird. Vor allem durch die Identifikation mit dem Darsteller in einem Video erlebt der Lernende dessen Gefühle mit. Es kann damit also auch der emotionale Bereich der Teilnehmer systematisch in das Training einbezogen werden. […]

Das Programm Der Persönliche Berater besteht aus einer CD-ROM und einem Begleitbuch, das auch für ein begleitendes Training als Anregung und Leitfaden dienen kann. Das Multimedia-Programm auf der CD-ROM macht dem Adressaten bewusst, welche Bedeutung die Gestalter-Grundhaltung für das Leben hat, und vermittelt die Fähigkeit, eigeninitiativ zu handeln, sein Leben noch mehr als bisher selbst in die Hand zu nehmen. Kernpunkt des Multimedia-Programms bilden insgesamt ca. 50 Minuten Videosequenzen. Sie geben dem Lernenden die Möglichkeit, am Bildschirm konkret und mit emotionaler Betroffenheit zu erleben, welche Konsequenzen seine Entscheidungen haben. Der Ablauf der Filme richtet sich dabei danach, für welche der vorgegebenen Alternativen sich der Bearbeiter in den wichtigen Situationen des Filmes entscheidet. In einem typischen Kapitel des Programms sieht man z. B. ein Paar am Frühstückstisch sitzen. Die Frau macht ein mürrisches Gesicht und der Partner fragt sie: „Schatz, hast du was?“ Die Antwort lautet (natürlich): „Nein, nichts!“ An dieser Stelle stoppt der Film und der Lernende wird gefragt, wie er in dieser Situation reagieren würde. Es werden ihm mehrere Möglichkeiten zur Auswahl gestellt. Er kann z. B. ärgerlich („Glaubst du, es ist schön, mit jemandem zu frühstücken, der so ein Gesicht macht?“), verständnisvoll („Du hast recht, wir sollten heute Abend darüber reden, da haben wir mehr Zeit!“) oder gar nicht reagieren. Je nachdem, welche Möglichkeit man auswählt, zeigt der Film genau diese ausgewählte Reaktion und man erlebt, wie die Umwelt (die Partnerin) darauf reagiert. Als zweites zusätzliches Feedback erhält man einen Kommentar eines Sprechers, der die Aufmerksamkeit darauf lenkt, welche Konsequenzen diese Reaktionen für das eigene Erleben haben. So erlebt die bzw. der Lernende Szene für Szene einen typischen Arbeitstag, wobei sie bzw. er immer wieder reagieren muss und somit den gesamten Ablauf des Filmes bzw. des Tages bestimmt. Je nachdem wie diese Reaktionen der bzw. des Lernenden

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ausfallen, wird dieser Tag für den Protagonisten zu einem schrecklichen Tag oder zu einem guten Tag. Bei den Kommentaren und den gezeigten Reaktionen der Umwelt berücksichtigt der Computer die vorhergehenden Antworten. Am Ende des Tages kommt der Held dieser Geschichte dementsprechend entweder (wenn der Lernende primär stressvolle Alternativen ausgesucht hat) mit einem völlig genervten Gesicht nach Hause und sieht dann seine Partnerin, die bedrückt auf dem Sofa sitzt. „Ach, du hast ja auch noch deine Probleme“ ist seine Reaktion, die sehr schnell zu einem Streit führt; oder (wenn der Lernende primär positive Reaktionen gewählt hat) betritt er mit einer Rose in der Hand die Wohnung und schlägt seiner Partnerin vor, Essen zu gehen, damit sie ihre Probleme in Ruhe besprechen können. Man kann dieses Kapitel auch als eine Art Computerspiel sehen, bei dem es allerdings nicht das Ziel ist, den Schatz der Prinzessin zu finden, sondern man muss den optimalen Weg durch einen Tag finden – ein „Spiel“, das wir eigentlich jeden Tag spielen, nur dass wir uns dabei oft unserer Handlungsalternativen nicht bewusst sind und wir kein Feedback „vom Autorenteam“ bekommen. Neben der Gestalter-Grundhaltung werden in dem Programm weitere verwandte und unterstützende Themen behandelt: – Das positive Denken und Fühlen: Denn unsere Einstellungen und Gefühle sind davon bestimmt, was wir selbst glauben oder von anderen übernommen haben. Positives Denken hilft, mit schwierigen Situationen – nicht nur im Berufsleben – gut umgehen zu können. – Das selbstsichere Handeln: Denn positives Selbstwertgefühl und Selbstsicherheit bestimmen unseren Umgang mit anderen Menschen und den beruflichen Erfolg erheblich. Nicht aggressives Durchsetzen, sondern sich und seine Belange angemessen zu vertreten, ist das Ziel. – Richtig kommunizieren: Denn die Gestalter-Grundhaltung hilft auch bei der Fähigkeit, offen und direkt mit anderen Menschen zu sprechen, ihnen aktiv zuzuhören und richtig auf sie einzugehen – und das auch in Konfliktgesprächen. Ein Kapitel des Programms beschäftigt sich daher nur mit diesem wichtigen Thema“ ([14], 238ff).

1.3 Die Verbreitung des Internet ermöglicht kooperatives und kollaboratives Lernen und die elektronischen Begleitung von Lernprozessen Den zweiten großen – ebenfalls technologisch getriebene – Schub erlebte eLearning etwa von 1995 bis 2005: In diese Zeit fallen nicht nur technische Entwicklungen, die den Einsatz größerer Videosequenzen sowie den umfangreicherer Animationen

24 | U. Dittler und hochwertigerer Videos und Audios in CD-basierten Computer-Based-Trainings (CBT) ermöglichten. Durch die zunehmende Verfügbarkeit von Internetzugängen am Arbeitsplatz, aber auch in Hochschulen und auch (dank der entsprechenden FlatrateAngebote) in Privathaushalten, wurde die technische Grundlage für den Einsatz von Web-Based-Trainings (WBT) und Lernplattformen sowie Learning Management Systemen (LMS) geschaffen, über die den Lernenden nicht nur Lernanwendungen zugänglich gemacht werden konnten, sondern gleichzeitig auch das Verhalten der Lernenden bei der Nutzung der Lernanwendungen erfasst werden konnte. Web-Based-Trainings (WBT) unterschieden sich von Computer-Based-Trainings (CBT) zunächst technisch durch den Distributionsweg: Es mussten nicht mehr zahlreiche Disketten oder CDs kopiert werden, die dann an die zu schulenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens verschickt wurden. Stattdessen wurde nur eine URL an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommuniziert, unter der diese Zugriff auf die webbasierte Lernanwendung hatten. Es änderte sich durch die Weiterentwicklung von Computer-Based-Trainings in Form von multimedialen Lernprogrammen hin zu Web-Based-Trainings aber nicht nur der Distributionsweg für Lernanwendungen, sondern – und hierin liegt der eigentlich wichtigere didaktische Mehrwert von WBTs – es eröffneten sich auch neue Möglichkeiten der Kooperation zwischen Lernenden sowie der Unterstützung der Lernenden während der selbstverantwortlichen Lernphasen: Lernbegleitung durch Teletutorinnen und -tutoren gewann daher in dieser Phase der Entwicklung des eLearning zunehmend an Bedeutung [15, 16]. Im Rahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung konnten in dieser Phase des eLearning aber nicht nur die inhaltlichen5 und wirtschaftlichen Vorteile6 der netzgestützten Distribution genutzt werden, sondern es bot sich durch diese zentrale netzgestützte Distribution der Lernanwendung auch die Möglichkeit, verschiedene WBTs in Lernplattformen (Learning Management Systemen) zu Qualifizierungsmaßnahmen zu bündeln und diese gezielt, d. h. beispielsweise vom individuellen Lernprozess abhängig zugänglich zu machen. Derartige unternehmensweite oder hochschulweite Lernplattformen, die neben der Inhaltsdistribution auch eine differenzierte Nutzerund Kursverwaltung ermöglichen, etablierten sich um den Jahrtausendwechsel flächendeckend in Unternehmen und auch in hochschulischen Bildungseinrichtungen.7 5 Während es in der vorangegangenen Phase des eLearning sehr schwierig bis unmöglich war ältere Versionen einer Lernanwendung in einem Unternehmen wieder einzusammeln und durch aktuelle Versionen zu ersetzen, war dieses Problem mit der netzgestützten Distribution von WBTs gelöst: Es reichte die Lernanwendung auf dem zentralen Server zu aktualisieren und es war sichergestellt, dass die Lernenden stets auf die aktualisierten Lerninhalte zugriffen. 6 Die Distribution einer Lernanwendung über einen unternehmens-intern betriebenen Server ist deutlich kostengünstiger, als Produktion, Verpackung und Versand einer CD an die Mitarbeiter. 7 Vor diesem Hintergrund wurde zu dieser Zeit auch diskutiert, ob Präsenzhochschulen nicht geschlossen und durch Virtuelle Hochschulen ersetzt werden sollten. Die Gründungen einiger Virtueller

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Auch wenn – wie Kerres [17] verdeutlicht – in dieser Phase des eLearning zunehmend lernpsychologische und didaktische Überlegungen bei der Entwicklung von eLearning-Maßnahmen Berücksichtigung fanden, so war doch auch diese Entwicklungen meist geprägt von dem Gedanken, die Grenzen des technisch Machbaren auszuloten – beispielhaft sei in diesem Zusammenhang an die Entwicklung und die parallel einhergehende Diskussion um die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) in Lernprogrammen und/oder die Entwicklung Intelligenter Tutorieller Systeme (ITS) erinnert. Vor dem Hintergrund steigender Weiterbildungskosten, die zum einen durch eine Erhöhung der durchschnittlichen Teilnehmergebühren und zum anderen durch einen steigenden Anteil der jährlich weitergebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens verursacht wurden, prüften in den späten 90er Jahren immer mehr Unternehmen die Einsatzmöglichkeiten von eLearning zur Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Treibende Kraft war hierbei oft der Wunsch die Kosten für den wachsenden Bedarf an Aus- und Weiterbildung deutlich zu senken und die sich abzeichnende Kostenexplosion zu vermeiden (eine eindrucksvolle Studie zu den Gründen, die damals für die Einführung von eLearning verantwortlich waren hat Christian Kreidl unter dem Titel „Akzeptanz und Nutzung von eLearning-Elementen an Hochschulen“ [18] vorgelegt). Beim Einsatz von eLearning zur Aus- und Weiterbildung waren schon früh deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Branchen zu erkennen: Für Finanzdienstleistungsunternehmen (Versicherungen, Banken etc.) war es, bedingt durch die ausgeprägte dezentrale Filialstruktur und die hohe Verfügbarkeit von PC-Arbeitsplätzen, naheliegend, Seminar- und Reisekosten ebenso wie Kosten, die durch die Abwesenheit vom Arbeitsplatz entstehen, einzusparen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Produktinformationen und Schulungen zu neuen Produkten per eLearning zukommen zu lassen. Bedingt durch die Medien- und IT-Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war es auch für Unternehmen der EDV-, Kommunikations- und Medien-Branche naheliegend, schon früh auf elektronische Lehr- und Lernformen zu setzen. Anders stellt sich – auch oft heute noch – die Situation in den Branchen Ernährung und Einzelhandel dar: Obwohl die teilweise stark ausgeprägte dezentrale Filialstruktur den Einsatz von eLearning in Supermärkten nahelegt, ist die Ausstattung mit PC-Arbeitsplätzen oft noch so gering, dass es den Mitarbeitenden noch immer an der Möglichkeit fehlt, elektronische Lernangebote am Arbeitsplatz zu bearbeiten (einige Handelsketten sind inzwischen dazu übergegangen entsprechende elektronische Lernmaßnahmen zur Nutzung in der Freizeit oder für mobile Devices optimiert anzubieten). Hochschulen und zahlreicher virtueller Seminare und Studiengänge sollten die Möglichkeiten auch der Abbildung komplexer Qualifizierungsgänge in virtuellen Settings prüfen.

26 | U. Dittler Mit dem Platzen der dot.com-Blase gerät um den Jahrtausendwechsel auch eLearning in die Krise: Es wird deutlich, dass die hohen Erwartungen an das finanzielle Einsparpotential in vielen Fällen nicht realisiert werden konnten. Darüber hinaus gibt es teilweise erhebliche Akzeptanzprobleme und der zeitliche Vorlauf einer CBT-/WBT-Produktion ist deutlich umfangreicher als der eines Workshops oder Seminars. Das „kommerziell-industrielle content-fokussierte eLearning steckt“, wie es Beat Döbeli Honegger, Anja Ebersbach, Marco Kalz, Helmut Leitner (http://beat.doebe.li/bibliothek/w01275.html) formulieren: „in der Krise. Einerseits ist es kostspielig, professionelle Lerninhalte zu erstellen und zu warten. Andererseits bietet die Interaktion eines Lernenden mit einem technischen System nicht denselben Anreiz wie das Lernen in einer sozialen Umgebung und als Teil einer sozialen Gruppe.“ Mit Blick auf den von Gartner veröffentlichen eLearning-Hype-Cycle (siehe Abbildung 1.11) wird deutlich, dass nach dem Gipfel der überzogenen Erwartungen nach dem Jahrtausendwechsel der Weg in das Tal der Enttäuschungen folgen musste. Die in einigen Unternehmen diskutierte komplette Einstellung aller Präsenztrainings zugunsten vermeintlich preiswerterer und ebenso effektiver eLearning-Maßnahmen war spätestens zu diesem Zeitpunkt als Illusion entlarvt.

Abb. 1.11: eLearning-Hype-Cycle nach Gartner (Quelle: Gartner Group).

Mit dem Pfad der Erleuchtung und dem Weg zum Plateau der Produktivität änderte sich die Zielsetzung des eLearning-Einsatzes: Der bis dahin dominierende Kosteneinsparungsaspekt wird zunehmend verdrängt durch den Anspruch mit dem Einsatz von eLearning die Qualität eines Lehr- und Lernprozesses zu verbessern. Ansätze wie die des Blended Learning (siehe beispielsweise [19]), Einbindung von Tele-Tutoren (siehe beispielsweise [15] oder [16]), die Gestaltung aktiver Lernszenarien (siehe beispielsweise [20]), die Entwicklung neuer motivationaler Ansätze (siehe beispielsweise [21])

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und vor allem die stärkere Integration von sozialem Lernen (siehe beispielsweise [22]), werden seit Beginn des neuen Jahrtausends zu den treibenden Erwartungen an eLearning und ebnen den Weg für die weiteren Entwicklungen im Bereich eLearning.

1.3.1 Beispielhaftes kooperatives und kollaboratives WBT: Casus Curae Während lange Zeit zahlreiche Lernanwendungen für das Lernen einzelner Lernender im interaktiven Umgang mit dem Programm ausgelegt waren, ist der didaktische Mehrwert der internetbasierten Web-Based-Trainings vor allem in der Möglichkeit der Kooperation und Kollaboration von Lernenden zu sehen.8 Als Beispiel für ein solches Web-Based-Training, dass die Kooperation gemeinsam Lernender zur Methode macht, kann das an der Universitätsklinik in München entwickelte Lernsystem CASUS (siehe Abbildung 1.12) dienen: Zwei Lernende können in CASUS gemeinsam einen problembasierten Lernfall bearbeiten, wobei die Interaktionen jeweils abwechselnd durchgeführt werden können und mit dem Lernpartner besprochen werden sollten, um durch die Artikulation der eigenen Gedanken das eigene Wissen zu strukturieren (Lernen durch Lehren). Inga Hege, Martin Adler und Susanne Peter von der CASUS-Projektgruppe beschreiben die zentralen Aspekte von CASUS folgendermaßen: „CASUS ist ein fallbasiertes Lern- und Prüfungssystem, das bereits in den 90er Jahren an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians Universität München (LMU) in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der LMU entwickelt wurde. Ziel war die Implementierung eines fallbasierten Lernsystems für die medizinische Aus- und Weiterbildung um praxisrelevantes Wissen, insbesondere die Diagnosekompetenz, authentisch zu vermitteln. Außerdem sollte ein einfach zu bedienendes Autorenwerkzeug den Lehrenden ermöglichen, Patientengeschichten aus ihrem klinischen Alltag für die Lernenden aufzubereiten. Startpunkt war ein Modellversuch in dem die erste CASUS Version als Macintoshbasierte Applikation und einige Lernfälle aus der Inneren Medizin entwickelt wurden. Mitte der 90er Jahre war das Abspielsystem dann im Routineeinsatz in der medizinischen Ausbildung an der LMU. Mit zunehmender Präsenz des World Wide Web wurden zunächst das Abspielsystem und später auch das Autorensystem komplett als webbasierte Anwendung weiterentwickelt. Mittlerweile wird CASUS von einem Spin-Off weiter betreut. Derzeit nutzen das System über 150 Universitäten für die Aus- und Weiterbildung v. a. in Europa und den USA. Das didaktische Konzept der CASUS-Lernfälle basiert zum einen auf einer Erhöhung der Lernmotivation durch Interaktivität. Zum anderen soll es Lernenden helfen 8 Ein weiterer Vorteil ist in der Möglichkeit der Begleitung und Kontrolle der Lernen den zu sehen, wie sie Lernplattformen bieten.

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Abb. 1.12: Ausschnitt aus einem CASU-Lernfall.

ihr theoretisches Wissen praktisch anzuwenden und somit die Kluft zwischen Wissen und Handeln überwinden helfen. Das Konzept von CASUS ist eine lineare Fallgeschichte, im Gegensatz zu verzweigten Systemen bei denen es verschiedene Endpunkte eines Falles geben kann. Vorteile der Linearität sind zum einen eine besser abschätzbare Lernzeit und zum anderen, dass alle Inhalte allen Lernern gleichermaßen zugänglich sind. Die Interaktivität und Lerneraktivierung sind durch neun verschiedene Frageund Antwortformate, wie z. B. Multiple Choice, Freitext, Zuordnung aber auch komplexere, wie das differentialdiagnostische Netzwerk zur Förderung der differentialdiagnostischen Hypothesenbildung umgesetzt. Optional können Lernende und Experten über ein integriertes Kommentarsystem kommunizieren und Zusatzinformationen oder Hinweise einzelnen Lernenden gezielt gegeben werden. In der medizinischen Ausbildung spielt für den praktischen Unterricht das sogenannte Bedside Teaching, bei dem die Studierenden im Krankenhaus an echten Patienten unterrichtet werden, eine wichtige Rolle. Solche realen Patienten stehen aber nicht uneingeschränkt zur Verfügung und zudem kann nicht sichergestellt werden, dass sich die Studenten mit allen relevanten Krankheitsbildern auseinandersetzen. Das fallbasierte Lernen an authentischen Problemen kann diese Unterrichtsform ergänzen, in dem Patientengeschichten aufgearbeitet werden und als Vor- und Nachbereitung oder Ergänzung zum klinischen Unterricht eingesetzt werden. Authentische Patientenfälle erleichtern den Transfer auf die spätere klinische Praxis. Der Aufbau von CASUS unterstützt die Fallautoren dabei, die Patienten aus der klinischen Arbeit virtuell umzusetzen.

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Die Expertenrückmeldung ist neben den Antwortkommentaren auch durch optionale Expertenkommentare gewährleistet, die zu einzelnen Karten z. B. weitergehende Informationen vermitteln. Speziell zur Förderung des differentialdiagnostischen Denkens wurde das differentialdiagnostische Netzwerk zur Förderung der differentialdiagnostischen Hypothesenbildung entwickelt. Dabei rekonstruiert der Experte seinen Prozess der Diagnosefindung und ermöglicht es den Lernenden diesen nachzubilden. Diese werden zu entscheidenden Zeitpunkten während der Fallbearbeitung aufgefordert ihre Hypothesen zu möglichen Differentialdiagnosen zu formulieren und mit den bisher erhobenen Befunden in Beziehung zu setzen und zu bewerten. In einer empirischen Studie wurde gezeigt, dass diese Concept Mapping Strategie besonders effektiv bezüglich des Lerneffekts ist, wenn die Lernenden dazu aufgefordert werden, ihre Lösung mit der des Experten zu vergleichen. Das Werkzeug wurde am Beispiel der Medizin entwickelt, lässt sich jedoch sehr gut auf andere Bereiche übertragen. CASUS wird neben den medizinischen Fachgebieten [daher derzeit] auch in der Zahnmedizin, Tiermedizin, Pflegewissenschaften sowie in Anglistik und Rechtswissenschaften für die studentische Ausbildung eingesetzt“ ([23], 101ff).

1.3.2 Beispielhafte Begleitung der Lernenden: Die VIVERSALernplattform der D.A.S.-Versicherung Nach einigen Jahren Erfahrungen mit auf Disketten oder CDs vertriebenen ComputerBased-Trainings führten um den Jahrtausendwechsel zahlreiche Unternehmen parallel zum Einsatz von Web-Based-Trainings auch zentrale Lernplattformen ein. Diese zentralen Lernplattformen sollten nicht nur dazu dienen, das wachsende Angebot an CBTs und WBTs zu strukturieren und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einfacher zugänglich zu machen, sondern zentrale Lernplattformen ermöglichten es zudem, einzelne Lernmedien zu komplexeren Kursen und Schulungsmaßnahmen zusammenzubinden. Führend bei der Einführung von Lernplattformen waren verschiedene Finanzdienstleistungsunternehmen (Banken, Versicherungen etc.); großes Engagement bei der Einführung zunächst von Lernprogrammen, aber auch bei der Einführung einer zentralen Lernplattform zeichnete die D.A.S.-Versicherung aus. Werner Kohn, bei der Fa. VIWIS für die Lernplattform (siehe Abbildung 1.13) verantwortlich, beschreibt die damaligen Grundgedanken wie folgt: „eLearning hat – betrachtet man die zeitliche Entwicklung der elektronischen Medien – in den D.A.S.-Versicherungen eine lange Tradition: Seit 1993 werden Standardlernprogramme und seit 1994 Eigenproduktionen eingesetzt. Versicherungsgesellschaften sind aufgrund der dezentralen Struktur ein prädestiniertes Einsatzfeld von computergestützten Lernsystemen. Die Aus- und Weiterbildung – vor allem der Außendienstpartner – besitzt Einsatzbedingungen, deren Analyse folgerichtig Bildungskonzepte generiert, die von einem Lernen im Medienverbund ausgehen, d. h.,

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Abb. 1.13: Übersichtsseite der VIVERSA -Lernplattform, auf der dem Lernenden die verschiedenen Weiterbildungsangebote präsentiert werden.

eine Synthese von traditionellen Medien und Methoden (Präsenzveranstaltungen jeglicher Art, Analogmedien u. a.) sowie eLearning-Komponenten. […] Die technischen, aber vor allem auch die didaktischen Möglichkeiten des Internets führen dazu, dass die Aus- und Weiterbildungskonzepte bzw. das vorhandene Medienverbundsystem durch vernetzte Lernsysteme ergänzt werden. […] Die virtuelle Versicherungsakademie VIVERSA ist eine integrierte und funktional erweiterbare intranet- bzw. internetbasierte Lösung für das Management von Lernprozessen, bei dem unterschiedlichen Rollen (Lernender, Tutor, Administratoren, etc.) unterschieden werden. Der eLearning-Content kann nur in den gesamten didaktischen Möglichkeiten genutzt werden, wenn eine Lernplattform wie die VIVERSA zur Verfügung steht. – Die VIVERSA ist ein unternehmensweites Learning Management System, dass in einer Entwicklungspartnerschaft mit Microsoft Deutschland konzipiert und programmiert wurde. In einer aus ergonomischen Erwägungen gewählten Analogie entspricht sie einer virtuellen Universität bzw. einem betrieblichen Ausbildungszentrum mit allen administrativen, didaktischen sowie Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten. anders als bei eigenentwickelten Sonderlösungen – die Betriebskosten niedrig. Hinzu kommt, dass die Implementierungszeit damit verkürzt wird“ ([24], Seite 305ff).

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Als besonders bedeutsam werden in diesem Zusammenhang folgende – damals typischen – Aspekte und Funktionen der Lernplattform dargestellt: – Rollenbasiertes Nutzermodell: In der VIVERSA werden den Benutzern unterschiedliche Rollen zugeordnet. Diese Rollen sind an bestimmte Funktionen und damit Rechte in der VIVERSA gekoppelt. Verschiedene Nutzergruppen haben also verschiedene Zugriffs-, Autoren- und Administrationsfunktionen zur Verfügung. – Contentverwaltung: Das integrierte dynamische Contentsystem erlaubt eine strukturierte Verwaltung von Inhalten und deren verschiedensten Einsatz, z. B. die flexible Wiederverwendung von bereits existierenden Lernobjekten und Strukturen für die Erstellung weiterer Bildungsangebote. – Suchfunktion: Die Schlagwortsuche in Lerninhalten und Bibliothek garantiert das schnelle Finden von Informationen. – Identische Oberfläche für alle Benutzer: In der VIVERSA besteht eine einheitliche Benutzeroberfläche für Lerner, Trainer und Administratoren. Durch die intuitive Menüführung bleibt der Schulungsaufwand gering. – Unkomplizierte Umsetzung: Die VIVERSA ist praxiserprobt und zeitnah beim Kunden lauffähig. – Einfacher Zugang zur Lernumgebung: Die Homepage stellt die persönliche Eingangsseite der VIVERSA -Lernplattform dar. Unter Meine Lernangebote werden die dem User zugeordneten Curricula (Bildungsangebote) aufgelistet. Strukturell ist ein Curriculum (CC) ein Bildungsangebot in der Terminologie der VIVERSAPlattform. Ein Curriculum/Bildungsangebot besteht aus Modulen, Module bestehen wiederum aus sogenannten Bausteinen. Als Bausteine sind zu verstehen: Lernprogramme, Tests, Umfragen, Dokumente, Foren, Datenaustauschbereiche, Links, Seminare – Bildungsangebot: Eine Übersicht über alle angebotenen Lehrgänge befindet sich im Bildungsangebot. Diese können auch von dort aus gebucht werden, sofern diese Inhalte für den Lerner zugelassen sind. Wurde ein Kurs ausgewählt, so erscheint er automatisch im Lernzentrum. – Mediathek: Die VIVERSA verfügt über eine Mediathek, die sich in einen allgemeinen Bibliotheksbereich und einen geschlossenen Bereich für definierte Benutzergruppen (z. B. Trainerunterlagen im Lehrerzimmer) gliedert. Die Mediathek stellt einen Wissens- und Informationspool dar, in welchen unterschiedlichste Medien wie Video- und Audiosequenzen, Textdokumente, PowerPoint-Präsentationen, etc. eingestellt werden können. – Kommunikation: Die VIVERSA bietet verschiedene synchrone und asynchrone Kommunikations- bzw. Kooperationstools ([24], Seite 312ff).

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1.4 Die Anfänge des Web2.0 ermöglicht neue Formen des eLearning Der dritte großen Impuls für Veränderung des elektronisch unterstützten Lehrens und Lernens war in den Jahren 2005 bis 2012 zu beobachten und wird mancherorts auch als eLearning2.0 bezeichnet. eLearning2.0 wurde ermöglicht durch die zunehmende Bedeutung von Blogs, Wikis und Podcasts (und des Bedeutungsgewinns des UserGenerated Content) als neue Kommunikationsformen (vgl. [25]). Diese kollaborativen, internetbasierten Kommunikationsformen, die Tim O´Reilly in seinem bekannten Artikel 2005 als „web2.0“ bezeichnete [26], ermöglichten es allen Internetnutzerinnen und Internetnutzern Informationen und Kommunikationsbeiträge anderen Nutzern zugänglich zu machen. Auch elektronische Lehr- und Lernangebote begannen diese neuen Möglichkeiten aufzugreifen und sich dahingehend zu ändern, dass die zentrale Bedeutung eines multimedialen Lehr- und Lernprogramms um die kommunikativen Möglichkeiten von Foren, Blogs und Wikis ergänzt wurden. Die hierfür notwendigen Kommunikationsräume wurden in der Regel in Lernplattformen bereitgestellt, in denen diese neben Web-Based-Trainings verfügbar waren (vgl. [27]). Neben den Inhalten, die durch die Lernanwendung vermittelt wurden, gewann so die im Austausch mit anderen Lernenden geteilten Eindrücke, Meinungen und Erfahrungen für den Lernprozess einer bzw. eines jeden Lernenden zunehmend an Bedeutung. Dennoch haben wir es auch bei Lernanwendungen dieser Zeit meist noch mit institutionalisierten Angeboten zu tun – die (wie in den folgenden Beispielen gezeigt werden kann) zunehmend auf Video als Vermittlungskanal setzte und damit an den großen Erfolg der Plattform YouTube anknüpfen. Vielfach war bei den einzelnen Entwicklungsphasen von eLearning zu beobachten, dass die Hochschulen nicht als Vorreiter agierten, sondern oftmals auf die in der betrieblichen Bildung bereits etablierten Trends aufsetzten. Dennoch zeigte sich, dass Hochschulen zunehmend auch zukunftsorientierte didaktische Konzepte entwickelten die diese Entwicklungswellen des eLearning aufgreifen und weiterdenken (vgl. [28]).

1.4.1 Beispielhafte videobasierte Lernanwendungen: Akubis TV Während in dieser Phase des eLearning unter dem Stichwort User-Generated Content von Nutzern unzählige Tutorials auf Plattformen wie YouTube bereitgestellt wurden, in denen in kurzen Videosequenzen Anleitungen für alle möglichen Fragen und Herausforderungen des Alltags gegeben wurden, greifen unter (intranetbasiertem) Business-TV auch Unternehmen – teilweise mit erheblichem Aufwand – den Erfolg der Wissensvermittlung mit Bewegtbildern im Stile klassischer Informationssendungen (wie sie aus dem Fernsehen bekannt sind) auf. Um zudem die zunehmend an Be-

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Abb. 1.14: Live-Produktion einer AKUBIS classic Sendung zum Thema PKW.

deutung gewinnenden Aspekte der Kommunikation und Interaktion der Lernenden untereinander aufzugreifen und auch bei der Konzeption der Schulungssendungen zu berücksichtigen, wurden diese (Live-)Sendungen meist durch die Möglichkeit der telefonischen Kommunikation mit den Moderatorinnen und Moderatoren der Sendung (Call-In) und/oder um die Möglichkeit zum kommunikativen Austausch zu den Sendungsinhalten in einem sendungsbegleitenden Forum ergänzt. Der Automobilhersteller Daimler begann bereits in den 80er Jahren mit ersten Versuchen mit einem videobasierten Lehrmedium. Seit Ende der 90er Jahre wurde dieses Format - bei Daimler wurde das Schulungs-TV unter dem Namen AKUBIS eingeführt – massiv ausgebaut und an die neuen technischen Möglichkeiten der internetbasierte Distribution angepasst. Michael Temme, bei Daimler verantwortlich für AKUBIS, beschreibt die Entwicklung von AKUBIS (siehe Abbildung 1.14) folgender maßen: „[Schon Anfang der 90er Jahre war] absehbar, dass die Daimler AG den gesamten, weltweit extrem wachsenden Schulungs- und Qualifizierungsbedarf über die klassische Methode des Präsenztrainings mittelfristig nicht mehr zufriedenstellend abdecken konnte. Folglich wurde intensiv nach Möglichkeiten gesucht, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen effizienter für die betreffenden Zielgruppen aufzubereiten, ohne dabei auf didaktisch wichtige und erprobte Trainingsbestandteile zu verzichten.

34 | U. Dittler Völlig unabhängig von diesen Problemstellungen, gab es Ende der achtziger Jahre erste Versuche mit der Informationsbereitstellung über das sog. Business-TV – insbesondere in international tätigen Großkonzernen. Parallel zu dieser Entwicklung wurde zu Beginn der neunziger Jahre im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Entwicklung in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundespost – im Rahmen der Wiedervereinigung – ein Infrastrukturprojekt zur Erschließung der neuen Bundesländer mit Glasfasernetzen initiiert. Für dieses Projekt wurden Partner aus der Industrie gesucht, um die Möglichkeit zur Übertragung von TV-Signalen über Glasfaserstrecken im größeren Stil zu untersuchen. Für dieses Infrastrukturprojekt entwickelte die Daimler AG ein entsprechendes TV-Trainingskonzept welches die didaktischen Grundzüge aus den öffentlichrechtlichen Telekolleg-Sendungen aufgriff, die in der Bundesrepublik in den siebziger Jahren ein fester Bestandteil des regulären Sendeprogramms – insbesondere der dritten Programme – darstellte. Dieses Sendekonzept wurde auf die besonderen Belange von After Sales Service-Trainings adaptiert. Wesentliche Neuerungen waren u. a. die Integration von Praxisanteilen im Sendekonzept, sowie die Schaffung von Interaktionsmöglichkeiten für die Trainingsteilnehmer während der laufenden Sendungen. Auf Basis dieser Parameter wurde das TV-Training unter dem Namen AKUBIS (Automobiles Kommunikations- und Breitband Informations-System) konzipiert, in denen der Trainer quasi vor laufender Kamera ein entsprechendes Service-Training durchführte, während in sog. Außenstationen die Trainingsteilnehmer dieses live am Bildschirm verfolgen konnten, und bei Bedarf direkt Fragen ins Studio stellen konnten. Die Außenstationen waren hierzu nicht nur über eine Telefonleitung mit dem Studio verbunden, sondern verfügten durch den Einsatz der seinerzeit hochmodernen ISDN-Kanaldopplung sogar über eine Echtzeit Bild-verbindung ins Sendestudio. In den folgenden Jahren wurde dieses TV-Trainingskonzept, welches heute unter dem Namen AKUBIS classic firmiert stetig verfeinert und weiterentwickelt, und bildete damit quasi die Keimzelle für alle später neu dazu gekommenen AKUBIS TVTrainingsformate. Die Live-Sendungen dauern bis zu acht Stunden täglich und werden unterbrochen durch mehrstündige Praxisbestandteile in welchen die Teilnehmer – unter Betreuung vor Ort – die im Studio gezeigten Trainingsinhalte live am Fahrzeug nachvollziehen. Daraus entstehende Fragen werden wiederum im Anschluss ebenfalls live direkt ins Studio gestellt, und dort von den Trainern beantwortet. […] 2004 [haben wir uns] intensiv Gedanken gemacht, wie wir das Thema TV-Training weiter vorantreiben können. Insbesondere vor dem Hintergrund der großen Wachstumsmärkte wie China, Indien, Russland und Brasilien, die wir mit unserem Sendeformat AKUBIS classic nicht erreichen konnten. In diesen Märkten zeigt sich zudem sehr deutlich, dass dort in noch weit stärkeren Masse Trainingsnotwendigkeiten bestehen als dies in Europa der Fall ist. Dort werden derzeit viele neue Retailbetriebe eröffnet und die neuen Mitarbeiter haben einen enormen Trainingsbedarf, da diese in den meisten Fällen noch nicht auf eine langjährige Berufserfahrung zurückgreifen können.

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Die Hauptzielsetzung war und ist demnach, das Trainings TV nicht mehr über dedizierte Empfangsstationen auszustrahlen, sondern dieses direkt in jedem Retailbetrieb verfügbar zu machen. Hierzu benötigen wir eine einfache und preiswerte Empfangstechnik und natürlich ein neues effizienteres Sendekonzept. Glücklicherweise hat sich die Hardware in den letzten Jahren schnell weiterentwickelt, so dass wir heute nicht mehr über Rückprojektionsbild-schirme und kanalgebündelte ISDNStandleitungen nachdenken müssen, sondern uns auf handelsübliche Flatscreen-TVGeräte in Verbindung mit netzwerkfähigen Sat-Empfangsboxen bzw. Internetbreitbandanbindungen konzentrieren können. […] Das bisherige Sendeformat AKUBIS classic war und ist nach wie vor ein TVTraining, welches konzeptionell von klassischen Präsenztrainings abstammt. Das neue Sendeformat, wir nennen es AKUBIS direct, wurde erstmals im November 2006 für den deutschen Markt im Stil einer Nachrichtensendung produziert. Die Nutzung dieses neuen Sendeformats von AKUBIS war für die Betriebe und Mitarbeiter von Anfang an freiwillig. Demzufolge waren wir natürlich sehr gespannt, ob wir mit unserem neuen Sendekonzept die Bedürfnisse unserer originären Zielgruppe tatsächlich getroffen haben. Um es vorwegzunehmen: die Akzeptanz war sehr gut. Bereits nach nur vier Monaten hatten sich mehr als 400 Retailbetriebe in Deutschland in die benötigte Empfangstechnik investiert und diese installiert. In den AKUBIS direct Nachrichtensendungen bringen wir heute 1 bis 2-mal pro Woche runde 30 Minuten alles Aktuelle zum Thema Kfz-Technik. Jede Sendung wird mehrmals täglich die ganze Woche wiederholt. Wir produzieren derzeit 50 AKUBIS direct Sendungen pro Jahr, die jeweils in 7 Sprachen ausgestrahlt werden. Jede 30minütige Sendung besteht aus 4–6 Beiträgen; Themen zu Pkw, Nfz, Antriebstechnik können genauso enthalten sein, wie Telematik, Lack oder Karosseriebau. Darüber hinaus wird jeder AKUBIS direct Beitrag nach der Ausstrahlung in einer speziell dafür eingerichteten AKUBIS direct Video-on-Demand-Datenbank zur Verfügung gestellt. Damit steht jedem Retailbetrieb, der AKUBIS direct zur Qualifizierung seiner Mitarbeiter einsetzt, zusätzlich eine stetig wachsende AKUBIS direct Mediathek mit aktuell über 900 visualisierten Reparaturanleitungen über alle MercedesBenz Produkte zur Verfügung. Ein Feature dessen Attraktivität durch jährlich über 50.000 Abrufe seitens unserer Retailmitarbeiter nachhaltig dokumentiert wird“ ([29], Seite 379ff).

1.4.2 Beispielhafte videobasierte Lernanwendungen: Das SecondLife-Seminar „How to create an attractive sport event“ Auch an Hochschulen gab es im Umfeld von Web2.0 und eLearning2.0 spannende Ansätze um die neuen Technologien in der Lehre zu integrieren. Zwei sehr unterschied-

36 | U. Dittler liche Umsetzungen sollen in diesem Unterkapitel und im Folgenden kurz vorgestellt werden: An der Universität Hamburg wurde 2008 in Kooperation mit dem MultimediaKontor Hamburg eine Veranstaltungsreihe Eventmanagement im Sport entwickelt. Das Besondere dieser Reihe bestand darin, dass die einzelnen Veranstaltungsteile den Lernenden jeweils als (Video-)Podcast zur Verfügung gestellt wurden – und zumindest in einem Fall auch in der damals sehr trendigen Welt von SecondLife9 angesiedelt waren (siehe Abbildung 1.15). In der Folge Episode 18: How to create an attractive Sportevent 10 ist ein Avatar zu sehen, der den Referenten repräsentiert, der vor einer virtuellen Leinwand zu Folien referiert.

Abb. 1.15: Der Avatar präsentiert stellvertretend für den Referent in SecondLife den Vortrag zum Thema How to create an attractive Sportevent.

Bei den Betrachtern dieser Lehrveranstaltungsaufzeichnung aus SecondLife schleicht sich heute schnell der Eindruck ein, dass der technische Aufwand zur Erstellung dieser virtuellen Vortragssituation zweifellos groß gewesen sein mag, mit dem Avatar und der nachgebildeten Vortragssituation jedoch ein virtuelles Setting gebaut wurde, das 9 SecondLife ist eine Online-3D-Infrastruktur für von Benutzern gestaltete virtuelle Welten, in der Menschen durch Avatare interagieren, spielen, Handel betreiben und anderweitig kommunizieren können. Einige Hochschulen, beispielsweise neben der Universität Hamburg auch die TU Darmstadt, bauten ihren jeweiligen Campus in SecondLife nach und boten dort auch virtuelle Lehrveranstaltungen an. 10 Abrufbar unter http://www.podcampus.de/nodes/pjzmE. Umfangreiche Hintergrundinformationen finden sich auch in der Veröffentlichung von Hebbel-Seeger & Förster [30].

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wenig mit einer echten und authentischen Vorlesungssituation an einer Hochschule – und auch wenig mit der vermutlichen Erwartung der Rezipienten an Hochschulunterricht – zu tun hat: Die visuelle Ausgestaltung des Avatars entspricht weder dem Aussehen des tatsächlichen Referenten, noch einem „durchschnittlichen“ Hochschullehrer. Gestik und Mimik passen nicht zum Vortrag und Vortragsstil. Und auch die sich permanent bewegende Kamera und die unterschiedlichen Kameraperspektiven (so ist der Referent teilweise auch von hinten aus einer Vogelperspektive zu sehen) entsprechen weder dem, was man aus entsprechenden Vortragssituationen gewöhnt ist, noch stellen sie eine sinnvolle Bereicherung zum gesprochenen Wort dar. Es verwundert mit Blick auf dieses Beispiel nicht, dass auch Hochschulen ihre Versuche der Etablierung von Bildungsangeboten in SecondLife zwischenzeitlich beendet haben.

1.4.3 Blogbasierte Lernanwendung zur Interview-Dokumentation Als zweites Beispiel soll an dieser Stelle der Weblog-Einsatz im Rahmen des Studiums der Angewandten Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) erwähnt werden: Im Rahmen des Studiums wurden die 28 Studierenden eines Semesters gebeten, paarweise Interviews mit den Marketingverantwortlichen von Unternehmen zu führen. In klassischer Weise wurden die Ergebnisse anschließend in Form von Kurzreferaten (max. 10 Minuten pro Team) dem gesamten Semester vorgestellt und diskutiert. Als Leistungsnachweis mussten die Interviews zudem jeweils transkribiert und dem Dozenten abgegeben werden. Die Abgabe erfolgte jedoch nicht in der traditionellen Form als Papierausdruck, sondern die Transkripte wurden in einem Weblog gesammelt, so dass diese nicht nur als Leistungsnachweis dem Dozenten zur Verfügung standen, sondern zudem von alle Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern jeweils eingesehen und nachgelesen werden konnten (siehe Abbildung 1.16). Durch diese Form der Inhaltsaufbereitung hatten die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer bei Interesse das gesamte Interview und damit deutlich mehr Informationen zur Verfügung, als in den 10 Minuten des studentischen Referats dargestellt werden konnten. Die genannten Beispiele zeigen, dass die im Rahmen des Web2.0 populär gewordenen Internetdienste (Facebook, YouTube, SecondLife, Blogs, Wikis etc.) neue Präsentations- und Vermittlungsformen hervorbrachten, die als eLearning2.0 auch die Formen des elektronischen Lehrens und Lernens veränderten. Zeitgleich begann auch der Siegeszug von Smartphones, so dass ein Zugang zu elektronisch präsentierten Lerninhalten jederzeit und überall möglich wurde.

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Abb. 1.16: Weblog zur Veranstaltung Mediennutzung, -rezeption und -wirkung, in dem die transkribierten Interviews für alle Veranstaltungsteilnehmer nachlesbar sind.

1.5 Smart Devices ermöglichen jederzeit und ubiquitär den Zugang zu Wissen Etwa 2005 begann eine weitere dramatisch Änderung der Internetnutzung: Relativ zeitgleich zum Bedeutungszuwachs der Dienste des Web2.0 begann sich – bedingt durch die zunehmende Verfügbarkeit von sogenannten Smart Devices (Smartphone, Tablett-PCs, später auch SmartWatches etc.) – auch die Internetnutzung massiv zu verändern: Das Internet wurde zu einem jederzeit und überall verfügbaren Medium. Die ubiquitäre und jederzeitige Verfügbarkeit des Internet mittels smarten Endgeräte stellte erneut einen Impuls dar, der innerhalb weniger Jahre eLearning nochmals

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stärker und nachhaltiger zu beeinflussen, als dies durch die vorangegangenen Entwicklungen geschehen war. Die Industrienationen standen an der Schwelle zur Postmedialität, die nicht nur eLearning, sondern ganz grundsätzlich unser Verständnis von Lernen, Wissen und Bildung nachhaltig zu verändern begann. Der um 2010 geprägte Begriff der Postmedialität ([31] und [32]) soll vor diesem Hintergrund verstanden werden als eine Phase, die zeitlich an die Industriegesellschaft (geprägt durch die Kraft- und Transportmaschinen und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten der spezialisierten und arbeitsteiligen Produktion von Gütern in Industriebetrieben), die Informationsgesellschaft (geprägt durch die flächendeckende Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von Informationsverarbeitung und Dienstleistungsberufen) sowie die Mediengesellschaft (geprägt durch die weltweite Verfügbarkeit digitalisierter Texte, Bilder und Töne) anschließt und damit die neue große Kultur und Gesellschaft prägende Phase des 21. Jahrhunderts darstellt. Postmedialität ist daher: – die Allgegenwart technischer Informations- und Kommunikationsmedien, – die jederzeitige Verfügbarkeit von weltweit existierender Information und vor allem als – eine neue Form von Datenqualität die neue Herausforderungen an die Kompetenz des Menschen in Zeiten der Postmedialität stellt. Anknüpfend an die klassische, technische Unterteilung des Medienbegriffes ist eine notwendige Voraussetzung für die Postmedialität die Allgegenwart von Präsentationsund Speichermedien. Die technische Form dieser Medien ist beliebig eng mit einer Anwenderin und einem Anwender verzahnt denkbar: von entsprechenden SmartDevices über in Kleidungsstücke integrierte wearable computer bis hin zu subcutan implantierten Chips. Wesentliches Merkmal ist die jederzeitige Verfügbarkeit eines vernetzten Informations- und Kommunikationsmediums. Neben der Verfügbarkeit dessen, was wir heute als technische Infrastruktur bezeichnen, ist auch die Verfügbarkeit der Information – im Sinne eines Repräsentationsmediums, eines Übertragungsmediums und eines Informationsaustauschmediums – ein notwendiger Bestandteil der Postmedialität: Die technische Form der drahtlosen Vernetzung ist nicht alleine entscheidend, die ubiquitäre Verfügbarkeit der (beispielsweise im Internet und in Sozialen Netzwerken) gesammelten Information ist das zweite zentrale technische Merkmal der Postmedialität. Das Wissen der Welt, bereits vor Christi Geburt gesammelt in Enkyklios paideia („Kreis der Bildung“), populär geworden in der mehrbändigen Encyclopædia Britannica und derzeit gesammelt in Plattformen wie Wikipedia, verändert sich. Darüber hinaus ändert sich auch die die Qualität dieses Weltwissens – da sich der gesellschaftliche und individuelle Hintergrund der Interpretation der gesammelten Information stets ändert – aber auch das Ziel mit dem es gesammelt wird ändert sich: Johann Amos Comenius begann im 17. Jahrhundert damit, geleitet von dem philosophischen Grundsatz seiner Pädagogik „omnes omnia omnino“ („alle Menschen al-

40 | U. Dittler les zu lehren“), alles Wissen seiner Zeit zu sammeln. Wie er in seinen Büchern „Orbis sensualium pictus“ und „Orbis pictus“ darstellt, verfolgte er das Ziel, allen Menschen alles Wissen seiner Zeit zugänglich zu machen und so zur gesellschaftlichen Verbreitung von Bildung beizutragen. Dieser Gedanke – der das gesamte Leben und Werk von Comenius prägte –, der es für möglich hält alles Wissen einer Zeit niederzuschreiben, um eine vollumfängliche Wissenssammlung zu erstellen, erscheint uns heute – in Zeiten, in denen sich das Wissen der Welt in regelmäßigen Abständen verdoppelt – zunächst fremd. In aktuellen Bildungsszenarien geht es daher nicht mehr darum, umfassende Wissenssammlungen zu vermitteln, sondern darum Handlungskompetenzen (auch) für unvorhersehbare Handlungssituationen aufzubauen: Nicht mehr nur umfassende Allgemeinbildung, sondern auch Mündigkeit – im Sinne von Wolfgang Klafki [33] – wurden seit Mitte des letzten Jahrhunderts zu wesentlichen Zielen der institutionalisierten Ausund Weiterbildung erhoben. In Zeiten des WorldWideWeb und der beachtlichen Erfolge von Online-Enzyklopädien wie Wikipedia scheint der Comenius-Gedanke der Sammlung des Weltwissen in einer für alle Menschen zugänglichen Weise eine Renaissance zu erleben … Plakativ kann der Unterschied zwischen dem Ansatz von Comenius und dem Ansatz des der Sammlung des Weltwissen von Wikipedia auf den Unterschied zwischen Expertinnen- und Expertenwissen und Wisdom of the Crowd reduziert werden. Da aber neben der Sammlung von Wissen auch der Umgang mit (gesammeltem) Wissen, d. h. unsere Form der Aneignung von Wissen einen massiven Einfluss auf unser Verständnis von Welt hat, soll dieser Gegenüberstellung im Folgenden etwas mehr Raum gegeben werden. Die zentralen Thesen, die es in diesem Zusammenhang zu prüfen gilt, sind die Vermutungen, dass: – … die Allgegenwärtigkeit von Informationen zu einer radikalen Veränderung von Lernprozessen führt. Und dass … – … diese Veränderungen der möglichen Lernprozesse auch einen nachhaltigen Einfluss auf Lehrprozesse im Bereich des institutionalisierten Lehrens und Lernens haben (wie dies beispielsweise in Schulen, Hochschulen und in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung stattfindet). – Darüber ist seit Jahren ein enormer Bedeutungszuwachs im Bereich des noninstitutionalisierten Lernens, d. h. des informellen Lernens zu beobachten. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die Verfügbarkeit unzähliger Videos zu nahezu allen Inhalten beispielsweise auf YouTube und auch in Bildungsangeboten von Hochschulen wird dem selbstverantwortlichen Lernen (beispielsweise in den in der Bologna-Reform etablierten Selbstlernphasen von Bachelor- und Masterstudiengängen) zunehmend Raum gegeben – oft verbunden mit der Freiheit, dass die Lernenden zu den Lehrmitteln greifen, die ihren individuellen Lerngewohnheiten entgegenkommen.

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Die angesprochene Verbreitung von SmartDevices ermöglichte neue Lernformen und neue Formen der Aufbereitung und Verfügbarmachung von Wissen – bei denen, wie an den folgenden Beispielen gezeigt werden kann, auch auf neue Kommunikationsformen zurückgegriffen wurde, die sich durch die jederzeitige Kommunikation mit SmartDevices etablierte.

1.5.1 Beispielhafte mobile Lernanwendungen: Deutschen Bahn Die jederzeitige Verfügbarkeit des Internet und der damit einhergehende jederzeitige Verfügbarkeit auch von Informationen und Lerninhalten verändert auch die Struktur und die organisationale Verankerung von Lerninhalten: Lerneinheiten können deutlich kleiner werden und können sehr viel stärker auf ein konkretes Anwendungsproblem bezogen sein, als dies bei umfangreichen Lernanwendungen der Fall ist, die ggf. stärker darauf ausgelegt sind Grundlagen und ein umfassende Verständnis zu vermitteln, als konkrete Handlungsanweisungen zur Lösung eines aktuellen Problems. Die oft auch räumliche Trennung von Lernen und Arbeiten, die sich noch zum Jahrtausendwechsel auch daran zeigte, dass Schulungszentren und/oder Schulungsräume oft vom Arbeitsplatz entfernt waren (und/oder Seminare und Schulungen in Hotels stattfanden, die die Unternehmen für diese Zwecke anmieteten), löst sich auf; arbeitsplatznahes Lernen gewinnt auch für eLearning an Bedeutung. Dass die veränderte Lernsituation (ggf. direkt im Kontakt mit einer Kundin oder einem Kunden), der veränderte Lernort (direkt am Arbeitsplatz und damit auch den an dieser Stelle üblichen Störungen ausgesetzt) und der (meist reduzierte) Umfang des Lerninhalts („Learning Nugget“) auch Auswirkung auf den didaktischen Aufbau solcher Lernanwendungen haben, machen Gerd Schumacher und Bianca Wode in ihrer Vorstellung des Projektes Pro InFo Kin (siehe Abbildung 1.17), eines Projektes zur Steigerung der Qualität von Service und Fahrgastbetreuung der Deutschen Bahn deutlich, wenn sie es folgendermaßen beschreiben: „Die Anforderungen an ein serviceorientiertes Verhalten des eingesetzten Personals sind in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Die regelmäßige und aktuelle Qualifizierung der Zugbegleiter, die sogenannten Kundenbetreuer im Nahverkehr (KiN), ist dafür eine zentrale Voraussetzung. Neben der betrieblichen und faktenbasierten Wissensvermittlung, wie es z. B. bei Tarifen, Vertriebsthemen und der Abfertigung des Zuges der Fall ist, haben „weichere“ Themen, wie etwa Verhalten, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Zusätzliche Herausforderungen sind mit Blick auf schnelle und effiziente Informationen der (mobilen) Mitarbeiter angesichts der Komplexität der „Regio-Welt“ entstanden. Die Mengen an Informationen, die dabei zusammenkommen und verteilt werden müssen, erfordern eine treffsichere und nutzerrelevante Verteilung. Die Informationsverteilung mittels „Gießkanne“ und über das Medium Papier wird zunehmend als schwer handhabbare Informationsflut angesehen und mündet nicht selten in Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern.

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Abb. 1.17: Zugbegleiterin mit Pro InFo KiNTablet. (Quelle: [34], Seite 194).

Vor diesem Hintergrund prüfte die DB Regio AG den Einsatz von Tablet-PCs zur Optimierung der Information und Fortbildung ihres mobilen Personals. Gemeinsam mit DB Training, Learning & Consulting, dem internen Weiterbildungsdienstleister, wurde bereits 2011 ein Konzept entwickelt und pilotiert, das auf die Arbeits- und Lernbedingungen der KiN zugeschnitten ist. Hinter dem Projekt Pro InFo KiN steckt die Idee, die Fortbildungs- und Informationsprozesse für die mobilen Mitarbeiter durch den Einsatz mobiler Endgeräte effizienter zu gestalten. Die mehr als 5.000 KiN der DB Regio AG, die im Fahrdienst keinen stationären Zugang zur IT-Infrastruktur des Unternehmens haben, sollten schneller und zuverlässiger als bisher an aktuelle Informationen gelangen. Gleichzeitig sollten webbasierte Trainings (WBT) die bestehenden Fortbildungsangebote für KiN ergänzen und optimieren. Anfangs wurde Pro InFo KiN als mobile App für 10-Zoll-Tablets mit dem Betriebssystem Android entwickelt und im Einsatz mit ca. 120 Mitarbeitern der Deutschen Bahn AG getestet. Die ursprüngliche Anwendung basiert auf zwei Säulen: zum einen auf einem digitalen Wissensspeicher und zum anderen auf diversen Lernmodulen. Der Wissensspeicher beinhaltet neben Richtlinien und Leitfäden auch aktuelle Informationen. Nachrichten in gedruckter Form werden damit hinfällig. Die Mitarbeiter aktualisieren Pro InFo KiN zu Dienstbeginn per WLAN oder UMTS und haben dadurch Zugriff auf die aktuellsten Informationen, um beispielsweise Fahrgästen korrekte Auskünfte geben zu können. Die Möglichkeit, auf das Internet zuzugreifen, rundet das Angebot ab.

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Ein großer Vorteil von Pro InFo KiN ist die korrekte Verteilung: Dokumente erreichen nur diejenigen Empfänger, für die sie relevant sind. So müssen sich beispielsweise Kundenbetreuer im Nahverkehr in München nicht mit Informationen befassen, die Besonderheiten des Nahverkehrs im Raum Bremen betreffen. Das webbasierte Training (WBT) als zweite Säule stellt eine sinnvolle Erweiterung zum klassischen Präsenzunterricht mit Trainern dar. Das Lernprogramm des WBT besteht aus kleinen Modulen, die Faktenwissen vermitteln, beispielsweise zu Fahrgastrechten, Taxi- und Hotelgutscheinen oder Unfallverhütungsvorschriften. Die Module sind so aufgebaut, dass sie innerhalb kleiner Zeitfenster bearbeitet werden können. Der Vorteil: Jeder Zugbegleiter entscheidet selbst, wann und wo er lernt und ob er Inhalte wiederholt oder vertieft. Die Mobilität und Flexibilität seiner Arbeitswelt spiegeln sich in Pro InFo KiN wider. Das Projekt wurde mit 120 Mitarbeitern erfolgreich pilotiert und im Jahr 2013 mit dem Deutschen Bildungspreis in der Kategorie „Innovation“ ausgezeichnet. Die zwischenzeitliche Entscheidung zur Ausstattung der Zugbegleiter mit neuen Verkaufsterminals in Tablet-Technologie machte eine besondere Ausstattung der Zugbegleiter mit 10-Zoll-Tablets überflüssig. Zugleich bedeutete die Entscheidung auch, dass nicht alle angestrebten Funktionalitäten realisiert werden konnten. So erhalten die Zugbegleiter aktuell mit diesen Tablets Zugriff auf die wichtigsten Regelwerke. Die entwickelten WBTs werden momentan für 7-Zoll-Geräte überarbeitet und stehen dann auch künftig zur Verfügung. Für die zielgenaue Versorgung mit den sonstigen Informationen sind die neuen Verkaufsterminals zurzeit noch nicht zugelassen. Unabhängig davon, standen die Dokumente den Mitarbeitern in der Regel nur im PDF-Format zur Verfügung. Ein individuelles Zusammenstellen und Filtern von Informationen in diesen Dokumenten entsprechend der individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter ist jedoch nicht möglich gewesen“ ([34], Seite 192ff).

1.5.2 Beispielhafte mobile Lernanwendungen: Max – Dein Asthmacoach Als zweites Beispiel, dass auf der jederzeitige Verfügbarkeit und die enge Verzahnung von SmartDevices mit dem Alltag der Nutzer basiert, soll im Folgenden kurz die App Max, Dein Asthmacoach (siehe Abbildung 1.18) vorgestellt werden. Die Anwendung versteht sich als digitale medizinische Intervention und richtet sich an 8- bis 12-jährige Kinder, die unter Asthma leiden. Die Anwendung wurde 2019 vom Zentrum für digitale Gesundheitsinterventionen der ETH Zürich und Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit Vertretern des Universitäts-Kinderspital Zürich, des Kantonsspital Winterthur, der Lungenliga Schweiz sowie der CSS Versicherung (und anderen Partnern) entwickelt. Max, Dein Asthmacoach simuliert auf dem SmartPhone der erkrankten Kinder eine WhatsApp -ähnliche Chatkommunikation und präsentiert den jungen Patientin-

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Abb. 1.18: Drei Screenshots der App Max, dein Asthmacoach.

nen und Patienten täglich Informationen zur Krankheit, zu den Vorgängen im Körper und zum richtigen Umgang beispielsweise mit einem Inhalationsspray. Während Teile der Kommunikation automatisiert ablaufen, sind in die Kommunikation auch ein Elternteil des Kindes sowie medizinisches Personal eingebunden, um die jungen Patientinnen und Patienten bei der Bearbeitung von Aufgaben zu unterstützen und die Ergebnisse der Aufgabenbearbeitung zu kontrollieren. Ziel von Max, Dein Asthmacoach ist es, die Kompetenz der jungen Patientinnen und Patienten zum Management ihrer Krankheit zu erhöhen, indem sie kognitive Modelle und Verständnis zum Ablauf der Vorgänge in ihrem Körper (bspw. bei Luftnot) entwickeln, indem sie lernen stärker auf die individuellen Auslöser von Asthma zu achten, diese zu vermeiden und Handlungsweise lernen, wie sie möglichst selbständig auf kritische Signale des Körpers reagieren können. Die jungen Patientinnen und Patienten, die von ihren betreuenden Ärzten zur Teilnahme an der Studie mit Max, Dein Asthmacoach eingeladen wurden, konnten zunächst wählen, ob sie mit Maxime oder mit Maximilian (dem weiblichen bzw. männlichen Gesprächspartner Max) kommunizieren wollten. Max begleitet dann als automatisierter digitaler Gesprächspartner („Konversationsagent“) die Bearbeitung des Lernprogramms. Kowatsch et al. [35] beschreiben die Hintergrunde der Entwicklung und den Ablauf der App MAX, Dein Astmacoach folgendermaßen: „Die Inhalte und die Erzählaspekte der Intervention wurden von einem validierten Schweizer Comic zur Gesundheitskompetenz für Kinder mit Asthma abgeleitet, der von der Schweizerischen Lungenliga veröffentlicht wurde. Auf der Grundlage dieses Comics schrieb ein Experte für digitale Medien, Didaktik und Lerntheorien ein

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digitales Drehbuch zur Gesundheitskompetenz, das unter anderem 11 Videoclips zur Gesundheitskompetenz von Kindern mit Asthma enthält. Das Drehbuch zur Gesundheitsintervention wurde von zwei Asthmaexperten der Schweizerischen Lungengesellschaft und zwei pädiatrischen Pneumologen geprüft und validiert. Darüber hinaus wurden etablierte Videoclips zu korrekten Inhalationstechniken für Kinder mit Asthma in Interventionscoachings integriert. Diese Videoclips wurden unter der Leitung von Schweizer Gesundheitsfachleuten produziert und werden derzeit von mehreren Schweizer Krankenhäusern und Patientenorganisationen in ihren Programmen zur Gesundheitskompetenz eingesetzt. […]. Für die Patienten wurden die Coaching-Einheiten durch den Gesprächsagenten MAX moderiert, der eine Chat-basierte Schnittstelle mit vordefinierten Antwortmöglichkeiten auf Multiple-Choice-Fragen, Freitext-Eingaben (z. B. die Frage nach dem Spitznamen des Teilnehmers) oder Zahleneingabefeldern (z. B. die Frage nach dem Alter des Teilnehmers) und einen Sprachstil bietet, der zwischenmenschliche Nähe hervorruft, da angenommen wird, dass dies positiv auf die Beziehung zwischen dem Patienten und dem Gesprächsagenten wirkt. MAX imitierte das Verhalten eines echten Menschen beim Chatten, indem es Emojis und etwas Humor verwendete, um eine soziale Beziehung und ein Arbeitsbündnis bei der Konversation mit Patienten aufzubauen. Um die Selbstverantwortung der Teilnehmer anzusprechen, verwies MAX auf frühere Aufgaben und Aktivitäten und gab positive Bestärkung. Der Gesprächsagent konnte auch jeden zweiten Tag personalisierte Nachrichten verschicken, um ein Gespräch einzuleiten, in dem der Dialog mit einer herzlichen Begrüßung begann, gefolgt von Fragen zur persönlichen Stimmung der Teilnehmer wie „Wie geht es Dir heute?“ Insgesamt bestand die Intervention aus 14 individuellen Coaching-Einheiten, in denen die Themen darauf ausgerichtet waren, die kognitiven Fähigkeiten (d. h. das Wissen über Asthma) und die Verhaltensfähigkeiten (d. h. die Inhalationstechnik) zu verbessern. Die Patienten konnten maximal eine Coaching-Konversation pro Tag durchführen, um die Smartphone-Sucht zu reduzieren, wobei jede Konversation zwischen 10 und 15 Minuten dauern sollte. Mehrere Coaching-Einheiten erforderten die Hilfe eines unterstützenden Familienmitglieds (beispielsweise um den Patienten bei einer Inhalation zu filmen). Das Familienmitglied wurde von dem MAXGesprächsagenten über eine entsprechende SMS-Nachricht eingeladen, wenn der Patient den Termin für diese spezielle Coaching-Konversation vereinbarte. […] Unter der Annahme, dass das Bedürfnis nach Selbstregulierung der eigenen Erfahrungen und Handlungen (als wichtiger Prädiktor für Engagement, wie von der Selbstbestimmungstheorie postuliert) auch für digitale Interventionen gilt, war der Interventionszeitplan flexibel, was im Vergleich zu anderen Interventionen ein innovativer Ansatz ist, und ermöglichte die Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der Patienten wie schulische Belastung oder Krankheit. Die Patienten konnten ihren Interventionsplan individuell gestalten, da sie die Möglichkeit hatten, die Übungen nach eigenem Ermessen zu terminieren. Dadurch konnten die Patienten den Verlauf der Interaktion und deren Gesamtdauer erheblich beeinflussen. Theoretisch könn-

46 | U. Dittler ten sie ihre Intervention erheblich verlängern, aber ein Punkte-Belohnungssystem schaffte einen Anreiz, das Programm innerhalb von 30 Tagen abzuschließen“ [35].

1.6 Zunehmende Mediennutzung, wachsende Medienkompetenz und Corona als weitere Impulsgeber für eLearning Die oben bereits angesprochene technische Entwicklung von Smartphones, TabletPCs und Smartwatches bildete eine notwendige – aber nicht hinreichende – Basis für die rasant zunehmende Nutzung elektronischer Lehr- und Lernmaßnahmen, die seit 2020 zu beobachten ist. Die technische Verfügbarkeit von SmartDevices ermöglichte erst zusammen mit dem seither zunehmenden Eindringen der SmartDevices in den beruflichen und den privaten Alltag auch ein kontinuierliche Zunahmen der Mediennutzungskompetenz und bot damit in breiten Bevölkerungsschichten (von Schülerinnen und Schülern über Studentinnen und Studenten bis hin zu Berufstätigen der unterschiedlichen Branchen) eine zunehmende (Kompetenz-)Basis, auf die Schulen, Hochschulen und Unternehmen aufsetzen konnten, als im Frühjahr 2020 Corona-bedingt Bildungs- und Arbeitsprozesse in großem Umfang innerhalb weniger Wochen auf Onlineformate umgestellt werden mussten [36]. Neben der Medienkompetenz veränderten sich durch SmartDevices auch die Kommunikationsformen, die Orte der Mediennutzung aber auch die Formen des Informierens und des Lernens. Die genannten Aspekte sollen daher im Folgenden kurz detaillierter betrachtet werden.

1.6.1 Verankerung von SmartDevices im Alltag Am Beginn dieses Kapitels soll eine kurze persönliche Anekdote stehen, die verdeutlicht, wie stark und wie tief die auf Internetdiensten basierenden Medien und Kommunikationsformen bereits in den Alltag der Generation X und der Generation Z eingedrungen sind – während Teile der älteren Generationen das Internet noch vor nicht allzu langer Zeit als #neuland11 bezeichnet haben: Zu Beginn eines jeden Semesters gibt es bei uns an der Fakultät Digitale Medien der Hochschule Furtwangen eine Vorstellungsrunde der neuen Studentinnen und Studenten des 1. Semesters – die Studierenden stellen sich einander vor und sind gebeten, kurz zu erläutern, warum sie 11 Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz anlässlich des Besuchs von US-Präsident Barak Obama am 19.06.2013 sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ und löste damit eine heftige Reaktion unter dem Hashtag #neuland in den Sozialen Medien aus.

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den jeweiligen Studiengang gewählt haben und was sie erwarten. Vor einigen Semestern begann ein Student seine Vorstellung mit den Worten: „Ich bin der Kevin und lebe in Bochum und im Internet …“. Die Selbstverständlichkeit, mit der er seine reale Lebenswelt um die virtuelle Lebenswelt erweiterte und diese beide sprachlich gleichsetzte, kann als Beleg dafür gelten, welche große Bedeutung auch mediale Welten inzwischen als Teil der Lebenswelt für viele Menschen haben.12 Das Selbstverständnis, das Kevin zum Ausdruck brachte, spiegelt sich auch in den im Folgenden zitierten empirischen Daten zur Bedeutung von Medienbesitz und Mediennutzung in der Lebenswelt der nachwachsenden Generationen wieder. Die im privaten Umfeld genutzten Medien und Dienste haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich gewandelt. Die rezeptive Nutzung klassischer Massenmedien, wie Radio, Fernsehen und Zeitungen, hat nachgelassen und die Nutzung interaktive Medien und die medienbasierte Kommunikation bestimmt heute zu großen Teilen unseren Alltag; sowohl beruflich als auch in der Freizeit: Wir nutzen selbstverständlich täglich und fast rund um die Uhr Medien zur Unterhaltung, zur Kommunikation und zum Informations- und Wissensaustausch sowie -erwerb.13 Die massiven Veränderungen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in der alltäglichen Mediennutzung in der Freizeit beobachten lassen, dokumentieren für Deutschland beispielsweise die Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) herausgegebenen KIM- und JIM-Studie ([40, 41]), aber auch die regelmäßigen Datenerhebungen der ARD [42] und der ARD-ZDF-Onlinestudie ([43]). Im Folgenden sollen kurz einige zentrale Aussagen der genannten Studien sowohl zur Verfügbarkeit der einzelnen Medien (Medienausstattung) als auch deren Verwendung im Alltag (Mediennutzung) bei Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen zusammenfassend dargestellt werden.14 12 Man kann an dieser Stelle sicherlich kritisch anmerken, dass ein Student der Fakultät Digitalen Medien bzgl. seines Umgangs mit digitalen Medien ggf. kein typischer Vertreter seiner Generation ist; ein Blick in die einschlägigen längsschnitt-orientierten Mediennutzungsstudien (und die im folgenden Abschnitt dargestellten Mediennutzungsdaten) lässt aber vermuten, dass Kevin eher als early adopter, denn als Außenseiter angesehen werden kann. 13 Die massive Durchdringung unserer Kultur mit Medien ist unübersehbar; der Einfluss dieser Medien ein seit langem diskutiertes Thema. Die verschiedenen Perspektiven und Argumentationen, die in diesem Zusammenhang ausgeführt werden, sollen und können an dieser Stelle nicht wiederholt werden – es sei daher hier auf die einschlägige und umfangreiche Literatur und Diskussion zum Thema Medienkompetenz verwiesen. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang lediglich, dass in zahlreichen Publikationen über die sogenannten „Digitale Natives“, „Generation Online“ oder „@ Generation“ deren zunehmende Verzahnung mit der Digitalen Welt betont wird; und dies auch immer einhergeht mit einer Zunahme an – zumindest technischer – Medienkompetenz; siehe hierzu beispielhaft ([37–39]). 14 Die Fokussierung auf die Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird hier gewählt, da dies in der Regel die Altersklassen sind, die in institutionalisierten Bildungsformen in betrieblicher Aus- und Weiterbildung und/oder in hochschulischen Bildungsangeboten am Stärksten partizipieren.

48 | U. Dittler 1.6.1.1 Mediale Ausstattung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen In praktisch allen Haushalten in denen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen leben, sind Mobiltelefone oder Smartphones (zu 99 %, gemäß [40] und auch [41]), Computer mit Internetzugänge (zu 99 % bei Haushalten mit Kindern ([40]) bzw. 98 % bei Haushalten mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen [41]) sowie Fernsehgeräte (100 % bzw. 95 %, ebd.) verfügbar. Tablet-PCs gewinnen in diesen Familien an Bedeutung (von 2014 auf 2015 stieg die Verbreitung in den Familien um 10 % auf 58 %, 2020 liegt sie bei 75 % [ebd].). Fokussiert man die Betrachtung von der familiären Verfügbarkeit auf den Medienbesitzt der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, so zeigt sich, dass 96 % (Mädchen: 97 %; Jungen 94 %, ebd.) der Befragten ein eigenes Mobiltelefon besitzen; bei 94 % (Mädchen: 97 %; Jungen 92 %, ebd.) ist dies ein Smartphone (siehe Abbildung 1.19).

Abb. 1.19: Geschlechtsspezifische Betrachtung des Besitzes von ausgewählten Medien durch Jugendliche und junge Erwachsene (Quelle: mpfs, 2020, [41]).

Nahezu alle Befragten (Mädchen: 99 %; Jungen 98 %, ebd.) können in ihrem Zimmer mobil oder stationär auf das Internet zugreifen; das Internet löst damit andere Medien im Kinder-/Jugendzimmer ab, so haben beispielsweise nur noch rund 50 % der Befragten ein TV-Gerät im Zimmer (Mädchen: 48 %; Jungen: 52 %, ebd.) und nur 39 % ein Radiogerät (Mädchen: 41 %; Jungen 38 %, ebd.). Tablet-PCs besaßen 37 % der Mädchen und 39 % der Jungen (ebd.), wobei sich bei diesen – im Gegensatz zu den anderen Medien – eine leichte Abhängigkeit vom Bildungshintergrund zeigt: Bei Jugendlichen mit niedrigem Bildungshintergrund sind Tablet-PCs etwas häufiger zu finden. Neben dem Besitz ist die subjektive Wichtigkeit ebenfalls aufschlussreich, um die Bedeutung eines Mediums beurteilen zu können: In der JIM-Studie [44] gaben über

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90 % (Mädchen: 88 %; Jungen: 91 %, ebd.) der Befragten 14- bis 19-jährigen an, dass ihnen die Nutzung des Internet „sehr wichtig“ oder “wichtig“ sei. Individueller MusikKonsum spielt in dieser Altersgruppe traditionell eine bedeutende Rolle; 87 % (Mädchen: 90 %; Jungen: 84 %, ebd.) bewerten daher Musik zu hören als für sie „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Ähnlich große Bedeutung wird der Mobiltelefonnutzung bescheinigt (86 %; Mädchen: 89 %; Jungen 83 %, ebd.), während der Konsum der alten Medien Radio (51 %, Mädchen: 56 %; Jungen: 47 %; ebd.), Fernsehen (46 %; Mädchen: 49 %; Jungen 44 %; ebd.) und Tageszeitungen (31 %; Mädchen: 28 %; Jungen 34 %; ebd.) von deutlich weniger Befragten als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ bewertet wird. 1.6.1.2 Nutzung von Medien im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Gemäß der aktuellen Ergebnisse der ARD-Studien [41] und [42], hat das Internet als meistgenutztes Medium das jahrzehntelang dominierende Fernsehen inzwischen abgelöst: Die durchschnittliche tägliche Internetnutzung in Deutschland wird mit 204 Minuten angegeben, gegenüber 168 Minuten täglicher Fernsehnutzung. Bei einer Betrachtung unterschiedlicher Altersgruppen zeigt sich, dass bei den 14- bis 29jährigen die Internetnutzung mit durchschnittlich 258 Minuten deutlich vor der Fernsehnutzung (mit durchschnittlich 96 Minuten täglich) liegt (siehe Abbildung 1.20). Mit zunehmendem Alter hat traditionelles Fernsehen jedoch (noch) eine steigende Bedeutung (ebd.). Diese altersabhängige unterschiedliche Mediennutzung, kann kaum verwundern, da zu erwarten ist, dass Menschen weitgehend den Informations-, Unterhaltungs- und Kommunikationsmedien treu bleiben, mit denen sie ihm Rahmen ihrer Mediensozialisation ihr Mediennutzungsverhalten gelernt haben ([45]).

Abb. 1.20: Für die Gruppe der befragten 12- bis 19-Jährigen zeigt sich in den JIM-Studien des mpfs seit Jahren eine Zunahme der täglichen Internetnutzung; bei den Zahlen zum Jahr 2020 ist zu bedenken, dass während der Lockdowns und den Phasen des HomeSchooling einige Kommunikationsund Lernaufgaben zusätzlich über das Internet abgewickelt wurden (Quelle: [41]).

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1.6.2 Ubiquitärer Wissenszugang verändern Lernorte, Lernzeiten und Lernformen Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Situation und der Virtualisierung zahlreicher Bildungsangebote in Schule (HomeSchooling) und Hochschule (Virtuelle Lehre) sowie der betrieblichen und außerbetrieblichen Bildung soll im Folgenden dem Aspekt des Lernens mit Medien und den dahinterliegenden Prozessen Beachtung geschenkt werden. Zur Beschreibung von Lernprozessen haben sich traditionell drei Kriterien etabliert: Lernort, Lernzeitpunkt und Lernform. Gerade mit Blick auf die institutionalisierten Lernformen, wie Schule, Hochschule oder auch betriebliche Aus- und Weiterbildung, wird die Bedeutung dieser drei Faktoren schnell deutlich: Der Lernort kann traditionell mit der Bildungsinstitution beschrieben werden, die Lernzeit wird traditionell in Stundenplänen, Seminarplänen oder Workshop-Programmen beschrieben und bei der Lernform dominierte lange Zeit das frontale oder seminaristische Präsenzlernen. Seit Ende des letzten Jahrtausends sind, parallel zum zunehmenden Bedeutungsgewinn von elektronischen Lehr- und Lernformen, grundlegende Änderungen in allen drei Bereichen – d. h. sowohl was die Orte des Lernen, was die Zeiten des Lernens als auch was die Formen des Lernens angeht, zu beobachten. Diese Veränderungen stellen – wie im Vorangegangenen dargestellt werden konnte – nicht nur evolutionäre Erweiterungen und Ausdehnungen der Lernorte, der Lernzeiten und der Lernformen dar, sondern können phasenweise auch als revolutionäre Veränderungen verstanden werden; beschleunigt nochmals durch Corona, können und werden diese Entwicklungen auch zu grundlegenden Veränderungen von institutionalisierten Lernformen führen. Die im Folgenden skizzierten Veränderungen von Lernort, Lernzeit und Lernform sind gleichermaßen getrieben und bedingt durch technische Entwicklungen aber auch durch die gesellschaftlichen Auswirkungen und auch auf die privaten Lebensbereiche (wie sie der Soziologe Ulrich Beck schon früh mit dem Fokus auf die Veränderung von partnerschaftlichen Beziehungen beschrieben hat (vgl. [46])).

1.6.2.1 Erweiterung der Lernorte zur Erreichung neuer Lernimpulse Die Erweiterung und Veränderung der Lernorte hat eine lange Tradition: In der Handwerksausbildung war es seit jeher üblich Gesellen auf Wanderschaft zu schicken, damit diese Wissen und Kompetenz nicht nur in der Zusammenarbeit mit einem einzigen Handwerksmeister entwickeln und ausprägen, sondern fachliche (und lebensweltliche) Anregungen von mehreren Experten erhalten – und gleichzeitig auch ihrerseits Wissen in die Welt tragen und so verbreiten. Ähnliche Ansätze finden sich mit der Idee des Auslandssemesters auch in der hochschulischen Ausbildung; mit den Bologna-Beschlüssen (siehe hierzu beispielsweise [47]) sollte dieser Idee weiter

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der Weg geebnet werden. Ziel dabei ist es, Lernprozesse durch Veränderungen des Lernorts anzustoßen, die gleichermaßen auch immer mit Veränderungen des Lebensraums und der Lebenswelt verbunden sind und daher nicht nur zu neuen fachliche Impulse führen, sondern zudem durch die Erweiterung des Lebensraumes auch zur Entwicklung der Persönlichkeit (im Sinne Klafkis bildungstheoretischer Didaktik und ihres Ziels der Mündigkeit) beitragen. Diese Bedeutung des Lernorts scheint durch die webbasierte Verfügbarkeit von Information in den Hintergrund gedrängt zu werden: Jede Information ist jederzeit überall verfügbar und auch Kommunikation mit Mitlernenden oder Lehrenden ist nicht mehr an Orte oder Institutionen gebunden: audiooder videobasierter Chats und Videokonferenzen aber auch textbasierte Mail- oder Messaging-Formate ermöglichen eine jederzeitige und – gefühlt distanzlose – Kommunikation ohne eines gemeinsamen Lernort zu bedürfen (das hierbei viele der Attribute eines Lernortes (Stimmung eines Lesesaals einer großen Bibliothek, Ausstrahlung von historischen Universitätsgebäuden etc.) nicht wirken können, ist einsichtig). Im Kleinen finden sich die skizzierten Ansätze der Bedeutung des Lernorts auch dann wieder, wenn betriebliche Aus- und Weiterbildungsangebote nicht „in house“ stattfinden, sondern – wie dies eine Zeit lang üblich war – in entsprechende Seminarhotels abseits der Unternehmensinfrastruktur verlegt werden.

1.6.2.2 Erweiterung der Lernzeiten: Just-In-Time-Lernen Rund-um-die-Uhr wird zum Ideal der betrieblichen Aus- und Weiterbildung Die Veränderung der Lernzeiten ist ebenso offensichtlich und geht eng mit der Flexibilisierung von Arbeitszeiten einher: Nicht nur, dass mit dem Begriff des „lebensbegleitenden Lernens“ zum Ausdruck gebracht wurde, dass ein intensive Schul-, Ausbildungs- oder Studienzeit zu Beginn des Lebens in (nahezu) allen Berufen heute nicht mehr ausreicht, um ein ganzes Erwerbsleben hindurch mit einem einmal erworbenen Wissensstand arbeitsfähig zu bleiben. Zudem hat sich in vielen Berufen die Arbeitszeit deutlich von der klassischen Idee einer „9-to-5“-Tätigkeit wegentwickelt: Die permanente Erreichbarkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch außerhalb einer Kernarbeitszeit ist für viele Unternehmen inzwischen selbstverständlich – und wird von zunehmend mehr Menschen auch als selbstverständliche Anforderung einer beruflichen Tätigkeit verstanden. Die Verfügbarkeit einer entsprechenden Infrastruktur von Tablet-PC und PC sowie Internet-Flatrate auch im häuslich-stationären und privat-mobilen Umfeld erleichtert diese Ausweitung der Lern- und Arbeitszeit im gleichen Masse, wie die Möglichkeit über mobile Devices wie Smartphone und Tablet-PC nicht nur erreichbar zu sein, sondern jederzeit auch auf Unternehmensdaten zugreifen zu können (auf die Auswirkungen, die individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen, die diese Ausdehnung der Arbeitsverfügbarkeit hat, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen

52 | U. Dittler werden; es sein in diesem Zusammenhang beispielsweise verwiesen auf [48]). Im Bereich der schulischen und hochschulischen Ausbildung ist eine hohe Flexibilität der Lernzeit seit jeher üblich: Neben der Präsenzzeit in Schule und Hochschule sind die Lernenden hier bei der Zeiteinteilung für Hausaufgaben und Seminararbeiten völlig frei und gehen selbstverständlich davon aus, dass Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Mitstudentinnen und -studenten rund um die Uhr auch zu fachlichen Fragen kontaktiert werden können – diese jederzeitige Erreichbarkeit wird zunehmend auch von Lehrerinnen und Lehrern sowie von Dozentinnen und Dozenten erwartet. Diese Entwicklung wird getrieben auch durch die unterschiedlichen studentischen Lebens- und Studienweisen (Vollzeitstudium, Teilzeitstudium, häusliche/familiäre Verpflichtungen wie Pflege oder Betreuung von Angehörigen), die eine zunehmend individualisierte Gestaltung der Lernzeiten und -weisen zur Folge haben. Diese Individualisierung oder Fragmentierung der Lernzeiten hat zudem eine Veränderungen der Kommunikationsformen mit Mitstudierenden und Lehrenden zur Folge; eine Entwicklung, die erst durch die Verfügbarkeit aktueller Technologien in der Form möglich wurde, wie sie derzeit von der Mehrheit der Studierenden tagtäglich genutzt wird. Für Lehrende und Lernende aber auch für Vorgesetzte und Mitarbeitende mag eine solche Ausweitung der Kommunikationsbereitschaft für berufliche Belange auch gut und selbstverständlich zusammenpassen. Es steht zu vermuten, dass mit zunehmender Verbreitung derartiger hierarchiearmer Unternehmenskultur auch die Erwartung – aber auch das Selbstverständnis von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – nach einer (nahezu) jederzeitigen Erreichbarkeit und Arbeitsbereitschaft der Mitarbeitenden verbunden mit der Bereitschaft nach jederzeitiger Erreichbarkeit und jederzeitiger Arbeitsbereitschaft ist; und sich dies zunehmend auch in einer Erwartung an eine jederzeitige Lernbereitschaft niederschlägt: Auch betriebliche Lernangebote fanden bereits “vor Corona“ zunehmend nicht mehr nur in der Kernarbeitszeit in den Räumen des Unternehmens statt; Lernen in der Freizeit (besser: vermeidlich privaten Zeit) wird seither für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend selbstverständlich. Gerade aber weil durch diese Entwicklung ein jederzeitiges und ortsunabhängiges Lernen möglich erscheint – und viele Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Unternehmen daher davon ausgehen, dass Wissenslücken selbständig von den Mitarbeitenden geschlossen werden können – besteht für die Teilnehmenden an betrieblicher Weiterbildung immer öfter ein zentraler Vorteil von Präsenzbildungsmaßnahme darin, endlich dezidiert Zeit für Lernen und Weiterbildung zu haben. Auch wenn Informationen im Arbeitsalltag jederzeit verfügbar sind – so ist es oft die erforderliche zeitnahe Reaktion auf Anfragen und Kommunikation über Kommunikationskanäle wie E-Mail, Messenger-Dienste etc., die ein konzentriertes Lernen ist in der Arbeitsumgebung nur schwer möglich – Zeit für konzentriertes Lernen wird somit zu einem hohen Gut, das den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen einer Präsenzveranstaltung (Seminar, Workshop etc.) zielgerichtet eingeräumt werden kann.

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1.6.2.3 Neue Lerntechnologien als Basis neuer Lernformen Die Veränderungen der Lernformen sind seit mehreren Jahrzehnten ebenfalls vielfältig: Neben den klassischen institutionalisierten Lernformen wie Schule, Hochschule, betriebliche Aus- und Weiterbildung gewinnen „teil-institutionalisierte Formen“ und „selbstorganisierten Formen“ den Lernens zunehmend an Bedeutung: Die in allen Altersklassen und Gesellschaftsschichten zunehmende Nutzung elektronischen Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsmedien und die damit einhergehende zunehmende Bedeutung von Informationen und Kommunikationsbeiträgen, die über diese Kanäle zum Rezipienten gelangen, führen dazu, dass auch Lernen zunehmend computer- und netzvermittelt stattfindet. Mit klassischen Computer-BasedTrainings griffen zahlreiche Unternehmen seit dem Jahrtausendwechsel dieser Entwicklung auf. Später setzten sich – wie eingangs bereits gezeigt werden konnte – WebBased-Trainings und Virtuelle Seminare als medienvermittelte Formen des institutionalisierten Lernens in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung durch. In den Hochschulen etablierten sich diese Formen der elektronischen Lernmedien nur in wenigen Disziplinen (beispielsweise der Medizin) im großen Stil. Oft scheiterte die Entwicklung solcher Lernmedien in Schulen und Hochschulen (zumindest abseits der großen und finanzstarken Förderprogramme von Bund und Ländern) an den erheblichen Kosten. Medienvermittelte Lehre erreichte erst mit den Massiv Open Online Courses (MOOCs) auch in Hochschulen eine neue Stufe, da diese hierbei auf ihre Kernkompetenz, die Wissensvermittlung durch Experten, zurückgreifen können. Auch wenn diese MOOCs von Bildungsinstitutionen angeboten werden, werden sie von den Lernenden selbstgesteuert oder bestenfalls teil-institutionalisiert rezipiert: Die Lernenden entscheiden völlig frei, welche MOOC-Angebote eines Anbieters sie annehmen wollen und organisieren ihre Lernprozesse und Lerngruppen meist völlig unabhängig vom Bildungsanbieter über die üblichen (und auch privat genutzten) sozialen Netzwerke. In diesem Zusammenhang ist die Etablierung einer neuen Form des „Smart Social eLearning“ zu beobachten [49]. Die Bereitstellung entsprechender webbasierter Bildungsangebote wie MOOCs ist für deren Erfolg notwendig, aber nicht hinreichend. Ausschlaggebend für den Erfolg derartiger Dienste ist die jederzeitige Verfügbarkeit dieser Dienste auch im mobilen Einsatz, wie sie erst durch die Verbreitung der Smart Devices möglich wurde: Dank Smartphone und Tablet-Computer kann an Kommunikation in Sozialen Netzwerken ubiquitär und jederzeitig partizipiert werden (dies mag auch die zahlreichen inhaltlich trivialen Posts erklären, die trotz inhaltlicher Belanglosigkeit dennoch ihre soziale Funktion erfüllen). Während schon heute Texte und Bilder mit den aktuellen SmartDevices (Smartphones, Tablets-PCs etc.), mit wenig Aufwand in sozialen Netzwerken publiziert und rezipiert werden können, stehen wir derzeit an der Schwelle zum nächsten technischen Schritt, der die netzgestützte Kommunikation nochmals vereinfachen und noch enger mit unserem Alltag verbinden wird: Wearable Computern (wie Smart Watches oder Smart Glasses etc.) wird vorausgesagt „the next big thing“ zu sein, das

54 | U. Dittler die Form der Kommunikation und des Lernens abermals verändert. Aber mehr noch als die (Weiter-)Entwicklung smarter Devices hat 2020 und 2021 die Corona-Pandemie das mediengestützte Lehren und Lernen für große Bevölkerungsteile tägliche Realität werden lassen.

1.6.3 Zunehmende Selbstlern- und Medienkompetenz? Seit Anfang 2020 beeinflusst die Corona-Pandemie weltweit den beruflichen und privaten Alltag aller Menschen. Die Auswirkungen auf Schulen werden seither breit öffentlich diskutiert und finden inzwischen auch ihren Niederschlag in entsprechender Fachliteratur [49]. Deutlich weniger in der Öffentlichkeit thematisiert wurden die Auswirkung der Pandemie auf die Hochschullehre, aber auch hierzu sind zwischenzeitlich einige Veröffentlichungen erschienen; so legten beispielsweise Dittler & Kreidl schon 2020 [36] eine Veröffentlichung vor, in der verschiedenen Hochschulen darstellen, wie die Umstellung von traditioneller Präsenzlehre auf Online-Lehre in den jeweiligen Häusern erfolgte. Inwieweit die Online-Lehre an den Hochschulen in der Wahrnehmung der Studierenden im ersten Corona-bedingten Online-Semester im Sommersemester 2020 funktionierte, stellen Kreidl & Dittler [50] anhand einer internationalen Umfrage unter mehr als 3.500 Studierenden dar. Weiterführende Daten und Informationen zur Wahrnehmung der Online-Lehre der mehreren massiv durch Corona-bedingte Online-Lehre geprägte Semester finden sich im Beitrag „Erfahrungen von Studentinnen und Studenten mit drei Semestern digitaler Lehre“ von Kreidl & Dittler in diesem Buch. Ergänzend zur angesprochenen Wahrnehmung der Hochschullehre befragte der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest bereits im April 2020 über 1.000 12- bis 19-jährige Schüler zu ihren Erfahrungen zum HomeSchooling im ersten Lockdown (siehe Abbildung 1.21): „Insgesamt bewerten sie die Gesamtsituation mit der Note 2,5. 16 Prozent zuhause“ insgesamt geklappt hat, je etwa ein Drittel benotet mit „gut“ (36 %) oder „befriedigend“ (32 %). Jede bzw. jeder Zehnte hatte eher Probleme und vergibt die Note 4, 5 % die Note 5 und 1 % eine Note 6. Der Ablauf von „HomeSchooling“ verlief dabei unterschiedlich: 30 % der Schülerinnen und Schüler bekamen zu Beginn der Schulschließung Aufgaben und hatten anschließend kaum Kontakt zu ihren Lehrkräften. Gut die Hälfte der Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern (56 %) erhielten regelmäßig Aufgaben per E-Mail, jede bzw. jeder Zehnte bekam Arbeitsaufträge via WhatsApp. In manchen Klassen wurde auch digital gearbeitet: Jede bzw. jeder Vierte (26 %) nutzte einen Klassenchat, etwa jede bzw. jeder Fünfte (22 %) konnte auf eine Schul-Cloud zugreifen, 16 % trafen sich in Videokonferenzen. Auch das Telefon fand bei zehn Prozent Verwendung im Kontakt mit Lehrkräften, jede/-r Vierte telefonierte mit seinen Klassenkameraden zu Schulthemen“ [52]. Ergänzend hierzu erhob der MPFS im Herbst 2020 unter 1.161 Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren die Tätigkeiten die im mit dem digitalen Lernen zuhause verbun-

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Abb. 1.21: Ergebnisse der JIMplus-Befragung des mpfs zum HomeSchooling des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 (Quelle: [51]).

den sind (siehe Abbildung 1.22), es zeigt sich hierbei, dass digitales Lernen – zumindest bei den befragten Kindern – meist das Erstellen von Texten war, andere Formen (Lernspiele, Videos etc.) spielten hingegen eine deutlich geringere Rolle. Die zitierten Studien betrachten Online-Lehre im bzw. unmittelbar nach dem ersten Lockdown. Gerade in dieser Phase waren die digitalen Lehrangebote geprägt von Umsetzungsformen, die stellenweise ggf. treffend als „emergency remote teaching“ bezeichnet werden können. Mit zunehmender Dauer der Pandemie wurden diese ersten digitalen Lehrangebote oft überarbeitet, ergänzt und ausgebaut, so dass die digitalen Bildungsangebote, die zum Winter 2021/22 zum Einsatz kamen, sicherlich oft nicht mehr viel gemeinsame hatten, mit den ersten digitalen Angeboten des Frühjahrs 2020. Parallel zum Ausbau der digitalen Angebote spielte sich in den Monaten der Pandemie auch der Umgang mit den unterschiedlichen digitalen Wissensvermittlungs- und Kommunikationstools ein, so dass die Pandemie nicht nur schlagartig sehr viel mehr Menschen in Kontakt mit verschiedenen Formen des elektronischen Lehrens und Lernens brachte, als dies in den Jahren zuvor der Fall war, sondern damit auch zu einem massiven Ausbau der Medienkompetenz und der Selbstlernkompetenz führte. Auf dieser Kompetenzbasis und den veränderten Lerngewohnheiten können und müssen Bildungsanbieter aufbauen und müssen ihre Bildungsangebote daran orientieren.

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Abb. 1.22: Antworten der befragten 6- bis 13-Jährigen zu den Tätigkeiten zuhause für die Schule (Befragung unter 1.161 Kindern im Herbst 2020 durchgeführt (Quelle: [51]).

1.7 Zukünftige Ausrichtung von Bildungsinstitutionen Diese skizzierten Entwicklungen, d. h. die veränderten Anforderungen an lebensbegleitendes Lernen, die Verfügbarkeit von SmartDevices, die Möglichkeit des ubiquitären Zugriffs auf die via Internet erreichbaren Inhalte, sowie die durch die CoronaPandemie nochmals erhöhte Kompetenz breiter Bevölkerungsschichten im Umgang mit digitalen Lehr-, Lern- und Kommunikationsdiensten beschleunigt nochmals eine Entwicklung, die bereits seit einigen Jahren zu beobachten ist: Wir leben seit Beginn des 21. Jahrhunderts in einer Situation, in der institutionalisierte Lehr- und Lernformen (klassischer Weise geprägt durch eine Lehrerin oder einen Lehrer als Expertin bzw. Experte) und informelle Lernformen (geprägt durch die Verfügbarkeit zahlreicher und weltweit verteilter Expertinnen und Experten [oder informierter Laien]) nebeneinander existieren. Bereits seit Beginn der Phase des ubiquitären Internetzugangs mittels smarter Devices ist ein weiterer radikaler Bedeutungszuwachs des Informellen Lernens zu beobachten.15 Dies hat weiterhin erhebliche Auswirkungen auch auf die Institutionen 15 Dieser Bedeutungszuwachs des informellen Lernens wird bereits seit mehr als 20 Jahren beobachtet. Der Begriff des Informellen Lernens beschreibt dabei die Wissensaneignung außerhalb institutionalisierter Settings. Ausgehend auch vom Ansatz des lebenslangen oder lebensbegleitenden Lernens

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Schule und Hochschule: Lange Jahre galten Schule und Hochschule als Institutionen, in denen gesichertes Wissen von Expertinnen und Experten weitergegeben wurde (als Vorlesung, als Empfehlung für Lehrbücher etc.), das in der Regel von den Rezipientinnen und Rezipienten aufgenommen (bzw. gelernt) wurde ohne hinterfragt zu werden, bzw. werden zu müssen. Darüber hinaus dienten Bildungsinstitutionen seit jeher der Vermittlung gesellschaftlicher Werte und Normen. Spätestens seit der Verfügbarkeit von Web 2.0-Anwendungen (Blogs, Podcasts, YouTube, Facebook etc.) stehen zahlreiche Kommunikations- und Informationskanäle zur Verfügung, die Jedermann und -frau eine Wissenspräsentation (und die Präsentation seiner individuellen Sicht auf die Welt) ermöglichen. Es mangelt daher nicht mehr an (aufbereiteten) Informationen oder dem Zugang zu diesen – und Institutionen wie Schule oder Hochschule haben keine Hoheit über die Verbreitung von Wissen – und wohl auch keine mehr über Werte und Normen. Die große Bedeutung derartiger – losegelöst von Bildungsinstitutionen entstandener – Informations- und Bildungsmedien zeigt sich exemplarisch in der oben dargestellten Grafik des Medienpsychologischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) zu den Lernmedien, die während des Lockdowns und des HomeSchooling von den Schülerinnen und Schülern genutzt wurden.

1.7.1 Die zukünftige Rolle von Bildungsinstitutionen Durch die Verfügbarkeit eines ubiquitären Internetzugangs mittels SmartDevices ist – wie gezeigt werden konnte – Wissen in unterschiedlichsten Darstellungsformen und Komplexitäten jederzeit und überall verfügbar. Nicht mehr nur die Weitergabe von Wissens ist daher zur zentralen Aufgabe von Bildungsinstitutionen, sondern die Befähigung der Schülerinnen und Schüler sowie der Studentinnen und Studenten zum angemessenen Umgang mit den Informationsangeboten: 1) Die Auswahl, Prüfung und Bewertung der relevanten Informationen setzt einen kritischen Umgang mit diesen ebenso voraus wie die Verfügbarkeit von Kriterien setzte sich seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Erkenntnis durch, dass sehr große Teile des für die Bewältigung des Alltags und des Berufsalltags notwendigen Wissens außerhalb von Schule und Ausbildung erworben werden. Während Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten als quasi hauptberuflich Lernende angesehen werden können finden – je nach Schätzung – bis zu 80 % des Lernens im Erwachsenenalter außerhalb von Schulungen oder Workshops statt. Für das informelle Lernen von Erwachsenen, aber ebenso für das informelle Lernen von Kindern und Jugendlichen, spielt das soziale Umfeld die ausschlaggebende Rolle: Es sind die Freundinnen und Freunde, Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen sowie Peers, die Wissen untereinander weitergeben, prüfen, mit vorhandenem Wissen kombinieren und so neues Wissen schaffen. Die seit einigen Jahren zu beobachtende Bedeutungszunahme des Informellen Lernens bei Kindern und Jugendliche aber auch bei Erwachsenen geht auf zwei Ebenen mit der zunehmenden Mediennutzung und Medienverfügbarkeit einher: Sowohl auf der Ebene der Medienkompetenz als Lerninhalt als auch auf der Ebene der Mediennutzung als Lehrmittel oder Lernpartner.

58 | U. Dittler zur Beurteilung der Informationsqualität (sowohl fachlicher Art als auch gesellschaftliche Normen und Werte). 2) Institutionen wie Schule und Hochschule müssen nicht mehr (nur) Antworten geben auf (Sach-)Fragen, sondern sie müssen die Lernenden befähigen angemessene Fragen zur Lösung eines Problems zu stellen. 3) Aneignung von Welt findet – aus konstruktivistischer und konnektivistischer Sicht – stets auf der individuellen Basis vorhandenen Wissens statt. Die Schaffung einer belastbaren Basis für den lebenslangen Aufbau einer individuellen Bildungsbiographie und einer individuellen Lebensweisheit wird auch in der Phase des ubiquitären Internetzugangs mittels smarter Devices eine zentrale Aufgabe von institutionalisierten Bildungseinrichtungen bleiben. Diese Basis wird sowohl Hardskills umfassen (einen fachlichen Teil im Sinne einer „Allgemeinbildung“) als auch Softskills, die die Grundlage zu einem angemessenen Verhalten in sozialen Gruppen (sowohl reale Peergroups als auch medial vermittelten Netzgemeinschaften und Social Communities) bilden. Vor dem Hintergrund des Bedeutungszuwachses des informellen Lernens verlieren Schulen und Hochschulen ihre Position und ihre Bedeutung als „zentrale Orte des Wissens“ (siehe hierzu beispielsweise [52]), da ubiquitärer Zugang zu weltweit verfügbarer Information jederzeit und überall Zugriff auf deutlich mehr Informationen als beispielsweise in Hochschulbibliotheken versammelt sind, erlaubt. Dennoch stellt die Postmedialität [31] nicht grundsätzlich die Institution der Schule und Hochschule in Frage – aber sie verändert sie nachhaltig: Hochschulen als „Orte des Wissens“ werden sich zunehmend zu „Orten des Lernens“ entwickeln müssen. Orte des Lernens in dem Sinne, dass Hochschulen den nachwachsenden Generationen Handlungs- und Orientierungswissen für die ubiquitäre und jederzeitige Informationsflut vermitteln müssen. Auch die Rolle der Lehrenden ändert sich daher massiv: Die Dozentin und der Dozent sind nicht mehr länger die- oder derjenige, die bzw. der bestimmte Informationen in den Erfahrungshorizont der Lernenden bringt, nicht mehr die bzw. der, die bzw. der Zugang zu Wissen ermöglicht, sondern die Lehrenden werden vielmehr – ganz konstruktivistisch – zum Coaches, die bzw. der die Lernenden dabei unterstützt ihr Wissen und ihre individuelle Handlungskompetenz auszubauen. Nicht mehr die Regelung des Zugangs zum Wissen ist die Aufgabe der Lehrenden, sondern die Befähigung der Lernenden zum angemessenen Umgang mit den Informationsangeboten. Die oben skizzierten Änderungen betreffen die Rolle der Bildungsinstitutionen und die Rolle der dort arbeitenden Lehrenden, aber ändern sich derzeit auch die Ziele von Lehr- und Lernmaßnahmen; von Bildungsmaßnahmen? Unser Alltagsverständnis von Bildung umschreibt diese als die Entwicklung und/oder Formung eines Menschen hin zu einem verantwortlich agierenden Mitglied der Gesellschaft. Dieses Verständnis ergibt sich aus der seit dem 18. Jahrhundert

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bestehenden Verbindung des Bildungsbegriffs mit Aspekten und Zielen der Aufklärung: Ziel der Bildung ist es seit der Aufklärung nicht mehr den Menschen zum Abbild Gottes zu formen, sondern den Menschen als aufgeklärtes Wesen zu verstehen, das in wissenschaftlichen und rationalen Kategorien handelt und denkt. Die Betonung des aufklärerischen Verständnisses von Bildung (im Gegensatz zu der bis zur Aufklärung dominierenden theologischen Orientierung) findet sich beispielsweise in den Texten von Johann Heinrich Pestalozzi ebenso wie in den Texten von Johann Gottfried Herder, Imanuel Kant und Wilhelm von Humboldt. Quasi revolutionär – und immer noch vielbeachtet – sind die Änderung des Schulsystems, die Wilhelm von Humboldt in seiner Funktion als Kultusminister entwarf und durchsetzte – und mehr noch: Sein Verständnis von Bildung und seine Bildungsziele. Das den Gedanken von Humboldts zugrundeliegende (neu-)humanistische Bildungsideal prägte Jahrhunderte lang unser Schul- und Universitätswesen: Menschenbildung – und nicht Ausbildung zu einer Tätigkeit – wurden als Ziel der Bildung und Selbstbildung verstanden; von Humboldt formuliert dies folgendermaßen: „Der wahre Zweck des Menschen ist die höchste und proportionierlichste Bildung aller Kräfte zu einem Ganzen“. Die aktive Auseinandersetzung mit sprachlichen und bildnerischen Kulturgütern dient somit in diesem Bildungsideal als Basis für die Entfaltung des Schülers/Menschen (vgl. [53]). Diese „Menschenbildung“ umfasst somit nach von humboldt´scher Vorstellung die Ausbildung aller Fähigkeiten eines Menschen (musische, sportliche, mathematische, sprachliche, historische, philosophische und ästhetisch-sinnliche Fähigkeiten) – die ausschließliche Ausbildung der fachlichen Berufskompetenz musste in diesem Bildungsideal damit als zu eng angesehen werden. Trotz aller Kritik (fehlender Praxisbezug, unzweckmäßiges Ideal, reformresistent etc.) prägte dieses Bildungsideal lange Zeit unser Verständnis von Bildung – ehe es Anfang des 19. Jahrhunderts mit einem Bildungsideal konkurrieren musste, das stark durch ein stofflich-lexikalisches Bildungsverständnis geprägt war. Kritiker bezeichnen Schulen mit diesem neuen Verständnis daher eher als Stoffvermittlungsanstalten, denn als Einrichtungen zur (Menschen-)Bildung. Wolfgang Klafki stellt in der Mitte des letzten Jahrhunderts (wieder und) ebenfalls den aufgeklärten Menschen ins Zentrum seiner bildungstheoretischen Didaktik und versuche zudem seine Bildungsziele mit einer didaktischen Methode zu kombinieren [54]: Mündiges, selbstbestimmtes und solidarisches Handeln – im Sinne von Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit – werden zur Maxime seines Bildungsideals. Klafki formuliert daher als zentrale Frage der bildungstheoretischen Didaktik – und damit als Leitfrage für alle Lehrenden: „Mit welchen Inhalten und Gegenständen müssen sich junge Menschen auseinandersetzen, um zu einem selbstbestimmten und vernunftgeleiteten Leben in Menschlichkeit, in gegenseitiger Anerkennung und Gerechtigkeit, in Freiheit, Glück und Selbsterfüllung zu kommen?“ ([55], S. 461). Das Ziel von Bildung und Erziehung ist es daher in seinem Verständnis – das wird in dem genannten Zitat deutlich – dem unmündigen Men-

60 | U. Dittler schen zur Mündigkeit zu verhelfen. Unter Aufhebung der bis dahin vorherrschenden Trennung von ‘Materialer Bildungstheorie´ und ‘Formaler Bildungstheorie´ entwickelt Klafki die ‘Kategoriale Bildung´, die „die objektbezogene (materiale) Seite der Didaktik mit der subjektbezogenen (formalen) Seite dialektisch verschränken“ soll ([54], S. 38). In diesem Zusammenhang weist Klafki auch explizit darauf hin, dass nicht jeder mögliche Lehrinhalt auch einen Bildungsgehalt hat. Vielmehr sollte die Breite der Bildungsinhalte nicht nur die rein kognitiven Fähigkeiten den Menschen berücksichtigen, sondern beispielsweise auch handwerklich-technische Fähigkeiten, soziale Fähigkeiten, ästhetische Gestaltungs- und Beurteilungsfähigkeiten, (Selbst-)Kritikfähigkeit und -bereitschaft sowie Empathie umfassen – auch hier wird die Parallele zum Bildungsideal von Wilhelm von Humboldt deutlich. Seit der Formulierung der Bildungsideale durch von Humboldt und Klafki gab es zwei wesentliche Veränderungen des Bildungsverständnisses: Zum einen fand ein Bedeutungswandel des Begriffs „Bildung“ über „Allgemeinbildung“ zu „Allgemeinwissen“ statt (vgl. [56]) der mit einer deutlich Fokussierung auf zu erwerbendes oder zu lernendes (Fakten-)Wissen verbunden ist – und sich auch im Begriff der „Wissensgesellschaft“ niederschlägt (vgl. [57]). Die zweite Veränderung ist darin zu sehen, dass das Durchlaufen von Bildungsinstitutionen (Schule, Ausbildung und/oder Hochschule) nicht mehr als ausreichend für eine erfolgreiche Bewältigung des gesamten Lebens verstanden wird, sondern „lebenslanges Lernen“ – oder weniger negativ konnotiert: „lebensbegleitendes Lernen“ – (mit dem Fokus auf Wissen) oder „Bildung über die Lebenszeit“ (mit dem Fokus auf umfassendere Bildung) zur unumgänglichen Notwendigkeit erklärt wurden (vgl. [58]). Zweifellos waren „Leben und „Lernen“ schon immer miteinander verbunden und auch lebenslanges Lernen war schon immer notwendig. Dennoch wird mit dem seit rund 60 Jahren an Bedeutung gewinnenden Terminus des lebenslangen Lernens versucht eine gesellschaftlich Veränderung – und deren Bedeutung für die individuelle Biographie und Lernbiographie – zu beschreiben: Unser Bild der traditionellen Gesellschaften zeichnet diese als statische Gesellschaften, die meist zyklisch verliefen (bspw. zyklische Produktionsprozesse im Handwerk oder in der Landwirtschaft) und bei denen gelernte Inhalte für die Dauer des Lebens ihre Gültigkeit behielten [59]. Bildungsprozesse in traditionellen Gesellschaften waren zweigeteilt: an den institutionalisierten Formen der Bildung in Schule und Hochschule konnte nur ein geringer Anteil der Bevölkerung teilnehmen, alle anderen erwarben ihr (Handlungs-)Wissen in praxisnaher Ausbildung oder durch „learning by doing“. Da die traditionellen Gesellschaften keine mobilen Gesellschaften waren, und die (Arbeits-)Biographien meist ohne größere Veränderungen oder einschneidende Brüche verliefen, war das in der Kindheit, der Jugend und im jungen Erwachsenenalter erworbene Wissen durchaus ausreichend um eine Erwerbsbiographie erfolgreich zu bewältigen. Anders in den modernen Gesellschaften, die wir als mobil, schnelllebig, dynamisch und virtuell vernetzt erleben: Die allgemeine Schulpflicht eröffnet allen den Zugang zu Bildungsinstitutionen, gleichzeitig ist das (Arbeits-)Leben in der modernen

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Gesellschaft von zahlreichen freiwilligen und unfreiwilligen Wechseln und Brüchen geprägt (Verlust des Arbeitsplatzes, berufliche Neuorientierung durch Weiterbildung oder durch Wohnortwechsel etc.). Die regelmäßigen Änderungen in den zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendigen Erwerbstätigkeiten führen in Verbindung mit den seit der Industrialisierung zu beobachtende Ausdifferenzierung von beruflichen Tätigkeiten (Expertentum) zwangsweise zu einer Notwendigkeit des lebenslangen Lernens: Zum einen können in der Phase der primären Ausbildung (Schule, Berufsausbildung, Studium) nicht alle späteren beruflichen Tätigkeiten bekannt sein, zum anderen bedingen die rasanten technischen Entwicklungen, dass die Arbeitnehmer sich regelmäßig über neue Produktionsprozesse informieren um im zunehmend internationaler werdenden Wettbewerb der Globalisierung konkurrenzfähig arbeiten zu können. Ein lebenslang an der jeweils aktuellen Tätigkeit und dem aktuellen Arbeitsprozess orientierter Lernprozess ist daher in einer modernen Gesellschaft unumgänglich. Teilweise – gerade im beruflichen Umfeld – findet auch dieses lebenslange Lernen in institutionalisierter Form statt (berufliche Weiterbildung), im privaten Bereich gewinnt hingegen das informelle Lernen – wie oben gezeigt wurde – zunehmend an Bedeutung. Im Zusammenhang mit dem „lebensbegleitenden Lernen“ oder „lebenslangen Lernen“ wird „Lernen“ in unseren modernen Gesellschaften jedoch stark auf die kognitiven oder psychomotorischen Aspekte fokussiert betrachtet – interessant wäre es, dem „lebensbegleitenden Lernen“ ein eher/auch affektiv orientiertes Konstrukt der „lebensbegleitenden Bildung“ zur Seite zu stellen. Gemeinsam ist den oben kurz exemplarisch skizzierten Bildungstheorien von von Humboldt und Klafki, dass Bildung in ihrem Verständnis kein autodidaktischer Prozess ist, sondern stets vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Werte, Normen und Visionen stattfindet. Wenn Klafki als Ziel schreibt „… um zu einem selbstbestimmten und vernunftgeleiteten Leben in Menschlichkeit, in gegenseitiger Anerkennung und Gerechtigkeit, in Freiheit, Glück und Selbsterfüllung zu kommen“, so betont er neben der Selbstverantwortung und Selbstverantwortlichkeit des Lernenden eben gerade auch die gesellschaftlichen Werte der Gerechtigkeit, der Freiheit und der Selbsterfüllung! Während es außer Frage steht, dass ein autodidaktisches Lernen von Fakten (im Sinne kognitiver Lernziele und im Sinne einer Materialen Bildungstheorie bzw. eines Bildungstheoretischen Objektivismus) möglich ist, bedarf aber gerade das Lernen von Normen und Werthaltungen (affektive Lernziele) die aktive und angeleitete Auseinandersetzung mit der Kultur bzw. den Produkten der Kultur (Kunst, Musik, Literatur, Film etc.). Die Rolle der Lehrenden und/oder Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter in der Phase des ubiquitären Internetzugriffs mittels smarter Devices mag sich daher dahingehend ändern, dass sie nicht mehr die Funktion übernehmen Lernenden (meist dekontextualisierte) Information zugänglich zu machen, ihre Bedeutung bei der Vermittlung von gesellschaftlichen Normen und Werten bleibt jedoch unbenommen und wird – vor dem Hintergrund der verfügbaren scheinbar unbegrenzten Informationen zunehmend wichtiger – auch hier zeigt sich die eingangs bereits erwähnte Veränderung der Rolle der Lehrenden.

62 | U. Dittler Unbeantwortet bleibt an dieser Stelle jedoch die – zugegebenermaßen zentrale – Frage, ob eine Orientierung an den Bildungsidealen der Aufklärung überhaupt noch zeitgemäß und angebracht ist – verwiesen sei in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die unterhaltend und pointiert dargelegten Gedanken von Michael Naumann [60] zu dieser Frage. Neben den bereits skizzierten Auswirkungen auf institutionalisierte Lehr- und Lernformen, auf die Bildungsinstitutionen sowie auf Bildungsziele wird die aktuellen Entwicklungen, einhergehend mit der zunehmenden Bedeutung von sozialen Netzwerken und der fortschreitenden Digitalisierung – wie im nächsten Kapitel ausgeführt wird – auch unser Verständnis von den „Wissen“, „Wissensmanagement“ und „Wissensvermittlung“ nachhaltig verändern.

1.7.2 Wissens in der Wissensgesellschaft Die Sammlung von Wissen (in Sinne des stofflich-lexikalischen Bildungsbegriffs) und das Anbieten von Wissen zur Menschenbildung (im Sinne des (neu-)humanistischen Bildungsbegriffs) war Jahrhunderte lang das Ziel von Hochschulen; die Weitergabe von Wissen das erklärte Ziel von Studien- und Ausbildungsgängen; Wissen zu erwerben ist das Ziel der Lernenden. Seit der Verfügbarkeit des ubiquitären Internetzugangs mittels smarter Devices bietet hingegen nun jederzeit und ubiquitär Zugriff auf eine scheinbar unendliche Fülle an Informationen – und damit die Grundlage von Wissen: 1) Laut Denic sind derzeit mehr als 17.000.000 Domains alleine in Deutschland registriert; täglich kommen rund 5.000 neue .de-Domains dazu. Ein scheinbar unendliches Potential an Informationen. 2) Nahezu alle derzeit verkauften Mobiltelefone sind Smartphones, die es auch erlauben damit jederzeit im Internet zu surfen und mit sogenannten Apps auf spezifische News- und Informationssammlungen und Communities zuzugreifen. 3) Bücher müssen von Hochschulen nicht mehr einzeln ausgewählt und gekauft werden; große Verlage bieten „E-Book-Flatrates“ an: Alle Bücher, die innerhalb eines Jahres erscheinen werden hierbei den Bibliotheken als E-Book zur Nutzung für alle Studierenden und Lehrenden zur Verfügung gestellt. 4) Mit Tablett-PCs und Smartphones können ganze (Fach-)Bibliotheken problemlos in der Aktentasche transportiert werden – wobei jedes dieser Geräte schon heute mehr Bücher speichern kann, als ein Mensch in seinem ganzen Leben lesen kann. Die Menge an zugänglichen Informationen erscheint bereits heute unüberschaubar. Für den jederzeitigen Zugriff auf alle diese weltweiten Informationen bedarf es heute nicht viel: „Eine kleine SIM-Karte, nicht größer als ein Daumennagel, reicht aus, es abzurufen“ ([61], S. 211f).

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Bei dieser Aufstellung wird deutlich, dass „Information“ nicht gleichzusetzen mit „Wissen“ ist, eine Differenzierung tut daher Not. Als Informationen sollen – in Übereinstimmung mit den aktuellen Überlegungen der Wissenschaftstheorie (siehe hierzu auch [62]) – zunächst alle in Zeichensystemen codierten Daten verstanden werden. Diese Informationen sind zunächst kontextfrei. Informationen können von einzelnen Lernenden – ganz individuell – zu Wissen verarbeitet werden, in dem sie kognitiv durchdrungen und in bestehende mentale Modelle integriert werden: Der Auf- oder Ausbau mentaler Modelle stellt damit den Aufbau von Wissen dar. Es ist hilfreich dieses Verständnis weiter zu differenzieren und verschiedene Arten von Wissen zu unterscheiden: 1) Eine geläufige Unterteilung unterscheidet zwischen den beiden Wissensarten des Expliziten Wissens und des Impliziten Wissen: Als Explizites Wissen wird der Teil des Wissens bezeichnet, der dem Individuum bewusst ist und der sprachlich artikuliert werden kann. Implizites Wissen hingegen kann hingegen nicht sprachlich artikuliert werden und ist dem Individuum nicht bewusst – dieses Wissen kann aber beispielsweise in Anwendungssituationen dennoch erfolgreich eingesetzt werden/angewendet werden. 2) Eine weitere Unterscheidung trennt Deklaratives Wissen und Prozedurales Wissen: Als Deklaratives Wissen werden die Teile des Wissens bezeichnet, die sprachlich eindeutig formuliert werden können (know that); umgangssprachlich: Fakten. Dieses Deklarative Wissen kann weiter unterteilt werden in Semantisches Wissen (abstraktes Weltwissen/Faktenwissen) und Episodisches Wissen (Erinnerungen/Erfahrungen). Prozedurales Wissen hingegen beschreibt Wissen, dass auf Handlungsabläufe/Handlungskompetenz bezogen ist (know-how). 3) Eine weitere Unterteilungsmöglichkeit ordnet nach der Lebensdauer des Wissens: Informationen, die nur im Kurzzeitgedächtnis verarbeitet werden (beispielsweise wenn wir uns den Anfang eines gesprochenen Satzes so lange merken, bis wir das Satzende gehört haben und so dem Satz einen Sinn entnehmen können) unterscheiden sich von Wissen, die wir im Langzeitgedächtnis ablegen (beispielsweise mathematische oder physikalische Gesetzmäßigkeiten, wie wir auch Jahrzehnte nach der Schulzeit/dem Studium noch anwenden können) Das durch die kognitive Verarbeitung der scheinbar unendlichen Informationen (in die verschiedenen Arten) entstehende Wissen bildet die Basis für die Wissensgesellschaft. Der Begriff der Wissensgesellschaft – der wie Kübler [63] betont, bereits vielfach beliebig und phrasenhaft verwendet wird – versucht (ähnlich – und oft synonym verwendet – wie der Begriff der Informationsgesellschaft) eine Gesellschaft zu beschreiben, die „eng an oder einseitig an die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie […] gebunden ist und damit einem gewissen, meist impliziten technologischem Determinismus huldigt“ (ebd., S.90). Der Begriff hat sich damit ein Stück weit entfernt von der zunächst in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts damit verbundenen Bedeutung, die im beobachteten Zuwachs wissenschaftli-

64 | U. Dittler chen Wissens zunächst vor allem eine Chance für eine wachsende Wissenschaftlichkeit und wachsende Rationalität sah. Stehr [64] skizziert in diesem Zusammenhang ein Menschen- und Gesellschaftsbild, das sich dadurch auszeichnet, dass diese für die wissenschaftliche Forschung einen beachtlichen Teil ihrer Ressourcen aufwendet und dieses Wissen dazu nützt die Gesellschaft zu erklären und auch im Sinne der eigenen Werte und Zielvorstellungen zu verändern. Die aktuelle Bedeutung des Begriffs legt – unter Berücksichtigung der aktuellen gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen (die deutlich anders fokussiert sind als die von Stehr genannten Erwartungen an die Entwicklung einer Wissensgesellschaft) – den Schwerpunkt stärker auf technische und wirtschaftliche Erzeugung, Vermarktung, Verteilung und Monetisierung von Wissen. Wissensverarbeitung im Sinne der Wertschöpfung dominiert – als Beispiel für die derartig orientierten Unternehmen der New Economy sei nur das Unternehmen Google genannt – deutlich gegenüber dem erkenntnisgeleiteten – und damit wissenschaftlichen und „wissen-schaffenden“ – Ansatz den Stehr als Basis einer Wissensgesellschaft sieht. Die heute dominierende Verbindung von „Wissen“ und „Technologie“ wurde bereits mehrfach betont, Kerres & de Witt [26] sprechen daher von einer „mediatisierten Wissensgesellschaft“ und fordern – im Gleichklang mit zahlreichen anderen Autoren – den Ausbau der Medienkompetenz und der computer literacy um allen Mitgliedern einer Gesellschaft gleichermaßen den Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Insgesamt sind es drei Faktoren, von denen der Aufbau von Wissen durch die Nutzung der verfügbaren, medien- und/oder internetgebundenen Informationen abhängt: – Die angesprochene Medienkompetenz und computer literacy, – die Zugänglichkeit/Verfügbarkeit des medialen Informations- und Wissensangebots und – die tatsächliche Nutzung des Informations- und Wissensangebots. Die folgenden Beiträge sollen aufzeigen, inwieweit zeitgemäße Bildungsangebote in Hochschulen und in der betrieblichen bzw. außerbetrieblichen Bildung die skizzierten Überlegungen zur aktuellen Rolle von Bildungsinstitutionen bereits aufgreifen.

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Daniela Schröder, Hannah Ofterdinger & Milan Kuhli

2 Universität Hamburg: eLearning an der Fakultät für Rechtswissenschaft Ein Praxisbericht Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag stellt die Erfahrungen mit eLearning an der Universität Hamburg vor, welche explizit unter dem Gesichtspunkt der CoronaPandemie betrachtet werden. Die Entwicklungen prae corona können in [1] nachgelesen werden. Exemplarisch werden hier die Erfahrungen mit eLearning und digitaler Lehre an der Fakultät für Rechtswissenschaft vorgestellt und die Wechselbeziehungen zwischen Notwendigkeiten, Herausforderungen und Lösungsansätzen diskutiert. Schlagwörter: Corona, Take Home Exams, Hybridformate, Videomeetings, digitale Lehrformate, Best Practice

2.1 Einleitung Die Corona-Pandemie bildete nicht nur an der Universität Hamburg einen Katalysator im Bereich des eLearning. Deutschlandweit mussten Universitäten und andere Hochschulen in den vergangenen Semestern ihren Präsenzbetrieb vorübergehend einstellen. Hieraus ergab sich im Frühjahr 2020 die besondere Herausforderung, innerhalb kürzester Zeit alle studiennotwendigen Inhalte in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass keine Anwesenheit vor Ort erforderlich war. Lehrende sahen sich vor der Notwendigkeit Podcasts zu erstellen, Videos zu schneiden oder Online-Konferenzen zu veranstalten ([2], S. 8). Studierende standen vor der Herausforderung, von digitalen Lehr- und Prüfungsangeboten Gebrauch zu machen, die mitunter neu für sie waren. Erleichtert wurde diese Umstellung durch die fortschreitende Digitalisierung, die die Bereitstellung von asynchronen Lehrangeboten und von Distanzlehrformaten eröffnen. Und umgekehrt führte die Verlagerung des Lehr- und Lernangebots auf einen Online-Betrieb auch zu einem Beschleunigungsprozess der Digitalisierung des Universitätsbetriebes. Mit dem vorliegenden Beitrag wird das Ziel verfolgt, diese Wechselbeziehungen zwischen Notwendigkeiten, Herausforderungen und Lösungsansätzen am Beispiel des jüngsten und gegenwärtigen eLearning-Angebots der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg aufzuzeigen. Der besondere Fokus dieses Praxisberichts liegt auf dem Zeitraum der vergangenen Semester, der durch das Aufkommen der Corona-Pandemie geprägt ist. Hierfür werden zunächst die Rahmenbedingungen dargestellt, die das eLearning-Angebot der juristischen Fakultät prägen (Abschnitt 2.2). Im Anschluss hieran werden die Veränderungen der vergangenen Sehttps://doi.org/10.1515/9783110754728-002

70 | D. Schröder et al. mester im Bereich des eLearning aufgezeigt (Abschnitt 2.3). Anschließend werden die Problematiken und Herausforderungen beschrieben, die das digitale Lehren und Lernen für Lehrende und Lernende mit sich bringt (Abschnitt 2.4) und die zu einem Best-Practice-Beispiel führen (Abschnitt 2.5). Der Beitrag endet mit einem Ausblick (Abschnitt 2.6).

2.2 Rahmenbedingungen Die Studiengänge, die an der Hamburger Fakultät für Rechtswissenschaft angeboten werden, unterliegen bestimmten Rahmenbedingungen, die auch Auswirkungen auf die Ausgestaltung eines eLearning-Angebots entfalten.

2.2.1 Große Kohorten Die Studierendenzahlen der Fakultät für Rechtswissenschaft sind vergleichsweise hoch. Dies betrifft im besonderen Maße den Staatsexamensstudiengang, in dem üblicherweise mehrere hundert Studienanfängerinnen und Studienanfänger zu verzeichnen sind. Dies bedeutet, dass in Vorlesungen häufig mehrere hundert Studierende anwesend sind – eine Anzahl von Lernenden, für die mit Ausbruch der Corona-Pandemie ein adäquates digitales Lehr- und Lernangebot anzubieten war.

2.2.2 Gängige Lehrformate Den hohen Studierendenzahlen entspricht es, dass der Vorlesung im juristischen Curriculum eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Viele der Lehrveranstaltungen finden in diesem Format statt. Daneben werden insbesondere in den Anfangssemester vorlesungsbegleitende Arbeitsgemeinschaften (Tutorien) angeboten, in denen 25 bis 40 Studierende mit der Anfertigung juristischer Falllösungen vertraut gemacht werden. Insbesondere in den höheren Semestern werden zudem Seminare angeboten, in denen häufig bis zu 25 Studierende zu aktuellen Rechtsfragen, die außerhalb des Pflichtcurriculums angesiedelt sind, wissenschaftlich arbeiten. Daneben werden auch Exkursionen, Kleingruppenveranstaltungen zum Erlernen von Schlüsselqualifikationen und gerichtliche Simulationen (Moot Courts) angeboten.

2.2.3 Gängige Prüfungsformate Insbesondere im ersten Teil des juristischen Studiums haben die Studierenden Klausuren zu schreiben, also schriftliche Aufsichtsarbeiten, in denen sie Rechtsfälle lösen

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oder zu juristischen Grundlagenfragen Stellung nehmen. Zu diesen Themen werden zudem Hausarbeiten angeboten, deren Besonderheit im Vergleich zu vielen anderen Fakultäten und Disziplinen darin besteht, dass alle Studierenden zum selben Thema eine Prüfungsleistung abliefern. In den im höheren Semester angebotenen Seminaren kommen mündliche Präsentationen (Referate) und wissenschaftliche Hausarbeiten hinzu. Das Erste Juristische Staatsexamen besteht aus mehreren Klausuren und einer mündlichen Prüfung.

2.2.4 Kursangebot Rechtswissenschaft des Universitätskollegs Bis Ende Dezember 2020 konnten die Studierenden ferner auf das Unterstützungsangebot des Universitätskollegs (UK) zurückgreifen. Im Rahmen des Kursangebots Rechtswissenschaft wurden jedes Semester verschiedene extracurriculare Kurse angeboten, die die Studierenden in ihrem Lernprozess begleiten und sie bei der Klausurenvorbereitung unterstützen sollten. Hierzu zählten neben neun verschiedenen Kursen für die Studieneingangsphase (1. bis 3. Semester) weitere Kursformate für Studierende des Hauptstudiums. Zusätzlich gab es drei Mentoringangebote: ein individuelles Klausuren-Coaching, ein Lerngruppentutorium sowie ein Mentoring für internationale Studierende. Die Angebote des Universitätskollegs dienten dabei als Ergänzung des regulären Lehrangebots und erfolgten stets in Absprache mit der juristischen Fakultät. Die digitale Umsetzung der Kursformate erfolgte daher analog zu den unten (Abschnitt 2.3.1.2) beschriebenen Seminaren, nämlich in Form von synchronen Videomeetings.

2.2.5 eLearning-Stellen und Tools der Universität Hamburg Die Fakultät für Rechtswissenschaft hat ein eigenes Büro die für Digitalisierung von Lehren und Lernen (DLL), welches schon vor der Corona-Pandemie an digitalen Lehrprojekten mitarbeitete, wie zum Beispiel dem Masterstudiengang „Law and Economics in the Arab Region“, welcher als Blended-Learning-Format im Rahmen des Projekts MLEA online entwickelt wurde. Neben dieser fakultätseigenen Unterstützung für die digitale Lehre verfügt die Universität Hamburg über eine Reihe zentraler und dezentraler Stellen, die sich mit allgemeinen oder spezifischen Fragen der Digitalisierung befassen und die in den vergangenen Semestern zu wichtigen Partnern bei der digitalen Transformation der Lehr- und Lernangebote wurden. Hervorzuheben ist hierbei insbesondere das Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL), welches Lehrende und Studierende ebenso wie die Fakultäten und mit Lehre befasste Gremien und Abteilungen der Universität zu allen Fragen des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien berät und unterstützt. Der Schwerpunkt Digitalisierung von Lehren

72 | D. Schröder et al. und Lernen (DLL) des HUL bietet unter anderem didaktische Anregungen und Beratung, didaktische Online-Workshops für Lehrende wie auch technische Hinweise an. Die Universität Hamburg verfügt zudem über verschiedene Plattformen, die nicht nur administrativ, sondern auch zum Lehren und Lernen genutzt werden. Über das Webportal Studien-Informationsnetz (STiNE) können Studierende, Lehrende und die Verwaltung ihren Universitätsalltag organisieren. Die Kommunikations- und Kollaborationsplattformen Commsy bietet gerade für den digitalen Einstieg einfache Interaktionsmöglichkeiten, Diskussion und wissenschaftlichen Austausch und erlaubt einen orts- und zeitunabhängigen Zugriff auf Informationen und Ressourcen sowie die Möglichkeit Material zu publizieren. Die High-Level-Learning Management Lernplattform OpenOLAT bietet die Möglichkeit, Kurse zu erstellen, mit Teilnehmenden zu kommunizieren sowie Materialien zu teilen und zu verwalten. Die Medienplattform Lecture2Go dient dazu, aufgezeichnete Vorlesungen und andere Veranstaltungen anzusehen, anzuhören und herunterzuladen.

2.3 Digitale Transformation des Lehr-, Lern- und Prüfungsangebots Insbesondere während der schnell nötig gewordenen Umstellung auf digitale Lehre im Sommersemester 2020 im Rahmen des so genannten Emergency Remote Teaching wurden Lehrende und Studierende umfangreich von der Fakultät unterstützt. So wurden unter anderem die notwendigen Kurse auf OpenOLAT für alle Lehrenden erstellt. Zur Durchführung synchroner digitaler Lehrveranstaltungen erwarb die Universität Hamburg Lizenzen zur Nutzung der Videomeeting-Software Zoom. Im Einzelnen betrifft die digitale Transformation der jüngsten Semester nicht nur das Lehr- und Lernangebot, sondern auch das Prüfungswesen. Hierbei ist zwischen synchronen und asynchronen Digitalformaten auf der einen Seite und Hybridformaten auf der anderen Seite zu unterscheiden. Während die Lehrveranstaltungen zwischen April 2020 und September 2021 grundsätzlich digital stattfanden (Abschnitt 2.3.1), werden seit Oktober 2021 wieder Präsenz- und Hybridformate angeboten (Abschnitt 2.3.2).

2.3.1 Synchrone und asynchrone digitale Lehr- und Lernformate 2.3.1.1 Vorlesungen Die Verlegung der Vorlesungen in den digitalen Raum erfolgte an der Fakultät für Rechtswissenschaft vor allem in einer synchronen (d. h. zu regelmäßigen, festen Terminen) oder in einer asynchronen (eine Aufzeichnung, die zu jedem beliebigen Zeit-

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punkt angeschaut werden konnte) Variante. Eine synchrone Digitalvorlesung fand häufig in Form eines Videomeetings statt, in dem die Lehrperson für die Lernenden visuell und akustisch wahrnehmbar war und die Präsentation des Lehrstoffs durch eine PowerPoint-Folie unterstützt wurde. Den Lernenden wurde freigestellt, in welcher Weise sie an der Lehrveranstaltung teilnehmen möchten. So war es ihnen erlaubt, auf eine visuelle und akustische Wahrnehmbarkeit ihrer Person zu verzichten. Darüber hinaus war es ihnen auch gestattet, ein Pseudonym zu verwenden. Die Beteiligung am Unterricht konnte durch mündliche Beiträge oder durch schriftliche Kommunikation (z. B. Chat) erfolgen. Evaluationen haben ergeben, dass Studierende die Interaktionsmöglichkeiten schätzen, die diese Form des eLearning mit sich bringt. In einer asynchronen Variante wurden Vorlesungsinhalte von den Lehrenden aufgezeichnet und in Form von Podcasts zur Verfügung gestellt. Zum Teil war die Lehrperson hierbei nur akustisch, zum Teil auch visuell wahrnehmbar. Dieses Aufzeichnen beinhaltet keine Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden, bietet aber den Vorteil der jederzeitigen und wiederholten Abrufbarkeit durch die Lernenden. Einen Mix aus synchronen und asynchronen Elementen bietet die Variante, dass eine interaktive Online-Lehrveranstaltung aufgezeichnet wird und hierdurch den Lernenden dauerhaft und wiederholt zur Verfügung steht.

2.3.1.2 Seminare und Arbeitsgemeinschaften Die digitale Durchführung von Seminaren und Arbeitsgemeinschaften bietet sich wegen ihres ausgeprägten interaktiven Elements vor allem als synchroner Kurs an. Hierbei hat sich gezeigt, dass die anfangs benutzten reinen Chat-Gruppen keinen adäquaten Ersatz für Präsenz-Arbeitsgruppen und -seminare bilden. Stattdessen bevorzugen viele Lehrende und Lernende die oben (Abschnitt 2.3.1.1) beschriebenen Videomeetings.

2.3.2 Hybridformate Seit Oktober 2021 bietet die Hamburger Fakultät für Rechtswissenschaft auch Lehrveranstaltungen im Hybridformat an. Hierbei nehmen Studierende an einer Präsenzveranstaltung teil, die parallel digital angeboten wird. Dieses Digitalangebot kann synchron erfolgen, sich also an andere Studierende richten, die online über eine Videomeeting-Software zugeschaltet sind. Das Digitalangebot kann aber auch asynchron erfolgen, indem die Präsenzveranstaltung aufgezeichnet und anschließend als Aufzeichnung zur Verfügung gestellt wird. Hier stellt sich für die Fakultät für Rechtswissenschaft die besondere Herausforderung, ausreichend lange Pausen zwischen rein digitalen Lehrveranstaltungen und Hybridveranstaltungen einzuplanen, damit die Lernenden ausreichend Zeit haben, die Räumlichkeit zu wechseln.

74 | D. Schröder et al. 2.3.2.1 Prüfungen Vor dem Hintergrund der großen Kohorten in den juristischen Studiengängen mussten ab Frühjahr 2020 für einen Großteil der Prüfungsformate digitale Alternativen gefunden werden. So war es unter Wahrung der notwendigen Abstände in der Regel nicht möglich, Räumlichkeiten für mehrere hundert Studierende zu organisieren. Stattdessen wurden häufig Take Home Exams anstelle klassischer Klausuren durchgeführt, also schriftliche Prüfungsleistungen, die ohne Aufsicht am heimischen Computer verfasst werden können. In didaktischer Hinsicht bedingte dies regelmäßig die Anpassung der entsprechenden Prüfungsfragen, um zu verhindern, dass die Antworten durch Internetrecherche gefunden werden konnten. Vor diesem Hintergrund boten sich etwa – im Gegensatz zu den sonst gängigen Falllösungen – rechtssystematische Fragen als Themen von Take Home Exams an. Auch das Hausarbeitswesen war von den Einschränkungen der Corona-Pandemie betroffen. Dies betraf nicht den – üblichen – Umstand, dass diese Prüfungsform ohne Aufsicht stattfindet und von überall absolviert werden kann. Beschränkungen ergaben sich eher daraus, dass die einschlägigen Bibliotheken zeitweilig geschlossen werden mussten, sodass die Studierenden auf digital zugängliche Literatur angewiesen waren. Dem musste mitunter bei der Aufgabenstellung bzw. Themenfindung Rechnung getragen werden.

2.4 Herausforderungen Die im Abschnitt 2.2 aufgezeigten Rahmenbedingungen vermitteln auf den ersten Blick den Eindruck, dass eine Transformation des Lehr- und Lernangebots in den Bereich des Digitalen in einem juristischen Studiengang leichter sein mag als in anderen Studiengängen. Bekanntlich erfordert das Jurastudium keine Tätigkeit im Labor, keine Entnahme von Bodenproben auf Exkursionen und keine physischen Ausdauerübungen auf dem Sportplatz. So scheint es völlig unerheblich zu sein, ob rechtswissenschaftliches Denken und Arbeiten in Präsenz in einem Vorlesungssaal vermittelt werden oder im digitalen Eigenstudium erlernt werden ([2], S. 8). Eine solche Sichtweise würde aber die vielfältigen Herausforderungen vernachlässigen, die eLearning für Lehrende und Lernende mit sich bringt.

2.4.1 Spezifische Herausforderungen für Lehrende Während einige Lehrenden ihre Veranstaltungen oder Materialien in den vergangenen Jahren bereits digitalisiert haben, sind andere weniger vertraut mit den technischen Möglichkeiten. Als besonders voraussetzungsreich erweist sich die Konzeption einer

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hybriden Lehrveranstaltung. In dieser Hinsicht ist zudem zu berücksichtigen, dass allein die Einarbeitung in ein neues technisches Konzept äußerst zeitintensiv ist. Ferner lässt sich feststellen, dass sich Studierende im Rahmen digitaler Veranstaltungen oftmals anders verhalten als in Präsenzveranstaltungen. Während sich einige im digitalen Raum eher trauen Fragen zu stellen, fühlen sich andere gehemmt sich zu äußern. In synchronen Lehrveranstaltungen zeigt es sich, dass die Aktivität der Studierenden teilweise besonders aktiv gefördert werden muss. Insbesondere in ZoomVeranstaltungen muss von Lehrenden aber auch ein Raum geschaffen werden, in der aktive Teilnahme in einem angenehmen Kommunikationsklima ermöglicht wird. Dies beinhaltet die Notwendigkeit, auf einen respektvollen Umgang hinzuweisen sowie Beleidigungen und Belästigungen von Teilnehmenden zu unterbinden. Ein besonderes Problem stellt der Umstand dar, dass Teilnehmende in Videomeetings oft von der Möglichkeit Gebrauch machen, die eigene Kamera auszuschalten. In Extremfällen sehen die Lehrenden dann keinerlei Gesichter, sondern blicken auf ihrem Bildschirm auf eine Wand schwarzer Kacheln. Dies verursacht leicht den Eindruck, die eigenen Worte würden in einen leeren Raum gesprochen. Zudem kann es verunsichernd wirken, wenn nicht erkennbar ist, ob die eigene Erklärung verständlich war, da die nonverbalen Reaktionen der Studierenden schlicht nicht zu sehen sind. Während fragende Gesichter in einer Präsenzveranstaltung darauf hindeuten, dass die präsentierten Informationen noch nicht verstanden wurden, fehlt diese Rückmeldung bei ausgeschalteten Kameras. Darunter leidet auch die Beziehung zwischen der Lehrperson und den Studierenden. Hinzu kommen universitätsweit geäußerte Befürchtungen seitens der Lehrenden, dass der verstärkte Einsatz digitaler Technologien in der Lehre bestehende Ungleichheiten verstärken wird, dass Einsparungen in der Lehre vorgenommen werden und dass der universitäre Charakter der Lehre Schaden nimmt ([3], S. 20 f. sowie [4] S. 25). Es bleibt zu hoffen, dass diese Befürchtungen keine Auswirkungen auf das Engagement in der Lehre haben.

2.4.2 Spezifische Herausforderungen für Lernende Während die Lehrenden noch weitgehend selbst über die Nutzung digitaler Infrastrukturen und die Form der Durchführung ihrer Lehrveranstaltung entscheiden können, haben Studierende oftmals wenig Einfluss auf die Auswahl des Veranstaltungsformats und der bereitgestellten Materialien. Zudem stellt sich das Problem, dass sich auch bei Lernenden Hürden bei der Teilnahme an Videomeetings ergeben. So haben Studierende in Evaluationen mitgeteilt, im Fall des Einschaltens der eigenen Kamera entstehe bei ihnen Eindruck, beobachtet zu werden. Zudem kann das Gefühl der Ungerechtigkeit aufkommen, wenn die eigene Kamera eingeschaltet wird, viele andere Teilnehmende ihre Kameras jedoch ausgeschaltet lassen. Andererseits kann für diejenigen

76 | D. Schröder et al. Teilnehmenden, die ihre Kamera ausschalten, der Eindruck entstehen, sie würden im Videomeeting nicht mehr als Person wahrgenommen. Schließlich führt eine rein digitale Durchführung des Studiums zu einem Wegfall von Kommunikationsmöglichkeiten mit Lehrenden und anderen Lernenden. Ein informelles Gespräch mit den Lehrenden vor oder nach einer Lehrveranstaltung ist oftmals erschwert. Zudem fällt auch der übliche persönliche Austausch mit anderen Lernenden während, vor oder nach einer Veranstaltung weg, solange Lernende nicht individuelle Wege der digitalen Kontaktaufnahme beschreiten. Während man in einer Präsenzveranstaltung die Sitznachbarin oder den Sitznachbarn fragen konnte, ob sie bzw. er die letzte Anmerkung verstanden oder den letzten Satz der Folie mitgeschrieben habe, gelingt dies in einer Zoom-Veranstaltung nicht so leicht. Ferner zeigen die Evaluationen der rechtswissenschaftlichen Kurse des Universitätskollegs, die während des Sommersemesters 2020 ausnahmslos als synchrones Kursformat mit festen Terminen als Videokonferenz stattgefunden haben, dass größere Probleme bei der Konzentrationsfähigkeit im heimischen HomeOffice auftauchen ([5], S. 492 ff). Es scheint also so zu sein, dass reines Online-Lernen anstrengender ist als Lernen in Präsenz. Dazu passt auch, dass einige Studierende über eine ZoomMüdigkeit berichten. Die Ergebnisse der Trendstudie zur Transformation von Lehren und Studieren unter digitalen Bedingungen (TaLeS) des HUL der Universität Hamburg machen besondere Herausforderungen deutlich: So berichten die Probanden von Problemen der zeitlich sinnvollen Strukturierung von Lernaktivitäten und davon, mit Leistungsdruck umzugehen. Auch die Menge an zu bewältigendem Lernstoff wird als problematisch angegeben ([6], S. 6). Letzteres betrifft gerade auch Studierende der Rechtswissenschaft, die schon in „regulären“ Zeiten eine enorme Stofffülle zu bewältigen haben. Eine besondere Herausforderung stellte sich für Erstsemester, die ihr Studium unter rein digitalen Bedingungen aufgenommen haben. Auch hier versuchte die Fakultät Abhilfe zu schaffen. So wurden die Orientierungseinheit, die Bibliotheksführung, Beratungsangebote und dergleichen ebenfalls in den digitalen Raum verlegt. Außerdem konnten im Rahmen des juristischen Kursangebots des Universitätskollegs (siehe 2.2.4) die Erstsemestertutorien „Lernmanagement am juristischen Fall“, unter tatkräftiger Mithilfe der studentischen Tutorinnen und Tutoren, als synchrones Videokonferenzformat umgesetzt werden, so dass es gezielte digitale Unterstützungsangebote für Studienanfänger gab. Die genauen Auswirkungen dieser Art von Studienbeginn auf den Studienerfolg bleiben abzuwarten. Unstrittig ist, dass Studierende, die ihr Studium zum Sommersemester 2020 begonnen haben, nach drei Semestern, also im Wintersemester 2021/22, erstmals in den Genuss von Präsenzlehre kommen und häufig die Räumlichkeiten der Universität erstmalig in ihrer vollen Form erleben.

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2.4.3 Allgemeine Herausforderungen technischer Art Die Umstellung der Lehre und des Lernens auf rein digitale Formate und Quellen bedeutet zunächst, dass die Infrastruktur zu deren Durchführung vorhanden sein muss. Während eine schnelle und stabile Internetverbindung für viele inzwischen eine Selbstverständlichkeit ist, mangelt es für einige bereits an den Endgeräten, um überhaupt an digitalen Formaten teilnehmen zu können. Das Bestehen und die Einrichtung von Endgeräten und Internetzugängen für die Studierenden liegen häufig außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Universitäten. Zwar sind die Fakultäten mit Computerarbeitsplätzen und WLAN ausgestattet, wodurch den Universitätsmitgliedern vor Ort ein Internetzugriff ermöglicht wird; außerhalb des Universitätscampus sind die Studierenden jedoch für sich selbst verantwortlich. Aus den Kursevaluationen des Universitätskollegs sowie der Begleitforschung zum Emergency Remote Teaching des HUL wissen wir aber, dass die meisten Studierenden glücklicherweise keine nennenswerten technischen Schwierigkeiten haben ([6], S. 497). Hinzu kommt, dass die Vielfalt der möglichen Lehrplattformen teilweise zu einer Zersplitterung des Lernstoffes und zu Unübersichtlichkeiten führt. Neben den technischen Voraussetzungen ist zudem auch ein geeigneter Arbeitsplatz notwendig für erfolgreiches digitales Lehren und Lernen. Während der Corona-Pandemie mussten die Fakultäten ihre Türen schließen, wodurch auch Bibliotheken und andere Arbeitsräume nicht mehr nutzbar waren. Für viele bedeutete dies, dass sie in ihren Privatwohnungen Lehren und Lernen mussten. Nicht allen Beteiligten stehen in der eigenen Wohnung geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung und auch die häuslichen Situationen, wie Betreuungsaufgaben oder die Notwenigkeit gleichzeitigen Arbeitens mehrerer Personen im HomeOffice, können sich negativ auf Lehren und Lernen auswirken. Die Isolation beschränkt zudem den sozialen Austausch und die inhaltliche Vernetzung ([1], S. 8). Auch wenn diese Problematiken größtenteils außerhalb des Einflussbereiches der Universität liegen, sollten sie bei der Umstellung auf digitales Lehren und Lernen mitbedacht werden. Der Erfolg digitaler Lehrformate und der Teilnahme an ebendiesen dürfen nicht von einer zum Lernen angemessenen (häuslichen) Situation abhängig werden.

2.5 Hilfestellungen und Best-Practice-Beispiele Als hilfreich für die Digitalisierung von Lehrveranstaltungen erwiesen sich Handreichungen und Hilfestellungen für aufkommende Fragen. Zu nennen sind hier auch unverbindliche Denkanstöße und Praxistipps, die von dem Beratungsgremium des Think Tank Lehre an der Hamburger Fakultät für Rechtswissenschaft bereitgestellt wurden ([7]). Auf der Grundlage dieser Praxistipps erstellten die Mitglieder des Think Tank Lehre, Ammar Bustami und Victoria Behrendt, folgenden Leitfaden für die Durchführung juristischer Vorlesungen und Arbeitsgemeinschaften:

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Prototyp für Veranstaltungsformate an der Fakultät für Rechtswissenschaft

Die folgenden Erkenntnisse beziehen sich auf einen Prototyp juristischer Veranstaltungsformate: die Vorlesung in Verbindung mit der dazugehörigen Arbeitsgemeinschaft in Kleingruppen (AG). Im digitalen Sommersemester 2020 fand die Vorlesung in der Regel asynchron statt, während die AG zumindest hohe synchrone Anteile hatte. Daraus ergaben sich verschiedene Erkenntnisse, die im Folgenden auszugsweise vorgestellt werden. Die Ausführungen beruhen auf den Ergebnissen einer Studierendenbefragung durch das Studienmanagement der Fakultät sowie auf dem daraus resultierenden Dokument [7]: – Vorlesung und AG verknüpfen: Die Inhalte beider Formate sollten gut aufeinander abgestimmt sein und die Bearbeitungsreihenfolge sollte einheitlich und klar den Studierenden gegenüber kommuniziert werden. Informationen und Materialien, die beide Formate betreffen, können dabei zentral über einen Kanal verbreitet werden. Eine Abstimmung mit allen AG-Leitenden zu grundlegenden Fragen erwies sich als sehr sinnvoll. – Lernplattform sinnvoll nutzen: An der Fakultät wurde OpenOLAT als zentrale Plattform für die Bereitstellung von Materialien, Informationen und zur Kommunikation genutzt und hat sich bei entsprechender Aufbereitung als sehr hilfreich erwiesen, eine übersichtliche Struktur zu gewährleisten. Diese sollte zu Beginn des Semesters den Studierenden (z. B. mittels Screencast-Video) erklärt werden, um die Kommunikationswege zu verdeutlichen. Letztere sollten konsequent eingehalten werden. – Aufmerksamkeitsspanne berücksichtigen: Unserer Erfahrung nach sollten bereitgestellte Videos kurzgehalten oder längere Videos durch Orientierungselemente unterteilt werden (z. B. Inhaltsverzeichnis, interaktive Fragenelemente, etc.). Bei vertonten Präsentationsfolien hat sich herausgestellt, dass diese als Videodatei mit Pausier-Möglichkeit studierendenfreundlicher sind. – Zeitumfang im Blick behalten: Eine transparente Kommunikation seitens der Lehrperson hat sich auch im Hinblick auf die zeitlichen Erwartungen (inklusive Vor- & Nacharbeit) bewährt. Außerdem gilt die Devise „mehr ist mehr“ nicht vorbehaltlos für die digitale Lehre. Man sollte den Zeitaufwand aller asynchronen und synchronen Formate im Gesamtbild berücksichtigen. – Erreichbarkeit & Sichtbarkeit der Lehrperson gewährleisten: Den Studierenden sollte Raum für Fragen und Rückmeldungen zum Material geboten werden (z. B. Mail, Forum, Online-Sprechstunde). Unsere Erfahrung zeigt, dass die Studierenden insbesondere in der Vorlesung besonders dazu ermuntert werden müssen, Fragen zu stellen. Um die Hemmschwelle abzubauen, kann es helfen, die persönliche Sichtbarkeit auch asynchron herzustellen (z. B. mittels Bild im Screencast-Video oder separatem Vorstellungsvideo). – Live-AGs per Zoom halten: Es hat sich herausgestellt, dass ein rein schriftlicher Chat als synchrones Element kein adäquater Ersatz für Zoom-AGs ist. Zoom bietet einen persönlicheren Austausch sowie nützliche Tools für die digitale Lehre (z. B. Breakout-Sessions, Umfrage-Tool, Zoom-Chat etc.). Zu Beginn sollten einige Regeln im Umgang mit und im Zoom klar kommuniziert werden, um Störungen und Unsicherheiten zu vermeiden. – Schriftliche und mündliche Elemente kombinieren: Die digitale Lehre bot die Möglichkeit, vermehrt schriftliche Elemente in die sonst mündlich orientierte Lehre der AGs einzubauen. OpenOLAT eröffnet mittels verschiedener Tools (z. B. Forum, Selbsttest) unkomplizierte Wege, solche Elemente sowohl synchron in die Zoom-AG als auch als asynchrone Schreibaufgaben zu integrieren. – In AGs Raum zum Austausch bieten: Besonders in den frühen Semestern oder zu Beginn eines neuen Studienabschnitts hilft es den Studierenden, verschiedene Gelegenheiten für eine gute Kommunikation untereinander zu erhalten. Die Bildung von Lerngruppen zu unterstützen, kann z. B. ein Mittel dafür sein.

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2.6 Ausblick Zweifellos hat die Corona-Pandemie der Digitalisierung in der Hochschullehre einen Auftrieb verliehen und Bemühungen, die es vorher gab, beschleunigt und teilweise reformiert. Die Herausforderungen der Zukunft werden darin liegen, die positiven Aspekte, die eine digitalgestützte Lehre mit sich bringt, dauerhaft zu übernehmen und sinnvoll in die Hochschulausbildung zu integrieren. Und davon gibt es durchaus einige. Neben dem Ergebnis, dass die Studierenden die Möglichkeiten Lehrende zu kontaktieren als positiv bewerten, ist eine weitere Erkenntnis, dass es den Studierenden in einer rein digitalen Lernumgebung vergleichsweise leichtfiel, eigene Interessen zu erkennen und den Umgang mit der wissenschaftlichen Herangehensweise zu erlernen ([6], S. 6). Auf dieses Fundament lässt sich bauen und es ist daher davon auszugehen, dass zukünftig verstärkt auf digitale Unterstützung der Lehre gesetzt werden wird. Neben sinnvollen didaktischen Konzepten ist es dazu auch notwendig, die Studierenden in ihrem digitalen Lernen zu unterstützen, welches sich von dem klassischen Lernverhalten unterscheidet. Idealerweise bekommen die Studierenden innerhalb und außerhalb der jeweiligen Kurse Anregungen, wie sie selbstorganisiert ihren digitalen Lernprozess steuern und verbessern können. Einen Einstieg hierzu bietet [8]. Um der häufig berichteten Isolation vor dem heimischen Computer entgegenzuwirken, sollten die Studierenden dazu ermuntert werden, frühzeitig im Studium Lerngruppen zu bilden, welche sich sowohl in Präsenz als auch im virtuellen Raum umsetzen lassen (siehe dazu auch [7] oben). Eine kooperative Lernform ist sowohl online wie offline für die Studierenden gewinnbringend.

Literaturverzeichnis [1] Mayrberger, K. (2017). Praxisbericht: Universität Hamburg. (Un-)Gleichzeitigkeit trotz Diversität – Digitalisierung von Lehren und Lernen. In: U. Dittler (Hrsg.), E-Learning 4.0: Mobile Learning, Lernen mit Smart Devices und Lernen in sozialen Netzwerken. Berlin, Boston: de Gruyter Oldenbourg. S. 139–151. [2] Kuhli, M. & Papenfuß, J. (o.J.). Kolleg-Bote 107, abrufbar unter https://www.universitaetskolleg. uni-hamburg.de/publikationen/kolleg-bote.html (zuletzt abgerufen am 03.11.2021). [3] Reinmann, G., Lübcke, E. & Brase, A. Transformation von Lehren und Studieren unter digitalen Bedingungen (TaLeS). Trendstudie zur didaktischen Entwicklung der Lehre unter digitalen Bedingungen aus Lehrenden-Perspektive an der Universität Hamburg. Ergebnisbericht zum Wintersemester 2020/21. Online verfügbar unter https://www.hul.uni-hamburg.de/forschung/ tales/bericht-tales-lehrende-wise-2020-21.pdf (zuletzt abgerufen am 03.11.2021). [4] Reinmann, G., Lübcke, E., Brase, A. & Bohndick, C. Transformation von Lehren und Studieren unter digitalen Bedingungen (TaLeS) Trendstudie zur didaktischen Entwicklung der Lehre unter digitalen Bedingungen aus Lehren-den-Perspektive an der Universität Hamburg. Ergebnisbericht zum Sommersemester 2021. Online verfügbar unter https://www.hul.uni-hamburg.de/ forschung/tales/bericht-lehrendenbefragung-sose21.pdf (zuletzt abgerufen am 03.11.2021).

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[5] Schröder, D. & Kuhli, M. (2020). Es fehlt vor allem an Konzentration: Erste Erkenntnisse aus dem Corona-Semester. ZDRW, 4, 489–501. [6] Team Evaluation. Bericht zur Studierendenbefragung im Wintersemester 2020/21. Trendstudie zur Transformation von Lehren und Studieren unter digitalen Bedingungen (TaLeS-Studium). Online verfügbar unter https://www.hul.uni-hamburg.de/forschung/tales/ studierendenbefragung-tales-ws-20-21-ergebnisbericht-barrierefrei.pdf (zuletzt abgerufen am 03.11.2021). [7] Behrendt, V., Bustami, A., Musumeci, L. & Schmidt, M. Digitale Lehre in Corona-Zeiten: Denkanstöße und Praxistipps. Online verfügbar unter https://www.jura.uni-hamburg. de/media/lehrprojekte/think-tank/digitale-lehre-in-corona-zeiten.pdf (zuletzt abgerufen 03.11.2021). [8] Schröder, D. & Kuhli, M. Selbstorganisation und Lernstrategien. Vorschläge für das (digitale) Lernen im Selbststudium. Der Wirtschaftsführer für junge Juristen 2021/2022, 8-11.

Sandra Hübner & Satjawan Walter

3 Hochschule Furtwangen: Digitale Beteiligungsformen in Präsenz- und Online-Lehre Implementierungsbeispiele zur Förderung von Kommunikation, Interaktion und Eingebundenheit Zusammenfassung: Eine post-pandemische Herausforderung der Hochschullehre besteht darin, die in den Corona-Semestern wahrgenommenen Potentiale weiterhin zu nutzen und digitale Beteiligungsmöglichkeiten bei der Entwicklung und dem Einsatz von Lehrformaten und didaktischen Settings entsprechend zu berücksichtigen. Lehrende und Studierende müssen dabei lernen mit digitalen Werkzeugen in Lernräumen zielgerichtet zu agieren. Digitalität dabei nicht aus klassischen Präsenz-LehrSituationen auszuschließen, ist eine zentrale Voraussetzung für diesen Prozess. In diesem Beitrag wird zunächst eine Modalitäten-Matrix eingeführt, die Lehrenden als Orientierungshilfe dienen soll, das durchgeführte Lehrformat auf den Dimensionen „Ort“ und „Zeit“ einzuordnen. Anschließend werden die Veranstaltungsformate der klassischen Präsenzvorlesung und das Flipped-Classroom-Konzept näher beleuchtet. Dabei erfolgt eine Beschreibung und Einordnung der Veranstaltungen in die Modalitäten-Matrix, eine Ableitung der Chancen und Risiken sowie eine Vorstellung von digitalen Beteiligungsformen unter verschiedenen Gesichtspunkten. Schlagwörter: Digitale Beteiligung, Digitale Lehre, Digitale Kompetenz, Veranstaltungsformate, Blended Learning, Online-Lehre, Digitalität, Digitalisierung, Hochschullehre, Digitale Interaktion

3.1 Einleitung Auch wenn die Corona-Pandemie zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags noch nicht überwunden scheint, sind deren Auswirkungen auf den Hochschulbetrieb schon jetzt deutlich spürbar. So entsteht beispielsweise aus einer durch die Krisensituation hervorgerufenen reinen Online-Arbeitssituation eine immer stärker werdende Gewohnheit, Bereiche des Arbeitslebens – die bis dato nicht online stattfanden – weiterhin online stattfinden zu lassen. Diskussionen darüber, ob im Einzelfall etwas besser online oder offline funktioniert und ob Situationen auch weiterhin online stattfinden können, sollen oder dürfen, finden auf allen Ebenen des beruflichen Miteinanders statt – und so auch in Bezug auf die universitäre Lehre. Der pandemische Innovationsdruck hat der Digitalisierung in den Hochschulen enormen Vorschub https://doi.org/10.1515/9783110754728-003

82 | S. Hübner & S. Walter geleistet. Es stehen zwischenzeitlich alle erdenklichen Tools und Möglichkeiten zur Verfügung, verbunden mit einer meist gut ausgebauten Supportstruktur und einem trainierten Umgang auf Seiten von Lehrenden und Studierenden. Was bedeutet das für die Zukunft der Lehre an Hochschulen? Eine post-pandemische Herausforderung der Hochschullehre wird darin bestehen, die neuen Potentiale gewinnbringend zu nutzen und digitale Beteiligungsmöglichkeiten bei der Entwicklung von Lehrformaten und didaktischen Settings von Anfang an mitzudenken, und dies explizit und ganz bewusst auch für die Präsenzlehre zu tun. Vernetzte mobile Endgeräte gehören mittlerweile als Werkzeuge genauso in LehrLern-Settings wie Tafel, Kreide, Beamer, Stift und Papier. Beide Seiten – Lehrende wie Studierende – müssen lernen mit diesen Werkzeugen in Lernräumen zielgerichtet zu agieren. Digitalität dabei nicht aus dem Hörsaal auszuschließen ist eine zentrale Voraussetzung für diesen Prozess. Sogar das Gegenteil wird von Nöten sein. Während dieser Aspekt im Online-Hörsaal sowieso jedweder Kontrolle der Lehrperson entbehrt, muss Digitalität im Präsenzhörsaal explizit hergestellt und durch digital gestützte Interventionen gezielt eingesetzt werden. Gleichzeitig muss das nicht bedeuten, dass es in einer Lehrveranstaltung nicht auch ausdrückliche und definierte „Offline-Phasen“ geben kann, darf oder muss. Die Vorzeichen für ein Erschließen der durch Corona befähigten neuen Potentiale stehen gut. Ungeachtet der Tatsache, dass Lehrenden im Grunde bereits vor Corona eine Vielzahl an Möglichkeiten und Werkzeugen zur Umsetzung digitaler Lehre zur Verfügung standen, ist ein deutlich gestiegenes Interesse am Einsatz von OnlineFormaten, digitalen Werkzeugen und „neuen“ Möglichkeiten wahrnehmbar. Dies mag folgende Gründe haben: Das Sommersemester 2020 inmitten der Corona-Pandemie und die Tatsache, dass klassische Präsenzformate während der Pandemie nicht oder nur in einem sehr reduzierten Ausmaß durchführbar waren, forderte von Dozierenden an Hochschulen, sich umfänglich auf neue und bisher weitgehend unbeachtete Lehrformate einzulassen. Ein Großteil der Lehre in den PandemieSemestern wurde – an der Hochschule Furtwangen (HFU) sowie an vielen anderen Hochschulen auch – in vorlesungs-ähnlichen virtuell durchgeführten Formaten realisiert. Dabei wurde in vielen Fällen und verständlicherweise aus ökonomischen Überlegungen heraus versucht, bekannte Formate in ähnlichster Form in ein OnlineFormat zu überführen. Der Begriff „Emergency Remote Teaching“ (ERT) beschreibt dabei genau diese Situation [1]. Aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, waren Hochschulen gezwungen ihre bis dato hauptsächlich in Präsenz organisierte Lehre vollständig zu digitalisieren. Dies ist insofern als „Notfallmaßnahme“ zu definieren, als dass sich deren Umsetzung meist deutlich von einer professionell geplanten Online-Lehre unterscheidet. So galt es – unter Pandemie-Bedingungen – vorübergehende Lösungen zu finden, wie Lehre schnell und in großem Stil digitalisiert werden kann. Das momentane Bedürfnis die Lehre, die vor dem Hintergrund von ERT entstanden ist, nach der Pandemie wieder in einen funktionalen Modus zurückzuwünschen

3 Hochschule Furtwangen: Digitale Beteiligungsformen in Präsenz- und Online-Lehre

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und zurückführen zu wollen, ist durchaus nachvollziehbar. Eine aufgeregte Diskussion darüber, ob Online-Lehre denn jetzt besser sei als Präsenzlehre, geht jedoch am Gegenstand der eigentlichen Frage vorbei. Vielmehr sollte – wie bisher auch – die Abwägung im Mittelpunkt stehen, ob gewählte Lehrmethoden und damit das didaktische Setting zu den Lehrzielen passt [2]. Eine post-pandemische Hochschullehre wird sich die Frage stellen müssen, welchen Einfluss die Erfahrungen einerseits aus dem oben angesprochenen ERT, andererseits aber auch aus den vielen engagierten, kompetenten und professionell umgesetzten Lehr-Lern-Implementierungen auf die Zukunft der Lehre haben werden. Wie können neuartige Ideen und Konzepte, die aus der Not des ERT entstanden sind und positiv erlebt wurden, nachhaltig und gewinnbringend in den Hochschulalltag integriert werden? Voraussetzung für eine Reflexion der gemachten Erfahrungen in den PandemieSemestern ist zunächst eine Benennung und Klassifikation der genutzten Formate. Dazu ist es notwendig, die durch Sozialisation erworbenen Schemata für klassische Präsenzformate aufzubrechen und um neu erfahrene Formate zu erweitern. Klassische Präsenzlehrformate wie Vorlesungen, Übungen, Seminare oder Praktika folgen in der Hochschullehre einer langen Tradition. Dementsprechend erlebten HochschulDozierende im Rahmen ihrer eigenen Hochschulausbildung eine Sozialisierung im Hinblick auf diese etablierten Lehrformate. Das damit verbundene Erfahrungswissen und die dazu ausgebildeten Schemata zur Durchführung der gängigen Lehrformate sind hoch und weitgehend gefestigt [3]. Wurde in Vor-Corona-Zeiten eine Vorlesung in der Regel damit assoziiert, dass diese synchron und in einem Präsenzhörsaal stattfindet, kann in Post-Corona-Zeiten das Wort Vorlesung auch als Online-Format gedacht werden. Online-Lehre bedeutet jedoch nicht gleich Online-Lehre. Eine Nachwirkung der Corona-Pandemie besteht darin, dass der Begriff „Online-Lehre“ oft undifferenziert Verwendung findet. Jürgen Handke fordert in diesem Zusammenhang: „Es ist an der Zeit, hier schnellstens Klarheit zu schaffen und die Online-Lehre […] von der Reduzierung des Begriffs ‚Online‘ auf eine virtuelle Internet-Präsenz über WebConferencing-Tools zu trennen […]“ ([4], S. 398). Tatsächlich fällt Dozierenden eine klare Benennung und Klassifikation der Lehrformate, die sie in Pandemiezeiten genutzt haben, schwer. Fragt man nach den durchgeführten Veranstaltungsformaten, so finden Dozierende häufig keine eindeutige Antwort auf diese Frage. Eine übliche und vor Corona hilfreiche Einordnung von Veranstaltungsformen im Hinblick auf deren Modalität „Ort“ auf einem Kontinuum von klassischer Präsenzlehre über Blended Learning-Formate hin zu reinen Online-Formaten (siehe [5]) erscheint nicht mehr ausreichend, um neuerdings verstärkt sichtbargewordene hybride Mischformen von Lehr-Lernsettings einzuordnen. Insbesondere die Modalität „Zeit“ (auf einem Kontinuum von synchron hin zu asynchron) spielt bei der Beschreibung und Klassifizierung der neuen Formate eine wesentliche Rolle. Vor diesem Hintergrund

84 | S. Hübner & S. Walter soll die im folgenden Kapitel beschriebene Modalitäten-Matrix helfen, konventionelle, digitale und auch hybride Lehr-Lernsettings einzuordnen. Anschließend werden zwei Veranstaltungsformate – die klassische Vorlesung sowie der Flipped-Classroom – hinsichtlich ihrer Modalitäten detaillierter betrachtet. Chancen und Risiken dieser Veranstaltungsformate werden erörtert, sowie die Möglichkeiten den identifizierten Risiken mit digitalen Hilfsmitteln zu begegnen.

3.2 Die Modalitäten-Matrix – Eine Orientierungshilfe Die Modalitäten-Matrix greift die aus der Literatur bekannte und oft verwendete Dimension von Präsenz- über Blended- hin zur Online-Lehre in der horizontalen Ausrichtung als Modalität „Ort“ auf ([5]) und ergänzt diese in der vertikalen Ausrichtung um die Modalität „Zeit“ auf der Dimension von synchron zu asynchron. Die horizontale Achse beschreibt damit ein Lehrformat, welches an einem Endpunkt „in maximaler Präsenz“, und am anderen Endpunkt „maximal online“ stattfindet. Gleichzeitig kann eine Veranstaltung auf der vertikalen Achse von „maximal synchron“ bis „maximal asynchron“ eingeordnet werden. Abbildung 3.1 zeigt die Modalitäten-Matrix mit ihren zwei Dimensionen „Ort“ und „Zeit“. An den Schnittpunkten ist aufgeführt, wie sich beide Modalitäten kombiniert implementieren lassen. Beispielsweise gilt für eine Lehrveranstaltung, die in Präsenz und synchron stattfindet, dass „sich alle in einem Raum befinden und gleichzeitig in gemeinsamem Tempo die gleichen Inhalte lernen“. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Begriffe

Abb. 3.1: Modalitätenmatrix.

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„Lernen“ und „gemeinsam“ hier aus praktischen Gründen allgemeinsprachlich verwendet werden. So lernen Menschen selbstverständlich nicht zwingend gleichzeitig, sobald sie sich zur gleichen Zeit im selben Raum befinden und auch nicht zwangsweise in ähnlichem Tempo. Mindestens aber stellt die gleichzeitig für sie in einem Raum angebotene Lerngelegenheit oft diesen Anspruch an sie. Mit Hilfe der kursiv vermerkten Lehrformate wechseln wir die Betrachtungsebene von der physischen Bedeutung der Schnittpunkte hin zu möglichen didaktischen Umsetzungen. So findet die klassische konventionelle Vorlesung hier am Schnittpunkt von vollständiger Präsenz und ausnahmslos synchroner Ausgestaltung ihren Platz. Ein Blended Learning-Szenario wie der Flipped-Classroom liegt im Schnittpunkt von mixed-mixed, weil es üblicherweise sowohl Präsenz- als auch Online-Phasen realisiert, die sowohl synchron als auch asynchron stattfinden. Selbstverständlich ist eine trennscharfe Abgrenzung der abgeleiteten Formate in eine der drei Abstufungen nicht in jedem Fall möglich und auch nicht intendiert. Der formalen Kombination jedweder Modalitäten sind zunächst kaum Grenzen gesetzt. Trotz dieser Einschränkung erweist die Modalitäten-Matrix Dozierenden als Reflexionsgrundlage hilfreiche Dienste, da eine Verortung der eigenen Lehrveranstaltung an den Schnittpunkten eine bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Lehrformat und dessen örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten anregt. Eine Einordnung und Auseinandersetzung macht unweigerlich Chancen und Risiken verschiedener Formate salient. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Chancen (z. B. Vorteile der Flexibilisierung der Wissensaneignung in asynchronen Phasen) stärker genutzt werden. Gleichzeitig können identifizierte Risiken (z. B. das Phänomen der Online-Ermüdung in synchronen Phasen) durch gezielte Interventionen minimiert werden. Im Fokus der im folgenden Kapitel geführten Diskussion der Formate Präsenzvorlesung und des Flipped-Classroom steht nun die Frage, wie Interaktionen und damit soziale Eingebundenheit gezielt durch Digitalität gefördert werden können. Soziale Eingebundenheit gilt als ein zentraler Erfolgsfaktor für Motivation und Lernen [6]. Soziale Eingebundenheit bezieht sich dabei auf das Ausmaß des Kontakts zwischen Lehrenden und Lernenden sowie auf das Ausmaß des Kontaktes der Lernenden untereinander. Soziale Interaktionen in Lehrveranstaltungen wie beispielsweise das Stellen von Fragen, die Anregung von Diskussionen, die Durchführung von Übungen oder die Initiierung von Partnerarbeiten tragen dementsprechend maßgeblich zum Lernerfolg bei [7]. Je eher es gelingt, ein Zusammengehörigkeitsgefühl in einer Lehrveranstaltung herzustellen, desto höher die Lernmotivation und die Erfolgsaussichten auf ein möglichst gutes Lernergebnis. So viel ist aus der Theorie bekannt. Gleichsam steht man in der Praxis oft dem Phänomen gegenüber, dass sich Interaktionen in einer Lehrveranstaltung – ob Präsenz oder Online – nur schwer herstellen lassen. Dieses Phänomen ist nicht neu und bereits vor Corona aus Präsenzveranstaltungen erinnerbar. In der Wahrnehmung von Lehrenden ist die aktive Beteiligung von Studierenden in Online-Lehrveranstaltungen jedoch häufig noch schwerer herzustellen.

86 | S. Hübner & S. Walter Es werden im folgenden Kapitel die Veranstaltungsformate der klassischen Präsenzvorlesung und das Flipped-Classroom-Konzept näher beleuchtet. Dabei erfolgt eine Beschreibung und Einordnung der Veranstaltung in die Modalitäten-Matrix, eine Ableitung der Chancen und Risiken sowie eine Analyse des Aufbaus und des Lehrformats. Abschließend werden digitale Beteiligungsformen unter verschiedenen Gesichtspunkten vorgestellt.

3.3 Präsenzvorlesung und Flipped-Classroom – eine Diskussion ausgewählter Lehrformate der Modalitäten-Matrix 3.3.1 Beispiel 1: Präsenzvorlesung 3.3.1.1 Beschreibung und Einordnung in die Modalitäten-Matrix Unter einer klassischen Präsenzvorlesung möchten wir hier beispielhaft eine Veranstaltung verstanden wissen, die sich in der oben eingeführten Matrix an dem Schnittpunkt „präsenz-synchron“ einordnen lässt. Dieser Schnittpunkt in der Matrix ist mit „Alle in einem Raum lernen die gleichen Inhalte gleichzeitig und in gleichem Tempo“ beschrieben. Üblicherweise werden derartige Veranstaltungen als Vorlesung bezeichnet und sie sind häufig geprägt von einer großen Hörerschaft und einer maximalen Lehrendenzentriertheit. Wie in Abbildung 3.2 im unteren Pfeil dargestellt, findet die Vermittlung der Inhalte dabei in weiten Teilen in der Präsenzsituation statt. Digitale Elemente spielen im Sinne eines Anreicherungskonzepts eine unterstützende Rolle, z. B. indem Studierenden für das Selbststudium veranstaltungsbegleitende Materialien online bereitgestellt werden (siehe auch [5]).

Abb. 3.2: Veranstaltungsschema Präsenzvorlesung.

3.3.1.2 Reflexion der Chancen und Risiken Die Forderung nach einer stärkeren Beteiligung von Teilnehmenden in klassischen Präsenzvorlesungen existiert nicht erst seit der jüngeren Vergangenheit [8], ebenso wie die Wahrnehmung, dass fehlendes Feedback und wenig Interaktionsmöglichkeiten Vorlesungen zu reinen Informationsveranstaltungen werden lassen.

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Eine Vorlesung bietet den Zuhörenden in der Regel die Möglichkeit – meist in thematischen Blöcken zusammengefasst – einem Fachvortrag zu folgen. Im Vordergrund steht der Transport qualifizierter Inhalte vom Dozierenden zum Teilnehmenden. Die dozierende Person stellt durch ihre Fachexpertise sicher, dass ausschließlich richtige und passende Inhalte transportiert werden. Dies steht in deutlicher Abgrenzung zu einer autodidaktischen oder völlig lernendenzentrierten Lernsituation, bei der die Einschätzung über die Qualität von Inhalten für Novizinnen und Novizen gegebenenfalls gar nicht valide möglich ist. Eine professionelle, kompetente, und enthusiastische Präsentation eines Themas durch eine Lehrperson kann als eine bedeutende Chance der Veranstaltungsform Vorlesung angesehen werden. Und wenn diese Chance von einem großen Publikum wahrgenommen wird, entsteht durch das gemeinsame Interesse an einem Thema eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl – im Sinne sozialer Eingebundenheit. Es ergeben sich jedoch im Hinblick auf den individuellen Lernerfolg, der in den meisten Fällen dem übergeordneten Ziel einer Lehrveranstaltung entsprechen dürfte, einige Risiken. So haben Teilnehmende einer Vorlesung – im klassischen Sinn – keinen Einfluss auf das Tempo des inhaltlichen Fortschreitens der Veranstaltung. Damit fehlt die Gelegenheit, einen Sachverhalt kurz für sich zu durchdenken, um Verständnis herzustellen. Gewissermaßen eine Zwickmühle, die dazu führen kann, dass der Anschluss verloren geht: Entweder durch das individuelle Nachdenken oder durch das Unverständnis über Dinge, die für den weiteren Verlauf grundlegend sind. Ähnlich verhält es sich mit maßgeblichen Erfolgsfaktoren wie Feedback und Interaktion, die sich ohne weitere strukturierte Interventionen, die aus dem klassischen Vorlesungsformat ausbrechen, nicht herstellen lassen.

3.3.1.3 Aufbau und Strukturierung Dozierende besitzen für traditionelle Lehrveranstaltungsformate wie beispielsweise für die Präsenzvorlesung in der Regel gefestigte Schemata [3]. Diese wiederum nehmen maßgeblichen Einfluss auf den Aufbau und die Strukturierung der Lehrveranstaltung. Ein typisches Ablaufschema für Lehr-, und Lernprozesse wird in der Literatur gern als klassischer Dreischritt (siehe hierzu auch [9]) dem VAN-Schema folgend beschrieben (sowie [10]): Lernen vorbereiten (V), Lernen anregen und unterstützen (A) und Lernen nachbereiten (N). Im Aufbau einer Vorlesung steht zu Beginn wie in Abbildung 3.3 beschrieben typischerweise die Vorbereitungsphase. In dieser Phase gilt es, Orientierung über die Lerninhalte zu schaffen, die Lernziele transparent zu machen, Vorwissen zu aktivieren und Motivation für den Lernprozess durch eine Problem-, oder Fallbeschreibung herzustellen. In der Hauptphase der Vorlesung, der Aneignungsphase werden die Lerninhalte typischerweise strukturiert dargestellt und veranschaulicht sowie aktiv-konstruktiv durch Aufgaben und Problemstellungen oder ähnliches vertieft. In der Nachbereitungsphase geht es darum, die Lerninhalte

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Abb. 3.3: VAN-Schema (in Anlehnung an [10]).

zusammenzufassen, zu sichern und zu erweitern. Diese didaktisch sinnvollen Phasen finden sich dank vorhandener Schemata der Dozierenden quasi automatisch im typischen Ablauf einer Vorlesung. 3.3.1.4 Mehr Beteiligung durch Digitalität Der Charakter einer Vorlesung zeichnet sich üblicherweise durch einen kontinuierlichen zeitlichen Ablauf aus. Die gewählte Beteiligungsform beeinflusst diesen Ablauf auf unterschiedliche Weise. Wird Teilnehmenden lediglich die Möglichkeit gegeben, sich zu Tempo und Sprachverständlichkeit zu äußern, ist dieser Einfluss gering. Werden Optionen inhaltlichen Feedbacks strukturiert in den vorgetragenen Inhalt integriert oder sogar Elemente des Partner-Austauschs eingebaut, ist dieser Einfluss größer. Um Teilnehmende digital an Vorlesungen zu beteiligen, müssen sie sich auch notwendigerweise digital beteiligen können. Der Umgang mit mobilen Endgeräten oder Laptops gehört heute zur Lebenswelt von Studierenden. Die notwendige Infrastruktur, diese Geräte auch im Vorlesungsbetrieb zu nutzen (z. B. WLAN, Strom, Platz im Hörsaal) beziehungsweise die Bereitschaft, ihren Einsatz im Selbstverständnis von Lehren und Lernen zuzulassen, nicht immer. 3.3.1.4.1 Digitaler Lernraum Learning-Management-System Der Einsatz eines Learning-Management-Systems (LMS) steht üblicherweise nicht im Mittelpunkt einer klassischen Vorlesungsveranstaltung. Dieser wird vielmehr im Zusammenhang mit Veranstaltungsformen gesehen, die sich in unserer ModalitätenMatrix mehr in Richtung „online“ bewegen. Im Sinne des Anreicherungskonzepts nach Bremer [5] finden sich im LMS-Bereich der Veranstaltung begleitende Materialien bzw. kann die Bedeutung des LMS sich auch dadurch verändern, dass es als digitaler Lernort parallel zur synchronen Präsenzveranstaltung in Anspruch genommen wird. Einer ausführlicheren Beschreibung der Möglichkeiten von Learning-ManagementSystemen widmen wir uns im zweiten Beispiel weiter unten. 3.3.1.4.2 Kommunikation und Fragen in der Lehre – digital gestützt Ein direkter mündlicher Austausch ist in einer Vorlesungsveranstaltung nur eingeschränkt möglich. Während der Kommunikationsweg aus Richtung Vortragendem hin

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zum Publikum zunächst offensichtlich einfach funktioniert, ist es andersrum in Abhängigkeit der Situation mitunter schwieriger. Häufig sind Teilnehmende in großen Räumen und Gruppen nicht gut zu verstehen, es ist schwer einzelne Fragen, Äußerungen, Rückmeldung zu erkennen und zu adressieren oder eine aktive Beteiligung findet – wie oben schon angedeutet – aus anderen Gründen (z. B. aus Angst, Unverständnis) nicht statt. Es stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, mit diesen Einschränkungen umzugehen, vorausgesetzt, die Teilnehmenden können ihre digitalen Endgeräte einsetzen. Das Schweigen im Hörsaal nach dem Stellen einer Frage ist oft für beide Seiten schwer auszuhalten. In der Regel haben Studierende jedoch den längeren Atem. Eine Lösung kann darin bestehen, aus dem Schweigen eine fest-definierte Arbeitsphase zu machen und den Studierenden so Zeit zu gewähren, um sich mit der Frage zunächst individuell auseinander setzen zu können – dazu weiter unten mehr. Die Verwendung eines „digitalen Fragenspeichers“ erlaubt es, Rückfragen zu einer Lehrveranstaltung anonym zu stellen. Auf einer digitalen Kommentarwand (Chatwall) können Teilnehmende mit Hilfe ihrer digitalen Endgeräte anonyme Kommentare und Fragen hinterlassen. Fragen oder Kommentare von anderen Teilnehmenden können als relevant markiert werden. So entsteht automatisch eine priorisierte digitale Liste von Fragen. Abhängig von den technischen Möglichkeiten vor Ort kann diese Chatwall als Beamer-Bild zusätzlich immer sichtbar gemacht werden. Alle Teilnehmenden haben den Chatwall-Verlauf aber in jedem Fall auf ihren eigenen Geräten zur Verfügung. Die Beantwortung dieser Fragen kann entweder ein definiertes Zeitfenster innerhalb der Veranstaltung bekommen oder völlig außerhalb der Veranstaltung bearbeitet werden. Das Bearbeiten der Fragenliste wird automatisch strukturiert und ggf. sogar für alle sichtbar dokumentiert. Erfahrungen im Einsatz solcher digitalen Kommentarwände zeigen i. d. R. eine höhere Beteiligung der Studierenden im Vergleich zu „Meldungen“ im Plenum. Generell ist wichtig, dass diese Fragen dann auch konsequent beantwortet werden. Mit Hilfe einer Chatwall ist auch ein „digitales Brainstorming“ realisierbar und kann als explizite Intervention integriert werden. Auch hier findet die Beteiligung über das mobile Gerät der Teilnehmenden statt und im besten Fall werden die Einträge des Brainstorming auch für alle sichtbar im Raum dargestellt. Diese Interaktion in zeitlich begrenztem Rahmen ist – so wie auch ein Brainstorming mit klassischen Metaplankarten – abhängig von einer strukturierten Bearbeitung im Nachgang, die ebenfalls einseitig moderiert durch die Lehrperson oder verknüpft mit einem konkreten Arbeitsauftrag am Laptop der Studierenden stattfinden kann, weil jeder die BrainstormingInhalte digital zur Verfügung hat. Der Einsatz eines „Classroom-Response-Systems“ (CRS) ist technologisch ähnlich, erfüllt aber einen anderen didaktischen Zweck. Hier wird ein strukturierter Fragen-Antwort-Prozess implementiert, der einen festen Platz und eine definierte Zeit

90 | S. Hübner & S. Walter innerhalb der Veranstaltung erhält. An bestimmten Stationen oder in bestimmten Situationen in der Veranstaltung werden gezielte Schlüsselfragen formuliert, um beispielsweise Vorwissen zu aktivieren, Interesse und Motivation zu wecken, bestimmte Inhalte oder Fakten ins Gedächtnis zu rufen oder eine Diagnose des Wissenstands zu ermöglichen. Um die Antworten eines großen Publikums handhabbar zu machen, müssen sie mit einem geschlossenen Antwort-Wahl-Verfahren zu beantworten sein und werden so automatisch deskriptiv auswertbar. Die Studierenden wählen auf ihren mobilen Geräten nach einer Bearbeitungszeit (die als Einzelarbeit oder Partneraustausch stattfinden kann) aus angebotenen Antwortalternativen aus. Das CRS stellt die gewählten Antworten der ganzen Gruppe grafisch – für alle sichtbar – dar. Die Ergebnisse können in der Folge im Sinne der Funktion der gestellten Fragen weiterbearbeitet werden. Bei allen vorgeschlagenen digitalen Methoden erfordert nicht nur der Einsatz generell einen geübten Umgang mit den einzelnen Technologien. Das parallele Bearbeiten und gleichzeitige Interagieren und Vortragen oder Moderieren ist für eine Lehrperson meist nicht leistbar. Deshalb ist es ratsam auch als Dozierender, eine explizite Bearbeitungszeit in die Veranstaltung strukturiert einzuplanen. Unabhängig davon ist eine ortsungebundene Unterstützung bei der Organisation und Strukturierung von Online-Inhalten immer möglich. Hilfskräfte oder Kolleginnen bzw. Kollegen können von anderen Orten aus bei der Online-Moderation und Organisation unterstützen. 3.3.1.4.3 Aufgaben in der Veranstaltung Unabhängig davon, dass es zunächst nicht primär zu der Veranstaltungsmodalität einer Vorlesung gehört, einzeln oder in Gruppen Aufgaben zu bearbeiten oder auf andere Art zu kollaborieren, sollen an dieser Stelle Möglichkeiten erwähnt werden, derartige Interventionen in ein Vorlesungsformat digital zu integrieren. Ähnlich wie im letzten Abschnitt beschrieben, können auch hier vorhandene digitale Technologien genutzt werden, um Arbeitsphasen zu integrieren, die von Teilnehmenden mithilfe digitaler Geräte vom Platz aus durchführbar sind. Für die digitale Bearbeitung von Aufgaben und die digitale Teilnahme an Arbeitsphasen bieten Learning-Management-Systeme eine Vielzahl an Werkzeugen. Es können dort in Online-Foren themengeleitet Beiträge verfasst, automatisch Aufgaben zugewiesen, Lösungen eingesammelt oder Dokumente gemeinsam bearbeitet und natürlich auch Inhalte strukturiert distribuiert werden. Die grundsätzliche Verfügbarkeit von Laptops und die Situation der Vernetztheit lässt in einem weiteren Schritt die professionelle Interaktion mit domänenspezifischer Software zu. In der Mathematik können Berechnungen und Visualisierungen in Computer-Algebra-Systemen direkt nachvollzogen werden. In der Informatik können Entwicklungsumgebungen genutzt werden, um Code-Konzepte auszuprobieren, Aufgaben zu statistischen Auswertungen können live integriert werden.

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Im Vorangegangenen wurde am Beispiel der klassischen Präsenzvorlesung als Format auf den Dimensionen „synchron-präsenz“ dargestellt, wie mit Hilfe von digitalen Werkzeugen, der Austausch und die Kommunikation mono- und bidirektional ausgebaut werden kann, trotz dass das Vorlesungsformat an sich derartige Beteiligungsformen erschwert. Diese digitalen Werkzeuge gehören nach den Corona-Semestern verstärkt zum Standard-Repertoire an Hochschulen. Im nächsten Abschnitt stellen wir mit dem Flipped-Classroom-Konzept eine mittlerweile bekannte Alternative zum klassischen Vorlesungsformat vor. In diesem Format zeigt sich, wie gut digitale Werkzeuge und die Möglichkeiten vernetzten Arbeitens zusammen in einem Lehrveranstaltungsformat aufgehen können. Die Vorteile moderner Kommunikationstechnologien bieten für solche Formate einen deutlichen Mehrwert. Dafür ist es jedoch notwendig, entsprechende Technologien mit den Teilnehmenden einzuführen, einzuüben und diese begründet zu implementieren.

3.3.2 Beispiel 2: Flipped-Classroom 3.3.2.1 Beschreibung und Einordnung in die Modalitäten-Matrix Das Flipped-Classroom-Konzept findet sich in der Modalitäten-Matrix im Schnittpunkt von „mixed-mixed“ wieder. Es handelt sich dabei um eine Blended LearningVeranstaltung, die in einem Mix aus Präsenz- und Online-Phasen stattfindet und so in Teilen synchronisiert (Präsenzphase für alle) sowie in Teilen asynchron (individuelle Selbstlernphase) organisiert ist. Bereits vor Corona erfuhr dieses Format besondere Aufmerksamkeit. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass dem Risiko einer schwierigen Lern-Situation in einer klassischen Vorlesung dadurch begegnet wird, dass in der Präsenzphase nicht – wie sonst üblich – Wissen lehrendenzentriert vermittelt wird, sondern wie in Abbildung 3.4 veranschaulicht, dort die Anwendung und Vertiefung des Wissens stattfindet. Gelernt – und nicht gelehrt – werden die Lerninhalte in einer vorgeschalteten Selbstlernphase.

Abb. 3.4: Veranstaltungsschema Flipped Classroom.

92 | S. Hübner & S. Walter 3.3.2.2 Reflexion der Chancen und Risiken Eine große Chance dieses Formats liegt maßgeblich darin, dass die Lernenden in das Zentrum der Lehre gerückt werden. Ulrike Hanke beschreibt die Idee hinter dem Flipped-Classroom-Konzept wie folgt: „[die Studierenden] sind es, an denen ausgerichtet werden soll, was gelehrt und gelernt wird, und andererseits sind es auch sie, an denen ausgerichtet werden soll, wie gelehrt wird – eine Anforderung, die ausgehend von den Erkenntnissen der Lernpsychologie längst überfällig war.“ ([11], S. 44). Das Format des Flipped-Classroom unterstützt und fördert durch seine asynchronen Selbstlernphasen – verglichen mit traditionellen und lehrendenzentrierten Formaten – sehr viel stärker aktive Prozesse der Wissenskonstruktion auf Seiten der Studierenden. Außerdem profitieren Studierende in der asynchronen Phase von der Flexibilisierung und Individualisierung des Lernprozesses. Das bedeutet, die Studierenden können sich wann sie wollen (zeitliche Flexibilität), wo sie wollen (örtliche Flexibilität) und in individuellem Tempo (Individualisierung) mit dem Lernstoff auseinandersetzen. In den synchronen Präsenzphasen, in denen das Wissen dann typischerweise in Kleingruppen und unter Begleitung der Lehrperson angewendet und vertieft wird, erfahren die Studierenden individuelle Unterstützung an der Stelle, an der sie diese benötigen. Obwohl die Chancen und Vorteile des Flipped-Classroom-Konzepts auf der Hand liegen, äußern Lehrende häufig Bedenken und Unbehagen gegenüber diesem Format. Gewohnte Routinen aus klassischen Präsenzvorlesungen müssen aufgegeben werden. Anstelle des Fachvortrags – wie er typischerweise in einer lehrendenzentrieren Hörsaal-Vorlesung gehalten wird – tritt in der Präsenzphase des Flipped-ClassroomKonzepts eine weniger gut plan- und vorhersehbare interaktive Sitzung. Lehrpersonen agieren dort stärker als Coach und weniger als Lehrende oder Lehrender. Dies fordert ein neues Rollenverständnis, welches in der Literatur wie folgt beschrieben wird: Lehrende werden dabei vom „sage on the stage“ zum „guide on the side“ [12]. Nicht zuletzt bedeutet die Durchführung eines Flipped-Classroom-Konzepts, dass Dozierende einen wesentlichen Teil der Verantwortung für den eigentlichen Lernprozess bei den Lernenden verorten. Die Tatsache, dass die Kontrolle über den Lernprozess auch in klassischen Vorlesungen nicht bei den Dozierenden liegt, wird dabei häufig übersehen. Auch die Compliance der Studierenden für ein solches Format wird bezweifelt. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Werden die Studierenden auch tatsächlich vorbereitet in der Präsenzphase erscheinen? Wenn nicht, wie muss ich mich dann verhalten? Wie sieht eine möglichst lernförderliche Gestaltung der Selbstlernphase aus? Wie sind die Präsenzphasen möglichst effektiv zu gestalten?

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3.3.2.3 Aufbau und Strukturierung Im Abschnitt über die klassische Vorlesung haben wir das VAN-Schema als typisches Ablaufschema bestehend aus den Phasen „Vorbereitung“, „Aneignung“ und „Nachbereitung“ kennen gelernt, welches Dozierende – oft ganz implizit aus ihrem Erfahrungswissen heraus – anwenden. Für die Durchführung neuartiger Lehrformate wie beispielsweise des Flipped-Classroom-Konzepts existiert ein solches Erfahrungswissen bei den meisten Dozierenden noch nicht. Dabei stehen sie vor der Herausforderung, das Ablaufschema, welches sie aus ihrer bisherigen Lehrerfahrung kennen, möglichst effektiv für neue Lehrformate zu adaptieren. Für die Gestaltung der Präsenzphase eines Flipped-Classroom-Konzepts können dabei dieselben Phasen wie für eine klassische Vorlesung gelten, mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Aneignungsphase stark von aktiv-konstruktiven Lernmethoden geprägt ist, anstelle einer mehrheitlich rezeptiven Darstellung von Lerninhalten. Insbesondere für die Ausgestaltung der Selbstlernphase ist es hilfreich, sich ebenfalls gezielt und bewusst am VAN-Schema zu orientieren. Nicht nur jede OnlineEinheit, die die Studierenden im Rahmen ihrer Vorbereitung auf den Präsenztermin absolvieren, sondern im Idealfall auch jede einzelne Aufgabe innerhalb dieser Einheiten profitiert von Instruktionen, die nach dem VAN-Schema aufgebaut sind. Darüber hinaus kann eine Durchstrukturierung der gesamten Veranstaltungskonzeption mit Hilfe des VAN-Schemas dazu führen, dass eine für den Erfolg der Veranstaltung unerlässliche Verzahnung der Präsenz- und Online-Phasen unterstützt wird. In diesem Sinne ist darauf zu achten, dass beispielsweise die Nachbereitungsphase einer Präsenzveranstaltung bereits die Vorbereitungsphase der nächsten Online-Phase einleitet und vice versa (siehe Abbildung 3.5).

Abb. 3.5: Veranstaltungsaufbau nach VAN-Schema.

3.3.2.4 Beteiligung durch Digitalität 3.3.2.4.1 Digitaler Lernraum Learning-Management-System Je stärker wir in der Modalitäten-Matrix in Bezug auf die Modalität „Ort“ in Richtung „online“ steuern, desto wichtiger wird es, den physikalischen „Ort“ der Prä-

94 | S. Hübner & S. Walter senzlehre der Veranstaltung (Hörsaal) in den digitalen Raum zu verlagern. Dabei leisten Learning-Management-Systeme, die bereits vor Corona an deutschen Hochschulen zur fest etablierten IT-Infrastruktur gehörten, hilfreiche Dienste. LearningManagement-Systeme bieten Lehrenden die Möglichkeit, einen Online-Bereich für Lehrveranstaltungen einzurichten und dort verschiedene Funktionen zur digitalen Unterstützung der Lehre zur Verfügung zu stellen. Dabei spielt die Gestaltung der Kursstruktur im LMS eine bedeutende Rolle. Je klarer und eindeutiger die Struktur, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Studierenden in der von der Lehrperson intendierten Form durch die Kursstruktur bewegen oder andersrum, je besser sich Lernende in der Struktur eines LMS zurechtfinden, desto mehr profitiert die Veranstaltung davon. Dabei ist es hilfreich, verschiedene Bereiche klar voneinander zu trennen. Dazu gehören in der Regel: Allgemeine und organisatorische Informationen, Kommunikationsmöglichkeiten sowie Inhalte, die für das Lernen notwendig sind. Abbildung 3.6 zeigt eine typische Kursstruktur im LMS der Hochschule Furtwangen (OpenOLAT). Der Kurs startet mit einer sogenannten „Landing-Page“, auf der alle wesentlichen Informationen der Veranstaltung aufgeführt sind. Im „Kalender“ können wichtige Termine der Veranstaltung (z. B. Präsenztermine, Deadlines für Bearbeitungen, Sprechstunden, Prüfung, etc.) auf einen Blick zentral eingesehen und auch in eigene KalenderApps integriert werden. Im Bereich „Kommunikation“ sind die verschiedenen Kommunikationskanäle der Veranstaltung gelistet. Neben den organisatorischen und kommunikativen Aspekten dient die Kursstruktur im LMS hauptsächlich dazu, einerseits die Lerninhalte übersichtlich und gut struk-

Abb. 3.6: Kursansicht Learning-Management-System HFU.

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turiert bereitzustellen und andererseits digitale didaktische Elemente wie Abgaben, Übungen, Tests an passender Stelle zu implementieren. Im Veranstaltungsbeispiel der Abbildung ist eine thematische Strukturierung sichtbar. Ebenfalls häufig zu finden ist eine terminliche Strukturierung der Inhalte nach Datum oder Semesterwochen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Gestaltung und Strukturierung des Kursbereichs im Learning-Management-System eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Beteiligung von Studierenden in diesem Veranstaltungsformat darstellen. Finden sich Studierende im Kursbereich gut zurecht, kennen sie die Kommunikationskanäle und wissen sie wo welche Lerninhalte wie zu bearbeiten sind, entstehen viele Beteiligungs-Hürden gar nicht erst. Es ist weiterhin unerlässlich, das genutzte LMS und die dortige Kursstruktur immer wieder in der Veranstaltung zu thematisieren und Anforderungen an die Studierenden, die sich aus der Nutzung des LMS ergeben (z. B. die digitale Abgabe von Leistungsnachweisen), gemeinsam zu trainieren. 3.3.2.4.2 Kommunikation und Fragen in der Lehre – digital gestützt Bewegen wir uns in der Modalitäten-Matrix auf der Dimension „Ort“ stärker in Richtung „online“, so reduzieren wir dadurch automatisch die Möglichkeiten, sich während synchroner Präsenzphasen direkt auszutauschen. Es ist somit unerlässlich, die Kommunikation und den Umgang mit Fragen ebenfalls zu digitalisieren. Hinzu kommt die Besonderheit, dass gerade in den asynchronen Phasen, in denen sich Studierende eigenständig mit den Lerninhalten auseinandersetzen, Optionen geschaffen werden müssen, die eine zeitnahe Beantwortung von Fragen ermöglichen. An dieser Stelle bieten die Learning-Management-Systeme zahlreiche und hilfreiche Unterstützungsmöglichkeiten. So wird der Baustein „Mitteilungen“ der in Abbildung 3.6 dargestellten Lehrveranstaltung beispielsweise von der Lehrperson genutzt, um in einer unidirektionalen one-to-many-Kommunikation verschiedene Informationen rund um die Lehrveranstaltung zu streuen (z. B. Erinnerung an Deadlines, Ausfall von Präsenzterminen, Raumänderungen, etc.). In diesem Fall bekommen alle Teilnehmenden sofort eine Benachrichtigung per E-Mail. Diese Kommunikationsmöglichkeit kann in digitalisierten Lehrformaten genutzt werden, um Studierende regelmäßig mit wichtigen Kursinformationen zu versorgen, die jedoch nur in eine Richtung möglich sein müssen, nämlich von der Lehrperson, hin zu den Studierenden. Das „Forum“ dagegen wird bidirektional und als many-to-many-Kommunikation eingesetzt. Das bedeutet, dass im Gegensatz zum Mitteilungsbaustein auch Studierende hier Beiträge anschlagen bzw. auf die Beiträge anderer reagieren können. Im Forum finden Fragen rund um den Kurs ihren Platz, von deren Antwort alle Teilnehmenden im gleichen Maße profitieren sollen. Wird ein Kursforum genutzt, so ist es wichtig, alle Fragen, die eine Lehrperson außerhalb der Präsenzphasen rund um die Lehrveranstaltung erreichen, ausschließlich in diesem Forum zu beantworten.

96 | S. Hübner & S. Walter Gegebenenfalls ist es zu Beginn einer Lehrveranstaltung notwendig, die Studierenden durch gezielte Maßnahmen zur Nutzung des Forums zu motivieren (beispielsweise indem Fragen nur dann beantwortet werden, wenn diese im Forum gestellt werden oder indem Fragen, die auf anderem Weg eintreffen, dennoch ihre Beantwortung ausschließlich im Forum finden). Ein großer Vorteil die Kommunikation überwiegend über ein Forum abzuwickeln, besteht darin, dass allen Teilnehmenden im Sinne der Chancengleichheit dieselben Informationen zur Verfügung stehen und sich nicht diejenigen einen Informationsvorteil verschaffen können, die sich trauen auf die Lehrperson zuzugehen. Ein weiterer wichtiger Vorteil liegt darin, dass wiederkehrende Fragen – wie beispielsweise die nach zugelassenen Hilfsmitteln in der Klausur – nur einmal im Forum und nicht mehrfach via eMail beantwortet werden müssen. Eine clevere Idee mit dem asynchron angelegten Forum synchrone Kommunikation abzubilden, besteht darin, sich mit den Studierenden zu einer Online-Live-Sprechstunde im Forum zu verabreden. So können Lehrpersonen beispielsweise zu fest definierten Zeiträumen im Forum live ansprechbar sein, um eine virtuelle Fragestunde durchzuführen. Diese ist im Anschluss automatisch und gut strukturiert dokumentiert, denn im Forum werden alle Fragen und deren Antworten archiviert und sind damit für jeden, jederzeit und von überall aus verfügbar. Darüber hinaus lassen sich die Forenbeiträge nach bestimmten Stichworten durchsuchen. Eine weitere sehr unterschiedlich einsetzbare Möglichkeit der vernetzten OnlineKommunikation sind „Chatsysteme“. Dort kann sowohl bidirektional als auch unidirektional, one-to-one und one-to-many sowie synchron und asynchron textlich kommuniziert werden. Durch dort geschaffene Zweier-Räume oder Gruppen lassen sich anlassbezogen (Thema, Veranstaltung, Projekt) alle notwendigen Austauschsituationen abbilden. Anschließend an die oder ergänzend zu der eben dargestellten OnlineSprechstunde kann ein Chatsystem die Kommunikation durch seine technologische Beschaffenheit beschleunigen, ohne die Vorteile des Forums zu verlieren. Ein weiterer Einsatzbereich ist der Austausch während live und online stattfindender Übungen oder Leistungsnachweise, bei denen Dozierende im Chat für Rückfragen zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zum Forum oder dem Chat dient der „eMail-Baustein“ der persönlichen one-to-one-Kommunikation zwischen Lehrperson und Studierenden, um individuelle Fragen und Schwierigkeiten zu bearbeiten, bzw. dafür, persönliche und ggf. offizielle nachweispflichtige Informationen auszutauschen. Auf die beschriebene Art und Weise lassen sich Fragen, die sich im Verlauf einer Lehrveranstaltung ergeben, effektiv digital organisieren. Für eine gelungene Kommunikation in diesem Sinn ist es jedoch unerlässlich, den Studierenden die eingesetzten Kommunikationskanäle und deren „Nutzungsbedingungen“ zu verdeutlichen und alle beteiligten im Umgang mit den eingesetzten Technologien vertraut zu machen. Für den Umgang mit Fragen in der Live-Lehre des Flipped-Classroom gelten dieselben Überlegungen wie im Abschnitt der klassischen Vorlesung beschrieben. Auch hier kann beispielsweise der Einsatz von digitalen Fragespeichern (Chatwall) sowie

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die Nutzung von Classroom-Response-Systemen zu einer erhöhten Beteiligung der Studierenden in den Präsenzphasen führen. 3.3.2.4.3 Aufgaben in der Veranstaltung Ein zentraler Erfolgsfaktor des Flipped-Classroom-Konzepts besteht darin, die Studierenden bestmöglich zu unterstützen, sich eigenverantwortlich auf die Präsenzphasen vorzubereiten. Aus diesem Grund ist bei der Erstellung und Konzeption der Aufgaben, die in der vorgeschalteten Online-Phase zu bearbeiten sind, ein besonderes Augenmerk auf deren Gestaltung und instruktionale Verpackung zu legen. Es liegt nahe, als Basis-Material für die Selbstlernphase des Flipped-Classroom beispielsweise vorhandene Vorlesungsaufzeichnungen aus vorausgegangenen Semestern wiederzuverwerten. Dies stellt zunächst eine ökonomische, aber sicherlich nicht die didaktisch effektivste Lösung dar. Einer 90-minütigen abgefilmten Veranstaltung – die auf die Durchführung in Präsenz ausgelegt ist – aufmerksam und gewinnbringend online und im Selbststudium zu folgen, fällt Studierenden häufig schwer. Studien zeigen, dass die Konzentration bei einer mehr oder weniger passiven Rezeption von Videos nach ungefähr 15 Minuten nachlässt (z. B. [13, 14]). Mit den Erfahrungen aus den digitalen Semestern lässt sich festhalten, dass ein Mix aus kurzen Videosequenzen und anderen Lernmedien (Texte, Podcasts, u. a.) auf Studierendenseite für eine notwendige Abwechslung sorgt. Unter Rückgriff auf die Phasen des VAN-Schema können dabei unterschiedliche Medienformate zur Erreichung unterschiedlicher didaktischer Funktionen zum Einsatz kommen. Ein kurzes Erklärvideo zur Orientierung ist je nach Kontext vielleicht gerade in der Vorbereitungsphase besonders hilfreich und motivierend und verdeutlicht die persönliche Anwesenheit der Lehrperson – auch während der Selbstlernphase – wohingegen in der Aneignungsphase der Auszug aus einem Lehrbuchkapitel oder eine Sammlung an verifizierten vorhandenen multimedialen Quellen (zum Beispiel aus bekannten OER-Repositories) eine für Lernende effektive und Lehrende effiziente Lernquelle sein kann. In der Nachbereitungsphase finden oft Selbsttests oder Quizzes besonderen Anklang, um eine eigenständige Diagnose des Wissenstands zu ermöglichen und so den Lernerfolg zu verbessern. Reflexionsaufgaben in der Nachbereitungsphase unterstützen außerdem eine Verankerung der gelernten Inhalte. Münden diese dann in der Vorbereitungsphase der nächsten Präsenzsitzung, kann, wie oben beschrieben, eine sinnvolle Verzahnung der Selbstlern- und Präsenzphasen erreicht werden. Flankierende Maßnahmen, um sicherzustellen, dass diese Aufgaben auch erledigt werden, können verbindliche Abgaben der Aufgaben im Learning-Management-System sein. Diese können im Idealfall mit Feedback versehen oder auf Erledigung – ggf. auch nur stichprobenartig – kontrolliert werden. Einzelne Bearbeitungen können oft auch sinnvoll in die nächste Präsenzphase integriert werden.

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3.4 Fazit Zweifellos hat die Corona-Pandemie zu einem Digitalisierungsschub an deutschen Hochschulen geführt, indem das Service-Portfolio im Bereich digitaler Lehre vielerorts signifikant erweitert wurde. Neben der Skalierung der Learning-ManagementSysteme und der Schaffung performanter Online-Konferenzmöglichkeiten wurden an vielen Hochschulen zahlreiche weitere Lehr-Lerntechnologien etabliert (z. B. Videoportale, Chat-Dienste, Classroom-Response-Systeme, etc.). Parallel dazu hat die digitale Kompetenz der Lehrenden und Studierenden – gezwungenermaßen – deutlich zugenommen. Der Großteil der Lehre an der Hochschule Furtwangen (HFU) hat im ersten digitalen Semester hauptsächlich in synchronen Online-Formaten stattgefunden. Mehr als 84 % der befragten HFU-Dozierenden haben synchron in OnlineKonferenzsystemen gelehrt und damit im Umgang mit diesen Systemen umfassende Kompetenzen erworben. In der Produktion von digitalem Lernmaterial können viele Dozierende mittlerweile ebenfalls auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. So wurden in den Corona-Semestern auf unterschiedlichste Art und Weise Lernmaterialien, wie Audio- und Videovorlesungen, Selbstlernmedien im PDF-Format, sowie komplexe Selbstlernmedien erstellt. Seit April 2020 bis heute verzeichnet das Medienportal der Hochschule Furtwangen beispielsweise mehr als 6.300 hochgeladene Videos. Neben der Zunahme an zur Verfügung stehenden Lehr-Lerntechnologien hat die Pandemie auch Veranstaltungsformate stärker in den Fokus gerückt, denen bisher im Hochschullalltag vor Corona noch keine breite Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. Auch wenn aus der Not heraus im Sinne von Emergency Remote Teaching oft Formate entstanden sind, die sich deutlich von einer professionell geplanten OnlineLehre unterscheiden, so wurden an vielen Stellen positive Erfahrungen gemacht, die es nun in die zukünftige Hochschullehre zu transferieren gilt. Die eingeführte Modaliäten-Matrix ergänzt die konventionelle Einteilung von Veranstaltungsformen in der Dimension „Ort“ um eine zusätzliche Dimension „Zeit“ und hilft bei einer Einordnung vieler sichtbar gewordenen Veranstaltungsformen. Innerhalb der zwei beispielhaft ausgewählten Formate Vorlesung und FlippedClassroom wurden Methoden und Technologien beschrieben, um die Beteiligung und Kommunikation in Veranstaltungen zu unterstützen. Zu diesen Technologien gehören beispielsweise Chatwalls, Foren, Online-Kollaborations-Werkzeuge und LearningManagement-Systeme. Viele dieser Technologien stehen an den Hochschulen spätestens nach den digitalen Corona-Semestern zentral zur Verfügung. Es kommen Technologien zum Einsatz, die durch vernetzte mobile Geräte ortsungebunden nutzbar sind. So entstehen Möglichkeiten der didaktischen Nutzung dieser digitalen Werkzeuge, sowohl in digitalen Veranstaltungsformen als auch in gemischten oder vollständig in Präsenz stattfindenden Veranstaltungen.

3 Hochschule Furtwangen: Digitale Beteiligungsformen in Präsenz- und Online-Lehre

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Ob eine Integration gelingt und zu einem didaktischen Mehrwert führt, hängt davon ab, ob die Technologie tatsächlich im didaktischen Konzept verankert ist, ob die digitale Infrastruktur eine aktive Beteiligung mit mobilen Geräten überhaupt zulässt, ob es zur Philosophie der Lehrperson gehört, Digitalität innerhalb der Lehre zuzulassen und letztendlich natürlich, wie geübt sowohl Lernende als auch Lehrende im Umgang und Einsatz digitaler Werkzeuge sind.

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Andreas Hebbel-Seeger & Annette Strauß

4 Hochschule Macromedia: Konzeption von Lehreund Qualifikation von Lehrenden unter der Maßgabe digitaler Transformation Zusammenfassung: Der Einsatz digitaler Medien in der Hochschullehre wird nicht erst seit der Corona-Pandemie und einem aus den Maßnahmen der Pandemiebekämpfung resultierenden Shift von der analog geprägten on-site Lehre zu einer auf eine medienvermittelte Kommunikation setzende Alternative vorangetrieben. Didaktische Konzepte, welche die Nutzung digitaler Medien nicht als austauschbare Varianten zu tradierten Lehr-Lern-Settings verstehen, sondern die spezifischen Potentiale als Treiber für hochschuldidaktische Innovation sehen, bestimmen spätestens seit Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts in zunehmendem Maße die Fachdiskussion. Der oben genannte Shift hat die Umsetzung dieser Konzepte jedoch plötzlich, wenngleich in Form unterschiedliche ausgeprägter Realisierungsgrade, Wirklichkeit werden lassen und Erfahrungen damit in der Breite möglich gemacht. In der Folge wird nicht über eine „Rückkehr“ zu tradierten Lehr-Lern-Formaten nachgedacht, sondern die Nutzbarmachung der gesammelten Erfahrungen und Verstetigung von „Good Practice“ in den Fokus genommen. Das betrifft die Lehrkonzepte als didaktische Rahmung ebenso wie die Konzeption und das Angebot hochschuldidaktischer Fortbildung, was wir im vorliegenden Beitrag am Beispiel der Hochschule Macromedia skizzieren. Schlagwörter: Blended Learning, Podcast, Forschendes Lernen, Hochschuldidaktische Fortbildung

4.1 Einleitung Nicht erst vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen in der Lehre unter Pandemie-Bedingungen setzt sich die Hochschule Macromedia mit der Frage auseinander, inwieweit eine Verschränkung von Off- und Online-Formaten, von Präsenzlehre und Blended Learning-Angeboten, zu einer Optimierung des Studienangebots beitragen kann. Die interne Arbeit an einem entsprechenden Lehrkonzept wird flankiert durch die Beteiligung an einem BMBF-geförderten Verbundprojekt, in welchem untersucht wird, wie sich eine als besonders anspruchsvoll geltende Form des Lernens, nämlich das Forschende Lernen, durch die Nutzung von (Video-)Technologien in größeren und großen Gruppen asynchron und online realisieren und befördern lässt.

https://doi.org/10.1515/9783110754728-004

102 | A. Hebbel-Seeger & A. Strauß Jedes didaktische Konzept ist gleichwohl nur so gut, wie es gelingt dieses auch in die Hochschule hineinzutragen, in der praktischen Anwendung zu konkretisieren, anzupassen, weiterzuentwickeln und im Kern zu verstetigen. Die Vermittlung zwischen innovativen Formaten und gelebter Praxis stellt dabei eine der zentralen Herausforderungen dar; einen Spagat zu versuchen zwischen formativen Setzungen einerseits, mit denen die Formate und Methoden eines „neuen“ Lehrkonzepts eine Verbindlichkeit erhalten sollen, und dem „Abholen“ und „Mitnehmen“ der Kolleginnen und Kollegen andererseits, deren Lehrerfahrungen nicht nur grundsätzlich wertgeschätzt, sondern im Sinne eines kritischen Dialogs konstruktiv auf die Konzeptebene zurückwirken sollen. Dazu bedienen wir uns u. a. eines Podcasts, in welchem wir mit wechselnden Gästen aus dem eigenen Hochschuluniversum zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten sprechen, deren Gemeinsamkeit aber die Betrachtung und Reflexion der eigenen Lehre und der Rahmenbedingungen derselben ausmacht. Dieser Podcast wird als Fortbildungsressource genutzt. Gleichzeitig haben wir in einer ersten Analyse ausgewählter Inhalte der bisher publizierten ersten 30 Episoden geschaut, welche Hinweise sich aus den Empfehlungen der Kolleginnen und Kollegen für „gelingende Hochschullehre“ für die Konzeption und Gestaltung von hochschuldidaktischen Weiterbildungsangeboten ableiten lassen.

4.2 Ausgangslage Die Optimierung des Studienangebotes der Macromedia Hochschule wird bereits seit einiger Zeit durch Angebote zur hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildung begleitet. Die Unterstützung der Hochschullehrenden in der zunehmenden Anwendung digitaler Lehrformate, insbesondere im Zuge der Covid-19-Pandemie, erfolgt auf verschiedenen Wegen. Hieraus resultieren wichtige Erfahrungen, die zur Weiterentwicklung des Angebotes genutzt werden. Zum einen bietet ein asynchrones Online-Angebot internen Lehrenden drei Toolsets, um die Umsetzung des Blended Learning-Formats zu erleichtern und unterschiedliche technische sowie didaktisch-methodische Fragen der Online-Gestaltung der Lehre zu behandeln. Die Toolsets umfassen die Inhalte „Aufbau und Kommunikation“, „Erfolgreicher Einsatz digitaler Werkzeuge“ sowie „Aktivierung, Interaktion und Qualitätssicherung“. Eingeführt wird in Toolset 1 die grundsätzliche Ausgestaltung von Blended Learning-Formaten, die genutzten Lehrformate und deren Zusammenspiel und die Anforderungen an eine gelingende Kommunikation mit den Studierenden. Toolset 2 umfasst die an der Hochschule genutzten technischen Tools wie Moodle und MS Teams. Ein besonderer Schwerpunkt wird aus technischen und didaktischen Gründen auf die Nutzung von Videos in der digital gestützten Lehre gelegt und damit einhergehend kostenlose Produktions- und Streamingtools vorgestellt.

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Schließlich werden in Toolset 3 Möglichkeiten der Gestaltung einer gelingenden Interaktion einschließlich der Implementierung einer funktionierenden Feedback-Kultur im digitalen Raum erläutert. Alle Toolsets sind angereichert mit ein- und weiterführenden Literaturhinweisen und ergänzendem Material wie bspw. Videos. Auch der Didaktik-Podcast LectureCast wurde hier verlinkt, um den Kursteilnehmenden den direkten Zugang zu erleichtern. Ergänzend zum asynchronen Online-Angebot wurde während des Wintersemesters 2020/21 ein regelmäßiger, praxisorientierter kollegialer Austausch organisiert, der monatlich zu einem festen Termin innerhalb von 60 Minuten den Kolleginnen und Kollegen Gelegenheit gab, kurze und praxisorientierte Impuls-Referate zu wechselnden Themen von hochschuldidaktischer Bedeutung von 10 bis 15 Minuten Länge zu erhalten und im Anschluss gemeinsam zu diskutieren. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde auch die Gelegenheit gegeben, spezifische Aufgabenstellungen wie bspw. die Erstellung eines Lehrvideoclips zu bearbeiten. Weiterhin sind an den einzelnen Campus der Hochschule Didaktik-Expertinnen und -Experten tätig, um vor Ort spezifische Unterstützungsangebote für Lehrende zu bieten. Diese Aufgabe erstreckt sich von Beratungstätigkeit zu Einzelfragen bis hin zur Durchführung von Veranstaltung wie bspw. die technische Einführung in Tools wie MS Teams und damit verbundene didaktisch-methodische Implikationen. Während die Angebote der Didaktik-Expertinnen und -Experten am Campus der Hochschule insbesondere im Zusammenhang mit den notwendigen Umstellungen hin zu digitalen Lehrformaten im Zuge der Covid-19-Pandemie in unterschiedlichem Ausmaß, aber regelmäßig in Anspruch genommen wurden und auch die monatlichen Veranstaltungen zur praktischen Umsetzung digital gestützter Lehre konstanten Zuspruch erfuhren, wurde das umfangreich konzipierte asynchrone Online-Angebot kaum genutzt. Dies kann als Indikator dafür gewertet werden, dass die hochschuldidaktische Weiterbildung an der Macromedia Hochschule in ihrer Konzeption vor allem auf konkrete Fragestellungen und Best Practice-Beispiele gelingender LehrLernsettings und zeitlich gute Integrierbarkeit in den Arbeitsalltag ausgerichtet sein sollte. Auch darf vermutet werden, dass dies auch hochschulübergreifend der Fall ist.

4.3 Das didaktische Konzept der Hochschule Macromedia Die Qualität akademischer Lehre muss sich (auch) daran messen lassen, wie sehr es gelingt zeitgemäße Lernangebote zu ermöglichen und dabei aktuelle Entwicklungen in Forschung und hochschuldidaktischer Praxis zu berücksichtigen. Auch wenn die Digitalisierung keineswegs eine neue Erscheinung ist, so ist eine digitale Transformation der Hochschulausbildung noch keineswegs vollzogen. Auf der einen Seite sind

104 | A. Hebbel-Seeger & A. Strauß die Erwartungen an eine „Digitalisierung“ hoch, indem nicht zuletzt Qualität und Effizienz der Lehre steigen sollen (vgl. [1, 2]). Auf der anderen Seite befürchten Kritikerinnen und Kritiker eine das Lernen hemmende und in ihrem Erfahrungsreichtum einschränkende zunehmende (digitale) Distanz zum jeweiligen Lerngegenstand und Entfremdung zwischen allen Beteiligten; zwischen den Lehrenden und Lernenden, aber auch zwischen den Lernenden untereinander. Beide Seiten eint jedoch die Auffassung, dass eine digitale Transformation von Hochschullehre nicht bedeuten kann, „nur“ bisherige Lehrformate aus einer analogen in eine digitale Umgebung zu übertragen. Auf der Suche nach dem „Neuen“ blicken akademische Einrichtungen aber keineswegs nur nach vorn auf unbestellten Grund, sondern suchen u. a. auch eine Orientierung an „alten“ Idealen, wie einer „Bildung durch Wissenschaft“ [3]. Das Spektrum forschungsorientierter Formate ist dabei breit gefächert und reicht von einem generischen Lernen, bei dem Studierende am Modell erarbeiten sollen, wie Forschung funktioniert, über eine übende Auseinandersetzung in „Forschungs-Sandkästen“ bis hin zu „echten“ Forschungsprojekten. „Wie im Begriff Wissenschaft angedeutet, schafft diese ein Wissen und vermittelt über dieses ein Können, das als ein bestimmtes erst durch Forschen in die Welt kommt“ ([4], S. 114). Letzteres, so stellt Reinmann ([5], S. 225) fest, sei zwar am wünschenswertesten, stellt aber auch die höchsten Anforderungen und schafft am ehesten jene Spannungsmomente, mit denen die Hochschullehre heute generell zu kämpfen hat, bspw. der Spannung zwischen neugierigkreativem Lernen und formaler Bewertung oder zwischen komplexem projektorientierten Lernen und knappen Betreuungsressourcen [6]. Forschendes Lernen, ebenso wie die in diesem Kontext bisweilen häufig (fälschlich) synonym verwendeten Ausprägungsformen einer an einer forschenden Auseinandersetzung ausgerichteten Gestaltung von Lernprozessen (vgl. [7, 8]), sind keine universellen didaktisch-methodischen Lösungen. Sie stellen unter entsprechenden Rahmenbedingungen und adäquaten (Lern- und ggf. Bildungs-)Zielen jedoch einen vielversprechenden Weg dar, Kompetenzen zu entwickeln, die unter dem Buzz-Word der „Future-Skills“ (siehe auch [9, 10]) für die Befähigung an einer aktiven Teilhabe und Mitgestaltung gesellschaftlicher und beruflicher Wirklichkeit stehen. Allerdings, „unabhängig davon, ob sich das akademische Lehren und Lernen an der Idee des forschenden Lernens ausrichtet oder nicht, ist vor allem die Frage der beruflichen Verwertbarkeit von ‚Kompetenzen‘, die durch ein Studium gefördert werden, nicht klar beantwortet“, kritisiert Langemeyer ([11], S. 18 f). Genau dieser Frage nach den berufsrelevanten Kompetenzen im Medienmanagement und Journalismus haben wir uns daher exemplarisch am Beispiel eines forschungsorientierten Projektstudiums mit Fokus auf die Nutzung von Video-Drohnen angenommen [12]. Dem „echten“ Forschenden Lernen widmen wir uns hingegen ak-

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tuell in einem BMBF-geförderten Verbundprojekt namens SCoRe,1 bei dem es um die Nutzung von Video-Technologien zur Beförderung forschenden Lernens in größeren und großen Gruppen unter Online-Bedingungen geht [13]. Beide Vorhaben werden wir in der Folge kurz skizzieren, da problemorientiertes Arbeiten, Forschungsorientierung und Forschendes Lernen als Bausteine des aktuellen Lehrkonzepts der Hochschule Macromedia mitgedacht werden.

4.3.1 Erfahrungen aus problemorientiertem Arbeiten und forschendem Lernen Wenn wir in diesem Abschnitt bereits in der Überschrift unterschiedliche didaktisch Ansätze vermischen, dann laufen wir Gefahr, damit „die Präzision des Konzepts vom forschenden Lernen“ ([5], S. 227) zu beeinträchtigen und „Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen der Forschungsorientierung und der in der Didaktik seit langem bekannten Problemorientierung“ (ebenda) zu verwischen. Wenn wir das hier dennoch wagen, dann deshalb, weil es uns hier nicht um eine Diskussion der genannten Ansätze im Sinne hochschuldidaktischer Modellbildung geht, sondern darum an ausgewählten Beispielen Erfahrungen zu skizzieren, die u. E. für ein Lehrkonzept bedeutsam sind, das sich explizit den Anforderungen und Herausforderungen einer digital geprägten Welt stellen will. „Die praktische Handlung, der eine „echte“ Problemstellung vorausgeht, befähigt Lernende, primäre Erfahrungen zu machen und diese durch Reflexion zu einer sekundären (abstrakten und generalisierten) Erfahrung umzudeuten“ ([14], S. 2). Insofern manifestieren sich ein problemorientiertes Lernen und Studienprojekte zwar ebenso wie Forschendes Lernen an Projekten; „nicht jedes Projekt aber ist ein Forschungsprojekt, auch an Hochschulen nicht“ ([8], S. 41). Im Sinne eines problemorientierten Lernens haben wir uns mit dem Einsatz innovativer audiovisueller Medientechnologien im Studium des Medienmanagements und Journalismus beschäftigt; mit Video-Drohnen und 360°-Kamerasystemen, deren Einsatzmöglichkeiten und kommunikative Mehrwerte in unterschiedlichen situativen Kontexten und am Beispiel unterschiedlicher Darstellungsgegenstände von den Studierenden zu erproben waren. Dabei reichte das Spektrum der zu bewältigenden „Probleme“ von der praktischen Steuerung/Bedienung der Produktionsmedien über ästhetisch-gestalterische Aspekte bis hin zu Fragen der Medienwirkung. Denn das übergeordnete Ziel eines Hochschulstudiums im Medienmanagement und (Sport-)Journalismus konkretisiert sich im Verstehen, Erklären, Anwenden und Weiterentwickeln von Nutzungsmöglichkeiten und Kommunikationslösungen. Der Er1 Studend Crowd Research, Fördernummer 16DHB2120, ist ein Forschungsverbundprojekt der Universität Bremen, der Universität Hamburg, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Hochschule Macromedia sowie der Ghostthinker GmbH; https://studentcrowdresearch.de.

106 | A. Hebbel-Seeger & A. Strauß werb von Wissen über domänenspezifische Besonderheiten, Alternativen und Kombinationsmöglichkeiten des Einsatzes von Videodrohnen und immersiver Kamerasysteme, die Kenntnis und praktische Beachtung rechtlicher Vorgaben, die Einschätzung und der Umgang mit situativen Bedingungen (insbesondere Raum und Wetter) sowie der Erwerb eines technologischen und technischen Grundverständnisses bilden die Basis für ein hermeneutisches Verständnis und die praktische Anwendung. „Mit dem Konzept des situativen Lernens werden anwendungsorientierte Wissensinhalte in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, berufliche Kontexte in die Lernsituation integriert, Erfahrungen gesammelt sowie Teamarbeit und die Teilung von Wissen in sozialen Gruppen gefördert“ ([15], S. 41). Dies sind nicht nur Zutaten für die Forschungsorientierung in der Lehre, sondern auch Voraussetzungen für die Entwicklung von Kompetenzen, die die Studierenden befähigen, zukünftige Entwicklungen in der Medienkommunikation zu antizipieren und zu beeinflussen. Eine Herausforderung beim Forschenden Lernen besteht unter anderem in der Schwierigkeit die Studierenden tatsächlich alle Phasen eines Forschungsprozesses durchlaufen zu lassen. Weil dieses schon unter den organisatorisch-strukturellen Bedingungen von Hochschule kaum zu realisieren ist, untersuchen wir im Rahmen des Forschungsverbundprojektes SCoRe am Beispiel der Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit an der Universität Bremen ganz grundsätzlich, inwieweit es gelingt über die Einbindung von Studierenden in einzelne Phasen eines Forschungsprozesses, der über eine Online-Plattform administriert wird, dennoch ein Verständnis für den Prozess als Ganzes anzubahnen. Dabei kommt dem Einsatz von Videotechnologien eine besondere Rolle zu, die innerhalb des Projektes unterschiedliche Funktionen erfüllen sollen. Videos dienen den Studierenden in der Rezeption als Informationsmedium zu Inhalten, Prozessen oder Strukturen. Videos sollen von den Studierenden als Forschungsdaten erstellt und analysiert werden. Videos sollen als Kommunikationsanlass und Kommunikationsgegenstand dienen, an dem sich im Sinne eines „Social Video Learnings“ [16] ein lernrelevanter Austausch über Inhalt, Kommentar und Rekommentierung entfaltet. Und Videos sollen schließlich auch der Dissemination von (Zwischen-)Ergebnissen und Erkenntnissen der Forschungsarbeit dienen. Im SCoRe-Projekt geht es mithin darum zu schauen, wo und wie Videotechnologien ein Forschendes Lernen befördern können. Allen zuvor genannten CoreFunktionen des Videoeinsatzes ist gemeinsam, dass die Provenienz des audio-visuellen Mediums (360°-Video oder Fix Frame) ebenso wie der jeweilige Forschungsgegenstand und das Endgerät, auf dem die Rezeption stattfindet (mobiles Device, Desktop oder Head Mounted Display), ein interdependentes Beziehungsgeflecht bilden, das es zu verstehen gilt [17].

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4.3.2 Das Lehrkonzept als Kondensat praktischer Erfahrungen, forschungsgeleiteter Erkenntnisse und digitaler Transformation Funktionierende Lehrkonzepte zur Gestaltung von Lehr-Lernsettings werden idealerweise auf Basis spezifischer didaktischer Überlegungen für eine gelingende Hochschullehre entwickelt und umgesetzt. Dabei dienen die Lehrkonzepte dazu, den Lernenden eine Struktur zu geben, die Studierenden zum Lernen anzuregen und im Lernprozess zu begleiten und zu unterstützen und – insbesondere an Hochschule für angewandte Wissenschaften – den Theorie-Praxis-Bezug herzustellen. Neben forschungsgeleiteten Erkenntnissen zur didaktischen Gestaltung von Lehrkonzepten fließen auch praktische Erfahrungen aus der Lehre ein. Wie der Podcast LectureCast der Macromedia-Hochschule aufzeigt, entwickeln die Lehrenden für sich selbst unterschiedliche Lehrstrategien und -methoden, um ihre jeweilige Lehrkonzeption erfolgreich umzusetzen, aber auch in unterschiedlichen Lehrsituationen individuell reagieren zu können und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lernenden einzugehen. Schließlich spielt der Stand und die Möglichkeiten der digitalen Transformation, sowie deren didaktische Begleitung, an der jeweiligen Hochschule eine entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung des Lehrkonzeptes. Bedingt durch die Covid-19-Pandemie und die damit erforderlichen organisatorischen Veränderungen in der Hochschullehre rückte die digitale Transformation in der Lehre auch an der Macromedia Hochschule in eine zentrale Rolle. Die Pandemie erwies sich dabei als Treiber der Nutzung digitaler Technologien. Die Notwendigkeit der reinen Präsenzlehre lies Vorbehalte und möglicherweise bestehende Ängste im Umgang mit digitalen Technologien in den Hintergrund treten, Experimentierfreude aufkommen und entpuppte sich als „Ermächtigungsfaktor“. Dennoch zeigt sich nach drei „CoronaSemestern“ auch der Wunsch nach erneuter Nutzung des analogen Lernraums. Die didaktischen Überlegungen zur Ausrichtung der Lehre an der Vermittlung von „Future Skills“ beeinflussen die aktuellen Lehrkonzeptionen an der Macromedia Hochschule nachhaltig. Folgt man dem „OECD Learning Compass 2030“, so werden Skills unterschieden in: cognitive and meta-cognitive skills, which include critical thinking, creative thinking, learningto-learn and self-regulation social and emotional skills, which include empathy, self-efficacy, responsibility and collaboration practical and physical skills, which include using new information and communication technology devices [18].

In einer im Zuge der zunehmenden Digitalisierung oft als volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig angesehenen Umwelt [19] gelten diese Future Skills in der Hochschullehre allgemein wie auch an der Macromedia Hochschule als entscheidend für die persönliche und berufliche Handlungsfähigkeit. Die Vermittlung dieser Skills, verbunden mit Fach- und Methodenkompetenzen sowie Data Literacy ist daher die Zielsetzung ei-

108 | A. Hebbel-Seeger & A. Strauß ner Lehrkonzeption, die den Lernenden durch die Betonung der Selbstlernkompetenz eine neue Rolle zuschreibt, in der er oder sie aktiv die Verantwortung für den eigenen Lernprozess übernimmt. Dieser „shift from teaching to learning“ stellt die Lernenden in den Mittelpunkt und schreibt den Lehrenden eine neue Rolle als sog. Lernbegleiter oder Lerncoaches zu, wodurch sich die Lehr-Lernsituation nicht zuletzt auch aufgrund sich möglicherweise veränderter Machtverhältnisse ändert [20]. Die fachliche, methodische und didaktische Unterstützung und Begleitung der Lernenden in ihrem aktiven und selbstorganisierten Selbstlern- und Selbstreflexionsprozess ist wesentlicher Bestandteil dieser Rolle, die, auch wenn sie nicht neu ist (vgl. [21]), für Lehrende nicht immer leicht einzunehmen ist und auch Fragen aufwirft (siehe auch [22]). Immanent ist diesem „Shift“ eine konsequente Kompetenzorientierung i. S. des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR). Kompetenz bedeutet hier „… die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Kompetenz wird in diesem Sinne als umfassende Handlungskompetenz verstanden. Im DQR wird Kompetenz in den Dimensionen Fachkompetenz und personale Kompetenz dargestellt. Methodenkompetenz wird als Querschnittskompetenz verstanden …“ [23]. Die Erfahrung mit der Umsetzung kompetenzorientierter Lehre zeigt, dass die Ausrichtung von Lehrkonzepten auf Lernergebnisse, Kompetenzarten und -niveaus und deren Umsetzung auch bei den Lehrenden eines Lernprozesses bedarf, bspw. bezogen auf die kompetenzorientierte Formulierung von Lernzielen. Denkt man die Kompetenzorientierung wiederum konsequent zu Ende, so führt sie zum didaktischen Prinzip des „Constructive Alignments“ [24], in dem die Lernergebnisse, die Lehraktivität und die Prüfungsform aufeinander abgestimmt werden [22]. Dies äußert sich dann u. a. in der Aufführung der jeweils mit Prüfungsfragen zu erreichenden Lernzielen in Klausuren. Die Fokussierung auf die Vermittlung der Selbstlernkompetenz ist verbunden mit einer konsequenten Umsetzung des Modells des „inverted classroom“ oder auch „flipped classroom“ (vgl. [25, 26]). In diesen Modellen findet die Wissensaneignung nicht mehr nur im Lernraum Hochschule statt, sondern erfolgt vor der Lehrveranstaltung im Selbststudium – zuhause oder am Lernort der Wahl des Lernenden mittels Mobile Devices. In den digitalen bzw. an der Hochschule stattfindenden Lehrveranstaltung findet die Wissensvertiefung durch den Austausch der Lehrenden mit den Lernenden statt. Für eine geeignete Verbindung dieser asynchronen und synchronen Lern- und Lehrphasen bietet sich ein Blended Learnings-Szenarium an, das Zeit- und Ortsunabhängigkeit ebenso gewährleistet wie eine individuelle Gestaltung der Lerngeschwindigkeit. Ein solches Konzept befindet sich derzeit an der Macromedia-Hochschule in der Umsetzung und wäre ohne einen entsprechenden Stand der digitalen Transformation in der Lehre nicht möglich. Gearbeitet wird hierbei derzeit mit MS Teams als digitalem Veranstaltungsraum und für den Austausch mit den Studierenden sowie mit Moodle als Lernplattform. Darüber hinaus kommen je nach individuellen Präferenzen

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der Lehrenden in der Lehre verschiedenste Tools zum Einsatz, wie z. B. auch immer öfter Miro für die direkte digitale Kollaboration der Studierenden untereinander und mit den Lehrenden. Erforderlich ist aber auch die konsequente Umsetzung des Modells „inverted classroom“ in den jeweiligen Lehrveranstaltungen. An der Macromedia Hochschule sind hierfür Lehrveranstaltungskoordinatorinnen und -koordinatoren zuständig. Diese ermöglichen für alle acht Campus der Hochschule die einheitliche Durchführung der Lehre und gestalten darüber hinaus vor dem Hintergrund der Studierendenzentrierung die verzahnte Durchführung der verschiedenen Veranstaltungsformen wie Vorlesung und Übung, Vorlesung und Seminar etc. Dies erfordert neben fachlichen auch besondere didaktische und kommunikative Kompetenzen, da neben der inhaltlich-didaktischen Konzeption auch immer die entsprechende Kommunikation mit den verschiedenen Lehrenden zu bewerkstelligen ist, wobei nicht selten spezifische Standortsituationen eine Rolle spielen. Darüber hinaus bietet die Gestaltung des eingesetzten Contents durch spezifische didaktische Elemente vielfältige Möglichkeiten zur Unterstützung des Selbstlernens innerhalb der Lehrkonzepte. So finden bspw. ursprünglich für das Fernstudium eigens gestaltete Lehrskripte nun auch Einzug in das Blended Learning-Konzept und sind bereits Bestandteil einiger Lehrkonzepte. Doch auch der digitale und analoge Lernraum als Ort der Interaktion und des sozialen Austauschs und seine Gestaltung wird zunehmend zu einem zentralen Faktor gelungener Lehr-Lernszenarien und soll daher in der Lehrkonzeption Beachtung finden [27], da der Lernprozess untrennbar mit der physischen Verortung der Lernenden verbunden ist. Damit müssen physische analoge, aber durchaus auch digitale Lernräume geschaffen und ausgestaltet werden, die den Prozess des eigenverantwortlichen, kreativen und flexibilisierten Lernens unterstützen. Auch dies stellt neue Herausforderungen an die Lehrenden, die diese Faktoren in die Lehrkonzeption einbringen müssen, deren Komplexität damit weiter deutlich zunimmt. Die explizite aktive Nutzung der Lernräume, sei es vor Ort oder digital, ist dabei ein relativ neuer Aspekt der Hochschullehre, der vielerorts erforscht und erprobt wird (z. B. [28]) und zu dem noch wenig Erfahrungswerte vorliegen.

4.4 Wie sich Lehrende gelingende Hochschullehre vorstellen Um den schnellen Shift von einer Onsite- zu einer Online-Lehre im Kontext des ersten Corona-Semesters 2020 bewältigen zu können, bedurfte es über die Vermittlung technisch-praktischer Fertigkeiten im Umgang mit Online-Technologien, Plattformen und Kamerasystemen für eine Live-Kommunikation hinaus Hilfestellungen für die didaktisch-methodische Gestaltung von Lehre unter den geänderten Bedingungen.

110 | A. Hebbel-Seeger & A. Strauß Gleichzeitig waren mit der Umstellung hohe zeitliche und mentale Belastungen auf Seiten der Lehrenden verbunden, so dass wir mit einem Podcast zu hochschuldidaktischen Aspekten der (Online-)Lehre versucht haben ein möglichst niedrigschwelliges Angebot zu schaffen [29]. Diese Form der Kommunikation in das Kollegium hinein hat sich bewährt. Inzwischen haben wir vom LectureCast2 die 3. Staffel produziert und eine erste Inhaltsanalyse bietet sich zu der in jeder Episode den Gästen gestellten Frage nach „3 Tipps für gelingende Hochschullehre“ an, da wir hier eine Interdependenz erwarten zwischen der Lehrtätigkeit einerseits und den (konzeptionellen) Rahmenbedingungen im Sinne einer „Ermöglichung“ anderseits. Insgesamt wurden bis heute 30 Episoden aufgenommen. Während wir in den ersten beiden Staffeln den Fokus auf didaktisch-methodische Aspekte und Konzepte von Hochschullehre gelegt haben, suchten wir in der jüngsten Staffel in drei Episoden auch das Gespräch mit Studierenden und Alumni, um die eigenen Erwartungen und Annahmen für eine zukunftsgerichtete Gestaltung von Lehr-Lernprozessen mit den Erfahrungen und Bedarfen der Zielgruppe abzugleichen. Auch diese Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner haben wir nach ihren Tipps für eine gelingende Hochschullehre gefragt. In der folgenden Analyse und Diskussion der von den Befragten getätigten Aussagen, wird entsprechend zwischen den Antworten der Lehrenden und den der Lernenden differenziert. Unsere Frage nach drei Empfehlungen, die für eine gelingende Hochschullehre individuell als hilfreich eingeschätzt werden, hat sich ganz grundsätzlich auf akademische Lehre bezogen; war also explizit nicht eingegrenzt auf Online-Formate. Dennoch wird insbesondere in den Antworten der ersten Staffel und mithin aus dem ersten Pandemie-Semester deutlich, dass die zum Befragungszeitpunkt aktuellen Rahmenbedingungen den Fokus mindestens einiger Befragter auf eben dieses Szenario einer Online-Lehre gelenkt haben. Die befragten 13 Kolleginnen und 15 Kollegen rekrutierten sich dabei aus unterschiedlichen Fakultäten; mehrheitlich aus der Fakultät für Medien sowie aus der Fakultät für Design von unterschiedlichen Standorten der Hochschule Macromedia. Interessanterweise spielen in den Empfehlungen der Kolleginnen und Kollegen technische Aspekte im engeren Sinn, trotz der die eigene Lehre zum Befragungszeitpunkt bestimmenden Setzung einer vollumfänglichen medienvermittelten Kommunikation in der Online-Lehre, eine eher untergeordnete Rolle. So wird bspw. auf die Sicherstellung einer stabilen Internetverbindung und eines insgesamt robusten technischen Setups (was in der unmittelbaren Lehrsituation als entlastend eingeschätzt wird) lediglich in zwei Fällen verwiesen. Etwas häufiger werden technische Aspekte 2 Der Didaktik-Podcast der Hochschule Macromedia ist über die einschlägigen Plattformen frei zugänglich: https://anchor.fm/macromedia0.

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im weiteren Sinn thematisiert, wenn bspw. auf die Bedeutung der richtigen Ausleuchtung des eigenen Arbeitsplatzes, die Kamerapositionierung, den direkten Blick in die Kamera (und damit auf die Lernenden) oder Audioeinstellungen hingewiesen wird. Bedeutsamer als die „bloße“ technische Funktion des häuslichen Setups wird für die Online-Lehre die (Aus-)Nutzung und Gestaltung des medienvermittelten Raums eingeschätzt, in welchem sich die Lehrenden bewegen und welcher den Lernenden über das Videobild zugänglich ist. So wird empfohlen aufzuräumen, weil über die Gestaltung des Raums für die Betrachtenden der (lehrende) Mensch erfahrbar sei, den Raum bewusst mit thematisch auf den jeweiligen Lerngegenstand abgestimmten Requisiten auszustatten, weil ein solches Setting auf die inhaltliche Auseinandersetzung einzahlt und sich schließlich insgesamt dessen bewusst zu sein, dass die Lehre in einem „Raum“ stattfindet (auch wenn dieser für die Lernenden nur medienvermittelt zugänglich ist), der auch als solcher bespielt werden kann. Hier wird empfohlen über die Auflösung der engen Begrenzung auf die eigene, meist am Schreibtisch sitzende Person, nachzudenken, indem der Raum dahinter bewusst mit einbezogen wird; über das Beschreiben von Wandflächen (z. B. auch via FlipChart), sowie die eigene Bewegung im Raum, um nicht zuletzt stehend präsenter und der eigenen körperlichen Gesundheit zuträglicher agieren zu können. Der Aspekt der körperlichen Gesundheit wird auch unabhängig dieser konkreten Empfehlung von zwei Kollegen angesprochen, die ganz allgemein empfehlen „Achtsam für sich selbst sein“ und „Auszeiten nehmen“, wobei ausdrücklich auf eine wahrgenommene höhere Belastung in der Online-Lehre im Vergleich zum bis dahin gewohnten Lehr-Lern-Setting verwiesen wird. Online-Lehre ist nicht die Abbildung von Präsenz, sondern muss den spezifischen Gesetzmäßigkeiten folgend anders sein. Darauf weisen die befragten Kolleginnen und Kollegen an verschieden Stellen hin. Daher müssten auch Wagnisse eingegangen, Neues ausprobiert und ein Scheitern zugelassen werden. „Scheu vor neuen Tools und Technologien“ gelte es abzulegen. Das bildet eine Brücke zur Forderung, die Studierenden einzubinden, diese untereinander kollaborativ aber eben auch kooperativ mit der/dem Lehrenden arbeiten zu lassen, womit ein Rollenverständnis als „Lernbegleiter/in“ verbunden wird, das konkretes Lehrhandeln einschließt („nicht überfordern“, „Kommunizieren auf Augenhöhe“, u. a.). Das setzt voraus, dass Lehrende in LehrLern-Situationen als Menschen mit ihren Stärken und Schwächen erkennbar sind; die einerseits ihre Begeisterung für Inhalte und die (Lehr-)Tätigkeit transportieren, indem sie „für eine Sache brennen“ oder mit „Herzblut“ dabei sind, und die andererseits „authentisch“ agieren, indem sie individuelle Erfahrungen auch im Sinne eines lernrelevanten „Storytellings“ in eine Lernsituation einbringen, vor allem aber indem sie um die Begrenzung des eigenen Wissens und Könnens nicht nur wissen, sondern dieses auch offenbaren und sich proaktiv zu bekennen trauen. Ein solches Vorgehen setzt eine intensive Kommunikation voraus, die insbesondere auf Lehrenden-Seite Aufmerksamkeit für das Gegenüber verlangt. Diese „Aufmerksamkeit“ endet nicht in der „Bereitschaft Zuhören zu können“. Studentische Ideen zu

112 | A. Hebbel-Seeger & A. Strauß hören, stellt lediglich den ersten Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Verantwortung für einen Lehr-Lern-Prozess dar. Es gilt diese Ideen auf Seite der Lehrenden auch aufzugreifen und zu berücksichtigen. „Studierende auch mal machen lassen“ ist dabei als das Gegenteil von Beliebigkeit zu verstehen, indem das „Neue“ und „Andere“ unabhängig des erwarteten Erfolgs auf Seite der Lehrenden auch ausgehalten werden können muss. Soll sich daraus ein lernrelevantes Miteinander ergeben, impliziert dies Rückmeldungen und Reflexion als Feedback explizit einzufordern. In diesem Zusammenhang wird von den befragten Kolleginnen und Kollegen darauf verwiesen, dass die Kommunikation nicht auf die Lehrveranstaltungszeit beschränkt bleiben dürfe, sondern eine Erreichbarkeit und die Möglichkeit zum Austausch auch darüber hinaus gegeben sein sollte. Ein anderer Aspekt, die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernen betreffend, tangiert einerseits das zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen Lehrenden und Lernenden in typischen akademischen Lehr-Lern-Prozessen und andererseits die institutionell verankerte, aber auch inhaltlich begründete Hierarchie. Auf der einen Seite die oder der Lehrende, die weiß, und auf der anderen Seite die Lernenden, die es zukünftig wissen sollen. Damit aus dem „Sollen“ ein echtes „Wollen“ werden kann, braucht es Brücken, die helfen eine persönliche Beziehung herzustellen, ohne die jeweils eigene Verortung zu nivellieren. Als ein basaler Baustein einer solchen Brückenbildung wird von den Kolleginnen und Kollegen die Kenntnis der Namen aller Lernenden angesehen und diese auch jeweils in einer adressierten Ansprache zu gebrauchen. Das korrespondiert mit den Empfehlungen der befragten drei Studierenden und zwei Alumni, die als Individuen wahrgenommen und gesehen werden wollen und eine daraus resultierende persönliche Beziehung als Motivationshilfe benennen. Auch die Studierenden und Alumni goutieren hier den oben auch schon von den Lehrenden genannten Aspekt der Erreichbarkeit über die zeitlichen Grenzen einer Lehrveranstaltung hinaus und betonen die Bedeutung der Kenntnis und Verwendung der Namen der Lernenden in der Unterrichtssituation als Voraussetzung für eine angenehme Lernatmosphäre. Diese wird vor allem auch dann, und hier schließlich sich der Kreis, von den Studierenden als besonders gelungen empfunden, wenn die Kommunikation „menschelt“ („mehr Humor. Junge Leute wollen Spaß am Lernen haben“). Eine nicht zuletzt in den regelhaften akademischen Lehr-Evaluationen implizit mitschwingende Frage, wenn es um eine grundsätzliche Bewertung einer Lehrveranstaltung geht, ist die nach dem Anspruch von Studierenden. Bevorzugen Studierende Lehrveranstaltungen (und bewerten diese entsprechend besser), die bei möglichst geringem persönlichen Aufwand einen möglichst großen Studienerfolg versprechen, oder gilt als eine „gute“ Lehrveranstaltung eine solche, die als Herausforderung empfunden wird und entsprechendes Engagement verlangt? Zumindest die hier befragten Studierenden und Alumni geben an gelingende Hochschullehre als eine Kombination von „Fordern und Fördern“ zu verstehen, wobei zumindest eine Alumna bekannte, diesen Wert erst im Rückblick „wirklich“ zu schätzen.

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Weil aber Studierende wahrgenommen und ernstgenommen werden wollen, spielt schließlich auch in den Empfehlungen der befragten Studierenden und Alumni, analog zu den Aussagen der Lehrenden, ein „Erwartungsmanagement“ eine große Rolle. Studierende wollen wissen was wann, wie und in welchen Umfängen von ihnen zu leisten ist. Das zahlt einerseits auf eine gewünschte Transparenz ein und ist anderseits eine Voraussetzung dafür, um auf Augenhöhe kommunizieren zu können und eine Lehr-Lern-Situation als gemeinschaftliche Aufgabe begreifen zu können. Die Empfehlung im eigenen Unterricht experimentierfreudig zu sein, neuen Methoden ebenso wie neuen Tools gegenüber aufgeschlossen zu sein, korrespondiert gleichermaßen mit einem Selbstverständnis in der Lehr-Lern-Situation, das Lehrende eben auch als Lernende begreift, wie mit der Schaffung von Anreizen, die aus Überraschung, Abwechslung und Disruption resultieren, die Studierenden aus ihrer ComfortZone locken und eine lernende Auseinandersetzung einfordern. Gleichzeitig berichten die Kolleginnen und Kollegen, dass die Förderung „aktiven Lernens“, das „Schaffen von Anreizen, damit sich Studierende aktiv einbringen“ können, sowie das Anbahnen eines „interaktiven“ Lernens in der Online-Lehre aber schwer(er) einzulösen sind: Informelle Begegnungsräume am Campus entfallen und vor dem Bildschirm ist, so formuliert es ein Kollege, „digitale Empathie“ gefragt, wenn auf Reaktionen des virtuellen Auditoriums gewartet wird, die nicht kommen. Das gilt natürlich auch andersherum: Gerade weil eben auch die Studierenden in einem Online-Setting die Lehrenden nicht „richtig“ sähen, gelte es, den Worten einer Kollegin nach, „mit der Stimme zu lächeln“, d. h. über Sprachwahl, Tonfall und Intonation den Studierenden gegenüber eine motivierende Zugewandtheit zu zeigen und Begeisterung für die Sache sowie die Freude an der gemeinsamen Bewältigung einer Lernaufgabe zu transportieren. Ein anderer Kollege zieht hier einen Vergleich zu darstellenden Künstlerinnen und Künstlern sowie Musikerinnen und Musiker, denen es auf der Bühne gelingt, dem Publikum das Gefühl zu vermitteln mit „Haut und Haar“ nur für sie da zu sein. Ein solcher „Auftrittsmodus“ müsse auch für die Lehre gelten. Zu übergreifenden Aspekten in den Empfehlungen für gelingende Hochschullehre gehören die Forderung nach einer guten Vorbereitung (aktuelle Materialien, strukturierte Zeitplanung einer jeden Unterrichtsstunde und Unterrichtseinheit usw.) sowie die Empfehlung, sich um das Aufstellen von Regeln, insbesondere organisatorisch-praktischer Provenienz, zu bemühen und über die Etablierung von Ritualen (Form der Begrüßung, Art und Reihenfolge genereller Unterrichtsbausteine und der kommunikative Umgang damit usw.) die Lernsituation für die Studierenden (und Lehrenden) im Sinne von „Leitplanken“ verlässlich zu rahmen und damit die Beteiligten kognitiv zu entlasten. Mit dieser Zielsetzung ist der Rat verbunden ein „Erwartungsmanagement“ (s. o.) zu betreiben, welches Inhalte sowie Leistungs- und Prüfungsanforderungen einer Lehrveranstaltung für die Lernenden transparent und nachvollziehbar werden lässt.

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4.5 Anforderungen an die hochschuldidaktische Weiterbildung Angebote zur hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildung müssen unterschiedlichste Aspekte berücksichtigen. Zunächst einmal stellt sich die Frage, welche Zielgruppen angesprochen werden sollen. Meist wird dabei auf das bestehende Lehrpersonal abgezielt, dem Angebote zur didaktischen Weiterbildung unterbreitet werden sollen. Gleichzeitig müssen aber auch neu berufene Professorinnen und Professoren und Lehrbeauftragte einbezogen werden, da deren didaktische Erfahrungen teilweise gering sind, insbesondere wenn es sich um Hochschulen für angewandte Wissenschaften handelt, die besonders auf (berufs-)praxiserfahrene Lehrende fokussieren. Schließlich besteht die Option, die hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildungsangebote für externe Interessenten und Interessentinnen zugänglich zu machen. Zahlreiche Angebote innerhalb der deutschen Hochschullandschaft bieten diese Möglichkeit, was wiederum die Frage nach der Anerkennung der vergebenen Abschlüsse und damit ihrer Wertigkeit aufwirft. Die „Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, mittels ihres Akkreditierungsverfahrens den Markt für hochschuldidaktische Angebote transparenter zu machen und wissenschaftliche sowie in der Praxis bewährte Standards zu etablieren [30]. Mit den „Leitlinien zur Modularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung“ wurde bereits 2005 der Rahmen für die Gestaltung extern angebotener hochschuldidaktischer Weiterbildungsangebote gestaltet. Gleichzeitig stellt sich bei der Konzeption hochschuldidaktischer Aus- und Weiterbildungsangebote die Frage der Integration der Angebote in den i. d. R. zeitlich sehr ausgefüllten Arbeitsalltag der Zielgruppen. Ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, das die Wünsche und Ansprüche, aber auch Möglichkeiten aller Zielgruppen berücksichtigt, stellt daher eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Als Ausgangspunkte für die Entwicklung neuer hochschuldidaktischer Aus- und Weiterbildungsangebote an der Hochschule Macromedia bieten sich die Erfahrungen mit den bisherigen Angeboten, das nun an der Macromedia Hochschule praktizierte Blended Learning-Konzept mit seinen didaktischen Implikationen sowie die darauf basierenden Lehrkonzepte der Lehrenden und die im Rahmen des Didaktik-Podcasts LectureCast gegebenen Empfehlungen von Lehrenden und Lernenden an. Diese im vorangegangenen Abschnitt zusammengetragenen Empfehlungen basieren auf den Aussagen von wenigen Lehrenden ausgewählter Fachdisziplinen. Weder erheben die genannten „Tipps für gelingende Hochschullehre“ einen Anspruch auf Vollständigkeit noch kann daraus eine Hierarchie der Bedeutungen abgeleitet werden. Gleichwohl interpretieren wir die explorierten Aspekte als wertvolle Elemente einer erfolgreichen Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen, sodass sich für uns die Frage stellt, wie diese in eine hochschuldidaktische Aus- und Weiterbildung integriert werden können.

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Die Erfahrungen mit den bisherigen hochschuldidaktischen Weiterbildungsangeboten lassen darauf schließen, dass eher kleinteilige, niedrigschwellige Formate im derzeitigen Belastungsstadium der Lehrenden wahrgenommen werden können und eine bessere Inanspruchnahme erfahren. Das gilt sowohl für einen verstetigten kollegialen Austausch in zeitlich überschaubarem Umfang, als auch für den Einsatz von Didaktikexpertinnen und -experten als individuelle Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vor Ort an den verschiedenen Campus. Gleichzeitig erfreut sich auch der Didaktik-Podcast LectureCast großer Beliebtheit, verschafft er doch auch den Lehrenden ganz im Sinne selbstgesteuerten, individuellen Lernens die Möglichkeit zeitund ortsunabhängig neue Anregungen für die eigene Lehre zu erhalten. Weitgehend ungenutzt ist in diesem Zusammenhang bisher jedoch noch die Nutzung des Podcasts als Kommunikationsanlass und Plattform nicht nur für die individuelle Reflexion und Modellbildung im Sinne Subjektiver Theorien [31] sondern für das interindividuelle Aushandeln von Perspektiven und die darauf aufbauende kollaborative Entwicklung praktischer Konsequenzen für das eigene Lehrhandeln. Im Spannungsverhältnis von Themenvielfalt und Machbarkeit besteht hier u. E. ein vielversprechender Ansatz u. a. darin, im Podcast gegebene Empfehlungen für eine anschließende Weiterbildungsveranstaltung auszuarbeiten und so ein regelmäßiges und gleichzeitig nah an den Erfahrungen der Lehrenden orientiertes Angebotsspektrum zu etablieren. Damit soll eine Brücke geschlagen werden zu den relevanten, für viele Interessentinnen und Interessenten aber zunächst häufig eher abstrakt und entfernt vom eigenen Handeln erscheinenden Inhalten hochschuldidaktischer Qualifikation: vom kompetenzorientierten Lehren und Lernen, zu Lehrformaten und verschiedenen Durchführungsformen bis hin zur Nutzung und Gestaltung verschiedener Content-Formate. Methoden der Aktivierung Studierender und geeignete Kommunikationsformate können ebenso wie die oft gewünschten Einführungen in neue Tools Gegenstand sein. Erweiternd können Themenfelder wie Prüfen, Beraten, Evaluation und Qualitätssicherung hinzukommen. Schließlich sollten Aspekte wie Methodenvielfalt, Aspekte der Digitalisierung oder Schlüsselkompetenzen und individueller Lehrstil das grundsätzliche Angebotsspektrum vertiefen. In diesem Angebotsgerüst, wie wir es hier für die Hochschule Macromedia skizzieren, werden die Empfehlungen zur gelingenden Lehre aus dem Podcast LectureCast konstruktiv eingebettet und halten Themen, wie bspw. die Gestaltung eines sicheren und lernförderlichen (technischen) Umfelds und der Einsatz und die (kollaborative) Nutzung bestimmter Tools und Medien, Einzug in das hochschuldidaktische Programm. Eine besondere Bedeutung messen wir dabei dem Wandel der Rolle der Lehrenden hin zu Lernbegleiterinnen und Lernbegleitern und Fragen der empathischen und motivierenden Lehre im digitalen Raum bei. Damit zusammenhängend scheint vor allem auch das vielseitige und sensible Thema der gelingenden Kommunikation mit Studierenden besonders geeignet zu sein, im Rahmen einer hochschuldidaktischen Weiterbildung bearbeitet zu werden. Und nicht zuletzt haben die Erfahrungen aus drei Semestern Online-Lehre im Zuge der Pandemiebekämpfung deutlich

116 | A. Hebbel-Seeger & A. Strauß gemacht, welchen Einfluss der physische ebenso wie der virtuelle Raum auf ein gelingendes didaktisches Setting hat; ein Aspekt der aktuell um eine weitere Facette ergänzt wird, wenn Lehrende „zwischen den Welten“ wandeln sollen, weil hybride Lehr-Lern-Settings als Antworten auf die noch immer notwendige Hygienekonzepte, aber auch schon perspektivisch in Hinblick auf eine sich (im Grunde aber immer schon fortwährend) wandelnde Lernkultur gedacht werden.

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Jennifer Grüntjens, Sabrina Schaper & Sandra Hofhues

5 FernUniversität in Hagen: Praktiken forschenden Lernens

Zusammenfassung: Dieser Beitrag beschreibt, dass nicht nur Lehren und Lernen, sondern auch Forschen durch eine „Kultur der Digitalität“ bedingt ist. Mit Rekurs auf das forschende Lernen wird verdeutlicht, wie dann in „digitalitätsbedingte“ Praktiken innerhalb von Universität eingeführt werden kann (und sollte). Dabei wird auf (eigene) Erfahrungswerte aus zwei Modulen der beiden erziehungswissenschaftlichen Studiengänge der FernUniversität in Hagen zurückgegriffen, da hier Fernstudium und Online-Lehre praktisch einhergehen und forschendes Lernen in den betrachten Modulen in, mit und durch digitale Medien erfolgt. Im Folgenden rücken die wissenschaftlichen Praktiken des Organisierens, Recherchierens, Reflektierens und Vernetzens und ihre Verschränkung mit digitalen Medien in den Fokus. Über einzelne Beispiele hinaus lässt sich schließlich festhalten, dass Medien immanenter und konstitutiver Teil von Forschung und Wissenschaft(-spraktiken) sind. Dafür ist eine Reflexion und Rahmung dieser Praktiken als Wissenschafts- und Medienpraktiken sowie ihre Aufnahme in Lehr-Lernveranstaltungen jedoch unerlässlich. Schlagwörter: Forschendes Lernen, Forschungspraktiken, Digitalität, Wissenschaftssozialisation, Fernstudium, Hochschule, Vernetzen, Organisieren, Reflektieren, Recherchieren

5.1 Einleitung Seit gut zwanzig Jahren besteht prinzipiell die Möglichkeit, ein Studium unter Einsatz digitaler Medien zu absolvieren. Im Diskurs um eLearning und Digitalisierung werden heutige Lernplattformen daher auch als „Dinosaurier“ [1] bezeichnet, unterstützen sie doch seit Anfang der 2000er Jahre Lehren und Lernen mit Medien. Dabei kennen auch heutige Lernplattformen bereits Vorgänger: Meist waren dies sogenannte Serverlösungen und mit dem BSCW-Server sind sie teils noch im Einsatz. Angesichts dieser Historie ist die besondere Aufmerksamkeit, die die tradierten technischen Lösungen in der Covid-19-Pandemie erfuhren, einerseits erstaunlich. Andererseits lässt sie sich mit Blick auf ihre Funktion als Bildungstechnologie(n) auch erklären: Als technische Plattformen boten sie allen Hochschulen die Chance, Studium und Lehre unter Bedingungen einer anhaltenden Pandemie fortzuführen. Um den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten, manifestierte sich die Diskussion dann auf der Ebene von Lehrveranstaltungen – gerade der konkrete Medieneinsatz rückte in den Fokus: Dozierende standen und stehen bis auf Weiteres vor der Anforderung, ihre Lehrveranstaltungen (soweit noch nicht vorab geschehen) als Online-Angebote zu planen und umzusetzen. Damit https://doi.org/10.1515/9783110754728-005

120 | J. Grüntjens et al. gerieten in der Pandemie zwangsläufig solche Fragen in den Vordergrund, die technisch bzw. infrastrukturell zu beantworten waren und sind (z. B. Kauf von Lizenzen, Optimierung der VPN-Server) [2]. Allerdings lässt sich feststellen, dass eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit Medien als Sinnangebote und als Rahmenbedingung für Lehren und Lernen im Studium in dieser Zeit eher ausgebremst wurden. So ließ die abrupt auftretende Notwendigkeit ihres unbedingten Einsatzes fast keinen Raum, um ausgehend von universitären Bildungszielen und/oder einzelnen Hochschulstrategien über Medienhandeln und Medieneinsatz zu diskutieren, sprich die Auseinandersetzung mit technischen Lösungen am Handeln von Menschen und/oder an didaktischen Erfordernissen zu orientieren. Auch dies mag für eine breite Technikgläubigkeit ursächlich sein, die gerade in der Anfangszeit der Pandemie sichtbar wurde. Auch der Begriff des Emergency Remote Teaching (ERT) [3], der in dieser Zeit bemüht wurde, entschuldigt nur in gewisser Weise, dass in der ‚Notsituation’ die Aufrechterhaltung des Lehrangebots im Vordergrund stand, nicht didaktische Überlegungen oder gar die Reflexion darüber.1 Ohne diese Prozesse von Digitalisierung an dieser Stelle umfangreich ergründen zu können, lässt sich wohl aber festhalten, dass die Pandemie allgemein dazu geführt hat, dass viele Lehrveranstaltungen inzwischen mindestens digital begleitet werden. Es lässt sich ein Prozess nachzeichnen, wonach digitale Medien zu von Lehrenden und Lernenden gestalteten Handlungs- und Kommunikationsräumen wurden, sodass Lernen, Lehren und Forschung seither „in“ Medien erfolgt (siehe auch [4]). Solche Digitalisierungsprozesse werden auch im Zusammenhang mit forschungsorientierten Vorlesungen und Seminaren sichtbar. Zum einen weist der insgesamt konzeptionell geprägte Forschungsstand zum forschenden Lernen Defizite in der Auseinandersetzung mit digitalen Medien auf (vgl. [5, 6]). Zum anderen scheint die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit forschendem Lernen in der Online-Lehre eng mit der Gegenwart der Pandemie zusammenzufallen, finden sich diesbezügliche Schriften hauptsächlich in den letzten anderthalb Jahren. Hinzu kommt zweifelsohne, dass entsprechende Publikationen im englischsprachigen Raum die Herausforderung thematisieren, wonach forschungsorientierte Veranstaltungen in naturwissenschaftlichen Fächern zu digitalisieren sind (z. B. [7–11]). Gerade im Hinblick auf Forschungsorientierung und die Einführung in Wissenschaft ist daher zu fragen, wie sich Bildungsziele der Universität mit vielfach fokussierter Online-Lehre vereinbaren lassen. Es schließt sich ergänzend die Teilfrage danach an, auf welchen Erfahrungswerten didaktische Überlegungen gründen können. Über die Einführung in die Wissenschaft, d. h. auch das Kennenlernen und Erfahren von wissenschaftlichen Praktiken, wird in der Forschungsliteratur vorrangig in 1 Emergency Remote Teaching muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass dabei nicht (bewusste und unbewusste) didaktische Entscheidungen getroffen werden.

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Verbindung mit dem hochschuldidaktischen Konzept des forschenden Lernens nachgedacht (z. B. [12]). Der Einsatz von Medien wird in diesem Zusammenhang zwar immer wieder thematisiert (bspw. [5, 13–15]), allerdings geht es primär um die Weiterentwicklung des Konzepts an sich. Entsprechend rückt in vielen Beiträgen in den Mittelpunkt, wie ‚Bildung durch Wissenschaft’ im Studium gelingen kann. Es ist damit das erklärte Ziel, das unter anderem unterstützt durch digitale Medien (als Werkzeuge) und verbunden mit entsprechenden didaktischen Überlegungen erreicht werden soll (vgl. [16, 17]). Eine weitere, diesen Beitrag vielmehr leitende Perspektive ist, den Fokus auf die Praktiken selbst zu richten und Medien nicht als Mittel, sondern als Teil des Ziels zu begreifen. Wir verstehen Praktiken hierbei nach Reckwitz als „sich in der Zeit wiederholende und sich im Raum verbreitende Aktivitäten“ ([18], S. 53), die zugleich Folge, Ausdruck und Konstitutionsmerkmal sozialer Strukturen und Ordnungen sind und sich im Zusammenspiel von Gesellschaft, Akteur*innen sowie Materialität ergeben. Wenn wir von Medien- und Wissenschaftspraktiken in Bezug zum Studium sprechen, sind folglich keine punktuellen Handlungen gemeint, die von uns auf ihre Intentionalität und die verwendeten Werkzeuge hin befragt werden. Stattdessen gehen wir davon aus, dass sich in diesen und durch diese Praktiken im größeren Zusammenhang soziokulturell geprägte Vorstellungen, Wissensordnungen und Erfahrungen rund um Medien, Lehren, Lernen, Universität und Wissenschaft zeigen, entwickeln und etablieren, die Teil der allgemeinen Bildungserfahrung im Studium werden. Entsprechend spiegelt sich auch im für uns geläufigen Begriff der Digitalität, dass nicht primär technische Aspekte von Digitalisierung beleuchtet werden, sondern vor allem sozio-kulturelle Aneignungsprozesse in einer von Medien durchdrungenen Lebenswelt [19]. Hier schließt sich die Frage an, wie Medien- als Wissenschaftspraktiken mit Lehren und Lernen an der Universität in Verbindung stehen (können). Wir möchten so dem Umstand Rechnung tragen, dass nicht nur Lehren und Lernen, sondern auch das Forschen selbst längst durch die Kultur der Digitalität [20] bedingt sind. Dabei kann auch konstatiert werden, dass Denken und Handeln im Medium der Wissenschaft in, mit und durch Medien stattfindet [21]. Mit Rekurs auf die Werkzeug- und Raumbegriffe liegt daher nahe, zu attestieren, dass ein Großteil der Forschungspraktiken zugleich Medienpraktiken Studierender sind. Wir nutzen nun die Möglichkeit dieses Beitrags, beide Fragestellungen zu verfolgen und ausgehend von Beispielen die Auseinandersetzung darüber anzustoßen, wie Studierende ins Forschen im Modus von Online-Lehre eingeführt werden. Gerade das Fernstudium, in dem die Online-Lehre der gängige Modus von Lehre ist, (digitale) Medien seit jeher ein konstitutiver Bestandteil sind und das Lehren und Lernen über geographische Distanzen hinweg fest vorgesehen ist, eignet sich dafür besonders (vgl. [22–24]). Wir befassen uns daher in diesem Beitrag mit der Umsetzung forschenden Lernens in einem Bachelor- und Mastermodul in der Online-Lehre im Fernstudium an der FernUniversität in Hagen. Dadurch werden einerseits Wege aufgezeigt, wie eine ‚mediengestützte’ Einführung in die Wissenschaft gelingen kann (Abschnitt 5.2).

122 | J. Grüntjens et al. Andererseits rücken Wissenschaftspraktiken in und mit Medien in den Fokus (Abschnitt 5.3), ehe wir in der Zusammenschau beider Perspektiven unser Fazit zu Praktiken forschenden Lernen ziehen (Abschnitt 5.4).

5.2 Von Medien und Möglichkeiten zur ‚Einführung’ in Wissenschaft Im Folgenden soll zunächst thematisiert werden, wie sich in einer Kultur der Digitalität Möglichkeiten einer Einführung in Wissenschaft eröffnen und welche Rolle Medien dabei spielen (Abschnitt 5.2.1). Anschließend wird erläutert, wieso das Fernstudium an einer Fernuniversität einen ‚prädestinierten Fall’ darstellt, um Bildung durch Wissenschaft ebenso wie eine Einführung in Wissenschaft in dieser Kultur zu ermöglichen (Abschnitt 5.2.2). Dadurch beantworten wir zum einen, wie sich Bildungsziele der Universität mit Online-Lehre vereinbaren lassen, und wir zeigen zum anderen, wie Medien- als Wissenschaftspraktiken im Lehren und Lernen aufgegriffen werden können.

5.2.1 ‚Einführung‘ in Wissenschaft und Forschung Zunächst ist zu klären, was unter Einführung in die Wissenschaft verstanden werden kann. Sprachlich unterstellt der Begriff der „Ein-Führung“ eine Anleitung, Lenkung und/oder Zielgerichtetheit. Tatsächlich zeigt die Forschung zu Studierenden, dass das Einfinden in Wissenschaft und Studium in erster Linie selbstgesteuert stattfindet. In Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungen und Bildern von Wissenschaft [25], den Anforderungen des Studiums und sich wiederholenden Einblicken in Forschung als Teil der eigenen Bildungsumwelt, geht es für Studierende um „Selbstpositionierung im universitären Gefüge“ ([26], S. 46) und „Selbstinitiation“ ([27], S. 20), um nicht nur die eigene Rolle als Student*in zu finden, sondern sich auch akademische Praktiken anzueignen. Grundsätzlich fokussieren diese Forschungsarbeiten speziell die Studieneingangsphase, jedoch ist gerade im Hinblick auf die akademische Sozialisation von einem dynamischen Prozess auszugehen, der das ganze Studium lang andauert (weiterführend [28]). Nicht zuletzt hängt dies auch an den Dynamiken und Praktiken der Wissenschaft selbst, die dadurch gekennzeichnet sind, bestehendes Wissen und vertraute Konzepte anzuzweifeln, zu problematisieren, zu hinterfragen, zu verändern und weiterzuentwickeln [29]. Anders als solche Beiträge, die in Verbindung mit einer Einführung in die Wissenschaft den Studienbeginn assoziieren, ist unser Blick davon gekennzeichnet, dass diese Einführung als Lern- und Entwicklungsprozess das gesamte Studium lang andauert. Für Studierende besteht in der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichem

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Denken und Handeln die Herausforderung unter anderem darin, Unsicherheiten anzunehmen, Spannungsverhältnisse auszuhalten und mit dem Risiko des Scheiterns umzugehen (siehe [30, 31]). Schon auf dieser übergeordneten Ebene lässt sich die Brücke zu den Medien schlagen: So wird, wo immer auf programmatischer Ebene über mediengestütztes Lehren und Lernen eruiert wird, davon ausgegangen, dass gewissermaßen automatisch selbstgesteuerte und aktive Lernprozesse angestoßen werden [32]. Empirisch lässt sich diese Soll-Perspektive bis dato selten bestätigen [33]. Fest steht, dass Medien selbstgesteuertes Lernen zwar begünstigen können, sich diese Form von Selbststeuerung aber nicht zwangsläufig ergibt. Viel eher wird die Selbststeuerung mediengestützter Lernprozesse durch das Zusammenspiel von Lernumgebung, -material, -medien, Bildungsinhalten, strukturellen Rahmenbedingungen sowie Akteur*innen bedingt (z. B. Lernende und Lehrende; [34]). Wissenschaft als solche bietet hier einen von Offenheit und Kontingenz geprägten Bildungskontext, auf den sich Forschende, Lernende und Lehrende einlassen, und dem es mit Neugierde, Kreativität und schöpferischem Denken aktiv und selbstständig zu begegnen gilt [35] – und zwar in, durch und mit Medien. In Verbindung mit Forschungsorientierung kommt dann die Vielschichtigkeit von Medienhandeln zum Tragen: Wenn Medien Teil von Forschungs- und Erkenntnisprozessen sind, sind sie gleichermaßen Teil einer reflektierten, selbstkritischen und entwicklungsorientierten Auseinandersetzung mit den eigenen Praktiken und dem dafür verwendeten ‚Handwerkszeug’. Zur Einordnung der nachfolgend exemplarisch erläuterten Möglichkeiten zur Einführung in Wissenschaft durch, mit und in Medien soll im Folgenden der Kontext der beiden Lehrveranstaltungen erläutert werden, aus denen die angeführten Beispiele der FernUniversität in Hagen stammen. Im darauf folgenden Abschnitt 5.3 argumentieren wir dann ausgehend von Praktiken und zeigen, wie Forschungspraktiken als Medienpraktiken in dieser (forschungsorientierten) Lehre sichtbar werden und – mit dem Blick didaktischer Planung – eingebunden werden.

5.2.2 Blicke auf zwei Beispiele Während unter Pandemie-Bedingungen vielerorts Hochschulen zu Fernhochschulen wurden, verfolgt die FernUniversität in Hagen bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1974 ein Konzept von Fernlehre. Dieses sah zunächst vor, mithilfe sogenannter Studientexte in Facetten von Fächern und Fachbereichen einzuführen und Studierenden auf diese Weise auch ein Bild von Universität zu vermitteln [36]. Knapp 50 Jahre nach der Gründung der FernUniversität hat auch diese sich weiterentwickelt: So ergänzen heute LMS die tradierten Studientexte und immer öfter wird der Einsatz weiterer Medien wie Videos erprobt. Zudem zeichnet sich über die Jahrzehnte ein didaktischer Dreischritt in der Vermittlung von Online-Lehrinhalten ab.

124 | J. Grüntjens et al. Das Fernstudium scheint für die Einführung in Wissenschaft (in der Online-Lehre) innerhalb einer Kultur der Digitalität und Reflexion von Wissenschaftspraktiken als Medienpraktiken, wie folgende Ausführungen deutlich machen, besonders geeignet. Im Anschluss an gängige Definitionen zeichnet sich Fernstudium durch formales Lehren und Lernen aus, das überwiegend zeit- und ortsunabhängig von Universität und/oder Hochschule erfolgt. Es zeichnet sich ebenso dadurch aus, dass Fernlehrende und Fernstudierende (fast) ohne face-to-face-Kontakt in Verbindung stehen. Aufgrund des weitgehenden Verzichtes auf Präsenzzeiten und -veranstaltungen vor Ort ist für das Fernstudium außerdem eine medienvermittelte Lehre nicht nur charakteristisch – sie ist geradezu nötig. Dies bedeutet, dass Fernstudium per se in, mit und durch digitale Medien stattfindet, z. B. indem die Vermittlung von Lehr- bzw. Studieninhalten über Lernplattformen erfolgt und weitere unterstützende, anleitende und betreuende Maßnahmen der Lehrenden überwiegend medienvermittelt stattfinden. Anders als eine sogenannte Präsenzuniversität ist eine Fernuniversität davon gekennzeichnet, dass durch den (häufig asynchronen) Einsatz von (Fernlehr-)Medien eine weitgehend individuelle Lern- und Zeiteinteilung von formalen Organisationsstrukturen, z. B. Semesterzeiten und Prüfungsterminen, möglich wird (vgl. [37–40]). Anschließend an diese Merkmale und die von Medien(-entwicklungen) beeinflusste Geschichte des Fernstudiums kann von einer starken Verbreitung der OnlineLehre als primärer Modus der Lehre im Fernstudium ausgegangen werden. Blicken wir auf das Fernstudium, ist dies ausgehend vom Korrespondenzstudium im 19. Jahrhundert – von Beginn an mit aktuellen technologischen Entwicklungen verknüpft. Informations- und Kommunikationstechnologien werden als fester und konstitutiver Bestandteil des Fernstudiums eingesetzt, um Interaktion und Kommunikation, aber auch das Lehren und Lernen im Fernstudium selbst zu ‚verbessern‘, gestalten oder zu ermöglichen [24]. Fernstudium, -lehre und -lernen kann von der Anmeldung bis zur Prüfung also vollständig online erfolgen [40]. In einem engen Zusammenhang mit dem Fernstudium ist daher auch der Einsatz digitaler Medien, aber auch die in der Pandemie beliebter werdende Online-Lehre zu sehen: Obschon diese im deutschen Hochschulkontext eher im berufsbegleitenden und weiterbildenden Studium sowie im Fernstudium verbreitet ist (siehe auch [41]), scheint sich ihre Nutzung, Beliebtheit und Akzeptanz durch die pandemiebedingten Umgestaltungen der Hochschullehre zu verändern (z. B. [42]). So nähern sich Präsenz- und Online-Lehre ebenso wie Präsenz- und Fernstudium an. Festzuhalten ist in Bezug auf die Online-Lehre und das Fernstudium, dass erstere als aktuelles Lehrformat des Fernstudiums betrachtet werden kann und ein besonderes Merkmal des Studiums an Fernuniversitäten ist. Mitunter werden beide Begriffe auch synonym verwendet [43], um – gerade auch im ‚Begriffsdurcheinander‘ der Pandemie (vgl. [44, 45]) – die formale Lehre an Hochschulen ohne face-to-face Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden zu beschreiben, die (vollständig) in, mit und durch digitale Medien stattfindet. Unser Blick richtet sich nun auf die beiden erziehungswissenschaftlichen Studiengänge der FernUniversität in Hagen, die aufgrund ihrer interdisziplinären Ausrich-

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tung Bildungswissenschaft (Bachelor of Arts) sowie ‚eEducation: Bildung und Medien’ (Master of Arts) heißen, im Kern aber im Fach Erziehungswissenschaft verankert sind. Wie eingangs beschrieben, reflektieren und erörtern wir Beispiele aus je einem Bachelor- und Mastermodul in der Online-Lehre im Fernstudium an der FernUniversität Hagen. Das Bachelormodul ist inhaltlich mit dem Thema „Allgemeine Didaktik und Mediendidaktik“ überschrieben. Es findet sich in der Mitte des Studiums Bildungswissenschaft wieder, sodass Fernstudierende bereits Grundlegungen des Studiums kennengelernt haben, sich aber erstmals mit Aspekten von (Medien-)Didaktik befassen. Ziel der Lehrveranstaltung ist zum einen, dass Studierende grundlegende Kenntnisse über Theorien und Ansätze der Allgemeinen Didaktik, Mediendidaktik und Lehrforschung erwerben. Zum anderen werden sie zu Beginn des Semesters in das forschende Lernen eingeführt und sollen sich forschungsorientiert – eine kritisch forschende Haltung einnehmend – durch die auf der Lernplattform Moodle bereitgestellten Modulinhalte in Form von z. B. Studienbriefen, Videos und Literaturhinweisen bewegen sowie diese weiter recherchieren und weiterdenken. Das Semester ist so getaktet, dass im Wochenrhythmus abwechselnd entweder inhaltliche Blöcke, die ein Themenfeld der Didaktik oder Mediendidaktik aufgreifen, oder das „Studentische Forschen“ im Sinne eines Übens der ersten Schritte des Forschungsprozesses im Fokus stehen. Dies umfasst 1.) die Formulierung einer selbstgewählten mediendidaktischen Forschungsfrage, 2.) die Recherche von zur Forschungsfrage passender Literatur und 3.) einen knappen Entwurf des Forschungsstandes und die Gliederung für eine zur Forschungsfrage und zum Forschungsstand passenden wissenschaftlichen Arbeit. Trotz der Abwechslung von inhaltlichen Schwerpunktthemen der Didaktik und Mediendidaktik mit Anregung bzw. Einführung ins studentische Forschen sind diese ‚Blöcke’ eng miteinander verbunden und aufeinander bezogen. Die Studierenden können sich auch unabhängig von der vorgeschlagenen Semestertaktung in ihrem eigenen Rhythmus durch das Modul bewegen und die Lehre findet weitgehend asynchron statt. Zur Kommunikation mit den Lehrenden sowie Kommiliton*innen sind entsprechende Foren in Moodle vorgesehen. Das Semester wird gerahmt durch drei (im Sinne des Fernstudiums unverbindliche) synchrone Online-Veranstaltungen. In der Hausarbeit sollen die Studierenden anknüpfend an die Forschungsschritte, die sie im Semester absolviert haben, und die Inhalte des Moduls zu einem vorgegebenen thematischen Rahmen selbstständig eine Forschungsfrage entwickeln und diese unter Hinzuziehung empirischer und theoretischer Literatur beantworten. Im Mastermodul „Lehren und Lernen in der digitalen Gesellschaft“ beschäftigen sich die Studierenden mit aktuellen Fragestellungen, die das Handeln in (non) formalen Bildungskontexten unter Bedingungen der Digitalität betreffen. Medien werden aus technologischer, gesellschaftlicher und didaktischer Perspektive gleichermaßen beleuchtet. Um dem forschungsorientierten Ansatz gerecht zu werden, wählen die Studierenden sich einen Bildungskontext aus, mit dem sie sich näher beschäftigen möchten, und formulieren passend zu persönlichen Interessen und Schwerpunk-

126 | J. Grüntjens et al. ten eine eigene Forschungsfrage, mit der sie sich im weiteren Semester befassen. Auf Basis dieser Forschungsfrage erarbeiten sich Studierende durch umfassende wissenschaftliche Datenbankrecherche einen aktuellen Forschungsstand, der in Form eines systematischen Literaturreviews aufgearbeitet und verschriftlicht wird. Die Erarbeitung einer eigenen wissenschaftlichen Arbeit wird über das Semester hinweg in intensiver Forenarbeit von den Modulbetreuenden begleitet. Wie das Bachelormodul findet die Lehrveranstaltung, abgesehen von drei optionalen synchronen OnlineVeranstaltungen, asynchron statt und bietet Studierenden jegliche Flexibilität in der freien Planung und orts- sowie zeitunabhängigen Gestaltung ihres Studiums. Die skizzierten Module werden beide von uns betreut, finden sich allerdings an unterschiedlichen Stellen im Studium wieder und fokussieren in Bachelor und Master unterschiedliche Inhalte. Entsprechend soll die besondere Bedingtheit und Durchzogenheit des Studiums an der FernUniversität durch Medien(-praktiken) – auch schon vor der Pandemie – zum Anlass genommen werden, um zu reflektieren, welche Möglichkeiten Online-Lehre generell bietet, um in Wissenschaftspraktiken als Medienpraktiken einzuführen. Hinzu kommt, dass auch das Fernstudium bzw. jede pandemiebedingte und zukünftige Fernlehre im Hochschulkontext nach dem bereits angesprochenen Ideal des universitären Studiums der Bildung durch Wissenschaft, im Kontrast zu Schule und Berufsausbildung, auf die Heranführung der Studierenden an Wissenschaft und das Lernen durch eigene (forschende) Erkenntnisprozesse ausgerichtet ist und sein sollte [46]. Dies schließt aktuelle digitalitätsbedingte Wissenschaftspraktiken ein, wie in Abschnitt 5.3 zu zeigen ist.

5.3 Von Wissenschaftspraktiken in und mit Medien Da beide zuvor beschriebenen Module dem Credo forschenden Lernens folgen, ist folgerichtig, weniger nach einzelnen Gestaltungsaspekten der jeweiligen Lehrveranstaltung oder auch des konkreten Medieneinsatzes zu schauen, sondern vielmehr danach, welche Praktiken infolge der Forschungsorientierung bei Studierenden in diesen (Online-)Lehrveranstaltungen in Gang gesetzt werden können. Diese werden nun mit Fokus auf die exemplarisch herausgegriffenen Wissenschaftspraktiken des Organisierens (Abschnitt 5.3.1), des Recherchierens (Abschnitt 5.3.2), des Reflektierens (Abschnitt 5.3.3) und des Vernetzens (Abschnitt 5.3.4) in den Blick genommen.

5.3.1 Organisieren Forschen beinhaltet Praktiken des Organisierens auf unterschiedlichen Ebenen: Zum einen geht es um die Selbstorganisation des eigenen Arbeitshandelns, zum anderen um die Organisation von (inter-/trans-)disziplinärer Kooperation im Kontext von Projektarbeit [47]. Beide Ebenen adressieren Studierende dahingehend, die Anforderung

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auszuhalten, dass sich Forschung nur begrenzt planen und organisieren lässt, sie also immer mit Veränderungen, Ungewissheiten und Überraschungen im Forschungsprozess rechnen müssen. Rückschritte, Sackgassen und neue Abzweigungen im Prozess müssen daher sowohl in der Lehre als auch beim Lernen eingeplant werden. Jenseits der Organisation des eigenen Arbeitsprozesses geht es darum, das Wissen und Denken selbst so zu strukturieren, dass Studierende auf Ergebnisse hinarbeiten können. Hier spielen Medien eine zunehmend größere Rolle, da in Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulationsprogrammen, QDA- und Statistik-Software sowie in Literaturverwaltungsprogrammen iterative und dynamische Denk-, Wissens- und Arbeitsprozesse einfach und systematisch abgebildet werden. Auch Studierende müssen nicht nur ihr Studium fortlaufend organisieren, sondern stehen bei curricular verankerten Forschungsvorhaben, sei es im Rahmen von Abschlussarbeiten oder anderen Forschungsprojekten, vor der Herausforderung, ihren Forschungsprozess zu planen, zu strukturieren und zu organisieren. Dazu gehört unter anderem die Vergegenwärtigung der persönlichen und institutionellen Rahmenbedingungen sowie der einzelnen und nächsten Schritte im Forschungsprozess, welche wiederum abhängig von Forschungsform, -gegenstand und -methoden sind ([48]). Forschen mit Medien bedeutet hier zugleich die Chance und Herausforderung, Forschung so zu erfahren, wie sie in der Wissenschaft tatsächlich tagtäglich stattfindet: So zeigen die Erfahrungen im Bachelor- und Mastermodul an der FernUniversität in Hagen, dass die mediengestützte und weitgehend asynchrone Gestaltung sowie die dadurch entstehende Zeit- und Ortsunabhängigkeit einen vor allem geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsprozess authentischer2 abbildet als ein Lehrformat mit festen Präsenzterminen. Über die Zusammenarbeit, Kommunikation, Aufgabenstellung ebenso wie die Materialorganisation im LMS gelingt es, Studierende anstelle von punktuellen Begegnungen auf dem gesamten Weg zu begleiten. Damit wird anerkannt, dass Forschen bisweilen auch das „stille Kämmerlein“ braucht, Studierende aber, abgestimmt auf ihr eigenes Forschungsvorgehen, selbst entscheiden können und sollen, wie und wann sie die Angebote, Kommunikationskanäle und Materialien auf ihrem Weg einbeziehen. Ohne die Einbindung von digitalen Medien und die dadurch möglich gewordene Flexibilität ist das „stille Kämmerlein“ in gewisser Weise vorstrukturiert und beginnt zwangsläufig da, wo die ‚Präsenz’ aufhört. Dies entspricht der Dynamik und Vielfalt von Forschungsprozessen, der Vorstellung des selbstgesteuerten Lernens sowie den heterogenen Bedürfnissen der Studierenden nur begrenzt. Organisieren spielt im Bachelormodul „Allgemeine Didaktik und Mediendidaktik“ an der FernUniversität in Hagen aufgrund dieser Umstände eine zentrale Rolle. 2 Inwieweit dies auch für andere Forschungsformen gilt, von denen es vielfältige gibt (z. B. [79]), können wir auf Grundlage unserer Erfahrungen nicht beurteilen. Gerade bei Experimenten, die z. B. für die naturwissenschaftliche Forschung unverzichtbar sind [78] und in dem das Labor als Präsenzort eine wichtige Rolle spielt, könnten diese potenziell anders ausfallen.

128 | J. Grüntjens et al. Studierende werden sukzessive an Forschung (unter anderem die Formulierung einer Forschungsfrage, Recherche von Literatur, Aufstellung einer Gliederung) herangeführt und können angebotene Reflexionsaufgaben bearbeiten oder auch an PeerReview-Aufgaben teilnehmen. Allerdings ist – wie im Mastermodul – der zeitliche Rahmen für die Prüfungsleistung vorgegeben. Da es sich in den meisten Fällen um die erste Hausarbeit handelt, wird ein grober thematischer Rahmen bestimmt, die Arbeit verfassen Studierende aber zu einer selbstgewählten mediendidaktischen Fragestellung. Wir strukturieren diesen Prozess, indem Studierende sich für einen von drei Artikeln entscheiden, an den sie inhaltlich anknüpfen und der einen formalen Lern-/Bildungskontext (Schule, Hochschule oder Erwachsenen-/Weiterbildung) repräsentiert. Darüber hinaus organisieren Studierende ihren Forschungsprozess selbstständig. Sie werden dazu angehalten, über das zur Verfügung gestellte Material hinaus zu recherchieren und den verschiedenen (medien-)didaktischen Themen weiter nachzugehen. Dass es für Studierende noch ungewohnt ist, diese selbstständige forschende Arbeitsweise, Organisation des (Lern- und) Forschungsprozesses und Unsicherheit als Teil dieses Prozesses ‚auszuhalten‘, zeigt sich in den häufigen Fragen nach Musterlösungen und -beispielen. So werden die Studierenden schon im Bachelor in wichtige zum Forschungsprozess gehörige Praktiken, wie das Organisieren, eingeführt. Ähnliches gilt für das Mastermodul „Lehren und Lernen in der digitalen Gesellschaft“. Zeitlich festgelegt sind im Modul nur die Anmelde- und Abgabezeiträume der Prüfungsleistung (systematisches Literaturreview auf Basis einer eigenen Forschungsfrage). Dadurch haben Studierende die Möglichkeit, ihren Forschungsprozess in Zeit und Umfang selbst zu gestalten und, wann immer notwendig, auf die Betreuung im Forum, die Lernmaterialien und Orientierungsangebote in der Moodle-Lernumgebung zurückzugreifen. Wir beobachten diesbezüglich, dass die Studierenden sich die Flexibilität in der Gestaltung und Organisation zu Eigen machen und diese auch positiv bewerten. So beschäftigen sich einige Studierende entlang des gesamten Semesters kontinuierlich mit ihrer Forschungsfrage und ihrer Literaturrecherche, wohingegen andere eine konzentrierte, geblockte Arbeitsphase am Ende des Semesters favorisieren. Für die die weniger erfahrenen Masterstudierenden, findet sich auf Moodle eine Beispiel-Semesterstruktur, die die wichtigsten Arbeitsschritte im Wochentakt abbildet und ihnen zur Orientierung dient. Der Großteil der Studierenden folgt jedoch einer eigenen Arbeitsstruktur und -organisation. So bietet die Gestaltung des Moduls die Möglichkeit, Selbstorganisation als elementaren Teil des Forschungsprozesses zu erfahren und dahingehend dazu zu lernen.

5.3.2 Recherchieren Jede Form des wissenschaftlichen Arbeitens sowie jeder Forschungszyklus setzt die Recherche von Literatur voraus: Das Recherchieren hat damit unter den Wissenschaftspraktiken einen hohen Stellenwert und stellt in gewisser Weise die Verbin-

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dung des eigenen Denkens von Forschenden mit der ‚Welt der Wissenschaft’ und dem darin bestehenden Wissen sicher. Zu Einführungen in die Wissenschaft und zu Konzepten forschenden Lernens, bei dem Schritte des Forschungsprozesses ‚eingeübt’ werden [6], sollte demnach die Förderung der Fähigkeiten von Studierenden zur (Literatur-)Recherche gehören, die in Studium und Forschung zumeist online in entsprechenden (Fach-)Datenbanken und Bibliothekskatalogen stattfindet. Besonders deutlich wird die Verschränkung von Medien- und Wissenschaftspraktiken des Recherchierens bei einer systematischen Literaturschau oder jüngst der Forschungsmethode des systematische Literaturreviews. Ziel dieser Methode ist es, durch die systematische und regelgeleitete Recherche und Sichtung von wissenschaftlicher Literatur einen Überblick über den Forschungsstand zu bekommen (siehe auch [49, 50]). Zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit, Aktualisierbarkeit und Transparenz der Recherche beim systematischen Literaturreview gehört es, die Suchstrategie, welche die Dokumentation der verwendeten bibliographischen Datenbanken, Suchmaschinen und Suchbegriffen beinhaltet, zu explizieren [49]. In gewisser Weise ist diese Vorgehensweise daher als Versuch zu verstehen, Praktiken, die sonst in der Verschriftlichung von Forschungsergebnissen nicht mehr oder nur noch in Ansätzen sichtbar werden, transparent zu machen. Gerade das Vorgehen bei der Recherche, d. h. alle bewussten Entscheidungen hinsichtlich Ein- und Ausschlusskriterien sowie Suchbegriffen und Datenbanken, bleibt üblicherweise, fernab derjenigen Quellen, die es in das finale Manuskript schaffen, für Außenstehende unsichtbar. Auch wenn Überlegungen und Ideen dazu, auf welche Weise Literatur recherchiert wird und systematisch untersucht werden kann, bereits länger zurück liegen, ist die Methode des systematischen Literaturreviews, die besonders stark in der medizinischen Forschung vorangetrieben wurde, noch recht jung (bspw. [50, 51]). Begünstigt wurde ihre Verbreitung bzw. wird ihre Umsetzung sicher auch durch die sich über seit Jahrzehnten entwickelnden technologischen Möglichkeiten in der (Online-)Recherche, zu denen Verfahren von Text Mining, Citation Chasing oder der automatisierte Ausschluss von Duplikaten durch datenbankübergreifende Suchmaschinen gehören [49]. Dass eine Online-Literaturrecherche Vorteile für die Arbeit von Forschenden darstellt, ist nicht neu. So wird schon in den 1980er Jahren davon berichtet, dass jene einen schnellen, einfachen und datenbankübergreifenden Zugang zu aktueller Literatur ermöglicht [52]. Gegenwärtig erscheinende Publikationen werden in der Regel unmittelbar in Datenbanken aufgenommen bzw. sind online auffindbar und der Bestand einer (Hochschul-)Bibliothek ist online durchsuchbar. Dies führt dazu, dass noch vor vierzig Jahren formulierte Nachteile der Online-Recherche, z. B. dass nicht alle Literatur online abrufbar sei [52], weitgehend aufgelöst sind. Außerdem hat die Vermehrung von Open-Access-Journals, die steigende Online-Verfügbarkeit von Forschungsdaten und Literatur in den letzten Jahren zur Flexibilisierung, Beschleunigung und Er-

130 | J. Grüntjens et al. weiterung von Literatur-, Informations- und Datenrecherchemöglichkeiten beigetragen [53]. Lehrende, Forschende und (forschende) Studierende müssen entsprechend fähig sein, in Online-Datenbanken zu recherchieren und für ihre Forschungsvorhaben und Studium passende Literatur (oder Forschungsdaten) zu finden. Diese Notwendigkeit ist durch die Covid-19-Pandemie verstärkt worden. Während der Pandemie wurden nicht nur die Hochschulen, sondern auch die dazugehörigen Bibliotheken geschlossen. Auch Ausleihbetriebe vor Ort wurden eingeschränkt oder kamen vollkommen zum Erliegen (z. B. [54, 55]). Damit standen vor allem Studierende, die an Prüfungsphasen oder Abgabefristen von Haus- oder Qualifizierungsarbeiten gebunden waren, vor einer großen Herausforderung. Dies führte dazu, dass Universitätsbibliotheken ihr E-Book-Angebot ergänzt und neue Lizenzverträge mit Fachdatenbanken bzw. Verlagen abgeschlossen bzw. bereits vorhandene erweitert haben, um Studierenden von zuhause aus den Zugang zu E-Medien zu ermöglichen (z. B. [54, 56]). Diese Erweiterung bzw. Verstärkung des digitalen Angebotes der Bibliotheken hat dazu geführt, dass nicht nur die Literaturrecherche, sondern auch die -einsicht größtenteils online von zuhause aus stattfinden konnte. Dadurch ist nicht nur die Recherche, sondern auch die Lektüre und Arbeit mit Literatur entsprechend der Zeit- und Ortsunabhängigkeit digitaler Medien flexibler und unabhängiger von strukturellen Rahmenbedingungen wie Bibliotheksöffnungszeiten oder Stückzahlen gedruckter Werke geworden. Entsprechend konnten und können Studierende ihren Lern- und Forschungsprozess freier und unabhängiger selbst organisieren. In der Online-Lehre im Fernstudium ist es Studierenden, z. B. aufgrund einer geografischen Distanz oder eben aufgrund pandemiebedingter Schließung, nicht immer möglich, die Universitätsbibliothek und/oder die regionalen Dependancen aufzusuchen. Fähigkeiten zur Online-Recherche und Online-Literaturnutzung gewinnen demnach an Bedeutung, welche anlässlich einer seit Jahrzehnten zunehmenden Digitalisierung der Forschung [21] für die wissenschaftliche (Forschungs-)Praxis oder entsprechende Methoden wie das systematische Literaturreview ohnehin essenziell sind. Ohne zu wissen, wie sie online auf Literatur zugreifen bzw. diese finden können, ist für Studierende ein Studium, welches auf der Einheit von Bildung und Wissenschaft beruht, nicht möglich. Um Studierende in der Online-Lehre in die onlinebasierte Recherche und Arbeit mit Literatur einzuführen und ihre diesbezüglichen Fähigkeiten zu fördern, wurden in den von uns betreuten mediendidaktischen Modulen an der FernUniversität in Hagen verschiedene Ansätze gewählt. Im Bachelormodul, in denen die Studierenden im Zuge eines Konzeptes des forschenden Lernens die ersten Schritte eines Forschungsprozesses durchlaufen, ‚üben’ sie die Recherche von passender Literatur zu einer von ihnen eigenständig formulierten mediendidaktischen Forschungsfrage. In diesem Zuge erhalten die Studierenden über eine entsprechend eingerichtete Umgebung im LMS zentrale Informationen und

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Hinweise zur Literaturrecherche. Dazu gehören Verweise auf den Katalog der Universitätsbibliothek, zentrale Fachdatenbanken, fachübergreifende Datenbanken und Kataloge, Tipps zur Unterscheidung von Primär-, Sekundär- und Tertiärquellen, Recherchestrategien wie das Schneeballsystem oder die Nutzung von Operatoren. Außerdem werden Handbücher zum wissenschaftlichen Arbeiten empfohlen. Die Befassung mit den Hinweisen mündet in der Aufgabe, mindestens drei Quellen zu den Aufgaben mindestens drei Quellen zu ihrer Forschungsfrage zu recherchieren und sich mit ihren Kommiliton*innen über Schwierigkeiten und Strategien bei der Recherche über ein Forum auszutauschen. Darüber hinaus bekommen bekommen Studierende die Möglichkeit, ihre Recherche bzw. ihren Forschungsprozess eigenständig zu beginnen und in diesem Sinne selbst zu steuern. Sie werden unterstützt, können jedoch in ihrem eigenen Tempo, unabhängig von gemeinsamen Vorlesungen oder Seminaren vorgehen und ihren Rechercheprozess im Austausch mit ihren Peers reflektieren. Hinzu kommt, dass sie durch die Verlinkungen von Bibliothekskatalogen und Recherchedatenbanken bereits unmittelbar in die Online-Recherche starten können. Im Mastermodul werden ebenfalls die Recherchefähigkeiten der Studierenden gefördert, die aus einem vorangegangenen Bachelorstudium zwar vorhanden sein sollten, im Hinblick auf die Heterogenität der Fernstudierenden, was auch die vorausgegangenen Bildungswege betrifft, nicht vorausgesetzt werden können. Die Studierenden fertigen als Prüfungsleistung ein systematisches Literaturreview an, das einleitend in diesen Abschnitt bereits als eine forschungsmethodische Option in die Praktik des Recherchierens einzuführen, dargestellt wurde. Indem die Studierenden die Methode des systematischen Literaturreviews kennenlernen und selbstständig durchführen, erfahren sie, wie sie für die Beantwortung einer Forschungsfrage relevante Literatur explizit, regelgeleitet, intersubjektiv nachvollziehbar und aktualisierbar auffinden und heranziehen können (vgl. [50, 51, 57]). Beim systematischen Literaturreview können gängige wissenschaftliche Praktiken wie die Recherche von Literatur betont und durch das systematische Vorgehen über- und ineinandergreifende Online-Recherchen in ihrer heutigen Reichweite weiter expliziert werden. Durch die Beschäftigung bzw. den notwendigen Einsatz verschiedener Operatoren und durch die Nutzung unterschiedlicher Online-Datenbanken werden von Studierenden ganz selbstverständlich Mediennutzung und Forschungspraxis verbunden. Zudem bietet die methodisch geleitete Herangehensweise die Möglichkeit, sich der Schritte im Forschungsprozess bewusst zu werden. Studierende befassen sich so dezidiert(er) mit ihren Entscheidungen im Forschungsprozess und reflektieren ihr Vorgehen. Dass Reflektieren generell eine Rolle im Zusammenhang mit Wissenschaftspraktiken spielt, zeigt auch das nachfolgende Unterkapitel.

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5.3.3 Reflektieren Reflexion ist ein entscheidender Teil von Wissenschaft und Forschung und gehört zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwingend ‚dazu’. Grundsätzlich kann das Reflektieren als eine Vorbedingung für andere wissenschaftliche Praktiken angesehen werden: Wer bestehendes Wissen unsicher macht, zweifelt, hinterfragt, verändert und entwickelt. All dies basiert auf einer andauernden Reflexion des eigenen Vorgehens und des Vorgehens anderer Forschender. Nur durch Reflexion wird aus Forschungsarbeit ein Lern- und Entwicklungsprozess. Es ist daher naheliegend, dass (gemeinsames) Reflektieren in der Lehre die Möglichkeit bietet, Lernende bzw. Lernender und Forschende bzw. Forschender gleichzeitig zu sein. Gerade im konstruktivistischen Paradigma wird von „Subjektivität als Erkenntnischarakteristik für wissenschaftliches Wissen und Denken“ (siehe [58], Abs. 1) ausgegangen. Reflexion, Diskussion und Dokumentation sorgen für Transparenz auf diesem Erkenntnisweg und eröffnen Anschlussmöglichkeiten für den Diskurs unter Forschenden, indem Nachvollziehbarkeit von Prozessen und Ergebnissen geschaffen wird. Die Notwendigkeit des Reflektierens ist dabei nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu sehen: Denn, wer auf Reflexion verzichtet, „verschenk[t] Informationen“, die „ein dezentriert-reflexiver Blick“ auf die eigene „Beteiligung, Rolle, Beziehung, Reaktionsmuster, Einflussnahme auf Untersuchungspartner/innen und Untersuchungsfeld […] ermöglichen könnte“ (siehe [58], Abs. 23). Reflexion begleitet den gesamten Forschungsprozess – vom Finden des Forschungsthemas/der Forschungsfrage bis hin zum Nachdenken über die Forschungsergebnisse – und bezieht alle Aspekte und Ebenen von Forschung mit ein: die Forschende bzw. den Forschenden selbst, die Forschungscommunity, den Forschungsgegenstand sowie das Forschungsfeld, „das wissenschaftliche Arbeitsprodukt“ (z. B. den Forschungsbericht) sowie die Rezipient*innen von Forschung (siehe [58], Abs. 32). So ist Reflexion auch beim forschenden Lernen als Einführung in Forschung ein zentraler Aspekt [59]. Dies wird bei der Betrachtung der gängigen Definition forschenden Lernens von Ludwig Huber deutlich. Nach dieser Definition zeichnet sich forschendes Lernen dadurch aus, dass die „Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens […] in seinen wesentlichen Phasen […] in selbstständiger Arbeit oder aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt (mit)gestalten, erfahren und reflektieren“ ([60], S. 63). In der Forschungspraxis werden Reflexionen – außerhalb entsprechender Kapitel und Bemerkungen in Forschungsberichten oder -arbeiten – von Wissenschaftler*innen seit Mitte der 2000er Jahre z. B. über persönliche Weblogs sichtbar. In diesen berichten diese, nach Forschungsergebnissen von Schulmeister [61] in einer eher monologischen Form von ihrer eigenen Forschung. Folglich werden Einblicke in ihr Denken und ihre Arbeitspraxis möglich [62]. Heute kann auch der Podcast, als vergleichsweise junges Medienformat und -phänomen dessen Nutzung in den letzten fünf Jahren, gerade in Deutschland rasant

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angestiegen ist (siehe [63]), als ein Reflexionsmedium betrachtet werden. Wissenschaftler*innen bieten in ihren eigenen Podcasts oder auch als Gäste in den Podcasts von Wissenschaftler*innen informelle Einblicke in ihre Forschung.3 Podcasts sind damit als Ergänzung zu Forschungsberichten und -arbeiten zu sehen, in denen die Menschen ‚hinter der Forschung‘ unsichtbar bleiben. Am Beispiel von Weblogs und Podcast wird daher deutlich, dass Wissenschaftspraktiken wie die Reflexion eigener Forschung in Verbindung mit Medienpraktiken und mit technologischen Entwicklungen stehen können. Um Eindrücke und Reflexionen dauerhaft festzuhalten und sich darüber austauschen zu können, ist die Verschriftlichung von Erkenntnis- und Lernprozessen naheliegend. Dazu eignen sich z. B. Lerntagebücher, Portfolios, die schon angesprochenen Webblogs und/oder Zwischenberichte (siehe hierzu auch [64, 65]). Gerade E-Portfolios sind seit mehreren Jahren Gegenstand der Hochschulforschung (z. B. [66, 67]) und sie werden in der Hochschullehre eingesetzt, um die Selbstreflexion(-sfähigkeit) in Forschung und Lehre zu unterstützen [68]. Forschungsergebnisse dazu, wie E-Portfolios erfol greich im Studium genutzt werden können, stellt Himpsl-Gutermann [69] in der fallbezogenen Analyse von E-Portfolios im weiterbildenden Master-Studiengang eEducation an der Donau-Universität Krems heraus. In allen Fällen findet Reflexion nicht beiläufig statt, sondern unabhängig vom genutzten Medium wird deutlich, dass es entsprechende Anlässe braucht, damit Studierende zur Reflexion angeregt werden (vgl. [65, 6]). Auch im Masterstudiengang „Bildung und Medien: eEducation“ wird die Methode des E-Portfolios als Grundlage für Reflexion und somit gewissermaßen als roter Faden durch das Studium genutzt. Speziell in dem von uns betreuten Mastermodul, das die Studierenden in der Regel als erstes im Studienverlauf besuchen, gilt es, das E-Portfolio in seiner Funktion als Lerntagebuch einzuführen und auf die Wichtigkeit von Reflexion für Lernprozesse, aber auch für späteres beruflich-professionelles Handeln hinzuweisen. Über die Plattform Mahara ist das E-Portfolio von Studierenden direkt mit der Moodle-Lernplattform verknüpft. In der Gestaltung ihres Lerntagebuchs haben die Studierenden darüber hinaus alle Freiheiten und sie entscheiden selbst, wann und wie sie den eigenen Lern- und Forschungsprozess dort reflektieren. Zur Orientierung und um im Semesterverlauf die Wichtigkeit der kritischen und reflektierten Auseinandersetzung mit den Lerninhalten und dem eigenen Vorgehen immer wieder zu unterstreichen, finden die Masterstudierenden auf Moodle sogenannte Reflexionsfragen für das Lerntagebuch: Was ist Ihre Vorstellung von Forschung und Wissenschaft? Wie passt die im Online-Semesterapparat bereit gestellte Literatur zu Ihren eigenen Forschungsinteressen? Was haben Sie während der Literaturrecherche gelernt? Die Reflexion des eigenen E-Portfolios ist schließlich Teil der mündlichen Prüfung, die das gesamte Masterstudium rahmt. 3 Z. B. https://wissenschaftspodcasts.de/podcasts/ (13.12.2021).

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5.3.4 Vernetzen Nicht nur Reflexionen von Wissenschaftler*innen können in einer Kultur der Digitalität durch digitale Medien sichtbar(er) werden, sie tragen auch zum Aufbau und zur Pflege beruflicher Netzwerke bei. Wissenschaftler*innen, Forschungsprojektgruppen und Institutionen nutzen beispielsweise auch Microblogs wie Twitter, um auf ihre Forschung, Veranstaltungen oder Veröffentlichungen aufmerksam zu machen oder sie verwenden diese z. B. für Diskussionen mit Kolleg*innen vor, während oder nach Konferenzen [70]. Dass sich Forschende zu Netzwerken zusammenschließen, ist nicht verwunderlich, Forschung und somit auch forschendes Lernen sind ein sozialer Prozess und Ereignis [53]. Denn Forschung findet innerhalb einer wissenschaftlichen Gemeinschaft statt. Beim Forschen sowie beim forschenden Lernen, als Einführung in Forschung und in die Gemeinschaft der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, geht es darum, nicht nur das eigene Wissen zu erweitern, sondern auch in und für die Community neue Erkenntnisse zu erarbeiten (siehe auch [6, 4]). Sozial-konstruktivistisch inspiriert, erfolgt auch forschendes Lernen dadurch, dass Wissen selbstständig, aktiv aneignend erarbeitet und kritisch reflektiert wird (vgl. [71, 60]). Zugleich wird Wissen und Können beim forschenden Lernen vor allem in ergebnisoffenen, komplex gestalteten Lernsituationen anhand praktischer, situierter und authentischer Probleme in multiplen Kontexten und sozialen Zusammenhängen erlernt bzw. erworben (bspw. [60, 72, 73, 13]). So wird beim forschenden Lernen nicht selten die Sozialform der Gruppenarbeit gewählt, um neben der Förderung von Sozialkompetenzen durch die Aushandlung und das Aufeinandertreffen verschiedener Meinungen und Perspektiven unter anderem für Forschung essenzielle reflexive Momente und gewissermaßen ein Umformen und -denken anzustoßen. Gerade in der qualitativen Forschung gelten die Analyse und Interpretation von Forschungsdaten durch mehrere Personen bzw. in Interpretationsgruppen auch als Gütekriterium ([74], S. 326). Doch wie können sich Studierende in der Online-Lehre vernetzen, ohne face-toface Kontakt zu haben und auf geteilte Präsenz mit ihren Kommiliton*innen oder Lehrenden, die als Teil ihrer Forschungs-Community betrachtet werden können, zurückzugreifen? In der Online-Lehre ist die Einschränkung der Kommunikation mit anderen – als essenzieller Teil von Vernetzung – sicherlich ein dauerhaftes Thema (vgl. [75–77]). Auch während der Pandemie wird wiederholt thematisiert und berichtet, ob und wie eine Einführung in die wissenschaftliche Community und Vernetzung mit Kommiliton*innen sowie Lehrenden online stattfinden kann (z. B. [7, 11, 8]).4 4 Erste Evaluationsergebnisse forschungsorientierter Lehrveranstaltungen weisen, etwa im Falle eines ‚Online-Undergraduate Science Bootcamps’ in MINT-Fächern, darauf hin, dass Studierende auch bei forschendem Lernen in einem Online-Modus eine Zugehörigkeit zur Forschungs-Community erfahren sowie ihre wissenschaftliche Selbstwirksamkeit und Identität gefördert werden können [11]. Außerdem zeigt der Vergleich von Evaluationen eines Undergraduate-Research Sommer-Programms im

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Unsere Erfahrungen beim forschenden Lernen in der Online-Lehre des Fernstudiums lassen sich daran anknüpfen. Im Bachelor- ebenso wie im Mastermodul können Studierende über eigens eingerichtete Foren sowohl mit den Lehrenden als auch über ein separates studentisches Forum untereinander in Kontakt treten. Außerdem wird Bachelorstudierenden die Option angeboten, sich zu Forschungsgemeinschaften zusammenschließen, in denen Studierende sich über ihre Forschungsprozesse austauschen können. Die studentischen Forschungsgemeinschaften werden von Lehrenden nicht moderiert, sodass sie zum einen informellen und persönlichen Austausch innerhalb einer kleinen Gruppe ermöglichen, zum anderen regen sie dazu an, forschungsbezogene Aufgaben aus dem Semester zu diskutieren und gemeinsam zu lösen. Dass in, durch und mit digitale Medien Distanzen überbrückt, Zugänglichkeit erhöht, Vernetzung und Kommunikation unterstützt werden kann, ist im Zusammenhang mit Medien- und Digitalisierungsforschung freilich nicht neu. Allerdings werden damit zusammenhängende Praktiken nicht zuletzt durch die pandemiebedingte Situation für Lehrende und Studierende auch online erfahrbar, wie wir zuvor mit Blick auf das Organisieren, Recherchieren, Reflektieren und Vernetzen zeigen konnten. So wird gerade der soziale Prozess des Forschens unterstützt.

5.4 Fazit und Ausblick In diesem Beitrag haben wir zwei Fragestellungen verfolgt: Einerseits ging es uns darum, im Beitrag zu zeigen, wie sich Bildungsziele der Universität mit der seit der Covid-19-Pandemie vielfach fokussierten Online-Lehre vereinbaren lassen. Dazu galt es auch, nach den Erfahrungswerten von Fernuniversität und Fernlehre zu fragen, auf denen diese Überlegungen gründeten. Andererseits hat uns beschäftigt, wie Medienund Wissenschaftspraktiken in Verbindung stehen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass nicht nur Lehren und Lernen, sondern auch das Forschen selbst längst durch die Kultur der Digitalität bedingt sind. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen rückte in Kapitel 5.2 in den Fokus, inwieweit Medien Möglichkeiten zur Einführung in eine durch die Digitalität bedingJahr 2019 und 2020 im Fach Biologie, dass sowohl ein face-to-face- als auch ein Online-Setting studentische Forschungs- und Datenanalysefähigkeiten sowie die netzwerkliche Zusammenarbeit steigern kann. Dabei sollte jedoch besonders die Kommunikation und Beziehungsaufbau zwischen Studierenden untereinander und zwischen Lehrenden und Studierenden unterstützt werden. Die Erfahrung, dass die Online-Lehre vielfältige Möglichkeiten bietet, Studierende (beim forschenden Lernen) untereinander zu vernetzen und in die wissenschaftlichen Community einzubeziehen, haben Hall et al. [8] im Rahmen eines Undergraduate-Research-Programms in der Exercise Science (dt. Sportphysiologie) gemacht. Hier erlaubt das Online-Format die Einbindung von Alumni und Forschenden anderer Institutionen und/oder Universitäten. Zusätzlich können wissenschaftliche Veranstaltungen einem Publikum zugänglich gemacht werden (ebd.).

136 | J. Grüntjens et al. te Wissenschaft bieten. Gewissermaßen als Spezialfall wurde die FernUniversität in Hagen vorgestellt, in deren mediengestützten Studienangeboten eine Hinführung an Wissenschaft zum Standardrepertoire gehört. Genauer betrachtet wurden zwei Module, ein Bachelor- und ein Mastermodul aus dem erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Studienangebot der FernUniversität. Diese rückten nicht zuletzt deswegen in den Fokus, weil wir uns für diese Angebote verantwortlich zeichnen. Da das Fernstudium seit jeher untrennbar mit Medien(-praktiken) und aktuellen -entwicklungen verknüpft ist und im Format der Online-Lehre erfolgt, erschien diese Betrachtung gleichfalls prädestiniert. Beiden Modulen liegt überdies ein Konzept forschungsorientierten Lernens zugrunde. Entsprechend werden Studierende der von uns skizzierten Module zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihres Studiums in Wissenschaft eingeführt. Studierende des Bachelor-Moduls beschäftigen sich inhaltlich mit grundständigen (medien-)didaktischen Fragestellungen und sie lernen die ersten Schritte eines Forschungsprozesses, insbesondere die Formulierung einer eigenen Forschungsfrage, kennen. Studierende im Master setzten sich innerhalb des Moduls mit Fragestellungen zum Handeln in (non-)formalen Bildungskontexten unter Bedingungen der Digitalität auseinander; sie verfolgen in diesem ersten Modul ihres Masterstudiums eine eigene Fragestellung, die sie in der Prüfungsleistung in einem systematischen Literaturreview ausarbeiten. In Kapitel 5.3 befassten wir uns dezidierter mit ausgewählten Wissenschaftspraktiken, die in einer Kultur der Digitalität immer auch Medienpraktiken sind. Dabei rückte in den Mittelpunkt, dass und wie diese im Zuge des forschenden Lernens im Fernstudium eingeführt werden. Dabei haben wir uns zunächst dem Organisieren zugewandt. Zur Organisation oder Abbildung von mit Forschung verknüpften Denk-, Wissens- und Arbeitsprozessen werden in der Wissenschaft vielfach digitale Medien eingesetzt. Zeitgleich sind Forschungsprozesse nur bedingt planbar. Unvorhergesehene Ereignisse und/oder Rückschritte sind sogar ihr immanenter Bestandteil. Wie diese Aspekte in Konzepten forschenden Lernens als Einführung in Wissenschaft einfließen können, haben wir beispielhaft erläutert. Durch die weitgehend selbstständige Organisation ihres Forschungsprozesses in den von uns vorgestellten Modulen und die Möglichkeit, durch das synchrone Online-Format flexibel auf angebotene Materialien zurückzugreifen, aber auch die Notwendigkeit weiterzuforschen, lernen die Studierenden Selbstorganisation als fundamentalen Bestandteil von Forschung kennen und sie lernen gleichzeitig, etwaige Unsicherheiten des Forschens auszuhalten. Zur Praktik des Recherchierens haben wir herausgestellt, dass die Online-Literaturrecherche – nicht erst seit der Covid-19-Pandemie – eine elementare Fähigkeit von Forschenden ist und für die Anwendung von Methoden, wie dem systematischen Literaturreview, essenziell ist. Entsprechend kann und sollte, wie in den von uns betreuten Modulen, die Online-Literaturrecherche, z. B. indem die Studierenden selbst ein Review ausarbeiten, betont werden. Als drittes haben wir uns dem Reflektieren zugewendet.

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Reflexion ist für den Forschungs-, Lern- und Entwicklungsprozess unabdingbar. In der professionellen Forschung werden Reflexionen von Wissenschaftler*innennin Weblogs sicht- oder in Podcasts hörbar. In Lehr-Lernveranstaltungen finden sich etwa durch die Verwendung von E-Portfolios wieder. Als letztes haben wir die Praktik des Vernetzens, die für Wissenschaftler*innen unverzichtbar ist, hervorgehoben. Auch wenn Mikroblogging-Dienste wie Twitter die Vernetzung von Wissenschaftler*innen heute erleichtern, haben wir an aktuellen Publikationen zum forschenden Lernen in der Online-Lehre gezeigt, dass die Vernetzung oder Einführung von Studierenden in die wissenschaftliche Community in diesem Lehr-Modus vielfach thematisiert wird. Gründe sind hierbei besonders die Sorge, dass ein fehlender face-to-face-Kontakt Vernetzung und Kommunikation beinträchtigen könnte. Wie wir an Beispielen aus unserer Lehre herausgestellt haben, lässt sich an diesem Punkt ansetzen. Digitale Medien können in der Online-Lehre genutzt werden, um die Praktik des Vernetzen zu unterstützen und räumliche bzw. geographischen Distanzen zu überbrücken. Indem wir im vorliegenden Beitrag forschendes Lernen als Einführung in Wissenschaft, die sich über das ganze Studium zieht, verstehen, betrachten wir forschendes Lernen allerdings nicht nur als Konzept, sondern als didaktisches Prinzip, das geradezu erfordert, nach der digitalitätsbedingten Verbindung von Wissenschafts- und Medienpraktiken zu fragen, in welche z. B. innerhalb der Online-Lehre eingeführt werden kann und sollte. Diese Sichtweise bezieht fast zwangsläufig Wissenschaftspraktiken aller an Universität beteiligten Akteur*innen in die Argumentation ein. Dafür war und ist es wesentlich, einerseits die Pandemie als besondere Situation anzuerkennen und andererseits Praktiken so zu verstehen, dass ihre sozialen Relationen im forschenden Lernen sichtbar werden. Das bedeutet mit Blick auf die Lehre, sie so zu konzipieren, dass sie den studentischen Umgang mit Unsicherheiten, Widerständen etc. nicht reduziert, sondern sich geradezu als Teil dieses Prozesses begreift und ihnen ein Unterstützungssystem bietet, um Unsicherheiten etc. bewältigen zu können. Vor diesem Hintergrund wäre der Medieneinsatz dann weniger entscheidend als die Frage danach, in welcher ‚Konstitution’ sich Lehre befindet. Durch Online-Lehre, nicht nur im Fernstudium, wird reflexiv erfahrbar, dass Medien ein immanenter und konstitutiver Teil von Forschung und Wissenschaft sind. Die Unterscheidung von digital und analog ist längst aufgehoben und überholt [20]. So wird die Reflexion in Medien nicht nur automatisch von der Medienpraktik zur bewährten Wissenschaftspraktik. Mehr noch: Macht nicht gerade erst gemeinsames Reflektieren geteilte Praktiken sichtbar? Ermöglicht sie nicht gerade, die Einführung in die Wissenschaft als von Unsicherheiten geprägten Lern- und Entwicklungsprozess anzunehmen? Praktiken, die in die Lehre aufgenommen werden, lassen sich somit zweifelsohne als Forschungspraktiken des Wissenschaftsalltags rahmen. Damit werden Studierende – durch und über forschendes Lernen – auch an und in aktuelle Forschungspraktiken herangeführt und eingeführt.

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Dominic Hassler

6 Pädagogische Hochschule Zürich: Multimediale Formen von Feedback Während und nach der Pandemie Zusammenfassung: Im Fernunterricht während der Covid-Pandemie war es für Dozierende besonders herausfordernd, eine gewisse Nähe und Beziehung zu ihren Studierenden zu pflegen. Eine zeitgemäße Möglichkeit, mehr Nähe zwischen Dozierenden und Studierenden zu schaffen, ist Feedback in multimedialer Form zu kommunizieren. Anstatt dieses – wie bislang eher üblich – in schriftlicher Form zu übermitteln. Multimedial meint, dass Dozierende das Feedback zu einer Arbeit als Video aufzeichnen und mit der eigenen Stimme kommentieren (bspw. als Screencast). Studierende fühlen sich durch multimediale Formen von Feedback persönlicher angesprochen und deutlich mehr wertgeschätzt als durch schriftliches Feedback. Zudem ist multimediales Feedback weniger anfällig für Missverständnisse, da die Stimme paraverbale Signale übermittelt, die in der Schriftlichkeit kaum zu erfassen sind.1 Schlagwörter: Multimediales Feedback, Screencast, Hochschullehre, Feed Forward, Wahrnehmung von Feedback, lernförderliche Rückmeldungen, multimodales Feedback, Kommunikation

6.1 Was ist multimediales Feedback? Traditionell wird für Feedback entweder das Medium Schrift oder das Medium gesprochene Sprache verwendet. Unter multimedialem Feedback lässt sich jedes Feedback subsumieren, das über zusätzliche oder andere als diese Kanäle vermittelt wird – in der Regel in der Form von Video oder Audio. Vorliegender Beitrag fokussiert, dass das Feedback als Screencast erstellt wird. Konkret meint dies: Die feedbackgebende Person hat eine Arbeit bzw. ein Artefakt oder Lernprodukt auf dem eigenen Bildschirm geöffnet und verwendet eine Software zur Aufzeichnung ihrer Stimme und des Inhalts, der auf ihrem Bildschirm zu sehen ist (vgl. Abbildung 6.1). Hierbei scrollt eine Dozen1 Beispielsweise schreibt eine Dozentin im Feedback: „Diese Aussage ist nicht hinreichend belegt.“ In Textform kann ein solches Feedback hart wirken. Der Student weiß nicht, wie es gemeint ist. Soll er es als negative Kritik verstehen oder lediglich als gut gemeinten Hinweis? Erfolgt dieses Feedback jedoch in multimedialer Form, kann der Student das Feedback aufgrund der Stimme der Dozentin wesentlich besser einschätzen. Die paraverbalen Nuancen der Stimme helfen, das Feedback zu interpretieren. So bemerkt der Student etwa, ob die Dozentin bzw. der Dozent enttäuscht und verärgert ist, oder ob sie bzw. er ihm einen aufmunternden Hinweis mitteilt, mit dem er seine Arbeit noch verbessern kann. https://doi.org/10.1515/9783110754728-006

144 | D. Hassler

Abb. 6.1: Kommentierung einer studentischen Ausarbeitung durch einen Lehrenden.

tin oder ein Dozent durch die geöffnete Arbeit und kommentiert einige Stellen, die sie bzw. er vorher während des Lesens markiert hat, und erläutert Bemerkungen, Korrekturen oder andere Hinweise.2 Eine weitere Variante von multimedialem Feedback ist ein Talking-Head Video, bei dem die feedbackgebende Person nur ihr Gesicht filmt, während sie das Feedback gibt. Ebenfalls etabliert ist Audiofeedback, bei dem lediglich die Stimme aufgezeichnet wird. Die zwei letzten Varianten haben den Nachteil, dass sie es Studierenden erschweren, das Feedback klar einer spezifischen Textstelle zuzuordnen. Die feedbackgebende Person kann sich beim multimedialen Feedback gleichzeitig mit einer Webcam filmen – muss aber nicht. Studien deuten darauf hin, dass das Bild der Dozierenden deren soziale Präsenz noch stärkt. Allerdings wirkt die soziale Präsenz auch ohne Bild stärker als bei textlichem (vgl. [1]; S. 62f). Studierende können ihre Dozierenden also beim multimedialen Feedback zumindest hören (und sehen sie manchmal auch). Die Reichhaltigkeit des Mediums (lose übersetzt aus dem Englischen: media richness) erleichtert es für die Studierenden, so die Studie von Borup et al., emotionale Reaktionen der feedbackgebenden Dozierenden zu erkennen (vgl. [2]). Die paraverbalen Signale der Stimme und die nonverbalen Signale der Gestik und Mimik unterstützen diese Einordnung, indem sie die Bedeutung des Inhalts nuancieren. Text hingegen ist abstrakter und es bleibt für Feedback2 In der englischsprachigen Literatur wird diese multimediale Technik auch Videofeedback genannt. Dieser Begriff ist anfällig für Missverständnisse. Videofeedback lässt sich auch verstehen als Feedback, das sich auf ein Video bezieht. D. h. jemand filmt, wie etwas getan wird (bspw. Präsentieren) und das Feedback (Video-Feedback genannt) fokussiert das gefilmte Video. Darum wird im vorliegenden Beitrag der Begriff multimediales Feedback verwendet.

6 Pädagogische Hochschule Zürich: Multimediale Formen von Feedback |

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Erhaltende unklar, ob ein Verbesserungsvorschlag positiv und ermunternd gemeint ist oder als grobe Kritik. Die Mehrdimensionalität der Kommunikationskanäle beim multimedialen Feedback wirkt sich also positiv auf die Beziehung zwischen Studierenden und Dozierenden aus. Dies scheint die Beziehung zu stärken und fördert auch persönliche Gespräche, wie zwei Studien bereits vor der Pandemie gezeigt haben (vgl. [3]; S. 400f sowie [4]; S. 265f).

6.2 Aufbau dieses Beitrags Zunächst folgt eine Einordnung der Charakteristik sowie ein Blick auf Vor- und Nachteile von multimedialem Feedback gegenüber schriftlichem Feedback (Abschnitt 6.3). Abschnitt 6.4 erläutert. zu welchem Zeitpunkt multimediales Feedback sinnvoll ist und thematisiert die konkrete Umsetzung in Bezug auf strukturelle Elemente und Sequenzierung des Feedbacks sowie die technische Umsetzung einer effizienten Produktion. Abschließend wird ein Fazit gezogen und auf die Bedeutsamkeit von multimedialen Formen von Feedback nach der Pandemie eingegangen (Abschnitt 6.5).

6.3 Charakteristiken von multimedialem Feedback Multimediales Feedback stellt häufig eine Alternative zum schriftlichen Feedback dar. Es hat aber auch Eigenschaften von mündlichem Feedback. Tabelle 6.1 zeigt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede einiger entscheidender Merkmale. Mahoney, Macfarlane & Ajjawi haben 2019 eine Synthese von 37 Studien zu multimedialem Feedback bzw. Videofeedback veröffentlicht (siehe [5]). Solche Studien fokussieren oftmals die Praxis jener Dozierenden, die das Format selbst erproben oder von Forschenden angefragt wurden, dieses Format auszuprobieren.3 Es darf davon ausgegangen werden, dass solche Dozierenden besonders hoch motiviert sind, ihren Studierenden ein hochwertiges Feedback zu geben. Erproben diese Dozierenden demnach eine neue Form von Feedback und werden ihre Studierenden befragt, sind positive Rückmeldungen zu erwarten.

3 Eine methodisch einwandfreie Untersuchungsanlage müsste beispielsweise Dozierende zufällig in die Gruppe multimediales Feedback und schriftliches Feedback einteilen – unabhängig davon, ob einzelne Dozierende Feedback jeweils als relevant erachten oder ob sie sich technisch zutrauen, ein solches Feedback zu erstellen. Bekanntlich ist eine solche Untersuchungsanlage schwer zu realisieren.

146 | D. Hassler Tab. 6.1: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von schriftlichem, multimedialem und mündlichem Feedback. schriftliches Feedback

multimediales Feedback

mündliches Feedback

Synchronität

asynchron

asynchron

synchron

Repetierbarkeit

Lässt sich mehrfach lesen.

Lässt sich mehrfach betrachten.

Nur die Notizen lassen sich später lesen.

Modalität

Text

gesprochene Sprache und Text

gesprochene Sprache und Text

Abstraktionsgrad

hoch

niedrig

niedrig

Soziale Präsenz

niedrig

hoch

hoch

Monolog/Dialog

monologische Wirkung

dialogische Wirkung

Dialog

Organisatorischer Aufwand

klein

mittel (Raum, Mikrofon und Laptop notwendig)

groß (abhängig vom Setting)

Produktionsaufwand

groß (Ausformulieren eines differenzierten Feedbacks ist anspruchsvoll)

mittel bis groß (Feedback zu formulieren oftmals einfacher, technischer Aufwand anfangs größer)

groß (Feedback wird oft notiert und später mündlich mitgeteilt)

6.3.1 Charakteristika von multimedialem Feedback Zunächst ein Blick auf allgemeine Eigenschaften und Erkenntnisse, bevor Vor- und Nachteile aus Perspektive Dozierender sowie Studierender diskutiert werden. Pauschal lässt sich festhalten, dass multimediales Feedback detailreicher und tiefgreifender als schriftliches Feedback zu sein scheint. Darauf weisen einige Studien hin: Es verlagert sich der Fokus des Feedbacks von oberflächlichen Rückmeldungen (z. B. Tippfehler, Grammatik und Syntax) hin zu substanzielleren Rückmeldungen (bspw. konzeptionelle akademische Aspekte wie Argumente, Analyse und Synthese) der studentischen Arbeit (vgl. [5–7]). Moore und Filling beobachten bereits 2012, dass Dozierende beim multimedialen Feedback weniger kurze Anregungen und korrigierende Kommentare machten als bei anderem Feedback. Stattdessen führten sie wenige Punkte sorgfältig aus und nannten spezifische Details. Dies wird als klar positive Entwicklung gewertet (vgl. [8]). Multimediales Feedback scheint zudem dialogorientierter zu sein als schriftliches Feedback. Studierende wie Feedback-Gebende berichten, dass multimediales Feedback sich anfühle, als spräche man mit der anderen Person (obwohl das Feedback-Video asynchron aufgezeichnet wird und kein tatsächlicher Dialog stattfindet) (vgl. [9, 3]).

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6.3.2 Wahrnehmung der feedbackgebenden Dozierenden Es folgen einige bemerkenswerte Charakteristika, aus Sicht der Dozierenden auf Basis der Synthese von Paige Mahoney et al. [5]: – Als signifikanten Vorteil und als Chance erachten Dozierende, dass für dasselbe Feedback weniger Zeit benötigt wird, bzw. in der gleichen Zeit mehr Feedback gegeben werden kann (da das Feedback nicht in einen schriftlichen Text ausformuliert wird). Tatsächlich zweifeln viele Dozierende zunächst, ob multimediales Feedback ihre Effizienz erhöht (aufgrund dessen technischer Komplexität). Die untersuchten Studien kommen allerdings zum Schluss, dass multimediales Feedback weniger oder ähnlich viel Zeit benötigt wie schriftliches Feedback (vgl. [5, 10, 11]) Henderson & Phillips (siehe [6]) bilanzieren sogar, dass das multimediale Feedback nur halb so viel Zeit benötigt. – Allgemein beschreiben die Feedbackgebenden den Feedback-Prozess als angenehm oder es zeigt sich gar Enthusiasmus für Feedback (vgl. [6, 7, 12]). – Die persönliche Wirkung des multimedialen Feedbacks wird als positiv hervorgehoben. Dozierende sprechen so ihre Studierenden individueller an. Dies unterstützt, dass sich Studierende weniger als Matrikel-Nummer, sondern persönlich verstanden und wertgeschätzt fühlen (vgl. [13, 14, 4]). – Wie bereits erwähnt erleichtert die Reichhaltigkeit des Mediums (engl. media richness) es den Studierenden emotionale Reaktionen zu erkennen (vgl. [2]). Text hingegen wirkt abstrakter und emotionsloser. – Als weiterer Vorteil wird die Speicherbarkeit des multimedialen Feedbacks betont. Anders als im mündlichen Feedback, lässt sich multimediales Feedback speichern und wieder abspielen (vgl. [3, 10, 6, 7]). Dadurch ist es nicht vom Detailgrad der Notizen der Studierenden bzw. deren Erinnerungsfähigkeit abhängig. – Als Herausforderung beim multimedialen Feedback betrachten es Dozierende, dass es zur Aufnahme einen ruhigen Raum braucht und allenfalls eine Webcam sowie angemessenen Hintergrund. Darum ist es nicht möglich, während einer Zugfahrt eine Arbeit zu lesen und gleich das multimediale Feedback dazu zu erstellen (vgl. [2, 12, 4]). – In der Studie von Borup et al. (siehe [2]) berichten fünf von neun Feedbackgebenden über technische Probleme und stufen schriftliches Feedback als effizienter und bequemer ein. Eine weitere Herausforderung ist, dass Fragen rund um die Datensicherheit und die Vertraulichkeit der Rückmeldungen nicht restlos geklärt sind. Die untersuchten Studien erwähnen dieses Thema kaum. Womöglich liegt das daran, dass sie meistens aus dem angelsächsischen Raum sind.

148 | D. Hassler

6.3.3 Wahrnehmung der feedbackerhaltenden Studierenden Studierende sind multimedialem Feedback gegenüber generell positiv eingestellt. Dies zeigen die meisten von Mahoney et al. untersuchten Studien. Die Studierenden betrachten dieses Format als vorteilhaft für ihr Lernen und bevorzugen multimediales Feedback gegenüber schriftlichem Feedback (vgl. [5, 9, 6, 7]). – Ein Großteil der Studierenden schätzt, die aufgrund von visuellen und auditiven Signalen erhöhte Klarheit und Verständlichkeit des multimedialen Feedbacks. Missverständnisse und Unklarheiten im Feedback werden dadurch reduziert (vgl. [5, 1, 15]). – Ähnlich wie die Dozierenden berichten Studierende, dass multimediales Feedback umfangreicher und differenzierter sei als mündliches oder schriftliches Feedback (vgl. [5, 16, 17]). Zudem werden gemäß den Studierenden die Schlüsselpunkte im Feedback durch das Videoformat besser hervorgehoben (bspw. [10]). – Die paraverbalen Elemente wirken positiv: Studierende schätzen es, den Tonfall ihrer Dozierenden zu hören. Dieser erleichtert Erwartungen zu verstehen und entsprechend die Überarbeitungen zu priorisieren. Zudem erwähnen die Studierenden, dass positive Aspekte mehr hervorgehoben werden, was sie motiviert (vgl. [1, 13]). – Eine Reihe von Studien deutet darauf hin, dass multimediales Feedback das Engagement der Studierenden stärker erhöht als schriftliches Feedback. West & Turner [18] können zeigen, dass 55 % der Studierenden mehr Zeit fürs Ansehen und Überarbeiten des multimedialen Feedbacks einsetzen als fürs schriftliche Feedback (vgl. [18], S. 404). Laut mehreren Studien betrachteten viele Studierende das multimediale Feedback mehrfach und überarbeiten gleichzeitig ihre Arbeit oder machen Notizen (vgl. [5, 6], S. 61; [12]). – Pausieren, zurückspielen, erneut abspielen. Studierende schätzen die Möglichkeit, das Feedback dosiert zu rezipieren, sie sehen diese zeitliche Flexibilität als großen Vorteil des Formats (vgl. [5, 19, 20]). – Gemäß Henderson & Phillips (vgl. [6]) führte das multimediale Feedback dazu, dass manche Studierende ihre Arbeit reflektierten und kritisch evaluierten, während bei Crook et al. (siehe [10]) knapp 60 % der Studierenden angaben, ihr Feedback mit anderen Studierenden diskutiert zu haben (wobei der Inhalt dieser Gespräche unklar ist). Das erhöhte Engagement der Studierenden darf damit in Verbindung gebracht werden, dass multimediales Feedback persönlicher und individueller wirkt und zu einer stärkeren Bindung zwischen Studierenden und der Feedbackgebenden führt. – Es gibt aber auch Studierende, die schriftliches Feedback bevorzugen. Gründe dafür sind, dass sich auf textliches Feedback leichter referieren lässt (vgl. [15, 21]) und dass Text einfacher zu überfliegen sowie einfacher zugänglich ist (vgl. [2, 21]).

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Zudem kann multimediales Feedback eine negative emotionale Reaktion auslösen. Dazu gehören: eine leichte Verlegenheit, ein Gefühl der Beklommenheit vor dem Abspielen, ausgelöst durch die Angst vor einem negativen Feedback und das Gefühl von Hilflosigkeit (vgl. [2, 15, 22, 6, 7, 17]). Die Studierenden von Borup et al. (siehe [2]) fühlen sich unwohl, weil das Talking-Head Video aufgrund des Augenkontakts und der direkten Aufmerksamkeit des Feedbackgebenden zu persönlich wirkt (vgl. [5], S. 166). 19 % der Studierenden in der Studie von Lamey berichten, dass sie es zunächst als unangenehm oder gar peinlich empfanden, das Video anzuschauen. Eine Studentin schreibt, das Video dennoch als hilfreich und informativ empfunden zu haben. Sie findet, dass das Video eine bessere Verbindung zum Dozierenden ermögliche. Dieser Kommentar ist repräsentativ für die Mehrheit der Studierenden, die das Video als unangenehm empfanden (vgl. [7], S. 698). Andere Studierende nehmen es negativ wahr, zu hören und sehen, wie ihre Beurteilenden ihnen Feedback geben. Insbesondere erleben sie das Feedback als konfrontierend, einseitig und abschätzig, weil sie das Face-to-Face Meeting als simuliert erleben und monologisch (vgl. [9, 6, 7]). Zudem gibt es klare Hinweise darauf, dass es die Zuordnung eines Feedbacks zu einer konkreten Stelle in der Arbeit erschwert, wenn das Video lediglich das Gesicht des Dozierenden (und nicht den Bildschirm mit der geöffneten Arbeit) zeigt (vgl. [5], S. 166).

6.4 Wann ist ein (multimediales) Feedback am effektivsten? Gibbs & Simpson [23] zeigen in ihrer beachtenswerten Übersicht, dass Studierende Feedbacks zu ihren Leistungsnachweisen vor allem dann berücksichtigen, wenn sie Feedback möglichst zeitnah und vor der Bewertung erhalten. Kommt das Feedback gleichzeitig oder nach der abschließenden Beurteilung, sind die Studierenden weniger interessiert, weil der Lernprozess für dieses Thema bzw. Modul abgeschlossen ist. Studierende interessieren sich grundsätzlich stark für Feedback, solange sie ihr Lernverhalten noch vor der Bewertung anpassen können. Damit Feedback wirkungsvoll ist, müssen Dozierende demnach Feedback geben, bevor die Beurteilung bekannt ist. Naheliegend sind darum formative oder mehrstufige Leistungsnachweise (vgl. [24], S. 74).4 4 Hattie und Timperley fassen die Forschung zur Effektivität von Noten und schriftlichen Kommentaren zusammen: Es existiert erhebliche Evidenz, die darauf hindeutet, dass schriftliche Kommentare effektiver sind als Noten (vgl. [27], S. 92). Sie weisen insbesondere auf die einflussreiche Studie von Ruth Butler [28] hin. Butler analysierte den Lernzuwachs von drei Gruppen über mehrere Lerneinheiten hinweg. Eine Gruppe erhielt nur Feedback, eine Gruppe erhielt eine Note und Feedback und eine Gruppe erhielt nur eine Note. Überraschenderweise war der Lernzuwachs in den letzten beiden Grup-

150 | D. Hassler Häufig sind formative Prüfungen oder Projekte, bei denen etwa eine Projektplanung, ein Drehbuch, ein Grob- oder ein Feinkonzept eingereicht wird, geeignet für formatives Feedback. Erhalten die Studierenden vor der Projektumsetzung Feedback auf ihre Planung, ist dies besonders wertvoll und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das Feedback berücksichtigt wird. Multimediales Feedback eignet sich besonders, wenn Feed-Forward im Vordergrund steht – wie das häufig bei Projekten und teilweise bei schriftlichen Arbeiten der Fall ist. Förderorientiertes Feedback scheint den Affordanzen von multimedialem Feedback ganz besonders zu entsprechen. Für formelles, summatives Feedback (Kommunikation der Bewertung) dagegen ist multimediales Feedback weniger geeignet. Manche Leserinnen und Leser mögen sich nun fragen, warum dann nicht gleich ein mündliches Feedback gewählt wird. Tatsächlich besitzt mündliches Feedback einen gewichtigen Vorteil: Das Feedback ist ein Dialog, bei dem Studierende direkt rückfragen können. Allerdings ist es organisatorisch eine Herausforderung, eine große Anzahl mündlicher Feedbacks zu koordinieren. Für Dozierende ist der beste Zeitpunkt, ein Feedback zu geben, unmittelbar nachdem sie eine Arbeit gelesen bzw. beurteilt oder kommentiert haben. Dann sind jedoch oftmals die Studierenden nicht anwesend. Dozierende müssten entweder mit jeder Studierenden eine individuelle Sprechstunde vereinbaren und so planen, dass sie die Arbeit unmittelbar vor der Sprechstunde lesen können, um dann ein mündliches Feedback dazu zu geben. Oder Dozierende schreiben ihr Feedback und geben es mündlich bei der nächsten Gelegenheit (sei das die nächste Vorlesung, Seminar, Lernatelier, Sprechstunde o. ä.). Der Nachteil dieser Methode ist, dass Dozierende Gefahr laufen zu vergessen, mit welchem Gefühl bzw. in welcher Modalität sie das Feedback verfasst haben. Insbesondere wenn ein Dozierender 20 Arbeiten liest und Feedbacks dazu notiert, wird er im Gespräch kaum mehr als das kommunizieren, was seine schriftlichen Notizen enthalten. Liest er nur diesen Text ab, verlieren sich wieder die para- und nonverbalen Dimensionen und das Feedback erhält somit einen ähnlichen Abstraktionsgrad wie schriftliches Feedback. Wie bereits erwähnt, betrachten Studierende ein multimediales Feedback häufig mehrfach (vgl. [6], S.61). Dies hat den positiven Effekt, dass das Feedback bleibt und nicht in der diffusen Erinnerung der Studierenden oder in (nicht-) erstellten Notizen verloren geht.

6.4.1 Aufbau eines multimedialen Feedbacks Phillips, Henderson und Ryan von der Monash University haben ein Design mit sieben Komponenten bzw. Schritten entwickelt, das gewährleisten soll, dass das multipen ähnlich, während die Gruppe, die nur Feedback erhielt, einen signifikant höheren Lernzuwachs aufwies (vgl. [28]).

6 Pädagogische Hochschule Zürich: Multimediale Formen von Feedback |

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mediale Feedback den größtmöglichen Nutzen hat (vgl. [25], S. 516 sowie [26], S. 2). Die meisten dieser sieben Komponenten benötigen nur wenige Sätze. Der Abschnitt substanzielles Feedback dauert in der Regel mehrere Minuten. Die sieben Komponenten wurden übersetzt und adaptiert auf den deutschsprachigen Hochschulkontext (siehe Tabelle 6.2). Zudem wurden einige Beispiele formuliert, um die einzelnen Schritte zu konkretisieren. Diese Struktur ist nicht für alle Dozierenden, Fächer und Kontexte passend. Sie dient vielmehr als Ausgangspunkt und Orientierungshilfe. Tab. 6.2: Strukturelle Elemente eines multimedialen Feedbacks und Beispiele. Quelle: [25], S. 516 sowie [26], S. 2 (Übersetzung ins Deutsch, Beispiele und Adaption von Dominic Hassler). Schritt

Inhalt

Beispiel

Begrüßung

dialogorientierte, informelle Begrüßung.

«Hallo Claudia / Guten Tag Herr Meier, danke für deine / Ihre Arbeit.»

Beziehungsarbeit

Studierenden anerkennen und wertschätzen, einschließlich ihrer persönlichen Umstände.

«Ich sehe, Sie haben einige Änderungen bei der Einführung vorgenommen…»

Ziel des Feedbacks

Erläutern, dass das Feedback nur auf einige zentrale Aspekte eingeht – und nicht auf jedes Detail – damit die Studierenden die Qualität der Arbeit noch steigern können.

«Ich werde auf ein paar wesentliche Aspekte eingehen. Ich denke, damit können Sie die Qualität Ihrer Arbeit noch einmal steigern.»

Bewertende Zusammenfassung

Generelle Einschätzung der Arbeit, einige Stärken und Schwächen nennen. Falls es sich vermeiden lässt, sollte die Note NICHT mit dem Feedback zusammengegeben werden.

«Das theoretische Fundament Ihrer Arbeit ist ausnehmend solide. Die Forschungsmethode muss geschärft werden und die Planung der statistischen Auswertung ist zu wenig präzise.»

Textliche Aspekte (falls relevant)

Kurze Charakteristik der Muster und Umfang der textlichen Probleme (bei einem Grobkonzept weniger relevant als gegen Ende der Arbeit).

«Ihre Zitation ist hier und hier nicht konsistent mit dem von uns verlangten APA-Style.»

Substanzielles Feedback

Stark abhängig vom Kontext und vom Stand der Arbeit. Bei wissenschaftlichen Arbeiten fokussieren auf: Eingrenzung des Themas, theoretisches Fundament und Literatur, Argumente, Logik, Interpretation und Konklusion.

«Aktuell fokussiert Ihre Arbeit auf die Perspektive X. Die Autoren Y beleuchten die Perspektive Z und Ihre Arbeit würde davon profitieren, diese einzubeziehen.»

Bei Projekten fokussieren auf: Themenwahl, theoretisches Fundament, Planung, Umsetzung, Werkzeuge, Ressourcen, visuelle Hilfsmittel, Reflexion.

«Sie haben aktuell die Schwierigkeit X. Ich empfehle Ihnen Text / Video Y, dort können Sie sehen, wie Z diese Herausforderung gelöst hat.»

152 | D. Hassler Tab. 6.2 (Fortsetzung) Schritt

Verabschiedung und Einladung

Inhalt

Beispiel

Das Feedback zeigt Stärken, Schwächen, Mängel, Lücken, Kreativität und Erkenntnisse. Kommentare sind mit Schwerpunkt auf Feed-Forward formuliert. Z. B. alternative Argumente, andere Perspektiven, weitere Literatur oder andere Zugänge und Denkweisen.

«Sie haben in Ihrer Arbeit einen Fokus auf Thema X gesetzt. Besonders gefällt mir, wie Sie die Perspektiven der Autoren Y und Z miteinander verbinden und Differenzen und Ähnlichkeiten visualisieren.»

Beziehungsarbeit im Vordergrund. Studierende mit Namen ansprechen und Gratulation oder Mitgefühl zum Resultat der Arbeit mitteilen.

«Ich bin gespannt, wie Sie Herausforderung X lösen… »

Ggf. Studierende dazu einladen, die Diskussion fortzusetzen / Rückfragen zu stellen.

«Ich freue mich darauf, das fertige Projekt zu betrachten.»

Abschiedsgruß

6.4.2 Technische Umsetzung von multimedialem Feedback Mittlerweile existieren zahlreiche Programme, mit denen ein multimediales Feedback aufgezeichnet werden kann. Eine Übersicht zeigt Tabelle 6.3. Wird bei der Aufnahme der eigene Bildschirm gefilmt, spricht man von einem „Screencast“. Nachfolgende Übersicht zeigt mögliche Programme im Vergleich (Stand Herbst 2021). Der fokussierte Funktionsumfang bezieht sich darauf, ob das Programm sich nebst Screencasts noch für andere Tätigkeiten eignet (etwa. Zuschneiden, Editieren oder Animieren eines Erklärvideos). Besitzer eines Apple-Geräts können das kostenlose Programm Quicktime Player verwenden, um einen Screencast zu erstellen. Wer Microsoft Office benützt, kann theoTab. 6.3: Mögliche Programme zum Aufzeichnen von Screecasts. Software

URL

Kosten5

Loom Camtasia Screencast-o-Matic OBS Studio Quicktime Player Powerpoint

https://www.loom.com/ https://www.techsmith.com/ https://screencast-o-matic.com/ https://obsproject.com/de Via Apple Via Microsoft Office

Kostenlos bzw. 96 $ pro Jahr 230 € bzw. 150 € mit EDU-Rabatt Kostenlos bzw. 20 $ pro Jahr Kostenlos Kostenlos Kostenlos

5 Kosten und Modalitäten von webbasierten Angeboten können sich schnell ändern. Hier wird der Stand im Herbst 2021 gezeigt.

6 Pädagogische Hochschule Zürich: Multimediale Formen von Feedback |

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retisch mit Powerpoint einen Screencast erstellen (über das Register „Einfügen“ und die Schaltfläche „Medien“ lässt sich eine „Bildschirmaufzeichnung“, resp. Screencast, erstellen. Dieser Film wird dann auf der aktuellen Folie eingefügt und als VideoDatei gespeichert (Rechtsklick – Medien speichern unter). Empfohlen ist ein solches Vorgehen nur bedingt, da daraus unverhältnismäßig große Videodateien resultieren. Zudem ist der Funktionsumfang verglichen mit den anderen Programmen gering und die Anwendung eher unhandlich. Screencast-o-matic und OBS Studio sind kostenlos Programme, mit denen sich solide arbeiten lässt. Hinsichtlich Handhabung und Funktionsumfang sind Loom und Camtasia im Herbst 2021 empfehlenswert. Loom zeichnet in der kostenlosen Version maximal 5-minütige Videos auf. Je nach Feedback-Stil reicht das bereits. Camtasia bietet eine kostenlose Testversion für 30 Tage an. Um probeweise ein Feedback als Screencast zu erstellen, eignen sich sämtliche erwähnten Programme. Sollen so regelmäßig und zahlreich Feedbacks aufgezeichnet werden, lohnt sich eine Investition in Loom (ca. 96$ pro Jahr) oder Camtasia (einmal ca. 150 €). Eine Video-Anleitung zur Erstellung multimedialen Feedbacks mit Loom und Camtasia sind unter folgenden Links zu finden: https://tiny.phzh.ch/vfbloom und https://tiny.phzh.ch/vfbcamtasia.

6.4.3 Das multimediale Feedback Studierenden übermitteln Nach dem Aufzeichnen des Feedbacks muss die erstellte Datei bei den meisten Programmen exportiert (produziert) werden. Das exportierte Video ist in der Regel zu groß, um via E-Mail verschickt zu werden. Gängige Lern-Management-Systeme (wie Moodle, ILIAS oder OLAT) ermöglichen, ein solches Video als Feedback auf eine abgegebene Arbeit hochzuladen. Alternativ lässt sich das Video via eine Cloud hochladen und ein Direktlink dazu generieren, der den Studierenden per E-Mail geschickt wird. Loom verfügt über die zeitsparende Funktion, ein Video sofort nach dem Erstellen hochzuladen und automatisch einen Link dazu zu generieren. Das Video muss also nicht mehr manuell exportiert und hochgeladen werden.6 Allerdings wird das Video automatisch auf einen Server im Ausland geladen, was zu datenschutzrechtlichen Problemen führen kann.

6.4.4 Datenschutzrechtliche Aspekte Bewertungen und Noten sind schützenswerte Daten. Wird das Video via eine Cloud geteilt, die nicht datenschutzkonform ist, oder die automatische Upload-Funktion von 6 Mit der Desktop App von Loom lassen sich Videos auch lokal speichern, was bedeutet, dass sie nicht auf ausländische Server geladen werden.

154 | D. Hassler Loom genutzt, darf das Video keinesfalls eine Bewertung enthalten. Selbst wenn es weder Bewertung noch Note enthält, ist nicht restlos geklärt, welche Art von Feedbacks bzw. welche Informationen auf diese Weise mündlich kommuniziert werden dürfen. Wer auf der sicheren Seite sein möchte, verwendet daher die Cloud bzw. das Lern-Management-System der eigenen Institution, um die Videos den Studierenden zugänglich zu machen.

6.4.5 Hinweise für eine effiziente und effektive Produktion Zu Best-Practice Erfahrungen beim Erstellen von Screencast Feedback.

Hinweis 1 Fast sämtliche Screencast-Programme ermöglichen es, die Aufnahme zu pausieren. Dies erlaubt, einen Teil des Feedbacks aufzuzeichnen, die Aufzeichnung zu pausieren und zunächst die Gedanken zu sammeln, bevor der nächste Aspekt des Feedbacks aufgezeichnet wird. In meiner Erfahrung als Feedback-Erteilender mäandriere ich durch Pausen wesentlich weniger und mein Feedback wird konziser und zielgerichteter. Ich pausiere häufig nach 30–45 Sekunden freien Sprechens.

Hinweis 2 Ein zentraler Nachteil von schriftlichem und multimedialem Feedback ist die einseitigasynchrone Kommunikation. Um das Feedback mehr wie einen Dialog zu gestalten, empfiehlt sich, dass Dozierende die Studierenden beauftragen, einige Fragen zu formulieren, zu denen sie sich Feedback wünschen. Diese Fragen schicken sie mit, wenn sie die Arbeit abgeben. Eine Alternative zu Fragen ist, dass Studierende vorweg kurz einen schriftlichen Kommentar zu den Stärken und Schwächen ihrer Arbeit notieren. Weiß ich als Dozierender, welche Fragen die Studierenden beschäftigen, fällt es mir bedeutend leichter, Feedback zu geben. Dieses Wissen erlaubt mir, konstruktives, zielgerichtetes Feedback zu geben, und zwar genau dort, wo der Schuh drückt. Häufig beantworte ich zunächst die zwei, drei Fragen der Studierenden. Anschließend gehe ich auf weitere Aspekte ein, die mir aufgefallen sind (z. B. einen Aspekt, der, besonders gründlich, kreativ oder geschickt gemacht gelöst wurde oder ein Aspekt, der Potenzial für Lernen, Entwicklung oder Optimieren anbietet).

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Hinweis 3 Das Feedback muss nicht auf alle Aspekte oder sämtliche Verbesserungspotenziale eingehen – unabhängig vom Niveau der Arbeit. Stattdessen fokussiert das Feedback die zentralen Aspekte, nennt Stärken und Schwächen, weist auf Lücken im Lernprozess hin und zeigt, wie sich diese schließen lassen. Wenn ich von Studierenden ein ungenügendes Konzept erhalte, melde ich nicht jeden einzelnen Mangel zurück, der behoben werden müsste, um die Maximalnote zu erreichen. Die Maximalnote ist ohnehin selten das Ziel der Studierenden. Ich fokussiere die zwei, drei dringendsten nötigen Aspekte, um eine genügende Bewertung zu erlangen.

Hinweis 4 Das Feedback muss weder geschnitten noch aufpoliert werden. Beim schriftlichen Feedback sind wir es gewohnt, dieses gründlich zu durchdenken, auszuformulieren und fehlerfrei zu notieren. Dieses Streben nach formaler Perfektion ist beim Audiooder Videofeedback nicht notwendigerweise zielführend, weil dies (zu) viel Zeit kosten würde. Ein Räuspern, ein kleiner Grammatikfehler oder Abbruch mitten im Satz sind allesamt verzeihbar. Die Erwartungen der Studierenden an die formale Korrektheit eines multimedialen Feedbacks sind geringer als bei schriftlichem Feedback. Kleine Stotterer, „Ähm“ und Ähnliches sind authentisch und machen menschlich. Studierende profitieren mehr von einem substanziellen Feedback als von einem formal perfekt vorgetragenen Feedback. Als Dozent muss ich meine Ressourcen einteilen und bevorzuge es, Zeit in die Substanz des Feedbacks zu stecken.

6.5 Die Zukunft von multimedialem Feedback Multimediales Feedback und insbesondere Screencast-Feedback haben sich während der Pandemie als geeignet erwiesen, um Studierenden detailliertes und hilfreiches Feedback zu geben, gleichzeitig eine gewisse Nähe zu etablieren und so die Beziehung und Verbindung zwischen Studierenden und Dozierenden zu stärken. Die Methode besitzt nicht nur Vorteile, sondern birgt auch einige Nachteile. Dozierende haben die Wahl. Die Nachteile, die technischer Natur sind, werden mit der Zeit abnehmen. Die Weiterentwicklung der Programme sowie der technische Fortschritt werden es erleichtern, multimediales Feedback zu erstellen. Zudem haben jüngere Dozierende weniger Hemmungen und mehr Erfahrungen bei der Produktion von Videos. Auch Nachteile betreffend Ungewohntheit des Mediums dürften sich im Laufe der Zeit verringern. Dozierende, die sich beim Ausformulieren von schriftlichem Feedback schwertun und wenig Hemmungen haben, ihre Stimme und ihr Gesicht aufzuzeichnen, profitie-

156 | D. Hassler ren von dieser Methode ganz besonders. Jedoch bietet multimediales Feedback auch den übrigen Dozierenden die Möglichkeit, Studierende persönlich anzusprechen und hilfreiches Feedback zu geben. Im CAS Hochschuldidaktik der PHZH wird ScreencastFeedback seit 2019 als Methode eingeführt. Teilnehmende Dozierende, die mit dieser Form arbeiten, erhalten von den Studierenden oftmals überwältigend positives Echo. Die Studierenden unterstreichen, sich persönlich angesprochen zu fühlen, und erleben das Feedback als hilfreich. Sie fühlen sich wertgeschätzt und bewundern den Einsatz der Dozierenden. Selbstverständlich mag das positive Echo auch darin begründet sein, dass diese Feedback-Form bislang noch selten praktiziert wird und die Studierenden erstmals ein solches Feedback erhalten. Entsprechend ist eine Abnahme der außergewöhnlich positiven Resonanz zu erwarten, sobald Studierende viele multimedialen Feedbacks erhalten. Obwohl dieser Beitrag versucht, neben allgemeinen Grundsätzen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, konkrete Handlungsempfehlungen anzubieten, gibt es kein Patentrezept für multimediales Feedback. Inwiefern ein solches Feedback zielführend ist und wie es ausgestaltet werden muss, um seine Lernwirksamkeit zu entfalten, hängt zum Großteil von den Rahmenbedingungen, dem fachlichen und didaktischen Kontext sowie den Ressourcen und Präferenzen der Dozierenden und Studierenden ab. Multimediales Feedback ist ein bedeutsames und praktisches Werkzeug im Methodenkoffer Hochschuldozierender.

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Jutta Pauschenwein & Gert Lyon

7 FH Joanneum: Online-Didaktik Experimente und eine Vision Zusammenfassung: Der Artikel reflektiert die Veränderung der Online-Lehre während der Corona-Pandemie 2020-2021. Studierende und Lehrende erweiterten ihr Repertoire, stellten sich der Enttäuschung, wenn die Technik nicht klappte, und teilten motivierende, manchmal auch berührende Online-Begegnungen miteinander. Drei didaktische Experimente, die ohne technische Tools nicht möglich wären und die gerade auch in asynchronen Lernszenarien besonders hilfreich sind, werden vorgestellt. Der Artikel schließt mit einer Vision, wie es weitergehen könnte. Schlagwörter: eLearning, didaktische Experimente, Zukunft

7.1 Einleitung Seit den 90ern des letzten Jahrhunderts bis 2019 plagten sich viele eLearning-Abteilungen an österreichischen Hochschulen damit, die Wichtigkeit ihrer Existenz zu verteidigen und Lehrende mit ihrem Angebot zu erreichen. Auch in den meisten berufsbegleitenden Studiengängen wurde Unterricht als Präsenzveranstaltung verstanden. Online-Elemente dienten eher der Verzierung der traditionellen Lehre. Dies änderte sich mit der Corona-Pandemie schlagartig, als im März 2020 der Unterricht vollständig in den Online-Raum verlegt werden musste. In den drei Semestern eingeschränkten Präsenzunterrichts setzten sich die meisten Lehrenden mit der Online-Lehre auseinander. Das erweiterte Unterstützungsangebot der eLearning-Abteilungen ist nun fast allen bekannt. Studierende und Lehrende lernten mit der Technik des eLearning umzugehen. Lernplattformen wurden ergänzt durch Videokonferenzen unterschiedlicher Art und viele weitere Tools (für Abstimmungen, Visualisierungen etc.) wurden kreativ eingesetzt, um den Online-Unterricht attraktiver zu gestalten. Prinzipien guter Hochschuldidaktik wie zeitlich begrenzter Input, Medienwechsel und Aktivierung der Studierenden drängten sich den Lehrenden auf. Sie mussten sich damit abfinden, dass zwar weniger Themen bearbeitet wurden, diese jedoch viel intensiver. Verstaubte Offline-Skripten wurden in attraktive Lernmaterialien, wie Videos, Animationen oder Podcasts umgewandelt. Die Pandemie bot Studierenden und Lehrenden die Chance, ihre technischen Kompetenzen upzudaten und gemeinsam Online-Lernszenarien mit Leben zu erfüllen. Da die Studierenden nicht im Hörsaal oder Seminarraum saßen, waren sie weniger kontrollierbar. Die Selbstverantwortung für den eigenen Lernprozess stieg und die Konsumhaltung vieler Lernender verminderte sich. https://doi.org/10.1515/9783110754728-007

160 | J. Pauschenwein & G. Lyon In der Studie zur „Evaluierung des flexiblen Lernbedarfs bei Studierenden“ aus dem Jahr 2019 stimmten Studierende und Lehrende in ihren Präferenzen zur Gestaltung von Lehrveranstaltungen weitgehend überein (siehe [1]). In den Präsenzeinheiten sollen Inhalte erklärt und diskutiert werden, in den Online-Einheiten werden die Inhalte mit Kolleginnen und Kollegen gelernt, wiederholt und geübt. Diese Ergebnisse widersprechen dem Prinzip des „flipped classroom“, bei dem die Wissensaneignung flexibel im Selbststudium erfolgt und der Präsenzunterricht der Anwendung und Vertiefung dient [2]. Der verstärkte Einsatz von Online-Lehre während der drei Semester der CoronaPandemie hat in Bezug auf die oben genannten Ergebnisse (vgl. [1]) ein gewisses Umdenken bewirkt. Die aktuelle Studie der Steirischen Hochschulkonferenz „Alle(s) digital im Studium?!“ ergibt, dass 94 % der Studienanfängerinnen und Studienanfänger Lehrveranstaltungen schätzen, die Online- und Offline-Elemente beinhalten. Auch höhersemestrige Studierende bewerteten die Umstellung auf Online-Lehre positiv, wobei der Arbeitsaufwand größer wahrgenommen wurde, bedingt durch vermehrte Lese- und Arbeitsaufträge [3]. Auch die Umfrage „Online-Lehre an der FH Joanneum in der Zukunft“, die im Mai und Juni 2021 durchgeführt wurde, zeigte eine Zunahme der Akzeptanz von Online-Lernszenarien durch Studierende und Lehrende [4]. Mehr als 20 % der Studierenden und 25 % der Lehrenden nahmen an der Umfrage teil. 93 % (Studierende) sowie 89 % (Lehrende) gaben an, auch in Zukunft an Online-Unterricht interessiert zu sein. Zwar unterscheidet sich der Wunsch nach dem Anteil von Online-Lehre je nach Fach, Bachelor- oder Masterstudiengang, internen oder externen Lehrenden, trotzdem kann aus Abbildung 7.1 eine deutliche Akzeptanz der Online-Lehre abgeleitet werden. In diesem Artikel möchten die Autorin und der Autor nicht verschweigen, dass die drei Pandemie-Semester mit großen Online-Lernanteilen auch Probleme hervorriefen und einige Nachteile hatten. Die Studierenden vermissten den Kontakt mit ihren Mitstudierenden, manche plagten sich mit der Strukturierung ihres Tagesablaufs, manche wurden zu Dropouts. Auch die Lehrenden vermissten den unmittelbaren Austausch untereinander und mit den Studierenden. Gab es zu viele Online-Sessions hintereinander, machte sich die sogenannte Zoom-Fatigue breit [5]. Im folgenden Abschnitt wird kurz auf (Online-)Didaktik und die Studierenden eingegangen. Gerade für den Unterricht oder ein Training im Online-Raum braucht es mehr Vorbereitung als in der Präsenzlehre, da weniger gut improvisiert werden kann. Daran schließt die Beschreibung von drei – überwiegend experimentellen – technologiegestützten Lernszenarien an. Abschließend wird ein Fazit gezogen, reflektiert und eine Vision für Lehre und Training nach der Pandemie entwickelt.

7 FH Joanneum: Online-Didaktik |

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Abb. 7.1: Wunsch nach Online-Lehre – Lehrende und Studierende gesamt in Prozent, getrennt nach Departments ([4], Abbildung 8, Seite 19).

7.2 Ein kurzer Ausflug in die (Online-)Didaktik und die Welt der Studierenden Nach Siebert ([6], S. 9) ist Didaktik „die Kunst, alle alles ganz zu lehren“. Doch Lernen „geschieht … nicht nur durch Lehre“. „Viel Lernen erfolgt in anderen, oft alltäglichen Lebensvollzügen (und oft wird – wie fast jeder aus Erfahrung bestätigen kann – auch in Lehrsituationen nicht gelernt, zumindest nicht das, worum es gehen sollte).“ ([7], S. 13). Lerntheorien stellen die Lernenden in den Mittelpunkt. Deren Emotionen im Lernprozess werden in der Fachliteratur eher gestreift, beeinflussen jedoch den kognitiven Prozess. Ist zu viel emotionale Energie gebunden, etwa in Anfangssituationen, ist der Kopf nicht frei für konzentrierte kognitive Lernprozesse [6]. Hacker (siehe [8]) studiert berufsbegleitend Pädagogik für Gesundheitsberufe an der FH Kärnten1 und schreibt ihre Masterarbeit zu „E-Emotion: Wie können positive und lernförderliche Emotionen im virtuellen Klassenzimmer von Lehrkräften angesprochen werden?“ (Arbeitstitel). Im Interview lädt sie Trainerinnen und Trainern (die manchmal auch lehren) österreichischer Fachhochschul-Didaktik-Zentren zur Reflexion ein, wie und welche Emotionen (u. a.) während der Corona-Lockdowns im 1 Masterstudiengang „Pädagogik für Gesundheitsberufe“ an der FH Kärnten: https://www.fhkaernten.at/weiterbildung/gesundheit-soziales/paedagogik-fuer-gesundheitsberufe, abgerufen am 28.09.2021.

162 | J. Pauschenwein & G. Lyon Online-Unterricht ausgelöst wurden. Motiviert wurde Hacker durch Erfahrungen, die sie während der Lockdowns in ihrem Masterstudium sammelte. Pernold (siehe [9]) übertitelt die Reflektion ihres Studiums im berufsbegleitenden Masterlehrgang „Technische Dokumentation“2 mit „Wenn Studieren online funktionieren muss“. Studierende brauchen einerseits eine stabile Internetverbindung und anderseits für die Anwendung spezieller Programme einen VPN-Zugang.3 Die Kombination eines Videokonferenz-Tools mit VPN ist bekannterweise fehleranfällig. „Steht“ der Computer, führt das zu Enttäuschung und wirkt demotivierend. Zu Überforderung kommt es auch, wenn Studierende gleichzeitig dem oder der Lehrenden zuhören und an der Fragestellung am eigenen PC arbeiten sollen. Eine weitere Herausforderung synchroner Kommunikation entsteht, wenn Mitstudierende Fragen stellen, während andere konzentriert an der Aufgabe arbeiten möchten, dann aber doch Angst haben etwas zu verpassen. Lehrende, die ihre Vorlesungen aufzeichnen und/oder im Nachhinein Tutorial-Videos zur Verfügung stellen, bekommen viel Zustimmung. Allerdings steigt so die Erwartungshaltung der Studierenden, was wiederum zu Frust in den Fachgebieten führt, bei denen es keine Dokumentationen gibt. Die Studierenden organisieren ihre Gruppenprozesse in Online-Formaten, was die Zusammenarbeit erleichtert. Online-Unterricht ohne Technik ist nicht möglich. Lernende und Lehrende sowie Trainerinnen und Trainer haben in der Zeit der Pandemie große Expertise im Umgang mit unterschiedlichen Werkzeugen erworben. Trotzdem können technische Probleme jederzeit auftauchen. Wenn sich Lehrende beim Bewältigen dieser Probleme als gleichberechtigt mit den Studierenden verhalten, kann sich das gemeinsame Bemühen gut auf die Stimmung aller auswirken. Aus Sicht der Online-Didaktik gibt es Lernszenarien, die weniger oder mehr Stress bei den Lernenden auslösen können. Ein wesentlicher Parameter im OnlineUnterricht ist die Zeit: was soll, kann oder darf synchron, also zur selben Zeit, oder asynchron, also zeitversetzt passieren? Das Problem im oben beschriebenen Lernszenario, bei dem Studierende in der Videokonferenz den Unterrichtenden zuhören und gleichzeitig – mit aktiviertem VPN – in einem Programm arbeiten, könnte folgendermaßen gelöst werden. Nach einer kurzen Einführung des oder der Lehrenden wird die Videokonferenz geschlossen und die Studierenden beginnen mit der Aufgabe im Programm. Die VPN-Verbindung ist dann vermutlich stabil, da keine zeitgleiche Videokonferenz stattfindet. Einige Zeit später können Studierende mit Fragen wieder in die Videokonferenz einsteigen, wo die Lehrperson sie erwartet. Wer keine Fragen hat, öffnet die Videokonferenz nicht und kann ungestört weiterarbeiten. Am Ende treffen sich alle, präsentieren ihre Ergebnisse und die oder der Lehrende gibt Feedback. 2 Masterlehrgang „Technische Dokumentation“: https://www.fh-joanneum.at/technischedokumentation/postgraduate/, abgerufen am 11.10.2021. 3 VPN bedeutet Virtuelles Privates Netzwerk und ermöglicht den Zugriff auf Daten der Hochschule als ob man im Büro sitzen würde.

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Es gibt ausgesprochen gut funktionierende Online-Konzepte, die Studierenden eine motivierende Lernumgebung bieten. So ermöglichen Lehrende, die das 5-Stufenmodell von Gilly Salmon für die Online-Gruppe verwenden, einen sanften Einstieg in die gemeinsame Online-Kultur, in der das „Ankommen“ und die „OnlineSozialisierung“ eine wesentliche Rolle spielen (siehe [10, 11]). Studierende des berufsbegleitenden Masterstudiengangs „Content Strategy“:4 beginnen, mit einer vierwöchigen Online-Phase, die der Sozialisierung und dem Erlernen der nötigen Tools dient [12]. Im Weiteren sind zwei Feedbacks aus der Reflexion der ersten Online-Woche von Studierenden des Jahrgangs COS21 angeführt. I’m actually amazed by how much I already learned about and from all of the people in this course. I was a bit sceptical at first as I thought getting to know each other online would be a bit difficult but I was proven wrong. Cos21 student 1 (27.09.2921) The highlight of the first week was getting to know you all. Cos21 student 2 (27.09.2921)

Motivierend ist eine (Online-)Didaktik, die die Lernenden gut begleitet, Spielräume eröffnet, Entscheidungsmöglichkeiten zubilligt. Konkrete Fragestellungen nahe an der Lebenswelt der Studierenden können deep learning, also „tiefes Lernen“ fördern und positive Emotionen auslösen ([13]; S. 100). Der Austausch darf auch online für Studierende als soziale Wesen nicht zu kurz kommen. Gemeinsame Lernprozesse können etwa anhand der Phasen von Salmon geplant oder nach Wengers Konzept der Communities of Practice konzipiert werden. Dabei lernt die „Gemeinschaft“ (Community) zu einem Thema (Domain) und mit Fokus auf das Tun (Practice) (vgl. [14]).

7.3 Didaktische Experimente Didaktische Experimente zeichnen sich dadurch aus, dass auf ungewöhnliche Weise online kommuniziert, kooperiert oder reflektiert wird. In der „good practice“ Sammlung5 der FH Joanneum sind aktuell 25 Beispiele angeführt, aus denen drei detaillierter beschrieben und zwei angerissen werden. Studierende reflektieren ihre Performance per Video, sie arbeiten auf einer riesigen Online-Tafel zusammen, ihre Lehre findet als Serie statt, sie treffen sich in einem 3D-Raum für einen spontanen Austausch [15] oder chatten während des Online-Vortrags der Lehrenden [16]. 4 Masterstudiengang „Content Strategy“: https://www.fh-joanneum.at/content-strategie-unddigitale-kommunikation/master/, abgerufen am 11.10.2021. 5 Good practice Sammlung: https://oer.fh-joanneum.at/zml/good-practice/, abgerufen am 12.09.2021.

164 | J. Pauschenwein & G. Lyon

7.3.1 Videoreflexion Am „19. eLearning Tag der FH Joanneum “im September 2020 sprach Marianne Heiden in der Keynote über „Videobasierte Selbstreflexion in der Meisterlehre“. Heiden stellte diesen methodisch-reflexiven Ansatz für Musikstudierende vor, stieß auf reges Interesse der Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer und löste bei einigen von diesen eine intensive Auseinandersetzung aus. Mühsam verhandelte Heiden mit Lehrenden und Lernenden der Meisterlehre die Option, eine Übungsstunde auf Video aufzunehmen. Das Video diente den Studierenden als Ausgangspunkt für die Reflexion. Im Videoplayer der Lernplattform edubreak6 konnten die Studierenden Kommentare notieren bzw. mit einem Ampelsystem die eigene Performance bewerten (Abbildung 7.2). Diese Methode stärkte ihr Selbstbewusstsein und schwächte die Abhängigkeit von den Lehrenden, da zur Beurteilung des „Meisters“ oder der „Meisterin“ eigene, begründete Einschätzungen dazukamen. Der Ansatz war nicht für alle Involvierten gleichermaßen erfolgreich, da herkömmliche Machtstrukturen im Unterricht der Methode entgegenwirkten.

Abb. 7.2: Konzeption der Videoreflexion und Kommentar aus edubreak.

Allerdings gab es bereits vor der Keynote Vorreiterinnen und Vorreiter unter Hochschullehrenden, die den Einsatz von Videos zur Aufnahme der Performance von Studierenden für die Reflexion nützten. In einem technischen Studiengang bereiteten Studierendengruppen sechs- bis siebenminütige Abschlusspräsentationen vor. Diese wurden per Video aufgenommen und anhand eines Rasters von den Studierenden kritisch beurteilt. Die Reflexion des Abschlussvideos wurde an die Lehrende gesendet und floss in die Note ein (siehe [17, 18]). Im Studiengang Logopädie ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Stimme ein wichtiger Bestandteil der Präsenzlehre. Bei der Umstellung auf reine Online-Lehre im Sommersemester 2020 musste die Lehrende der Lehrveranstaltung „Atem-, Stimm6 Plattform edubreak, die die Kommentierung von Videos ermöglicht: https://edubreak.de/, abgerufen am 12.09.2021.

7 FH Joanneum: Online-Didaktik |

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und Sprecherziehung“ kreativ sein. Sie löste die unvermutete Herausforderung mit der Methode der Videoreflexion. In der Lehrveranstaltung setzen sich die Studierenden anhand von Stimmübungen mit der Wahrnehmung der eigenen Stimme auseinander. Im Selbststudium konnten sich Studierende eine Stimmübung aussuchen und diese zu Hause eine Woche lang täglich durchführen. Die erste und die letzte Stimmübung nahmen die Studierenden per Video auf, reflektierten sie dann anhand eines FrageRasters und hielten ihre Erfahrung in einem kurzen Paper fest. Videos und Texte wurden den Mitstudierenden und der Lehrenden zur Verfügung gestellt und in der Lernplattform der Hochschule kommentiert [19]. Zusammenfassend sieht man, dass die skizzierten Anwendungen gute Beispiele für eine technisch wenig aufwendige, kaum störanfällige und sehr fruchtbare Anwendung eines leicht handhabbaren Werkzeugs sind. Die Videoreflexion wird in Zukunft wohl fixer Bestandteil vieler Lehrveranstaltungen sein.

7.3.2 Visuelle Kollaboration mit Miro Bereits seit 2011 gibt es das Tool Miro.7 Diese Plattform kann man sich als große Online-Tafel (Whiteboard) im Web vorstellen, auf der gemeinsam, zeitversetzt oder gleichzeitig gearbeitet werden kann. Seit HomeOffice und Online-Studium für die meisten zur Norm wurden, stieg der Einsatz von Miro rasant an. Herbig setzte dieses Werkzeug gleich während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 im Unterricht ein. Eine interdisziplinäre Studierendengruppe von mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern arbeite ein Semester lang an Projekten und stellte die Gruppenergebnisse kontinuierlich in Miro da [20]. Im Herbst 2020 veranstaltete das eLearning-Service-Team der FH Joanneum (ZML) unterschiedliche Workshops zu Miro für Lehrende. Diese waren gut besucht, doch die Komplexität der Plattform und die oft problematische Usability führte anfangs zu chaotischen Prozessen im Online-Workshop. Mittlerweile hat Miro viele Kinderkrankheiten hinter sich gelassen und der zeitliche Aufwand zum Erlernen der wesentlichen Funktionen hat sich verringert. Miro kann in unterschiedlichen Fachbereichen eingesetzt werden (Abbildung 7.3). Im Studiengang Informationsmanagement meint der Lehrende Robert (siehe [21]): „Visualisierungen bringen Abwechslung und eine andere Perspektive in den Unterricht. Das visuelle Kollaborationstool Miro ermöglicht synchrone und asynchrone Interaktion in einer grafischen Umgebung“. Im Englisch-Unterricht im Studiengang Physiotherapie ließ Sabine Eichler (vgl. [22]) die Studierenden ein ganzes Semester lang an einem Miroboard arbeiten, welches kontinuierlich wuchs. Auch in einer interaktiven Online-Übung, angelehnt an 7 Miro ermöglicht gemeinsames visuelles Arbeiten: https://miro.com/, abgerufen am 11.10.2021.

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Abb. 7.3: Vorbereitung für eine synchrone Diskussion zur Kollegialen Beratung in Miro.

das Format des World Café8 , konnte Miro eingesetzt werden. Die „Online-Tafel“ ersetzt hier die Tischtücher, auf die üblicherweise bei einem World Café gekritzelt wird [23]. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Miro den synchronen Unterricht auflockert, die Online-Kooperation von Studierendengruppen fördert und den meisten Lernenden Spaß macht. Darüber hinaus ist es auch ein hilfreiches Tool, um vor der Durchführung von Workshops oder Lehrveranstaltungen Vorkenntnisse und Erwartungen abzufragen. Durch die visuelle Komponente weckt es mitunter erfreuliche Emotionen, wenn etwa bei einer Online-Graduierungsparty die Studierenden Fotos, Links und Kommentare auf der großen, weißen Tafel miteinander teilen.

7.3.3 Die Serie im Unterricht und Training „Serien Schauen“ ist ein ubiquitäres Phänomen. Im Februar 2020 wurde in der Hochschuldidaktik-Gruppe „HDW2 – Online Teaching“9 von einem Kollegen die Idee der „Serie“ im Unterricht aufgeworfen mit der Fragestellung, ob dieses Format als Lehrmittel eingesetzt werden könnte. Mit dem pandemiebedingten ersten Lockdown im März 2020 und der damit verbundenen Umstellung auf Online-Lehre an den österreichischen Hochschulen ergab sich ein unmittelbarer Bedarf nach Schulungsmaterialien für Lehrende und Trainerinnen und Trainer. Aufbauend auf den Diskussionen in der HDW2-Gruppe und nach kurzen Überlegungen zum Branding der Serie und zur 8 World Café: http://www.theworldcafe.com/, abgerufen am 12.09.2021. 9 HDW2 – Online Teaching: https://cdn.fh-joanneum.at/media/2020/03/Kurzbeschreibung-derInhalte-Online-Teaching.pdf, abgerufen am 21.09.2021.

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Struktur der einzelnen Episoden wurde die Idee umgesetzt. Episode 1 der Serie #didaktischekleinigkeiten mit dem Titel „Online-Unterricht vor 40 Studierenden“ wurde am 17. März 2020 veröffentlicht.10 Die Inhalte der Episoden wurden während der kommenden zwei Monate aus Anfragen von Lehrenden, Trainerinnen und Trainern sowie Studierenden entwickelt. Das Laura Bassi 4.0 Projekt #dienetzwerkerinnen bot die zeitlichen Ressourcen für die Umsetzung der Idee.11 Was eine Serie ausmacht, ist in Abbildung 7.4 dargestellt. Die anfangs festgelegte Struktur erwies sich als nützlich und wird auch aktuell in Staffel 3 angewandt. Zu jeder Episode gibt es ein Beitragsbild und einen kurzen Text zur Positionierung der Episode in der Serie. Nach dem einleitenden Absatz wird im Block „Worum geht es?“ die Problemstellung erörtert, für die es im Block „Wie lösen wir das Dilemma?“ Ideen zur Problemlösung gibt. Jede Episode endet mit einer Checkliste für Unterrichtende oder Lernende.

Abb. 7.4: Elemente einer Serie.

Die Medien Text, Comics in analoger und digitaler Form sowie Podcasts kamen zum Einsatz. Wöchentlich wurden zwei Episoden verfasst, technisch herrschte durchaus Mut zur Lücke. Weder die Grafiken noch die Podcasts wurden professionell erstellt. Der Anspruch war, Material zu produzieren, das gut genug war, um Lesende und Hörende zu unterstützen. Die Inhalte umfassten didaktische Szenarien, Ideen für spezielle Fächer (etwa Mathematik12 ), unterschiedliche Reflexionen zum Lernen oder auch Tipps für Studierende13 ). Die erste Staffel endete nach neun Episoden im Mai 2020 10 https://www.dienetzwerkerinnen.at/blog/2020/03/17/online-unterricht-vor-40-studierenden/, abgerufen am 21.09.2021. 11 Website des Laira Bassi Projekts: #dienetzwerkerinnen https://www.dienetzwerkerinnen.at/. 12 Eine Episode der Serie #didaktischekleinigkeiten für Lehrende: https://www.dienetzwerkerinnen. at/blog/2020/03/20/interaktiv-mathematik-lernen/, abgerufen am 21.09.2021. 13 Eine Episode der Serie #didaktischekleinigkeiten für Studierende: https://www.dienetzwerkerinnen.at/blog/2020/04/03/tipps-fuer-das-online-lernen/, abgerufen am 21.09.2021.

168 | J. Pauschenwein & G. Lyon mit einer Umfrage. Das Feedback wurde in Staffel 2 integriert, die bis in den Sommer hinein wöchentliche Episoden lieferte. Der Einsatz der Serie wurde in der HDW2-Gruppe, sowie in Workshops und auf Konferenzen reflektiert (siehe [24, 25]). Im Herbst 2021 war die Serie dann reif für den Einsatz im Unterricht. Im Praxisteil der Lehrveranstaltung „Webkompetenz für Kommunikationsberufe“ für Erstsemestrige des Bachelor-Studiengangs Journalismus und Public Relations14 steht der Umgang mit dem Microblogging Dienst Twitter15 im Zentrum. Die Studierenden setzen sich in vier Phasen mit dem Aufbau ihrer Webkompetenz auseinander. Die Serie #twitterpraxis bildet die vier Phasen der Lehrveranstaltung – in Twitter Schnuppern, Tweets lesen und selbst welche verfassen, das eigene Profil reflektieren und einer Vielschreiberin oder einem Vielschreiber folgen, den Fokus auf Qualität legen und kollegiales Feedback geben – in vier Episoden ab, wobei die erste per Video16 umgesetzt wurde, die anderen drei per Audio-Podcast. Die erstellten Medien dauern kürzer als vier Minuten und werden von der Lehrenden als Tweets publiziert. Die Serie stieß im Wintersemester 2020 auf gutes Echo (Abbildung 7.5) und fand Nachahmerinnen und Nachahmer unter den Studierenden, etwa in der Twitter-Serie #Blindfacts [26].

Abb. 7.5: Start der Serie #twitterpraxis, Screenshot aus dem Kurs.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit „der Serie“ Lehrende ein Format aus der Unterhaltungsindustrie aufgreifen und es für den Einsatz im Hochschulunterricht oder im Training nutzbar machen. Wenn man sich auf die Aneignung der zur Produk14 Website des Studiengangs „Journalismus und PR“: https://www.fh-joanneum.at/journalismusund-public-relations/bachelor/, abgerufen am 21.09.2021. 15 Der Microblogging-Dienst Twitter https://twitter.com/ abgerufen am 21.09.2021. 16 Episode 1 für Studierende des Studiengangs „Journalismus und PR“, Jahrgang 2021: https://youtu. be/g_wfAI5u-4w, abgerufen am 11.10.2021.

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tion erforderlichen Fertigkeiten einlässt, wird diese Investition an Zeit und Hingabe reichlich belohnt durch die motivationsfördernde Neugierde der Studierenden und die Befriedigung, die mit der kreativen Arbeit verbunden ist.

7.4 Diskussion und Vision Hochschullehrende schauen auf drei interessante und anstrengende Semester zurück. Die im Lauf der Pandemie entwickelten Kompetenzen, Konzepte und digitale Lernmaterialien haben die Hochschullehre verändert. Inwieweit diese Veränderungen nachhaltig sind, wird sich erst weisen. Dieser Artikel möchte Hochschulleitungen unterstützen zu verstehen, was die Vorteile von Online-Lernszenarien sind und sie überzeugen, dass es Elemente des Online-Unterrichts gibt, für die es in der Präsenzlehre keine Entsprechung gibt. Die Autorin und der Autor möchten Lehrende ermutigen – auch anhand der angeführten Beispiele und Quellen – zu experimentieren und beizubehalten bzw. weiterzuentwickeln, was sich in der Online-Lehre bewährt hat. Trainingsangebote sind in den virtuellen Raum abgewandert und werden möglicherweise in Zukunft weiterhin online angeboten werden. Online-Workshops oder Online-Kurse bieten flexible zeitliche Rahmenbedingungen für den Erwerb von Knowhow zu didaktischen Methoden und die Auseinandersetzung mit technischen Werkzeugen.17 Mit vermehrter Praxis kommt es in diesen Kursen zu einem engagierteren Verhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die ihre Hürden Online-Räume zu betreten und dort aktiv zu werden, abgebaut haben. Zur Frage „was geht online nicht?“ meinen die Autorin und der Autor, dass fast alles online geht. Anhand der Online-Sozialisierungsphase der Content Strategie-Studierenden ist beschrieben, wie sich Begegnungen und Beziehungsgestaltung unterscheiden – im asynchronen Online-Sozialisierungsszenario, in dem Studierende anhand von Aufgabenstellungen Texte schreiben und Links anhängen, sich online besuchen, einander auf Social Media folgen, Hobbies und Freundinnen und Freunde kennenlernen; – im synchronen Online-Szenario, in dem sich die Studierenden per Videokamera sehen und ihre Stimme hören, vor dem sie aufgeregt waren und auf das sie sich gefreut haben; – im Präsenztreffen an der Hochschule, bei dem sie sich zur selben Zeit am selben Ort befinden und vor dem sie nochmals aufgeregt sind – bei dem sie aber auch, je 17 Das Weiterbildungsangebot am ZML-Innovative Lernszenarien der FH JOANNEUM: https://www. fh-joanneum.at/joanneum-academy/seminare-kurse/zml-innovative-lernszenarien/, abgerufen am 11.10.2021.

170 | J. Pauschenwein & G. Lyon nach Anzahl der Anwesenden, beschränkt durch Ort und Zeit nicht alle anderen genauer kennenlernen können. Die Nähe-Distanz Regulierung passiert online und in Präsenz anders. Technisch vermittelte visuelle und auditive Impulse vermitteln nur ein eingeschränktes Bild der Person hinter dem Schirm und sind störanfällig. Im selben Raum zu sein, sich körperlich nahe zu sein, ermöglicht eine andere Dimension des Erlebens und Erfahrens, online kann man sich leichter entziehen. Face-to-face kann Kontrolle leichter ausgeübt werden, wobei es durchaus Bemühungen gab, Studierende etwa während OnlinePrüfungen genau mittels unterschiedlicher Tools zu kontrollieren.

7.4.1 Vision Nach der Corona-Pandemie gibt es keine Rückkehr zur rein analogen Lehre mehr. Die Pandemie hat einen enormen Modernisierungsschub gebracht. Lehrende und Lernende sind nicht mehr bereit, auf die Vorteile des Online-Studiums zu verzichten. Gemeinsam experimentieren und evaluieren sie, was online gut funktioniert und wo Unterricht und Lernprozesse auf Präsenz nicht verzichten können. Sie entwickeln die jeweils passende Mischung an flexiblen didaktischen Bausteinen, garniert mit unterschiedlichen Medien und Tools. Curricula und Verwaltungssysteme werden neugestaltet, um diesen Lernprozessen den nötigen Spielraum zu geben. Auch sie sind flexibel nutzbar, werden kontinuierlich evaluiert und im Dienst der Nutzerinnen und Nutzer weiterentwickelt. Studierende setzen sich mit ihrer Art zu lernen auseinander und nehmen die Herausforderungen lebenslangen Lernens an. Sie wissen, dass niemand, der oder die heute mit einer Ausbildung, mit einem Studium beginnt, in dem ursprünglich angepeilten Beruf in Pension gehen wird. Sie sind sich bewusst, dass flexible, berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungen größtenteils online angeboten werden. Der Digital Gap (vgl. [27]) ist verschwunden, alle haben Zugang zu flexibler Ausund Weiterbildung. Gute Bildung ist kein Privileg mehr.

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Christian Kreidl & Ullrich Dittler

8 Erfahrungen von Studentinnen und Studenten mit drei Semestern digitaler Lehre Erwartungen der Lernenden an zeitgemäße Hochschullehre und betriebliche Weiterbildung Zusammenfassung: Im Rahmen mehrerer Studien mit rund 12.000 Teilnehmern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden Erfahrungen von Studentinnen und Studenten mit der digitalen Online-Lehre der vergangenen sogenannten „CoronaSemester“ erhoben. Diese aktuellen Ergebnisse können im vorliegenden Beitrag Erhebungsergebnissen gegenübergestellt werden, die die Einstellung von Studierenden gegenüber elektronischen Lehr- und Lernangeboten bereits vor Corona ermittelt und dokumentiert haben – zu einer Zeit, als Hochschulunterricht noch von traditioneller Präsenzlehre geprägt war. Aus der Gegenüberstellung der Ergebnisse können Entwicklungen und Einstellungsänderungen abgeleitet werden, die Hinweise darauf geben, welche Erwartungen die aktuellen Studierenden als angehende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch an zukünftige Bildungsangebote der betrieblichen und außerbetrieblichen Bildung stellen werden. Schlagwörter: Lehre, Online-Lehre, Hochschullehre, Hochschuldidaktik, Weiterbildungsangebote, betriebliche Aus- und Weiterbildung

8.1 Beschreibung der empirischen Studie 8.1.1 Ausgangslage Wie in Kapitel 1 dieses Buches gezeigt werden konnte, nimmt seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Einsatz elektronischer Lehr- und Lernformen sowohl in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, als auch in schulischen und hochschulischen Bildungsangeboten, kontinuierlich zu. Diese Entwicklung wird begleitet von zahlreichen Veröffentlichungen, die sich mit unterschiedlichem Fokus und mit unterschiedlicher Zielsetzung dem Thema nähern: – Es gibt Veröffentlichungen, die sich eher grundsätzlich mit den vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung an Hochschulen befassen, wie dies beispielsweise Scheer (siehe [1]) in seinem Beitrag, aber auch Henke & Pasternack (siehe [2]) in ihrem Sammelband sowie Winde (siehe [3]) tun.

https://doi.org/10.1515/9783110754728-008

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Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen, die sich auf mediendidaktische und hochschuldidaktische Aspekte fokussieren; beispielhaft sei hier auf Kerres (siehe [4]), Mayerberger (siehe [5]) aber auch auf die gerade erst erschienen Sammelbände von Noller et al. (siehe [6]) sowie Hattula, Hilger-Sekowsky & Schuster (siehe [7]) aber auch den umfangreichen Sammelband von Fürst (siehe [8]) verwiesen. Konkreter und praxisnäher sind Publikationen ausgerichtet, die sich mit Unterrichtsdidaktik unter Integration digitaler Medien befassen, wie dies beispielsweise Heusinger (siehe [9]), Möslein-Tröppner & Bernhard (siehe [10]) und Klee, Wampfler & Krommer (siehe [11]) in ihren Schriften tun. Stetig erweitert wird auch die umfangreiche Literatur zum konkreten Einsatz von digitalen Tools in der Hochschullehre. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die neuere Literatur von Wipper & Schulz (siehe [12]) als auch Dogerloh & Wolf (siehe [13]). Zudem wurde in den letzten Monaten zunehmend Veröffentlichungen publiziert, die sich mit der Hochschullehre unter Corona-Bedingungen befassen und die gemachten Erfahrungen zusammentragen, um hieraus Empfehlungen abzuleiten. Beispielhaft sei hier verwiesen auf die Veröffentlichungen von Sälzle et al. (siehe [14]), sowie die Monografie von Frey & Uemminghaus (siehe [15]) und das Sammelwerk von Dittler & Kreidl (siehe [16]).

Auffällig ist – auch beim Blick auf die genannte aktuelle Literatur zum Themenfeld –, dass die hochschuldidaktischen Überlegungen und die Betrachtung und Vorstellung von Good-/Best-Practice-Beispiele der mediengestützten Hochschullehre fast immer aus der Sicht der Lehrenden erfolgen. Dieses Vorgehen ist zwar naheliegend; gerade bei den derzeit zu beobachtenden massiven Veränderungen der Hochschullehre ist es aber auch sehr aufschlussreich, die Perspektive der Studierenden ebenfalls zu berücksichtigen und deren Erfahrungen abzufragen, um sie bei der Nach-/Feinjustierung des Medieneinsatzes in der Hochschullehre berücksichtigen zu können. Außerdem bilden die Erfahrungen der Studierenden die Basis für deren Erwartungen an zukünftige Bildungsangebote der betrieblichen und außerbetrieblichen Weiterbildung. Diese studentische Perspektive – sowie die Veränderung dieser studentischen Perspektive in den vergangenen Corona-Semestern – steht daher im Zentrum dieses Beitrags.

8.1.2 Vorstellung der unterschiedlichen empirischen Studien Für die folgende Darstellung der Ergebnisse konnten Daten aus unterschiedlichen Studien zusammengeführt werden; insgesamt haben an den zitierten Studien rund 12.000 Studentinnen und Studenten teilgenommen: – In der zeitlich ersten Studie (durchgeführt Dezember 2008 bis Juli 2009) wurden Erfolgsfaktoren für die Anwendung von eLearning an Hochschulen untersucht.

8 Erfahrungen von Studentinnen und Studenten mit drei Semestern digitaler Lehre



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Insgesamt wurden dabei rund 400 Fragebögen ausgewertet; an der Studie nahmen sieben verschiedene Hochschulen aus Deutschland und Österreich teil (die Ergebnisse wurden von Kreidl in [17] veröffentlicht). 2015 wurden rund 1.300 Studierende österreichischer und deutscher Hochschulen zu ihrem Mediennutzungsverhalten befragt, neben Sozial-Media-Nutzung wurden dabei auch Aspekte des eLearning thematisiert (ausgewählte Aspekte dieser Befragung wurden 2017 veröffentlicht in [18]).

Diese frühen Daten können im Folgenden aktuellen studentischen Antworten zur Bedeutung eLearning gegenübergestellt werden: – 2017 wurde eine Befragung zum Themenfeld „Neue Technologien im Unterricht“ durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie wurden über 4.000 Studierende aus Deutschland und Österreich befragt (ausgewählte Aspekte dieser Befragung wurden 2018 von Kreidl & Dittler veröffentlicht in [19]). – Ebenfalls 2017 entstand die Studie zum Thema „Arbeitswelt 2017“, in der aktuelle Veränderungen und Trends in der Arbeitswelt (auch von berufstätigen Studierenden) untersucht wurden. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden insgesamt ungefähr 400 Personen befragt (ausgewählte Aspekte dieser Studie wurden 2019 veröffentlicht in [20]). – Zum Themenfeld „Medieneinsatz und Lernverhalten“ wurde 2019 eine Befragung unter rund 400 deutschen und österreichischen Studentinnen und Studenten durchgeführt. (ausgewählte Aspekte dieser Befragung wurden 2020 veröffentlicht in [21]). – Im Juni und Juli 2020, d. h. am Ende des ersten von Corona-geprägten Sommersemesters, konnte eine – teilweise papiergestützt und teilweise onlinebasierte – Erhebung unter 3.534 Studierenden verschiedener deutscher, österreichischer und einer Hochschule in der Schweiz durchgeführt werden. 2.576 der Teilnehmenden (dies entspricht 72,9 %) gaben an, in Deutschland ihren ständigen Wohnsitz zu haben (1.473 hiervon waren Studentinnen und Studenten der Hochschule Furtwangen), 799 Teilnehmende nannten Österreich als Land ihres Wohnsitzes (entspricht 22,6 %) und 116 Teilnehmende die Schweiz (entspricht 3,3 %). 43 Teilnehmende haben ihren ständigen Wohnsitz in einem anderen Land (dies entspricht 1,2 % der Befragten). In der Studie wurden Fragen zur digitalen Lehre, zu den digitalen Prüfungen aber auch zu den vielfältigen und unterschiedlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das studentische Leben erfragt.1

1 In diesem Buchbeitrag werden nur ausgewählte Teile dieser umfangreichen Studie vorgestellt, für weitere Informationen sei daher auf die genannte Quelle [22] sowie die umfangreiche Ergebnisauswertung in [23] verwiesen.

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Am Ende des Wintersemesters 2020/21, d. h. des zweiten von Corona-geprägten Semesters, nahmen insgesamt 1.144 Studierende der Hochschule Furtwangen an einer online durchgeführten Umfrage zur digitalen Lehre und der Studiensituation des vergangenen Semesters teil.2 Da weitgehend die gleichen Fragen gestellt wurden, wie im vorangegangenen Semester, ergeben sich gute Möglichkeiten der Gegenüberstellung der Ergebnisse. Am Ende des Sommersemesters 2021, des dritten von Corona-geprägten Semesters, wurden nochmals die Studentinnen und Studenten der Hochschule Furtwangen zu ihren Erfahrungen mit Online-Lehre und Online-Prüfungen im vergangenen Semester befragt (wiederum mit weitgehend dem gleichen Fragebogen, der sich schon in den beiden vorangegangenen Semestern bewährt hatte). Diesmal nahmen insgesamt 822 Studierende an der ebenfalls online durchgeführten Umfrage teil,3 so dass weitere Daten für einen Vergleich der Ergebnisse über die drei Corona-geprägten Semester zur Verfügung stehen.

8.2 Ergebnisse der empirischen Studien Die im Folgenden dargestellten ausgewählten Ergebnisse aus den genannten Befragungen von Studentinnen und Studenten sollen dabei in drei aufeinander aufbauenden Bereichen gegliedert betrachtet werden: – Zunächst geht es in Abschnitt „8.2.1 Erleben der digitalen Lehre und Prüfungen in den Corona-Semestern“ um die studentische Wahrnehmung der digitalen Lehre und Prüfungen der vergangenen Semester, die Corona-bedingt durch digitale Lehre geprägt waren (Sommersemester 2020, Wintersemester 2020/21 sowie Sommersemester 2021): Funktionierten Lehre und Prüfungen aus Sicht der Studierenden? Wie beurteilen Studentinnen und Studenten die Qualität der digitalen Angebote? Und wurden die Corona-Semester als vollwertige oder eher als verlorene Semester erlebt? – Im folgenden Unterkapitel „8.2.2 Wünsche vor dem Hintergrund der Corona-Zeit“ wird dargestellt wie die Studierenden die veränderten Anforderungen digitaler Bildungsangebote erlebt haben, da diese sich oft in Strukturvorgaben und Freiheiten von traditionellen Präsenzangeboten unterscheiden und ein verändertes Selbst- und Zeitmanagement von Studierenden erfordern. – Im anschließenden Unterkapitel „8.2.3 Einschätzungen zur Bedeutung von eLearning im Zeitverlauf “ werden aktuelle Erhebungsergebnisse der Studierendenbefragung aus den Corona-Semestern zur Frage der zukünftigen Relevanz von digi2 In diesem Buchbeitrag werden auch von dieser umfangreichen Studie nur ausgewählte Teile vorgestellt, für weitere Informationen sei daher auf die komplette Ergebnisauswertung in [24] verwiesen. 3 Die komplette Ergebnisauswertung dieser umfangreichen Studie ist in [25] zu finden.

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talen Bildungsangeboten und auch zur zukünftigen Relevanz von Präsenzlehrangeboten den entsprechenden Erhebungsdaten aus der Zeit „vor Corona“ gegenübergestellt, so dass sich hieraus auch konkrete Empfehlungen für die Ausgestaltung der jeweiligen Bildungsangebote ableiten lassen.

8.2.1 Erleben der digitalen Lehre und Prüfungen in den Corona-Semestern Durch die erste Corona-Welle sahen sich viele Hochschulen veranlasst innerhalb kürzester Zeit ihre Lehre von traditioneller Präsenzlehre auf Online-Lehre umzustellen (wie in [16] aus der Perspektive unterschiedlicher Hochschulen dargestellt ist) – zahlreiche Hochschulen haben daher anschließend auch Befragungen der Studentinnen und Studenten durchgeführt um Feedback zu den neuen digitalen Vermittlungsformen zu erhalten (und ggf. für die folgenden, ebenfalls noch massiv von Corona beeinflussten Semester – nachjustieren zu können) (siehe hierzu beispielsweise die Ausführungen von Göbel, Makarova, Neuber & Kaqinari in [26]). Einige Hochschulen haben diese mit Beginn der Krise begonnenen Befragungen seither regelmäßig wiederholt, so dass sich neben den Ergebnissen als temporäre Bestandsaufnahmen auch erste Entwicklungen über die Zeit – im Sinne einer Langzeitstudie – interpretieren lassen. In diesem und dem folgenden Kapitel werden daher vier Befragungen bzw. Ergebnisse analysiert und verglichen: Die drei Befragungen der Hochschule Furtwangen aus dem Sommersemester 2020, Wintersemester 2021 und Sommersemester 2021. Als Gesamtvergleich sind außerdem die Ergebnisse der anderen Hochschulen 2020 (siehe [22]) angeführt. Zu Beginn der Befragung (siehe [23]), aus der ausgewählte Ergebnisse hier dargestellt werden sollen, wurden die Studierenden nach ihrem zusammenfassenden Gesamteindruck zur Online-Lehre des Sommersemesters 2021 gefragt. Abbildung 8.1 zeigt die Einschätzung der Studierenden zur Aussage „Insgesamt funktionierte die Lehre im Sommersemester 2021 …“; hierzu wurde eine fünfstufige Beurteilungsskala von „sehr gut“ über „eher gut“, „teils, teils“ bis „eher nicht“ und „überhaupt nicht“ verwendet. Mit 63,8 % bewerten knapp zwei Drittel der befragten Studierenden die Online-Lehre positiv, nur weniger als 10 % (exakt 9,4 %) äußern eine negative Einschätzung. Immerhin etwas mehr als ein Viertel (26,9 %) der befragten Studentinnen und Studenten beantworten die Frage mit einem unentschiedenen „teil, teils“. Es lässt sich mit Blick auf dieses Ergebnis für das Sommersemester 2021 ein positives Fazit ziehen: Die Durchführung der Online-Lehre des dritten von Corona geprägte Semesters hat in der Einschätzung der Studierenden mehrheitlich „sehr gut“ oder „eher gut funktioniert“. Im Vergleich dieser Befragungsergebnisse zu den vorangegangenen beiden – ebenfalls von Corona-bedingter Online-Lehre geprägten – Semestern zeigt sich eine

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Abb. 8.1: Antworten der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Insgesamt funktionierte die Lehre im Sommersemester 2021 …“.

positive Entwicklung: Während im Sommersemester 2020 nur 44,1 % der Studentinnen und Studenten der Hochschule Furtwangen die Lehre als „sehr gut“ oder „eher gut“ bewerteten, stieg der Anteil dieser Einschätzung im Wintersemester 2020/21 auf 60,3 % und im Sommersemester 2021 auf die oben bereits genannten 63,8 %. Parallel hierzu sank der Wert der negativen Beurteilung (Antwortoptionen „eher nicht“ und „überhaupt nicht“) wie in Abbildung 8.2 zu sehen ist von 17,1 % im Sommersemester 2020 über 10,6 % im Wintersemester 2020/21 auf die genannten 9,4 % im Sommersemester 2021. Auch der Anteil der Studierenden, der die Antwortoption „teils, teils“ wählte sank vom Sommersemester 2020 von 38,3 % über 29,1 % im Wintersemester 2020/21 auf 26,9 % im Sommersemester 2021.4 Neben der Online-Lehre sollten auch die (Online-)Prüfungen der Corona-Semester von den Studierenden bewertet werden. Wie in Abbildung 8.3 zu sehen ist, wurde auch der Ablauf der Prüfungen im Sommersemester 2021 von den befragten Studierenden mehrheitlich positiv beurteilt: 72,0 % der Studentinnen und Studenten bewerteten die die Prüfungsdurchführungen als „sehr gut“ oder „eher gut“, 19,9 % antworteten mit einem als neutral zu bewertenden „teils, teils“ und eine negative Beurteilung durch die Wahl der Antwortoption „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ wählten zusammen 8,0 % der Befragten. 4 In der genannten Grafik sind ergänzend zu den Umfrageergebnisse der Hochschule Furtwangen (HFU) auch die Umfrageergebnisse des Sommersemesters 2020 von den anderen beteiligten Hochschulen dargestellt; da diese Ergebnisse sich nur wenig von den zitierten Ergebnissen der HFU unterscheiden, kann vermutet werden, dass die in Furtwangen belegten positiven Entwicklungen der Beurteilung der Online-Lehre sich auch an anderen Hochschulen in den vergangenen Semestern in ähnlicher Form entwickelt haben.

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Abb. 8.2: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Frage „Insgesamt funktionierte die Lehre …“. Während sich die rechten drei Säulen auf die Studierenden der Hochschule Furtwangen beziehen, sind in der ersten Säule („Andere Sommersemester 2020“) zum Vergleich die Ergebnisse der 2.052 Befragungsteilnehmenden der anderen deutschen, österreichischen und schweizer Hochschulen dargestellt.

Abb. 8.3: Antworten der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Insgesamt funktionierten die Prüfungen im Sommersemester 2021 …“.

180 | C. Kreidl & U. Dittler Auch bei den Studierendenbefragungen in den vorangegangenen beiden Semestern (Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/21) wurde um Beantwortung dieser Frage gebeten, so dass sich auch hier die studentischen Aussagen zu den von Corona geprägten Prüfungen der letzten drei Semester vergleichen lassen: Es zeigt sich – ähnlich wie bei der Bewertung der Lehre (siehe oben) – eine positive Entwicklung: Im Sommersemester 2020 komplettierten nur 58,4 % der befragten Studierenden den Satz „Insgesamt funktionierten die Prüfungen im Sommersemester …“ mit „sehr gut“ oder „eher gut“ (auch hier liegen die Ergebnisse der verschiedenen befragten Hochschulen so dicht beieinander, so dass auf die Unterschiede im Folgenden nicht eingegangen wird). Im Wintersemester 2020/21 stieg der Anteil der Studierenden, die eine dieser positiven Bewertungen abgaben leicht auf 59,5 % und im dritten von Coronageprägten Semester lag der Anteil (wie oberen bereits dargestellt) bei 72 % Da sich die als neutrale zu bewertenden Antworten („teils, teils“) in den Befragungen im Sommersemester 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 von 28,7 % über 25,8 % zu den bereits erwähnten 19,9 % entwickeln, lag entsprechend der Anteil der Studierenden, die den Prüfungen ein „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ funktionieren attestierten, im Sommersemester 2020 bei 12,9 %, stieg im Wintersemester 2020/21 leicht auf 14,7 % und sank im Sommersemester 2021 deutlich auf die bereits oben zitierten 8,0 %, dargestellt in Abbildung 8.4.

Abb. 8.4: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Frage „Insgesamt funktionierten die Prüfungen …“.5

5 Die Darstellung erfolgt analog zur Abbildung 8.2.

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Vor allem zu Beginn der ersten Corona-Welle und der hierdurch bedingten kurzfristigen Umstellung der traditionellen Präsenzlehre auf Online-Lehrformate wurde die Frage nach der Qualität der so angebotenen Online-Lehre im Vergleich zur erprobten Präsenzlehre diskutiert. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion wurden auch die Studentinnen und Studenten in den Umfragen um Bewertung der Qualität der Lehre gebeten. Den Satz „Die Qualität der Online-Lehre ist (im Vergleich zur klassischen Präsenzlehre) meiner Meinung nach …“ beendeten im Sommersemester 2021 14,5 % mit „bedeutend höher“ (5,5 %) oder „eher höher“ (9,0 %), während 27,9 % keinen Unterschied zwischen den Vermittlungsformen ausmachen konnten (Antwortoption „etwa gleich“) und mehr als die Hälfte der Studierenden (exakt: 57,6 %) eine „eher geringere“ (31,8 %) oder „deutlich geringere“ (25,8 %) Lehrqualität wahrgenommen haben. 21,5 % der Befragten gaben (wie in Abbildung 8.5 dargestellt) an, die Frage nicht beantworten zu können, da sie noch keine Präsenzlehre an der Hochschule erlebt haben.

Abb. 8.5: Antworten der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Die Qualität der Online-Lehre ist (im Vergleich zur klassischen Präsenzlehre) meiner Meinung nach …“.

In dem in Abbildung 8.6 dargestellten zeitlichen Verlauf über die drei Corona-Semester zeigt sich, dass die Lehrqualität von den befragten Studierenden durchaus kritisch bewertet wird: Im ersten Corona-Semester (Sommersemester 2020) lag der Anteil der Studierenden, die eine Steigerung der Lehrqualität durch Online-Lehre attestierten bei 13,0 %, sank im Wintersemester 2020/21 auf 9,5 % um im Sommersemester 2021 mit 9,2 % bei einem ähnlichen Wert zu liegen. Als „etwa gleich“ bewerteten im Sommersemester 2020 24,0 % der Befragten, im Wintersemester 2020/21 25,1 % der Studierenden und im Sommersemester 2021 21,7 % die Qualität der angebotenen Lehre; während

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Abb. 8.6: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Frage „Die Qualität der Online-Lehre ist (im Vergleich zur klassischen Präsenzlehre) meiner Meinung nach …“.7

der Anteil der Studierenden, die die Lehrqualität als „eher geringer“ oder „deutlich geringer“ bewertete von 62,7 % im Sommersemester 2020 über 65,4 % im Wintersemester 2020/21 deutlich auf 45,4 % im Sommersemester 2021 verbesserte.6 Dennoch bescheinigt dieses studentische Feedback, dass es bei der Qualität der Online-Lehre noch deutliches Entwicklungspotential gibt, auch wenn zu bedenken ist, dass die Ergebnisse nicht direkt zu vergleichen sind, da die Antwortoption „Die Frage kann ich nicht beantworten, da ich noch keine Präsenzlehre an der HFU erlebt habe.“ erst ab Wintersemester 2020/21 zur Auswahl stand. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch der Vergleich mit den Ergebnissen der ersten Frage zur Online-Lehre: dort wurde ja attestiert, dass die Lehre durchaus sehr oder gut (und nur zu geringen Teilen nicht) funktioniert hat. Parallel zur Diskussion um die Qualität der kurzfristig eingeführten Online-Lehre war im Frühjahr auch eine Diskussion zu beobachten, die sich mit der Frage beschäftigte, inwieweit das Sommersemester 2020 sich ggf. als „verlorenes Semester“ (so die Befürchtung des Präsidenten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Joybrato Mukherjee, siehe [27]) für die Studierenden herausstellen wird. Na6 Während im Sommersemester 2021 21,5 % der Befragten angeben, die Frage nicht beantworten zu können, da sie vor den Corona-Semestern noch keine Präsenzlehre an der HFU erlebt haben, lag der Anteil dieser Antwort im davorliegenden Wintersemester 2020/21 bei 14,9 % (im Sommersemester 2020 wurde diese Antwortoption nicht angeboten). 7 Auch hier erfolgt die Darstellung analog zur Abbildung 8.2.

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heliegenderweise wurden auch hierzu die Studierenden in den Umfragen um ihre Einschätzung gebeten (siehe Abbildung 8.7): Im Sommersemester 2021 bewerteten 39,2 % der Befragten das Semester als „komplett vollwertiges“ Semester, 29,1 % als „eher vollwertiges“ Semester. Diesen 68,3 % mit einer positiven Bewertung des Semesters standen 13,7 % gegenüber, die das Semester als „eher verloren“ (10,0 %) oder „komplett verloren“ (3,7 %) bewerteten, während 18,0 % eine „reduzierte“ inhaltliche Anforderungen und Wertigkeit des Semesters wahrnahmen.

Abb. 8.7: Antworten der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Bezogen auf die Inhalte und die Anforderungen ist dieses Semester für mich ein …“.

Die positive Entwicklung über die drei Corona-geprägten Semester, die sich schon bei der eingangs dargestellten Frage zu Online-Lehre zeigte („Insgesamt funktioniert die Online-Lehre …“), spiegelt sich auch in der Einschätzung der Wertigkeit wider (siehe Abbildung 8.8): Während im Sommersemester 2020 51,3 % der Befragten das Semester als „komplett vollwertig“ oder „eher vollwertig“ bewerteten, stieg dieser Anteil im Wintersemester 2020/21 auf 63,3 % und im Sommersemester 2021 auf die bereits erwähnten 68,3 %. Während die Einschätzung der Wertigkeit über die Semester steigt, sinkt der Anteil der Studierenden, die das jeweilige Semester als „eher verloren“ oder „komplett verloren“ bewerten von 21,1 % im Sommersemester 2020 über 15,9 % im Wintersemester 2020/21 auf die bereits genannten 13,7 % im Sommersemester 2021. Parallel sinkt auch der Anteil der Studierenden, die die mittlere Option (Antwortoption „reduziert“) wählten von 27,6 % im Sommersemester 2020 über 20,7 % im Wintersemester 2020721 auf 18,0 % im Sommersemester 2021.

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Abb. 8.8: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Frage „Bezogen auf die Inhalte und die Anforderungen ist dieses Semester für mich ein …“.

Es kann mit Blick auf die Antworten auf die Frage nach dem Funktionieren der Lehre und der Einschätzung der Wertigkeit eines Semesters vermutet werden, dass hier ein direkter Zusammenhang besteht: Wenn die Lehre (technisch) gut funktioniert, wird das Semester von den Studentinnen und Studenten als vollwertiger erlebt. Auch wenn die digitale Lehre an den Hochschulen im Frühjahr 2020 vorrangig mit dem Ziel eingeführt wurde, einen drohenden (Total-)Ausfall des Semesters zu vermeiden, entwickelten sowohl die Studierenden, als auch die Lehrenden in den von Online-Lehre geprägten Semestern unterschiedliche (Medien-)Kompetenzen im Umgang mit digitalen Kommunikations-, Kooperations- und Kollaborationstools, die später in einer zunehmend digital geprägten Lebenswelt ebenfalls nützlich sein können. Die Studentinnen und Studenten wurden daher auch gebeten anzugeben, inwieweit sie der Aussage „Ich glaube, dass ich durch die zusätzlichen digitalen Unterrichtsformen in diesem Semester besonders gut auf die kommenden Herausforderungen meines zukünftigen Arbeitslebens vorbereitet bin.“ zustimmen. In Abbildung 8.9 sind zunächst die Ergebnisse des Sommersemesters 2021 dargestellt: 37,6 % stimmten dieser Aussage „vollkommen“ (11,5 %) oder „überwiegend“ (26,1 %) zu, während rund ein Drittel eine solche besonders gute Vorbereitung „kaum“ (20,8 %) oder „gar nicht“ (11,7 %) sahen und 29,9 % „teilweise“ als Antwortoption auswählten. Der in Abbildung 8.10 dargestellte zeitliche Verlauf über die drei Corona-Semester zeigt, dass die Zustimmung zur Aussage (Antwortoptionen „vollkommen“ und „überwiegend“) sich von 34,0 % im Sommersemester 2020 über 29,7 % im Wintersemester 2020/21 zu 37,6 % im Sommersemester 2021 steigerte, während die Ablehnung der

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Abb. 8.9: Zustimmung der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Ich glaube, dass ich durch die zusätzlichen digitalen Unterrichtsformen in diesem Semester besonders gut auf die kommenden Herausforderungen meines zukünftigen Arbeitslebens vorbereitet bin.“

Abb. 8.10: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Aussage „Ich glaube, dass ich durch die zusätzlichen digitalen Unterrichtsformen in diesem Semester besonders gut auf die kommenden Herausforderungen meines zukünftigen Arbeitslebens vorbereitet bin.“

186 | C. Kreidl & U. Dittler Aussage (Antwortoptionen „kaum“ und „gar nicht“) von 32,4 % im ersten CoronaSemester über 36,0 im zweiten Corona-Semester auf 32,5 % im dritten Corona-Semester recht ähnlich blieb. Als Zwischenfazit kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die onlinegeprägte Lehre über die drei Corona-Semester hinweg von den Studentinnen und Studenten als zunehmend besser funktionierend wahrgenommen wird. Ähnliche positive Entwicklungen können auch bei den Prüfungen beobachtet werden. Auch wenn die von Online-Lehre geprägten vergangenen Corona-Semester zunehmend von den Studierenden als vollwertige Semester erlebt werden, geben die studentischen Einschätzungen zur Qualität der Online-Lehre Anlass, sich detailliert anzusehen, welche Wünsche an Struktur und Begleitung sowie Freiheiten die Studierenden an Online-Lehre haben – dies soll im folgenden Abschnitt geschehen.

8.2.2 Wünsche vor dem Hintergrund der Corona-Zeit Noch nie in der Hochschulgeschichte gab es die Situation, dass (nahezu) alle Lehrveranstaltungen im Online-Format durchgeführt werden mussten. Dadurch eröffnete sich aber auch aus der Perspektive der eLearning-Forschung, die einzigartige Möglichkeit zahlreiche (eigentlich alle) Studierende zu befragen, die tatsächlich Online-Lehre erlebt haben. Vor diesem Hintergrund geht es in diesem Abschnitt um die konkreten Wünsche und persönlichen Einschätzungen der Studierenden. Ein immer wieder genanntes Charakteristikum von asynchroner Online-Lehre ist die Möglichkeit für die Studierenden, sich die Zeit selbst einzuteilen. Allerdings könnte eine komplett freie Zeiteinteilung oder Vorgabe von Strukturen auch eine Überforderung an das Selbstmanagement der Studierenden darstellen. Im Rahmen der Befragung wurde daher auch das folgende Zustimmungs-Item vorgelegt: „Für mich persönlich ist es hilfreich, klare Zeitstrukturen bei der Online-Lehre zu haben (im Gegensatz zu reiner Selbstorganisation)“. Die Ergebnisse aus dem Sommersemester 2021 sind in Abbildung 8.11 dargestellt. Es zeigte sich, dass rund 65 % der Studierenden dieser Aussage nach der Bedeutung von klaren Zeitstrukturen bei der Online-Lehre zustimmten. Nur für sehr wenige Studierende (rund 10 %) ist es eher oder gar nicht hilfreich, klare Zeitstrukturen zu haben. Auch die Entwicklung im Zeitverlauf bei diesem Frageitem zeigt, dass keine wesentlichen Veränderungen bei den Antworten zu erkennen sind. Bereits im Jahr 2020 stimmten rund 67 % dieser Aussage vollkommen oder überwiegend zu, dargestellt in Abbildung 8.12. Einerseits könnte man dieses Ergebnis als ein wenig überraschend interpretieren, da ja auf den ersten Blick das starke Argument für Online-Lehre – anytime und anywhere – von geringerer Bedeutung erscheint. Andererseits könnte die Tendenz bei den Antworten auch bedeuten, dass die Studierenden zwar eine Zeitstruktur als hilfreich

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Abb. 8.11: Zustimmung der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Für mich persönlich ist es hilfreich, klare Zeitstrukturen bei der Online-Lehre zu haben (im Gegensatz zu reiner Selbstorganisation).“

Abb. 8.12: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Frage „Für mich persönlich ist es hilfreich, klare Zeitstrukturen bei der Online-Lehre zu haben (im Gegensatz zu reiner Selbstorganisation)“.

erachten, diese allerdings selbst gestalten wollen. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Hochschule genug Struktur für das Online-Lernen vorgibt.

188 | C. Kreidl & U. Dittler Genau dieser Aspekt wurde in einer der nächsten Fragen erhoben: Die Studierenden sollten zur Aussage „Ich hätte gerne für das Online-Lernen mehr Struktur von der Hochschule vorgegeben“ das Maß ihrer Zustimmung angeben. Hier zeigte sich, wie Abbildung 8.13 darstellt, ein nicht eindeutiges Bild bei den Antworten. Einerseits stimmten rund 36 % der im Sommersemester 2021 Befragten der Aussage vollkommen oder überwiegend zu, andererseits gab es auch zu rund 37 % „kaum“ oder „gar keine“ Zustimmung. Und auch in der Mitte, also bei teilweiser Zustimmung, finden sich 29 % der Antworten. Es zeigt sich also hier, dass das Ausmaß der vorgegebenen Struktur von der Hochschule sehr unterschiedlich empfunden wird. Dies bedeutet wohl auch für die Gestaltung und Entscheidung hinsichtlich der Struktur, dass es schwierig ist eine Lösung zu finden, die für alle Studierenden passt!

Abb. 8.13: Zustimmung der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Ich hätte gerne für das Online-Lernen mehr Struktur von der Hochschule vorgegeben.“

Im Zeitverlauf ist eine leichte Verschiebung bei der Zustimmung zu beobachten, dargestellt in Abbildung 8.14: Während im Jahr 2020 nur rund 22 % der Aussage nach mehr Struktur kaum oder gar nicht zustimmten, wuchs dieser Anteil bis ins Jahr 2021, wie schon erwähnt, auf rund 37 % – ein doch erwähnenswerter Anstieg. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass gerade zu Beginn das rasche Zur-Verfügung-Stellen von Lerninhalten im Mittelpunkt stand und dabei nicht immer eine passende Struktur angeboten werden konnte. Nach einigen Erfahrungen im Laufe der folgenden Semester und damit verbundenen Verbesserungen könnte die Struktur näher an die Wünsche der Studierenden herangerückt sein. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit für diese Verschiebung könnte auch darin liegen, dass sich die Studierenden weitgehend an

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Abb. 8.14: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Frage „Ich hätte gerne für das Online-Lernen mehr Struktur von der Hochschule vorgegeben.“

den hohen Anteil von Selbstorganisation (und der damit verbundenen hohen Selbstdisziplin) gewöhnt haben und damit von der Hochschule nicht mehr so viel Struktur vorgegeben haben wollen. Dies würde auch die eher deutlichen Unterschiede zwischen 2020 und 2021 erklären. Aber gibt es diese Freiheiten bei der Online-Lehre überhaupt? Auch wenn die Literatur (siehe beispielsweise [28, 29] oder [30] sich bei der Antwort sehr einig ist, sollten die Studierenden in diesem Bereich auch direkt gefragt werden. Abbildung 8.15 zeigt die Ergebnisse der Zustimmung des Sommersemesters 2021 zur Aussage „Durch das Online-Lernen habe ich mehr Freiheiten als bei der klassischen Form des Präsenzunterrichts“. Die Tendenz bei den studentischen Antworten stützt die Einschätzung in der Literatur eindeutig: Rund 61 % stimmten der Aussage „vollkommen“ oder „überwiegend“ zu. Beachtlich erscheint aber auch der Anteil von rund 18 %, die dieser Aussage kaum oder gar nicht zustimmen und somit die Freiheiten bei der Online-Lehre also nicht höher einschätzen als beim Präsenzunterricht. Hier könnte eine Erklärungsmöglichkeit darin bestehen, dass bei der Corona-Lehre auch viele Lehrveranstaltungen in synchroner Form stattgefunden haben (also beispielsweise als Live-Stream ohne Möglichkeit, diesen Stream später nochmal anzusehen). Bei dieser Form der Lehre sind die Freiheiten nur örtlicher oder organisatorischer Natur – man kann auch in legerer Kleidung teilnehmen – allerdings nicht zeitlicher Form. Viele theoretische Ausführungen in der Literatur beziehen sich jedoch auf asynchrone Lernformate (also beispielsweise Lernvideos oder eLearning-Module), die ein höheres Maß an Freiheit bieten.

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Abb. 8.15: Zustimmung der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Durch das Online-Lernen habe ich mehr Freiheiten als bei der klassischen Form des Präsenzunterrichts.“

Auch bei diesem Themenblock konnte eine zeitliche Entwicklung verfolgt werden; dargestellt in Abbildung 8.16. Auch wenn die Prozentsätze der Zustimmung ein wenig variieren, kann kein eindeutiger Trend und keine Verschiebung bei den Antworten festgestellt werden. Sowohl die grundsätzlich große Zustimmung, im Jahr 2020 bei den anderen befragten Hochschulen beispielsweise rund 59 %, als auch die Gruppe der Studierenden, die nicht mehr Freiheiten empfinden, im Jahr 2020 bei den anderen befragten Hochschulen rund 20 %, ist nahezu gleich groß wie im Jahr 2021. Freiheiten bei der Durchführung der Online-Lehre auf der einen Seite, sind auf der anderen Seite auch mit der Notwendigkeit verbunden, sich selbst organisieren zu können. Wie geht es den Studierenden damit? Das nächste Zustimmungs-Item der Studie hat genau diese Frage mit der Aussage „Es fällt mir leicht, mich selbst für das Online-Lernen zu organisieren“ betrachtet. Wie in Abbildung 8.17 dargestellt, geht die Tendenz hier in Richtung Zustimmung: ungefähr 52 % der im Sommersemester 2021 befragten stimmten der Aussage entweder vollkommen oder überwiegend zu. Erwähnenswert ist hier vielleicht, dass die größte Gruppe sich bei der teilweisen Zustimmung (32,6 %) findet. Rund ein Viertel der Studierenden sieht diesen Bereich gemischt, und immerhin rund 23 % fällt es tendenziell nicht leicht, sich für das OnlineLehren zu organisieren. Dies könnte auch als Auftrag für die Gestaltung der OnlineLehre, aber auch für die Ausbildung der Studierenden, verstanden werden: Einerseits sollten wohl organisatorische Unterstützungsmöglichkeiten angeboten werden, andererseits ist der in vielen Hochschulstudien eher vernachlässigte Bereich „Selbstorganisation“ als Ausbildungsteil offensichtlich relevant.

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Abb. 8.16: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Frage „Durch das Online-Lernen habe ich mehr Freiheiten als bei der klassischen Form des Präsenzunterrichts.“

Abb. 8.17: Zustimmung der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Es fällt mir leicht, mich selbst für das Online-Lernen zu organisieren“.

Auch bei dieser Frage zeigen sich im Verlauf über die vergangenen Semester keine wesentlichen Änderungen der Prozentsätze (siehe Abbildung 8.18). Hier könnte eine Erklärung darin bestehen, dass die Eigenschaft der Studierenden zur Selbstorganisation

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Abb. 8.18: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden vom Sommersemesters 2020, Wintersemester 2020/21 und Sommersemester 2021 zur Frage „Es fällt mir leicht, mich selbst für das Online-Lernen zu organisieren“.

bzw. die Eigenwahrnehmung zu diesem Bereich sich im Laufe der Zeit nicht verändert hat. Die Daten lassen ebenso vermuten, dass es keinen wesentlichen „Lerneffekt“ in Bezug auf die Selbstorganisation gegeben hat – sonst müssten die jüngeren Ergebnisse eine höhere Zustimmung zeigen als die Zahlen aus dem Jahr 2020. Da bedingt durch die Corona-Pandemie Hochschullehre ausschließlich in OnlineForm durchgeführt werden musste, konnte aber auch sehr viel Erfahrung im Umgang und auch im eigenen Erleben dieser Lernform gesammelt werden; sowohl durch die Studierenden als auch durch die Lehrenden und die Hochschulen als Organisation. Hochinteressant scheint in diesem Zusammenhang daher die Frage, welchen Anteil von Online-Lehre an der Hochschullehre sich die Studierenden in Zukunft von wünschen. Die Antworten auf diese Frage (gefragt wurde offen nach dem Prozentsatz an Online-Lehre) zeigt Abbildung 8.19.8 Um eine grafisch bessere Übersicht zu ermöglichen, wurden die Daten in die Stufen „bis 10 %“, „11 bis 25 %“, „26 bis 50 %“, „51 bis 75 %“ sowie „über 75 %“ eingeteilt. Der Mittelwert lag bei rund 39 % Online-Anteil, der Median bei 30 % und die Standardabweichung bei rund 25 %. Auch wenn der Großteil der Antworten im Bereich zwischen 11 und 25 % liegt, zeigt sich gleichzeitig auch ein relativ gemischtes Bild: 8 Diese Frage entstand auch als Ergebnis der Reaktionen von Studierenden, die sich im Laufe der massiven Online-Lehre sehr stark wieder die Präsenzlehre zurückwünschten. Aus diesem Grund wurde diese Frage bei der Erhebung im Jahr 2021 neu inkludiert – wodurch allerdings ein Vergleich im Zeitverlauf nicht möglich ist.

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Abb. 8.19: Angaben der am Ende des Sommersemesters 2021 befragten Studierenden zur Frage „Welchen Anteil sollte Online-Lehre (im Verhältnis zu Präsenzlehre) zukünftig in der Hochschullehre haben? (bitte Prozentsatz angeben)“.

immerhin 22 % wünschen sich „nur“ maximal 10 % Anteil Online-Lehre, ebenso rund 11 % über 75 % Anteil Online-Lehre. Diesen Wünschen in Zukunft in der täglichen Praxis gerecht zu werden erscheint somit sehr schwierig. Eine Möglichkeit bestünde darin, unterschiedliche Formen der Lehre anzubieten um möglichst vielen gewünschten Settings gerecht zu werden – dies ist aber natürlich mit einem hohen Aufwand verbunden. Interessant wäre hier auch die Frage nach den Hintergründen bei der Antwort: Warum wird so wenig bzw. so viel Online-Lehre bzw. Präsenzlehre gewünscht? Inwiefern geht es hier (auch) um soziale Aspekte und Ähnliches mehr? Als kurze Zusammenfassung der inhaltlichen Aspekte dieses Kapitels soll nochmals betont werden, dass dem Großteil der Studierenden klare Zeitstrukturen bei der Online-Lehre helfen; der Wunsch nach mehr Struktur seitens der Hochschule allerdings unterschiedlich ausgeprägt ist. Relativ übereinstimmend ist die Meinung der Studierenden, dass es durch Online-Lehre mehr Freiheiten als bei der klassischen Form des Präsenzunterrichts gibt. Der persönliche Umgang mit diesen Freiheiten, also die Selbstorganisation für das Online-Lernen, fällt den Studierenden allerdings unterschiedlich leicht oder schwer. Was den zukünftigen Anteil von Online-Lehre betrifft kann aus den Daten keine eindeutige Empfehlung abgeleitet werden. Vielmehr scheint es so, als ob sich hier wieder sehr unterschiedliche Bedürfnisse der Studierenden zeigen und eine einheitliche Lösung für alle daher nicht sinnvoll ist.

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8.2.3 Einschätzungen zur Bedeutung von eLearning im Zeitverlauf Wie bereits in der Übersicht über die empirischen Studien im Kapitel 8.1.2 erwähnt, könnten einige Frage-Items durch die Verwendung in mehreren unterschiedlichen Studien nun über einen längeren Zeitverlauf verglichen werden. In diesem Kapitel sollen ausgewählte Fragen in dieser Form dargestellt werden. eLearning gibt es als Begriff nun schon seit vielen Jahren, nicht nur in der Hochschullehre. Wie aber hat sich die Präferenz zu diesem Konzept entwickelt? In vier verschiedenen Studien wurde die Zustimmung zu der Aussage „Ich bevorzuge eLearning gegenüber klassischen Formen der Ausbildung (z. B. Seminare, Vorlesungen) erhoben. Auch wenn sich die Autoren natürlich der Komplexität und damit unterschiedlichen Wahrnehmungsmöglichkeit des Begriffes eLearning (und auch des Begriffes „klassische Formen der Ausbildung“) bewusst sind, erscheinen die Antworten auf diese Frage durchaus interessant. Abbildung 8.20 zeigt die Ergebnisse der vier hierzu durchgeführten Studien: Im Jahr 2015 im Rahmen der Studie „Soziale Medien“ gaben nur rund 15 % (2,7 % „vollkommene“ Zustimmung, im Diagramm nicht beschriftet) eine „vollkommene“ oder „überwiegende“ Zustimmung an. Immerhin rund 50 % stimmten der Aussage zur Präferenz von eLearning kaum oder gar nicht zu. Im Zeitverlauf lässt sich ein Trend zu einer höheren Präferenz erkennen: nach knapp 22 % in der Studie des Jahres 2019 war der Anteil an „vollkommener“ bzw. „überwiegender“ Zustimmung bereits in der „Corona 2020“ auf knapp 25 % angestiegen – und zwar fast

Abb. 8.20: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden aus den Studien „Soziale Medien 2015“, „Medieneinsatz und Lernverhalten 2019“, „Corona 2020“ sowie „HFU Sommer 2021“ zur Frage „Ich bevorzuge eLearning gegenüber klassischen Formen der Ausbildung (z. B. Seminare, Vorlesung).

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ausschließlich zu Lasten der „teilweisen“ Zustimmung. Dieser Trend scheint sich auch im Jahr 2021 fortzusetzen. Aus Sicht der Autoren bieten sich mehrere Erklärungsmöglichkeiten an: Eine davon wäre, dass die konkrete Erfahrung mit eLearning – vor allem auch mit qualitativ höherwertigen Umsetzungen – im Laufe der letzten Jahre wohl zugenommen hat. Darauf basierend könnte bei einigen Personen eine Präferenz für diese Lernform entstanden sein. Erwähnenswert scheint aber auf jeden Fall auch, dass die klassischen Formen der Ausbildung auf keinen Fall deutlich weniger präferiert werden – auch 2021 ist die Zahl der „kaum“ oder „gar nicht“ Zustimmung noch bei rund 45 %, und auch rund 29 % stimmen nur „teilweise“ zu. Für ein vollständiges Bild müsste man die Frage noch in die andere Richtung abtesten – also inwiefern es eine Präferenz für die „klassischen Formen“ gibt. Unabhängig von der persönlichen Präferenz ist auch die Einschätzung interessant, ob auf klassische Formen der Aus- und Weiterbildung in der heutigen Zeit verzichtet werden kann. Dieser Themenbereich wurde ebenfalls in vier Studien (zwei Studien vor der Corona-geprägten Lehre und zwei danach) abgefragt, die entsprechenden Ergebnisse sind in Abbildung 8.21 dargestellt.

Abb. 8.21: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden aus den Studien „Soziale Medien 2015“, „Medieneinsatz und Lernverhalten 2019“, „Corona 2020“ sowie „HFU Sommer 2021“ zur Frage „Auch in der heutigen Zeit kann auf klassische Formen der Aus- und Weiterbildung (z. B. Seminare) nicht verzichtet werden.“

2015 zeigte sich eine massive Zustimmung zu der Aussage „Auch in der heutigen Zeit kann auf klassische Formen der Aus- und Weiterbildung (z. B. Seminare) nicht verzichtet werden.“: rund 74 % stimmten entweder „vollkommen“ oder „überwiegend“

196 | C. Kreidl & U. Dittler zu, nur rund 6 % „kaum“ oder „gar nicht“. Der Gesamt-Prozentsatz an Zustimmung änderte sich in den folgenden Jahren nicht wesentlich; beispielsweise stimmten bei der Corona-Studie im Jahr 2020 immer noch rund 71 % „vollkommen“ oder „gar nicht“ zu. Erwähnenswert ist hierbei das Wachstum bei der vollkommenen Zustimmung: Lag dieses im Jahr 2015 noch bei 37 %, beträgt es in der Studie „HFU Sommer 2021“ bereits 47,4 %. Auch der Anteil der Antworten mit „kaum“ oder „gar nicht“ ist gestiegen, allerdings in einem vergleichsweise geringen Gesamtanteil. Es scheint also weitgehende Übereinstimmung in der Meinung zu herrschen, dass klassische Formen der Aus- und Weiterbildung auch in der heutigen Zeit unverzichtbar sind. Nicht nur in der Hochschullehre, sondern auch im beruflichen und privaten Bereich gab es durch die Corona-Pandemie (und vor allem durch die dadurch bedingten „Lockdowns“) massive Veränderungen. Wie sind die Menschen mit diesen Änderungen zurechtgekommen, insbesondere in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Berufs(bzw. Studien-) und Privatleben. Auch für die Zustimmung zur Aussage „Ich kann mein Arbeits-/Studienleben sowie mein Privatleben (Work-Life-Balance) gut miteinander verbinden“ konnte auf die Ergebnisse von vier verschiedenen Studien im Zeitraum zwischen 2017 und 2021 zurückgegriffen werden; dargestellt in Abbildung 8.22.

Abb. 8.22: Gegenüberstellung der Antworten der Studierenden aus den Studien „Arbeitswelt 2017“, „Medieneinsatz und Lernverhalten 2019“, „Corona 2020“ sowie „HFU Sommer 2021“ zur Frage „Ich kann mein Arbeits-/Studienleben sowie mein Privatleben (Work-Life-Balance) gut miteinander vereinbaren.“

2017 gab der Großteil der befragten Personen an, die beiden Bereiche gut miteinander verbinden zu können: Insgesamten stimmten rund 68 % der Aussage „vollkommen“ oder „teilweise zu“ – und der Anteil an „kaum“ oder „gar nicht“ Antworten war mit

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rund 9 % relativ gering. Im Zeitverlauf zeigt sich eine merkliche Verschiebung während der Corona-Pandemie: vor allem die „überwiegende“ Zustimmung nimmt zu Lasten der Antworten „kaum“ oder „gar nicht“ ab. Während vor Corona 9 % bzw. 12 % Schwierigkeiten mit der „Work-Life Balance“ angaben, stieg dieser Anteil in den Studie währen der Corona-Jahre 2020 und 2021 bereits auf je rund 27 %. Eine offensichtliche Erklärungsmöglichkeit ist, dass die Corona-Situation, die sich bei vielen Menschen in HomeOffice niederschlug (und damit auch die räumliche Trennung von Arbeit und Freizeit auflöste) die Vereinbarkeit von Arbeitsleben und Privatleben für viele Menschen negativ beeinflusst hat. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es (auch) in Zukunft eine große und unterschiedliche Vielfalt an Weiterbildungsformen geben sollte: eLearning wird nicht prinzipiell als bevorzugte Form der Ausbildung gesehen und auch die Notwendigkeit von klassischen Formen der Aus- und Weiterbildung wird von den meisten Befragten eindeutig bejaht. Die Vereinbarkeit von Arbeits- bzw. Studienleben mit dem Privatleben ist auch beim Streben nach ubiquitären Lernen und Arbeiten ein wichtiges Thema; zahlreiche Befragte haben persönlich Schwierigkeiten diese Bereiche zu vereinbaren. Dies sollte bei der Entwicklung zukünftiger Formen des Studiums aber auch der Aus- und Weiterbildung stärker als bisher berücksichtigt werden. Zweifellos haben die vergangenen Corona-Semester die Kompetenz der heutigen Studierenden im Umgang mit mediengestützten Lehr- und Lernangeboten erhöht, die vorgestellten Ergebnisse zeigen aber auch, dass auch online-distribuierte Bildungsangebote der strukturierten Begleitung bedürfen um die gewünschte Form und Intensität der Rezeption und damit den angestrebten Lernerfolg zu erreichen.

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[25] Dittler, U. (2021). Ergebnisse der Umfrage unter Studierenden zu ihren Erfahrungen mit der Online-Lehre des Sommersemesters 2021. Online verfügbar unter https://opus.hsfurtwangen.de/frontdoor/index/index/start/0/rows/10/sortfield/score/sortorder/desc/ searchtype/simple/query/dittler/yearfq/2021/docId/7515. [26] Göbel, K., Makarova, E., Neuber, K. & Kaqinari, T. (2021). Der Übergang zur digitalen Lehre an den Universitäten Duisburg-Essen und Basel in den Zeiten der Corona-Pandemie. In: U. Dittler & C. Kreidl (Hrsg.), Wie Corona die Hochschullehre verändert: Erfahrungen und Gedanken aus der Krise zum zukünftigen Einsatz von eLearning. Wiesbaden: Springer Gabler. S. 351–374. [27] Redaktionsnetzwerk Deutschland. (2020). Corona-Semester: DAAD-Präsident befürchtet “verlorene Generation”. Online verfügbar unter https://www.rnd.de/wissen/corona-semesterdaad-prasident-befurchtet-verlorene-generation-4QZNYVTSVJVHHMLA7VBF3UG5MY.html. [28] Klimsa, P. & Issing, L. J. (Hrsg.) (2011). Online-Lernen: Handbuch für Wissenschaft und Praxis. 2. Auflage. München: Oldenbourg. [29] Frey-Luxemburger, M. (Hrsg.) (2014). Wissensmanagement – Grundlagen und praktische Anwendung: Eine Einführung in das IT-gestützte Management der Ressource Wissen. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Vieweg. [30] Arnold, P., Kilian, L., Thillosen, A. & Zimmer, G. (2018). Handbuch E-Learning. Bielefeld: W. Bertelsmann.

Annette Bosch

9 Praxisbeispiel: Know How! AG Content is king! Context is queen! Collaboration is dauphin! Zusammenfassung: In der betrieblichen Weiterbildung sind eLearning-Programme schon seit über 20 Jahren im Einsatz und haben sich in dieser Zeit sehr verändert, sie waren technologischen Schüben ausgesetzt und passten sich den Anforderungen des Marktes und den Seh- und Lerngewohnheiten der Menschen an. Wie passen WBTs zum heutigen Weiterbildungsbedarf? Angesichts des Strukturwandels müssen Unternehmen ihre Mitarbeitenden für die Zukunft fit machen, gleichzeitig sollen diese ihre aktuellen Aufgaben gut erledigen können: Mit Kollaboration und dem passenden Mix aus Weiterbildungsangeboten kann das funktionieren, aber die Mitarbeitenden brauchen auch Zeit für Weiterbildung, Ziele und Unterstützung – das zeigt auch die Analyse der Lernkultur in einer deutschen Versicherung. Mit ihren Weiterbildungsangeboten können Unternehmen nicht nur qualifizieren, sondern auch Wertschätzung für ihre Mitarbeitenden zum Ausdruck bringen. Schlagwörter: eLearning, WBT, Weiterbildung, Digitalisierung, Ambidextrie, OKR, Slacktime, Workplace Learning, Umfrage, Lernkultur, selbstgesteuertes Lernen, Corona, Autorentool

9.1 eLearning im Wandel 9.1.1 Content is king eLearning bewegt sich schon immer zwischen den Polen Technik und Lernen. Immer wieder gibt es neue Impulse, technische Errungenschaften, Dinge, die sich verändern, die ausprobiert werden müssen. Als um die Jahrtausendwende aus CBTs, also Lernprogrammen auf CD oder Laufwerk, Web Based Trainings (WBTs) wurden, war der Einsatz von Video, Animationen, großen Fotos und Ton erst einmal nur noch sehr eingeschränkt möglich: Videos gab es maximal in Briefmarkengröße, Fotos mussten extrem optimiert werden und auf Ton wurde oft lieber verzichtet. Ein paar Jahre später, mit verbesserten Bandbreiten und Adobe Flash, wurde wieder mehr Multimedialität möglich – was dann auch weidlich ausgenutzt wurde. Entsprechend pikiert eröffneten Ruth Colvin Clark und Richard Meyer die vierte Auflage ihres Buchs, das auch als „Bibel“ der eLearning bzw. Multimedia-Didaktik bezeichnet wird [1] – eine Metastudie zu den didaktischen Prinzipien des multimedialen Lernens. Hier ihr Originalton: […] the benefits gained from these new technologies depend on the extent to which they are used in ways compatible with human cognitive learning processes and based on research based princihttps://doi.org/10.1515/9783110754728-009

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ples of instructional design. When technophiles become so excited about cutting-edge technology that they ignore human mental limitations, they may not be able to leverage technology in ways that support learning. [2]

In eLearning-Kreisen stand der Leitsatz “Content is king“ in diesen Jahren für den Versuch der Didaktikerinnen und Didaktiker, sich gegenüber technischen Möglichkeiten, grafischen Vorgaben und multimedialen Spielereien durchzusetzen. Technisch allerdings hatte sich der nächste Rückschlag 2010 mit Steve Jobs Memo “Thoughts on Flash“ bereits angekündigt [3]. Es sollte zwar zehn Jahre dauern bis Flash wirklich auslief, aber für alle eLearning-Entwicklerinnen und -Entwickler hieß es mit Erscheinen der ersten iPhones und iPads nach Wegen zu suchen, wie man mit Ton, Animation und Video auf Basis von HTML5, CSS und Javacript umgeht, und wie sich die Programme den unterschiedlichen Devices mit unterschiedlichen Auflösungen anpassen: PC, Tablet und Smartphone. Didaktische Herausforderungen ergaben sich aus der veränderten Interaktivität: kein Mouseover mehr, Audio und Video konnten zunächst nur auf Klick abgespielt werden und Animationen ließen sich nicht mehr steuern. Und natürlich stellte sich die Frage, wie sich mit Smartphones sinnvoll lernen lässt. Auch grafisch veränderten sich die Programme: Die Bedienelemente wurden größer, damit sie sich mit dem Finger statt mit der Maus benutzen lassen. Insgesamt wurden die Programme visueller, verspielter und unterhaltsamer. Abbildung 9.1 zeigt ei-

Abb. 9.1: Screenshot aus einem der ersten WBTs für das iPad, 2013. Anstelle Vorteile aufzulisten, werden diese auf einer Bildstrecke visualisiert und mit wörtlicher Rede authentisch vermittelt.

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nen Screen aus einem der ersten WBTs für das iPad – eine Bildstrecke, die aus einer Liste von Aufzählungspunkten entstanden ist: Mood-Bilder visualisierten den Nutzen und in Sprechblasen mit wörtlicher Rede wurde dieser in authentischer Weise erfahrbar. Die Sequenzen sind nicht vertont und lassen sich durchblättern wie ein Hochglanzmagazin.

9.1.2 Context is queen Ende der 1990er Jahre wurde viel über didaktische Methoden diskutiert. Damit sich eLearning verbreiten konnte, musste man nachweisen, dass eLearning nicht nur Kosten verursacht, sondern auch wirtschaftlichen Nutzen bringt. Man nahm daher die Lernenden und ihre Bedürfnisse stärker in den Blick und interessierte sich dafür, was Qualität aus Sicht der Lernenden bedeutet: „Dem lernenden Subjekt muss in Qualitätskonzepten zum eLearning eine Schlüsselstellung eingeräumt werden, denn um dessen Zuwachs an Handlungskompetenz geht es letztlich“ [4]. Hier geht es also nicht nur um die kognitive Verarbeitung des Lerninhalts, sondern man beginnt, sich für den tatsächlichen Lernbedarf und den Anwendungskontext zu interessieren. Unter dem Schlagwort „problembasiertes Lernen“ beginnt man Wissensvermittlung und Praxis stärker zu verbinden. Zum Beispiel begleiteten Prof. Mandl und sein Team die Konzeption einer Blended Learning-Lösung für Pharmareferentinnen und -referenten – einem Mix von Web Based Training mit informationsvermittelndem und fallbasierten Teil und tutorieller Begleitung in virtuellen Konferenzen. Die anschließende Evaluation ergab, dass das Schulungskonzept von der überwiegenden Mehrheit der Lernenden positiv eingeschätzt wurde, sie gaben an, viel gelernt zu haben und das Gelernte gut anwenden zu können; auch bei der Akzeptanz – die sich bei isolierten Lernprogrammen in zahlreichen Studien als eher mäßig erwiesen hatte – waren die Werte gut [5]. Ein derart elaboriertes Schulungskonzept blieb aber in den folgenden Jahren bei der beruflichen Weiterbildung eher die Ausnahme. Meist sollte eLearning Kosten sparen und so ersetzte es oft bisherige Präsenztrainings. Wenn es Blended Learning Lösungen gab, waren diese in der Regel so konzipiert, dass eLearning bzw. ein Zertifikat die Voraussetzung für die Teilnahme an weiterführenden Präsenztrainings war. Ein Austausch zwischen den Lernenden in der Selbstlernphase wurde selten auch nur in Erwägung gezogen und aufgrund technischer Bedenken meist verworfen. eLearning war ein beliebtes Medium, um Wissen zu den Mitarbeitenden zu transportieren bzw. Schulungsteilnehmende vorab auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Große Firmen führten „Learning Management Systeme“ (LMS) ein, um Teilnehmende, Kurse und Zertifikate effizient zu verwalten – das zielte eher auf Standardisierung als auf Anwendungskontexte. In der Folge bekam eLearning einen sehr schlechten Ruf, speziell im Zusammenhang mit dem massenhaften Roll-out von Compliance Trainings,

204 | A. Bosch aber auch anderen Pflichtschulungen, in denen die Lernenden mit WBTs in enzyklopädischen Ausmaßen und gesperrter Navigation traktiert wurden. Auch die Versuche mit „Rapid eLearning“ etwa zwischen 2005 und 2010 waren für die Lernenden wohl eher kein Gewinn, da es meist weniger um die schnelle Verteilung relevanter Information ging als um Kostenersparnis. So präzisierte ein Kunde seine Anforderung zu einem AGG-Training folgendermaßen: „Es muss nicht schön werden, sie müssen es ja sowieso lernen.“ Auf der anderen Seite gab es vonseiten des Instructional Designs viele Ansätze, das Lernerlebnis für die Menschen vor dem Bildschirm angenehmer, kurzweiliger und nützlicher zu machen: Mehrstündige Trainings wurden in kleinere Module aufgeteilt, unterschiedliche Erzählweisen integriert – story-basiert, fallbasiert, entlang eines Beispiels oder mit einem Wimmelbild als Menü; es wurden unterschiedliche grafische Stile entwickelt: Foto, Illustration, 2D oder 3D; das WBT von Avataren begleitet oder dialogisch präsentiert; Trailer als Teaser vorangestellt, spielerische Elemente, Erklärfilme und Szenarios integriert oder als zusätzliche Elemente bereitgestellt; unterschiedliche Lernebenen angeboten, zum Beispiel mit einem schnellen Lernweg und unterschiedlichen Möglichkeiten zum Nachschlagen oder Vertiefen. Und in fast jedem Projekt wurde mit den Fachexperten gekämpft, die Inhalte auf das Wesentliche zu reduzieren, praktische Aspekte einzubringen und eben “information dumps“ (Cathy Moore [6]) zu vermeiden. In den letzten Jahren verlangen auch Unternehmen attraktivere Lernprogramme: Viele große Firmen setzen eLearning seit vielen Jahren ein und wünschen sich jetzt etwas, das „neu und frisch“, „mal was Anderes“ ist. Möglich, dass die einfachen eLearning-Programme meist intern erstellt werden und eher die Projekte extern vergeben werden, die hochwertiger sein sollen oder man sich Inspiration für die Eigenproduktionen erhofft. Dass Eigenproduktionen mittlerweile eine große Rolle spielen, zeigt die 2021er Studie des eLearningJournals, derzufolge etwa 70 Prozent der befragten Unternehmen selbst eLearning erstellen; auch dort wünscht sich die Hälfte der Befragten von Autorentools eine Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Auf die Frage, was ihrer Meinung nach gute Lerninhalte auszeichnet, nennen 68 % Benutzerfreundlichkeit und Usability und 59 % Praxisbeispiele und realistische Szenarien – also Kontext [7]. Dabei geht der Trend zu kürzeren Lerneinheiten von bis zu 15 Minuten (in der Studie als „Microlearning“ definiert), die mobil oder im Arbeitsalltag „zwischendurch“ bearbeitet werden können; populär sind vor allem Videos und Erklärfilme (ebd., S. 13). Solche kurzen Formate werden allerdings normalerweise nicht als Inseln produziert bzw. angeboten, sondern im Rahmen von Blended Learning oder einer Kampagne, kombiniert mit weiteren Formaten, oder als Serie zu einem Themengebiet mit einer gemeinsamen Basis. Dies deutet sich auch in der genannten Studie an, dort findet mehr als die Hälfte der Befragten Microlearning nicht für alle Themen geeignet, mehr als ein Drittel befürchtet eine Fragmentierung des Lernangebots und 29 % können sich Microlearning nur in Kombination mit anderen Lernangeboten vorstellen (ebd., S. 15).

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Kontext ist also a) die praktische Aufgabe, mit der ein Lerninhalt in Verbindung steht und die es in einem Training aufzugreifen gilt. Kontext ist b) auch die „Verpackung“ des Inhalts – zum Beispiel die Story, anhand derer Dinge erklärt werden und an die sich die Lernenden besser erinnern. Kontext ist aber auch c) die Umgebung, in der die Lernenden auf das Lernangebot zugreifen – nicht immer sitzen sie in einem Schulungsraum, nicht einmal unbedingt an einem PC, sondern vielleicht lernen sie mit dem Tablet auf dem Sofa oder vor dem Hochregal stehend oder mit dem Smartphone im Zug. Auch auf diesen Kontext muss bei der Konzeption Rücksicht genommen werden.

9.1.3 Collaboration is dauphin Schon lange kann niemand mehr alles wissen, was es zu wissen gibt. Im (Arbeits-)Alltag finden es Menschen ganz normal, ihre Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde oder eine Facebook-Gruppe zu fragen, wenn sie etwas nicht wissen: “’I store my knowledge in my friends’ is an axiom for collecting knowledge through collecting people“ [8], lautet eine sehr schöne Formulierung, die George Siemens in seinem vielbeachteten Artikel zum Konnektivismus zitiert. Er selbst konstatierte dort unter anderem, dass Entscheidungen auf sich rasch verändernden Grundlagen beruhten. Es würden ständig neue Informationen gewonnen, daher sei die Fähigkeit, zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden, maßgeblich und auch zu erkennen, wann neue Informationen die Grundlage der gestern getroffenen Entscheidungen veränderten. Lernen sei ein Prozess der Verknüpfung, und Verbindungen zwischen Bereichen, Ideen und Konzepten zu erkennen, eine Kernkompetenz. Lernen sei nicht nur Menschen vorbehalten, sondern könne auch in „non-human appliances“ stattfinden; es sei entscheidender, mehr wissen zu können als zu wissen [9]. Bei „non-human appliances” kommen künstliche Intelligenz und Big Data ins Spiel, doch Siemens zielte zudem auf etwas anderes, nämlich auf die Dynamik, die bei der Zusammenarbeit in Teams entsteht: Diverse teams of varying viewpoints are a critical structure for completely exploring ideas. Innovation is also an additional challenge. Most of the revolutionary ideas of today at one time existed as a fringe element. An organizations ability to foster, nurture, and synthesize the impacts of varying views of information is critical to knowledge economy survival. Speed of “idea to implementation” is also improved in a systems view of learning.(ebd.)

In der Kollaboration lernt die Gruppe und die Organisation und schließlich auch die Gesellschaft. Da Wissen immer wächst und sich weiterentwickelt, hält Siemens es für weniger wichtig, was der oder die Einzelne weiß, als dass es Zugang zu dem gibt, was nötig ist. Mit künstlicher Intelligenz, Chatbots und Systemen, die kontextsensitive und user-spezifische Vorschläge machen, scheint die sekundenschnelle Verfügbarkeit der

206 | A. Bosch passenden Information mittlerweile greifbar, diese muss allerdings verarbeitet, gedeutet und nutzbar gemacht werden: Das ist Kollaboration zwischen Menschen und Maschinen. Doch was und wie wollen oder müssen wir lernen? In Zeiten von Learning Eco Systemen (LES), Learning Experience Plattformen (LXP), Microlearning und YouTube – sind da klassische Lernprogramme, die strukturiert Inhalt vermitteln, überhaupt noch zeitgemäß? Wollen wir ein halbstündiges Lernprogramm wirklich auf dem Smartphone ansehen? Haben wir überhaupt noch die Geduld und Konzentrationsfähigkeit für längere Formate oder erwarten wir bei Bedarf einfach nur schnelle Antworten? Menschen sind in ihrem privaten Alltag kompetent, das passende Lernangebot zu finden, um ein Handy-Display auszutauschen, einen Apfelstrudel zu backen oder zu verstehen, wie Wasserstoff zur Dekarbonisierung beitragen kann. Sie diskutieren in sozialen Netzwerken in spezialisierten Gruppen Vor- und Nachteile unterschiedlicher Rasenmäher oder geben sich gegenseitig Tipps zur Restaurierung alter Möbel: Kann man diesen alltagskompetenten Menschen im beruflichen Kontext Lernprogramme zumuten, die immer irgendwie „Standard“ sind? Braucht man die „alte Tante“ WBT überhaupt noch oder produzieren wir besser viele kleine Erklärfilme und erstellen Checklisten, die ein intelligentes System bei Bedarf zutage fördert? Wäre so etwas wie YouTube als Lernplattform nicht zeitgemäßer?

9.1.4 YouTube als Lernplattform Jane Hart [10] listet YouTube auf Platz 1 ihrer Top 300 der Learning Tools. Und YouTube ist die mit Abstand beliebteste Videoplattform mit weltweit zwei Milliarden aktiven Nutzern pro Monat, gleichzeitig ist YouTube die zweitbeliebteste Social MediaPlattform, 90 % der Internet-Nutzer zwischen 18 und 44 Jahren waren schon mal auf YouTube, jeden Tag sehen Nutzer 1 Milliarde Stunden Video auf YouTube. – Das sollte an Superlativen reichen. Vielleicht noch eine Zahl hinterher: 70 % der YouTube-User nutzen mobile Geräte [11]. Die Mischung der Inhalte ist bunt: Es gibt Spielfilme, Werbung, Sprachentraining, Konzertmitschnitte, TED-Talks; User Generated Content in jeder Form. Wird YouTube als Lernplattform wahrgenommen? Wohl eher nicht, aber viele Menschen suchen Tutorials, schnelle Tipps und Tricks oder schauen sich Vorträge an, ohne sich bewusst zu machen, dass sie lernen, wenn sie sich dort Filme anschauen. Dabei tun sie das und YouTube bietet Elemente, die auch LXP-Systeme enthalten: Kommentar- bzw. Chatfunktion, um Inhalte zu diskutieren und personalisierte Empfehlungen: „Wenn dich das interessiert hat, möchtest du vielleicht auch das sehen.“ In einer Studie an der Uni Trier [12] wurde das Lernen mit YouTube untersucht, speziell die Nutzung von Videos über (natur-)wissenschaftliche Inhalte. Hier eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse:

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Nutzung: Besonders gern geklickt werden Präsentationsvideos, in denen ein Mensch durch ein Thema führt (talking head) oder das Thema im Dialog präsentiert wird, gefolgt von Animationsfilmen, in denen Zusammenhänge visuell präsentiert werden. Wissenschaftliche Filme von Youtubern werden häufiger geklickt als die Angebote von Universitäten auf YouTube. Letztere bieten eher Formate wie sie auch das Fernsehen bietet: Interviews mit Expertinnen oder Experten, die Dinge aus ihrer Sicht schildern oder Erklärfilme, die einer Fragestellung nachgehen, etwas komplexer sind und Elemente der anderen drei Typen enthalten. Menschen bevorzugen also unterhaltsame und eingängige Formate. Lernleistung: Wenn wir Inhalte amüsant oder sympathisch präsentiert bekommen, glauben wir an die Zuverlässigkeit der Information, haben das Gefühl, verstanden zu haben, aber durch die eingängige Form schalten wir die Konzentration herunter und die Lernleistung ist vielleicht nicht so tief wie wir glauben (“illusion of understanding“). Informationsvermittlung funktioniert über Narration gut, Systematik versteht man besser mit Erklärfilmen, die aber weniger geklickt werden. Erkenntnisse der Studie: Insgesamt lässt sich mit Erklär- und Animationsvideos Wissen erfolgreicher vermitteln als mit Expertinnen-/Experten- und Präsentationsvideos. Bei den untersuchten Filmen setzten sich die Kommentare unter den Videos hauptsächlich inhaltlich mit den Videos auseinander und können eine wichtige Komponente bei der weiteren Aneignung der Inhalte sein, um sie einzuordnen oder besser zu verstehen.

9.1.5 Selbstgesteuertes Lernen Menschen sind es gewohnt, im Internet frei herumzusurfen und sich herauszupicken, was sie interessiert. Wie die Studie zum Lernen mit YouTube gezeigt hat, wählen sie aber nicht immer das beste Format, um gut zu lernen. Und bekanntlich ist selbstgesteuertes, exploratives Lernen eher geeignet, wenn schon mehr Vorwissen vorhanden ist [13]. Eine Recommendation-Funktion kann helfen, passende Anschlussthemen zu finden und die Diskussion mit anderen Usern erleichtert vielleicht Einordnung und Verstehen. Aber wie zielorientiert ist das? Entwickelt man beim Surfen selbstgesteuert seine Kompetenzen weiter oder steht der Unterhaltungsaspekt im Vordergrund und man lernt – zufällig – ein bisschen nebenbei? Es wird zwar oft gesagt, eLearning sei „selbstgesteuertes Lernen“, aber tatsächlich trifft das nur auf Zeit und Ort des Lernens sowie die Interaktion mit dem Programm und das Bearbeitungstempo zu. Strukturell gesehen, bevormunden Lernprogramme die Lernenden, denn sie vermitteln Inhalte systematisch, auf einem vorgegebenen Weg, um bestimmte Lehrziele zu erreichen. Das mag einigen nicht gefallen, dennoch sind manche Menschen vielleicht auch froh über eine „Guided Tour“, wenn sie, geleitet durch ein Lernprogramm, komplexe oder neue Inhalte auf einem durchdachten Weg entdecken können und sich nicht alles selbst zusammensuchen und zu-

208 | A. Bosch rechtbasteln müssen. Auch lassen sich bestimmte Kompetenzen auf strukturierte Weise schneller aufbauen. Und im beruflichen Kontext gibt es einen weiteren zeitlichen Aspekt, der eine Rolle spielen könnte: Immer nur „zwischendurch“ zu lernen, bedeutet Verdichtung der Arbeit; sich eine Stunde für ein WBT (oder andere Lernangebote) zu nehmen, ermöglicht Ruhe und Reflexion. Die Studie des eLearningJournals fragte übrigens auch ab, welche Entwicklung die Teilnehmenden beim Bildungsportfolio ihres Unternehmens erwarten: knapp 85 % gehen davon aus, dass Video weiter an Bedeutung zunehmen wird, 70 % rechnen damit, dass aufgezeichnete Virtual Classroom-Sessions und Webinare als „Konserven“ zur Verfügung gestellt werden, aber es rechnen auch über 70 % damit, dass der Anteil von WBTs und Microlearnings zunehmen wird (siehe [14]). Es besteht also noch Hoffnung für „die alte Tante“. Und wenn die Mitarbeitenden selbst wählen können, welche inhaltlichen Angebote sie nutzen, um eigene Kompetenzen zu entwickeln, dann kann es doch selbstgesteuertes Lernen geben.

9.2 Betriebliche Weiterbildung: Das Dilemma der Unternehmen 9.2.1 Der Strukturwandel betrifft alle CFO asks CEO: “What happens if we invest in developing our people and then they leave us?” CEO: “What happens if we don’t, and they stay?”

Dieses Zitat von Peter Baeklund geistert schon einige Jahre als Meme durchs Internet. Angesichts der Kosten wurde die Notwendigkeit von betrieblicher Weiterbildung oft im Zusammenhang mit Zufriedenheit, Motivation und Bindung der Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter diskutiert, auch die Ansprüche der Generation Y und Z oder der anstehende demographische Wandel sind gewichtige Gründe, in Weiterbildung zu investieren. Der Return of Invest ergäbe sich aus mehr Effektivität und Effizienz bzw. Wachstum des Unternehmens als Ganzes (vgl. [15] und [16]). Alles gute Gründe für Weiterbildung – trotzdem ist Weiterbildung in Krisen bisher immer der erste Streichkandidat gewesen. Mit der Digitalisierung gibt es einen Antreiber für Weiterbildung, der sich nicht so leicht beiseite wischen lässt. So hat sich zum Beispiel die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, berufliche Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen stärker als bisher zu fördern, um auf den technischen und wirtschaftlichen Strukturwandel vorzubereiten, der sich aus der Digitalisierung ergibt (siehe [17]). Auch in der Wirtschaft wurden hierfür große Pakete aufgelegt – Siemens stellt mit seinem Zukunftsfond bis Oktober 2022 bis zu 100 Millionen Euro für Qualifizierungsprojekte bereit, zusätzlich zum jährlichen Weiterbildungsbudget von etwa 500 Millionen Euro (vgl. [18]). Auch internatio-

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nal wird viel Geld für „Reskilling“ und „Upskilling“ ausgegeben – Amazon, JPMorgan und Walmart investieren jeweils Millionenbeträge, um ihre Mitarbeitenden und damit ihre Unternehmen fit für die Zukunft zu machen (vgl. [19]). Viele sprechen von einer „Vierten industriellen Revolution“ und meinen damit die Einflüsse von Big Data und Künstlicher Intelligenz, die unser Leben und Arbeiten grundlegend verändern werden. Entsprechend müssten sich auch die Lernangebote verändern: „New Work braucht New Learning“, betitelten Jan Foelsing und Anja Schmitz ihr jüngst erschienenes Buch. Es müsse weggehen von standardisierten Angeboten – denn alles, was sich standardisieren lässt, kann auch automatisiert werden – hin zu Lernangeboten, mit denen das individuelle Potenzial entfaltet wird. Learning Analytics zeichnen individuelle Lernwege nach und Predictive Learning macht passende Vorschläge (siehe [20]). Die Direktorin des World Economic Forum stellte im Januar 2020 fest: “As jobs are transformed by the technologies of the Fourth Industrial Revolution, we need to reskill more than 1 billion people by 2030.” Dabei ginge es eben nicht darum, alle Menschen mit hochtechnologischen oder wissenschaftlichen Fähigkeiten auszustatten. Natürlich müsse man mit Technologie arbeiten können, aber insbesondere ginge es um Kreativität, Kollaboration und soziale Kompetenz sowie Spezialkenntnisse für bestimmte berufliche Rollen. Weiterbildung müsse beschleunigt werden. Nichts zu tun, ist für sie keine Option, denn damit ginge die Schere zwischen Arm und Reich auf der Welt nur weiter auf und so ließen sich Frieden, ökologische Nachhaltigkeit und Wohlstand nicht erreichen (siehe [21]).

9.2.2 Mit beiden Händen anpacken Für Unternehmen bedeutet die Situation ein Dilemma – sie wollen jetzt von dem profitieren, was sie bereits wissen und können; sie möchten, dass ihre Mitarbeitenden effizient und effektiv auf Basis des Bestehenden arbeiten und Gewinne erwirtschaften; gleichzeitig müssen sie sich und ihre Beschäftigten auf einen Wandel vorbereiten, von dem niemand weiß, wohin er genau führen wird. Dieses Dilemma ist nicht neu: Unternehmen wie Siemens, Bosch oder BMW wurden durch Effizienzsteigerungen und inkrementelle Verbesserungen von Prozessen und Produkten zu Weltmarktführern, doch angesichts des digitalen Wandels und technologischer Entwicklungssprünge reicht diese Strategie nicht mehr aus. Um heute und auch in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen „beidhändig“ agieren – exploitativ und explorativ. Sie müssen also ihre heutigen Prozesse, Produkte etc. effizient nutzen und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle und Innovationen entwickeln [22]. Wie groß die Gegensätze zwischen den Polen Exploitation und Exploration sind, lässt sich Tabelle 9.1 entnehmen. Für den Umgang mit dem Dilemma gibt es unterschiedliche Modelle. Viele Unternehmen bauten bislang parallele Strukturen auf, in denen produktive Abteilungen für den Profit sorgten und ein Innovationsmanagement bzw. eine Forschungsabteilung

210 | A. Bosch Tab. 9.1: Ambidextrie: die Pole Exploitation und Exploration. Exploitation

Exploration

Ziel Nutzen Mindset

Bestehendes (aus)nutzen, optimieren kurzfristig Effizienz, Effektivität, Qualität, Sicherheit

Maßstab

Profit, Bewahrung

Neues entdecken langfristig Flexibilität, Experiment, „perpetual beta“, Risiko Innovation

oder ein Tochterunternehmen [23] sich um die Entwicklung langfristiger Perspektiven kümmern (strukturelle Ambidextrie). In den letzten Jahren setzen Unternehmen aber vermehrt auf Modelle, bei denen einzelne Mitarbeitende oder Teams ihre Zeit beiden Polen widmen (kontextuelle Ambidextrie) (vgl. [24]). Legendär war die 80:20-Regel bei Google, die es den Mitarbeitenden gestattete, 20 Prozent ihrer Arbeitszeit eigenen Projekten zu widmen, viele Projekte verliefen im Sande, aber ein Ergebnis war zum Beispiel Gmail. Wie sehr Mitarbeitende diesen Freiraum schätzten, ist daran abzulesen, dass sie nach Abschaffung der Regelung in ihrer Freizeit weiterforschten (siehe [25]). Auch in anderen Unternehmen wurde sog. „Slacktime“ eingeführt, dies ist „ein Teil der Arbeitszeit, die jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter für freie Projekt- und Ideenfindung verwenden kann. Es ist also eigenständig verwaltete Zeit im Sinne der Firma – ohne inhaltliche Vorgaben“ [26]. Der Geschäftsführer eines IT-Unternehmens schildert seine Erfahrungen folgendermaßen: Vor über drei Jahren, als wir [Slacktime] einführten, war ich sehr skeptisch. Doch die Skepsis legte sich sehr schnell, als ich sah, mit wie viel Begeisterung die Kolleginnen und Kollegen ans Werk gingen. Dieses für uns sehr große Investment in Form von Personalkosten und entgangenem Gewinn lohnt sich – in Wahrheit ist es eine Investition in Gewinne der Zukunft. (ebd.)

Ein weiterer Ansatz, der aus dem Silicon Valley kommt, ist OKR. Dabei entwickeln und verfolgen Teams zur Unternehmensstrategie passende, selbst gesetzte Ziele (Objectives) und erbringen messbare Key Results. Anders als beim MBO (Management by Objectives), dem klassischen Führungsinstrument von oben, das die Arbeit des Individuums steuert und extrinsisch motiviert, sind bei OKR Kollaboration und Transparenz angesagt. Aus der Mischung von Selbstbestimmung und Zusammenarbeit entsteht intrinsische Motivation und Momentum. Kollaboration kann Unternehmen wirklich weiterbringen!

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9.3 Lernen ist Arbeiten, Arbeiten ist Lernen 9.3.1 70:20:10 7,4 Millionen Menschen in Deutschland nahmen 2019 an einer beruflichen Weiterbildung teil, die überwiegende Anzahl (5,1 Mio.) waren Angestellte. Dabei machten etwa drei Viertel (77,3 %) der Unternehmen ihren Beschäftigten Weiterbildungsangebote (siehe [27]). Das macht deutlich, dass generell etwa ein Viertel der Beschäftigten von offiziellen Weiterbildungsangeboten ausgeschlossen sind und auch eher höherqualifizierte Mitarbeitende berücksichtigt werden. Doch diese formalen Weiterbildungsangebote sind nur die Spitze des Eisbergs: Analoge oder digitale Trainings machen beim Wissenszuwachs nur einen kleinen Teil aus, denn die meiste Zeit verbringen wir bei der Arbeit und lernen aus unseren Fehlern, der Beobachtung anderer und bei der Lösung realer Probleme. Ob die Formel des populären 70:20:10-Modells so stimmt, sei dahingestellt, der Ursprung der Zahlen liegt in einer Befragung von 200 Managern und deren Selbsteinschätzung wie sie ihr Wissen erworben hätten (vgl. [28]). Der empirische Gehalt der prozentualen Verteilung mag sich anzweifeln lassen (siehe beispielsweise [29]), doch der Verdienst des Modells liegt darin, dass es informelles Lernen in den Blick nimmt. Lernen passiert eben nicht nur in formalen Kontexten und lässt sich nicht immer mit Zertifikaten nachweisen. Und ihr Lernen ist den Lernenden manchmal gar nicht bewusst. Nimmt man informelle Lernkontexte hinzu, ergeben sich zahllose zusätzliche Möglichkeiten und Formate, Lernen analog oder digital zu unterstützen (siehe Abbildung 9.2). Beim Austausch mit anderen sind Coaching oder Mentoring wichtige Angebote. Bei Software Roll-outs zum Beispiel haben sich Floorwalker bzw. Helping Hands be-

Abb. 9.2: „70:20:10 Model for Learning and Development” mit Angeboten zur Lernunterstützung.

212 | A. Bosch währt, die direkt am Arbeitsplatz unterstützen, Job Shadowing ist in vielen Bereichen ein bewährtes Mittel, das auch in Bereichen mit niedrigerer Qualifikation Anwendung findet. Auch der Austausch auf Augenhöhe wie bei BarCamps oder Working out loudSessions, wo sich Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Bereichen begegnen, können sehr bereichernd sein und können auch digital stattfinden. Auch digitale soziale Netzwerke können für alle wertvoll sein, um Antwort auf Fragen zu bekommen oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Ob PC, Tablet oder Smartphone – das Device ist dabei nebensächlich. Zum Lernen aus Erfahrung lassen sich Bedingungen gestalten, die neue Erfahrungen ermöglichen, zum Beispiel durch Job Enrichment, Hospitation oder zeitweisen Abteilungswechsel, besondere Projekte oder spezielle Aufgaben, die sich zum Beispiel auch aus OKR ergeben. Beim tatsächlichen Tun kommen digitale Lernformate in Frage, die helfen, konkrete Aufgaben zu lösen: Wikis mit Erklärungen, Elektronische Performance Support Systeme (EPSS), bei denen mit wenigen Klicks die gesuchte Information aufzurufen ist, Microlearning mit kurzen Erklärungen, Job Aids mit Rezeptwissen oder Checklisten uvm. Auch hier spielt das Gerät, mit dem zugegriffen wird, keine Rolle. Bei den digitalen Formaten liegt der Unterschied darin, ob Inhalt „kuratiert“ oder von Nutzenden generiert wird: Diskussionen in sozialen Netzwerken können, von den Mitgliedern gesteuert, frei ablaufen oder von einem Community Management mit Redaktionsplänen gestaltet werden. Bei Wikis, Elektronischem Performance Support (EPSS), Microlearning und Job Aids wird der Inhalt aufbereitet. Hier kann das Unternehmen die Inhalte steuern und/oder es können den Beitragenden strukturierte Vorlagen bereitgestellt werden, mit denen diese ihr Wissen systematisch darstellen. Mit künstlicher Intelligenz kommt hier in Zukunft noch eine weitere Quelle hinzu. Zum Beispiel lassen sich die kognitiven Dienste von Microsoft Azure mittlerweile recht einfach in Apps, Websiten, Chatbots etc. integrieren. Die Dienste können Bilder, Filme und Texte analysieren, verschlagworten und übersetzen – und das in einem ungeheuren Tempo (siehe [30]). Damit werden ganz neue Inhalte in Mengen zugänglich, die niemals von Menschen kuratiert werden könnten.

9.3.2 5 Moments of Need Wird formales Lernen in Zukunft überflüssig? Natürlich nicht! Dass die Bedeutung informellen Lernens erkannt wurde, heißt nicht, dass formales Lernen überflüssig wird. Es ist die Vorbereitung und die Basis für informelles Lernen. Betrachtet man die 5 Momente (siehe Abbildung 9.3), in denen Lernbedarf besteht oder entsteht (vgl. [31]), so sind die ersten beiden – etwas Neues lernen und mehr über etwas lernen – gut mit formalem Lernen abzudecken. Die Lernmomente 3 bis 5 entstehen dann erst im Anwendungskontext – wenn es darum geht, etwas anzuwenden oder sich an das Gelernte zu erinnern, ein Problem

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Abb. 9.3: Five Moments of Need.

zu lösen oder mit Veränderungen umzugehen. Hierbei können Elektronische Performance Support Systeme (EPSS) unterstützen: Mit zwei Klicks soll sich dort in weniger als 10 Sekunden (siehe [31] und [32]) die passende Unterstützung finden lassen. Ziel ist es, dass die Lernenden im Workflow bleiben, ihre Aufgaben bewältigen, Probleme lösen und dabei lernen. Hierfür werden die Inhalte von der Anwendung her strukturiert – nach Jobprofilen oder Projekten und den entsprechenden Abläufen sortiert. Für jeden Arbeitsschritt werden Arbeitshilfen mit unterschiedlichem Tiefgang hinterlegt: An employee is in the workflow. Her job requires her to complete a task she’s never performed before and has had no training for. Within 2 clicks she accesses the quick steps for the task. She begins following those steps to perform the task. Step 3 seems a bit complex, so she clicks on that step to access greater detail. On Step 4, she needs to make a decision based upon company policy. She clicks on the policy link, which opens the corporate policy guide to the specific paragraph she needs to review. Once she completes all the steps, she clicks on a link that opens a checklist for her to review to make certain she has completed the task appropriately.[32]

Ein EPSS bietet „Scaffolding“, das heißt, es unterstützt Menschen möglichst schnell, möglichst effizient und effektiv zu arbeiten. EPSS sind hilfreich, aber „einhändig“: es geht um Effizienz und Effektivität auf vorbereitetem Terrain. Für Viele gibt es hier bestimmt Aha-Erlebnisse, aber den großen Wurf, neue Wege zu finden, kann es mit dieser vorstrukturierten und sehr aufwändigen Methode nicht geben. Lernende bzw. Menschen im Workflow allerdings wissen diese Systeme ganz sicher sehr zu schätzen, denn sie helfen ihnen bei ihrem wichtigsten Ziel: ihren Job zu machen.

9.4 Und was sagen die Lernenden? 9.4.1 Analyse der Lernkultur bei einer deutschen Versicherung Wie wird nun aktuell in Unternehmen gelernt? Und was halten die Lernenden davon? Im Herbst 2020 führten wir im Auftrag einer deutschen Versicherung eine Erhebung durch. In Interviews, einer Onlinebefragung und Workshops wurden Mitarbeitende

214 | A. Bosch Tab. 9.2: Datenerhebung zur Weiterbildung bei einer deutschen Versicherung im Herbst 2020. Interviews

Onlinebefragung

Workshops

– 26 zufällig ausgewählte Interviewpartner aus versch. Zielgruppen – Dauer: 45–60 Minuten – November 2020 – halbstrukturiert – aktuelle Situation und Zukunft

– jede/r Mitarbeiter/in hatte die Möglichkeit zur Teilnahme – 3734 Teilnehmer/innen – Dauer: 16 Minuten – Nov./Dez. 2020 – strukturiert mit Askallo – aktuelle Situation und Zukunft

– 7 Workshops mit jeweils 10–15 Teilnehmer/innen – Dauer: 3 Stunden – Dezember 2020 – strukturiert in Gruppenarbeit – Zukunft

und Führungskräfte dazu befragt, wie sie aktuell lernen und wie sie in Zukunft lernen wollen (mehr zur Datenerhebung in Tabelle 9.2). Das Interesse an Weiterbildung ist bei Führungskräften und Mitarbeitenden sehr hoch. Das zeigt sich an der zahlreichen Beteiligung bei der Onlinebefragung, dem großen Engagement in den Workshops und Interviews sowie der Haltung und Einstellung, die aus den Antworten ersichtlich geworden ist. Lernen findet eher bedarfsgetrieben statt als mit mittel- oder längerfristiger Perspektive (siehe Abbildung 9.4): 94 % wollen die eigenen Aufgaben besser erledigen können, aber die Mitarbeitenden sind auch grundsätzlich sehr motiviert – über 90 % lernen aus Interesse an einem Thema oder weil ihnen das Lernen Spaß macht (Abbildung 9.5). Die wichtigsten Themen sind Fach- und Tarifwissen, persönliche Weiterentwicklung und Vertriebsansätze; Zukunftsthemen und IT-Wissen landen abgeschlagen da-

Abb. 9.4: Lernmomente.

9 Praxisbeispiel: Know How! AG

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Abb. 9.5: Lernmotive.

hinter. Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ist am wichtigsten; der Austausch mit der Führungskraft rangiert auf dem vorletzten Platz, vor externen Expertinnen oder Experten. In den Interviews zeigen sich Hintergründe, zum Beispiel, dass Führungskräften die Fachkompetenz abgesprochen wird, eher Kontrolle als Förderung stattfindet oder Weiterbildung an das Erreichen von Vertriebszielen geknüpft wird. Externe Expertise wäre gerne gesehen, jedoch werden externe Trainings – aus Sicht der Befragten – vom Unternehmen zu selten finanziert. Es gibt im Unternehmen wenig Transparenz über Entwicklungsperspektiven oder künftige Anforderungen. Immerhin ist der rückwärtsgewandte Blick klarer: Mehr als die Hälfte gibt an, Überblick über die eigene Lernhistorie zu haben, was sicher auch an den Zertifikatstests und der Nachweispflicht gegenüber der IHK liegt (vgl. [33]). Als Lernformate (siehe Abbildung 9.6) finden die Mitarbeitenden strukturierte Angebote gut, sowohl solche, die Austausch ermöglichen, wie Seminare, Webinare, Workshops, als auch Formate, mit denen alleine gelernt wird, wie eLearningProgramme und Erklärfilme – ob analog oder digital scheint keine so große Rolle zu spielen. Für die Zukunft (siehe Abbildung 9.7) wünschen sich bei den Formaten Viele ein „Weiter so“, wenn Veränderung gewünscht ist, dann möchten die meisten am liebsten kurze elektronische Formate wie Videos, Erklärfilme oder Simulationen haben; die Haltung gegenüber Lernprogrammen ist aber auch nicht ablehnend, Viele wünschen sich gleich viel oder mehr davon; ansonsten werden viele Formate gewünscht, die Austausch ermöglichen: Präsenzseminare, Webinare, Workshops. In Zukunft sollen Inhalte möglichst passgenau und komprimiert sein, gerne personalisiert und mit automatischer Empfehlung, unterschiedliche Formate und eine grafisch ansprechende Gestaltung sind weniger wichtig (siehe Abbildung 9.8).

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Abb. 9.6: Von den Lernenden bevorzugte Lernformate (Mehrfachantwort möglich).

Abb. 9.7: Welche Formate wünschen Sie sich in Zukunft?

Ganz wichtig ist den Befragten: Sie wünschen sich EINE Plattform, auf der alle Inhalte schnell zu finden sind (siehe Abbildung 9.9), nicht mehr verteilt über verschiedene Systeme; die Plattform soll möglichst von überall aus erreichbar sein, und auch wenn zum Zeitpunkt der Befragung mobiles Lernen keine Rolle spielt (Lockdown), gelernt wird schon da am liebsten im HomeOffice und für die Zukunft wird auch mobiler Zugriff mehrheitlich gewünscht. Die Hälfte der Befragten findet es wichtig, und die Mehrzahl wünscht sich, dass die Lernumgebung ihr Vorwissen berücksichtigt. Auch

9 Praxisbeispiel: Know How! AG

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Abb. 9.8: Wünsche an die Bereitstellung der Inhalte.

Abb. 9.9: Wünsche an die Lernumgebung.

Impulse und Inspiration durch die Lernumgebung wäre für fast alle erstrebenswert. Ein ansprechendes Design rangiert auf dem letzten Platz der Wünsche. Als förderliche Rahmenfaktoren (siehe Abbildung 9.10) werden Ziele für sehr wichtig befunden: persönlich, für das Team, Projekt oder Unternehmen. Auch der

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Abb. 9.10: Rahmenfaktoren, die für das Lernen förderlich sind.

Abb. 9.11: Rahmenfaktoren, die hinderlich für das Lernen sind.

Austausch mit anderen und die enge Anbindung des Lernens an konkrete Aufgabenstellungen in der eigenen Arbeitssituation werden mehrheitlich für wichtig befunden. Für das Lernen hinderlich sind nicht die Formate, Inhalte oder der Lernort; der größte Lernverhinderer ist mit großem Abstand (70 %) das Alltagsgeschäft (siehe Abbildung 9.11). Fasst man das zusammen, so fällt auf, dass die Beschäftigten motiviert sind, ihnen aber die längerfristige Perspektive fehlt – es gibt keine Ziele, auf die sich hinar-

9 Praxisbeispiel: Know How! AG

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beiten lässt, und keine Lernkultur mit frei verfügbarer Zeit, auch eine wertschätzende Unterstützung durch die Führungskräfte scheint zu fehlen. Den Führungskräften geht es allerdings nicht besser: Abgesehen von Pflichttrainings wissen sie nicht, was ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelernt haben oder planen zu lernen, deren mögliche Weiterentwicklung ist auch ihnen nicht transparent, dabei möchten sie ihre Mitarbeitenden gerne organisatorisch unterstützen (Angaben jeweils über 90 %). Gleichzeitig erwarten sie mehr Eigenverantwortung von diesen. In einem Interview sagte eine Führungskraft: Ich möchte wissen, wohin sich meine Mitarbeiter ggf. innerhalb des Unternehmens weiterentwickeln können. […] Ich möchte, dass meine Mitarbeiter mehr Verantwortung für ihre eigene Entwicklung übernehmen und dabei durch mich sowie die Akademie begleitet werden.

Zur Eigenverantwortung brauchen Beschäftigte neben Zielen und Transparenz über die Möglichkeiten aber auch Budget. Der Branchenverband Bitkom führte etwa zur gleichen Zeit eine Umfrage mit 700 Personen mit und ohne Führungsverantwortung aus verschiedenen Unternehmensbereichen durch (siehe [34]) und stellte fest, dass 43 % der Befragten kein individuelles Weiterbildungsbudget und 14 % keine Kenntnis darüber hatten. Trotzdem „tragen aus Sicht der Befragten besonders die Mitarbeitenden eine hohe Verantwortung für Weiterbildung“ (70 % Mitarbeiter, 45 % Führungskraft, 35 % Geschäftsführung, 28 % Personalabteilung). Und auch bei der Bitkom-Umfrage zeigt sich Zeitmangel als der größte Lernverhinderer (44 %), gefolgt von Ratlosigkeit angesichts der Vielzahl von Angeboten (28 %) oder Orientierungslosigkeit, weil Ziele fehlen (22 %), und immerhin 15 % der Befragten geben an, dass Weiterbildung in ihrem Unternehmen einen geringen Stellenwert habe. In der Bitkom-Umfrage wünscht sich die Mehrheit der Befragten (55 %) ebenfalls eine Mischung aus digitalen Formaten und Präsenz, doch fast jeder Fünfte möchte künftig ausschließlich digitale Angebote nutzen (19 %). Inhaltlich scheinen IT- und „Zukunftsthemen“ bei der Bitkom-Umfrage wichtiger zu sein, was aber auch an den Auswahlmöglichkeiten liegen kann. Schaut man in die Studie der Vodafone-Stiftung von 2016 (siehe [35]), so hat sich trotz Corona nicht so viel verändert: Auch damals war den Befragten klar, dass Lernen wichtig ist, sie fühlten sich von ihren Führungskräften aber nur unzureichend unterstützt. Sie wollten zwar gerne Verantwortung übernehmen (67 %), waren dabei aber wenig aktiv oder strategisch, nur etwa ein Drittel fragte aktiv nach Weiterbildungsangeboten, 38 % setzten sich Ziele, nur 18 % machten sich einen Plan, nur knapp ein Viertel beurteilte sein Durchhaltevermögen als gut und nur 27 % gaben an, das neu Gelernte in den Arbeitsalltag übertragen zu können.

220 | A. Bosch

9.4.2 Wie lässt sich selbstgesteuertes Lernen unterstützen? Viele Menschen haben erkannt, dass lebenslanges Lernen wichtig ist und sind auch motiviert zu lernen. Aber viele scheitern am Anspruch des eigenverantwortlichen, selbstgesteuerten Lernens. Aus der oben geschilderten Analyse bei einer Versicherung lassen sich drei Gruppen von Mitarbeitenden bilden, für die unterschiedliche Möglichkeiten der Lernförderung in Frage kommen (siehe auch Tab. 9.3): sehr Motivierte, die das Überangebot überfordert oder die sich verzetteln; Mitarbeitende, deren Zeitkorsett das Lernen verhindert; und schließlich diejenigen, die mit selbstgesteuertem Lernen generell Schwierigkeiten haben. Tab. 9.3: Mitarbeiter gruppiert nach Lerneigenschaften und Maßnahmen zur Förderung des Lernens. Eigenschaften

Hilfreiche Förderung

Gruppe 1

– hoher Freiraum bei der Gestaltung ihrer Arbeit – ausgeprägte Eigenverantwortung

– Impulse und konkrete Ziele, die sie verfolgen können – gute Orientierung geben, wo relevante Inhalte zur Verfügung stehen

Gruppe 2

– würden gerne lernen – können es zeitlich nicht realisieren

– Priorisierung der Themen – Organisation der Lernzeiten – Terminierung von konkreten Zielen

Gruppe 3

– Lernen an sich fällt schwer

– durch angeleitete Lernformen zum selbstgesteuerten lernen befähigen – positive Lernerlebnisse schaffen

Bei denjenigen, die gut mit dem selbstbestimmten Lernen klarkommen, ist es besonders wichtig, dass sie ihre Rolle als Vorbild wahrnehmen: Wissen teilen, zeigen wie sie erfolgreich lernen, kurz: Kollaborieren. Hier ein paar wesentliche Bedingungen, damit die Weiterentwicklung von Beschäftigten und Unternehmen gelingen kann: Die Geschäftsleitung muss deutlich machen, dass sie hinter Weiterbildung steht und das immer wieder deutlich machen – auch mit Budgets in Form von Zeit und Geld. Viele Mitarbeitende wünschen sich eine zentrale Plattform, die sie beim Suchen, Finden und Lernen unterstützt. Das kann eine Learner Experience Platform (LXP) oder ein Learning Eco System (LES) sein, vielleicht reicht zunächst aber auch eine SharePoint-Seite, auf der zum Beispiel nach Jobprofilen oder Projektschritten gegliedert, alle wichtigen Unterlagen verlinkt sind. In vielen Unternehmen gibt es auch mehrere konkurrierende Plattformlösungen, dann gilt es, diese zusammenzuführen. Aufgabe der Führungskräfte ist es, ihre Mitarbeitenden zu unterstützen und zu coachen, und damit sie das angemessen tun können, brauchen sie selbst die entsprechende Förderung bzw. Weiterbildung und Transparenz über die Möglichkeiten.

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Lernen muss im Unternehmen einen wahrgenommenen Wert haben, es muss Ziele geben, die transparent sind, regelmäßig diskutiert und in den Teams konkret verfolgt werden – zum Beispiel in OKR-Zyklen. Teamarbeit hilft, nicht aufzugeben, sondern dranzubleiben. Aus dieser Zusammenarbeit können neue Impulse entstehen. Und ganz wichtig ist es, Erkenntnisse zu teilen: im Team, in Learning Circles, Workshops oder Blogartikeln, auf Wiki-Seiten, in BarCamps, bei Working out loudSessions.

9.4.3 Best Practice-Beispiel: Eine Bottom-up-Initiative Zur Illustration hier noch das Best Practice-Beispiel einer Bottom-up-Initiative: Im Rahmen der Arbeit an den selbstgesetzten Weiterentwicklungszielen hat eine Arbeitsgruppe aus 5-6 Mitarbeitenden alle wichtigen Informationen, Dokumente, Anleitungen und Tipps der Abteilung zusammengetragen. Diese haben sie nach Projektschritten und darin enthaltenen Phasen gegliedert und anschließend auf einer SharePointSeite abgelegt oder verlinkt (siehe Abbildung 9.12). Der Vorteil für alle Mitarbeitenden ist, dass sie nicht mehr auf verschiedenen Plattformen suchen müssen und in dieser

Abb. 9.12: SharePoint-Seite einer Abteilung. Alle wichtigen Informationen, Dokumente und Tipps sind nach Projektschritten gegliedert verlinkt und müssen nicht auf verschiedenen Plattformen gesucht werden.

222 | A. Bosch übersichtlichen Struktur vielleicht auch Dinge entdecken, von denen sie bisher nichts wussten. Für neue Mitarbeitende ist es jetzt sehr viel einfacher, einen Überblick über das Vorhandene zu bekommen und sich in die Prozesse einzufinden. Und die Mitarbeitenden der Arbeitsgruppe haben inhaltlich viel gelernt, sich zu einem erfolgreichen Team entwickelt sowie bei der Konzeption und Umsetzung der Lösung sehr viel über SharePoint-Funktionen gelernt.

9.5 Wo stehen Unternehmen? 9.5.1 Digitaler durch Corona Die Corona-Pandemie wirkte wie ein „Brandbeschleuniger für die digitale Transformation der betrieblichen Bildung weltweit, aber insbesondere auch im deutschsprachigen Raum“, befindet die Studie des eLearningJournals (vgl. [36]) Die Budgets haben sich von Präsenzformaten zu digitalen Formaten verschoben und auch für Technologie wurde einiges an Geld in die Hand genommen, hauptsächlich wurden Tools für Videokonferenzen und Virtual Classrooms angeschafft, die wohl auch künftig eine wichtige Rolle in der betrieblichen Weiterbildung spielen werden. Bei drei Viertel der Befragten ist im Unternehmen ein LMS im Einsatz, weitere 10 % geben an, dass die Anschaffung eines solchen geplant ist. Eine deutliche Mehrheit geht davon aus, dass der Einsatz von LXP und LMS künftig zunehmen wird und 40 % rechnen mit KI-basierten Bildungstechnologien wie Chatbots, Adaptive Learning- und Recommendation Tools (ebd., S. 11 und 13). Auch die Bitkom-Akademie hat in einer Studie die Auswirkungen von Corona abgefragt. Anders als bei anderen Krisen, wurde das Weiterbildungsbudget in den befragten Unternehmen nicht durchweg gekürzt, sondern blieb bei 72 % gleich und wurde bei 8 % sogar erhöht, zudem hat ein Drittel der Befragten seit März 2020 mehr Arbeitszeit in Weiterbildung gesteckt. Viele nutzten kostenlose Angebote, großteils Online-Konferenzen und Webinare, mit denen die Mehrheit zufrieden war. Interessant ist auch, dass aktuell nur 47 % der Befragten der Meinung sind, dass Weiterbildung strategisch eingesetzt wird, um Mitarbeiter zu befähigen, auch in Zukunft erfolgreich mit Veränderungen umgehen zu können. Beim Blick in die Zukunft rechnen aber 69 % damit, dass Weiterbildung 2025 eine größere Bedeutung haben wird und mehr Zeit und Geld in sie investiert werden wird. Drei Viertel wünschen sich, dass Weiterbildung von den Mitarbeitenden eigenverantwortlich organisiert sein wird, mit Sparringspartnern, die ihnen als Ratgeber zur Seite stehen (siehe [37]). Viele Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass sie um Weiterbildung nicht herumkommen: um als Arbeitgeber attraktiv zu sein und langfristig im Wettbewerb zu bestehen. Schon heute geben sich viele Unternehmen große Mühe, ihren Mitarbeitenden attraktive Lernangebote zu machen. Zum Beispiel hat die Ahorn Gruppe, ein Be-

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stattungsunternehmen mit 50 Marken, 230 Filialen und rund 1.000 Mitarbeitenden, einen Online-Campus eingerichtet: eine „Lern-, Wissens- und Austauschplattform“, auf der „von- und miteinander gelernt werden kann“ (vgl. [38]). Die Plattform bietet Informationen für alle Mitarbeitenden und soll Quereinsteigern den Wechsel erleichtern, aber die Einrichtung der Plattform ist auch explizit dazu gedacht, Gemeinschaft zu stiften und den Mitarbeitenden Wertschätzung zu vermitteln.

9.5.2 Drei WBT-Produktionen in der Corona-Zeit Abschließend nochmals ein Blick auf die „alte Tante“ WBT, die sich heutzutage in ganz unterschiedlichen Gewändern präsentiert. Je nach Anforderung, Thema und Zielgruppe kann sie technologisch, didaktisch und grafisch ganz unterschiedlich daherkommen. Interessant ist der Blick auf Projekte während der Corona-Zeit, weil er auch zeigt, wie unterschiedlich Unternehmen von dem überraschenden Lockdown ab Mitte März 2020 getroffen waren. Manche Unternehmen gingen in Betriebsruhe oder 100 % Kurzarbeit; bei anderen wechselte man ins HomeOffice, stellte auf Online-Formate um und arbeitete wie gewohnt weiter; wieder andere wechselten ins HomeOffice, verschoben erst einmal alle Präsenztermine und stellten im Herbst großen Nachholbedarf fest. So unterschiedlich wie die Unternehmen sind auch die Lernlösungen, die dabei herausgekommen sind. Im Folgenden also ein Blick auf drei „Corona-Projekte“.

9.5.2.1 Compliance „in schick“ Ein Automobilzulieferer brauchte Ersatz für seine Flash-basierten Compliance-Trainings, die global im Einsatz sind. Eine Konvertierung in HTML5 stand nicht zur Debatte, denn die neuen WBTs sollten frischer und attraktiver wirken als die Programme, die schon seit acht Jahren im Einsatz waren. Als Autorentool wurde Adapt Learning (siehe [39]) ausgewählt, mit dem sich HTML5-basierte Trainings realisieren lassen, die auf allen Devices „responsiv“ funktionieren, das heißt, die Komponenten des Tools passen Funktion, Ausrichtung und Aussehen automatisch an PC, Tablet oder Smartphone an, wie man es von responsiven Webseiten gewohnt ist. Die Bearbeitung erfolgt nicht mit Klick auf den Weiter-Button zur nächsten Seite, sondern durch Wischen oder Scrollen nach unten auf einem OnePager. Inhaltlich sollten die Trainings so umfassend sein wie die bisherigen, aber deutlich zeitgemäßer gestaltet und abwechslungsreich umgesetzt. Eingangs weckt ein kurzer Trailer die Neugier, dann werden Schulungsziele und Erwartungen umrissen, danach beginnt die Inhaltsvermittlung mit vielen ansprechenden Fotos und Lesetexten. Interaktionen und Fallbeispiele, Schätzfragen und kleine Podcasts – zum Beispiel

224 | A. Bosch Dialoge mit hinterlegter Soundatmosphäre – lockern das Ganze auf und vermitteln Praxisnähe. Mit zahlreichen eingestreuten Übungen können die Lernenden ihr Wissen selbst überprüfen und nach bestandenem Abschlusstest erhalten sie ein Zertifikat. Es handelt sich um Pflichttrainings mit Lerndauern zwischen 30 und 60 Minuten, für Führungskräfte gibt es teilweise etwas umfangreichere Lektionen. Während der Bearbeitung ist das Weiterscrollen gesperrt bis in der aktuellen Komponente alle interaktiven Elemente aktiviert bzw. das Video gestartet oder die Frage beantwortet wurde. Der Kick-off war im Januar 2020, ab Mitte März war auf Kundenseite zunächst Betriebsruhe, dann 100 % Kurzarbeit. So blieben die Anfang April zur Abnahme gelieferten Drehbücher liegen. Aufgrund der Dringlichkeit des Projekts (Pflichttraining, anstehende Abschaltung von Flash) durften die Projektbeteiligten ab Mai wieder einen Tag pro Woche arbeiten, trotzdem verzögerte sich die Abnahme der Drehbücher um mehrere Monate, u. a. weil interne Abstimmungen auf Kundenseite in Deutschland und den Regionen pandemiebedingt schwierig waren, auch hierarchische Unternehmensstrukturen wirkten sich hier oft negativ aus, weil sie Entscheidungen verzögerten. Das Projekt konnte daher nicht wie geplant bis Oktober fertiggestellt werden, dennoch wurde das wichtigste Ziel erreicht: Als Ende des Jahres der Flash-Player auslief, waren die deutsche und die englische Version ausgerollt, die weiteren Sprachen wurden Ende Januar fertig. Das lag zum Teil auch daran, dass bei der Produktion der Sprachversionen Vorübersetzungen mit kognitiven Diensten gemacht wurden, so dass der Übersetzungsprozess deutlich schneller ging als bei konventionellen Übersetzungen. Der eher traditionell geprägte Betrieb kam durch Corona ziemlich ins Straucheln, das lag an Markt und Branche einerseits und den sehr hierarchischen internen Strukturen andererseits. Beim Thema eLearning hat das Unternehmen langjährige Erfahrung und hat für dieses Compliance-Projekt ein sehr modernes Look and Feel gewählt, das von dem aller bisherigen WBTs im Unternehmen abweicht. Die restriktive Navigation widerspricht etwas dem Gedanken des freien Scrollens, allerdings sind Compliance-Trainings Pflicht und es ist nachzuvollziehen, dass das Unternehmen kein Haftungsrisiko eingehen möchte. Für seine Lernenden hat das Unternehmen ein ungewöhnliches und sehr abwechslungsreiches WBT produzieren lassen, mit dem sich – so das Ziel – das trockene Thema so ansprechend wie möglich erarbeiten lässt.

9.5.2.2 Ein spielerisches WBT Eine Gruppe aus dem Führungskräftenachwuchskreis des Siemens-Konzerns hatte sich mit ihrem Thema um Mittel des Zukunftsfonds beworben und mit ihrem Konzept überzeugt. Die Antragsteller müssen die in Zukunft durch digitalen oder strukturellen Wandel benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen klar beschreiben und die

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entsprechenden Lernmaßnahmen ausarbeiten. Mit diesem Bottom-up-Ansatz ergänzt Siemens seine Corporate Learning Architektur und möchte mehr Tempo in die Qualifizierung seiner Mitarbeiter bringen (vgl. [40]). Die Nachwuchsführungskräfte wollten ein Lernprogramm zur Cash Flow Awareness erstellen lassen. Sie stellten sich ein „Educational Game“ vor, das die Mitarbeitenden die Bedeutung des Cash Flows verstehen und den Einfluss erkennen lässt, den jede und jeder Einzelne darauf hat. Dabei sollte auch Verständnis für die Entscheidungen anderer Rollen im Unternehmen geweckt werden. Als Zielgruppe waren zunächst 15–20.000 Mitarbeitende vorgesehen, eine Ausweitung auf alle 70.000 Beschäftigen der zu dieser Zeit noch in Gründung befindlichen Siemens Energy war geplant. Das eLearning-Programm sollte in Deutsch und Englisch für PC und Tablet produziert werden. Als Autorentool wurde das Creative Learning Toolset (CLT) ausgewählt, eine Entwicklung der Know How! AG in Kooperation mit der Siemens AG (vgl. [41]). Das Tool verhält sich adaptiv, skaliert die Auflösung also passend zum Bildschirm der Devices und ist besonders geeignet für Produktionen in vielen Sprachen, unterstützt Blinde sowie Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit und kann neben SCORM auch xAPI-Informationen senden. Der Screen der Anwendung lässt sich beliebig gestalten – von der klassischen WBT-Ansicht bis hin zu 360°-Räumen. „Mind the Cash!“ ist ein 30-minütiges, story-basiertes WBT mit spielerischen MiniSzenarien. Die illustrierten Charaktere – Projektleiterin, Ingenieur, Controllerin und Kunde – arbeiten gemeinsam an einem Projekt von der Angebotsphase bis zum Lessons Learned zum Projektabschluss (siehe Screenshot in Abb. 9.13). Im Laufe des Projekts sind zahlreiche Entscheidungen zu treffen oder auch Pannen auszubügeln, hier sind die Lernenden gefragt, den Protagonistinnen und Protagonisten unter die Arme zu greifen, verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren und zu sehen, was der mitlaufende „Cash Flow Meter“ als Konsequenz anzeigt, zudem gibt es jeweils inhaltlich begründete Feedbacks zur getroffenen Wahl. Das WBT enthält vielfältige Interaktionen und ist mit Dialogen vertont, die Charaktere duzen sich und auch die Lernerin bzw. der Lerner wird mit „Du“ angesprochen. Die Navigation ist frei, aber linear entlang der Story, einen Abschlusstest gibt es nicht. Der ganztägige Workshop vor Ort war schon terminiert, als Corona-bedingt alle ins HomeOffice wechselten. Daraufhin fand der Kick-off in drei jeweils 2-stündigen Teams-Besprechungen statt, die jeweils thematischen Schwerpunkten gewidmet waren: organisatorische, konzeptionell-inhaltliche und grafische Abstimmung. Da alle Beteiligten mit der Online-Zusammenarbeit vertraut waren und Entscheidungen schnell und pragmatisch getroffen wurden, gab es keine Verzögerungen oder Beeinträchtigungen im Projektablauf. Selbst die Umfirmierung in Siemens Energy, mit vorab geheim gehaltenen Logo und völlig anderen Farben war nicht problematisch, da alles rechtzeitig entsprechend vorbereitet wurde. So erhielt die Pilotgruppe das WBT termingerecht zum Test und die Finalversion wurde auf Deutsch und Englisch wie geplant fertiggestellt und das Training ausgerollt.

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Abb. 9.13: Screenshot aus dem WBT „Mind the Cash!“ für Siemens Energy.

9.5.2.3 Blended Learning für systematisches Onboarding Die IT-Tochter eines Versicherungskonzerns hat eine Software-Plattform für die Administration von Versicherungsleistungen entwickelt, die international im eigenen Konzern sowie bei anderen Versicherungen zum Einsatz kommt. Bei der IT-Tochter müssen daher laufend neue eigene Mitarbeitende und Mitarbeitende von Kunden geschult werden. Themen sind zum Beispiel Deployments von Frontend-Anwendungen, Batch-Prozesse, System Operations und User Support. Bislang hatten dazu jeweils mehrwöchige Trainings vor Ort stattgefunden, wegen der Corona-Pandemie war dies allerdings unmöglich geworden, tagelange Webinare hatten sich als nicht zielführend erwiesen und nach monatelanger Verschiebung musste im September 2020 dringend eine andere Lösung gefunden werden. Ziel war es, eine Wissensplattform zum Selbststudium zu schaffen und mit einem Blended Learning-Konzept zu verbinden. Da es innerhalb des Konzerns zu einem anderen Thema bereits eine Wissensplattform auf Basis von Typo3 gab, wurde beschlossen, diese als Grundlage zu nutzen. Vorteile waren, dass schon einige nützliche Elemente vorhanden waren, wie zum Beispiel True/False-Fragen, die am Ende eines Moduls als Selbst-Test verwendet werden, einfache Tracking-Funktionen, mit denen die Lernenden ihren Lernfortschritt selbst sehen können und ein Bewertungssystem, mit dem sich Modulen bis zu fünf Sterne geben lassen. Für die Typo3-Plattform sprach außerdem, dass es – gerade für Programmierer – ein Leichtes ist, damit umzugehen, so

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dass perspektivisch die Abteilungen Pflege und Erweiterung der Inhalte selbst übernehmen können. In verschiedenen Workshops mit vier Fachabteilungen wurden Roadmaps für die Umsetzung ihrer Schulungslösung definiert, die inhaltliche Struktur der jeweiligen Lernangebote auf der Plattform sowie Blended Learning-Konzepte für das Zusammenspiel von Selbstlernphasen mit der Plattform und virtuellen Workshops und Übungen bis hin zu konkreten Schulungsplänen erarbeitet. Nach einem gemeinsamen virtuellen Kick-off fanden zahlreiche weitere WebExund Teams-Meetings mit einzelnen Subject Matter Experts statt, um die Inhalte der verschiedenen Kapitel zu erarbeiten. Vor den inhaltlichen Workshops wurde eine didaktisch strukturierte Word-Vorlage verteilt, in welche die jeweiligen Experten Inhalte einfügen konnten. Manchmal gab es bereits Schulungsunterlagen, aber oft musste das Wissen im Workshop direkt aus den Köpfen ins Dokument geholt werden. Entstanden sind so etwa 20 Stunden eLearning auf der Plattform: Es enthält grundlegende Erklärungen in Form von Lesetexten zu verschiedenen Software-Tools, Schaubilder der Software-Architekturen, Prozessbeschreibungen, Übersichten über Ordner-Strukturen, Code-Beispiele zum Kopieren etc. (siehe Abbildung 9.14): Eine Plattform zum Lernen und Nachschlagen, mit feingliedriger Navigation, Suchfunktion und Glossar.

Abb. 9.14: Screenshots mit dem Schaubild einer Software-Architektur und einer Prozessbeschreibung; Breadcrump-Navigation oben, Modul-Navigation seitlich rechts.

Für die neuen Mitarbeitenden strukturiert eine Learner Journey die Wissensvermittlung: Sie erhalten eine Art Fahrplan und wissen so, was sie wann im Selbststudium erarbeiten sollen, und was im Webinar oder Seminar mit Trainerin oder Trainer ge-

228 | A. Bosch schult oder geübt wird. Für Fragen zu den Inhalten steht unter jedem Modul die E-MailAdresse der Arbeitsgruppe des entsprechenden Fachbereichs. Für das Unternehmen und das schulende Personal war Corona ein sehr willkommener Anlass, die Schulungen umzustellen, denn diese waren sehr zeitintensiv und fanden immer zusätzlich zur eigentlichen Tätigkeit statt. Durch die Umstellung auf Blended Learning verringert sich der Aufwand immens. Zum Beispiel wurde bei einem Thema vorher über acht Wochen gestreckt 24 Tage lang in Präsenz geschult, jetzt sind es sieben vorstrukturierte Sessions à 1,5 bis 2 Stunden mit dazwischen liegendem Selbststudium der Teilnehmer und wöchentlichen Fragestunden, die aufgezeichnet werden. Und auch für die Teilnehmer läuft das Onboarding schneller, zu den genannten sieben Sessions und Fragestunden kommt Material zum Selbststudium mit einer – je nach Zielgruppe – maximalen Lerndauer von 8 Stunden. Im Anschluss an das 4bis 6-wöchige Training stehen die Experten einen definierten Zeitraum lang für Coaching oder Job Shadowing zur Verfügung. In Abbildung 9.15 ist das Trainingskonzept im Überblick zu sehen.

Abb. 9.15: Blended Learning Konzept mit Webinaren, Selbststudium und anschließendem Coaching/Job Shadowing.

Die Abteilungen pflegen die Plattform weiter; sie aktualisieren die Inhalte, ergänzen Software-Aufzeichnungen, füllen nach und nach die FAQ-Listen und ergänzen Links zur Confluence-Plattform der jeweiligen Arbeitsgruppe.

9.6 Fazit Formales Lernen mit Lernzielen und Plan bleibt wichtig, in manchen Bereichen geht es nicht ohne. Content bleibt König bei Themen, die geschult werden müssen:

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weil sie komplex sind und längere Schulung erfordern, weil sie kritisch sind und Fehler gefährlich oder teuer sind, oder weil sie regulatorisch relevant sind und Verstöße Schaden verursachen können.

Mittlerweile wird aber auch bei Pflichttrainings viel Mühe darauf verwendet, die Lernenden anzusprechen, ihnen soll das Lernen Spaß machen und sie sollen gerne lernen. Es wird versucht, den Anschluss an die Praxis möglichst leicht zu machen mit (Gesprächs-)Simulationen, spielerischen Elementen, story-basiertem Training, das nah am Arbeitsalltag ist, mit Erklärvideos, die Zusammenhänge darstellen oder Abläufe zeigen, und man versucht, mit Humor, inspirierenden Trailern und schöner Gestaltung der WBTs, die Teilnehmenden für das Lernen zu gewinnen und ihnen das Lernen zu erleichtern. Die Eigenverantwortung der Lernenden wird oft gefordert, aber – wie die Umfragen gezeigt haben – fühlen sich viele damit überfordert. Sie brauchen eine Lernkultur im Unternehmen, die Lernen wertschätzt und ihm Zeit einräumt; Ziele, um den Weg zu sehen und den Austausch mit anderen, um Dinge einordnen zu können. Und auch wenn die Menschen kurze unterhaltsame Filme am liebsten mögen: nur mit solchen wird man auch in Zukunft nicht lernen, denn ohne Kontext helfen Microlearnings niemandem weiter. Und es wird immer Inhalte geben, die über eine längere Strecke gelernt werden müssen – das ist nicht immer nur bequem und schnell, aber das war schon immer so, da hilft die beste Technik nichts. Arbeiten ist lernen, aber Lernen ist auch Arbeit. Das braucht Zeit und die müssen die Unternehmen gewähren. Gleichzeitig wird sehr viel informell gelernt, ob mit oder ohne vorbereitete Plattform greifen alle zu den Lernhäppchen, die sie umgeben oder fragen Kolleginnen und Kollegen, wenn sie nicht weiterkommen. Informelles Lernen wird allerdings oft gar nicht als Lernen wahrgenommen, weil es „nebenbei“ passiert, im Kontext der Arbeit. Inhalte werden in einem bestimmten Kontext wichtig, benutzt und oft gleich wieder vergessen. Hier ist es wichtig, sich Lernprozesse bewusst zu machen. Dabei hilft Reflexion: „Was habe ich heute gelernt?“, „Was habe ich aus diesem Projekt gelernt?“ Auch das Besprechen mit Kolleginnen und Kollegen oder Zusammenfassen für andere kann helfen, informell Gelerntes zu festigen. Und ganz nebenbei lässt sich so ein Schatz an User Generated Content aufbauen, für den es allerdings eine Plattform geben muss, damit er gefunden wird. Digitales Lernen ist mittlerweile unglaublich vielfältig, was Formate, Technologien und didaktische Ansätze angeht. Es bleibt spannend zu sehen, wie sich künstliche Intelligenz und kognitive Dienste auf Lernangebote und Lernen auswirken werden. Vielleicht haben wir alle in ein paar Jahren unsere persönlichen Chatbots als Lernassistenten, die uns mit schnellen Antworten versorgen, mit menschlich klingender Stimme (siehe [42]) längere Artikel vorlesen oder uns passend zu dem, was wir gerade tun, inspirierende Vorschläge machen und unseren Lernverlauf im Auge behalten.

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Marina Lang

10 Praxisbeispiel: Product Owner Training Professional Scrum Product Owner Training: Motiviert und erfolgreich beruflich weiterbilden auch im HomeOffice Zusammenfassung: Monatelang im HomeOffice arbeiten ohne seine Kolleginnen und Kollegen persönlich zu treffen und dann auch noch ein Training erfolgreich digital bewältigen und parallel Arbeitsmails beantworten? Wie kann das erfolgreich funktionieren? Dieser Artikel zeigt anhand eines Praxisbeispiels einer „Professional Scrum Product Owner Weiterbildung“ auf, wie aus motivationspsychologischer Perspektive motiviert und erfolgreich im HomeOffice digitale Weiterbildung stattfinden kann. Schlagwörter: Berufliche Weiterbildung, HomeOffice, Digitalisierung, Motivation, Selbstbestimmungstheorie

10.1 Berufsbegleitende Weiterbildung in Zeiten von HomeOffice ist eine Herausforderung Die Arbeitssituation hat sich für Viele stark verändert. Dabei ist es herausfordernd motiviert im HomeOffice zu arbeiten. Noch schwieriger wird es, wenn es auch noch darum geht sich motiviert und erfolgreich weiterzubilden. In diesem Artikel wird anhand eines erfolgreichen Praxisbeispiels beschrieben, wie die Lernmotivation auch bei einem beruflichen Training im HomeOffice aufrechterhalten werden kann. Weiterbildung im HomeOffice hat sich durch die Covid-19Pandemie vollständig verändert. Im ersten Schritt (Abschnitt 10.2) wird das Thema HomeOffice beleuchtet, bevor im zweiten Schritt (Abschnitt 10.3) speziell auf die Motivation in Trainings im HomeOffice eingegangen wird. Im dritten Schritt (Abschnitt 10.4) geht es um die Praxis: Wie werden in einem Praxisbeispiel Faktoren zur Förderung der Motivation in einem Training umgesetzt?

10.2 Hintergründe zum Thema HomeOffice Ist denn HomeOffice überhaupt ein so neues Thema, dass es sich lohnt dieses in einem extra Artikel zu behandeln? Wer bildet sich denn im HomeOffice weiter? Laut einer Studie arbeiteten vor der Covid-19-Pandemie eigentlich nur wenige Personen im HomeOffice (vgl. [1]): nur 17 % verrichten ihre Arbeit gelegentlich, überwiegend oder ausschließlich von Zuhause aus. Die Covid-19-Pandemie hat diese Situation geändert, https://doi.org/10.1515/9783110754728-010

234 | M. Lang denn bis Anfang 2021 verdoppelte sich diese Zahl auf 38 %. Damit arbeitet aber immer noch die Mehrheit bei ihrem Arbeitgeber und nicht von daheim. Eine interessante Tatsache dabei ist, dass fast die Hälfte derjenigen, die im HomeOffice arbeitet einen Hochschulabschluss besitzt. Dagegen arbeiten Arbeiter kaum im HomeOffice. Die Begründung hierzu ist einfach: Viele Arbeitsplätze gerade im Einzelhandel oder in der Produktion, bei denen Handarbeit nötig ist, können nicht am Computer durchgeführt werden. Auch sind hohe Einkommen deutlich überrepräsentiert. Weiterbildung im HomeOffice betrifft daher zunächst einmal vor allem nur einen Teil der Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz überhaupt zuhause stattfinden kann. Dazu kommt noch die Herausforderung, dass erst einmal die technische Infrastruktur bestehen muss, um Weiterbildung im HomeOffice zu ermöglichen. Sicherlich hat sich zwar die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im HomeOffice verändert. HomeOffice selbst ist aber nicht neu. Welche Herausforderungen bringt diese Arbeitssituation generell mit sich? Anbei kommen einige Aspekte, die nicht nur Motivation für Weiterbildung beeinflussen können, sondern auch die generelle Arbeitssituation [2]: – fehlende Strukturierung durch das Büroumfeld, – erhöhte Ablenkung durch private Themen, – erschwerte Trennung von Privatem und Beruflichem und – veränderte Kommunikation mit dem/der Vorgesetzten und den Kolleginnen und Kollegen. Nimmt jemand an einer Weiterbildung im HomeOffice teil, kommt noch eine weitere Herausforderung dazu: Häufig findet eine berufliche Weiterbildung am gleichen Computer statt, an dem auch die beruflichen Tätigkeiten stattfinden. Das bedeutet, der Teilnehmer muss auch die Weiterbildung von seinem beruflichen Alltag klar abgrenzen können, um sich wirklich auf die Inhalte der Weiterbildung zu fokussieren und sich nicht zu sehr vom beruflichen Alltag ablenken zu lassen. Inzwischen gibt es einige Literatur, die sich spezifisch damit befasst, welche Maßnahmen generell förderlich sind, damit Mitarbeiter auch von Zuhause aus effizient arbeiten können. Beispiele hierfür sind klare Regeln, um Stress und Unsicherheiten zu reduzieren beispielsweise bezüglich Erreichbarkeit. Aber auch klare Beurteilungskriterien bezogen auf konkret erreichbare Arbeitsziele und eine gute Kommunikation sowie regelmäßiges Feedback sind von Bedeutung (ebd.). Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden aufgrund der Covid-19-Pandemie schnell ins HomeOffice geschickt und das über Monate lang. Da viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits am Laptop arbeiten, könnte man meinen auch HomeOffice sei problemlos möglich. Tatsächlich zeigte sich aber in Realität: das war nicht überall der Fall. Was hat sich denn nun wirklich verändert? In einer Analyse von Fraunhofer wird beispielsweise festgestellt, dass keineswegs sofort die idealen Voraussetzungen für HomeOffice bestanden [3]: viele Unternehmen,

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aber auch die Mehrzahl der im HomeOffice Arbeitenden benötigten zunächst ihre Zeit, um die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Arbeit im HomeOffice zu schaffen und um sich an die Situation zu gewöhnen. Einige positive Veränderungen ergeben sich aus der monatelangen HomeOffice-Zeit (ebd.): – Gesteigerte Effizienz und schnelles Treffen von Entscheidungen: Es wurde eine gesteigerte Effizienz und das schnellere Treffen von Entscheidungen beobachtet, was vor allem dann zutraf, wenn die vorhandene Technik und das Umfeld zu Hause förderlich waren. Diese neuen Erkenntnisse und Erfahrungen sind schon jetzt wichtig für unsere veränderte Arbeitswelt, sie werden uns jedoch auch über die Pandemie hinausbegleiten. – Neue Einstellung zum selbstbestimmten ortsunabhängigen Arbeiten: Die Analyse ergibt auch noch weitere Veränderungen beispielsweise was die Einstellung zum selbstbestimmten und orstunabhängigen Arbeiten generell betrifft. Räumlich getrenntes Arbeiten wurde sicherlich einfacher, aber auch zur Normalität. Für unseren Arbeitsort wird dies folgende Konsequenzen haben: Die Entscheidung für die Arbeit im Büro, vor allem in Bezug auf den Hin- und Rückweg, wird immer neu überlegt und bewusst getroffen. Es lässt sich also ein Paradigmenwechsel erkennen: Die Einstellung bezüglich der Arbeit vor Ort hat sich grundlegend verändert. Wie sich das weiter entwickelt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Hieraus lässt sich ableiten, dass inzwischen sicherlich eine gute Basis auch für die digitale Weiterbildung im HomeOffice besteht und sich vermutlich auch die Einstellung generell zum digitalen Lernen angepasst hat. Wie kann berufsbezogene Weiterbildung im HomeOffice nun erfolgreich gelingen?

10.3 Motivation im beruflichen Kontext im HomeOffice Motivation als Motor etwas zu tun, spielt eine zentrale Rolle für das Gelingen einer Weiterbildung. Aber was ist Lernmotivation und welche Rolle spielt Motivationsforschung im beruflichen Weiterbildungskontext?

10.3.1 Motivation im Weiterbildungskontext aus psychologischer Perspektive Eine psychologische Betrachtung der Motivation beantwortet vor allem die Frage des „warum“ und „wozu“ von menschlichem Erleben und Verhalten (vgl. [4, 5]). Lernmotivation bezieht sich vor allem auf „jene Strukturen und Prozesse die das Zustande-

236 | M. Lang kommen und die Effekte des Lernens bzw. einer Lernhandlung erklären“ (siehe [6], S. 188]. Gerade im Schul- und Hochschulbereich gibt es zahlreiche Studien zur Lernmotivation. In der beruflichen Weiterbildung sieht das anders aus. So wird die derzeitige Motivationsforschung im Weiterbildungskontext immer noch als Entwicklungsfeld betrachtet und dabei vor allem die Heterogenität im Weiterbildungskontext als große Herausforderung identifiziert [7]. Schließlich findet Weiterbildung im beruflichen Kontext in vielen verschiedenen Branchen, aus unterschiedlichen Gründen statt und werden mit ganz verschiedenen Konzepten realisiert. Dabei stellt sich die Frage: Welche Faktoren beeinflussen nun, dass sich jemand motiviert weiterbildet? Grundsätzlich lässt es sich davon ausgehen, dass die bisher etablierten Theorien und Modelle auch einen universellen Anspruch haben und als theoretische Basis für Motivationsforschung im Weiterbildungskontext dienen können [7]. Verschiedene Autoren greifen dabei auf unterschiedliche theoretische Ansätze zurück um Lernmotivation im Kontext der betrieblichen Weiterbildung zu beleuchten z. B. Erwartungs-Wert-Theorie [8], Theorie des begründeten Handelns [9] sowie Zielorientierung in Kombination mit der Selbstbestimmungstheorie [10]. Jede dieser Betrachtung bringt Vor- und Nachteile mit sich. Dieser Artikel beleuchtet das Praxisbeispiel vor allem aus Sicht der Selbstbestimmungstheorie, um mit einem sehr einfachen Konzept Kriterien zur Aufrechthaltung der Motivation herausarbeiten zu können. Welche Faktoren stellen nach der Selbstbestimmungstheorie Erfolgsfaktoren dar?

10.3.2 Motivation aus Sicht der Selbstbestimmungstheorie In der Selbstbestimmungstheorie wird von drei universellen psychologischen Grundbedürfnissen ausgegangen (siehe auch [11] und [12]). Die Erfüllung aller drei Bedürfnisse ist für die Motivation ganz zentral. Wird eines dieser Bedürfnisse nicht erfüllt, kann dies negativen Konsequenzen auf Motivation und Wohlbefinden nach sich ziehen. Im Mittelpunkt stehen dabei folgende drei Bedürfnisse: – Streben nach Kompetenz, – Streben nach sozialer Eingebundenheit und – Streben nach Autonomie.

10.3.2.1 Kompetenzerleben Kompetenzerleben bezieht sich laut der Selbstbestimmungstheorie auf das Gefühl der Selbstkontrolle [12]: Im Mittelpunkt steht die Möglichkeit erfolgreich zu sein und wachsen zu können.

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Förderung des Kompetenzerlebens in Trainings: Förderung des Kompetenzerlebens erfolgt beispielsweise durch individualisierte und informierende Rückmeldung. Des Weiteren spielt eine Rolle, inwiefern differenzierte Aufgabenstellungen geboten werden, damit individuelle Kompetenzen und Fähigkeiten auch zur Geltung kommen [13]. Zusätzlich wird Kompetenzerleben unterstützt durch transparente Leistungsanforderungen und positives Feedback [14]. 10.3.2.2 Streben nach sozialer Eingebundenheit Das Streben nach sozialer Eingebundenheit bezieht sich auf das Gefühl wo dazu zu gehören und verbunden zu sein [11]. Die meisten Menschen schätzen den Austausch mit anderen, so hat soziales Lernen generell in sämtlichen konstruktivistischen Auffassungen von Lernen eine zentrale Bedeutung (vgl. [15, 16]). Förderung der sozialen Eingebundenheit in Trainings: Gefördert wird die soziale Eingebundenheit beispielsweise durch Gruppenarbeit und Diskussionen in der Gruppe, dabei wird Ausmaß des individuellen Verständnisses wird beim Lernen in einer Gemeinschaft deutlich, wenn z. B. widersprüchliche Sichtweisen auftreten [17]. 10.3.2.3 Autonomie Menschen wollen selbst bestimmen, was sie tun und vor allem wie sie es tun und wollen dabei autonom reagieren. Der Teilnehmer einer Weiterbildung sollte daher auch Möglichkeiten erhalten, sich Inhalte individuell und selbstgesteuert anzueignen. Selbstgesteuertes Lernen wird in diesem Zusammenhang als Lernform aufgefasst, „bei der [...] der Handelnde selbst die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann und worauf er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann“ (siehe [18], S. 102). Förderung der Autonomie: Eine Förderung des Autonomieerlebens erfolgt beispielsweise durch Wahl- und Partizipationsmöglichkeiten, aber auch indem Lerninhalte, die eine hohe Bedeutung für den Alltag haben, frei und selbstständig erarbeitet werden (vgl. [19, 20]). Zusätzlich wird Autonomie vor allem auch durch die Berücksichtigung des Interesses unterstützt [21]. Auch eine gute Struktur, das „Scaffolding“ unterstützt das Lernen: Die Kombination aus hoher Autonomieunterstützung durch den Lehrenden und eine gute Struktur hängen mit einer höheren autonomen Motivation zusammen [22].

10.3.3 Didaktik eines motivierenden Trainings Wie kann nun motiviert ein Training in einer HomeOffice-Situation stattfinden? Hierbei spielt eine zentrale Rolle wie ein Training abläuft. Eine sinnvolle Didaktik steht

238 | M. Lang hierbei im Mittelpunkt. Besonders erfolgsversprechend ist hierbei ein angemessener Wechsel zwischen Instruktion und Konstruktion [16]. Der Teilnehmer des Trainings arbeitet aktiv selbstgesteuert und situativ. Das Wissen wird dabei sozial konstruiert. Der Trainer unterstützt ihn, indem er anleitet, darbietet und erklärt. Der Lerner ist hier manchmal in der aktiven Rolle und manchmal in einer rezeptiven Rolle. Immer häufiger wird auch das Konzept „flipped classroom“ erfolgreich angewandt und analysiert (vgl. [23, 24]): Während in einem traditionellen Modell zuerst der Lehrende aktiv erklärt bevor der Lernende selbstgesteuert lernt, ist das beim flipped classroom genau anders herum: der Lernende beschäftigt sich zunächst selbst mit beispielsweise erster Literatur und/oder Aufgaben, die dann gemeinsame diskutiert und eingeübt werden. Oraif zeigt in einer aktuellen Studie außerdem, dass ein flipped classroom die Motivation bezogen auf Kompetenzerleben, soziale Eingebunden und Autonomie fördert und dies sogar noch erfolgreicher als bei einer traditionellen Lehrweise [25]. In der Praxis finden auch konkreten Handlungsempfehlungen von Training from back of the room immer mehr Bedeutung [26]. Eng verknüpft mit den Ansätzen des Scaffolding wird dabei explizit der Lernende in den Mittelpunkt gerückt mit dem Motto „Wenn Lernende reden und lehren, lernen sie“.

10.3.4 Erfolg eines motivierenden Trainings Ein Blick in die Unterrichtsforschung zeigt, dass „Erfolg“ erstens sehr vielfältig definiert wird und zweitens aber auch von sehr vielen Faktoren abhängen kann. So kann ein kurzfristiger Output beispielsweise eine Leistung sein, die zu dem Erwerb eines Zertifikats führt und als längerfristiger Outcome zu beispielweise einen beruflichen Erfolg mit sich bringt. 10.3.4.1 Was ist Erfolg eines Trainings und wie wird das gemessen? Der Erfolg kann verschieden interpretiert und an Indikatoren auf unterschiedlichen Ebenen gemessen werden. Anhaltspunkte zu dieser herausfordernden Frage finden sich in verschiedenen Evaluationsmodellen. Diese geben sehr strukturiert Vorschläge auf welchen Ebenen Trainings evaluiert werden können. Ein sehr einfaches Evaluationsmodelle stammt von Kirkpatrick [27]. Dem Modell nach werden vier Ebenen unterschieden: Reaktion, Lernen, Verhalten und Ergebnisse; wie in Abbildung 10.1 dargestellt. Es gab auch Untersuchungen, die analysierten, inwieweit die einzelnen Stufen kausal miteinander verknüpft sind. Dabei zeigte sich, dass es vermutlich keine eindeutige kausale Beziehung zwischen den Ebenen gibt [28]. Dennoch bietet das Modell eine einfache Möglichkeit, um Dimensionen von Erfolg auf verschiedenen Ebenen zu definieren. Inzwischen existieren es auch einige Weiter- und Neuentwicklung, die vor

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Abb. 10.1: Vier Ebenen der Evaluation nach Kirkpatrick (eigene Darstellung).

allem den monetären Nutzen fokussieren, wie beispielsweise das Phillips Model [29]. Dabei steht vor allem der Return on Investment im Mittelpunkt und damit die wichtige Frage: Hat sich das Training am Ende gelohnt? Trainings sind teuer, so spielt gerade im beruflichen Kontext eine Rolle, ob die Teilnehmer den Eindruck haben, dass das Training ihnen etwas (beruflich) oder (persönlich) gebracht hat und das Gelernte tatsächlich auch angewandt werden konnte.

10.3.4.2 Was führt zum Erfolg? An dieser Stelle sei auf Rahmenmodelle verwiesen, in denen Aspekte berücksichtigt werden, die alle einen Erfolg beeinflusst. Einige Beispiele sind Voraussetzungen (bezogen auf Bedingungen und Intentionen), primäre Merkmale und Prozesse (Qualität von Einrichtungen und Lehr- und Lernsituation) sowie den Ergebnissen in Form von Output und Outcome [30]. Daraus wird klar, dass erst ein gelungenes Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren schließlich zu einem erfolgreichen Training führt. Welche Rolle spielt dabei die Lernmotivation? Viele Studien verweisen auf einen Zusammenhang von selbstbestimmten motiviertem Lernen und der Lernleistung: Beispielsweise ergibt die Metaanalyse von Schiefele und Schreyer einen durchschnittlich hohen Zusammenhang von intrinsischer Lernmotivation und Prüfungsnote [31].

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10.4 Praxisbeispiel Professional Scrum Product Owner Wie kann nun motiviert und erfolgreich beruflich in einem Training im HomeOffice gelernt werden? Im Folgenden werden Details des Praxisbeispiels Schritt für Schritt beleuchtet.

10.4.1 Ziele Bei dem Praxisbeispiel handelt sich um ein Professional Scrum Product Owner Training (PSPO). Die Scrum Methode ist ein Rahmenmodell für agile Produktentwicklung und agiles Projektmanagement [32]. Ein Product Owner soll dabei beispielsweise sicherstellen, dass das Endprodukt Lösungen enthält, die wirklich sinnvoll und nützlich für alle Beteiligten (wie z. B. Kunde, Vertrieb, Beratung, Entwicklung) sind und mit vertretbarem Aufwand umgesetzt werden können. Im Mittelpunkt stand in dem Training Wissen zu erwerben über das ScrumFramework und das Potenzial, die Wertschöpfung und -erbringung zu unterstützen. Am Ende der 2-tägigen Weiterbildung bestand die Möglichkeit ein Zertifikat zu erwerben, das branchenweit anerkannt ist. Das Professional Scrum Product Owner (PSPO) Training umfasst folgenden Schwerpunktbereichen: – Verstehen und Anwenden des Scrum-Rahmenwerks: Empirie, Scrum Team, Ereignisse, Artifacts, Done. – Entwicklung von Menschen und Teams: Selbstverwaltende Teams. – Produkte mit Agilität verwalten: Forecasting & Release Planning, Produktvision, Produktwert, Product Backlog Management, Geschäftsstrategie, Stakeholder & Kunden.

10.4.2 Didaktik und Ablauf Bei dem Praxisbeispiel handelt es sich um eine problemorientierte Didaktik in einem digitalen Blended Learning Format. Das bedeutet, dass stets Herausforderungen aus dem Alltag im Mittelpunkt standen und ein Wechsel zwischen individuellen digitalen Phasen und kooperativer digitaler Präsenz stattfand. Wie in Abbildung 10.2 dargestellt, bestand das Training aus folgenden Bestandteilen: – Das Training begann mit einer individuellen Phase, um sich die nötigen Grundlagen anzueignen. Dabei wurden die Teilnehmer aufgefordert den Grundlagentext Scrum Guide zu lesen.

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Abb. 10.2: Ablauf des Trainings Professional Scrum Product Owner (eigene Darstellung).

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Es folgte ein 2-tägiges virtuelles Präsenztraining, die kooperative Phase, indem die Inhalte gemeinsam erarbeitet und diskutiert wurden. Anschließend fand zur Nachbereitung wieder eine individuelle Phase statt, um die Inhalte zu verinnerlichen. Den Teilnehmern stand dabei eine Vielfalt an Hintergrundmaterialien und Videos zur Verfügung, um sich auf die Prüfung vorzubereiten. Wer wollte, konnte zusätzlich noch die branchenweit anerkannte Prüfung absolvieren. Der Trainer bot darüber hinaus eine Stunde Coaching entweder zur Vorbereitung auf die Prüfung oder aber auch im Anschluss beispielsweise im beruflichen Alltag an.

Es handelte es sich um ein flipped classroom-Konzept. Inhalte wurden jeweils im Team selbst bearbeitet, bevor die Ergebnisse usw. in der gesamten Gruppe mit dem erfahrenen Trainer diskutiert wurden, so fand stets ein Wechsel zwischen Konstruktion und Instruktion statt. Der Trainer setzte meistens die Vorgehensweise Übung zuerst um, aber auch verschiedene Methoden aus Training from the back of the Room. Besonders im Mittelpunkt stand auch das gemeinsame Diskutieren und Teilen von Wissen in Kleingruppen. Der Trainer griff dabei auch auf den sehr konkreten praxisbezogene Ansatz „Learning 3.0. Sharing is the new teaching“ zurück (siehe [33]).

10.4.3 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Die Zielgruppe des Trainings bezieht sich auf folgende Teilnehmerkreise (scrum.org): – Fachexpertinnen und Fachexperten, die eine Karriere als Product Owner beginnen möchten – Product Owner mit einiger Erfahrung in dieser Rolle, die ihr Verständnis von Scrum und der Rolle des Product Owners verbessern oder ihre falschen Vorstellungen davon korrigieren möchten – Scrum Master, die ein effektiver Coach für Product Owner sein wollen

242 | M. Lang Die Mehrheit der tatsächlichen Teilnehmer plante beruflich in Kürze die Aufgaben eines Product Owners zu übernehmen. Ein kleiner Teil begann bereits vor Kurzem als Product Owner tätig zu werden. In Übereinstimmung mit den zu Beginn des Artikels erläuterten Studien, hatten alle zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Hochschulabschluss und arbeiteten bereits alle monatelang im HomeOffice. Die Sprache des Trainings war Englisch und die Nationalitäten vielfältig. Die Teilnehmer saßen verteilt in England, Frankreich, Belgien und Deutschland und waren unterschiedlichsten Alters. Allerdings brachten alle Teilnehmer mindestens drei Jahre Berufserfahrung mit sich.

10.4.4 Aufrechthaltung der Motivation Welche Maßnahmen wurden nun ganz konkret ergriffen, um die Motivation aufrechtzuerhalten? Die Maßnahmen werden nun auf Basis der Selbstbestimmungstheorie in drei Schritten vorgestellt, bezogen auf Kompetenzerleben, soziale Eingebundenheit und Autonomie. In Abbildung 10.3 sind die Maßnahmen visualisiert, die im zweiten Schritt jeweils einzeln näher erläutert werden.

Abb. 10.3: Überblick der Maßnahmen zur Förderung der Lernmotivation (eigene Darstellung).

10.4.4.1 Kompetenzerleben Wie wurde Kompetenzerleben im PSPO-Training unterstützt? – Überblick über unterschiedliche Kompetenzen: Zu Beginn des Trainings verschaffte sich der Trainer zunächst einen Überblick über die bestehenden Kompetenzen. Beispielsweise schätzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigenen Kompetenzen zu verschiedenen Bereichen ein. Während des Trainings reagierte der Trainer differenziert auf die angegebenen Kompetenzen.

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Individualisierte und informierende Rückmeldung: Nach jeder Gruppenarbeit wurde die Lösung mit allen Teilnehmern besprochen. Dort gab es differenziertes Feedback. Differenzierte Aufgabenstellung: Die Aufgabenstellungen waren sehr vielfältig und reichten von Lückentext, Zuordnungsaufgabe bis zum Brainstorming. Eine Besonderheit war, dass die Aufgaben häufig kritisch Themen behandelten und so eine gute Ausgangsposition für die Diskussion in der Gruppe boten. Transparente Leistungsanforderung: Am Ende des Trainings stand eine Prüfung. Die Anforderungen waren transparent und basierten auf dem Grundlagentext und den Inhalten des Trainings.

10.4.4.2 Soziale Eingebundenheit Es wurden aber auch einige Maßnahmen getroffen, damit sich die Teilnehmer sozial eingebunden fühlten: – Persönlicher Einstieg: Das Training begann mit einer persönlichen Vorstellung der eigenen Hobbies. Anschließend erfolgte die Aufteilung in drei kleine Teams und ein Kennenlernen und das Austauschen der Beweggründe für dieses Training. Um noch mehr Teamzugehörigkeit zu erzielen wurde ein eigener Gruppenname gewählt. – Kommunikation fast wie vor Ort und jederzeit online: Während der gesamten Zeit war stets die Kamera angeschaltet, so konnte die Mimik aller Teilnehmer jederzeit gesehen werden, was die Kommunikation zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aber auch zwischen Trainer und Teilnehmenden deutlich erleichterte. – Arbeit im Team: Im Rahmen des Trainings galt sich miteinander auszutauschen und gemeinsam Lösungen für verschiedenste Aufgaben zu entwickeln. – Auch wenn es vielleicht trivial erscheint: Es wurde nicht nur im Team gearbeitet, sondern auch darauf geachtet, dass sich kognitiv anstrengenden Phasen und Pausen zum Durchatmen abwechseln. Vorab war angekündigt, wann jeweils die Mittagspause stattfindet und auch wann jeweils Zwischenpausen eingeplant waren. So fand alle 60 bis 90 Minuten fand eine kurze Pause statt, was auch klar kommuniziert wurde.

10.4.4.3 Autonomie Aber auch das Autonomieerleben kam nicht zu kurz, wie im Folgenden deutlich wird: – Selbstgesteuertes Lernen: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten autonom innerhalb der Gruppe lernen und dabei stets eigene Ideen einbringen und Fragen stellen. Fragen wurden auf einer Frageseite speziell festgehalten, auf die

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später Bezug genommen wurde, damit keine Fragen offenblieben. Aber auch in den sehr kleinen Gruppen konnte jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer jeweils ihre/seine eigenen Erfahrungen und ihr/sein Wissen einbringen. Zusätzlich gab es für jede Gruppe Freiheiten bei der inhaltlichen Ausrichtung der Aufgaben. Beispielsweise durfte sich jedes Team selbst ein Produkt aussuchen, anhand dessen ein Businessmodell entwickelt wurde. Auch über die Gruppenarbeit hinaus gab es Mitbestimmung was verschiedene Inhalte und Vertiefungen betraf, beispielweise welche weiteren Themen noch fokussiert oder übersprungen werden. Alltagsrelevanz: Die Themen und viele Beispiele des Trainings bezogen sich stets auf den Alltag eines Product Owners, so konnte sich die Teilnehmenden mit den Inhalten identifizieren. Wahl- und Partizipationsmöglichkeiten: Im Training boten sich viele verschiedene Wahl und Partizipationsmöglichkeiten, was Themen, eigene Rolle im Team und Aufgaben betraf. Scaffolding: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden nicht alleine gelassen beim Lernen, sondern vielfältig unterstützt durch klare Anleitungen, Denkanstöße und Hilfestellungen. Die Aufgaben wurden jeweils vor Bearbeitung besprochen. Während der Gruppenarbeit stand der Trainer jederzeit für Fragen oder Unterstützung zur Verfügung. Alle Inhalte waren klar strukturiert, so wussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jederzeit, welche Inhalte momentan im Mittelpunkt stehen und welche Themen als Nächstes kommen (vgl. Abbildung 10.4). Durch eine „Fokus-Funktion“ passten sich automatisch die Bildschirme aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer genau auf die Schwerpunktthemen an.

Deutlich wird, dass sowohl Kompetenzerleben als auch soziale Eingebundenheit und Autonomie in vielerlei Hinsicht gefördert wurde, um bestmöglich die Motivation aufrechtzuhalten.

Abb. 10.4: Beispielhafte Übersicht der Inhalte, einfach zugänglich durch eine Gliederungsebene [34].

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10.4.4.4 Weitere Erfolgsfaktoren Motivation alleine reicht noch nicht aus, um zum Erfolg zu führen. So können auch noch viele weitere Barrieren einen Erfolg verhindern. Gerade in der Praxis zeigt sich, dass es weitere Herausforderungen gibt, die man nicht außer Acht lassen sollte. Gerade weil es dazu kaum Forschung gibt, soll hier ein Beitrag aus der Praxis für Praxis und Forschung erfolgen, in dem die Praxiserfahrungen bezüglich folgender zwei Fragen näher erläutert werden: – Welche Aspekte sind bezüglich der technischen Voraussetzungen zu berücksichtigen, damit digitale Trainings im HomeOffice funktionieren? – Welche Maßnahmen helfen, um beruflichen Tätigkeiten und digitale Trainings voneinander abzugrenzen und fokussiert zu lernen? 10.4.4.4.1 Aspekte für erfolgreiche digitale Trainings bezogen auf die Technik Gerade wenn der berufliche Alltag bereits im HomeOffice gut gemeistert wird, könnte davon ausgegangen werden, dass digitale berufliche Weiterbildung problemlos funktioniert und vorausgesetzt werden können. Die Praxis zeigt dennoch: Es klappt nicht immer alles. Bewährt haben sich beispielsweise ein wesentlich früherer Beginn, um einen Technik-Check vorab durchzuführen. Aber auch Empfehlungen bezogen auf z. B. verschiedene Browser sowie Tools, die problemlos mit verschiedenen Betriebssystemen funktionieren. In dem PSPO-Training wurde Microsoft Teams eingesetzt, welches zur Kommunikation aber nicht zu digitalen Zusammenarbeit genutzt wurde und gut funktionierte. Des Weiteren bewährten sich folgende drei Maßnahmen: – Flexible Technik und Plan B bei Internetproblemen: Obwohl alle zwölf Teilnehmer seit Monaten im HomeOffice arbeiteten, gab es dennoch bei einem Teilnehmer hin und wieder Netzwerkprobleme. Hier lohnte sich die Flexibilität des Trainers und der Technik. Als Alternative konnte sie sich per Handy dazuschalten und dennoch komplett am Training teilnehmen. – Gleichzeitige digitale Zusammenarbeit durch sinnvolle Tools: Aus vielfacher Praxiserfahrung zeigt sich, viele Tools zur digitalen Zusammenarbeit weisen verschiedene Herausforderungen auf. Beispielsweise erscheinen Beiträge bei manchen Tools erst nach langer Zeitverzögerung oder Nutzerinnen und Nutzer blockieren sich gegenseitig, indem immer nur eine/r etwas schreiben kann. Das war bei dem genutzten Tool Mural anders, welches eine richtige digitale vielfältige gleichzeitige Zusammenarbeit ermöglichte ohne technische Probleme; alle Teilnehmer konnten beispielsweise gleichzeitig auf dem Bildschirm etwas schreiben, ohne sich gegenseitig zu hindern. Es gab auch keine Zeitverzögerung, die wahrnehmbar gewesen wäre. – Technisch zeitlich begrenzte Gruppenarbeit: Gerade längere Gruppenphasen erfordern eine zeitliche Begrenzung um sicherzustellen, dass Zeit für die geplanten

246 | M. Lang Inhalte bleibt. Hier half besonders die technische Unterstützung. Die Gruppenräume waren automatisiert zeitlich begrenzt. Kurz vor Ende der Gruppenarbeit wurden die Mitglieder auf das Ende der Gruppenarbeit mit einem Timer vorbereitet, bevor nach Ende der Gruppenarbeit eine automatische Zurückschaltung in den Hauptraum erfolgte. So ging keine Zeit verloren, in dem der Trainer persönlich Gruppenarbeiten beenden musste. 10.4.4.4.2 Abgrenzung des Trainings vom beruflichen Alltag: Für ein erfolgreiches Training, ist es wichtig, dass berufliche Tätigkeiten und liveTraining klar voneinander getrennt werden. Ständiges Beantworten von Mails oder Telefonate sollten während des Trainings nicht stattfinden, um ungestört lernen zu können. Folgende Maßnahmen ergriff der Trainer, um in diese Richtung zu unterstützen: – Klare Kommunikation: der Trainer bat darum Mailprogramme und ähnliches zu schließen, um die Aufmerksamkeit auf das Training zu lenken. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden klar darauf aufmerksam gemacht sich nun auf das Training zu fokussieren. – Kamera an: Alle wurden gebeten ihre Kamera anzuschalten und jederzeit anzulassen. Die Kommunikation wurde so wesentlich vereinfacht, da die gegenseitige Mimik des anderen jederzeit gesehen wurde. Die laufende Kamera hatte aber noch weitere positive Effekte: Einerseits war das Training wesentlich persönlicher, aber die Kamera half auch, dass eine gleichzeitig Fremdbeschäftigung erschwert wurde. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten dem Training ihre Aufmerksamkeit schenken und konnte nicht einfach so ihren Bildschirm verlassen (das hätten ja auch alle anderen wahrgenommen). Dadurch entstand der Eindruck an einem ortsunabhängigen Präsenztraining teilzunehmen. In einem normale Präsenztraining vor Ort fällt es ebenfalls auf, wenn jemand sich auf einmal anderweitig beschäftigt – dies war auch bei der Kamera für das digitale Training der Fall.

10.4.5 Erfolg des Trainings Viele verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Motivation wurden bereits vorgestellt. Aber inwieweit waren diese wirklich erfolgreich? Wie bereits erläutert, kann der Erfolg eines Trainings auf verschiedene Weise gemessen werden. Im Folgenden wird der Blick auf das Bestehen der Prüfung, Anwendung des Gelernten und die Teilnehmerzufriedenheit geworfen.

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10.4.5.1 Erfolg durch Bestehen der Prüfung Die Erfolgsquote der Teilnehmenden liegt insgesamt bei diesem Training durchschnittlich bei etwa 80 %, allerdings schwankt die Erfolgsquote je nach Training und Vorkenntnissen der Teilnehmenden recht stark. Bei dem Training, dass hier exakt beschrieben wird (Teilnahme im Dezember 2020), haben sogar 89 % die Prüfung bestanden.

10.4.5.2 Erfolg durch Anwendung des Gelernten In einer Umfrage im Nachgang wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch gefragt, ob und in welchem Zeitraum sie die gelernten Konzepte tatsächlich anwenden konnten. In Abbildung 10.5 sind die Ergebnisse abgebildet: Aus der Abbildung wird deutlich, dass die Teilnehmer das Gelernte sehr schnell anwenden konnten:

Abb. 10.5: Tatsächliche Anwendung des Gelernten [35].

10.4.5.3 Erfolg durch eine hohe Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Training Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass eine hohe Zufriedenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestand. So wird das Training beispielsweise sehr positiv bewertet. Der Trainer selbst erhält 5 von 5 Sternen und sehr gutes Teilnehmer Feedback, wie beispielsweise hier ersichtlich wird [35]:

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Die Schulung war sehr interaktiv und kein trockener Durchlauf der Theorie. Es war voll von Beispielen für die verschiedenen Theoriekapitel von Scrum, die die Gruppe mitnehmen konnte. Das ist mit Sicherheit nützlich, weil es zum Mitdenken anregt. Der Trainer sprach über unsere „Fehler“ und erklärte die Theorie dahinter, warum etwas empfehlenswert ist und warum nicht, so dass man ein gutes Gefühl für die Situation bekommt und schon bei der nächsten Aufgabe besser aufpasst. Er hört den Teilnehmern zu und erklärt Unklarheiten, ohne seine Meinung aufzudrängen. Egal, wie gut man Scrum kennt, es gab immer wieder Beispiele, die auch den Erfahrensten zum Nachdenken anregen und etwas Neues mitnehmen. Darüber hinaus gab der Trainer hilfreiche Tipps für die tägliche Arbeit, die sicherlich hilfreich sind. Ich kann das Training bei Alexander nur empfehlen und freue mich schon auf das nächste Training mit ihm! (Zitat, übersetzt vom Englischen ins Deutsche [34]).

10.5 Zusammenfassung und Fazit Es zeigt sich, dass berufsbegleitende Weiterbildung in Zeiten von HomeOffice eine Herausforderung für die Motivation darstellt, auch oder vielleicht gerade aufgrund der monatelangen Gewöhnung an einen Berufsalltag im HomeOffice. Pandemiebedingtes berufliches HomeOffice hat auch die Einstellung generell zu der Arbeit zuhause verändert und auch zu positiven Effekten geführt: dem Treffen von effizienten Entscheidungen. Aber die Trennung von beruflichen Tätigkeiten und der Fokus auf das Lernen in einem Training stellen eine Herausforderung dar. Im Mittelpunkt dieses Artikels stand die berufliche digitale Weiterbildung zum Professional Scrum Product Owner. Anhand der Selbstbestimmungstheorie wurden mit den Grundpfeilern Kompetenzerleben, soziale Eingebundenheit und Autonomie vielfache Maßnahmen erläutert, die ergriffen wurden, um erfolgreich die Motivation zu fördern. Das Raster anhand der drei Bereiche ermöglicht auch einen einfachen Transfer in andere Kontexten. Zusätzlich zeigt sich auch, dass weitere Aspekte wie technische Voraussetzungen immer noch Bedeutung sind. Aber auch die Trennung zwischen berufsbezogener Weiterbildung und Berufsalltag sollte Berücksichtigung finden. Berufsbezogene Weiterbildung ist in der Motivationsforschung immer noch ein Entwicklungsfeld. Die Erläuterung eines Praxisbeispiel stellt hier einen Beitrag zur Förderung dieses Themas dar. Dennoch bleiben viele Fragen offen, gerade was beispielsweise die Trennung im HomeOffice von berufsbezogener Weiterbildung und Berufsalltag betrifft. Aber auch die generelle Arbeitsmotivation im HomeOffice und ein Zusammenhang zur Lernmotivation von berufsbedingter Weiterbildung könnte näher untersucht werden. Als Fazit bleibt: Motivation im Rahmen einer berufsbezogenen Weiterbildung lohnt sich zu fördern und weiter zu erforschen.

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Jochen Robes

11 Praxisbeispiel: Corporate Learning Community cMOOCs und Online-BarCamps: Formen des Peer-2-Peer-Lernens Erfahrungsberichte aus zwei Projekten der Corporate Learning Community Zusammenfassung: cMOOCs, BarCamps, Communities of Practice, Learning Circles: Es gibt eine Reihe von Formaten des Peer-to-Peer-Lernens, mit denen in den letzten Jahren experimentiert wurde. Einige Formate sind komplex und stellen hohe Anforderungen an die Organisations-, Moderations- und/ oder Selbstlernkompetenzen der Beteiligten. Andere schließen unmittelbar an die alltäglichen Austauschprozesse auf den sozialen Netzwerken an und werden gar nicht als Formen des Peer-toPeer-Lernens wahrgenommen. In jedem Fall treffen diese Formate offensichtlich die Bedürfnisse einer größer werdenden Zielgruppe, die sich in den Formen des selbstgesteuerten, vernetzten und informellen Lernens wiederfindet. Zwei Formate des Peerto-Peer-Lernens – cMOOCs und Online-BarCamps – werden im Folgenden näher vorgestellt. Die Praxisbeispiele entstammen der Corporate Learning Community, einem nicht-kommerziellen Netzwerk von Corporate Learning-Professionals im deutschsprachigen Raum. Sie organisiert regelmäßig Projekte, in denen sich Mitglieder und Interessierte auf Augenhöhe austauschen. In diesem Zusammenhang darf auch die Covid-19-Pandemie nicht unerwähnt bleiben. Denn das Format der Online-BarCamps wäre ohne diesen Anstoß seitdem nicht so häufig und konsequent umgesetzt worden. Insofern zeigt sich auch hier, dass die Pandemie als Beschleuniger wirkt, um mit neuen Online-Formaten zu experimentieren, möglicherweise auch, um langfristig ein neues Gleichgewicht zwischen Präsenz und Online zu finden. Schlagwörter: BarCamps, cMOOCs, Communities of Practice, Corporate Learning Community, informelles Lernen, Learning Circles, lernOS, Online-BarCamps, Peerto-Peer-Lernen, Selbstbestimmungstheorie

11.1 Einführung Massive Open Online Courses (kurz: MOOCs), BarCamps, Communities of Practice, Learning Circles: In den letzten Jahren sind verschiedene neue Formen und Formate des Peer-to-Peer (P2P)-Lernens entstanden. In den Monaten der Covid-19-Pandemie rückten diese Formate in den Vordergrund. Einige Formate waren von vornherein ausschließlich als virtuelle Lernumgebungen konzipiert. Andere Formate wie zum Beispiel BarCamps wurden an die neuen Rahmenbedingungen angepasst. Dabei sind die https://doi.org/10.1515/9783110754728-011

252 | J. Robes einzelnen Formate sehr heterogen. An MOOCs beispielsweise beteiligen sich häufig Hunderte von Lernenden. Bei Twitter-Chats dagegen sind es manchmal nur ein Dutzend Interessierter, die sich zum verabredeten Zeitpunkt auf dem sozialen Netzwerk einfinden. Während die einen Konzepte den Rahmen für einen mehrwöchigen Erfahrungsaustausch bieten, sind andere Aktivitäten nach einer Stunde wieder vorbei. Für bestimmte Formate wie BarCamps gibt es unzählige Ratgeber und Hilfen, die unter freien Lizenzen im Netz kursieren. Learning Circles dagegen laden dazu ein, an die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden angepasst zu werden. Was die verschiedenen Formate jedoch miteinander verbindet: Es waren nicht Funktionsträger aus Bildungsinstitutionen, die im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit diese Formate entwickelten. Sondern es waren häufig einzelne Bildungsenthusiasten, die sich zusammentaten, um jenseits formaler Geschäftsmodelle und Bildungsangebote mit neuen Möglichkeiten des direkten Erfahrungsaustauschs zu experimentieren. Es handelt sich deshalb durchweg um „niedrigschwellige“ Angebote, die auf vorhandenen, technischen wie räumlichen Strukturen aufsetzen. Wenn Teilnahmegebühren anfallen, dann dienen sie in der Regel nur, um Kosten für Technik, Raummieten oder Verpflegung zu decken. Allerdings, das ist die Kehrseite, sprechen diese Formate vor allem Menschen an, die bereits über entsprechende Lern- und Selbstlernkompetenzen verfügen. Im Folgenden werden zwei Formate des P2P-Lernens, cMOOCs und OnlineBarCamps, näher vorgestellt. Zuerst wird jedoch ein Blick auf die Praxis, die Motive und die Ursprünge des P2P-Lernens geworfen (Abschnitt 11.2). Anschließend wird die Corporate Learning Community als Verbindung von Community of Practice und Netzwerk vorgestellt (Abschnitt 11.3). Es folgt eine Einführung in das Format der cMOOCs und, daran anknüpfend, die Umsetzung des Formats am Beispiel des MOOCamp 2020 (Abschnitt 11.4). Ein weiteres prominentes P2P-Format stellen BarCamps dar, und hier bietet das #CLC20Digital der Corporate Learning Community einen aktuellen Praxisfall (Abschnitt 11.5). Mit einem Ausblick (Abschnitt 11.6) schließt dieser Beitrag.

11.2 P2P-Lernen: Eine Einordnung 11.2.1 Die Bedeutung des Peer-to-Peer-Lernens Das Ausmaß und das Tempo gesellschaftlicher Transformationsprozesse haben dazu geführt, dass über die Bedeutung des kontinuierlichen, lebenslangen Lernens heute nicht mehr diskutiert werden muss. Der Erwerb neuer, zukunftsfähiger Kompetenzen wird für die Gesellschaft und jeden Einzelnen zur Daueraufgabe. Die Diskussion über die Auswirkungen von Digitalisierung, Automatisierung sowie Künstlicher Intelligenz auf Arbeitsmärkte und Jobprofile füllt bereits Regalmeter bzw. Webseiten. Der Ausbau traditioneller, formaler Bildungswege und Lernangebote reicht jedoch nicht aus,

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um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Damit rücken informelle und selbstgesteuerte Lernaktivitäten der Bürgerinnen und Bürger sowie Mitarbeitenden in den Fokus [1]. Diese Erkenntnis trifft sich mit der Weiterentwicklung des Internets: Mit der Verbreitung der Web 2.0-Technologien bzw. Social Media entstanden neue Möglichkeiten, als Nutzerin und Nutzer („Prosument“) selbst im Netz aktiv zu werden und sich mit anderen zu verbinden [2]. Schließlich folgten auch Unternehmen und Verwaltungen diesem Trend, so dass heute an vielen Orten auch organisationsintern auf Kollaborationsdienste und Messenger-Plattformen zugegriffen werden kann. Die Voraussetzungen für das Vernetzen mit anderen, den informellen Erfahrungsaustausch und damit das P2P-Lernen sind also an vielen Orten gegeben.

11.2.2 Die Praxis des Peer-to-Peer-Lernens Dass Mitarbeitende ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben, beschreibt erst einmal eine alltägliche Begebenheit. Sie mag zwar durch eine jeweils spezifische Unternehmens- und Lernkultur geformt werden, ist aber gelebte Praxis. Auch in der Aus- und Weiterbildung hat das Voneinander-Lernen Tradition. Hier ist die Weitergabe von Wissen zumeist an definierte Rollen gebunden und damit formalisiert, zum Beispiel, wenn Meister Lehrlinge anlernen oder interne Expertinnen und Experten als Trainerinnen und Trainer eingesetzt werden. In den letzten Jahren sind vor allem der alltägliche Erfahrungsaustausch und die damit verbundenen informellen Lernprozesse in den Mittelpunkt des Interesses gerückt [3]. Das spiegelt sich unter anderem in der breiten Adaption des 70:20:10-Modells [4] wider. Es besagt, dass 70 % aller Lernaktivitäten im Arbeitsprozess selbst stattfinden, zum Beispiel in der Auseinandersetzung mit herausfordernden Aufgaben; 20 % aller Lernaktivitäten finden im Austausch mit anderen, Führungskräften, Teammitgliedern sowie Kolleginnen und Kollegen statt; und nur 10 %, so das Modell, finden im Rahmen formaler Bildungs- und Lernprozesse wie Trainings, Seminare oder Workshops statt. Über die empirische Evidenz des Modells wird bis heute gestritten, an seiner Plausibilität führt jedoch kaum ein Weg vorbei. Und damit gewinnt auch die Frage an Bedeutung, wie denn das informelle Lernen unterstützt, gefördert, ausgebaut und mit formalen Bildungsangeboten verbunden werden kann [5]. Hinzu kommt: Mit der Digitalisierung sind nicht nur viele Geschäftsmodelle, Arbeitsprozesse und Tätigkeiten ins Netz gewandert. Digitale Bildungsangebote werden in vielen Unternehmen, auch in KMUs und Verwaltungen, inzwischen ganz selbstverständlich eingesetzt. Und immer wieder laden einzelne Unternehmen Mitarbeitende ein, selbst digitale Lerninhalte zu entwickeln und mit anderen zu teilen. „User generated content“ lautet das Stichwort, das einst auf die Aktivitäten der Nutzer im Social Web gemünzt war, aber heute auch genutzt wird, um für die von Mitarbeitenden selbst erstellten Lerninhalte zu werben.

254 | J. Robes Die Selbstbestimmungstheorie: Was motiviert uns? Doch was motiviert Mitarbeitende, sich mit anderen auszutauschen und ihre Erfahrungen und ihr Wissen weiterzugeben? Eine Antwort auf die Frage nach der Lernmotivation liefert die Selbstbestimmungstheorie, die seit den 1980er Jahren von den amerikanischen Psychologen Edward L. Deci und Richard M. Ryan entwickelt wurde [6]. Das Herzstück der Selbstbestimmungstheorie bildet die auf der Grundlage zahlreicher empirischer Studien gewonnene Unterscheidung zwischen drei angeborenen psychologischen Grundbedürfnissen: – Das Bedürfnis nach Kompetenz bzw. Kompetenzerleben: Es besagt, dass Menschen etwas bewirken und sich in ihren Handlungen als wirksam und kompetent erleben möchten. – Das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit: Es besagt, dass Menschen mit anderen verbunden sein möchten sowie akzeptiert und anerkannt werden wollen. – Das Bedürfnis nach Autonomie: Es besagt, dass Menschen das Gefühl haben möchten, das eigene Handeln selbst bestimmen zu können. Formen des P2P-Lernens, so darf vermutet werden, sprechen diese Grundbedürfnisse direkter an als traditionelle Bildungsangebote. Menschen beteiligen sich in der Regel aus eigenem Antrieb am Austausch mit anderen, und das Prinzip der gleichen Augenhöhe erleichtert es, selbst aktiv zu werden und Dinge gemeinsam in die Praxis umzusetzen.

11.2.3 Peer-to-Peer-Lernen als Baustein moderner Wissensarbeit Während sich die Selbstbestimmungstheorie auf eine breite Basis empirischer Studien stützt, bildet das Konzept der Personal Knowledge Mastery ein Ideal moderner Wissensarbeit ab. Es wurde von dem kanadischen Bildungsexperten Harold Jarche seit 2004 kontinuierlich weiterentwickelt [7]. Zwei Formeln stehen im Zentrum dieses Rahmenwerks: – Seek > Sense > Share: Harold Jarche verknüpft Wissensarbeit mit einem Konzept des persönlichen Wissensmanagement, das als Leitfaden für das eigene Handeln genutzt werden kann. Wissensarbeiterinnen und -arbeiter nutzen dabei gezielt die Möglichkeiten des Netzes und der sozialen Medien, um Routinen für die Suche nach Informationen (Seek), das Reflektieren und Verarbeiten neuer Informationen (Sense) sowie das Teilen des eigenen Wissens zu entwickeln (Share). – Connecting Work & Learning: Ein weiterer Baustein des persönlichen Wissensmanagements besteht, so Jarche, in der Unterscheidung von „Work Teams“, „Communities of Practice“ und „Social Networks“. Während in „Work Teams“ Wissen ausgetauscht wird, um anstehende Aufgaben zu bearbeiten, bieten Communities

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of Practice einen vertrauensvollen Rahmen und Raum, um voneinander zu lernen und neue Ideen auszuprobieren. Der Austausch in sozialen Netzwerken geht noch einen Schritt weiter, ist noch informeller und lädt zur Auseinandersetzung mit einer Diversität von Ideen und Meinungen ein [8]. Das Konzept „Personal Knowledge Mastery“ liefert ein wichtiges Rahmenwerk, um Formen des P2P-Lernens auf einem Kontinuum des informellen Lernens einzuordnen. Peer-to-Peer-Lernen und die P2PU P2P-Lernen meint das Lernen voneinander und miteinander. Schon das „Peer-toPeer“ deutet an, dass es hier nicht um das Lernen von Expertinnen und Experten oder Trainerinnen und Trainern geht, sondern um das Lernen mit und von Gleichgesinnten, die sich auf Augenhöhe austauschen. Es geht dabei auch nicht um angeleitete Formen des Lernens in Gruppen bzw. Gruppenarbeit, die wir als Bausteine vieler Lehrund Lernszenarien finden. Selbstverständlich teilt das P2P-Lernen das Themenfeld des gemeinsamen Lernens mit anderen, verwandten Konzepten und Begriffen wie denen des informellen, kollaborativen, selbstgesteuerten und sozialen Lernens. Doch in jüngster Vergangenheit hat sich eine Reihe von Formaten entwickelt, die sich das Lernen voneinander und miteinander als ein zentrales und prägendes Merkmal zuschreiben. Eine Anlaufstelle für das wachsende Interesse am P2P-Lernen bildet die Peer 2 Peer University (P2PU), eine gemeinnützige offene Bildungs-Community (siehe Abb. 11.1). Sie startete 2009 mit der Unterstützung verschiedener Stiftungen (Hewlett Foundation, Shuttleworth Foundation, University of California Irvine) und bietet seitdem Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit, Kurse und Lerngruppen zu organisieren oder an ihnen teilzunehmen. Die Idee von Open Education bildet ein zentrales

Abb. 11.1: Homepage der P2PU (https://www.p2pu.org/en/).

256 | J. Robes Motiv der P2PU. Sie beruft sich darauf, ein aktiver Teil der Bewegung um Open Educational Resources und MOOCs zu sein (https://www.p2pu.org/en/about). Seit 2015 liegt der Fokus der P2PU auf der Organisation von sogenannten Learning Circles. Das Konzept wird folgendermaßen beschrieben: Learning circles are free, lightly-facilitated study groups that meet regularly to learn from open educational resources. Rooted in values of community, peer learning, equity, and open access, a learning circle typically has the following components: – a facilitator (responsible for organizing the learning circle, not teaching: the group should work together to understand the material; – a group of learners (ideally 4–12 for an engaging group dynamic; – a regular meeting space (in-person or online); – recurring meetings (90 minutes/week for 6–8 weeks is a sweet spot for building a productive group culture without being alienating due to the time commitment); – dedicated learning materials (often an online course).

Das Konzept der Learning Circles wurde in den letzten Jahren auch in Deutschland aufgegriffen und in Zusammenarbeit mit der P2PU umgesetzt. So moderiert die Stadtbibliothek Köln seit 2018 Lernteams nach dem Vorbild der P2PU-Learning Circles (https://www.stadt-koeln.de/artikel/66407/index.html). Hier können Interessierte mit anderen in regelmäßigen Treffen, online oder vor Ort, gemeinsam ein Thema bearbeiten. Ausgangspunkte können Online-Kurse von LinkedIn Learning (von der Stadtbibliothek lizensiert) oder offene MOOCs sein. Mitarbeitenden der Stadtbibliothek koordinieren und moderieren die Lernteams. Ein weiterer Learning Circle fand 2021 als Kooperationsprojekt statt, an dem die Hamburg Open Online University (HOOU), die Technische Universität Hamburg (TUHH), die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg), die Bücherhallen Hamburg und die Agentur J&K – Jöran und Konsorten teilnahmen. Dort beschäftigte man sich mit dem Themenfeld Robotik und KI [9]. Im Rahmen dieser Kooperation ist auch eine Übersetzung der P2PU-Materialien entstanden und unter einer offenen Lizenz veröffentlicht worden [10].

Learning Circles, Lerngruppen und Lernteams Learning Circles, Lerngruppen oder Lernteams sind keine geschützten Markenzeichen. Andere Learning Circles haben sich zum Beispiel am Konzept von „Working Out Loud“ (WOL) orientiert. Das Konzept „Working Out Loud“, kurz eingeschoben, liefert eine Vorlage, der Interessierte in kleinen Gruppen (Circles) zwölf Wochen lang folgen können, um sich mit den Prinzipien des offenen und vernetzten Zusammenarbeitens vertraut zu machen. John Stepper hat die Methode seit 2015 dokumentiert, weiterentwickelt und stellt auch die WOL-Guides für die Arbeit in den Gruppen zur Verfügung [11]. An dieser Vorlage setzt ein weiteres Konzept an, „lernOS“,

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„ein offenes System für Lebenslanges Lernen und Lernende Organisationen“ (https: //cogneon.github.io/lernos). Unter dem Dach von lernOS entstehen einzelne Leitfäden zu verschiedenen Themen, zusammengefasst in der „lernOS Toolbox“. Sie können von interessierten Personen in kleinen Gruppen zum gemeinsamen Arbeiten und Lernen genutzt werden. Im Gegensatz zu den WOL-Guides stehen die lernOSLeitfäden unter einer offenen Lizenz (CC BY 4.0) allen interessierten Personen, Teams und Organisationen frei zur Verfügung. Die Vielzahl der in jüngster Zeit entstandenen Peer-to-Peer-Formate zeigt, dass das Interesse an Formen des selbstgesteuerten, vernetzten Lernens stetig wächst [12, 13].

11.3 Community of Practice und Netzwerk: Die Corporate Learning Community Die Corporate Learning Community (CLC) ist ein offenes, nicht-kommerzielles Netzwerk von Corporate Learning Professionals, das einen Treffpunkt und Rahmen für bekannte und neue Formen des Peer-to-Peer-Lernens bilden will. Auf der CLC-Webseite heißt es: „Unser Ziel ist es, Lernen in Organisationen neu zu gestalten, hin zu mehr selbstgesteuertem Lernen. Das erarbeiten wir uns, in dem wir Rahmenbedingungen für selbstgesteuertes Lernen gestalten und selbst ausprobieren.“ Die Corporate Learning Community hat sich seit 2010 schrittweise entwickelt. Die Initiatorinnen und Initiatoren einer Community of Training Practice (CoTP) öffneten sich 2011 Weiterbildungs-Interessierten mit der Durchführung eines BarCamps. In den folgenden Jahren entstand daraus die Corporate Learning Community. Heute ist die Corporate Learning Community eine Verbindung von Community of Practice und offenem Netzwerk: Auf der einen Seite besitzt sie, wenn auch aus formalen Gründen, eine Rechtsform und ein Kernteam, das sich regelmäßig über die Schlüsselprojekte der CLC abstimmt. Hinzu kommen die Moderatorinnen und Moderatoren der regionalen Corporate Learning Communities, die als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie Anlaufstellen der CLC eine wichtige Rolle spielen. Auf der anderen Seite hat sie eine offene und durchlässige Struktur: Das heißt zum Beispiel, dass es kein Mitgliederverzeichnis gibt, und interessierte Corporate Learning-Professionals selbstständig entscheiden, ob und wie sie sich an den Aktivitäten des Netzwerks beteiligen. So gibt es zwar Mitglieder der Community, die bestimmte Aufgaben übernehmen, aber keine Entscheidungs- und Weisungsprozesse. Jede/r Corporate LearningInteressierte kann den Aktivitäten der CLC folgen, ist eingeladen, sich an den CLCProjekten zu beteiligen, oder kann für eigene Projekte Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der Community suchen. Im Folgenden werden die Kernaktivitäten der Corporate Learning Community kurz vorgestellt:

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Corporate Learning Camps: Die Corporate Learning Camps finden seit 2011 statt [14]. In den ersten Jahren gab es ein einziges jährliches BarCamp, doch inzwischen findet das BarCamp zweimal im Jahr statt, um dem wachsenden Interesse der Zielgruppe – im letzten Jahr vor der Pandemie meldeten sich fast 300 Teilgebende an – gerecht zu werden. Zuletzt waren unter dem Dach der CLC auch BarCamps in der Schweiz und in Österreich geplant (siehe Abschnitt 11.4 „Das MOOCamp 2020: ein cMOOC“). Corporate Learning MOOCs: Bereits dreimal – 2015, 2017 und 2020 – hat die Corporate Learning Community Unternehmen eingeladen, als Gastgeber an einem offenen Online-Kurs mitzuwirken. Beteiligt haben sich unter anderem Deutsche Bahn Training, Telekom Training, Festo, Miele, SAP, Merck, Continental, Ottobock, Viessmann, Bosch, Audi, ZF Friedrichshafen und Porsche. Jedes Unternehmen diskutierte mit interessierten Teilnehmenden – über 1.000 in jedem MOOC – eine Woche lang in wechselnden Formaten und mit wechselnden Aufgabenstellungen – ein innovatives Bildungsthema (siehe Abschnitt 11.5 „#CLC20Digital: das erste Online-BarCamp“). Regionale Corporate Learning Communities: Die regionalen CLCs haben sich seit 2017 gebildet, um den Corporate Learning-Interessierten auch zwischen den jährlichen BarCamps eine Anlaufstelle und Möglichkeit zum direkten Erfahrungsaustausch zu bieten. Derzeit (November 2021) gibt es 17 regionale CLCs, die sich regelmäßig treffen. Weitere Formate: Die Corporate Learning Community lädt Interessierte immer wieder zu neuen Projekten ein und bietet sich als Plattform an, um neue Lernformate zu pilotieren. Der Blog der Corporate Learning Community steht allen interessierten Autorinnen und Autoren offen. Es gibt einen Podcast, der von den Mitgliedern der CLC immer wieder um neue Folgen ergänzt wird. Einzelne, zeitlich begrenzte Projekte entstehen, wenn sich eine Arbeitsgruppe findet.

Natürlich hat die Covid-19-Pandemie auch die Corporate Learning Community getroffen: – Das BarCamp, das im März 2020 in Hamburg stattfinden sollte, wurde in kurzer Zeit zum Online-BarCamp umgewandelt. Weitere Online-BarCamps folgten seitdem. – Das MOOCamp 2020, dessen Start für April 2020 geplant war, konnte als offener Online-Kurs ohne Abstriche durchgeführt werden. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten den Kurs jedoch, weil sie „über Nacht“ mit dem Thema des Online-Lernens konfrontiert wurden und eine Anlaufstelle zum Austausch suchten. – Die regionalen Corporate Learning Communities luden in den ersten Monaten der Pandemie zu einer Reihe von Online-Sessions ein. Diese Angebote standen natürlich nicht nur den Netzwerk-Mitgliedern der jeweiligen Region offen. Das führte

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zunächst zu vielen neuen Begegnungen, allerdings ließ mit der Dauer der Pandemie das Interesse etwas nach. Der „regionale“ Austausch verlor seinen Bezugspunkt. Daneben ist eine Reihe neuer Online-Formate zum informellen Austausch entstanden (Virtuelle Kaffeebar, CLC Lunch&Meet).

Zusammengefasst lässt sich festhalten: Da Förderung und Ausbau netzgestützter, informeller Austausch- und Lernformate den Schwerpunkt der CLC-Aktivitäten bilden, konnte die Community auf bereits bestehenden Erfahrungen aufbauen. Ein zentrales Angebot der CLC, die BarCamps, wurde erfolgreich an die neuen Rahmenbedingungen angepasst.

11.4 Das MOOCamp 2020: Ein cMOOC Das MOOCamp 2020 (#moocamp20) startete am 20. April und endete am 29. Mai 2020. Es bildete eine Kombination aus Massive Open Online Course (MOOC) und PräsenzBarCamps. Bevor jedoch der Ablauf des MOOCamps 2020 näher vorgestellt wird, soll auf das Format der cMOOCs eingegangen werden. Denn auch wenn der Begriff „MOOC“ in der Bildungsdiskussion inzwischen seinen Platz gefunden hat, ist das ursprüngliche Format der „konnektivistischen“ MOOCs in der Öffentlichkeit kaum noch präsent.

11.4.1 Austausch statt Vermittlung: cMOOCs Der Online-Kurs, in dessen Umfeld der Begriff „MOOC“ entstand, wurde von den kanadischen Bildungsexperten George Siemens und Stephen Downes 2008 durchgeführt und hieß „Connectivism and Connective Knowledge“ (CCK08). 2.200 Teilnehmende registrierten sich für diesen Kurs. Es war ein in vielerlei Hinsicht neues und innovatives Lernangebot: Der Kurs sollte 14 Wochen dauern und nur im Netz stattfinden. Er war offen für alle Interessierten. Es gab keine festen Lernziele, keine Pflichtveranstaltungen, keine Tests und Prüfungen, sondern nur die Einladung zu gemeinsamen Lernaktivitäten und Lernerfahrungen. Richtig populär wurde der Begriff MOOC allerdings 2011, als Sebastian Thrun und Peter Norvig, Hochschullehrende an der Universität Stanford, einen offenen OnlineKurs zum Thema künstliche Intelligenz durchführten, für den sich 160.000 Interessierte anmeldeten [15]. Heute gibt es unzählige Plattform-Betreiber, die weltweit über 16.000 Kurse in verschiedenen Formen anbieten [16]. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat sich die Unterscheidung zwischen xMOOCs und cMOOCs [17] etabliert: – xMOOCs sind häufig wie Vorlesungen aufgebaut. Lernende bearbeiten die Themen, die als Videos präsentiert werden, lösen Arbeitsaufgaben und erhalten bei

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erfolgreichem Bestehen am Ende, meist gegen eine Gebühr, ein Zertifikat. Das „x“ soll dabei auf eine Konvention der Harvard University zurückgehen. cMOOCs schließen unmittelbar an die Tradition der ersten MOOCs an. Sie bieten vor allem Anlaufstellen für den Austausch, die Diskussion und die Vernetzung der Teilnehmenden. Zertifikate werden nicht ausgestellt. cMOOCs sind meist offen für alle Interessierten und haben einen festen Termin. Das „c“ steht für „connectivism“, eine Theorie für das Lernen in der Netzwerkgesellschaft, die von Siemens [18] entwickelt wurde.

Die Idee der cMOOCs knüpft unmittelbar an Konzepte des P2P-Lernens an. Zwar sind es häufig Expertinnen und Experten, die die entsprechenden Kurse organisieren, moderieren und durch Impulse anreichern. Doch es geht nicht um die Vermittlung von Wissen. Im Vordergrund steht der Austausch mit und unter den Teilnehmenden selbst. Sie sollen darin unterstützt werden, die notwendigen Netzwerkkompetenzen aufzubauen, um in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft ihren Weg zu finden. cMOOCs zeichnen sich durch eine Reihe von Merkmalen aus (eine ausführliche Darstellung des Formats „cMOOC“ findet sich bei Haug & Wedekind [17]: – cMOOCs setzen auf die Selbststeuerung der Lernenden. Ihr offener Charakter muss deshalb immer wieder thematisiert werden. Neulinge, die dem Format zum ersten Mal begegnen, erwarten häufig eine klare Struktur sowie definierte Lernziele und Arbeitsaufträge, manchmal auch ein Zertifikat am Kursende. Die Selbststeuerung der eigenen Lernaktivitäten, auf der die Konzeption und der Erfolg von cMOOCs aufsetzen, muss eingeübt werden, oft im Verlauf des Kurses selbst. – Die Veranstalter eines MOOCs übernehmen Rollen und Aufgaben, für die es in traditionellen Lehrveranstaltungen oft keine direkten Vorbilder gibt. Im englischsprachigen Raum ist gerne von „Facilitators“ die Rede. Auch die Bezeichnung des Gastgebers oder Moderators wird gerne gewählt [19]. – Vor allem MOOCs, die sich mit Fragen der Bildung und des Lernens beschäftigen, bilden einen idealen Rahmen, um zu experimentieren und neue Konzepte mit Unterstützung und Feedback der Community zu pilotieren. – Um die Vernetzung der Teilnehmenden zu erleichtern und die damit verbundenen digitalen Kompetenzen zu entwickeln, nutzen cMOOCs häufig die bestehenden sozialen Netzwerke. Moderatorinnen und Moderatoren informieren darüber Kursaktivitäten und Kursfortschritte und versuchen so, neue Zielgruppen in den Austausch einzubeziehen; Teilnehmende werden häufig ermutigt, die Diskussion der Kursthemen auf den eigenen Netzwerken oder Blogs fortzuführen und mit dem Kurs zu verlinken. – Die offene Kommunikation über Kursthemen, das einfache Übernehmen von Beiträgen, Texten wie Bildern oder Videos, wird erleichtert, wenn die Kursmaterialien unter einer offenen Lizenz stehen. Die Gastgeberinnen und Gastgeber

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von cMOOCs ermutigen deshalb die Teilnehmenden oft, entsprechende Creative Commons-Lizenzmodelle zu nutzen oder ihre Beiträge gemeinfrei zu stellen. cMOOC sind jedoch keine Selbstläufer. Haug & Wedekind [17] zählen verschiedene Stolpersteine auf, mit denen sich Veranstalter wie Lernende auseinandersetzen müssen. Aus der Perspektive der Veranstalter nennen sie: die komplexe Organisation und der damit verbundene Arbeitsaufwand; die Diversität der Teilnehmenden; die Zahl der Teilnehmenden und ihre Beteiligung; die Bedeutung der Vernetzung; Fragen der Qualitätssicherung. Aus der Perspektive der Lernenden wird aufgeführt: die Herausforderung des selbstgesteuerten Lernens; die Motivation der Lernenden; ihre Medienkompetenz, um die Möglichkeiten der Vernetzung auch ausschöpfen zu können; die Anerkennung von Lernleistungen.

11.4.2 Das MOOCamp 2020 als cMOOC Das MOOCamp 2020 stand unter dem Motto „Lernräume gestalten – offline, online und hybrid“. Es bildete den dritten cMOOC der CLC nach dem „Corporate Learning 2.0 MOOC“ (2015) und dem „CL2025 MOOCathon“ (2017). Die Planungen zum MOOCamp 2020 begannen im Herbst 2019. Auf der LEARNTEC 2020 wurde die Idee vorgestellt und interessierte Unternehmen eingeladen, sich an der Durchführung zu beteiligen [20]. An der Durchführung des MOOCamp 2020 waren schließlich vier Unternehmen beteiligt, die jeweils eine Kurswoche gestalteten und moderierten. Drei der Unternehmen – ZF Friedrichshafen, Porsche und QualityMinds – waren zum ersten Mal als Gastgeber aktiv. Ein Unternehmen, Viessmann, war bereits 2017 beim #CL2025 dabei. Auch wenn die Zahl der Teilnehmenden bei offenen Online-Kursen ohne Anmeldung schwer zu bestimmen ist: 1.200 Interessierte haben sich für den Kurs-Newsletter angemeldet und sind so über zentrale Kurstermine und Kursaktivitäten informiert worden. Für die Durchführung des MOOCamp 2020 wurde auf den Einsatz einer zentralen Lernplattform verzichtet. Es gab eine Webseite als zentrale Anlaufstelle, auf der alle wichtigen Kursinformationen bereitgestellt wurden (https://colearn.de/moocamp20). Jede Themenwoche besaß eine eigene Seite, in der über ihren Ablauf informiert und weitere Inhalte, Aufgaben und Medien verlinkt wurden. Weitere Bausteine der MOOCInfrastruktur: – Diskussionsforen: Auf jeder Seite und für jeden Blogpost stand eine Kommentarfunktion zur Verfügung. – Twitter: Das soziale Netzwerk wird von vielen Mitgliedern der CLC genutzt. Für den MOOCamp 2020 gab es deshalb einen eigenen Hashtag (#moocamp20). Zusätzlich wurde in der Einführungswoche am Beispiel Twitter erläutert, wie soziale Netzwerke im Sinne des persönlichen Wissensmanagements als Lernumgebungen genutzt werden können.

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Weitere soziale Netzwerke: Die Corporate Learning Community war auf weiteren sozialen Netzwerken wie Telegram, Facebook, LinkedIn und Xing aktiv, ohne den Austausch auf diesen Plattformen aktiv zu moderieren. Live-Sessions: Für die Live-Sessions in den Themenwochen wurde MS eingesetzt. Im Nachgang standen die Aufzeichnungen der Sessions auf YouTube zur Verfügung. Selbstorganisierte Lerngruppen: Die Teilnehmenden wurden daran erinnert, dass der Austausch in kleinen Gruppen Lernprozesse – gerade in offenen Lernumgebungen wie cMOOCs – fördern und unterstützen kann.

Der Ablauf der einzelnen Kurswochen (siehe Abb. 11.2) folgte einem einheitlichen Schema: Eine Kurswoche wurde in der Regel von zwei Live-Sessions eingerahmt. Am Montag stellten die gastgebenden Unternehmen ihre Vorstellungen zum Motto „Lernräume gestalten“, ihre Diskussionsthemen sowie ihren Wochenplan vor. Am Freitag fand eine Zusammenfassung der jeweiligen Wochenaktivitäten statt. Dazwischen waren die Unternehmen frei, weitere Impulse zu geben, sie mit Fragen an die Teilnehmenden zu verknüpfen und zu konkreten Aktivitäten aufzufordern. Das Team der ZF Friedrichshafen zum Beispiel nutzte die Wochentage, um in einem Blogpost ein Thema darzulegen und es mit einer „Leitfrage des Tages“ zu verbinden. Die Teilnehmenden waren eingeladen, die Leitfrage mit eigenen Erfahrungen und Ideen zu kommentieren. Das Team des gastgebenden Unternehmens ging in der Regel noch am

Abb. 11.2: Ablaufplan des MOOCamp 2020 (https://colearn.de/moocamp20).

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gleichen Tag auf die Anregungen ein, so dass sich immer wieder längere Diskussionen entspannten.

11.4.3 Fakten und Feedback Über Erfolg und Nutzen entscheiden die Teilnehmenden eines cMOOCs. Natürlich prüfen die Veranstalter, ob ihre inhaltlichen wie organisatorischen Angebote angenommen werden. Über die genaue Zahl der Teilnehmenden an einem offenen Online-Kurs ohne Anmeldung kann, wie bereits erwähnt, nur spekuliert werden. Ein Indiz sind die 1.200 Teilnehmenden, die sich im Verlauf des Kurses in den Newsletter-Verteiler eingeschrieben haben. Karlheinz Pape hat im Nachgang zum MOOCamp 2020 noch die Zahl der Kommentare, die Zahl ihrer Bewertungen sowie ihre Verteilung auf die einzelnen Themenwochen festgehalten. Hinzu kamen die Aktivitäten auf anderen Seiten und sozialen Netzwerken wie Twitter, LinkedIn, Xing, Facebook und einzelnen Blogs. Auch hatten sich 19 Lerngruppen gebildet, um sich gemeinsam mit den Themen und Impulsen des MOOCamp 2020 auseinanderzusetzen [21]. In der Abschlusswoche des MOOCamp wurden die Teilnehmenden gebeten, ihre in der ersten Woche selbstgesetzten Lernziele noch einmal zu reflektieren [22]. Hier einige Ausschnitte aus den Antworten: Das MOOCamp20 kam für mich gerade zur richtigen Zeit: als langjährige Trainerin, Moderatorin und Coach im Bereich Kommunikation, Persönlichkeit und Führung stand ich durch Corona plötzlich vor der Herausforderung, mich mit der digitalen Umsetzung meiner bisherigen rein analogen Arbeit zu beschäftigen. Mit wenig Begeisterung machte ich mich auf den Weg – technisch komplett unerfahren und mit dem HomeSchooling meiner Kids im Nacken. Am Vorabend des MOOCamps machte mich meine befreundete Netzwerk-Kollegin Julia Dobbin darauf aufmerksam, mit dem Teaser, dass sie beim letzten Mal unfassbar viel dabei gelernt hätte. Und sie hat nicht zu viel versprochen: es war für mich ein Lernbooster in jeder Beziehung – mit einer extrem starken Lernkurve – zum Teil nahe an der Überforderung. (MOOCamp-Teilnehmerin AvM) Meine Lernerfahrung hier war ganz anders. Ich durfte eintreten und zuhören. Manchmal war es fast ein bisschen wie spannende Gespräche am Nebentisch, die der Wind in meine Richtung trägt. Manchmal war es wie in der Uni, wenn in einer Vorlesung eine spannende Diskussion beginnt, an der ich nicht beteiligt bin und doch mit vielen Ideen nach Hause gehe. Es war wie eine Mischung aus formellem Lernen und informellen Lernen. Wie ein Blick durchs Fenster mit der Möglichkeit jederzeit durch die offene Tür zu gehen ohne eine Verpflichtung es auch zu tun. Ich hatte und habe kein Lernziel für das #moocamp20, eher die Motivation zuzuhören und weiterzudenken. Neue Perspektiven auf alltägliches Handelns einzunehmen. (MOOCamp-Teilnehmerin KK) Ich war zum ersten Mal dabei. Fand es einfach, hinein zu finden, dank der offenen Atmosphäre und weil wir uns selbst organisieren konnten. Dafür großes DANKESCHÖN an Euch Organisatoren!

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Habe ich mein Lernziel erreicht? – Ja, ich kann jetzt besser überblicken, wie wir gute Lehre digital gestalten, und das war mein Ziel. Aber das Ziel erwies sich als moving target, denn ich merke, dass noch viel tun ist, v.a.im Transfer des Gelernten und im interaktiven Lernen. (MOOCampTeilnehmerin HK)

11.5 #CLC20Digital: Das erste Online-BarCamp Das Format BarCamp ist schon lange in Bildung und Weiterbildung präsent. BarCamps werden gerne als „Unkonferenzen“ bezeichnet, weil sie das Prinzip traditioneller Konferenzen umkehren. Es gibt keine Programmplanung, keine Tagesordnung und keine Referentinnen und Referenten, die vorab feststehen. Die Teilnehmenden vor Ort entscheiden selbst, worüber sie diskutieren möchten. Deshalb spricht man auf BarCamps oft auch von „Teilgebenden“. Wer über ein Thema diskutieren möchte, stellt es kurz vor. Findet es Interesse, wird es in den Sessionplan übernommen. Im Sessionplan wird festgehalten, wann und in welchem Raum die einzelnen Themen diskutiert werden. Um eine Diskussion anzustoßen, reicht ein kurzer Impuls oder eine einzige Frage. Steht der Sessionplan, können die Teilnehmenden selbst entscheiden, über welche Themen sie sich austauschen wollen. BarCamps pflegen eine Kultur der Offenheit. Die Erfahrungen mit dem Format „BarCamp“ hat der Pädagoge Jöran Muuß-Merholz 2019 in einem Handbuch zusammengefasst [23]. Das erste BarCamp fand 2005 in Kalifornien statt. Schon im Folgejahr sollen auch in Deutschland die ersten BarCamps stattgefunden haben. 2008 gab es dann das EduCamp, ein BarCamp zu Bildungsthemen (ebd.). 2011 folgte das erste Corporate Learning Camp („CLC11“) mit 80 Teilnehmenden in Darmstadt [24]. In einem Rückblick versuchte Moderator Karlheinz Pape damals eine erste Einordnung des neuen Formats: Insofern war das CLC11 der Versuch eine Lernumgebung für informelles Lernen zu gestalten. Also bewusst keinen Einfluss zu nehmen auf das was gelernt wird, auch nicht auf das wie, sondern einfach darauf zu vertrauen, dass Lernen unter geeigneten Rahmenbedingungen selbstgesteuert stattfindet. Dass dabei auch noch die Grenzen zwischen Lehren und Lernen verwischen ist auch eine interessante Erkenntnis aus dem CLC11. (ebd.)

In den folgenden Jahren fanden im jährlichen Turnus weitere Corporate Learning Camps an wechselnden Orten in Deutschland statt. Das Interesse der Teilgebenden ist stetig gewachsen. Zu den letzten Camps meldeten sich über 300 Interessierte an, so dass die Camps schließlich zweimal im Jahr veranstaltet wurden und Camps in der Schweiz und in Österreich geplant sind.

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11.5.1 #CLC20Digital Am 19./20. März 2020 sollte das Corporate Learning Camp „CLC20 HH“ an der TU Hamburg stattfinden. Doch die beginnende Corona-Krise verhinderte die Austragung vor Ort. Kurzfristig wurde entschieden, das BarCamp als virtuelle Konferenz anzubieten. Das war im Frühjahr 2020 noch Neuland! Die veranstaltende Corporate Learning Community setzte den zeitlichen Rahmen und stellte im Netz einen leeren Sessionplan zur Verfügung (siehe Abb. 11.3). Abweichend vom gewohnten BarCamp-Vorgehen wurden die Teilgebenden dieses Mal gebeten, sich bereits im Vorfeld des BarCamps mit ihren Themen in den Session-Plan einzutragen. Auch die Organisation der Technik wurde gleich in die Hände der Community gelegt: Sessiongeberinnen und Sessiongeber sollten ihre eigenen Konferenzplattformen mitbringen und die Zugangsdaten im Sessionplan festhalten. „Technik-Kümmerer“ stellten Meeting-Räume für die bereit, die auf keine Konferenzplattform Zugriff hatten. Darüber hinaus stellten die Veranstalter durch eine engmaschige Kommunikation sicher, dass Sessiongestalter und Teilgebende auf die neuen Rahmenbedingungen eines Online-BarCamps vorbereitet waren [24]. Dazu gehörte auch die Information, Inhalte wo immer möglich unter eine Creative Commons-Lizenz (CC BY 4.0) zu stellen.

Abb. 11.3: Sessionplan (1. Tag) des #CLC20Digital.

Über die genaue Zahl der Teilgebenden auf dem CLC20Digital kann wieder nur gemutmaßt werden. Eine formale Anmeldung war nicht notwendig. 450 Teilgebende nahmen an der Eröffnung des CLC20Digital teil. 45 Sessions fanden am ersten Tag, 49 Sessions am zweiten Tag statt. Das Themenspektrum war, wie immer auf BarCamps, groß und reichte von „Online Lernen: Was kann Schule von der CLCommunity lernen?“ bis „KI in der Weiterbildung“ [25]. Es wurden kommerzielle wie offene Konferenzsysteme genutzt, und auch mit einer 3D-Umgebung konnten Erfahrungen gesammelt werden.

266 | J. Robes Es gab, wie auch in den BarCamps vor Ort, gut besuchte Sessions mit über 80 Teilgebenden und Sessions, in denen nur ein kleiner Kreis diskutierte.

11.5.2 Online vs. vor Ort Festgehalten werden kann: Das Format „BarCamp“ kann ohne große Abstriche auch als Online-Event organisiert und durchgeführt werden. Karlheinz Pape hat in seinem Rückblick darauf hingewiesen, dass ein Online-BarCamp dem „Prinzip Open“ noch konsequenter folgen kann als ein BarCamp vor Ort: –

– – – – –

Keine Begrenzung der Zahl Teilgebender nötig (Beim CLC20 HH waren 350 zugelassen, 200 standen auf der Warteliste). Jeder durfte und konnte beim CLC20Digital auch ohne Anmeldung teilnehmen. 450 waren bei der Eröffnungssession anwesend! Keine Begrenzung von möglichen Sessions und “Sessionräumen”. Das Internet verträgt beliebig viele. Keine Begrenzung der Platzzahl in Sessions. Auch Teilgebende mit begrenztem Zeit-Budget können sich passende Sessions raussuchen. Wer die weite Anreise nicht machen kann, kann jetzt auch dabei sein (beim CLC20Digital war Moskau ebenso wie Bolivien vertreten). Sessionplan und Dokumentation stehen für jeden beschreibbar offen im Internet. Jeder kann dort selbst konstruktiv beitragen, mit Sessionvorschlägen und bei der Dokumentation. Mit nur kleinen Störungen hat das bei so vielen Beitragenden gut funktioniert (ebd.).

Seit März 2020 haben viele weitere Online-BarCamps – auch unter dem Dach der Corporate Learning Community – stattgefunden. Unterschiedliche technische Lösungen wurden gewählt, ohne dass sich eine Lösung als Standard durchgesetzt hätte. Die Herausforderung, der sich P2P-Formate wie Online-BarCamps stellen müssen, ist wenig überraschend: Es ist schwierig, den informellen Austausch und das Netzwerken im virtuellen Raum abzubilden. Verschiedene Versuche wurden gewählt: 3D-Umgebungen, um sich zwanglos im virtuellen Raum zu bewegen und sich selbstgesteuert mit einzelnen Personen oder Gruppen zu unterhalten; separate Kommunikationskanäle, die nur für den informellen Austausch reserviert waren; spezielle Abend-Events, um eine offene Atmosphäre des zwanglosen Miteinanders zu schaffen. Doch diese Bemühungen stoßen an „natürliche“ Grenzen: Wer den ganzen Tag online ist, sucht die Abwechselung nicht in einem weiteren Online-Angebot. Hinzu kommt: Es darf vermutet werden, dass die Bindungskraft von Online-Angeboten geringer ist als die einer Zwei-Tagesveranstaltung vor Ort. Das nächste Online-Event ist immer nur einen Klick entfernt.

11.6 Ausblick cMOOCs, Communities of Practice und Online-BarCamps bilden nur einen kleinen, prominenten Ausschnitt des P2P-Lernens ab. Hinzu kommen weitere Formate wie

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Working Out Loud, Hackathons, Booksprints, Blogs und Twitter [23]. Wenn heute von „New Learning“ und einer entsprechenden neuen Lernkultur die Rede ist, spielen Formen des „kollaborativen Lernens in Co-Creation“ eine prominente Rolle [24]. P2P-Formate entsprechen dem Bedürfnis einer wachsenden Zahl von Wissensarbeiterinnen und -arbeiter, selbstgesteuert neue Impulse zu suchen, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und dabei neue informelle Lern- und Erfahrungsräume zu erschließen. Unternehmen erkennen wiederum, dass P2P-Formate vor allem in den offenen Netzwerken gelebt werden und hoffen, dass sie von dort ihren Weg auch in die Organisationen selbst finden. P2P-Formate, das sollte aus den bisherigen Ausführungen deutlich geworden sein, kommen mit (mindestens) zwei Herausforderungen daher: Zum einen sprechen sie Menschen an, die über die entsprechenden Fähigkeiten der Selbststeuerung verfügen. Die Rede ist in diesem Zusammenhang auch und vor allem von Selbstlernkompetenzen und digitalen Kompetenzen. Zum anderen entziehen sich P2P-Formate des selbstgesteuerten, vernetzten und informellen Lernens den traditionellen Parametern des Bildungscontrollings. Manchmal geben Anmeldungen und Aufrufe Hinweise auf die Teilnahme und die Nutzung entsprechender Formate. Am überzeugendsten sind jedoch häufig die Erfahrungsberichte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie lassen darauf schließen, dass die Formate des Peer-to-Peer-Lernens weiter an Attraktivität gewinnen werden.

Literaturverzeichnis [1]

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Oliver Lorenz & Stefan Krüger

12 Praxisbeispiel: EY Deutschland Building a Better Learning World! Wie EY Deutschland1 (EY ) das Thema Lernen in Zeiten der Digitalisierung nachhaltig für Mitarbeitende und Kunden gestaltet Zusammenfassung: Der folgende Beitrag deckt zwei Schwerpunkte ab, die beide im Kontext der Veränderung der Trainings- und Lernlandschaft in den Jahren 2020 und 2021 durch die Covid-19-Pandemie stehen: Zu einem gibt der Beitrag einen Einblick auf den internen Umgang mit Training und Lernen im unternehmerischen Kontext bei EY und bildet somit einen Schwerpunkt der Weiterbildungsarbeit der Talent Development Abteilung. Zum anderen zeigt der Beitrag wie die Abteilung People Advisory Services bei EY die Themen Training, Change und Lernen bei Kunden implementiert und setzt den Akzent auf die Anforderungen des Marktes in diesen Bereichen. Lesende finden in diesem Beitrag somit den Blick aus der Praxis für das Lernen in Unternehmen in bewusster An- bzw. Abgrenzung zum Lernen an den Hochschulen. Schlagwörter: Digital Learning, Virtual Classroom, Blended Learning, Social Learning, Hybrid Learning, Community of Practice, Learning Journey

12.1 Die Covid-19-Pandemie als Transformationsbeschleuniger für die Durchdigitalisierung der Lernlandschaft 12.1.1 Welchen Effekt hat die Pandemie für die Lernlandschaft bei EY? EY war vor Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 bereits mit einer funktionierenden digitalen Lerninfrastruktur (Laptops, Smartphones,2 Tablets und mobil zugreifbaren Learning Management System) ausgestattet. Diese Ausstattung fußt auf dem flexiblen und mobilen Lern- und Arbeitsalltag bei EY. 1 Ernst Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. 2 Der Zugriff auf die meisten Teile der Lerninfrastruktur ist auch mit dem Smartphone möglich, wobei hier je nach technischer Plattform und Lernsetting einige Nutzereinschränkungen auftreten. Zu erwähnen sind hier vor allem der kleinere Bildschirm, der eine große Hürde für nicht responsive Inhalte darstellt und die eingeschränkten Funktionen der verwendeten Lernplattform in der mobilen Ansicht. Zum anderen spielen Lernzeitpunkt (eher spontan) und die verkürzte Aufmerksamkeitsdauer eine große Rolle. So werden Lernszenarien mobil nur ergänzend über das Smartphone wahrgenommen oder nebenbei konsumiert (z. B. Podcast). https://doi.org/10.1515/9783110754728-012

270 | O. Lorenz & S. Krüger Pandemiebedingt hat es eine beschleunigte Einführung von Kollaborationstools mit erweitertem Funktionsumfang (Microsoft Teams) gegeben, welche aber nicht vorrangig zur Lernzwecken eingeführt wurden. Der Lern- und Arbeitsort wurden weitgehend ins HomeOffice verlegt. Die Verwaltung und das Wahrnehmen der Lerninhalte fanden weiterhin über die Lernplattform statt und als Durchführungsformat haben sich Virtual Classroom-Lernszenarien unter den potenziell ca. 11.000 Lernenden in Deutschland stark verbreitet. Der Anteil der digitalen Lerninhalte ist somit von Mitte 2019 bis Mitte 2021 von ca. 50 % auf nahezu 100 % angestiegen. Die Lernlandschaft wurde somit nach einer kurzen Orientierungsphase komplett auf virtuell umgestellt und konnte hierbei auf die schon vorhandene digitale (Lern)Infrastruktur aufsetzen. So wurde innerhalb weniger Monate flexibel auf die Situation reagiert und es konnten die Lernkonzepte transformiert werden. Für die Lernenden war hier nicht das digitale Lernen an sich neu, sondern die digitale Komplettumstellung des Lernangebots. Der stetige generelle Digitalisierungstrend in der Lernlandschaft ist durch die Pandemie beschleunigt worden. Als positiver technischer Ermöglicher hat sich bei EY die fast zeitgleiche Einführung von Office365 insbesondere MS Teams, OneNote, SharePoint, Streams, Forms, u. a. erwiesen. Diese cloud-basierten kollaborativen Werkzeuge entfalteten große Potentiale für das gemeinsamen Lernen und Arbeiten. So lässt sich zusammenfassend sagen, dass sich die Lernkonzepte bereits vor der Pandemie stark an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden nach zeit- und ortsflexiblem Zugriff orientiert haben und es keinen großen Umstellungsknall, sondern einen (Zwischen)Sprint im digitalen Umstellungsmarathon gegeben hat. Ferner ist der Wandel von reinen Präsenztrainingsformaten hin zu Blended Learning-Formaten vorherrschend geworden und hat einen Anpassungsprozess durchgemacht. Vor der Pandemie konzentrierte sich das Blended Learning-Konzept bei EY auf die klassische Kombination von Web Based Trainings (WBTs) und Videolearnings als Selbstlernformate und anschließenden längeren Präsenzlernveranstaltungen. Teilweise wurden Präsenzlernformate eins zu eins in seminarartige Virtuelle Klassenzimmer umgewandelt, die einen Webinar-artigen Charakter haben. Es standen Vorträge im Vordergrund, die durch wenige Interaktionen in Form von Umfragen oder einzelne Quizfragen angereichert wurden. Während der Pandemie wurde, gestützt durch den Einbezug von neurowissenschaftlichen Erkenntnisse, durch Wandel weiter vorangetrieben (u. a. Fokussierung der individuellen Inhalts- und Praxisrelevanz, Einsatz von Interaktivität, Einbezug von positiven Emotionen, Austausch zwischen den Lernenden und Einklang von Geist und Körper, etc.).3 3 Siehe hierzu beispielsweise die Ausführungen der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (unter https://www.mynewsdesk.com/de/afnb) oder das Bildungsinnovator-

12 Praxisbeispiel: EY Deutschland

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Die Weiterentwicklung der Lernlandschaft wird bei EY als ein Dauerzustand verstanden. So werden durch Evaluationen und regelmäßige Umfragen, die sich ändernden Lernbedürfnisse der Mitarbeitenden ermittelt und die Lernszenarien darauf passend weiterentwickelt. Während der Pandemie kristallisierte sich immer stärker heraus, dass die weitere Flexibilisierung, Individualisierung und Praxisrelevanz von Lernszenarien gerade im HomeOffice-Lernsetting noch stärker ins Gewicht fallen, um die Mitarbeitenden zum selbst organisierten Lernen zu motivieren. Dazu wurde an zwei Hauptstellhebeln gearbeitet: An der übergreifenden Curriculumsplanung an sich und an der (Neu)Konzeption der Lernszenarien nach den oben erwähnten methodisch-didaktischen Erkenntnissen. Im Zuge dieser durch die Pandemie bedingten Digitalisierung des gesamten Lernportfolios stellte sich heraus, dass sich der neue Fokus der Lernkonzepte in Richtung hybrides Lernen verschoben hat. Hybrides Lernen ist als eine Weiterentwicklung von klassischem Blended Learning zu verstehen. Das klassische Blended Learning beschreibt die Mischung von asynchronen digitalen Selbstlernformaten und synchronen Präsenztrainings. Hybrides Lernen ist nun immer mehr als passgenaue Mischung zu verstehen, welche sich aus (derzeit noch rein) digitalen Lernformaten zusammensetzt, die sich eher durch die Unterscheidung der asynchronen oder synchronen Nutzung darstellen. Diese werden immer wieder bedarfsgerecht gemischt. WBTs und Videolearnings finden sich nicht mehr nur im „Pre-Work“, sondern zu allen möglichen Zeitpunkten als ergänzende Bausteine in den Lernreisen, während die Basis der umgestellten Lernszenarien durch synchrone, neurowissenschaftlich optimierte virtuelle Klassenräume gebildet wird. Perspektivisch wird sich hier auch wieder das Präsenztraining eingliedern lassen, dazu weiter unten mehr.

12.1.2 Wie erging es den Kunden von EY in dieser Transformationsphase? Die Kunden von EY sind während dieser Transformation ganz unterschiedlich mit der digitalen Transformation ihrer Lernlandschaften umgegangen. EY hat bereits vor der Pandemie beobachtet, dass der Reifegrad von Learning & Development innerhalb der Unternehmen eine sehr große Bandbreite aufweist. So sind unter den Kunden Großkonzerne, die in Relation zur Gesamtzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine sehr kleine Personalentwicklungsabteilung haben und die Administration der Lernmaßnahmen beruhte dort auf der Verwaltung in Tabellen und das Lernangebot bestand fast ausschließlich aus Präsenzveranstaltungen. Es gibt andererseits auch UnVideoangebot (unter https://bildungsinnovator.de/video zum Stichwort NeuroLearning bzw. Neurowissenschaft).

272 | O. Lorenz & S. Krüger ternehmen, die technisch und organisatorisch Smart Learning Environment4 anbieten (einen Lernraum in dem analog und virtuell kollaborativ gearbeitet und gelernt wird) und sich mit sowie Virtual- und Augmented Reality im Bereich des Lernens befassen. Tendenziell waren Kunden von EY mit einem hohen Reifegrad im Bereich Learning & Development schneller und zielgerichteter in der Lage das Lernangebot zu digitalisieren. Einige Unternehmen mit geringerem Reifegrad haben aber auch die Gelegenheit genutzt, um schnell Pilotprojekte aus der Taufe zu heben und zu evaluieren welche Digitalisierungskonzepte in der Praxis funktionieren bzw. was noch entsprechend anzupassen ist. Die Pilotprojekte hatten dabei sehr vielfältige Facetten: – Ausbildung der Trainierenden in virtuellen Trainingsfähigkeiten („Train the Virtual Trainer“) – Nutzen von Social Learning und Community Learning – Einkauf von externen digitalen Lerninhalten – Implementierung von Learning Management Systemen (LMS) oder Learning Experience Plattformen (LXP) Grundsätzlich lässt sich sagen, dass durch die Covid-19-Pandemie bei Kunden von EY die digitale Transformation des Lernangebots angestoßen oder beschleunigt werden konnte. Durch die verschiedenen Ausgangslagen für die digitale Transformationen der Lernlandschaften waren immer wieder kundenindividuelle Lösungen notwendig. Die Projekte deckten unterschiedlichste Punkte ab: – Klassische Transformation von synchronen Präsenzszenarien in WBTs, Videolearnings, Webinare und Virtual Classrooms – Ortflexibler Zugriff auf die Lerninhalte durch Einsatz von LMS und LXP und Zugriff über mobile Endgeräte – Unterstützung zum Wandel in der Lernkultur, um die zeitliche Flexibilität durch digital unterstützte asynchrone selbstgesteuerte Lernphasen nutzen zu können – Implementierung von Lernpfaden für die bessere Individualisierbarkeit von Lerninhalten – Digital Upskilling Kampagnen, die selbst durch digitales Lernen durchgeführt werden, um die Lernenden in den Bereichen digitales Mindset, Tools und Prozesse fit zu machen Das Feedback der Mitarbeitenden auf Seiten der Kunden zur (Teil-)Digitalisierung des Lernangebots ist überwiegend positiv. Die meisten Personen möchte die digitalen Lernangebote auch perspektivisch in post-pandemischen Zeiten beibehalten. Dennoch ist die digitale Transformation für viele Kunden nicht abgeschlossen. Das trifft besonders auf die Punkte der Förderung des informellen Lernens und des sozialen 4 Anschaulich ist die Erklärung von Smart Learning Environments von Sirkka Freigang unter https: //sirkkafreigang.com/2015/10/08/was-ist-ein-smart-learning-environment/

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virtuellen Lernens und Vernetzens zu. EY gibt den Kunden hier Orientierung, um passende nachhaltige Wege zu finden. Herausfordernd ist es aus Kundensicht die passende Auswahl aus der großen Vielfalt der Konzepte, Methoden und Technologien für digitales Lernen auszuwählen. Für EY hat es sich bewährt die Projekte auf Grundlage einer agilen Modifikation des ADDIE5 -Prozesses anzugehen. EY legt hier viel Wert folgenden Weg zu gehen: von der Bedarfsanalyse, über die Konzeptions- und Entwicklungsphase hin zur Umsetzungsphase und Evaluationsphase. Die einzelnen Phasen werden agil gehandhabt, d. h. Arbeiten in einem Kreislauf aus raschem Prototyping mit der engen Einbindung des Kundenfeedbacks und der darauffolgenden Weiterentwicklung.

12.2 Wie es in der Praxis funktioniert, dass die Bedürfnisse der Lernenden im Zentrum nachhaltiger digitaler Lernangebote stehen 12.2.1 Erfahrungen am Beispiel der Sales Learning Journeys Am Beispiel der (internen) Sales Learning Journeys6 bei EY, lässt sich der Wandel von Präsenz zu Digital und von Trainierenden-fokussiert zu Teilnehmenden-fokussiert gut darstellen. So wurden die klassischen PowerPoint-gestützten Vorträge in reinen Präsenzlernszenarien komplett durch ein virtuelles Klassenzimmer mit Fokus auf Gruppenarbeiten ersetzt, in dem der interaktive Austausch im Vordergrund steht. Die Beginner- und Fortgeschrittenen-Lernszenarien werden von mehreren Hundert Personen pro Jahr durchlaufen. Das Sales Lernszenario für Beginner erstreckt sich über mehrere Wochen als eine Mischung von asynchronen und synchronen Lernphasen, anstatt einer dichtgedrängten Einmalmaßnahme an mehreren aufeinander folgenden Tagen. Als funktionierender Lernmix stellten sich folgende Komponenten heraus: – Synchrone Termine im Virtuellen Klassenzimmer mit Fokus auf Gruppenarbeit – Selbstlernphasen als Pre- und Postwork sowie in Form von On-Demand-Lernmaterial für den späteren Zugriff auf Lerninhalte für den jeweiligen Bedarfsmoment – Selbstorganisierte synchrone Gruppenlernphasen/ „Hausaufgaben“ als Vorbereitung für den nächsten synchronen Termin – Förderung von Learning Communities für die Transferunterstützung in die Praxis 5 Siehe beispielsweise unter https://www.learning-theories.com/addie-model.html 6 Die Sales Schulung ist zweigeteilt. Eine für Beginner und eine für die fortgeschrittenen Zielgruppe und hat zum Ziel die EY internen Sales Ansätze praxisorientiert zu vermitteln. Es werden dort Inhalte wie z. B. Verhandlungstraining, Akquise Prozesse oder auch Bestandskundenbetreuung trainiert. Das Pre-Pandemie Konzept setzte nahezu komplett auf mehrtätige Präsenzlernformate auf.

274 | O. Lorenz & S. Krüger Während der synchronen Phasen im Virtuellen Klassenzimmer gibt es eine ständige Abwechselung von theoretischem Input und Interaktion. Die Inputphasen in diesem Lernsetting sind bewusst kurzgehalten und bewegen sich zwischen 5 bis 10 Minuten, darauf folgen dann stets Einzel- und Gruppenübungen. Diese interaktiven und kollaborativen Übungen eignen sich wesentlich besser als reine Vortragsabschnitte, um die Lernenden interessiert und engagiert zu halten. Für die Gruppenübungen werden insbesondere ein Whiteboard-Tool und die kollaborativen Werkzeuge der MS Teams Umgebung (SharePoint, OneNote, Break-Out Rooms, etc.) verwendet. Die Ergebnisse der Gruppenübungen werden im Plenum weiter diskutiert und analysiert, um dann in Folgeübungen zu münden. Die asynchronen Phasen sind mit Selbstlernformaten gefüllt worden, die wiederum die synchronen Phasen um die reine Inhaltsvermittlung entlasten. So können die Lernenden selbstbestimmt mit der reinen Informationsaufnahme dieser Lernreise umgehen. Hier eignen sich „Terminblocker“ als Vorschläge für diese Phasen, um die Lernenden bei der Planung des selbst organisierten Lernens im Alltag zu unterstützen. Weiter ist anzuraten, alle Inhalte, die einer strengen didaktischen Reduktion nicht standhalten, in On-Demand-Formate für die spätere selbstgesteuerte Nutzung im Bedarfsmoment auszulagern oder komplett zu streichen. Abgeschlossen wird das Lernszenario von einer Transferphase, in der die Lernenden wiederum sich in einer Community in den Erfahrungsaustausch begeben können. Als Herausforderung stellte sicher heraus, dass in diesem Abschnitt der Lernreise, die Lernenden gedanklich die Lernmaßnahme schon abgeschlossen haben und die tägliche Arbeit sich wieder in der Vordergrund schiebt. Hier laufen derzeit erfolgsversprechende Pilotierungen mit einem kombinierten Social Learning-Ansatz Großgruppen (nach LernOS7 ) und Kleingruppen (nach LearningOutLoud8 ) um das Thema Sales zu einem „Dauerbrenner“ für die Lernenden zu machen. So sollen die Lernenden immer wieder im Bedarfsmoment die Informationen über eine Community (z. B. technisch umgesetzt in einem MS Teams-Channel) bekommen, die sie benötigen und sich so über die neusten Entwicklungen auf dem Laufenden halten und konkrete Probleme über die Kontakte in dieser Community lösen. Weiter dient auch das in der Lerngruppe gemeinsame genutzte OneNote als leicht durchsuchbare Bibliothek für alle vorgegeben und erarbeitenden Lerninhalte. Als Best Practices für die EY internen Schulungen lässt sich schlussfolgern, dass die Lernszenarien so zu gestalten sind, dass sich die Lernenden bewusst auf die Lernumgebung und das Themengebiet konzentrieren können und wollen, damit ein Weiterentwicklungsprozess entstehen kann. Ein Rückzug aus dem digitalen Lernsetting ist durch den elektronischen Posteingang immer nur einen Klick entfernt, sobald das Unterbewusstsein vermeldet „das ist 7 Informationen zum Open System for Lifelong Learning and Learning Organizations sind zu finden unter https://cogneon.github.io/lernos/ 8 Siehe beispielsweise unter https://learningoutloud.de/

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gerade nicht relevant für mich“. Alles, was den Aufwand nicht wert zu sein scheint, wird vom Gehirn nicht „abgespeichert“ und direkt wieder vergessen, um den Denkapparat vor unnötiger Energieverschwendung zu bewahren. Erschwerend kommt hinzu, dass der soziale „Kleber“ fehlt, der sonst innerhalb eines physischen geschlossenen Raums herrscht, und die Lernenden animiert sich mit weniger relevantem Lerninhalt zu beschäftigen, weil es ja auch alle anderen im Raume gerade tun. Die Erfahrung bei EY hat gezeigt: Erst wenn es gelingt für den einzelnen Lernenden individuell praxisrelevante Inhalte für die Lernbedürfnisse anzubieten, wird ein Lernszenario überhaupt wahr- und angenommen. Was ist eine Lern-Persona? (s. Abb. 12.1 und12.2) Eine Lern-Persona ist eine typische Person der Zielgruppe auf die die Learning Journey zugeschnitten wird. Auf Grundlage von Kurzinterviews innerhalb der Zielgruppe und den Trainierenden werden in der Analysephase der Lernmaßnahmenerstellung möglichst passgenau die Lernbedarfe erfasst. Es werden üblicher Weise zwei bis drei Personas pro Lernmaßnahme erstellt und die prozentuale Verteilung geschätzt. EY nutzt hierfür die Kategorien: – Persönliche Daten (Fiktiver Name, Alter, Job Rolle, etc.) – Allgemeine Beschreibung (Ausbildungshintergrund, Berufserfahrung, Hobbys, etc.) – Wert und Emotionen (Persönliche Motivation, Gefühle und Einstellung zum Kontext der Lernmaßnahme) – Bedürfnisse (Welche persönliche Anforderungen im Job werden durch die Lernmaßnahme gedeckt? Wobei im Berufsalltag hilft die Lernmaßnahme der Person?)

Konsequenterweise gilt es also noch stärker als im Präsenzlernformat darauf zu achten, dass die Lernziele sorgsam an den Bedürfnissen der Zielgruppe ausgerichtet sind und eine eindeutige inhaltliche Relevanz haben. Dazu ist es vorab hilfreich LernPersonas (siehe Einschub weiter oben) zu erstellen, um so die genaue Analyse der

Abb. 12.1: Eine exemplarische Lern-Person aus dem Advanced Sales bei EY .

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Abb. 12.2: Die Verteilung der Lern-Personas.

Zielgruppe abzubilden. Dazu wurden qualitative Interviews mit einer Mischung aus Teilnehmenden vergangenen Trainings und potenziellen zukünftigen Teilnehmenden geführt, um die Erwartungen, Wünsche und Einstellung der Lernenden zum Lernszenario zu erfassen. Weiter wurden Evaluationsergebnisse aus vergangenen Trainingsdurchläufen und Beobachtungen der Trainierenden genutzt um die Lern-Personas um Details zu ergänzen. Ebenfalls ist es obligatorisch, gegenüber den Lernenden zu kommunizieren: „Was ist für mich drin, wenn ich hier aktiv am Lerngeschehen teilnehme?“, z. B. als Einleitung zu jedem Lernmodul. Nur wenn es die Konzeptionierenden und die Trainierenden schaffen den strengen „Relevanz-Türsteher“ in Form des Unterbewusstseins der Lernenden auf ihre Seite zu ziehen, werden erfolgreiche Lernszenarien durchführt werden können. Die virtuellen Lernszenarien erfordern ferner eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Phänomen der „Virtual Meeting Fatique“.9 Sie ist eng verknüpft mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zum Lernen allgemein, die durch digitales Lernen noch verschärft auftreten. Dies sind beispielsweise: 9 Unter dem Begriff Virtual Meeting Fatique werden die Ursachen für verschiedene Ermüdungserscheinungen zusammengefasst welche von, sehr vielen dicht an dicht gereihten, virtuellen Arbeitsund Lernmeetings verursacht werden. Es können Reaktionen wie Kopf-, Magen- und Gliederschmerzen sowie auch Sehstörungen und reduzierte Konzentration auftreten. Kurz gesagt man gerät als Mensch aus dem körperlichen und psychischen Gleichgewicht. Dieses „Virtual Meeting Fatique Syndrom“ hat sich hat sich als ein nicht zu unterschätzender Gegenspieler zur (Bildschirm)Aufmerksamkeit im Alltag der Lernenden herausgestellt.

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Eine permanent angeschaltete Webcam führt zu Ablenkung und Müdigkeit aufgrund der durchgehenden Selbstbeobachtung bzw. der ungewohnten DrittePerson-Sicht auf uns selbst. Daher empfiehlt es sich den Lernenden freizustellen die Webcam auszustellen, wenn Lerninhalt präsentiert wird und nicht der Gruppenaustausch im Vordergrund steht. Allerdings sollte zum Anfang und Ende des synchronen Trainings und bei Kleingruppenübungen wiederum sollte die Webcam angestellt sein. Als beste technische Lösung hat sich hier das Ausstellen des „Selbstbilds“ herausgestellt (sofern technisch möglich), dann sieht die Lernende Person das eigene Bild nicht, aber die anderen Teilnehmenden können die Person sehen. Nur sitzend zu lernen, ist weniger effizient und lässt den menschlichen Organismus geistig und körperlich, durch mangelnde Bewegung, erschlaffen. Es empfiehlt sich hier der Einbau von „Energizern“, die zur Bewegung auffordern oder auch Lernphasen, an denen per Kopfhörer und Handy teilgenommen wird, sodass die Lernenden herumlaufen können. So wird der Kreislauf angekurbelt, mehr Sinne fürs Lernen angesprochen und dem Rücken etwas „Gutes“ getan. Fokussiertes Lernen vor dem Bildschirm ist deutlich anstrengender für das Gehirn und die Augen als im Präsenztraining. Gerade im Rahmen eines normalen acht Stunden Bildschirmarbeitstages hat sich eine maximale Nettolerndauer von drei bis vier Stunden pro Tag inkl. einer ausgewogenen Lern- und Pausenfrequenz (pro Stunde mindestens ca. zehn Minuten Pause) als die beste Balance erwiesen.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil, um die Aufmerksamkeit der Lernenden aufrecht zu erhalten ist die ausgewogene Verteilung von Input- und Verarbeitungsphase der erhaltenen Informationen. Eine deutliche Abnahme der Beteiligung wird bereits nach ca. fünf Minuten reiner Präsentation festgestellt. Empfehlenswert ist somit in etwa alle fünf Minuten Reflektionen und Interaktionen in das Lernszenario einzubauen.

12.2.2 Verschiedene Lernprojekte bei den Kunden von EY Die Besonderheit bei der Arbeit mit externen Kunden ist die, dass EY sehr fokussiert einzelne Themen bearbeitet, z. B. die Begleitung einer IT-Transformation oder die Entwicklung einer sog. Akademie im Kontext von Diversity & Inclusion oder Cybersecurity. Weniger oft geht es um eine globale Umstrukturierung oder Neuaufstellung der betrieblichen Weiterbildung. Beispielhaft soll hier das Projekt der digitalen Transformation durch SAP S/4 HANA im Finanzumfeld bei einem global agierenden Konzern näher beschrieben werden. Die Herausforderung in diesem Projekt besteht darin ca. 3.000 Mitarbeitende in mehreren globalen Konzerngesellschaften zum Go-Live der neuen Lösung zu befähigen, d. h. die betroffenen Mitarbeitenden sind in einem neuen IT System und neuen Prozes-

278 | O. Lorenz & S. Krüger sen zu trainieren. Bisher wurde der größte Teil der Lernmaßnahmen durch synchrone Präsenzlernformate abgedeckt. Es entstanden Aufwände durch: – Erstellung der Lernunterlagen in PowerPoint – Erstellung von Train-the-Trainer Konzepten mit Storyboards – Einstellung und regelmäßige Pflege der Trainingssysteme mit entsprechenden Trainingsnutzern und Trainingsdaten – Buchung der Räumlichkeiten – Administration der Teilnehmenden Die Nachhaltigkeit dieser klassischen Lernmaßnahmen wurde seitens des Kunden schon intern länger in Frage gestellt, da die hohen internen administrativen Aufwände seitens der Erstellenden der Lernmaßnahmen und der Aufwand für der Anund Abreise sowie Unterbringung der Teilnehmenden nicht im Verhältnis zu dem gewünschten Lernergebnis bzw. Lerntransfer in die Praxis standen. Bisher konnte allerdings die Transformation der von einer Präsenzkultur geprägten Lernlandschaft hin zu einer modernen nachhaltigen (virtuellen) Lernlandschaft noch nicht erfolgreich angestoßen werden. Die Covid-19-Pandemie erwies sich hier als Trigger und stellte den Kunden „über Nacht“ vor die Herausforderung, dass synchrone Präsenzformate nicht mehr sinnvoll abbildbar geworden sind und die Nutzung von virtuellen und digitalen Lernformaten diesem Problem Abhilfe schaffen soll. EY hat in diesem Kontext den Kunden dabei unterstützt seine interne Herangehensweise für die Erstellung von Lernszenarien erfolgreich zu transformieren. An die Stelle von synchronen Präsenzlernformaten ist ein nachhaltiger digitaler Lernmix aus Selbstlerninhalten, sozialen Lernaktivitäten und synchronen virtuellen Klassenzimmern getreten (s. Beispiel in Abb. 12.3).

Abb. 12.3: Erst der richtige Lernmix macht ein nachhaltiges Blended Learning Szenario möglich.

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12.3 Über den Anspruch zur Erschaffung von sozialer Nähe in digitalen Lernangeboten Die Evaluationen für das weiter oben genannte Sales Training haben gezeigt, dass durch die Konzeption des Trainings als interaktive und vernetzungsfördernde Lernreise, der Bedarf der Teilnehmenden abgedeckt wurde. Die Teilnehmenden waren sogar teilweise positiv überrascht, dass virtuelles Training so kurzweilig und nachhaltig sein kann. Dies wurde gerade bei einem Thema, welches von persönlichem Austausch lebt, als außergewöhnlich hervorgehoben. Als eine der größten Herausforderungen im voll digitalen Setting hat sich allerdings die Umsetzung des virtuellen informellen Netzwerkens herausgestellt. Die Netzwerkmöglichkeiten, die im Präsenztraining ungeplant und nebenbei passiert sind, wie das Gespräch beim Essen oder an der Bar, entfallen weitgehend im digitalen Raum. In den Interviews wurde geäußert, dass viele Lernende EYs Präsenztrainings tendenziell wegen der Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Kolleginnen und Kollegen besucht haben und diese jetzt schmerzlich vermissen. So waren die zufälligen Nebenprodukte des Austausches mit Kolleg:innen und der „guten“ gemeinsamen Zeit an einem Veranstaltungsort gar nicht die Nebensache, sondern einer der Kernpunkte aus Sicht der Lernenden. Um dieses Dilemma aufzulösen, haben sich die zusätzlichen digitalen Abendveranstaltungen, die an den Trainingstag angehängt wurden, in unseren Piloten als nicht zielführend erwiesen. Gründe sind u. a. in der Virtual Meeting Fatique (s. o.) zu finden, welche die Lernenden abends um 19 h nach einem sehr langen Tag des Arbeitens und Lernens am Bildschirm davon abhält, an einem digitalen Miteinander teilzunehmen. Es wurde eher als zusätzliche Anstrengung empfunden, noch länger in den Bildschirm zu starren und demnach rückgemeldet, dass ein persönliches Miteinander in der realen Welt nicht durch ein solches virtuelles Setting zu ersetzen sei. Als erfolgreicher hat es sich erwiesen, diesen Austausch geplant und forciert während der Lernzeit zu ermöglichen. Die Teilnehmenden empfanden den formalisierten Rahmen für diese informellen Austausch- und Kennenlernmöglichkeiten als hilfreich. In der virtuellen Praxis bedeutet dies, dass die Lernenden gezielt durch spezielle Netzwerkübungen mit wechselnden Gruppenmitgliedern immer wieder für 10 bis 15 Minuten während der synchronen Lernabschnitten in Austausch gebracht werden. Zusätzlich wird die Vernetzung innerhalb einer „festen“ Lerngruppe dadurch gefördert, dass die festen Mitglieder über die gesamte Lernreise gemeinsam an Use Cases bearbeiten. So wird in Kleingruppen bis zum nächsten synchronen Termin die Aufgabe gemeinsam erledigt und neben der Unterstützung für den Lerntransfer auch das informelle Vernetzen durch die gemeinsam verbrachte Zeit als Nebeneffekt gefördert. Die Autoren des Beitrags sind der Überzeugung, dass digitales Lernen, sofern es nach den o. g. Kriterien gestaltet ist, nachhaltig Inhalte vermittelt, Spaß macht und einen individuellen unmittelbaren Mehrwert für die Praxis bringt. So leitet sich die

280 | O. Lorenz & S. Krüger Erwartung bei den Lernenden ab, dass ihre berufliche Weiterbildung im Sinne ihren Lerntransfers nachhaltig gestaltet sein muss, um eine aktive Teilnahme am virtuellen Setting motiviert durchhalten zu können und ihre Lernerfahrung als effizient zu empfinden. Weiter ist klar durch die Lernenden ausgedrückt worden, dass das informelle Vernetzen im digitalen Raum anders als im Lernsetting Vorort gefördert werden muss. Zusätzlich ist durch die Trainingsverantwortlichen stets zu überprüfen, in welchem Maße diese Vernetzungsanteile persönlich und Vorort stattfinden müssen, um die gewünschten Lernziele zu erreichen. Nur so können die physische Lernmaßnahmen zu einem wertvollen zwischenmenschlichen lernförderlichen Austausch werden, der das höhere Budget, die aufwendigere Logistik und den erhöhten Zeiteinsatz rechtfertigt.

12.4 Ein Blick in die Zukunft: Was kann nach dem Digitalisierungsschub während der Covid-19-Pandemie in der Lernlandschaft nachhaltig bestehen bleiben? Die Autoren können feststellen, dass virtuelles Learning bei EY funktioniert und von den Lernenden akzeptiert wird, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Es muss die richtige Mischung aus synchronen und asynchronen Phasen für die Blended Learning-Szenarien angewendet und explizit auf die gehirngerechte Gestaltung der Lernmethoden geachtet werden. In der digitalen Lernwelt ist der Ausstieg aus dem Lernsetting immer nur einen Mausklick weit entfernt. Somit ist es essenziell, die Lernenden für rein virtuelle Maßnahme emotional positiv mitzunehmen und die individuelle Praxisrelevanz der Lerninhalte für die Zielgruppe sicher zu stellen. Der Weg zurück in das Präsenzlernen muss aus Sicht der beiden Autoren in Zukunft als Bestandteil von hybriden Lernszenarien gedacht werden und führt im Bedarfsfall zu ausgewählten synchronen Präsenzanteilen im Gesamtkonzept. Die wertvolle Zeit vor Ort sollte frei von klassischen interaktionslosen vorlesungsartigen Lernmethoden sein und sich auf das konzentrieren, was den Reiseaufwand rechtfertigt: Das Interagieren zwischen Menschen und das gemeinsame kollaborative Lernen und Vernetzen – also konkret die gezielte Förderung von nachhaltigen und lernförderlichem Social Learning in Form der zwischenmenschlichen informellen Begegnung Vorort. Dies begründet sich darauf, dass eine intensivere zwischenmenschliche Begegnung im virtuellen Raum von den Lernenden vermisst wird, je nach Lernziel aber ausschlaggebend für den Lernerfolg ist. So ist z. B. ein Softwaretraining gut rein virtuell abzubilden, aber Lernszenarien, die auf persönliche Fähigkeiten mit hoher emotionaler Beteiligung abzielen, wie beispielsweise Konfliktmanagement, profitieren von der

12 Praxisbeispiel: EY Deutschland

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praktischen Übung vor Ort, der die Theorievermittlung virtuell vor- und zwischengeschaltet ist. Weiter ist zu erwähnen, dass sich die Bereitstellung von ergänzenden Lernhäppchen in virtueller Form als nützlich erwiesen hat, damit diese leichter im Bedarfsmoment abgerufen werden können, um so den Lerntransfer zu unterstützen. Hybride Lernkonzepte sind hier noch weiterzudenken, d. h. Konzeption von Lernsettings, in denen sich lokale Lerngruppen vor Ort zusammenschließen, die dann wiederum einem mehrere Gruppen umfassenden synchronen virtuellen Lernszenario folgen und ihre Aufgaben kollaborativ vor Ort erledigen können. So können logistische Aufwände klein gehalten und gleichzeitig der Bedarf nach Austausch in der „echten“ Welt gedeckt werden. Erste Piloten sind bei EY geplant und stehen vor der Erprobung. Die Autoren dieses Beitrags sind der Überzeugung, dass der Zugriff auf Selbstlerninhalte durch Lernplattformen und kollaborative Plattformen wie MS Teams über mobile Endgeräte und Laptops stets vom Nutzer hergedacht werden muss. Bedienfreundlichkeit und der Mehrwert für die Lernenden müssen klar in den Fokus gerückt werden. Idealerweise empfehlen diese technischen Plattformen unterstützt von Künstlicher Intelligenz den Lernenden individuell passende Lerninhalte. Im Bereich der Endgeräte für die Nutzer:innen sehen wir Laptops (und DesktopComputer) für längere virtuelle Lerneinheiten. Die smarten mobilen Endgeräte (wie Handy und Tablet) zielen hingegen auf kürzere Lernschnipsel ab und sind eher als Begleiter für die umfassenden Learning Journeys einzuplanen. Diese mobilen Endgeräte können unseren Erfahrungen nach in folgenden Anwendungsfeldern eingesetzt werden: – Abstimmungen, Abfragen und Quiz über das mobile Endgerät in synchronen Lernphasen – Einsatz als Podcast- oder Kurzvideo-Abspielgerät, z. B. als Pre-Work um sich auf die synchrone Lernphase einzustimmen – Kommunikationsmittel, um die Communities der Lernenden über Gruppenchats oder Foren zu kontaktieren, um z. B. Fragen stellen zu können die erst außerhalb der synchronen Lernzeit auftauchen oder auch als virtueller Kommunikationswelt während Präsenzveranstaltungen – Werkzeug für Augmented Reality Szenarien wie z. B. die Nutzung in den EY Wavespaces10 – Geobasiertes Lernen11 wie z. B. Gruppenaufgaben in Form GPS gestützter Lernschnitzeljagden um Teambuildingmaßnahmen zu fördern Fazit: In internen Projekten und Kundenprojekten, stößt die Transformation der Lernreisen von einem einmaligen Lernevent hin zu einem über mehrere Termine andauern10 Siehe unter https://www.ey.com/en_lu/wavespace 11 Z. B. bietet der Anbieter Actionbound eine große Auswahl an mobilen Lernszenarien https://de. actionbound.com/

282 | O. Lorenz & S. Krüger den Lernprozess allerdings immer noch auf Akzeptanzhürden. Einmalige Lernevents sind gefühlt besser kalkulierbar, das Lernen kann ohne Hinterfragen der Nachhaltigkeit vermeintlich als erledigt „abgehakt“ werden, um sich möglichst schnell wieder dem Alltagsgeschäft widmen zu können. Dieses Abhaken erweist sich leider als Trugschluss. Auf Basis der neurowissenschaftlichen Erkenntnisse (siehe oben12 ) lässt sich festhalten, dass ohne ausreichende Wiederholungen und Reflexionen sowie die geförderte direkte Anwendung des Erlernten in der Praxis fast der gesamte Lerninhalt aus dem Einmal-Lernevent wieder relativ schnell vergessen wird. Oliver Lorenz und Stefan Krüger möchten alle Lernverantwortlichen hiermit motivieren weiter unbeirrt für Lernreisen mit gehirngerechten Lernportionen über längere Zeiträume zu argumentieren, um das (virtuelle) Lernen in Zukunft effektiv und nachhaltig für die Lernenden zu gestalten.

12 Siehe Abschnitt: „Wie es in der Praxis funktioniert, dass die Bedürfnisse der Lernenden im Zentrum nachhaltiger digitaler Lernangebote stehen“.

Michelle Rowbotham & Stephanie Walther

13 Praxisbeispiel: Endress+Hauser Change-Prozesse in der digitalen Transformation durch die Kombination aus Kommunikation, modernen Lernangeboten und Performance-Support optimal begleiten Zusammenfassung: Globalisierung, Digitalisierung und Technologisierung beeinflussen die Arbeitswelt. Endress+Hauser entscheidet sich, die Digitalisierung im Bereich des digitalen Arbeitsplatzes als Chance zu nutzen, um neue Formen der internen und externen Kommunikation, Zusammenarbeit, Kooperation und Mobilität zu ermöglichen. Der Erfolg des digitalen Transformationsprogramms Digital Workplace (DWP) hängt allerdings davon ab, ob sich die Mitarbeitenden auf den Wandel einlassen, bereit sind Dinge anders zu tun, motiviert die Vorteile erkennen und neue digitale Kompetenzen erlernen und nachhaltig etablieren. Für die optimale Begleitung des Change-Prozesses wird eine Change-Matrix entwickelt, die Kommunikation, moderne Lernangebote und Performance-Support verbindet, um den Wandel optimal zu begleiten. Die einzelnen menschlichen und digitalen Elemente der Matrix werden Schritt für Schritt am Beispiel von Endress+Hauser vorgestellt und liefern so ein interessantes und praxistaugliches Vorgehensmodell, das auch für andere digitale Transformationsprogramme als Best Practice verwendet werden kann. Schlagwörter: Arbeitswelt der Zukunft, Change, Kommunikation, Lernangebot, Performance-Support

13.1 Der digitale Arbeitsplatz bei Endress+Hauser Eine Vielzahl von aktuellen Trends und globalen Entwicklungen wirken auf unsere Gesellschaft. Insbesondere Unternehmen werden durch die verändernden Rahmenbedingungen wie Globalisierung, Digitalisierung und Technologisierung stark beeinflusst. Idealerweise müssen Unternehmen den Wandel und die Rahmenbedingungen so nutzen, dass sie dadurch Vorteile im Wettbewerb generieren können. Die Arbeitswelt der Zukunft ändert sich; Komplexität, Unsicherheit und permanente Veränderung werden zur Tagesordnung. 2015 hat sich Endress+Hauser entschieden die Digitalisierung im Bereich des digitalen Arbeitsplatzes als Chance zu nutzen, um neue Formen der Kommunikation, Zusammenarbeit, Kooperation und Mobilität zu ermöglichen. Die Mitarbeitenden erhalten eine moderne und konsistente digitale Arbeitsumgebung mit vereinfachten Prozessen, um produktiver arbeiten zu können. Sie erhalten einen einfachen Zugriff auf Informationen und werden in den Informationsfluss eingebunden. Sie sollen selbst besser kommunizieren können und souverän in https://doi.org/10.1515/9783110754728-013

284 | M. Rowbotham & S. Walther weltweiten Netzwerken agieren, um sich in der immer komplexeren und dabei oft volatilen Welt sicher zu bewegen. Der neue digitale Arbeitsplatz basiert auf Microsoft 365. Er ändert vorhandene Prozesse, nutzt neue Methoden und Technologien und beeinflusst die Kultur der Zusammenarbeit. Für die Mitarbeitenden ändert sich viel: Sie müssen nicht nur die Handhabung neuer Software erlernen, sondern auch ihre Arbeitsweisen werden sich ändern. Dafür benötigen sie zuerst alle relevanten Informationen. Sie müssen Vorurteile und Ängste abbauen und Vorteile, die sich aus der Veränderung ergeben, selbst erkennen. Sie müssen begeistert werden und motiviert sein, in die Veränderung zu gehen. Erst dann kann die eigentliche Umstellung starten, die – noch weit über die rein technische Umstellung hinaus – begleitet werden muss. Im Rahmen der optimalen Begleitung des Veränderungsprozesses (heute spricht man auch von „Change-Prozessen“ und die Begleitung selbst wird als „Change Management“ bezeichnet), benötigen die Mitarbeitenden neue digitale Kompetenzen, die sie nachhaltig weiterentwickeln (vgl. [1], S. 7; [2], S. 13).

13.1.1 Das Familienunternehmen Endress+Hauser Endress+Hauser ist ein weltweit tätiges Familienunternehmen mit knapp 130 Gesellschaften in mehr als 50 Ländern und dem Hauptsitz in Reinach (Schweiz). Die Firmengruppe zählt zu den international führenden Anbietern von Messtechnik, Dienstleistungen und Automatisierungslösungen für die industrielle Verfahrenstechnik. Das Produktangebot umfasst Sensoren, Geräte, Systeme und Dienstleistungen für Füllstand-, Durchfluss-, Druck- und Temperaturmessung, Analyse sowie Messwertregistrierung und digitale Kommunikation. Die Messgeräte erfassen alle Informationen aus den Prozessen der industriellen Verfahrenstechnik. Verbundene Unternehmen der Unternehmensgruppe ergänzen das Portfolio mit Know-how in den Bereichen Labor-, Gas- und Feststoffanalyse, Energieeffizienzberatung und Sensortechnologie. Die Kunden von Endress+Hauser arbeiten in unterschiedlichen Branchen, wie Chemie, Energie und Kraftwerke, Grundstoffe und Metall, Lebensmittel, Life Science, Öl und Gas sowie Wasser/Abwasser. Im Jahr 2020 erwirtschaftete die Endress+Hauser Gruppe mit knapp 14.500 Mitarbeitenden weltweit einen Umsatz von mehr als 2,6 Milliarden Euro.

13.1.2 Das digitale Transformationsprogramm hin zum digitalen Arbeitsplatz Mit dem digitalen Arbeitsplatz will Endress+Hauser eine Arbeitsumgebung schaffen, die die individuelle Produktivität maximiert, interne sowie externe Zusammenarbeit ermöglicht und alle Mitarbeitenden über relevante Informationen der Firmengruppe

13 Praxisbeispiel: Endress+Hauser

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und einzelnen Entitäten auf dem Laufenden hält. So sollen Organisation und Änderungsprozesse unterstützt werden. Das digitale Transformationsprogramm Digital Workplace (DWP) bei Endress+ Hauser involviert rund 14.500 Anwenderinnen und Anwender in 124 Entitäten und 51 Ländern. Alle müssen auf die Veränderungen vorbereitet, informiert und geschult werden. Die Firmengruppe ist weltweit vertreten und kommuniziert in 13 Sprachen. Damit sowohl die Mitarbeitenden als auch die IT die umfangreichen Veränderungen gut bewältigen können, werden die Veränderungen über fünf Jahre verteilt, von 2017 bis 2021 in drei Phasen eingeführt: – Phase 1 beinhaltet die Werkzeuge für die individuelle Arbeit jedes/jeder Mitarbeitenden, die Kommunikationsmodule. Hierzu gehört der Umstieg von Lotus Notes E-Mail und Kalender auf Microsoft Outlook, die Einführung von Skype for Business für Chat, Bildschirmübertragung und Online-Meetings (Audio) sowie der Einsatz von Microsoft OneDrive zur Ablage der eigenen Dokumente in der Cloud. Die bereits bekannten Office-Anwendungen stehen nun zusätzlich als Cloudanwendungen zur Verfügung; auf die Microsoft-Tool-Landschaft kann nicht nur lokal, sondern flexibel von verschiedenen Geräten aus zugegriffen werden. – Phase 2 beinhaltet die Instrumente für kollaborative Arbeit der Mitarbeitenden, die Module für Zusammenarbeit. Hierzu gehören die Zusammenarbeit in Microsoft SharePoint, das Sichtbarwerden jeder und jedes Einzelnen über das Mitarbeiterprofil in Delve, das gemeinsame Arbeiten an Aufgaben über die To Do App sowie die Möglichkeit Videos über Microsoft Stream für Kolleginnen und Kollegen verfügbar zu machen. – Phase 3 legt den Fokus auf das Thema Information für alle Mitarbeitenden (Einführung der Informationsmodule). Hierzu gehört die Bereitstellung eines neuen und ebenfalls auf Microsoft SharePoint basierenden Intranets, das in die bereits bestehende SharePoint-Landschaft für Zusammenarbeit integriert wird. Zusätzlich wird in Phase 3 Skype for Business durch Microsoft Teams abgelöst, das neben der Chatfunktion, Bildschirmübertragung und Online-Meetings (Audio und Video) zusätzliche Optionen für Zusammenarbeit und Information bietet, z. B. die Anbindung an SharePoint oder den Austausch über Kanäle. Weitere Anwendungen wie Microsoft Forms, Whiteboard und Planner runden das Angebot ab. Der Digital Workplace ist jetzt komplett.

13.1.3 Besondere Herausforderungen für die Umsetzung 13.1.3.1 Digitale Transformationsprogramme haben ein hohes Tempo und sind in einem stetigen Veränderungsprozess Eine besondere Herausforderung für die Erarbeitung von Kommunikationskonzept, Lernangebot und Supportmaterial von großen und komplexen Transformationsprogrammen im IT- und Cloudbereich ist, dass zum Zeitpunkt des Projektstarts meist

286 | M. Rowbotham & S. Walther noch nicht konkretisiert werden kann, was genau sich für die Anwenderinnen und Anwender ändern wird. Auch wenn Vision und übergeordnetes Ziel feststehen, werden die konkreten Prozesse, Methoden und Tooländerungen erst im Programmverlauf entwickelt. So auch im Digital Workplace Programm bei Endress+Hauser. Das für Change Management verantwortliche Team kann die neuen Werkzeuge erst zu einem späten Zeitpunkt im Projektverlauf anfassen, fühlen und testen. Informations- und Lernmaterial können erst kurz vor Einführung der neuen Software im Testsystem erstellt werden. Kurzfristige Änderungen am System entweder durch die Technologieanbieter oder durch das Programmteam sind eine weitere Herausforderung. Auch nach der Einführung ändern sich Prozesse, Methoden und Tools kontinuierlich: Der stetige Verbesserungsprozess (Continuous Improvement Process, CIP), setzt sowohl eigene Ideen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch technologiegetriebene Änderungen um. Im Change-Prozess muss das Programm also nicht nur initial alle Mitarbeitenden mitnehmen und begeistern sich auf die Veränderung einzulassen, sondern zusätzlich dauerhafte Kommunikations-, Lern- und Supportstrukturen aufbauen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den nötigen Kompetenzen auszustatten. 13.1.3.2 Eine standardisierte Lernplattform fehlt Ein vom Digital Workplace Programm unabhängiges Projekt beschäftigt sich parallel mit der Einführung eines neuen Learning Management Systems (LMS), das erst Anfang 2022 eingeführt wird und damit für die Einführung des digitalen Arbeitsplatzes noch nicht zur Verfügung steht. Eine standardisierte digitale Lernplattform zur Bereitstellung von Informations- und Trainingsmaterialien steht deshalb noch nicht zur Verfügung. 13.1.3.3 Die Mitarbeitenden weltweit haben unterschiedliche Informations-, Lernund Support-Bedarfe Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Endress+Hauser sind weltweit verteilt. Sie arbeiten in unterschiedlichen Zeitzonen, sprechen unterschiedliche Sprachen, haben unterschiedliche Lernniveaus und unterschiedliche Aufgabengebiete mit unterschiedlichen Kompetenzbedürfnissen. Ein einmaliges Vor-Ort „One-size-fits-all“ Training würde also weder die individuellen Anwenderbedürfnisse erfüllen, noch wäre es nachhaltig. Es würde die Kosten sprengen. Die Diversität der einzelnen Organisationsgrößen von einer Handvoll bis zu mehr als 2.000 Mitarbeitenden erhöht die Komplexität der Anforderungen zusätzlich. Der Kommunikations- und Lernbedarf des Transformationsprogramms ist ein Beispiel für sich ändernde und komplexe Wirkzusammenhänge, bei denen traditionelle Lernkonzepte an ihre Grenzen stoßen (vgl. [3], S. 2).

13 Praxisbeispiel: Endress+Hauser

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13.1.3.4 Lernen während der Covid-Pandemie ergibt sich als nicht vorhersehbare Zusatzherausforderung Phase 3 der Digital Workplace Transformation wird während der weltweiten CovidPandemie vorbereitet und für die Anwenderinnen und Anwender ausgerollt. Persönliche Treffen und Trainings vor Ort sind in dieser Zeit nicht möglich.

13.1.4 Prinzip und Lösungsansatz für die digitale Transformation Die Begleitung der Transformation von einer alten in eine neue Arbeitswelt, die mehr und mehr von der Digitalisierung geprägt ist, muss im Familienunternehmen Endress+Hauser, das einerseits zu den führenden Technologieanbietern in seinem Fach gehört und andererseits großen Wert auf persönlichen Kontakt legt, das Beste aus beiden Welten enthalten: Einerseits neue, moderne, flexible und technisch unterstützte Wege der Wissensvermittlung, andererseits den menschlichen Faktor.

13.1.4.1 Der digitale Faktor ermöglicht größtmögliche Flexibilität Für die Einführung des Digital Workplace entscheidet Endress+Hauser sich für eine Online-Plattform, über die Informations- und Lernmaterialien schnell, einfach und in unterschiedlichen Sprachen bereitgestellt werden können. Das digitale Format ermöglicht es, rasch auf Änderungen zu reagieren, ad-hoc neues Material bereitzustellen und bestehendes Material zu ändern. Die Anwenderinnen und Anwender können die Online-Plattform ihren eigenen Präferenzen entsprechend nutzen. Sie lernen was sie möchten (denn sie wissen selbst am besten welche Vorkenntnisse und welche Wissenslücken sie haben), sie lernen wann sie möchten (wenn sie Zeit oder einen akuten Lernbedarf haben), sie lernen so lange sie möchten (je nachdem wie lange sie persönlich benötigen, um die entsprechende Lektion zu verstehen), sie lernen wo sie möchten (dort, wo sie ihre individuell präferierte Lernumgebung vorfinden) und sie können die Lektionen beliebig oft wiederholen. Somit entspricht die Online-Plattform den Ansprüchen, die Erwachsene für ihr Lernen haben: Malcolm Shepherd Knowles (1913–1997), US-amerikanischer Andragoge, hat sechs Prinzipien identifiziert wie Erwachsene lernen (vgl. [4], S. 3): – Erwachsene sind Relevanz-orientiert – Erwachsene sind intern motiviert und zielorientiert – Erwachsene sind selbstgesteuert – Erwachsene bringen Lebenserfahrung und Wissen in die Lernerfahrung ein – Erwachsene sind praktisch orientiert

288 | M. Rowbotham & S. Walther –

Erwachsene sind Aufgaben-orientiert und wollen Dinge lernen, die sie direkt anwenden können, um ihre Arbeit zu verbessern

Ebenso deckt die Online-Lernplattform das Lernen im Bedarfsmoment sowie die Verknüpfung von formellem Lernen und Performance Support („The 5 moments of need“ nach Bob Mosher und Dr. Conrad Gottfredson) ab (vgl. [5]): 1. Etwas Neues lernen (formelles Lernen) 2. Mehr über etwas lernen (formelles Lernen) 3. Etwas anwenden oder erinnern (Performance Support) 4. Lernen, wenn ein Problem auftritt (Performance Support) 5. Lernen, wenn sich etwas ändert (Performance Support) Das Material steht auf der Online-Lernplattform jederzeit zur Verfügung und wird regelmäßig aktualisiert. Die Nutzerinnen und Nutzer rufen es ab, wenn sie es benötigen, in ihrem persönlichen Bedarfsmoment. In Phase 1 der Transformation werden sämtliche Inhalte auf der Online-Lernplattform in neun Sprachen bereitgestellt. Langfristig erweist sich dieser Ansatz jedoch als nicht praktikabel. Die Aufwände sind weit höher als der Nutzen. Ab Phase 2 wird nur noch eingekauftes Standard-Trainingsmaterial in allen Sprachen bereitgestellt; dies folgt einem standardisierten Prozess, der gut zu handhaben ist. Alle anderen Materialien werden in englischer und deutscher Sprache bereitgestellt. Für andere Sprachen können die Anwenderinnen und Anwender auf die automatische Übersetzungsfunktion des Browsers zurückgreifen.

13.1.4.2 Der menschliche Faktor baut Brücken von der analogen in die digitale Welt Ergänzt wird die digitale Plattform durch den menschlichen Faktor. Ein globales Netzwerk von Digital Workplace Spezialistinnen und Spezialisten unterstützt die 14.500 Nutzerinnen und Nutzer weltweit persönlich und begleitet sie im Change-Prozess. Entscheidend dabei ist, dass persönliche und digitale Angebote Hand in Hand gehen. Der persönliche Support beantwortet nicht nur Fragen zum digitalen Arbeitsplatz, sondern er verweist zusätzlich auf das entsprechende Online-Lernangebot und wie es richtig genutzt wird, damit die Nutzerinnen und Nutzer mehr und mehr mit dem digitalen Lernangebot vertraut werden und sich an das bei Endress+Hauser noch neue Prinzip des selbstgesteuerten Lernens gewöhnen. Dies zahlt sich auch in Phase 3 der Digital Workplace Transformation aus: Die Online-Lernplattform ist zu diesem Zeitpunkt fest etabliert und wird von den Anwenderinnen und Anwendern zum Erlernen der neuen Funktionalitäten genutzt. Das Experten-Netzwerk ist zu diesem Zeitpunkt ebenfalls zu einer starken, weltweiten Gemeinschaft zusammengewachsen und nutzt die neuen Möglichkeiten des digitalen Arbeitsplatzes einerseits für den Austausch in-

13 Praxisbeispiel: Endress+Hauser

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nerhalb des Netzwerks und andererseits, um die Nutzerinnen und Nutzer weiter im Change-Prozess zu begleiten.

13.1.4.3 Digitaler und menschlicher Faktor unterstützen gemeinsam den kompletten Change-Prozess Sowohl die Online-Plattform (vor allem in Phase 1 ergänzt um analoge Printmedien, die die Nutzerinnen und Nutzer ebenfalls nach und nach in die digitale Welt begleiten) als auch der menschliche Faktor übernehmen die drei wichtigen Aufgaben im ChangeProzess: 1. Die Sensibilisierung mittels Kommunikation Hier geht es darum, Erwartungen zu verstehen und zu managen sowie dafür Sorge zu tragen, dass Anwenderinnen und Anwender Hintergründe und Notwendigkeit für die anstehenden Änderungen verstehen und die Vorteile sehen, die sich für sie ergeben. Für die Sensibilisierung ist die menschliche Ebene immens wichtig. Bereits jetzt muss das weltweite Multiplikatoren-Netzwerk bereitstehen, um Sachverhalte zu erklären und Fragen zu beantworten. Zentrales Element für den Beginn des Veränderungsprozesses der Anwenderinnen und Anwender ist eine Auftaktveranstaltung (Kickoff) vor Ort, in der nicht nur Basisinformationen zum Transformationsprogramm und Hinweise auf das detaillierte Informations- und Lernmaterial geliefert werden, sondern hier werden vor allem die lokalen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vor Ort vorgestellt. Unterschiedliche analoge und digitale Medien werden im Sensibilisierungsprozess eingesetzt, um die Anwenderinnen und Anwender zu den richtigen Zeitpunkten mit den notwendigen Informationen zu versorgen. 2. Wissensvermittlung/Lernen Hier geht es darum, dass die Nutzerinnen und Nutzer digitale Kompetenzen erwerben und vertiefen. Hier steht die Bereitstellung von unterschiedlichen Lernmaterialien, Richtlinien und Anleitungen über die Lernplattform im Mittelpunkt. Aber auch hier spielt der menschliche Faktor eine wichtige Rolle: Die Expertinnen und Experten vor Ort, die aktiv auf die Anwenderinnen und Anwender zugehen, Fragen beantworten, Tipps geben und immer wieder dazu motivieren die Lernplattform zu nutzen. Zusätzlich werden nach dem Start jeder Phase regelmäßig so genannte „Expert Talks“ angeboten – Webinare, in denen die Anwenderinnen und Anwender ihr bereits gelerntes Wissen vertiefen können und von den Expertinnen und Experten Antworten auf inzwischen entstandene Fragen erhalten. 3. Performance-Support Hier geht es darum die Anwenderinnen und Anwender dabei zu begleiten, die neuen Arbeitsweisen und Werkzeuge in die tägliche Arbeit zu integrieren, ihnen Hilfe anzubieten und sie dazu zu animieren selbst anderen Kolleginnen und Kollegen zu helfen. Dafür ist es wichtig, dass das bereitgestellte Lernmaterial jeder-

290 | M. Rowbotham & S. Walther zeit als Nachschlagewerk zugreifbar bleibt. Hier gibt es einen wesentlichen Unterschied zum Präsenztraining, bei dem das Gelernte oft vergessen ist, noch bevor es angewendet werden kann. Hermann Ebbinghaus hat sich bereits 1885 ausführlich mit der Kurve des Vergessens beschäftigt und herausgefunden, dass Erinnerungen zu neuen Informationen bereits in den ersten Stunden schnell zurück gehen (vgl. [6], S. 352). Auf der Lernplattform hingegen können die Nutzerinnen und Nutzer sich auch dazu entscheiden, das jeweilige Lernangebot erst zu nutzen, wenn sich der Anwendungsfall während ihrer Arbeit ergibt – und sie können die Lektion beliebig oft wiederholen. Auch der menschliche Faktor kommt im Performance-Support ins Spiel. Allerdings geht es hier nicht darum zu jeder Zeit einen Ansprechpartner für Fragen bereitzustellen, sondern darum die Nutzerinnen und Nutzer mehr und mehr dazu zu bringen sich selbst zu helfen. Dafür wird in die Online-Lernplattform eine Support Community integriert, die nach dem Prinzip „User helfen Usern“ funktioniert. Wer eine Frage hat, wird dazu angehalten in der Support Community zu prüfen, ob die Frage bereits gestellt und beantwortet wurde. Handelt es sich um eine neue Frage, kann sie gestellt werden und wird von Kolleginnen und Kollegen beantwortet. Eine Community Managerin kümmert sich darum, dass die Fragen und Diskussionen sinnvoll strukturiert werden und leitet die Fragen bei Bedarf and die richtigen Expertinnen und Experten weiter. Der lokale IT-Support unterstützt bei technischen Problemen. Die unterschiedlichen Maßnahmen auf menschlicher und medialer Ebene und über den kompletten Change-Prozess hinweg sind in Abb. 13.1 als Matrix dargestellt.

Abb. 13.1: Change-Matrix (eigene Darstellung).

13 Praxisbeispiel: Endress+Hauser

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13.2 Medien im Change-Prozess Im Change-Prozess kommen über alle drei Komponenten (Kommunikation, Lernangebot und Performance-Support) unterschiedliche Medien zum Einsatz – IntranetBeiträge, Blogposts, Newsletter, Flyer, Dokumentationen, Videos, Selbstlerneinheiten in unterschiedlichen Formaten, interaktive Lernelemente und vieles mehr. Eine der ersten Aufgaben in der Kommunikation ist es, eine für alle ansprechende Bildsprache zu entwickelt und die Kernbotschaften zu formulieren. Beides wird sowohl in den unterschiedlichen Medien als auch auf der menschlichen Ebene immer wieder aufgegriffen. Verbindendes Element für alle digitalen Medien (und digitale Versionen der Printmedien) ist die Online-Lernplattform als zentraler Hub für Kommunikation, Lernangebot und Performance-Support.

13.2.1 Identität und Leitsätze durch Bildsprache und Kernbotschaften 13.2.1.1 Bildsprache und Key Visual geben dem Transformationsprogramm eine klare Identität Zu Beginn des Programms werden erste Überlegungen angestellt wie die unterschiedlichen Zielgruppen angesprochen werden können. Dem Leitsatz des Digital Workplace Programms entsprechend („Einfachheit, Produktivität und Spaß bei der Anwendung“) wird eine lockere und einfache, dabei aber verbindliche Tonalität für Informations- und Trainingsmaterialien gewählt. Erste Ideen zur Bildsprache fokussieren sich auf Fotos mit Darstellungen typischer Arbeitssituationen. Hierbei wird Stockmaterial als zu unpersönlich bewertet. Mitarbeitende erkennen sich in den abgebildeten Fotomodellen und in einer fremden Arbeitsumgebung nicht wieder. Fotoaufnahmen mit Mitarbeitenden hingegen sind in der Erstellung aufwändig und im Einsatz unflexibel – werden für neue Anwendungsfälle neue Aufnahmen gebraucht, müssen die jeweiligen Kolleginnen und Kollegen erneut zum Fotoshooting eingeladen werden. Die Wahl fällt auf einen leicht verspielten Avatar-Stil, der ebenfalls vom SoftwareProvider Microsoft genutzt wird. Die Avatare werden im Corporate Design von Endress+Hauser erstellt, so können die Mitarbeitenden sie klar dem Unternehmenszweck zuordnen. Basis ist ein Mini-Persona-Konzept: Alle Avatare erhalten einen Namen, jeweils eine Zuordnung zu einer Endress+Hauser Entität sowie ein Jobprofil. Zusätzlich werden sie als IT-Nutzer im System angelegt, so dass mit ihren Nutzerprofilen Lernmaterialien aufgezeichnet, Screenshots für Informationsmaterial erstellt und Live-Demos durchgeführt werden können. Die Vektorgrafiken lassen sich leicht für sämtliche zu vermittelnden Arbeitssituationen adaptieren. Die Avatare werden

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Abb. 13.2: Bildsprache Digital Workplace bei Endress+Hauser: Jeder Avatar hat ein eigenes Profil. Die Avatare kommen in sämtlichen Informations- und Lernmaterialien zum Einsatz.

in unterschiedlichsten Informations- und Trainingsformaten genutzt: in Präsentationen, in Flyern, in Videos, auf der Lernplattform, auf Postkarten, Stickern, Buttons, Newslettern, Magazinen, E-Mails etc. (vgl. Abb. 13.2). Die Avatare kommen auch als Key Visual zum Einsatz – als einfaches visuelles Erkennungsmerkmal, das im ersten Schritt auf einen Blick zeigt, welche neuen Tools eingeführt werden (dargestellt durch die Tool-Symbole). Im zweiten Schritt fallen die Tool-Symbole im Key Visual weg, da der Begriff „Digital Work Place“ von den Anwenderinnen und Anwendern bereits verinnerlicht ist und mit den entsprechenden Werkzeugen in Verbindung gebracht wird. Hinzu kommt, dass es ab Projektphase 2 immer wieder Änderungen der Tool-Symbole und der Auswahl der Tools kommt. Mit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 wird das Key Visual erneut geändert: die Avatare erhalten einen Mund-Nasen-Schutz. Die Digital-Workplace-Elemente für Kommunikation und Zusammenarbeit sind zu Beginn der Pandemie bereits ausgerollt und den Mitarbeitenden vertraut, so dass der digitale Arbeitsplatz das Arbeiten während der Pandemie ideal unterstützt. Der Digital Workplace und die Avatare gehen in Sachen Sicherheit mit gutem Beispiel voran.

13.2.1.2 Kernbotschaften bringen die Inhalte auf den Punkt und sind Leitsätze für die jeweilige Programmphase Der Umsetzung in mehreren Phasen entsprechend gibt es mehrere Kernbotschaften für die jeweiligen Einführungsphasen. Die Kernbotschaften der ersten Phasen behalten auch später ihre Gültigkeit. Die jeweiligen Kernbotschaften werden in der Kommunikation sowie im Training immer wieder aufgegriffen (vgl. Abb. 13.3).

13 Praxisbeispiel: Endress+Hauser

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Abb. 13.3: Key Visual, Veränderung im Laufe des Projekts: Phase 1 mit Tool-Symbolen, Phase 2 ohne Tool-Symbole da bereits in Phase 2 erste Tools wegfallen und neue hinzukommen – es ist abzusehen, dass weitere Änderungen folgen werden. Mit Beginn der Pandemie (zwischen Phase 2 und 3) mit Mund-Nasen-Schutz. Anmerkung: „Digital Work Place“ wird bei Endress+Hauser in drei Wörtern geschrieben und mit „DWP“ abgekürzt. Dies vereinfacht die Kommunikation an die Anwenderinnen und Anwender.

Phase 1: Einführung der Kommunikationsmodule “Welcome to your Digital Workplace – Discover, experience, connect!” und “Welcome to your Digital Workplace – Get curious, get ready, get started!” Zu Beginn des Transformationsprogramms ist nicht nur der digitale Arbeitsplatz neu für die Mitarbeitenden, sondern auch die neue selbstbestimmte und selbstgesteuerte Art des Lernens auf einer digitalen Plattform: Ich bestimme selbst welche Lerninhalte ich benötige (denn nur ich selbst weiß, welche Inhalte mir bereits bekannt sind), ich bestimme selbst wann ich lerne und kann das Lernen auf der digitalen Plattform nach meinen Bedürfnissen in meinen Arbeitstag integrieren, und ich bestimme selbst wo ich am besten lernen kann, denn die digitale Plattform ist jederzeit und von überall über den Browser abrufbar. Deshalb zielt die erste Botschaft auf das Entdecken, Erfahren und Machen ab. Neugierig werden, sich vorbereiten, lernen, ausprobieren und einfach anfangen. Phase 2: Einführung der Module für Zusammenarbeit „Start collaborating with your Digital Workplace – Connect, share, interact!” In Phase 2 sind der digitale Arbeitsplatz und das Konzept des selbstgesteuerten Lernens bereits bekannt. Neu sind die Module für die Zusammenarbeit. Die neue Botschaft zielt entsprechend auf die Kollaboration ab, mit der Aufforderung sich mithilfe der neuen Mitarbeiterprofile zu vernetzen, Inhalte über die neue Kollaborationsplattform zu teilen und somit die Interaktion weiter auszubauen. Phase 3: Einführung der Informationsmodule „Communication, collaboration and information – Bring it all together in your Digital Workplace!” Neu in Phase 3 ist das Informationselement: das neue Intranet, das in die bestehenden Module integriert wird. Gleichzeitig werden die bestehende Module Kommunikation und Zusammenarbeit weiter optimiert und so angepasst, dass nun das komplette Digital-Workplace-Bild entsteht. Deshalb greift die neue Kernbotschaft alle drei Module auf und appelliert dazu sie aktiv zu nutzen.

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13.2.2 Integrierte Online-Plattform als zentraler Hub für Information und Lernen Zentrales Element für digitale Informations- und Lernformate ist eine digitale Lernplattform. Sie wird zum zentralen Hub für Kommunikation, Lernangebot und Performance-Support. Das digitale Online-Format ist ideal für die weltweite Verwendung in unterschiedlichen Zeitzonen, mit unterschiedlichen Lernbedarfen, mit unterschiedlichen Lerntypen und Lernstilen und für Mitarbeitende in unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern: Jeder und jede kann sich mit diesem asynchronen Lernsetting wie aus einem Baukasten das heraussuchen, was er oder sie an Information, Lernmaterial und Support benötigt – wann, wo, wie und solange jede/r will. Da zu Beginn der Change-Aktivitäten zum digitalen Arbeitsplatz kein zentrales Learning Management System (LMS) für die Firmengruppe zur Verfügung steht, über das eingekauftes sowie neu erstelltes Trainings- und Informationsmaterial zur Verfügung gestellt werden kann, wird für den digitalen Arbeitsplatz eine auf Microsoft SharePoint basierende Lernplattform neu aufgesetzt. Herausforderung hierbei ist, dass die Einführung von Microsoft SharePoint zwar Teil des digitalen Transformationsprogramms ist, jedoch noch nicht zur Bereitstellung der ersten Module in Projektphase 1. Das Projektteam kann somit bereits erste Erfahrungen für den späteren Verlauf des Transformationsprogramms sammeln, muss die Plattform aber so aufsetzen, dass die Lernenden sie intuitiv nutzen können. Für die Anwenderinnen und Anwender ergibt sich daraus der Vorteil, dass bei Einführung von Microsoft SharePoint in Phase 2 des Projekts die neu eingeführten Elemente bereits vertraut wirken. Da die Lerninhalte über dieselbe Technologie bereitgestellt werden wie die Kollaborationsmodule in Phase 2 (und später das Intranet in Phase 3), werden sie auch über die globale Suche des Systems gefunden und stehen dort bereit, wo der User sie benötigt. Die Lernplattform besteht aus den folgenden Komponenten: – Lernpfad mit konkreten Anwendungsbeispielen – Standardtraining zu den einzelnen Anwendungen – Toolmatrix – Aufzeichnungen der „Expert Talks“ (Experten-Vorträge im Web-Seminar-Format) – Zusatzmaterialien wie Regelwerke, Handbücher, Leitfäden, Flyer, Infografiken – Support Community – Blog Das Lernmaterial wird vor der Einführung neuer Module bereitgestellt, damit die Mitarbeitenden sich durch formelles Lernen vorbereiten können. Als Einstieg eignet sich der empfohlene Lernpfad mit konkreten Anwendungsbeispielen. Sobald die Module ausgerollt sind, haben die Anwenderinnen und Anwender mehr Lernbedarf und nutzen das bereitgestellte Lernmaterial gezielter. Auch zu diesem Zeitpunkt steht das formelle Lernen noch im Vordergrund. Nun können die User das Gelernte auch direkt

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anwenden. Ist die Phase des formellen Lernens abgeschlossen, bringen die Mitarbeitenden die neuen Anwendungen in ihre tägliche Arbeitsroutine ein. Nun spielt der Performance Support eine größere Rolle. Die User erinnern sich an eine bestimmte Funktion, wissen aber nicht mehr genau wie sie funktioniert – sie können die entsprechenden Lektionen auf der Lernplattform wiederholen, in den Leitfäden nachschlagen oder die Support Community fragen. Beim Auftreten von Problemen erfolgt dasselbe Vorgehen. Das digitale Format der Lernplattform unterstützt auch das „Lernen, wenn sich etwas ändert“: Vorhandenes Lernmaterial wird aktualisiert, neues bereitgestellt. Größere Änderungen werden über den Blog aktiv kommuniziert, so dass die Anwenderinnen und Anwender sensibilisiert sind und sich das neue Wissen über die Lernplattform erarbeiten können.

13.2.3 Das Intranet als wichtige Kommunikationsplattform Die Endress+Hauser Gruppe nutzt bereits seit den 1990er Jahren ein Intranet für die interne Kommunikation und hatte seitdem unterschiedliche Technologien dafür im Einsatz. Die Einführung einer wieder neuen Technologie für das Intranet ist Gegenstand des Digital Workplace Transformationsprogramms, wird aber erst mit Phase 3 realisiert. Das „alte“ Intranet ist somit zunächst eines der Medien für die interne Kommunikation, in der das Transformationsprogramm bereits vorgestellt wird, noch bevor es die Anwenderinnen und Anwender selbst betrifft. Nach und nach kommen Informationen über den Verlauf des Programms und wichtige Meilensteine hinzu. Somit entsteht bereits eine Basis-Sensibilisierung aller Kolleginnen und Kollegen. Mit Beginn der Phase 1 des Programms stehen konkrete Veränderungen für die Anwenderinnen und Anwender an. Ab nun stehen im Intranet regelmäßig aktualisierte Informationen bereit: Ankündigungen der anstehenden Veränderungen, Zeitpläne, Einladungen für die Informationsveranstaltungen vor Ort, und natürlich wird die neue Online-Lernplattform hier beworben und verlinkt. Mit Phase 3 steht für die Anwenderinnen und Anwender das neue Intranet bereit; die bereits ausgerollten Elemente für die Zusammenarbeit sind integriert. Natürlich dreht sich die erste Top-News auf der Intranet-Startseite um das neue Intranet selbst und die weiteren mit dieser Phase neu bereitgestellten Funktionen. Da das neue Intranet genau wie die Lernplattform auf der Microsoft SharePoint Technologie basiert, besteht nun eine nahtlose Integration der Lernplattform in den digitalen Arbeitsplatz selbst. Egal ob die Anwenderinnen und Anwender sich im Intranet befinden, gemeinsam in den Modulen für Zusammenarbeit arbeiten oder direkt auf der Lernplattform unterwegs sind: die globale Suchfunktion liefert an jeder Stelle auch Ergebnisse von der Lernplattform.

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13.2.4 Die E-Mail als wichtiges Medium für Push-Nachrichten und Handlungsaufforderungen Auch wenn ein Ziel des Transformationsprogramms Digital Workplace ist, den E-MailFluss zu reduzieren und stattdessen auf die neuen, integrierten Funktionalitäten zu wechseln, ist gerade zu Beginn des Transformationsprogramms die E-Mail nach wie vor ein wichtiges Medium. Vor allem, wenn es eine Handlungsaufforderung an die Anwenderinnen und Anwender gibt, ist eine Push-Nachricht unumgänglich. Wichtig ist aber, dass die E-Mails nicht alle Detailinformationen enthalten, sondern wo immer möglich auf weiterführende Informationsmaterialien auf der Online-Lernplattform verlinken. Jede E-Mail enthält einen Link auf den neuen digitalen Arbeitsplatz selbst sowie einen Link auf die Online-Lernplattform; handelt es sich um eine Informationsmail mit der Aufforderung zum Lernen, sind alle aktuell relevanten Lektionen verlinkt.

13.2.5 Blog und Newsletter als neue Informationsmedien Mit Start des Transformationsprogramms steht als zusätzliches Medium ein Blog zur Verfügung. Auch der Blog ist in die Online-Lernplattform integriert. Der Blog liefert regelmäßig Informationen zu unterschiedlichen Themen: allgemeine Informationen zum Transformationsprogramm, Informationen zu Updates und Verbesserungen des digitalen Arbeitsplatzes, Tipps & Tricks, Best Practices, Informationen in der Kategorie „Gut zu wissen“ sowie Wartungsinformationen. Wenn sinnvoll, verweisen die BlogPosts auch auf Lernmaterial zum entsprechenden Thema und stellen die entsprechenden Links bereit. Als neues Medium sind die Leserinnen und Leser noch nicht mit dem Prinzip eines Blogs vertraut, und trotz regelmäßiger Hinweise in E-Mails und Informationsveranstaltungen bleiben die Besucherzahlen niedrig. Noch in Phase 1 wird der Blog deshalb durch einen Newsletter ergänzt, der die wichtigsten Themen aus dem Blog aufgreift, kurz anteasert und direkt auf den jeweiligen Blogeintrag verlinkt. Die Newsletter werden zentral erstellt und durch die jeweiligen lokalen Ansprechpartner, die auch für Rückfragen zur Verfügung stehen, per E-Mail verschickt. So greift auch hier wieder die Vernetzung von digitalem Medium und persönlichem Kontakt.

13.2.6 Printmedien als wichtiger Begleiter der Transformation von der analogen in die digitale Welt Genau wie E-Mails und Newsletter gehören auch klassische Printmedien zu den Kanälen, über die die Anwenderinnen und Anwender angesprochen werden. Vor allem zu Beginn der Transformation sind Eyecatcher nötig, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.

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Die Umstellung des E-Mail- und Kalendersystems beispielsweise wäre ohne eine gedruckte Schritt-für-Schritt-Anleitung unnötig schwierig – die Nutzerinnen und Nutzer würden viel Zeit benötigen, um sich im neuen System zurechtzufinden und wieder arbeitsfähig zu werden. Und auch der Umgang mit der neuen Online-Lernplattform sowie ihr Aufbau werden anschaulich auf einem zweiseitigen Flyer erklärt. Die Printmaterialien verbinden dabei aber auch digitalen und menschlichen Faktor. Einerseits werden sie in Präsenzveranstaltungen und durch die lokalen Ansprechpartner verteilt oder mit einem kleinen Gruß auf den Schreibtischen platziert. Andererseits werden sämtliche gedruckte Informationen zusätzlich digital auf der Online-Plattform zur Verfügung gestellt und bei Bedarf aktualisiert.

13.2.7 Zielgruppen- und Use Case-orientierte Lernpfade als Wegweiser durch das vielschichtige Lernangebot Der Lernpfad gibt den Lernenden eine kurze Einführung zur Nutzung der Lernplattform und biete zu jeder Projektphase mehrere firmenspezifische Anwendungsfälle („Use Cases“) an, die die neuen Arbeitsweisen aufzeigen und die Funktionsweise der neuen Werkzeuge demonstrieren. An praxisnahen Beispielen lernen die Mitarbeitenden anschaulich, wie sie die einzelnen Elemente des digitalen Arbeitsplatzes nutzen können. Jeder Use Case startet mit einem animierten Avatar-Video, das sich der Methode des Storytellings bedient, damit die Lernenden sich schnell in den jeweiligen Anwendungsfall hineinversetzen können. Es folgen mehrere Aufgabestellungen, die konkret beschrieben und dann in aufgezeichneten Schritt-für Schritt-Anleitungen erklärt werden. Die Aufzeichnungen sind vertont, und das gesprochene Wort ist unter jedem Video in Schriftform wiederholt. So werden die unterschiedlichen LernModalitäten nach Walter Burke Barbe (vgl. [7], S. 58) angesprochen (VAK-Modell: visuell, auditiv und kinästhetisch): Die Lernenden sehen, wie es gemacht wird, sie hören, wie es gemacht wird, sie können es nachlesen und parallel selbst ausprobieren – je nach persönlichem Lernstil. Am Ende jeder Aufgabe wird der gelernte Inhalt noch einmal zusammengefasst, und in einem kurzen Quiz können die Lernenden ihr gelerntes Wissen testen. Zusätzlich finden die Lernenden ergänzendes Material auf dem Lernpfad, z. B. Verweise auf verwandte Lernmodule, Dokumentationen, Handbücher oder Infografiken. Spezielle Pfade für bestimmte Zielgruppen (z. B. neue Mitarbeitende oder Intranet Editoren) runden das Lernpfad-Angebot ab. Einige dieser Zielgruppen nehmen Rollen im Transformationsprogramm ein, die eine Zertifizierung erfordern. Die Zertifizierung erfolgt am Ende des jeweiligen Lernpfades. Der Lernpfad ist als Einstieg in neue Themen geeignet – für alle Mitarbeitenden zum Start des Transformationsprogramms, zum Rollout neuer Module in den darauffolgenden Programmphasen, aber auch für spezielle Zielgruppen wie neue Mitarbeitende.

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13.2.8 Applikations-Trainings als Nachschlagewerk für den „moment of need“ Im Standardtraining zu den einzelnen Anwendungen wird jede Anwendung kurz beschrieben. Darunter finden die Anwenderinnen und Anwender Schritt-für-SchrittAnleitungsvideos zu allen für sie relevanten Arbeitsschritte – untergliedert in Kapitel und Lektionen. Endress+Hauser hat sich dazu entschieden das Standardtraining von einem externen Anbieter einzukaufen. Damit reduziert sich nicht nur der Aufwand für die initiale Bereitstellung, sondern das Lernmaterial wird auch automatisch regelmäßig aktualisiert und in neun Sprachen bereitgestellt. Gibt es firmenspezifische Anwendungsfälle, die vom Standard abweichen, sind diese separat aufgeführt. Das Standard Applikationstraining ist perfekt als Nachschlagewerk geeignet. Hier können die Mitarbeitenden im Bedarfsfall lernen („Learning in the moment of need“): Eine Fragestellung oder ein Problem treten auf, das Thema wird auf der Lernplattform gesucht und gefunden und das Gelernte sofort angewendet.

13.2.9 Die Tool-Matrix für den Gesamtüberblick Ziel des Digital Workplace Transformationsprogramms ist es, eine möglichst einheitliche und verständliche Tool-Landschaft für das digitale Arbeiten zu schaffen. Ziel ist es, den Anwenderinnen und Anwendern eine klare Empfehlung zu geben welches Tool sie für welche Anwendung verwenden sollen. Der Fokus liegt auf der Produktpalette von Microsoft, wobei die Mitarbeitenden je nach Arbeitsgebiet (Vertrieb, Produktion, Projektmanagement, Personalmanagement, …) zusätzliche Software verwenden. Allein das Microsoft-Angebot beinhaltet zahlreiche Applikationen; die Anwendungsbereiche überschneiden sich teilweise. So kann eine Anwenderin oder ein Anwender eine Nachricht zum Beispiel als E-Mail in Outlook verfassen oder als Chat in Teams schicken. Endress+Hauser hat neben der klassischen Office-Palette (Word, Excel PowerPoint) 12 Applikationen von Microsoft im Einsatz (Stand 2021). Damit die Mitarbeitenden sich einen Überblick über die unterschiedlichen Microsoft-Anwendungen, von denen die meisten neu für sie sind, verschaffen können, steht eine Tool-Matrix bereit. In Projektphase 1 setzt das Projektteam auf eine interaktive Tool-Matrix. Diese ist nicht nur aufwändig in der Pflege, sondern auch zu kompliziert für einen schnellen Überblick. In Phase 3 wird die interaktive Toolmatrix durch eine simple Übersichtsgrafik ersetzt.

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13.2.10 Guidelines und Manuals geben den Rahmen des Programms vor Neben Use-Case-orientierten Lernpfaden und Standard-Applikationsmaterial gibt es klassische Anleitungen im PDF-Format. Manche Anleitungen bestehen aus wenigen Seiten mit vielen Bildern und Schritt-für-Schritt-Beschreibungen, um zum Beispiel bestimmte Standardsettings in den Hauptanwendungen zu setzen. Die ausführlichen Richtlinien haben Umfänge von bis zu 100 Seiten; sie erklären Hintergründe, Ziele, Rahmenbedingungen, Prozesse und klären Verantwortlichkeiten. Sowohl Guidelines als auch Manuals befinden sich in einem ständigen Aktualisierungsprozess, da der digitale Arbeitsplatz selbst nach Abschluss seiner Einführung im stetigen Veränderungsprozess bleibt. Deshalb liegen Guidelines und Manuals nie in gedrucktem Format vor, sondern sie werden in digitaler Form auf der Online-Plattform bereitgestellt und hier ständig aktualisiert.

13.2.11 Die Support Community als sozialer Faktor in der digitalen Welt Zentrales Element im Performance Support ist eine Support Community, die das Ziel verfolgt, dass Anwenderinnen und Anwender sich gegenseitig helfen. Auf diese Weise fällt nicht der gesamte Support-Aufwand im allgemeinen IT-Support an, sondern Fragen werden in die Support Community gestellt und treffen dort auf einen großen Schwarm von 14.500 Nutzerinnen und Nutzern – alles potenzielle Lieferanten für Antworten. Natürlich ist der Kreis der aktiven Community-Mitglieder wesentlich kleiner, aber viele Kolleginnen und Kollegen beteiligen sich gern, tauschen sich aus, geben ihr Wissen weiter und lernen selbst dabei. Wer eine Frage hat, wird dazu angehalten in der Support Community zu prüfen, ob die Frage bereits gestellt und beantwortet wurde. Handelt es sich um eine neue Frage, wird sie in die Community eingespeist. Eine Community Managerin kümmert sich darum, dass Fragen und Diskussionen sinnvoll strukturiert werden und leitet die Fragen bei Bedarf an die richtigen Expertinnen und Experten weiter. Die Support Community ist Teil der Online-Lernplattform, schlägt aber durch die soziale Interaktion, die auf ihr stattfindet, die Brücke zum menschlichen Faktor: Anwenderinnen und Anwender, Expertinnen und Experten treffen hier aufeinander. Ist eine Fragestellung komplexer, kommt es auch vor, dass die Lösung zunächst in einem persönlichen Online-Call erklärt wird, bevor sie für alle in der Community bereitgestellt wird.

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13.3 Menschliche Formate im Change-Prozess Neben den digitalen Medien und Formaten ergänzen und begleiten Menschen in unterschiedlichen Rollen den Change-Prozess.

13.3.1 Das globale Multiplikatoren-Netzwerk als starke persönliche Gemeinschaft für die digitale Transformation Bedingt durch die Ausgangssituation, dass die 14.500 Anwenderinnen und Anwender über den kompletten Globus verteilt sind und das zentrale Team von Deutschland aus nicht in der Lage sein wird an alle Orte zu reisen, um die Menschen lokal für die Veränderungen zu begeistern und mitzunehmen, wird im Rahmen des Transformationsprogramms ein globales Netzwerk an Multiplikatoren aufgebaut. Sie sollen den Nutzerinnen und Nutzern helfen, die lokalen Bedürfnisse in das Programm einzubringen und gleichzeitig die Veränderungen lokal zu verankern. Durch ihre Nähe zum zentralen Team dienen sie auch als Vermittler: Sie haben an vielen Stellen einen Wissensvorsprung und sind für ihre Kolleginnen und Kollegen vor Ort ein kompetenter und gleichzeitig vertrauter Ansprechpartner. Dem zwölfköpfigen zentralen Kernteam stehen fünf enge Regionen-Ansprechpartner (Hubs) zur Verfügung: zwei Hubs für Europa und je ein Hub für USA, Indien und China, die für ihre Organisationen in ihrer jeweiligen Region die Hauptansprechpartner sind. In jeder Organisation gibt es mindestens einen Digital Workplace Manager (DWM), der lokal als Hauptansprechpartner für die Einführung des digitalen Arbeitsplatzes dient. Er vermittelt zwischen den Stakeholdern, organisiert bei Bedarf ein größeres lokales Team und steuert Kommunikationsaktivitäten vor Ort, wie z. B. den lokalen Kickoff-Event oder Lessons-Learned-Sessions. In der ersten Phase der Umstellung helfen zusätzlich so genannte Floorwalker die ersten Tage der Umstellung zu meistern. Sie laufen durch die Büros, beantworten Anwenderfragen, lösen kleinere technische Probleme direkt und spielen wichtige Verbesserungsideen, die sie in ihrer Rolle wahrnehmen, direkt ins Kernteam zurück. Der lokale DWP Solution Manager ist eine wichtige Rolle in der zweiten Phase der Transformation, die zum Ziel hat, die interne und externe Zusammenarbeit zu verbessern. Die Solution Manager verstehen die Bedürfnisse ihrer Anwenderinnen und Anwender und beraten sie: Welche Tools sollen wie eingesetzt werden? Wie können sie mehr Effizienz schaffen? Und vor allem: Wie zieht man das Beste aus dem digitalen Arbeitsplatz und seinen Möglichkeiten für die Zusammenarbeit? Solution Manager müssen neben dem klassischen Anwendertraining ein erweitertes Training mit Praxisaufgaben und einer abschließenden Zertifizierung absolvieren. Die Zertifizierung ist für ein Jahr gültig und muss im Anschluss mit aktualisierten Fragen verlängert werden.

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Für die dritte Phase der Transformation zum digitalen Arbeitsplatz, der Einführung des Intranets, werden spezielle Intranet Editoren aktiviert und ausgebildet, damit sie ihre lokalen Kommunikationsinhalte bestmöglich im Intranet abbilden können. Neben monatlichen virtuellen Treffen findet einmal jährlich ein sogenannter Onsite-Event in den unterschiedlichen Regionen statt. Der Onsite-Event ist ein großes Netzwerk-Treffen aller Multiplikatoren. Hier erhalten sie Informationen aus erster Hand von Mitgliedern des Kernteams und erarbeiten sich in Workshops zusätzliches Detailwissen zum Digital Workplace selbst sowie die nötigen Softskills. Gleichzeitig bietet der Onsite-Event die Möglichkeit für Reflexion, Feedback und Austausch. Das beschriebene Multiplikatoren-Netzwerk ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Transformation zum digitalen Arbeitsplatz. Nur wenn diese Multiplikatoren begeistert, gut ausgebildet und optimal miteinander & mit dem Kernteam vernetzt sind, können auch die Mitarbeitenden weltweit begeistert werden und motiviert in den Change-Prozess gehen.

13.3.2 Kickoff-Events geben den Startschuss für die Anwenderinnen und Anwender durch persönliche Ansprache Jeweils vier bis sechs Wochen vor der jeweiligen größeren Veränderung in Phase eins und Phase zwei finden die so genannten lokalen Kickoff-Events statt. Je nach Größe der jeweiligen Organisation finden die Events auch mehrfach statt. Die KickoffEvents sind verpflichtende Vor-Ort Termine, in denen die schrittweise Veränderung beschrieben und die Vorteile erklärt werden. Fragen aus dem Publikum werden direkt beantwortet. Die Kickoffs werden durch die Digital Workplace Manager in lokaler Sprache durchgeführt. Die DWMs erhalten aus dem zentralen Team eine vorbereitete PowerPoint-Präsentation, mit ausführlichen Sprechernotizen, einer Beispielaufnahme eines durchgeführten Events und einem Set aus Fragen und Antworten, um optimal vorbereitet zu sein. Für die Einführung der dritten Phase, müssen die Events Corona-bedingt in ein digitales Format umgewandelt werden. Da sowohl die DWMs als auch die Mitarbeitenden Prozess und Ablauf dieser Events aus den vorangegangenen Phasen bereits kennen, klappt die Umstellung von persönlichen auf virtuelle Veranstaltung reibungslos.

13.3.3 Experten-Talks vertiefen das gelernte Wissen und bieten Gelegenheit für den persönlichen Dialog Neben den digitalen Medien, die jederzeit abgerufen werden können (z. B. Lernpfade und Applikationstrainings) wächst bei den Nutzerinnen und Nutzern der Wunsch nach einem Medium, über das sie live Funktionen gezeigt bekommen und ihre Fragen

302 | M. Rowbotham & S. Walther stellen können. Aus diesem Feedback entstehen die so genannten Expert Talks. In einstündigen Terminen zeigen Expertinnen und Experten, wie sie eine bestimmte Applikation nutzen, sie zeigen Tipps und Tricks aus ihrem Alltag und beantworten Fragen. Oft kommen die Experten auch aus dem Kreis der Anwenderinnen und Anwender. So wird zusätzlich vermittelt, dass jeder ein Experte für den digitalen Arbeitsplatz sein oder werden kann.

13.3.4 Der vertraute IT-Support löst technische Probleme Während die Support Community anwendungsorientierte Fragen von Nutzerinnen und Nutzern beantwortet, übernimmt der allgemeine IT-Support alle technischen Probleme. Sowohl per Telefon als auch per E-Mail können technische Probleme adressiert werden. Je nach Anwendung übernehmen dann die jeweiligen Spezialisten den technischen Support.

13.4 Zusammenfassung und Ausblick Endress+Hauser hat sich 2015 entschieden die Digitalisierung im Bereich des digitalen Arbeitsplatzes als Chance zu nutzen, um neue Formen der internen und externen Kommunikation, Zusammenarbeit, Kooperation und Mobilität zu ermöglichen. Das digitale Transformationsprogramm Digital Workplace (DWP) betrifft rund 14.500 Anwenderinnen und Anwender in 124 Entitäten und 51 Ländern. Neben den unzähligen technischen Herausforderungen ist einer der größten Erfolgsfaktoren des Transformationsprogramms die Menschen richtig mitzunehmen, sie zu begleiten und aktiv in das Programm zu integrieren. Im Rahmen aller Change-Aktivitäten müssen sie die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt erhalten, die Hintergründe verstehen, die notwendigen digitalen Kompetenzen entwickeln und auf den passenden Support zurückgreifen können. Aus der Strukturierung aller Change-Aktivitäten entstand eine Change-Matrix aus einer Kombination von Kommunikation, Lernangebot und Performance-Support sowie einer Mischung aus Medien und Mensch, aus der die Anwenderinnen und Anwender je nach ihrem Bedarf die geeigneten Methoden auswählen und kombinieren können. Das praxistaugliche Vorgehensmodell beschreibt die Kombination der Methoden zwar am Beispiel des digitalen Arbeitsplatzes, kann aber in angepasster Form auch für andere digitale Transformationsprogramme als Best Practice-Beispiel verwendet werden. Die Change-Matrix ist nicht als starr definierte Struktur zu sehen, ihre Kombinationen und einzelnen Elemente müssen kontinuierlich beobachtet und angepasst werden. So wurde das bereitgestellte Material zum Beispiel Schritt für Schritt für viele Sprachen von manueller in maschinelle Übersetzung umgestellt, da der Aufwand

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nicht den Mehrwert rechtfertigte. Das positive Feedback der Anwenderinnen und Anwender für die zuerst sporadischen Expert-Talks hat dazu geführt, dass diese nun monatlich stattfinden. Schließlich hat die Corona-Pandemie geholfen die Nutzung der selbstgesteuerten digitalen Lernplattform deutlich zu erhöhen und zu einer globalen Akzeptanz geführt, die so weit geht, dass die Anwenderinnen und Anwender in anderen Transformationsprogrammen bei Endress+Hauser ein vergleichbar flexibles Change-Angebot erwarten.

Literaturverzeichnis [1] Acatech (2018). Die digitale Transformation gestalten: Lebenslanges Lernen fördern. Empfehlungen des Human-Resources-Kreises von acatech und der Jacobs Foundation sowie der Hans-Bö ckler-Stiftung, München. [2] Hays (2017). Kompetenzen für eine digitale Welt. https://www.hays.de/personaldienstleistungaktuell/studie/hr-report-2017 (Abruf am 01.10.2021). [3] Keller, K. (2020). Arbeitsintegriertes Lernen in der Personal- und Organisationsentwicklung, Verschiedene Perspektiven aus Praxis und Theorie. Springer Gabler. [4] Knowles, M. S., Holton, E. F. III. & Swanson, R. A. (2007). Fortschritte beim Lernen von Erwachsenen. Aktuelle Überlegungen zum effektiven Lernen von Erwachsenen. In: M. S. Knowles, E. F. Holton III. & R. A. Swanson (Hrsg.), Lebenslanges Lernen. Andragogik und Erwachsenenlernen. 6. Auflage. München, Heidelberg: Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag. [5] Mosher, B. & Gottfredson, C. (2011). Innovative Performance Support: Strategies and Practices for Learning in the Workflow. New York. [6] Myers, D. G. (2013). Psychologie. Springer. [7] Barbe, W. B., Swassing, R. H. & Milone, M. N. (1979). Teaching through modality strengths: concepts and practices. Columbus, Ohio: Zaner-Bloser.

Stephan Delles

14 Praxisbeispiel: WWK Versicherung eLearning im Aufwind in der Versicherungsbranche Zusammenfassung: eLearning ist vielseitig, modern, „State of the Art“ und letztendlich aus der heutigen Bildungslandschaft kaum noch wegzudenken. Kaum ein Personalentwicklungs- oder Trainingsbereich in Unternehmen beschäftigt sich nicht mit entsprechenden Konzepten, um traditionelle Lernwege aufzubrechen oder zumindest vielschichtig zu ergänzen. Doch was, wenn die Zielgruppe in großem Maße so gar nicht für digitale Lernangebote zu begeistern ist und zudem noch die Vertriebsstrukturen des Unternehmens eine eindeutige strategische Priorisierung von klassischen Präsenzmaßnahmen erfordert? Am Beispiel der vertrieblichen Ausbildung in der WWK Versicherung wird in diesem Beitrag aufgezeigt, wie trotz hoher Affinität zum eLearning in der vertriebseigenen WWK Akademie erst zwei große einschneidende externe Einflüsse geholfen haben, die alten Strukturen und Einstellungen schlagartig aufzubrechen. Die Zielgruppe sind rund 1.500 Ausschließlichkeitsvermittlerinnen und -vermittler,1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Führungskräfte der WWK sowie potentiell rund 10.000 angebundene unabhängige Maklerinnen und Makler, Vertriebsgesellschaften und Vertriebspools. Dass auf dem Weg zum digitalen Lernen nicht immer komplexe Projekte mit dem Anspruch auf Perfektion erforderlich sind, sondern vielmehr Kreativität und experimenteller Pragmatismus Schlüssel zum Erfolg sind, ist ein weiterer Schwerpunkt dieses Erfahrungsberichtes. Zudem beschreibt der Beitrag die Herausforderungen und Hürden, die in der WWK zu überwinden waren oder noch sind. Schlagwörter: Versicherung, eLearning, niederschwellige Angebote, Web Based Training, Videotraining, Podcast

14.1 Einleitung Die Versicherungsbranche befindet sich seit Jahren in einem rasanten Wandel. Innovative und teilweise hochkomplexe Produkte gepaart mit starken Veränderung bei den Markteilnehmern verlangen von Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern immer mehr Flexibilität und erhöhen permanent die Anforderungen an ein umfangreiches fachliches und vertriebliches Know-how. 1 Ausschließlichkeitsvermittlerinnen und -vermittler sind Vermittler, die i. d. R. ausschließlich die Produkte einer Gesellschaft, mit der sie exklusiv vertraglich verbunden sind, verkaufen. Man erkennt sie an den Agenturen, die die entsprechende Versicherungsgesellschaft zieren. https://doi.org/10.1515/9783110754728-014

306 | S. Delles Mit der Reform des VersicherungsVertragsGesetz (VVG) im Jahre 2007 läutete zudem der Gesetzgeber eine zunehmende Ausrichtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Versicherungsvertrieb zum Schutz des Verbrauchers ein. In der Folge sind die unabhängige Vermittlerinnen und Vermittler verpflichtet, im Sinne des „best advice“ ihre Kundinnen und Kunden zu beraten und dies auch entsprechend zu dokumentieren. Damit ist der Bedarf nach umfangreicher Qualifizierung vor allem in den Bereichen der fachlichen, produkttechnischen und verkäuferischen Kompetenzen gestiegen. Zudem sind die Anforderungen an einen Einstieg als Verkäuferin oder Verkäufer in die Branche traditionell anspruchsvoll und umfangreich. Auf der anderen Seite gibt sich der Versicherungsvertrieb in der Vergangenheit eher traditionell bei der Auswahl der Qualifizierungstools, wenn überhaupt eine Notwendigkeit für Fortbildung gesehen wird. Mit weitem Abstand werden Präsenztrainings bevorzugt. Die Akzeptanz für virtuelle Lern- und Vermittlungsformate ist eher gering. Zum einen hat ein Versicherungsunternehmen ein großes Interesse daran, persönlichen Kontakt zu den mehrheitlich selbständigen Vermittlerinnen und Vermittlern zu pflegen. Und dafür bieten sich attraktive Präsenztrainingsmaßnahmen idealerweise an. Zum anderen sind in der Vergangenheit vorhandene virtuelle Bildungsangebote – egal ob Web Based Trainings (WBT) oder Selbststudienprogramme – kaum genutzt worden und schnell zum Ladenhüter verkommen. Lediglich im Bereich der Basisausbildung haben sich eLearning-Produkte durchsetzen können – aber nur, weil der Umfang des Kompendiums zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung „Fachfrau/-mann für Versicherungsvermittlung (IHK)“ einen anderen Lernweg gar nicht erlaubt. Auch die mittlerweile branchenweit fast inflationär eingesetzten Online- bzw. Webtrainings werden nur eingeschränkt frequentiert.

14.2 Quantensprung zum eLearning 14.2.1 Pandemie und Gesetzgebung als Impuls zum digitalen Lernen 14.2.1.1 Ausgangslage in der WWK Auch wenn, wie schon beschrieben, die Anforderungen an die Ausübung des Berufsbildes Versicherungs-/Finanzdienstleistungsverkäufer/-in massiv gestiegen sind, so war das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer zielgerichteten und regelmäßigen Qualifizierung bei den Verkäuferinnen und Verkäufern selbst eher weniger ausgeprägt. Bei der WWK jedoch wurde kontinuierlich versucht, dem entgegen zu wirken – bedarfsorientiert durch ein attraktives Angebot an Präsenztrainings, aber in zunehmendem Maße auch im Bereich des eLearning.

14 Praxisbeispiel: WWK Versicherung

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Zielsetzungen eines eLearning-Ansatzes in der WWK waren schon in den vergangenen Jahren: – Eine hohe Selbststeuerungsmöglichkeit für Nutzerinnen und Nutzer in Bezug auf Lernzeitpunkt, Lerndidaktik und Lerntempo ermöglichen. – Für die Präsenzseminare einen Mindestlernstand als Voraussetzung gewährleisten. – Eine überdurchschnittliche Erfolgsquote z. B. in der Abschlussprüfung sicherstellen. – Den Führungskräften eine zeitaktuelle Übersicht über die Lernfortschritte ihrer Vermittler ermöglichen. – Einen möglichst übersichtlichen und kalkulierbaren Pflegeaufwand für die eLearning-Plattform anstreben. – Rahmenbedingungen schaffen, die das „mobile Lernen“ jederzeit ermöglichen. Mit der Implementierung eines professionellen Lerncontent-Management-Systems (LCMS) wollte man in der WWK rechtzeitig die Voraussetzungen für ein methodisch/didaktisches und inhaltlich breites eLearning-Angebot schaffen. Leider ist nach mehreren Jahren Vorarbeit 2019 ein erster Versuch kurz vor der Umsetzung aus unterschiedlichen Gründen (u. a. aufgrund der gestiegenen Anforderungen beim Datenschutz) gescheitert. In 2020 wurde nun ein neuer, erfolgsversprechender Anlauf mit einem unabhängigen LCMS-Anbieter gestartet, der 2022 abgeschlossen sein wird. Nichts desto trotz gab es in der WWK keine einheitliche Toolbox zur Erstellung von eLearning-Modulen. Und außer einer zugekauften Lernsoftware zur Ausbildung „Fachfrau/-mann für Versicherungsvermittlung (IHK)“ und einem kleineren Webtraining-Angebot gab es bis 2015 dementsprechend auch keine eLearning-Tools. Dass das eLearning-Angebot (und vor allem auch die Nachfrage danach) trotz immer noch eingeschränkter technischer Rahmenbedingungen Ende 2021 ganz anders aussah, als noch wenige Jahre zuvor, ist zum einen in starkem Maße dem Gesetzgeber und noch mehr einem weltweit unterschätzten Virusausbruch in der chinesischen Metropole Wuhan geschuldet. Zum anderen aber hat ganz viel persönliches Engagement und Experimentierfreude im Bereich der heutigen WWK Akademie aus der Not eine Tugend gemacht, so dass mit teils einfachen und frei zugänglichen Mitteln ein erfolgreiches eLearning-Angebot geschaffen werden konnte.

14.2.1.2 Turbo-Boost zum digitalen Lernen Zwei große Veränderungen haben aus unserer Erfahrung heraus letztendlich dafür gesorgt, dass sich die geringe Akzeptanz virtueller Lernformate bei der WWK schlagartig ins Gegenteil, zu einer großen Nachfrage nach eLearning, umkehrte.

308 | S. Delles 14.2.1.2.1 Insurance Distribution Directive (IDD) Mit der EU-getriebenen Versicherungsvermittlungverordnung IDD hat der Gesetzgeber unter anderem auch eine regelmäßige Qualifizierungspflicht für Versicherungsvermittler festgeschrieben. Jede im Vertrieb oder vertriebsnah tätige Person muss demnach zusätzlich zu einer einmalig erfolgten Basisqualifizierung (Sachkunde) jährlich 15 Stunden Weiterbildung nachweisen. Dabei sind die Kompetenzfelder einer solchen Weiterbildungsmaßnahme klar definiert und im Kern auf all die Kompetenzen begrenzt, die eine Beratung zum Wohl des Kunden sicherstellen. Bei Nicht-Beachtung der Pflicht zur regelmäßigen Weiterbildung droht eine Geldstrafe oder der Entzug der Vertriebserlaubnis. Mit dieser 2018 in Deutschland in Kraft getretenen Verordnung ist das Interesse an Bildungsangeboten bei den Versicherungsunternehmen, aber auch freien Bildungsanbietern, deutlich gestiegen. Da über klassische Präsenztrainings die zumindest teilweise „erzwungene“ Nachfrage nicht gedeckt werden konnte, mussten andere, digitale Angebote zur Verfügung gestellt werden. 14.2.1.2.2 Corona-Pandemie Mit der Entscheidung von Regierung und Wissenschaft zu einem strengen Lockdown im Frühjahr 2020 ist die Möglichkeit, Qualifizierung in Präsenzform durchzuführen, ausgesetzt worden. Nichts desto trotz aber behielten die Anforderungen aus der IDD weiterhin ihre Gültigkeit. Die Nachfrage nach Bildungsangeboten blieb also gleich, das Angebot jedoch wurde zunächst schlagartig massiv reduziert, weil bis dato doch überwiegend in Präsenz qualifiziert wurde. Damit verblieb als einzige Möglichkeit die deutliche und vor allem schnelle Ausweitung an digitalen Lernangeboten. In der WWK, wie auch in vielen anderen Versicherungsunternehmen und unabhängigen Bildungsdienstleistern, musste das Angebot aber erst geschaffen werden, was sich in der WWK zunächst schier unmöglich darzustellen schien, denn es fehlten aufgrund der gescheiterten Implementierung des geplanten LCMS die entsprechenden Tools.

14.2.2 Professionalisierung und Kreativität 14.2.2.1 Webtrainings als eLearning-Motor Auf die Einführung der Weiterbildungspflicht hat die WWK mit einer aktiven Vermarktung des in 2013 gestarteten und ausschließlich an die unabhängigen Vermittlerinnen und Vermittler gerichteten Webtrainingsangebotes über die virtuelle Kommunikationsplattform Go2Webinar reagiert. Um als doch eher kleinerer Versicherer entsprechende Nachfrage zu erhalten, war zudem das Ziel, qualitativ hochwertige, maximal 45-minütige Qualifizierungseinheiten zu gestalten. Neben klassischen Produkt-

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themen wurden auch durch hochkarätige externe Referentinnen und Referenten gesamtwirtschaftliche und gesetzliche Entwicklungen sowie deren Auswirkungen auf den Versicherungsvertrieb im Allgemeinen und die Beratungsgespräche im Besonderen trainiert. Diese Strategie hat sich ausgezahlt: Innerhalb eines Jahres hat sich die Nachfrage nach WWK-Webtrainings mehr als verdoppelt. In mehr als 80 solcher Live-Sessions wurden 2018 über 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer qualifiziert. Für die WWK war zwar die Steigerung an sich schon ein großer Erfolg, aber entscheidender war eine extrem hohe Zufriedenheitsquote der Teilnehmenden zu Inhalt und Qualität der Angebote. Bis zur Pandemie war dieses Webtrainingsangebot in der WWK aber trotz allem immer nur als Ergänzung zu den Präsenztrainings verstanden worden. In der Pandemie selbst ist das Webtrainingsangebot für die unabhängigen Vermittler zwar nicht gesteigert worden, um das Themenangebot qualitativ exklusiv zu halten. Die Nachfrage aus dieser Zielgruppe hat sich aber in 2020 erneut verdoppelt. In der Folge hat die WWK dann diese Webtrainings auch ihren Ausschließlichkeitsvermittlerinnen und -vermittlern zugänglich gemacht und für diese Zielgruppe zudem rund 120 ergänzende, teilweise nur regional vermarktete Themen angeboten. So wurden in 2020 in rund 200 Webtrainings fast 17.000 Teilnehmende qualifiziert.

14.2.2.2 Freeware und kostengünstige Softwarelösungen Unmittelbar nach Inkrafttreten des ersten Lockdowns wurde durch die sechs angestellten Trainer der WWK Akademie nach Freeware und einfachen, preiswerten Softwarelösungen am Markt gesucht, mit deren Hilfe eigene eTrainings entwickelt und vermarktet werden konnten. Ziel war, einerseits schnell Alternativen zu den Präsenzmaßnahmen und den quantitativ ausgereizten Webtrainings zu finden und dabei andererseits den „Charme des Unperfekten“ ausdrücklich zuzulassen. Für die WWK sind dank solcher Produkte eine Vielzahl an neuen Formaten entstanden, von denen eine Auswahl nachfolgend skizziert wird: – Mit der Freeware Anchor wurden in 2020 rund 25 ansprechende Audio-Podcasts produziert, die in jeweils 10 Minuten aktuelle Themen wie Digitalisierung, OnlineBeratung, Telefonkommunikation, neue Produkte, Vertrieb in der Pandemie oder eben auch „Digitale Weiterbildung“ aufgegriffen und beleuchtet haben. Die produzierten Podcasts sind sogar ohne besonderen Mehraufwand über die gängigen Streaming-Plattformen wie z. B. Spotify frei aufrufbar. – Mit Hilfe der Video-Bearbeitungssoftware Camtasia wurden Erklärvideos produziert, die den Vermittlerinnen und Vermittlern im Youtube-Style Schritt für Schritt z. B. aufzeigen, wie Online-Beratung technisch, aber auch von der Kommunikation her erfolgen kann.

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In sogenannten „Interaktiven Vermittlergeschichten“ können Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen, Kundenfragen und -einwänden professionell zu begegnen und dabei den im Lerntool dargestellten Gesprächsverlauf selbst interaktiv gestalten. Hier haben wir uns beim Website-Baukasten von WIX bedient. Mit einer Freeware-Version von Pixabay wiederum konnten kreative und kurzweilige Info- und Erklär-Tools im 3D-Comicstyle so erfolgreich und einfach erstellt werden, dass die WWK mittlerweile eine erweiterte kostenpflichtige Lizenz erworben hat, die noch mehr Vielfalt und Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Um den Wiedererkennungswert der eLearning-Formate zu erhöhen, bot die Software Renderforest zur Produktion von speziellen Intros und Outros jede Menge Kreativmaterial.

14.2.2.3 Erfolgsfaktoren Viele Kriterien im Zusammenspiel haben letztendlich dafür gesorgt, dass der schnelle Sprung in die digitale Welt des Lernens der WWK gelungen ist: – Hauptschlüssel ist eindeutig die Begeisterungsfähigkeit einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl im Vertrieb wie auch in der WWK Akademie gewesen, die teilweise gegen Widerstände einfach „gemacht haben“. – Dass eine hohe Bereitschaft im Unternehmen vorhanden war, im Zweifel „einfach mal machen“ und auf hohe Perfektion zu verzichten, hat einen weiteren Teil zum Erfolg beigetragen. – Das Angebot an Tools zum kreativen Produzieren von digitalen Lernmedien ist in den letzten Jahren geradezu explodiert. Einerseits ist die große Auswahl zwar nicht leicht zu sondieren, andererseits aber findet sich für fast jede Idee ein passender Anbieter, der meist auch ein Basisprodukt als Freeware zum Kennenlernen und Ausprobieren im Portfolio hat. – Durch den gesetzlichen Zwang, 15 Weiterbildungsstunden jährlich erlangen zu müssen, ist die Hemmschwelle unserer Zielgruppe für digitale Lernangebote deutlich gesunken. Dank viel Geduld des IT-Support konnten technische Probleme bei den Teilnehmenden meist schnell und unkompliziert behoben werden. – Weil ihnen die Präsenztrainings, die oft mit einigem Reise- und Zeitaufwand verbunden waren, genommen wurden, haben viele Teilnehmende schätzen gelernt, wie viel Zeit und Kosten sie beim Nutzen von digitalen Angeboten im Vergleich zu Präsenztrainings sparen. Aus dieser Erfahrung heraus ist die Akzeptanz für eLearning-Angebote deutlich gestiegen und die Hemmschwelle zum Nutzen der neuen Angebote weiter gesunken.

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14.2.2.4 Hürden und Herausforderungen „Nicht alles ist Gold, das glänzt“ – natürlich passt dieser Spruch auch zu der ansonsten sehr positiven Entwicklung des digitalen Lernens in der WWK. Einige Stolpersteine mussten aus dem Weg geräumt werden und auch in der Zukunft sind noch einige nicht ganz unwichtige Probleme zu bearbeiten. Da bis 2015 die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WWK Akademie bis auf ganz wenige Ausnahmen nur Präsenzveranstaltungen konzipiert und durchgeführt haben, war zunächst die Bereitschaft und das Verständnis zu gewinnen, sich auf ein erweitertes Rollen- und Aufgabenprofil einzulassen. Was einfach klingt, war aber kein leichter Schritt, denn bei allen handelnden Personen war die Trainertätigkeit nicht nur Beruf, sondern auch Berufung und Leidenschaft. Gerade die direkte, sozusagen hautnahe Arbeit mit anderen Menschen, das Stehen auf der Seminarbühne und die unmittelbare Interaktion waren bisher die zentralen Hauptmotivatorn. Durch die positiven Rahmenbedingungen in der WWK konnten aber Widerstände über die ureigenen menschlichen Faktoren Neugierde und Spieltrieb überwunden werden. Mittlerweile gehört die digitale Seite des Lernens wie selbstverständlich zum Selbstverständnis jedes Teammitglieds in der WWK Akademie und neue kreative Ideen treffen nicht nur auf eine grüne Spielwiese, sondern auch auf Lust und Bereitschaft des gesamten Trainerteams, kreativ zu konzipieren und umzusetzen. Aufgrund der Fokussierung auf Präsenzmaßnahmen war nur wenig fachliches Knowhow zum digitalen Lernen und zur Lerntoolentwicklung bzw. -gestaltung vorhanden. Maßgeblich geholfen hat neben einer Ausbildung zum eTrainer bzw. zur eTrainerin vor allem ein maßgeschneidertes mehrteiliges Teamtraining mit zwei externen Trainern. Ziel dieser Maßnahme war die Professionalisierung von eigenem Auftreten und Stimmwirkung in Webtrainings sowie zur die kreativen Entwicklung innovativer digitaler Lernformate. Das mehr als erfolgreich erlernte Wissen wird mittlerweile sogar in Train-the-Trainer-Tools an Führungskräfte im Vertrieb weitervermittelt. Die größte Herausforderung liegt noch vor der WWK. Aktuell werden die vielen eTraining-Angebote zwar auf der Vermittlerwebsite der WWK vermarktet, aber sie sind alle ganz individuell verlinkt und teilweise manuell verwaltet. Das ist der Nachteil des Credos „Schnelligkeit vor Perfektion“. Mit der Implementierung des Lerncontent-Management-Systems voraussichtlich in 2022 gilt es, alle bisher entwickelten Maßnahmen und Teilnehmendendaten in dieses System zu integrieren und mit den zur Verwaltung notwendigen Datenschnittstellen zu verbinden. Zudem werden einige eTraining-Tools dann in der aktuellen Form nicht einfach so integrierbar sein, sondern müssen möglicherweise komplett neu aufgesetzt und gestaltet werden. Dies ist aber bereits jetzt schon als fester Projektbaustein im LCMS-Projekt fixiert.

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14.3 Fazit Die externen Einflüsse waren maßgeblich der Auslöser zu einer rasanten und umfangreichen Veränderung der Lernwelt auf der Vertriebsseite der WWK. Der Zwang zum ausschließlich digitalen Lernen, hat automatisch zu einer Akzeptanzsteigerung der Lernenden für digitale Lernmedien geführt. Viel Kreativität und Leidenschaft bei den handelnden Trainerinnen und Trainern gepaart mit der Bereitschaft, auf unbedingte Perfektion zugunsten pragmatischer Entwicklungsprozesse zu verzichten, hat den optimalen Nährboden für ein vielseitiges eTraining-Angebot bereitet. Dafür war es notwendig, dass sich die Trainerinnen und Trainer auf ein verändertes Rollenbild und Selbstverständnis einlassen. Pragmatismus zu Lasten von Perfektionismus erzeugt aber auch neue Problemstellungen, derer man sich von Anfang an bewusst sein muss und die es rechtzeitig anzugehen gilt. Für die WWK war vor allem die Zeit der Pandemie und der beiden großen Lockdowns aber nicht nur eine große und unerwartete Herausforderung, sie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass digitales Lernen in der WWK schlagartig denselben Stellenwert wie Lernen in Präsenzform bekommen hat und die Lernwelt heute deutlich anders ausschaut, wie noch vor wenigen Jahren – nicht nur anders, sondern besser und vielseitiger.

Stichwortverzeichnis AKUBIS-TV 33–35, 66 Akzeptanz V, 25, 35, 65, 124, 160, 198, 203, 303, 306, 307, 310 Ambidextrie 201, 210 Amun, Das Vermächtnis des Amun 18, 19 Anchored Instruction 9 Apfelstrudel 206 Arbeitsprozess 46, 61, 127, 253 Audiofeedback 144 Augmented Reality 272, 281 Aus- und Weiterbildung V, VI, XI, XV, 1, 10, 13, 17, 24, 25, 27, 29, 40, 47, 50, 51, 53, 114, 170, 173, 195, 197, 198, 253 Autonomie 236–238, 242–244, 248, 254 Autonomieerleben 237, 243 Autorentool 201, 223, 225 Avatar 36, 291, 292, 297 Bank 18 BarCamp XV, 212, 221, 251, 252, 258, 264–266 Barcamp 268 Befragung 55, 56, 175, 177, 186, 211, 216 Behaviorismus 3, 7, 8 Berufliche Weiterbildung 233 Berufsbegleitende Weiterbildung 233 betriebliche Weiterbildung XII, XIV, XV, 173 Bildung XI, XV, 3, 32, 39, 40, 50, 58–61, 64, 66, 67, 78, 104, 121, 122, 125, 126, 130, 133, 170, 173, 197, 198, 222, 260, 264, 268 Bildungsangebot V, VII, XI, XII, XV, 1, 31, 50, 53, 55, 64, 173, 174, 176, 177, 197, 198, 252–254, 306 Bildungsdienstleister 308 Bildungslandschaft 198, 305 Bildungsmaßnahme XI, 58 Bildungstheorie 60, 61, 67 Blended Learning 26, 65, 81, 83, 85, 91, 99, 101, 102, 108, 109, 114, 198, 203, 204, 226–228, 240, 269–271, 278, 280 Blog 258, 268, 294–296 Business-TV 1, 32, 34 Bücher 1, 3, 40, 62 Camtasia 152, 153, 309 CASUS 27–29, 65 Change XVI, 269, 283, 284, 286, 288–291, 294, 300–302 https://doi.org/10.1515/9783110754728-015

Change-Prozess XVI, 283, 284, 286, 288, 289, 291, 300, 301 Chat 45, 73, 78, 96, 98, 171, 285, 298 Checkliste 167, 206, 212 Cloud 54, 153, 285 Comic 44 Community of Practice XV, 163, 251, 252, 254, 257, 266, 269 Community of Training Practice 257 Computer-Based-Training VI, XI, 1, 8, 17, 20, 24, 29, 53 Computerspiel 23 Concept Mapping 29 Corporate Learning Community 251, 252, 257, 258, 262, 265, 266, 268 Covid-19-Pandemie V, VII, XI–XIV, XVI, 1, 54, 56, 66, 69–71, 74, 77, 81–83, 98, 101–103, 107, 119, 130, 135, 136, 159, 160, 170, 175, 192, 196–198, 222, 226, 233, 234, 251, 258, 269, 272, 278, 280, 303, 308 Daimler AG 33, 34, 66 Das Vermächtnis des Amun 17–20 Datenschutz 307 Der Persönliche Berater 20–22, 65 Deutsche Bahn 66, 258 Didaktik V, 44, 51, 59, 67, 103, 105, 110, 114, 115, 125, 127, 160, 161, 163, 171, 201, 237, 240 didaktische Experimente XIV, 159, 163 Digital Learning 172, 198, 269 Digital Workplace XVI, 283, 285–288, 291–293, 295, 296, 298, 300–302 digitale Beteiligung XIII, 81, 82, 86 digitale Kompetenz XVI, 98, 283, 284, 289 digitale Lehre 70–72, 78, 176, 184 digitale Transformation XVI, 71, 72, 103, 107, 108, 222, 271, 272, 277, 283–285, 287, 294, 300, 302 digitaler Arbeitsplatz XVI, 283, 286, 288, 296, 297, 300, 302 digitales Lernen XVI, 54, 79, 235, 272, 273, 276, 279, 305–307, 311, 312 Digitalisierung VI, VII, XII, XVI, 1, 62, 69, 71, 77, 79, 81, 99, 103, 107, 115, 119–121, 130, 173, 197, 198, 201, 208, 233, 252, 253, 269, 271, 272, 283, 287, 302, 309 Drehbuch 45, 150

314 | Stichwortverzeichnis

Eingebundenheit XIII, 81, 85, 237, 243 Einzelhandel 17, 25, 234 eLearning-Hype-Cycle 26 eMail 52, 54, 95, 96, 153, 228, 285, 292, 296, 298, 302 Endress+Hauser XVI, 283–288, 291–293, 295, 298, 302, 303 Entwicklungsperspektiven 215 Entwicklungsphasen XII, 1, 13, 32 Erfolgsfaktor VI, 65, 66, 85, 87, 97, 174, 236, 245, 301, 302, 310 Erfolgsquote 247, 307 Erklärfilme 204, 206, 207, 215 Ernst & Young 269–275, 277, 278, 280, 281 Erziehung 59 eTraining-Angebot 311, 312 Evaluation 115, 203, 239, 250 Evaluierung 160, 170 Exploitation 209, 210 Exploration 209, 210 Facebook 10, 37, 57, 205, 262, 263 Fachexpert*in 204, 241 Feedback XIV, 3, 7, 13, 20, 22, 23, 86, 87, 97, 103, 112, 143–151, 153–157, 162, 168, 177, 182, 234, 237, 243, 247, 250, 260, 263, 272, 301–303 – multimediales Feedback 143–150, 152, 154–156 – mündliches Feedback 146, 150 – schriftliches Feedback 143, 145–148, 150 Fernstudium XIII, 109, 119, 121, 122, 124–126, 130, 136, 137 Fernuniversität Hagen XIII FH Joanneum 159, 160, 163–165 Flexibilität 43, 52, 92, 126–128, 148, 210, 245, 272, 287, 305 flipped Classroom 108, 160, 238, 241 Floorwalker 211, 300 forschendes Lernen XIII, 104, 105, 119–121, 126, 129, 130, 132, 134–137 Forschung 34, 64, 65, 103, 104, 119, 120, 122, 127–130, 132–134, 136, 137, 149, 186, 197, 245, 250 forschungsorientierte Formate 104 Forschungspraktiken 119, 121, 123, 137 Führungskräfte 214, 215, 219, 220, 224, 253, 305, 307, 311

Geschäftsmodell 209, 252, 253, 268 Globalisierung 61, 283 Herausforderung XII, 32, 39, 41, 69, 73–77, 79, 81, 82, 93, 102, 105, 106, 109, 112, 114, 120, 123, 127, 130, 147, 150, 151, 162, 165, 170, 184, 185, 197, 202, 233, 234, 236, 240, 245, 248, 261, 263, 266, 267, 274, 277–279, 285, 294, 302, 305, 311, 312 Hochschuldidaktik 99, 114, 156, 157, 159, 166, 173 hochschuldidaktische Aus- und Weiterbildung 102, 114 Hochschullehre VI, XII–XIV, XVII, 1, 54, 66, 67, 79, 81–83, 98, 99, 101, 102, 104, 107, 109, 110, 112–114, 124, 133, 143, 157, 169, 173, 174, 192–194, 196–199 HomeOffice XV, 77, 165, 197, 216, 223, 225, 233–235, 237, 240, 242, 245, 248, 249, 270, 271 HS Furtwangen VII, XIII, 46, 81, 82, 94, 98, 175–179, 182, 194–196 HS Macromedia XIII, 101, 103, 105, 110, 114, 115 Hybrid Learning 269 Identität 134, 291 Impuls VII, 32, 38, 103, 264, 306 informelles Lernen 211, 212, 251, 264 Interaktivität 27, 28 Interview 37, 38, 161, 213–215, 219, 276, 279 Intranet 291, 293–295, 297, 301 inverted classroom 108, 109 Know How – AG 201 KnowHow – AG XV Kognitivismus 8 Kommunikation VI, XI, XIII, XVI, 10, 12, 31, 33, 41, 44, 47, 51–53, 56, 73, 78, 81, 88, 91, 94–96, 98, 101, 102, 109–112, 115, 124, 125, 127, 134, 135, 137, 143, 150, 154, 162, 171, 234, 243, 245, 246, 260, 263, 265, 283, 284, 289, 291–295, 302, 309 Kommunikationskonzept 285 Kommunikationsplattform 295, 308 Kompetenz 8, 9, 25, 39, 44, 46, 50, 56, 81, 108, 197, 209, 236, 254 Kompetenzerleben 236–238, 242, 244, 248, 254

Stichwortverzeichnis |

Konnektivismus 6, 10–12, 205 Konstruktivismus 8, 10 Kooperation XVI, 24, 27, 36, 126, 166, 225, 256, 283, 302 Kunden XVI, 12, 19, 31, 41, 226, 240, 269, 271, 272, 277, 278, 284, 306, 308 Learn-TV 1 Learning Circles XV, 221, 251, 256, 268 Learning Journey 269, 273, 275, 281 Learning Out Loud 274 Learning-Management-System 12, 88, 90, 93–95, 97, 98 LectureCast 103, 107, 110, 114, 115 Lehr- und Lernprozesse 1, 3, 8, 10, 13, 26 Lehre V, XII–XIV, 35, 50, 53–55, 67, 69, 71, 75, 77–79, 81–84, 88, 92, 94–96, 98, 99, 101–103, 106–111, 113, 115, 119–127, 130, 132–137, 159–161, 163, 164, 166, 169–173, 175–184, 186, 187, 189, 190, 192, 193, 195, 197–199, 264 Lehrkonzept 101, 105, 107, 109, 114, 198 Lehrmaschinen 13 Lernangebot XVI, 25, 31, 32, 52, 65, 70–72, 103, 197, 205, 206, 208, 209, 222, 227, 229, 252, 259, 271–273, 282, 283, 285, 288, 290, 291, 294, 297, 302, 305, 310 Lernbegleiter 61, 108, 111 Lerncontent-Management-System 307, 311 Lernen VII, XIII, XVI, 3–15, 23, 26–29, 39–41, 50–57, 60, 61, 64–67, 70–72, 76, 77, 85, 87, 88, 94, 99, 101, 104–107, 112, 115, 119–128, 132, 134, 135, 137, 148, 154, 161, 163, 167, 187–193, 197–199, 201, 203, 205–208, 211, 212, 214, 216, 218–221, 227–229, 237–239, 243, 244, 248–251, 253–255, 257, 260, 263–265, 267–271, 276, 277, 280–282, 287–289, 293, 294, 296, 307, 312 Lerneraktivierung 28 Lerngruppe 53, 78, 79, 255, 256, 262, 263, 274, 279, 281 Lernlandschaft XVI, 269–272, 278, 280 Lernmotivation 15, 27, 85, 233, 235, 236, 239, 242, 248–250, 254 Lernort 41, 50, 88, 108, 218, 270 LernOS 274 Lernplattformen VI, XI, 1, 24, 27, 29, 32, 119, 124, 159, 281

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Lernprogramm 14, 17, 21, 43, 206, 207, 225 Lernteam 256 Lerntypen 294 Lernverhinderer 218, 219 Lernziel 263, 264, 268, 280 Lockdown 49, 54, 55, 57, 161, 165, 166, 196, 216, 223, 308, 309, 312 maschinengestütztes Lernen XII, 1 Max, Dein Asthmacoach 43, 44 Medien V–VII, XIII, 3, 13, 16, 25, 29, 31, 39, 44, 46–50, 64–67, 71, 99, 101, 110, 115, 119–127, 129, 130, 133–137, 153, 167, 168, 170, 174, 184, 194, 195, 254, 261, 289, 291, 295, 300–302 Mediengesellschaft 39 Medienkompetenz XI, 1, 46, 47, 54, 55, 57, 64, 261 Mediennutzung 38, 46, 47, 49, 57, 131, 198 Microblogging 168 Microlearning 204, 206, 212 Mitarbeiter*in VI, XI, XV, XVI, 7, 12, 16–19, 24, 25, 29, 34, 35, 42, 43, 51, 52, 201, 203, 208–210, 214, 215, 219–222, 225, 227, 234, 249, 253, 256, 270–272, 283–286, 291–294, 297, 298, 301, 305, 310, 311 Mobilität XVI, 43, 283, 302 Modalitäten-Matrix XIII, 81, 84–86, 88, 91, 93, 95 MOOC 53, 258, 259, 261 – cMOOC XV, 251, 252, 258–263, 266, 268 – xMOOC 259 Moodle 102, 108, 125, 128, 133, 153 Motivation 12, 65, 85, 87, 90, 99, 208, 210, 233–238, 242, 244–246, 248–250, 261, 263, 267, 275 MS Teams 102, 103, 108, 270, 274, 281 Multimedia 18, 21, 22, 201 Mündigkeit 40, 51, 60 Newsletter 261, 263, 291, 296 OLAT 153 Onboarding 226, 228 Online-Befragung 213, 214 Online-Didaktik XIV, 159, 162, 171 Online-Plattform 106, 287, 289 Online-Prüfungen 170, 176 Peer-2-Peer-Lernen XV, 251

316 | Stichwortverzeichnis

Peer-to-Peer-Lernen 252–255, 260, 266 Perfektion XVI, 155, 305, 310–312 Performance-Support XVI, 283, 289–291, 294, 302 PH Zürich XIV, 143 Podcast 36, 102, 103, 107, 110, 115, 132, 168, 258, 268, 269, 281, 305 – Audio-Podcast 309 Product Owner 240–242, 244 Professional Scrum Product Owner Training 233, 240, 241, 248, 250 Präsenztraining 241, 246, 271, 277, 279, 290 Prüfung 5, 57, 71, 74, 94, 124, 133, 150, 175–180, 186, 241, 243, 246, 247, 249, 259 Qualifizierung 25, 35, 41, 225, 306, 308 Qualifizierungspflicht 308 Qualität 26, 39, 41, 87, 103, 151, 168, 176, 181, 182, 186, 203, 210, 239, 309 Qualitätssicherung 102, 115, 250, 261 Reiz-Reaktion-Modell 8 Schulungs-TV 33 Screencast 78, 143, 152–157 SecondLife 35–37 Selbstbestimmung 210 Selbstbestimmungstheorie 45, 99, 233, 236, 242, 248, 249, 251, 254, 267 selbstgesteuertes Lernen 123, 201, 207, 208, 220, 257 Selbstlernkompetenz V, VII, 55, 108, 307 Selbstlernkompetenzen XV, 251, 252, 267 Seminar 1, 25, 31, 35, 41, 52, 53, 70, 73, 83, 109, 131, 150, 194, 195, 215, 227, 253, 294 Sensibilisierung 289, 295 Smart Device V, VII, XI, 12, 13, 38, 39, 41, 43, 46, 53, 56, 57, 66, 197, 198 Social Learning XI, 269, 272, 274, 280 Social Media 169, 206, 253 Social-Media-Learning 1 soziale Eingebundenheit 85, 87, 236, 237, 242, 244, 248, 254 soziale Nähe 279 Spotify 309 Streaming-Plattform 309 Strukturwandel 208 Studie XIV, 16, 25, 29, 44, 47–49, 55, 62, 66, 67, 72, 97, 144–149, 160, 172–176, 190,

194–198, 203, 204, 206–208, 219, 222, 233, 236, 238, 239, 242, 254 Studien 173 Take Home Exam 69, 74 Talking-Head Video 144, 149 Technologisierung 283 Teilnehmer*in 22, 34, 45, 165, 169, 175, 214, 228, 234, 237–247, 258, 263, 264, 267, 309, 310 Teletutor*in 24, 26, 65 Text 17, 22, 129, 144, 146–148, 150, 151, 157, 167 Trainer*in 8, 21, 31, 34, 162, 166, 227, 238, 241–244, 246–248, 253, 263, 272, 278, 309, 311, 312 Training XV, XVI, 18, 22, 24, 34, 35, 42, 43, 66, 160, 166, 168, 172, 203–205, 211, 215, 223–226, 228, 229, 233, 237–248, 250, 253, 258, 269, 276, 277, 279, 286, 287, 292, 294, 298, 300 Transformation XIII, XVI, 72, 74, 76, 101, 104, 107, 198, 268, 271, 272, 277, 278, 281, 283, 287, 288, 296, 300, 301 Twitter 10, 134, 137, 168, 252, 261, 263, 267 Umfrage 31, 54, 78, 160, 168, 176, 181, 183, 198, 199, 201, 219, 229, 247, 270, 271 Universität Hamburg XII, 36, 69, 71, 72, 76, 105, 256 Unterricht 3, 7, 14–16, 28, 73, 113, 159, 160, 162, 164–166, 168, 170, 172, 175, 198 Unterrichtsmaschinen 13 User-Generated Content 32, 206, 229, 253 Verbesserungsprozess 286 Versicherung XV, XVI, 29, 43, 65, 201, 213, 214, 220, 305 Versicherungsbranche XVI, 305 Video XIV, 16, 17, 21, 22, 24, 31, 32, 35, 36, 40, 55, 69, 78, 97, 98, 101, 102, 104–106, 123, 125, 143, 144, 146, 149, 151, 153, 155–157, 159, 162–165, 168, 171, 201, 202, 204, 206–208, 215, 224, 241, 259, 260, 285, 291, 292, 297, 309 Videoreflexion 164, 165, 171 Videotraining 305 Virtual Classroom 208, 222, 269, 270, 272 Virtual Meeting Fatique 276, 279 VIVERSA-Lernplattform 29–31

Stichwortverzeichnis |

Vorlesung 57, 70, 78, 83–88, 90–93, 96, 98, 109, 150, 194, 263 Web 2.0 VI, 57, 65, 253, 267 Web-Based-Training VI, 1, 24, 26, 27, 29, 32, 42, 43, 53, 201, 203, 204, 206, 208, 223–226, 270, 305, 306 Webinar 227, 270 Weiterbildungsangebote XIV, XV, 30, 114, 173, 211 WhatsApp 43, 54 Wiki 221 Wikipedia 5, 16, 39, 40 Wissen VI, 1, 6, 8–11, 18, 20, 27, 28, 38–41, 45, 50, 57, 58, 60, 62–64, 67, 91, 92, 104, 106, 122, 127, 129, 132, 134, 154, 199, 203, 205, 207, 211, 212, 214, 220, 224, 227, 238, 240, 241, 244, 253, 254, 260, 287, 289, 295, 297, 299, 301, 311 Wissenschaft 19, 65, 104, 119–124, 126, 127, 129, 130, 132, 133, 136, 137, 199, 308 Wissenschaftssozialisation 119

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Wissensgesellschaft 1, 60, 62–64, 67 Wissensvermittlung V, 3, 9, 20, 32, 41, 53, 62, 99, 203, 227, 287, 289 Workshop 12, 26, 50, 52, 57, 72, 165, 166, 168, 169, 213–215, 221, 225, 227, 253, 301 WWK Akademie 305, 307, 309–311 WWK Versicherung XVI, 305 Xing 262, 263 YouTube 10, 32, 37, 40, 57, 206, 207, 262 Zertifikat 20, 203, 224, 240, 260 Zielgruppe V, VII, XV, XVI, 5, 33, 35, 47, 110, 114, 214, 223, 225, 228, 241, 251, 258, 260, 273, 275, 280, 291, 297, 305, 309, 310 Zoom 72, 75, 76, 78, 160 Zufriedenheit 247 Zusammenarbeit XVI, 27, 34, 43, 50, 127, 135, 162, 205, 210, 221, 225, 245, 256, 283–285, 292, 293, 295, 300, 302

Autorenverzeichnis Annette Bosch Nach dem Magisterabschluss in Soziologie, Philosophie und deutscher Literatur in Konstanz war Frau Bosch drei Jahre lang als Dozentin an der Berufsakademie in Villingen-Schwenningen tätig. Seit 1999 ist ihr Schwerpunkt E-Learning: Als Autorin erarbeitet sie Basiskonzepte für Trainings, betreut und coacht andere Autoren und schreibt Drehbücher für WBTs, Erklärfilme und Trailer zu verschiedensten Themen für Kunden unterschiedlicher Branchen. Seit 2013 leitet sie zudem den Produktionsstandort der Know How! AG in Konstanz. Prof. Dr. Ullrich Dittler Prof. Dr. Dittler studierte Pädagogik, Psychologie und Soziologie in München. Er arbeitete in einem großen Finanzdienstleistungs-Unternehmen und leitete dort bis 2000 die Abteilung Neue Medien, die elektronische Lehr- und Lernkonzepte und -Medien für die 40.000 Mitarbeiter des Konzerns entwickelte. Seit 2000 hat Dittler die Professur Interaktive Medien an der Fakultät Digitale Medien der Hochschule Furtwangen inne und unterrichtet unter anderem „Medienpsychologie“ sowie „E-Learning und Online-Learning“. Darüber hinaus war Dittler von 2008 bis 2020 Mitglied des Lenkungsausschusses für Hochschuldidaktik des Landes Baden-Württemberg. Von 2008 bis 2021 war er stellv. Leiter des „Informations- und Medienzentrums“ (IMZ) der Hochschule Furtwangen und seit 2022 ist er Leiter des „Zentrums für Lehren und Lernen“ (ZLL) der HFU. Stephan Delles Herr Delles ist seit 2005 Leiter der WWK Akademie im WWKforum in Raubling, einem Fortbildungszentrum mit rund 80 Betten. Mit seinem Trainerteam ist er verantwortlich für die analoge und digitale Aus- und Weiterbildung der mehr als 1.000 gebundenen und rund 10.000 freien Vertriebspartnerinnen und Vertriebspartner sowie Vermittlerinnen und Vermittler der WWK Versicherung. Neben seinen strategischen Aufgaben begleitet er regelmäßig Vertriebs-, Führungs- und Methodentrainings sowie Teamentwicklungen und Strategieworkshops. Jennifer Grüntjens Frau Grüntjens studierte Intermedia im Bachelor sowie Intermedia und Erwachsenenbildung im Master an der Universität zu Köln. Seit Oktober 2020 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrgebiet Mediendidaktik an der FernUniversität in Hagen. Sie beschäftigt sich mit Fragestellungen zum Lehren und Lernen mit digitalen Medien und der Hochschuldidaktik, insbesondere mit forschendem Lernen in der Online-Lehre. Dominic Hassler Herr Hassler arbeitet an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) im „Digital Learning Team“ sowie dem Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung. Er leitet den CAS Unterricht gestalten mit digitalen Medien für Lehrpersonen der Sek. II Stufe. Er unterstützt Dozierende der PHZH sowie https://doi.org/10.1515/9783110754728-016

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Berufsfachschullehrpersonen bei der Konzeption und Durchführung von digital gestützten Unterrichtssettings. Seine Schwerpunkte sind formatives Feedback, mehrstufige Kompetenznachweise, E-Assessment, Blended Learning Formate sowie die Produktion von digitale Lernmedien. Dominic Hassler hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Zürich studiert und ist diplomierter Berufsfachschullehrer. Vor seiner Tätigkeit an der PHZH bildete angehende Kaufleute sowie Detailhandelsfachleute aus. Prof. Dr. Andreas Hebbel-Seeger Prof. Dr. Hebbel-Seeger studierte an der Universität Hamburg Germanistik, Erziehungswissenschaft und Sport. Nach Promotion und 2. Staatsexamen für das Lehramt an der Oberstufe allgemeinbildender Schulen hat er sich zunehmend für das Potential digitaler Medien zu Lehr- und Lernzwecke interessiert und in überwiegend interdisziplinären Projekten zu entwickeln versucht. Seit 2009 ist als Professor fü r Medienmanagement am Campus Hamburg der Hochschule Macromedia tätig. Aktuell ist er beteiligt an einem BMBF-geförderten Forschungsverbundprojekt zur Nutzung von Videotechnologien im Kontext forschenden Lernens unter Crowd-Bedingungen im Themenfeld der Nachhaltigkeit und engagiert sich für immersive Medien in der Hamburger Standortinitiative „NextReality.Hamburg“. Prof.’in Dr.’in Sandra Hofhues Prof.’in Dr.’in Hofhues ist Universitätsprofessorin für Mediendidaktik im Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen. Sie forscht, lehrt und arbeitet zur Mediendidaktik unter Bedingungen von Digitalisierung und Digitalität und setzt zu diesem Zweck qualitative Methoden und empirische Instrumente dokumentarischer Medien- und Organisationsforschung ein. Dr. Sandra Hübner Dr. Hübner arbeitet seit 2008 in der Abteilung Learning Services des Zentrums für Lehren und Lernen (ZLL) der Hochschule Furtwangen (HFU). Als Leiterin der Abteilung koordiniert sie die Unterstützung der Dozierenden in der Digitalisierung der Lehre an der HFU. Konkret gehört dazu die Beratung von Professorinnen und Professoren, Mitarbeitenden in der Lehre, Fakultäten und Zentrale Einrichtungen zur Konzeption und Umsetzung von digitaler Lehre. Frau Dr. Hübner ist ausgebildete Psychologin mit den Studienschwerpunkten Erwachsenenbildung, Lehren und Lernen mit Neuen Medien und Arbeits- und Organisationspsychologie. Hon.-Prof. Dr. Christian Kreidl Hon.-Prof. Dr. Kreidl ist selbständiger Trainer in der Erwachsenenbildung und Vortragender an zahlreichen Hochschulen, beispielsweise an der Wirtschaftsuniversität Wien, der FH Technikum Wien oder auch der FH Wien der WKW. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Wirtschaftspädagogen liegen im Bereich finanzielles Management, betriebliches Rechnungswesen sowie Corporate Finance. Seine Dissertation verfasste er zum Themenbereich E-Learning. Mit seinem Unternehmen beschäftigt er sich unter anderem mit der Entwicklung und dem Einsatz von Planspielen, mit didaktischen

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Konzepten und Umsetzungen sowie Unterrichtsgestaltung. Kreidl ist Autor bzw. Herausgeber von zahlreichen Lehrbüchern und Seminarunterlagen und publiziert auch immer wieder zum Bereich E-Learning, Unterrichtsgestaltung und Einsatz von neuen Medien. Prof. Dr. Dr. Milan Kuhli Prof. Dr. Dr. Kuhli studierte Rechtswissenschaft (1. Staatsexamen) und Mittlere und Neuere Geschichte (Magister mit dem Nebenfach Politologie) an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Nach dem juristischen Referendariat (2. Staatsexamen) wurde er an der GoetheUniversität zum Dr. jur. und zum Dr. phil. promoviert. Auf einen Forschungsaufenthalt an der Faculty of Law der Oxford University folgten die Ernennung zum Juniorprofessor für Strafrecht an der Universität Mannheim und die Zuerkennung der Habilitation durch den Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität. Seit Sommersemester 2016 ist Kuhli Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht einschließlich ihrer internationalen und historischen Bezüge an der Universität Hamburg. Zudem ist er seit Sommersemester 2020 Prodekan für Studium und Lehre der dortigen Fakultät für Rechtswissenschaft. Stefan Krüger Nach Abschluss seines Diploms in Wirtschaftsinformatik an der Berufsakademie Mannheim (heute Duale Hochschule Baden-Württemberg) fand Stefan Krüger seinen Berufseinstieg als klassischer Personalreferent bei einem Software-Hersteller. Auf Grund seiner IT-Affinität rückte er immer mehr an die Schnittstelle zwischen Personalarbeit und IT. In gleichem Maße wuchs die Spezialisierung im Bereich Personalentwicklung. So beriet er nicht nur Kunden bei der Implementierung von Learning Management System, sondern entwickelte selbst Lernpfade und Führungskräftetrainings im Rahmen verschiedener Führungspositionen im Rahmen von Inhouse Positionen.  Aktuell ist er bei der Haufe Akademie als Business Owner für Haufe Learning Experience tätig und unterstützt Organisationen bei der Digitalisierung ihrer Lernprozesse. Dr. Marina Lang Dr. Lang arbeitet als Senior Manager Learning Solutions für digitale Lerntechnologien bei der IMC AG und verantwortet das Thema Learning Analytics. Außerdem ist sie Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen (u. a. Hochschule Kempten). Sie promovierte am Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Oliver Lorenz Den Studiengang „Online.Medien“ absolvierte Oliver Lorenz 2006 an der Hochschule Furtwangen University. Dort entdeckte er auch sein fachliches Herzensthema Digital Learning, dem er bis heute treu geblieben ist. Anfänglich konzentrierte sich seine Tätigkeit in kleineren E-Learning-Agenturen auf die technische Implementierung von Lernplattformen und die Produktion von Lerninhalten. Daraus entwickelte sich ein immer stärker konzeptioneller und strategischer Fokus seiner Arbeit innerhalb der Personalentwicklungen im Mittelstand und in Großkonzernen. Aktuell ist er als Senior Strategist Digital Learning bei Ernst & Young beschäftigt. Dem Thema Weiterbildung bleibt Oliver

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Lorenz auch in seinem Trainer-Ehrenamt beim Deutschen Alpenverein treu, dort bildet er Kletterinteressierte in den Felswänden Europas aus. Dr. Gert Lyon Dr. Lyon ist Psychoanalytiker, Gruppenanalytiker sowie Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin. Die Tätigkeits- und Forschungsschwerpunkte von Lyon sind die gemeindenahe Psychiatrie sowie das Unbewusste im einzelnen Menschen, bei Paaren, in Familien, in Teams und in Organisationen. Hannah Ofterdinger Frau Ofterdinger studierte Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach Beendigung des Referendariats und Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens im Jahr 2018 trat sie eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht einschließlich ihrer internationalen und historischen Bezüge bei Professor Dr. Dr. Milan Kuhli an der Universität Hamburg an. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafvollzugsrecht und Medizinstrafrecht. Darüber hinaus forscht sie zu Strafrecht und Digitalisierung. Sie ist außerdem Mitglied des Think Tanks Lehre und der Arbeitsgruppe zur Installation eines Mentor:innen Programms an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg. Dr. Jutta Pauschenwein Dr. Pauschenwein ist Trainerin, Forscherin und Lehrende. Sie leitet das Forschungszentrum „ZML - Innovative Lernszenarien“ der FH Joanneum in Graz. Die Forschungsschwerpunkte von Frau Pauschenwein sind die Didaktik des E-Learning, offene und ermergente Lernprozesse, Visualisierung und (Online-)Netzwerke. Derzeit leitet sie das Laura Bassi Forschungsprojekt #dienetzwerkerinnen. Dr. Jochen Robes Herr Robes ist selbstständiger Berater und unterstützt seit über 25 Jahren Unternehmen und Organisationen bei der Einführung und Optimierung ihrer Angebote in HR und Corporate Learning. Seine Schwerpunkte bilden die Digitalisierung von Bildungs- und Lernprozessen sowie Fragen des Wissensmanagements. Seit 2018 ist er zudem Hochschullehrer im Studiengang Onlinekommunikation an der Hochschule Darmstadt. Darüber hinaus bloggt er seit 2003 über aktuelle Bildungsthemen (www.weiterbildungsblog.de) und ist Gründungsmitglied der Corporate Learning Community (www.colearn.de). Michelle Rowbotham Frau Rowbotham verantwortet bei Endress+Hauser InfoServe als Mitglied der Geschäftsleitung die Themen Human Resources and Digital Workplace. Ihre Leidenschaft für Innovation, Veränderung und Digitalisierung begleitet sie auf ihren bisherigen beruflichen Stationen in den Bereichen Kommunikation, Marketing, HR und IT. Frau Rowbotham absolvierte ein Studium zur Diplom-

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Mediengestalterin an der Bauhaus-Universität Weimar und ein Masterstudium in Business Management an der DHBW Lörrach. Sabrina Schaper Frau Schaper studierte Soziologie sowie Kommunikations-, Kultur- und Wirtschaftswissenschaften in Bielefeld und Friedrichshafen. Sie ist seit Oktober 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrgebiet Mediendidaktik an der FernUniversität in Hagen. In ihrer Dissertation befasst sie sich mit studentischen Handlungsorientierungen an der Universität als Organisation. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte umfassen qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung, Hochschul(bildungs)forschung und Hochschulentwicklung. Dr. Daniela Schröder Dr. Schröder studierte Amerikanistik, Soziologie und Deutsche Sprachwissenschaft in Frankfurt am Main und Ewing, New Jersey. Abschluss als Magistra Artium, danach Promotion in Englischer Sprachwissenschaft und Sprachgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Von 2013 bis 2018 war Daniela Schröder wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschung und Lehre am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Hamburg. Von 2018 bis 2020 arbeitete Schröder als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätskolleg und koordinierte dort das Kursprogramm Rechtswissenschaft, welches sich mit Lernstrategien beschäftigte. Seit 2021 ist sie Lehrkraft für besondere Aufgaben in der englischen Sprachpraxis an der WWU Münster. Prof. Dr. Annette Strauß Prof. Dr. Strauß studierte an der Universität zu Köln Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Nach ihrer Promotion absolvierte sie ergänzend an der TU Berlin ein Aufbaustudium Medienwissenschaften. Sie arbeitete u. a. im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und als TV- und Online-Redakteurin bevor sie an der Technischen Hochschule Brandenburg die Geschäftsführung der Einrichtung für wissenschaftliche Weiterbildung übernahm. Dabei beschäftigte sie sich intensiv mit verschiedensten Aspekten des lebensbegleitenden Lernens, insbesondere mit den didaktischen Herausforderungen berufsbegleitender Studien- und Weiterbildungsangebote in Blended Learning-, Fernstudien- und Online-Formaten. Seit 2019 ist sie Professorin für Medienmanagement an der Hochschule Macromedia und arbeitet aktuell an der Umsetzung der Online- und Blended Learning-Strategie der Hochschule und den damit verbundenen didaktischen Implikationen. Satjawan Walter Herr Walter arbeitet seit 2010 an der Hochschule Furtwangen (HFU). Er ist stellv. Leiter der Abteilung Learning Services des Zentrums für Lehren und Lernen (ZLL) und Rektoratsbeauftragter für Digitalisierung. Zu seinen Tätigkeiten an der HFU gehören die Beratung zur Konzeption und Umsetzung von (Online-)Lehre, Implementierung von digitalen Prüfungen, die Optimierung und Verstetigung digitaler Lehre sowie die strategische Auseinandersetzung mit organisationalen Digitalisierungsprozessen.

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Herr Walter ist ausgebildeter Mediengestalter und studierte bis 2010 an der Albert-LudwigsUniversität Freiburg Instructional Design, Kognitionswissenschaft und Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkten in empirischer Lehr-/Lernforschung, eLearning und Erwachsenenbildung. Stephanie Walther Frau Walther ist bei Endress+Hauser InfoServe für den Bereich Marketing Communication verantwortlich und begleitet die Digital Workplace Transformation bei Endress+Hauser im Change Management. Frau Walther studierte an der Hochschule der Medien in Stuttgart und hat ihr Studium im Studiengang Werbung und Marktkommunikation als Diplom-Wirtschaftsingenieurin (FH) abgeschlossen.