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German Pages 274 [260] Year 2006
Timm Gudehus Dynamische Disposition
Timm Gudehus
Dynamische Disposition Strategien zur optimalen Auftrags- und Bestandsdisposition
2., verbesserte und erweiterte Auflage mit 61 Abbildungen und 7 Tabellen
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Dr. Timm Gudehus Strandweg 54 22587 Hamburg [email protected]
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN–10 3-540-32236-1 Berlin Heidelberg New York ISBN–13 978-3-540-32236-8 Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Umschlaggestaltung und Satz: medionet AG, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort zur 2. Auflage
Dieses Buch über neue Verfahren der Dynamischen Disposition (DD) ist vor vier Jahren erstmals erschienen. Die Resonanz reicht von uneingeschränkter Zustimmung [amazon 2003] über großes Interesse [Management Circle 2003; google 2005] bis zum Verriß [Tempelmeier 2003]. Die erfolgreiche Implementierungen in mittelständischen Unternehmen und die Bereitschaft einiger Softwareanbieter, die DD-Algorithmen in ihre Dispositionsprogramme aufzunehmen, zeigen die zunehmende Aktualität. Zwei Beratungsunternehmen bieten inzwischen auch Simulationsprogramme zum Nachweis der Potenziale der dynamischen Disposition [Miebach 2004; Reinhardt & Ahrens 2003]. Abgesehen von einigen Ergänzungen, wie der Abschnitt über elektronisches Kanban und die Modellfunktionen für die mittel- und langfristige Bedarfsprognose, enthält die 2. Auflage unverändert den Inhalt der Erstauflage. Hinzu gekommen sind zwei neue Dispositionsverfahren, die im Zuge von Einführungsberatungen entwickelt wurden. Die Disposition bei begrenzter Produktionsleistung ist Gegenstand eines neuen Kapitels. Die Zentraldisposition dezentraler Bestände wird in einem Zusatzabschnitt zum Kapitel über Netzwerkdisposition behandelt. Die beigefügte CDROM enthält außer den Test- und Kalkulationsprogrammen der Erstauflage die Programme zu den beiden Ergänzungen, mit denen sich weitere Potenziale zur Kosten- und Bestandssenkung eröffnen. Die dynamische Disposition der Aufträge und Bestände in den Beschaffungs- und Versorgungsnetzen ist der Schlußstein des Supply Chain Management. Den potentiellen Nutzen wird sie voll entfalten, wenn auch das Management großer Konzerne die Bedeutung und Potentiale der dynamischen Disposition erkennt und die Implementierung unterstützt. Dazu soll die 2. erweiterte Auflage beitragen. Timm Gudehus Hamburg, im März 2006
Vorwort
Alle Welt redet und schreibt über Enterprise Resource Planning (ERP), Supply Chain Management (SCM), Advanced Planning and Scheduling (APS), Efficient Consumer Response (ECR) und globales Netzwerkmanagement. Die in Aussicht gestellten Potenziale der Kostensenkung und Serviceverbesserung sind erstaunlich, die Erwartungen entsprechend hoch [Breiter 1996; Christopher 1992; Cooper 1997; Förster 1995; Landold 2002; Prockl 2001; Ritter 1997; Schieg 2002; Schmidt 2000]. Die Praxis zeigt jedoch, daß die Serviceverbesserungen und Kostensenkungen nach Einführung eines ERP- oder SCM-Systems in vielen Unternehmen bei weitem nicht den Erwartungen entsprechen. In einigen Fällen haben sich sogar die Gesamtkosten erhöht oder die Lieferfähigkeit und die Termintreue verschlechtert [Dittrich et al. 2000]. Die Gründe sind Mängel und Fehler der zur Disposition eingesetzten Standardsoftware sowie die unzureichenden Kenntnisse der Mitarbeiter und des Managements über die Strategien, Möglichkeiten und Grenzen der Disposition. Die ERP- und SCM-Standardsoftware der bekannten Hersteller bietet unterschiedliche Möglichkeiten zur Prognose, eine Vielzahl von Dispositionsverfahren und Fertigungsstrategien sowie zahlreiche Parameter [SAP 1994; Zeier 2001; ERP-Standardsoftware 2003]. Die Dispositionsprogramme geben dem Benutzer jedoch keine Entscheidungshilfen für den Einsatz der angebotenen Verfahren und die Festlegung der freien Parameter [Dittrich et al. 2000]. Viele Standardprogramme sind außerdem unvollständig, verwenden unzulängliche oder falsche Berechnungsformeln und arbeiten weitgehend statisch. Wegen der unter Fachleuten bekannten Unzulänglichkeiten der ERPund SCM-Standardsoftware bietet eine zunehmende Zahl kleinerer Softwareunternehmen spezielle Dispositionsprogramme an. Die Spezialprogramme führen unter Verwendung von Auftragsdaten aus einem übergeordneten ERP-System eigene Prognoserechnungen durch. Einige Softwareunternehmen bieten auch eine mehr oder weniger dynamisierte Lagerdisposition an. Die Wirksamkeit der verwendeten Strategien und Algorithmen ist jedoch schwer zu beurteilen, da diese aus Wettbewerbs-
VIII
Vorwort
gründen in der Regel nicht ausreichend dokumentiert und erläutert werden [Dispositions-Spezialsoftware 2002]. Aufgaben, Handlungsmöglichkeiten und Verantwortung der Disponenten werden in vielen Unternehmen nicht angemessen wahrgenommen. Die Disponenten arbeiten häufig nach Erfahrungsregeln, die weder schriftlich fixiert noch untereinander abgestimmt sind. Ihre Kenntnisse und Vorstellungen über die Auswirkungen ihres Handelns weichen voneinander ab. So kann ein technisch gleichartiger Artikel für denselben Bedarf in einem Unternehmensbereich ein Lagerartikel und im anderen ein Auftragsartikel sein. Die Hauptursache für die Mängel der Dispositionsprogramme und die falschen Vorstellungen der Disponenten sind die teilweise unklaren und widersprüchlichen Aussagen der Lehre und Forschung, die in einer kaum noch überschaubaren Vielzahl von Veröffentlichungen und Fachbüchern zu finden sind. Manche Erklärungen, Algorithmen und Formeln der einschlägigen Lehrbücher der Materialwirtschaft, der Logistik, der Produktionsplanung und des Operations Research sind unzulässig vereinfacht, nicht praktikabel oder falsch [Bichler 1997; Churchman 1961; Dittrich et.al. 2000; Hartmann 1977; Inderfurth 1999; Schneeweiß 1981; Schulte 1995; Soom 1980; Tempelmeier 1999; Wannenwetsch 2002; Wöhe 2000; Zipkin 2000]. Zur dynamischen Disposition der Aufträge und Bestände in Lieferketten und Logistiknetzen hat der Verfasser ein in sich schlüssiges Regelwerk entwickelt. Das in diesem Buch vorgestellte Regelwerk hat sich in Unternehmen des Handels, der Industrie und der Logistik bewährt und ist in allen Branchen anwendbar. Zentraler Bestandteil des Regelwerks ist eine Reihe neuer Algorithmen und Berechnungsformeln. Mit der Einführung des Regelwerks und nach entsprechender Anpassung der Dispositionsprogramme lassen sich bei Einhaltung einer geforderten Lieferfähigkeit und Termintreue die entscheidungsrelevanten Logistikkosten minimieren. Die dynamische Disposition von Standardaufträgen und Lagerartikeln wird automatisch vom Programm ausgeführt. Sie wird damit weitgehend unabhängig von Personen und entlastet die Disponenten von Routinearbeiten. Die erreichbaren Einsparungen und Verbesserungen werden anhand von Beispielen dargestellt. Die Einhaltung der angestrebten Lieferfähigkeit wird durch Simulationsrechnungen belegt. Mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Simulationsprogramme kann der Leser eigene Testrechnungen, Sensitivitätsanalysen und Kostenkalkulationen durchführen. Das Buch richtet sich primär an Logistiker und SCM-Manager, die für Kosten, Bestände, Servicegrad und Produktion verantwortlich sind. Das
Vorwort
IX
hier vorgestellte Dispositionsregelwerk ist ein Leitfaden für Disponenten und andere an der Disposition beteiligte Mitarbeiter. Das Buch enthält zugleich die Grundlagen eines Lastenhefts für die Beschaffung einer leistungsfähigen Dispositionssoftware und zur Verbesserung einer unzulänglichen Standardsoftware. Damit ist erreichbar, daß nicht länger die Funktionalitäten der Standardsoftware die Möglichkeiten der Disposition begrenzen, sondern der Dispositionsbedarf des Unternehmens die Funktionalitäten der Software bestimmt. Außerdem enthält das Buch Empfehlungen zur Auswahl der Prognose- und Dispositionsverfahren sowie zur Einstellung der Dispositionsparameter von SAP R/3 und anderer Standardsoftware. Für Unternehmensberater, Betriebswirte und Logistiker bietet das Buch grundlegende Informationen über die dynamische Disposition, ohne die ein effizientes Supply Chain Management nicht möglich ist. Das Werk vermittelt den Studierenden der Logistik, Produktionswirtschaft und Betriebswirtschaft die Grundlagen der Disposition und möchte die Forschung zu neuen Wegen anregen, denn auf dem Gebiet der zentralen Netzwerkdisposition sind noch viele Fragen offen. Neueinsteigern und eiligen Lesern wird empfohlen, nach dem Einführungskapitel zunächst die Einleitungen der Kapitel und die fett gedruckten Formeln und Regeln der einzelnen Abschnitte zu lesen. Das erleichtert das Verständnis der Zusammenhänge beim anschließenden Lesen des gesamten Textes. Timm Gudehus Hamburg, Frühjahr 2002
Danksagung
Während meiner langjährigen Berufstätigkeit als Geschäftsführer verschiedener Industrieunternehmen und als Unternehmensberater für Strategie und Logistik habe ich die ungenutzten Potenziale der Disposition kennen gelernt. Ich bin erfahrenen Disponenten begegnet, die meist im Stillen wirken. Von ihnen habe ich viel gelernt. Sie und andere haben zu den Ideen, Lösungen und Strategien, die in dieses Buch eingeflossen sind, direkt oder indirekt beigetragen. Ihnen allen danke ich für ihr Interesse, ihre Anregungen und ihre Hilfe. Mein besonderer Dank gilt den Verantwortlichen und Disponenten in den Unternehmen, die bereit waren, meine Vorschläge konstruktiv zu diskutieren und neue Lösungen in der Praxis umzusetzen. Besonders danke ich Martin Reinhardt und Johannes Ahrens für die gute Zusammenarbeit in den gemeinsamen Projekten zur Dispositionsoptimierung, für ihre Unterstützung und für wertvolle Diskussionsbeiträge. Für weitere Anregungen und ihre Unterstützung bei der 2. Auflage danke ich Dr. Michael Mehldau, Johannes Ahrens und Andreas Hartwig. Dem Springer-Verlag, insbesondere Herrn Thomas Lehnert, danke ich für die rasche Veröffentlichung und Frau Lydia Lika für die sorgfältige Gestaltung des Buches. Frau Iris White und Juliane Wensch sei gedankt für die ausgezeichnete Bearbeitung der 2. Auflage. Meine beste Ratgeberin, geduldigste Zuhörerin und kritische Gesprächspartnerin war und ist meine Frau, Dr. phil. Heilwig Gudehus. Wir haben die faszinierenden Fragen zentraler und dezentraler Strukturen, die weit über das begrenzte Thema dieses Buches hinaus führen, seit Jahren unter allen möglichen Aspekten immer wieder diskutiert. Mit herzlichem Dank widme ich daher dieses Buch meiner Frau. Timm Gudehus Hamburg, im Juni 2002/März 2006
Inhalt
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV
Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung, Disposition und Steuerung . . . . . . . . . . . . Dynamische Disposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Auftrags- und Lagerdisposition . . . . . . . Grundregeln und Prinzipien der dynamischen Disposition Vorgehen der weiteren Darstellung . . . . . . . . . . . . . Herleitungen und Simulationstests . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Realisierung . . . . . . . . . . . . . .
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. 1 . 2 . 5 . 7 . 8 . 10 . 11 . 12
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
Netzwerkmanagement und Disposition . . . . Strukturelemente von Logistiknetzen . . . . . . Ziele und Grundstrategien der Disposition . . . Dezentrale und zentrale Disposition . . . . . . Subsidiaritätsprinzip und Entkopplungsprinzip Dispositionsrelevante Logistikkosten . . . . . .
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15 17 20 22 24 26
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
Aufträge und Bedarfsarten . . . . . . . . . . . Auftragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auftragsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodenabsatz und Periodenbedarf . . . . . . Periodenlänge und Termintreue . . . . . . . . . Primärbedarf, Sekundärbedarf und Folgebedarf Verbrauchsbedarf und Planbedarf . . . . . . . Bestandsarten und Lagerbereiche . . . . . . . .
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29 29 31 32 34 34 36 37
4 Dynamische Bedarfsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1 Kurzfristige Bedarfsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.2 Effekte der dynamischen Glättung . . . . . . . . . . . . . . . . 41
XIV
Inhalt
4.3 4.4 4.5 4.6
Adaptiver Glättungsfaktor . . . . . . . . . . Mittelfristige Absatz- und Umsatzprognose Prüfung der Prognostizierbarkeit . . . . . . Bedarfsprognose in Logistiknetzen . . . . .
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5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
Lieferzeiten und Termintreue . . . . . . . Auftragslieferzeit und Lagerlieferzeit . . . Aktuelle Wiederbeschaffungszeit . . . . . Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit Pünktlichkeit und Termintreue . . . . . . Direktlieferzeit bei Auftragsbündelung . .
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. 55 . 55 . 56 . 57 . 58 . 60
6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9
Lagerbestand und Nachschubstrategien . . . . Lagerbestand und Meldebestand . . . . . . . . Programmierbare Nachschubstrategien . . . . Bereitstellverfahren und Kanban . . . . . . . . Meldebestandsverfahren . . . . . . . . . . . . Zykluszeitverfahren . . . . . . . . . . . . . . . Nachschubmengen und Bestandsrestriktionen Verpackungseinheiten und Ladeeinheiten . . . Ladeeinheitenbestand . . . . . . . . . . . . . . Lagerplatzbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . .
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63 63 66 68 74 78 79 81 84 84
7 7.1 7.2 7.3
Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand . . Mittlere Lieferfähigkeit . . . . . . . . . . . Dynamischer Sicherheitsbestand . . . . . . Einflußfaktoren auf den Sicherheitsbestand
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87 88 91 94
8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9
Minimale Logistikkosten . . . . . . . . . Auftrags- und Einlagerkosten . . . . . . . Lagerhaltungskosten . . . . . . . . . . . . Auftragslogistikkosten . . . . . . . . . . . Lagerlogistikkosten . . . . . . . . . . . . Optimale Nachschubmenge . . . . . . . . Kostenopportunität der Lagerhaltung . . Sicherheitskosten und Lieferfähigkeit . . Approximative Nachschubberechnung . . Sicherheitsbestand und Nachschubmenge
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99 100 101 102 104 109 115 119 121 123
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44 46 49 50
9 Logistische Sortimentseinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 9.1 Lagerhaltung oder Auftragsfertigung . . . . . . . . . . . . . . . 125 9.2 Lagerartikel und Auftragsartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
Inhalt
XV
9.3 Servicegrad und Serviceklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 9.4 Rollierende Sortimentsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 9.5 ABC- und XYZ-Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 10 Permanente Auftragsdisposition . . . . . . . . . . . . 10.1 Auftragslieferung oder Lagerlieferung . . . . . . . . . 10.2 Erzeugnisarten und Produktionstypen . . . . . . . . . 10.3 Erzeugnisbedarf und Materialbedarf . . . . . . . . . . 10.4 Leistungskennzahlen der Produktionsstellen . . . . . . 10.5 Aufbauorganisation der Produktion . . . . . . . . . . . 10.6 Fertigungsplanung und Fertigungsdisposition . . . . . 10.7 Reihenfolge-, Abfertigungs- und Zuordnungsstrategien 10.8 Dynamische Fertigungsdisposition . . . . . . . . . . . 10.9 Beschaffungsdisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.10Versanddisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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133 133 135 136 138 140 142 145 147 149 150
Dynamische Lagerdisposition . . . . . . . . . . . Standarddisposition der Lagerartikel . . . . . . . Kritische Lagerartikel . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl der Bestellpunktstrategie . . . . . . . . Zuweisung kostenoptimaler Ladungsträger . . . . Auswirkungen der dynamischen Lagerdisposition Elektronisches Kanban . . . . . . . . . . . . . . .
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153 153 154 155 156 156 158
12 Dynamische Disposition bei begrenzter Produktionsleistung 12.1 Mengenabhängige Lieferzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Anlieferstrategien und Bestandsverlauf . . . . . . . . . . . . . 12.3 Mittlerer Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Kostenoptimale Nachschubmengen . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand . . . . . . . . . . . . . 12.6 Parallelproduktion bei großem Bedarf . . . . . . . . . . . . . 12.7 Strategieanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.8 Opportunität der Auftragsfertigung . . . . . . . . . . . . . . . 12.9 Direktversorgung über Pufferplätze (Crossdocking) . . . . . . 12.10 Effiziente Versorgung und kontinuierlicher Nachschub . . . .
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161 161 162 164 166 170 172 175 176 177 181
Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung . . . . . . Disposition mehrstufiger Leistungsketten . . . . . . . . Dezentrale Pulldisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . Dezentrale Pushdisposition . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Netzwerkdisposition . . . . . . . . . . . . . . . Kombination von dezentraler und zentraler Disposition .
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183 184 187 187 188 189
11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6
13 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5
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XVI
Inhalt
13.6 13.7 13.8 13.9
Engpaßstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestandszentralisierung . . . . . . . . . . . . . . Zentraldisposition dezentraler Lager . . . . . . . Bedarfsaufschaukelung und Peitschenknalleffekt
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190 193 197 203
14 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6
Datenbedarf und Logistikcontrolling . . . . . . Logistikstammdaten und Dispositionsparameter Statische Artikelstammdaten . . . . . . . . . . . Dynamische Artikelstammdaten . . . . . . . . . Anzeigebedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Logistikcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungspreise und Leistungskostensätze . . . .
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207 207 209 211 212 212 213
15 Auftragszentrum und Implementierung . . . . . . . . . . . . . 217 15.1 Aufgaben des Auftragszentrums . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 15.2 Implementierung des Dispositionsregelwerks . . . . . . . . . . 218 16 16.1 16.2 16.3 16.4 16.5
Simulationstools . . . . . . . . . . . . . . . . . Tools zur stochastischen Simulation . . . . . . Aufbau der Simulationsprogramme . . . . . . Modellfunktion zur Absatzsimulation . . . . . Benutzerhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . Kalkulationstool für analytische Berechnungen
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1 Abbildung 1.2 Abbildung 1.3 Abbildung 1.4 Abbildung 2.1 Abbildung 2.2 Abbildung 2.3 Abbildung 2.4 Abbildung 3.1 Abbildung 3.2 Abbildung 4.1 Abbildung 4.2 Abbildung 4.3 Abbildung 4.4 Abbildung 4.5 Abbildung 4.6 Abbildung 5.1 Abbildung 6.1 Abbildung 6.2
Netzwerk und Lieferketten der Konsumgüterversorgung Netzwerk und Lieferketten der Gebrauchsgüterversorgung Netzwerk und Lieferketten des Anlagenbaus und der Projektlogistik Bestandsverlauf eines Fertigerzeugnisses ohne und mit dynamischer Disposition Logistiknetzwerk eines Automobilwerks Lieferkettenelement in einem Logistiknetzwerk Strukturelemente von Logistikketten und Logistiknetzen Elementare Regelglieder und relevante Kosten der Auftragsbeschaffung und der Lagerbeschaffung Auftragseingang einer Verkaufsniederlassung für PKW Zeitlicher Verlauf des Dispositionsbestands eines Artikels mit stationärem Verbrauch Abhängigkeit des Gewichtsfaktors der dynamischen Glättung von der Glättungsreichweite Kurzfristige Bedarfsprognose eines Artikels mit stochastisch und systematisch veränderlichem Periodenbedarf Adaption des Glättungsfaktors a an die aktuelle Streuung Dynamische Bedarfsprognose eines Artikels mit plötzlich einsetzendem Bedarf Dynamische Mittelfristprognose eines Bedarfsverlaufs aus den Saisongewichten des Vorjahres Lieferkette mit verzögerter und mit unverzögerter Absatzinformation Zeitstrategien und Termintreue einer Leistungsstelle Simulierter Nachschub und Bestandsverlauf für einen Lagerartikel mit dem Absatzverlauf Abb. 4.2 Bereitstellplatz mit Nachschub nach dem Bereitstellverfahren (Kanban- oder Flip-Flop-Prinzip)
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 6.3a/b Simulierter Nachschub und Bestandsverlauf bei Disposition nach dem Bereitstellverfahren mit fester Nachschubmenge Abbildung 6.4 Artikeleinzeldisposition nach dem Meldebestandsverfahren Abbildung 6.5 Bestellpunktabhängige Einzeldisposition Abbildung 6.6 Zyklische Sammeldisposition Abbildung 6.7 Ladeeinheitenbedarf als Funktion der Füllmenge Abbildung 7.1 Geforderte Lieferfähigkeit und simulierte Lieferfähigkeit als Funktion des Sicherheitsbestands Abbildung 7.2 Exakter und approximativer Sicherheitsfaktor Abbildung 7.3 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Lieferfähigkeit Abbildung 7.4 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Lieferfähigkeit für unterschiedliche Wiederbeschaffungszeiten und WBZ-Streuung Abbildung 7.5 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Absatzstreuung für unterschiedliche Lieferfähigkeiten Abbildung 7.6 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Wiederbeschaffungszeit für unterschiedliche Lieferfähigkeiten Abbildung 7.7 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der WBZStreuung für unterschiedliche Lieferfähigkeiten Abbildung 8.1 Abhängigkeit der Logistikstückkosten vom Periodenabsatz bei Auftragslieferung und bei Lagerlieferung Abbildung 8.2 Abhängigkeit der Lagerlogistikkosten von der Nachschubmenge Abbildung 8.3 Einfluß des Sicherheitsbestands auf die Lagerlogistikkosten Abbildung 8.4 Abhängigkeit der Lagerlogistikkosten vom Periodenabsatz Abbildung 8.5 Abhängigkeit der Lagerlogistikkosten vom Periodenabsatz bei optimalem Lagernachschub Abbildung 8.6 Abhängigkeit der optimalen Nachschubmenge vom Periodenabsatz Abbildung 8.7 Abhängigkeit der optimalen Nachschubmenge vom Beschaffungspreis Abbildung 8.8 Abhängigkeit der optimalen Nachschubmenge von den Nachschubauftragskosten Abbildung 8.9 Abhängigkeit der optimalen Nachschubmenge von den Lagerplatzkosten Abbildung 8.10 Simulation der dynamischen Logistikstückkosten und des Lageropportunitätsgewinns
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 8.11 Abbildung 8.12 Abbildung 9.1 Abbildung 10.1 Abbildung 10.2 Abbildung 11.1 Abbildung 12.1 Abbildung 12.2 Abbildung 12.3 Abbildung 12.4 Abbildung 12.5 Abbildung 12.6 Abbildung 12.7 Abbildung 13.1 Abbildung 13.2 Abbildung 13.3 Abbildung 13.4 Abbildung 13.5 Abbildung 13.6 Abbildung 16.1
XIX
Die lageropportune Liefermenge in Abhängigkeit vom Periodenabsatz Abhängigkeit der Risikokosten von der Lieferfähigkeit Absatzverteilung und Umsatzverteilung eines Artikelsortiments Fertigungsstruktur in einem Betrieb der Beschlagindustrie Innerbetriebliche Fertigungsketten für Kleinteile Dynamische Nachschub- und Bestandsdisposition eines Artikels mit plötzlich einsetzendem Bedarf Bestandsverlauf bei stationärem Bedarf ohne stochastische Streuung für geschlossene und für kontinuierliche Nachschubanlieferung Nachschubabhängigkeit der Lagerlogistikkosten für kontinuierliche und geschlossene Anlieferung mit und ohne Produktionsbegrenzung Bedarfsabhängigkeit der kostenoptimalen Nachschubmenge für kontinuierliche und geschlossene Anlieferung mit und ohne Produktionsbegrenzung Nachschubzulauf und Lagerbestand bei gebrenzter Produktionsleistung und kontinuierlicher Anlieferung Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Nachschubmenge für kontinuierliche und geschlossene Anlieferung Nachschubzulauf und Lagerbestand bei kontinuierlicher Nachschubfertigung auf Parallelanlagen Indirekte Versorgung über Lager- und Direktversorgung über Pufferplätze Freie Terminierung und Just-In-Time Disposition einer Leistungsstelle Dezentrale und zentrale Disposition nach dem Pullprinzip und dem Pushprinzip Vorabfertigung für eine absehbare Engpaßphase Konkurrierende Lieferketten zur Versorgung von Filialen und Märkten des Handels Mehrstufiges Versorgungsnetz mit dezentralen Auslieferlagern Bestandsverlauf und Bestellpunkte von 2 Lagern bei zentraler Disposition Modellfunktionen zur mittel- und langfristigen Bedarfssimulation
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3.1 Tabelle 9.1 Tabelle 14.1 Tabelle 14.2 Tabelle 16.1 Tabelle 16.2 Tabelle 16.3
Ladungsträger und Ladeeinheiten Sortimentseinteilung in Serviceklassen Richtkostensätze für innerbetriebliche Logistikleistungen Richtkostensätze für Transport- und Frachtleistungen Eingabetabelle DYNDIS.XLS Artikelstammdaten und Absatzparameter Eingabetabellle DYNDIS.XLS Kostensätze und Dispositionsparameter Ergebnistabelle DYNDIS.XLS Simulationsergebnisse der dynamischen Disposition eines Lieferkettenelements mit und ohne Lager
1 Einführung
Industrieunternehmen, die materielle Produkte herstellen, und Handelsunternehmen, die mit diesen Produkten handeln, sind Teilnehmer eines Wertschöpfungsnetzwerks, das andere Unternehmen mit Rohmaterial, Teilen, Maschinen und Anlagen beliefert und die Endverbraucher mit Konsum- und Gebrauchsgütern versorgt. Ein solches Netzwerk mit den Lieferketten der Konsumgüterversorgung ist in Abb. 1.1 dargestellt, ein Netzwerk der Gebrauchsgüterversorgung in Abb. 1.2. Die Transporte, das Lagern und das Umschlagen der Güter übernehmen heute weitgehend die Logistikdienstleister [Arnold et al. 2002; Gudehus 2005]. Die Lieferketten von den Rohstoffquellen bis zum Endverbraucher stehen miteinander in einem permanenten Wettbewerb. Gewinner in diesem Wettbewerb der Lieferketten sind die Unternehmen, die Aufträge der Abnehmer ihrer Produkte und Leistungen zu minimalen Kosten zuverlässig ausführen. Das erfordert eine leistungsfähige Disposition.
Rohstoffaufbereitung
Weiterverarbeitung
Lebensmittelund Pharmaind.
Forstwirtschaft
Papier- und Kunstoffindustrie
Druck- und Verpackungsindustrie
Druckerzeugnisse
Bergbau Ölförderung
Rohstoffaufbereitung Ölindustrie
Chemische Industrie
Konsumgüterund Textilindustr.
Landwirtschaft
Grundstoffindustrie
Packmittel
Verarbeitende Industrie
Abb. 1.1 Netzwerk und Lieferketten der Konsumgüterversorgung
Lebensmittel Pharmazeutika
Groß- und Einzelhandel
Haushalte und Konsumenten
Konsumgüter Textilien
Handel
Konsumenten
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1 Einführung
Mineralölindustrie
Chemische Industrie
Gummi- u. Kunstoffindustrie
ElektroElektronikMöbelindus.
Fachhandel
Bergbau
Hüttenwerke
Metallindustrie
Maschinen/ Werkzeugbau
Groß- und Einzelhandel
Rohstoffgewinnung
Holz-, GlasKeramikindustrie
Zuliefererindustrie
Automobilindustrie Fahrzeugbau
Fahrzeughändler
Grundstoffindustrie
Verarbeitende Industrie
Handel
Haushaltsgeräte Möbel Elektronik
Haushalte Endkunden
Automobile Fahrzeuge
Nutzer
Abb. 1.2 Netzwerk und Lieferketten der Gebrauchsgüterversorgung
Infolge des Wettbewerbs, wegen des wechselnden Bedarfs und durch die Einführung neuer Produkte verschieben und verändern sich die Warenströme in den Lieferketten. Um die Kunden nicht an die Konkurrenz zu verlieren, sind die eingehenden Anfragen und Aufträge umgehend zu bearbeiten. Nur eine dynamische Disposition, die stehts die aktuellen Veränderungen berücksichtigt, sichert ein schnelles und angemessenes Reagieren auf die Anforderungen der Kunden und die Veränderungen des Marktes.
1.1 Planung, Disposition und Steuerung Die Begriffe Planung, Disposition und Steuerung haben in Betriebswirtschaft und Technik, in Informatik, Logistik und Produktion wie auch in Theorie und Praxis unterschiedliche Bedeutungen. In einigen Bereichen wird die Disposition nur am Rande erwähnt, in anderen wird sie garnicht behandelt [Kern 1997; Klaus/Krieger 1998; Landolf 2002; Weber/Baumgarten 1999; Schulte 1995; Wöhe 2000]. Das kann dazu führen, daß der gleiche Begriff für unterschiedliche Vorgänge verwendet oder derselbe Vorgang mit verschiedenen Begriffen bezeichnet wird. So wird die Einteilung und Zuweisung von Fertigungskapazitäten zur Ausführung vorliegender Aufträge von den einen als Planung, von den anderen als Disposition und von wieder anderen als Steuerung bezeichnet. Zur weiteren Verwirrung trägt der vielschichtige Begriff Management bei, der die Planung, Disposition und Steuerung umfaßt, aber ähnlich wie der Begriff Organisation im Anspruch weit darüber hinaus geht [Schönsleben 1998; Wöhe 2000].
1.1 Planung, Disposition und Steuerung
3
Organisation ist der funktionsgemäße Ausbau und die planmäßige Gestaltung von sozialen Systemen, in denen Menschen und Objekte in einem Strukturzusammenhang stehen [Brockhaus 1997]. Der Begriff Organisation wird wie der Begriff Logistik auf zwei sprachlichen Ebenen verwendet: er bezeichnet einerseits die Vorgänge des ordnenden Gestaltens und andererseits das Ergebnis dieser Vorgänge. Eine grundlegende Erkenntnis der mathematischen Logik besagt jedoch, daß ohne eine präzise Trennung der Begriffsebenen die Gefahr von Widersprüchen und sinnlosen Aussagen besteht [Guerrerio 2001]. Ebenso vielfältig, verwirrend und in der Abgrenzung unklar sind die Bezeichnungen der zur Planung, Disposition und Steuerung eingesetzten DV-Systeme, wie die Systeme des Supply Chain Management (SCM), Enterprise Ressource Planning (ERP), Advanced Planning and Scheduling (APS) und Material Requirement Planning (MRP), die Waren-Wirtschafts-Systeme (WWS), die Lager-Verwaltungs-Systeme (LVS), die Produktions-Planungs- und Steuerungssysteme (PPS) und die Prozeßsteuerungssysteme. Um den Gegenstand dieses Buches klar zu umreißen und um Mißverständnisse zu vermeiden, werden hier die Begriffe Planung, Disposition und Steuerung wie folgt definiert: • Die Planung (planning) ist die Auswahl, Strukturierung, Dimensionierung und Optimierung der Prozesse, Netzwerke und Ressourcen zur Erfüllung zukünftiger Leistungsanforderungen. • Die Disposition (scheduling) ist die mengenmäßige Aufteilung von Aufträgen mit aktuellen Leistungsanforderungen und die terminierte Zuweisung zu den verfügbaren Ressourcen. • Die Steuerung (control) lenkt den operativen Betrieb in einem Produktions- oder Leistungsbereich und regelt die Ausführung der in Menge, Inhalt und Termin fest vorgegebenen Aufträge. Die mittelfristige Unternehmensplanung und die langfristig ausgerichtete Strategieplanung berücksichtigen den Bedarf eines Zeitraums von mehreren Monaten bis zu einigen Jahren. Sie arbeiten mit unscharfen Informationen und unsicheren Erwartungen. Die Unternehmensplanung kennt in der Regel nur die Durchschnittswerte eines Sortiments und macht pauschale Annahmen über die Menge, Struktur und Anzahl der Aufträge. Der Projektplanung liegt dagegen ein konkreter Einzelauftrag zugrunde, der das Ergebnis spezifiziert und den Fertigstellungszeitpunkt vorgibt. Typische Projekte sind Investitionsvorhaben und Großaufträge des Anlagenbaus, des Schiffbaus, der Verkehrstechnik und des Hoch- und Tiefbaus (s. Abb. 1.3). Aber auch Entwicklungsvorhaben, Verkaufsaktionen und die Markteinführung eines neuen Produkts können Gegenstand einer Projektplanung sein.
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1 Einführung
Metallindustrie Gummi,Kunststoff,Keramik
Maschinenbau, Elektroindustrie
Anlagenbau Stahlbau
Chemieund Farbenindustrie
BauteileHersteller
Handwerk Montageunternehmen
Rohstoffgewinnung
Baustoffindustrie
Bauunternehmen
Einsatzstoffertigung
Vorproduktion
ProjektBaustelle
Ausführungsbetriebe
Abb. 1.3 Netzwerk und Lieferketten des Anlagenbaus und der Projektlogistik
Eine Projektplanung erfordert längere Zeit und ist mit einem relativ hohen Aufwand verbunden. Sie wird jeweils für ein bestimmtes Projekt durchgeführt und im Verlauf der Projektrealisierung fortgeschrieben. Unternehmensplanung und Strategieplanung sind recht aufwändig und selbst mit Rechnerunterstützung nicht in kurzer Zeit durchführbar. Wegen der mittel- bis langfristigen Ausrichtung ist jedoch eine rollierende Unternehmensplanung in größeren Zeitabständen von einem Monat, einem Quartal oder einem Jahr in der Regel ausreichend. Anders als die Planung findet die dynamische Disposition in kurzen Zeitabständen statt, die bei Eilaufträgen wenige Minuten oder Stunden und bei Sammelbeschaffung oder zyklischer Disposition ein oder mehrere Tage lang sind. Die Disposition arbeitet mit sicheren oder relativ gesicherten Informationen: Die Aufträge sind entweder verbindliche Kundenaufträge, Vorgaben einer vorausgegangenen Planung oder aus einer kurzfristigen Bedarfsprognose abgeleitet. Die Empfänger der disponierten Aufträge sind die operativen Leistungsstellen und Leistungsbereiche. Die Betriebssteuerung der operativen Leistungsbereiche und die Prozeßsteuerung der einzelnen Leistungsstellen arbeiten nach sicheren Informationen. Die Steuerung ist verantwortlich für die termingerechte, zuverlässige und korrekte Ausführung der erteilten Aufträge. Eine relativ untergeordnete Rolle spielt die Disposition in der Prozeßindustrie, die aus verfahrenstechnischen Gründen zu einer kontinuierlichen Fertigung oder zu einer eng vernetzten Kuppelproduktion gezwungen ist. Hier dominieren Planung und Prozeßsteuerung. Die Disposition
1.2 Dynamische Disposition
5
beschränkt sich auf die Lieferaufträge und auf das Abfüllen, die Verpakkung, die Lagerhaltung und den Versand der Fertigwaren. Wer langfristig plant, muß das Vorgehen und die Strategien der kurzfristigen Disposition kennen und unter Umständen in frage stellen, denn die Handlungsmöglichkeiten der Planung und die zukünftig benötigten Ressourcen hängen auch von der Disposition ab. Die Organisation der Disposition ist daher eine zentrale Aufgabe der Unternehmensplanung. Hierzu gehören die nachfolgend behandelten Dispositionsstrategien. Wer disponiert, muß die vorgegebenen Rahmenbedingungen, die vorhandenen Strukturen und die verfügbaren Ressourcen als gegeben hinnehmen. Ein guter Disponent kennt die Ziele seiner Auftraggeber, die Möglichkeiten der Betriebssteuerung und die aktuelle Verfügbarkeit der Ressourcen und Bestände. Das vorliegende Buch umreißt die Handlungsspielräume und Optimierungsmöglichkeiten der Disposition. Der Schwerpunkt liegt in der Behandlung der konkreten Aufgaben, Strategien und Algorithmen zur kurzfristigen Disposition von Aufträgen und Beständen auf Artikelebene. Fragen der Planung und Steuerung werden soweit behandelt, wie sie Einfluß auf die kurzfristige Disposition haben. Die Verfahren der mittelfristigen Unternehmensplanung und die Techniken der Projektplanung, wie die Netzplantechnik, sind nicht Gegenstand dieses Buchs. Die hier entwickelten und beschriebenen Dispositionsstrategien, Algorithmen und Formeln lassen sich in einem Dispositionsprogramm auf einem Rechner implementieren. Das Dispositionsprogramm kann auf einem PC installiert werden, als weitgehend autarkes Programmodul unter einem ERP- oder SCM-System laufen oder in ein überlagertes Netzwerkmanagement-System integriert sein.
1.2 Dynamische Disposition Die Disposition der meisten Unternehmen ist statisch. Sie findet in längeren Abständen zu bestimmten Zeitpunkten nach gleichbleibenden Strategien statt. Dabei werden die inzwischen eingetretenen Veränderungen in unterschiedlichem Ausmaß berücksichtigt. In der Chemie- und Prozeßindustrie ist häufig noch die monatliche Disposition zu finden. In großen Handelsketten und Produktionsbetrieben ist die wöchentliche Disposition weit verbreitet. Logistikbetriebe, wie Speditionen und Verkehrsbetriebe, aber auch andere marktnahe Unternehmen disponieren täglich. In der Regel werden die seit der letzten Disposition hinzugekommenen und die noch nicht begonnenen Aufträge neu disponiert und die wichtig-
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1 Einführung
sten Veränderungen der Ressourcen berücksichtigt, wie die Verfügbarkeit von Material und Produktionseinrichtungen. Die Dispositionsstrategien, wie Lagerfertigung oder Auftragsfertigung, und die Strategieparameter, wie Lagernachschubmengen und Sicherheitsbestände, bleiben jedoch lange Zeit unverändert. In dieser Hinsicht ist die Disposition auch in fortschrittlichen Unternehmen immer noch weitgehend statisch. Je kürzer die Dispositionsperioden um so größer ist die Termingenauigkeit und desto kürzer ist die Reaktionszeit. Je flexibler die Anpassung der Dispositionsstrategien und Parameter an die Veränderungen um so besser sind die Ressourcennutzung, die Lieferfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit. Das leistet die dynamische Disposition: • Die dynamische Disposition erfolgt in kurzen Zeitabständen, deren Länge von der geforderten Termingenauigkeit bestimmt wird, nach Strategien, deren Auswahl und Parameter laufend den veränderten Umständen angepaßt werden. Abhängig von der Auslösung der Disposition läßt sich zwischen periodendynamischer Disposition und ereignisdynamischer Disposition unterscheiden: • Die periodendynamische Disposition findet periodisch in kurzen Zeitabständen statt und berücksichtigt alle Veränderungen der Aufträge, Ressourcen und anderen dispositionsrelevanten Ereignisse der letzten Periode. • Die ereignisdynamische Disposition findet unmittelbar nach Eintreffen eines Auftrags, Veränderung einer Ressource, einer Störung oder einem anderen dispositionsrelevanten Ereignis statt. Mit der ereignisdynamischen Disposition ist die größte Flexibilität erreichbar. Aufwand und Zeitbedarf der Disposition nehmen jedoch mit der Ereignishäufigkeit rasch zu, so daß eine rein ereignisdynamische Disposition – selbst wenn sie weitgehend vom Rechner ausgeführt wird – in den meisten Fällen nicht realisierbar ist. Der Zielkonflikt zwischen Flexibilität und Praktikabilität wird gelöst durch die Kombination von perioden- und ereignisdynamischer Disposition: 䉴 Die dynamische Disposition findet regulär in kurzen Zeitabständen
statt und wird bei Eintreffen eines Eil- oder Großauftrags, nach Ausfall einer wichtigen Ressource oder bei einem anderen gravierenden Ereignis neu durchgeführt. Die wichtigsten Eigenschaften der dynamischen Disposition im Vergleich zur herkömmlichen Disposition sind also die rasche Reaktion auf aktuelle Ereignisse und die laufende Adaption der Strategien und Dispositionsparameter an aktuelle Veränderungen.
1.3 Aufgaben der Auftrags- und Lagerdisposition
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1.3 Aufgaben der Auftrags- und Lagerdisposition Zur permanenten Sicherung der aktuellen Wettbewerbsfähigkeit muß ein Unternehmen die eingehenden Kundenaufträge im Rahmen der verfügbaren Ressourcen zu minimalen Kosten ausführen und dabei die vereinbarten Lieferzeiten einhalten. Aus diesem Ziel resultieren die drei zentralen Aufgaben der dynamischen Auftrags- und Lagerdisposition: 1. Logistische Sortimentseinteilung: Einteilung des Lieferprogramms nach Lieferzeit und Servicegrad in Lagerartikel, die ab Lager verfügbar sind und sofort geliefert werden können, und in Auftragsartikel, die nach Auftrag gefertigt oder beschafft werden und erst nach einer bestimmten Lieferzeit verfügbar sind. 2. Permanente Auftragsdisposition: Entscheidung, welche Positionen eines aktuellen Auftrags aus dem Lagerbestand geliefert und welche auftragsspezifisch gefertigt oder beschafft werden, sowie Disposition von Fertigung, Beschaffung und Versand. 3. Dynamische Lagerdisposition: Disposition von Nachschub und Beständen der Lagerartikel zu minimalen Kosten bei Einhaltung der benötigten Lieferfähigkeit. Diese Aufgaben sind unter Berücksichtigung der verfügbaren Kapazitäten und Beschaffungsquellen so zu erfüllen, daß die vereinbarte Lieferfähigkeit der Lagerartikel und die Standardlieferzeit der Auftragsartikel mit einer vorgegebenen Termintreue eingehalten werden. Bei einem breiten Sortiment und einem hohen Auftragseingang ist es unerläßlich, die Disponenten durch ein Dispositionsprogramm zu unterstützen und zu entlasten. Wenn die Disposition der Standardaufträge und des regulären Nachschubs der Lagerartikel vom Programm durchgeführt wird, können sich die Disponenten konzentrieren auf die Disposition von Sonder- und Eilaufträgen, die Neuanlage und Aktualisierung der Artikelund Logistikstammdaten sowie die Kontrolle von Lieferzeiten, Termintreue und Auftragserfüllung. Für die selbstregelnde Unterstützung der Auftrags- und Lagerdisposition durch ein Dispositionsprogramm werden die nachfolgenden Dispositionsstrategien, Prognoseverfahren und Algorithmen zur dynamischen Berechnung der Dispositionsparameter benötigt. Die dynamischen Dispositionsparameter, wie der Glättungsfaktor, der aktuelle Bedarf, der Meldebestand, der Sicherheitsbestand und die Nachschubmenge, werden vom Dispositionsprogramm jeweils aus den Absatzdaten der letzten Periode errechnet. Die Prognostizierbarkeit der Artikel wird laufend überprüft. Da-
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1 Einführung
bei werden die Beschaffungsstrategie, die Bestellpunktstrategie, die Lagerhaltigkeit und die Ladungsträgerzuordnung dynamisch dem aktuellen Artikelabsatz angepaßt.
1.4 Grundregeln und Prinzipien der dynamischen Disposition Die dynamische Disposition der Aufträge und Bestände in den Beschaffungs- und Versorgungsnetzen ist der Schlußstein des Supply Chain Management. Erst sie ermöglicht es, die Hauptziele des SCM zu erreichen: minimale Kosten, marktgerechte Lieferzeiten, hohe Termintreue.
(1.1)
Die dynamische Disposition beruht auf folgenden Grundregeln und Prinzipien: 1. Klare Aufgabenteilung zwischen Disposition und Planung • Disposition kurzzeitig • Planung mittel- bis langfristig • Disposition des aktuellen Bedarfs • Planung von zukünftigem Bedarf und Großprojekten 2. Richtige Organisation der Disposition • dezentrale Disposition von Leistungsstellen und Leistungsbereichen • zentrale Disposition von Lieferketten und Netzwerken • Abstimmung von interner und unternehmensübergreifender Disposition • Subsidiariätsprinzip und Entkopplungsprinzip 3. Dynamische Kurzzeitprognose und rollierende Mittelfristprognose • Dynamische Prognose des kurzfristigen Bedarfs zur Disposition • Rollierende Prognose des Mittel- und Langfristbedarfs für die Planung 4. Sortimentseinteilung in Lagerartikel und Auftragsartikel • Lieferzeitopportunität der Lagerung • Kostenopportunität der Lagerung • Lagerhaltung von Fertigwaren und Vorprodukten • rollierende Aktualisierung der Sortimentseinteilung 5. Permanente Auftragsdisposition • aktuelle Entscheidung von Direktbeschaffung und Lagerlieferung • abgestimmte Fertigungsdisposition • optimale Beschaffungs- und Versandbündelung
1.4 Grundregeln und Prinzipien der dynamischen Disposition
9
6. Dynamische Lagerdisposition • zielabhängige Auswahl der Bestellpunktstrategie • aktuelle Berechnung der kostenoptimalen Nachschubmenge • selbstregelnde Sicherung der Lieferfähigkeit • richtiger Ablauf der Lagerdisposition 7. Richtige und vollständige Stammdaten und Kostensätze • Regelung der Stammdatenbeschaffung • Kalkulation nutzungsgemäßer Kostensätze • Vereinbarung nutzungsgemäßer Leistungspreise • klare Verantwortung für Dateneingabe und Pflege 8. Aufgabenteilung zwischen Disponenten und Dipositionsprogramm • Standardbedarf durch Dispositionsprogramm • Sonderbedarf, Freigaben, Änderungen durch Disponenten Ausgehend von der aktuellen Bedarfsprognose wird entschieden, welche Auftragspositionen direkt gefertigt oder beschafft und welche besser ab Lager ausgeliefert werden. Für die Lagerartikel werden dann die Bestellpunkte und die Nachschubmengen dynamisch so berechnet, daß sich selbstregelnd minimale Kosten ergeben. Die dynamische Disposition sichert marktgerechte Lieferzeiten und eine kostenoptimale Lieferfähigkeit. Sie verhindert überhöhte ebenso wie unzureichende Bestände. Je mehr Standardabläufe der dynamischen Disposition zuverlässig, selbstregelnd und zielführend von einem Rechner ausgeführt werden, um so größer ist die Entlastung der Disponenten. Hieraus resultieren erhebliche Rationalisierungspotentiale im Bereich der heute mit Dispositionsarbeiten belasteten Mitarbeiter, ohne daß damit eine übermäßige Zentralisierung verbunden ist. Die Disposition in den dezentralen Bereichen, in den Fertigungsstellen, im Einkauf, in den Verkaufsbereichen und in den Filialen des Handels, kann soweit vom Rechner ausgeführt oder unterstützt werden, daß hier keine hauptamtlichen Disponenten mehr erforderlich sind. Die verbleibenden Dispositionsaufgaben können von den Fach- und Führungskräften der dezentralen Bereiche neben ihrer übrigen Tätigkeit eigenverantwortlich ausgeführt werden. Zusätzlich zur dezentralen Disposition wird in größeren Unternehmen eine zentrale Auftragsdisposition oder Zentraldisposition benötigt, die mit wenigen hochqualifizierten Disponenten besetzt ist. Zu ihren Aufgaben gehören die Unterstützung der Disposition in den dezentralen Bereichen, die Überwachung des Dispositionsrechners, die Auswahl und Einsatzentscheidung der Dispositionsstrategien, insbesondere der Zentralstrategien,
10
1 Einführung
sowie die laufende Abstimmung der Disposition mit Unternehmensplanung, Controlling, Kunden und Lieferanten.
1.5 Vorgehen der weiteren Darstellung Die Grundregeln und Prinzipien der dynamischen Disposition werden in den folgenden Kapiteln detailliert dargestellt. Die Einleitung eines Kapitels umreißt kurz den behandelten Themenkreis. Die benötigten Begriffe werden jeweils zu Anfang definiert. Die wichtigsten Ergebnisse, Regeln und Formeln sind durch Hinweispfeile (䉴) gekennzeichnet oder fettgedruckt. Abhängig von den Vorkenntnissen und seinem Informationsbedarf kann der eilige Leser die einzelnen Abschnitte nach dem Pull-DownPrinzip lesen oder überschlagen. Im nächsten Kapitel werden die Aufgaben und Strategien des Netzwerkmanagement und der Disposition beschrieben, die Lieferketten und Logistiknetze analysiert und die entscheidungsrelevanten Logistikkosten abgegrenzt. Das Kapitel 3 behandelt den Auftragseingang, die Auftragsstrukturen und den Artikelabsatz sowie die unterschiedlichen Verbrauchsarten und Bestandsarten. Da Auftragseingang und Absatz in der Regel instationär sind und von Tag zu Tag stochastisch schwanken, sind die in Kapitel 4 dargestellten Verfahren zur dynamischen Bedarfsprognose von zentraler Bedeutung für die Disposition. Ebenso wichtig sind die korrekte Definition und Erfassung der Lieferzeiten und Termintreue der Beschaffungsaufträge sowie die richtige Berechnung der Nachschubmengen und Sicherheitsbestände. Diese zentralen Kenngrößen der Disposition und ihre Einflußfaktoren werden in den Kapiteln 5 bis 7 definiert und anhand von Beispielen erläutert. Die Kalkulation und Minimierung der entscheidungsrelevanten Logistikkosten von Lieferkettenelementen und Logistiknetzen sind Gegenstand des Kapitel 8. Hieraus leiten sich die in Kapitel 9 behandelten Kriterien zur logistischen Sortimentseinteilung und die im Kapitel 10 angegebenen Regeln und Strategien für die permante Auftragsdisposition und für die Fertigungsdisposition ab. Danach wird in Kapitel 11 der Standardprozeß der dynamischen Lagerdisposition mit den erforderlichen Dispositionsregeln beschrieben. Das neue Kapitel 12 stellt die dynamische Disposition bei begrenzter Produktionsleistung dar. Kapitel 13 behandelt die Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung in mehrstufigen Versorgungsnetzen. Hier werden auch die Handlungsmöglichkeiten und Ausweichstrategien bei Kapazitätsengpässen dargestellt.
1.6 Herleitungen und Simulationstests
11
Abschließend wird in Kapitel 14 der Datenbedarf für die dynamische Disposition und das Logistikcontrolling spezifiziert. Zuletzt werden in Kapitel 15 die Aufgaben eines Auftragszentrums und die Voraussetzungen der Implementierung des Dispositionsregelwerks behandelt.
1.6 Herleitungen und Simulationstests Die zur dynamischen Disposition benötigten Formeln und Algorithmen lassen sich mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie und Differentialrechnung beweisen. Aus Gründen der Allgemeinverständlichkeit werden schwierigere Beweise, wie die Herleitung der dynamischen Sicherheitsbestandsformel, hier nur kurz skizziert. Die vollständige Herleitung findet der mathematisch interessierte Leser in den zitierten Arbeiten. Die Richtigkeit und die Konsequenzen der Formeln und Algorithmen kann jeder, der mit EXCEL vertraut ist, mit Hilfe der im letzten Kapitel beschriebenen Simulations- und Kalkulationstools testen. In den Simulationstools lassen sich mit einer parametrisierten Modellfunktion unterschiedliche Absatzverläufe erzeugen und für verschiedene Eingabewerte und Parameter die Auswirkungen der Dispositionstrategien auf die Bestände, die Lieferfähigkeit und die Logistikkosten berechnen. Auf diese Weise wurde die mit den Berechnungsformeln angestrebte Kostenminimierung bei Einhaltung der vorgegebenen Lieferfähigkeit durch viele Tausend Simulationsrechnungen systematisch getestet und bestätigt. Bestand [VE] 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 1
51
101 151 Arbeitstage
201
Abb. 1.4 Bestandsverlauf eines Fertigerzeugnisses ohne und mit dynamischer Disposition Obere Kurve: Ist-Verlauf des Artikelbestands Untere Kurve: Simulierter Bestandsverlauf bei optimaler Lagerdisposition
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1 Einführung
Weitere Simulationen wurden unter Verwendung echter Absatzdaten für unterschiedliche Sortimente der Konsumgüterindustrie, des Maschinenbaus, des Handels und der Ersatzteilhaltung durchgeführt. Dabei wurden die Logistikkosten und der Bestandsverlauf eines Lagerartikels, die sich nach dem bisherigen Dispositionsverfahren ergeben haben, verglichen mit den Kosten und dem Bestandsverlauf, die für den gleichen Absatzverlauf aus einer optimalen Lagerdisposition resultieren. Ein solches Simulationsergebnis aus der Praxis zeigt die Abb. 1.4. Das gesamte Dispositionsregelwerk hat sich nach Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten in mehreren Unternehmen praktisch bewährt [Ahrens/Straube 1999; Behrentzen 2000; Winkhaus 2002; Rehau 2005 u.a.].
1.7 Voraussetzungen der Realisierung Die optimale Auftrags- und Lagerdisposition führt nur zu einer Senkung der Kosten bei Einhaltung der geforderten Lieferfähigkeit, wenn sich alle Beteiligten an die vereinbarten Regeln halten und keiner ohne Abstimmung Mengen verändert, Termine verschiebt oder andere Parameter eingibt. Nur wenn die Beteiligten an den Auftrags- und Lieferketten die Auswirkungen ihres Handelns wirklich verstanden haben und von der Richtigkeit des Dispositionsregelwerks überzeugt sind, ist das angestrebte Ziel einer marktgerechten Lieferfähigkeit bei hoher Termintreue zu minimalen Kosten erreichbar. Für die Demonstration der Wirkungszusammenhänge und Einflußfaktoren sowie zur Schulung der Disponenten sind die im letzten Kapitel beschriebenen Simulationstools einsetzbar. Eine weitere Voraussetzung für den Erfolg sind vollständige, korrekte und aktuelle Artikel- und Logistikstammdaten. Die Beschaffung, Eingabe und Pflege der zur Disposition benötigten Stammdaten sind daher verbindlich zu regeln. Die laufende Überprüfung der wichtigsten Zielgrößen Lieferfähigkeit, Lieferzeiten, Termintreue und Logistikkosten ist Aufgabe des Logistikcontrolling, das vom Dispositionsprogramm durch entsprechende statistische Auswertungen und aktuelle Kenndaten unterstützt werden muß. Ein implementiertes und funktionierendes Regelwerk zur rechnergestützten Auftrags- und Lagerdisposition ist auch Voraussetzung für das ecommerce, das neben der beleglosen Kommunikation über das Internet durchgängige Standardprozesse und eine hohe Warenverfügbarkeit erfordert [Straube 2004]. Entscheidend für den Erfolg eines Projekts zur Optimierung der Auftrags- und Lagerdisposition und zur Implementierung des Dispositionsre-
1.7 Voraussetzungen der Realisierung
13
gelwerks ist eine rechtzeitige Einbindung alle Beteiligten und Betroffenen aus Vertrieb, Auftragsabwicklung, Fertigung und Einkauf. Die Implementierung kann erst nach Verabschiedung des Dispositionsregelwerks durch die Verantwortlichen inhaltlich und zeitlich geplant werden. Ohne die Motivation der Beteiligten, ohne die erforderlichen Ressourcen und ohne die volle Unterstützung durch die Unternehmensleitung ist ein derart anspruchsvolles Vorhaben nicht mit dem angestrebten Erfolg durchführbar.
2 Netzwerkmanagement und Disposition
Zentrale Aufgaben des Netzwerkmanagement sind die Abgrenzung des unternehmenseigenen Logistiknetzwerks und die Regelung der Beziehungen zu den Netzwerken der Lieferanten, Kunden und Logistikdienstleister. Für das Logistiknetz des eigenen Unternehmens sind geeignete Leistungsstellen auszuwählen, zu Lieferketten zu verbinden und zu leistungsfähigen Versorgungsnetzen zu verknüpfen. Danach ist die Leistungs- und Speicherfähigkeit der Leistungsstellen und Lieferkettenelemente aufeinander abzustimmen. Nachdem das Unternehmensnetzwerk entsprechend dem mittel- und langfristigen Bedarf abgegrenzt, ausgelegt und dimensioniert ist, werden die operativen Leistungsstellen zu Leistungs- und Funktionsbereichen zusammengefaßt. Diese werden wiederum gemeinsam mit den administrativen Leistungsstellen, wie die Disposition, die Produktionssteuerung und die Arbeitsvorbereitung, in einer Hierarchie von Betrieben, Werken und Gesamtbereichen organisiert. Als Beispiel zeigt Abb. 2.1 das unternehmensübergreifende Logistiknetzwerk eines Automobilunternehmens zur Herstellung von Kleinfahrzeugen (SmartCar). Das Netzwerk des auf grüner Wiese errichteten Werks wurde nach den neuesten Erkenntnissen der Logistik gestaltet und völlig neu aufgebaut. Ein internes Produktionsnetzwerk eines Beschlagherstellers ist in Abb. 10.1 gezeigt. Bei einer hierarchischen Organisation ist eine dezentrale Disposition, eine zentrale Disposition oder eine Kombination beider Dispositionsarten möglich. Die Aufgabenteilung zwischen der dezentralen Disposition und der Zentraldisposition resultiert aus dem Subsidiaritätsprinzip der Disposition. Eine Abgrenzung der Dispositionsbereiche ist mit Hilfe des Entkopplungsprinzips möglich. Im laufenden Tagesgeschäft hat die Disposition die Aufgabe, die eingehenden Aufträge einzuteilen und den Leistungsstellen ihres Dispositionsbereichs zuzuweisen sowie die Materialströme und Warenbestände so zu lenken und zu regeln, daß alle Aufträge zu minimalen Kosten zuverlässig ausgeführt werden.
16
2 Netzwerkmanagement und Disposition
Abb. 2.1 Logistiknetzwerk eines Automobilwerks TH: MW: UP: MC:
Teilehersteller Modulwerke Umschlagpunkte Marketcenter
KH: FM: ZL: MS:
Komponentenhersteller Fahrzeugmontage Zentrallager Verkaufsstellen
Handlungsmöglichkeiten der Disposition sind die Auswahl geeigneter Dispositionsstrategien und die Festlegung der freien Strategieparameter, von denen die Wirksamkeit einer Strategie abhängt. Die wichtigste Handlungsmöglichkeit ist dabei die Entscheidung zwischen Auftragsbeschaffung oder Lagerbeschaffung für jede Leistungsstelle des Dispositionsbereichs. Eine Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied, ein Netz nur so fest wie seine dünnste Stelle. Zur Sicherung der Leistungserfüllung muß daher die Disposition die Risiken, Schwachstellen und Engpässe rechtzeitig erkennen und über die passenden Sicherheits-, Ausfall- und Engpaßstrategien verfügen. Die wichtigsten Zielfunktionen der Disposition sind die Betriebskosten und die daraus resultierenden Logistikstückkosten. Voraussetzungen einer kostenoptimalen Disposition sind daher die Kalkulierbarkeit und die Kenntnis der Kosten, die durch die Disposition beeinflußt werden.
2.1 Strukturelemente von Logistiknetzen
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2.1 Strukturelemente von Logistiknetzen Ebenso wie die regionalen, überregionalen und globalen Logistiknetze setzt sich ein Unternehmensnetzwerk aus elementaren Leistungsstellen zusammen, die durch Transport- und Frachtsysteme miteinander verbunden sind. Die einzelnen Leistungsstellen können Produktions-, Abfüllund Montageanlagen, Umschlag-, Lager- und Versandstellen oder Verkaufsstellen und Verbrauchsstellen sein. Abgesehen von den Rohstofflagerstellen, die reine Quellen sind, und den Abfalldeponien, die reine Senken sind, ist jede Leistungsstelle zugleich Quelle und Senke. Von der Zulaufseite gesehen ist die Leistungsstelle eine Senke oder Verbrauchsstelle. Sie ist Abnehmer oder Kunde einer oder mehrerer vorangehender Lieferstellen. Von der Auslaufseite her gesehen ist die Leistungsstelle eine Quelle und Lieferstelle nachfolgender Leistungsstellen. Die übliche Unterscheidung zwischen Beschaffungslogistik und Distributionslogistik ist daher für die Disposition irreführend. Jeweils zwei aufeinander folgende Leistungsstellen sind durch eine einstufige Transportstrecke oder eine mehrstufige Frachtkette miteinander verbunden. Über die Transportstrecke oder durch eine Frachtkette fließen die materiellen Produkte, wie Rohstoffe, Material, Teile und Fertigwaren, von der Lieferstelle zur Verbrauchsstelle [Gudehus 2005]. Die einzelnen Lieferungen werden von der Verbrauchsstelle durch Beschaffungsaufträge bei der Lieferstelle ausgelöst. Der Beschaffungsauftrag läuft von der Verbrauchsstelle über eine ein- oder mehrstufige Auftragskette zur Lieferstelle, wo er als Lieferauftrag ankommt. Jeweils eine Verbrauchsstelle und eine Lieferstelle sind, wie in Abb. 2.2 dargestellt, durch eine Auftragskette und eine Transportstrecke oder eine Frachtkette miteinander verbunden. Sie bilden einen elementaren Regelkreis der Disposition. Allgemein gilt: 䉴 Alle mehrstufigen Lieferketten und Logistiknetze setzen sich aus ele-
mentaren Regelkreisen, den sogenannten Lieferkettenelementen, zusammen. Eine Leistungsstelle mit mehreren Versorgungsquellen oder Lieferanten ist ein Beschaffungselement, das aus parallelen Lieferkettenelementen besteht. Der Beschaffungsbedarf dieses Strukturelements resultiert aus einer Stücklistenauflösung der eingehenden Lieferaufträge (s. Abb. 2.3 oben). Typische Beispiele sind Produktionsmaschinen, Abfüllanlagen, Endmontagen und Packplätze, die Einsatzmaterial, Teile, Module und Packmittel benötigen, um ein Vor- oder Fertigprodukt zu erzeugen.
18
2 Netzwerkmanagement und Disposition
Lieferauftrag = Beschaffungsauftrag
Beschaffungsauftrag
LS
Sendung = Lieferung
Lieferauftag
VS
Sendung
Auftragsfluß Warenfluß
Lieferkettenelement
Abb. 2.2 Lieferkettenelement in einem Logistiknetzwerk LS: VS: LAuf: BAuf: Sendung: Lieferung:
Lieferstelle, Produktionsstelle, Lagerstelle Verbrauchs-, Verkaufs- oder Versandstelle Lieferauftrag vom Kunden der Verbrauchsstelle Beschaffungsauftrag an die Lieferstelle Warensendung an den Kunden Warenlieferung vom Lieferanten
Eine Leistungsstelle mit mehreren Abnehmern oder Kunden ist ein Versorgungselement, das ebenfalls aus parallelen Lieferkettenelementen besteht (s. Abb. 2.3 mitte). Der Beschaffungsbedarf des Versorgungselements ist die Summe des Absatzes der Kunden. Typische Beispiele sind Produktionsstellen, Fertigwarenlager und Versandstellen, aus denen mehrere Abnehmer, Handelsfilialen oder andere Kunden mit gleichen oder unterschiedlichen Produkten beliefert werden. Eine Aneinanderreihung von Lieferstellen, von denen jeweils nur ein Zulauf und ein Auslauf betrachtet wird, ist aus Sicht der ersten Leistungsstelle eine mehrstufige Lieferkette und aus Sicht der letzten Verbrauchsstelle eine Versorgungskette. Beispiele sind die Fertigungslinien in der Produktion oder die mehrstufigen Versorgungsketten in den unternehmensübergreifenden Logistiknetzwerken. Die zweistufigen Versorgungsnetze und mehrstufige Logistiknetze der Unternehmen sowie die komplexen Logistiknetzwerke zwischen den Unternehmen und den Privathaushalten entstehen durch Verkettung und Verknüpfung der Lieferketten-, Versorgungs- und Beschaffungselemente (s. Abb. 1.1–1.3 und 2.3).
2.1 Strukturelemente von Logistiknetzen
LSN
19
lLV N
• •
lLV X
LSX • •
lLV
LS1
VS
l
VS N
lN
1
lLV
N
• •
lLV X
LS
lLV
LSN
lZV
lLZ
X
• •
lZVX
LZ
LS3
VS X
lZV 1
1
l43
VS N
lN
N
• •
lLZ
LS1
l1
VS 1
N
LSX
LS4
• • 1
lLZ
• •
lX
VS X
l32
LS2
l21
lX
• • VS 1
l1
VS
l
Abb. 2.3 Strukturelemente von Logistikketten und Logistiknetzen Oben: Unten: λ, λn
Beschaffungselement Dreistufige Lieferkette Verbrauchsströme
Mitte oben: Versorgungselement Mitte unten: Zweistufiges Versorgungsnetz λLVn , λLZn , λZVn Versorgungsströme
20
2 Netzwerkmanagement und Disposition
2.2 Ziele und Grundstrategien der Disposition Hauptziele der Disposition sind: auftragsgemäße Leistungserfüllung, minimale Kosten, angemessene Qualität.
(2.1)
Diese Ziele sind erreichbar durch die drei Grundstrategien Bündeln, Ordnen und Sichern und ihre Gegenstrategien Auflösen, Umordnen und Entsichern [Gudehus 1992 u. 2005]. Durch das zeitliche oder räumliche Bündeln der Aufträge und Sendungen lassen sich die Kosten senken und das Leistungsvermögen von Engpaßstellen steigern, z.B. durch eine Reduzierung der anteiligen Rüstzeiten oder durch eine bessere Auslastung der eingesetzten Ladungsträger und Transportmittel. Die wirksamsten Bündelungsstrategien sind die direkte Auftragsbeschaffung und die anonyme Lagerbeschaffung. Bei der Auftragsbeschaffung ist der Strategieparameter die Anzahl der gebündelten Einzelaufträge, bei der Lagerbeschaffung die Größe der Lagernachschubmenge. Der Auftragsbündelung für die Direktbeschaffung sind jedoch durch die geforderte Lieferzeit und Termintreue Grenzen gesetzt. Durch ein zielgerichtetes Ordnen der Aufträge und Sendungen in einer zeitlichen Folge und durch richtiges Zuordnen der Aufträge und Sendungen zu den verfügbaren Ressourcen lassen sich ebenfalls die Kosten senken und das Leistungsvermögen steigern, aber auch die Durchlaufzeiten senken und die Termintreue verbessern. Effekte der Ordnungsstrategien sind eine Reduzierung der Transportzeiten durch kürzere Wege und der Durchlaufzeiten durch geringere Wechselzeiten. Durch richtige Zuordnung der Mengen zu den verfügbaren Ladungsträgern läßt sich der Füllungsgrad, durch geschickte Anordnung der Füllstükke in den Lade- und Transporteinheiten der Packungsgrad optimieren. In Verbindung mit den in den Abschnitten 6.8, 8.5 und 11.3 behandelten Rundungsstrategien sind eine optimale Platz- und Raumnutzung sowie minimale Transport-, Lager- und Handlingkosten erreichbar. Die Sicherheitsstrategien der Disposition sind auf das Ziel der Leistungsqualität ausgerichtet. Die Leistungsqualität umfaßt die Lieferzeit und die Servicequalität, die das Produkt der Lieferbereitschaft, der Termintreue und der Sendungsqualität ist. Die Lieferfähigkeit von Lagerartikeln läßt sich durch Sicherheitsbestände, die Termintreue der Auftragsbeschaffung durch Zeitpuffer, Flexibilität, Redundanz und Ausfallstrategien sichern.
2.2 Ziele und Grundstrategien der Disposition
21
Einzelauftrag
DirektbeschaffungsAuftrag Auftragskosten
Auftragskosten
Direktlieferung
Bereitstellplatz
LS Rüstkosten Auslagerkosten WA-Kosten
Verbrauch
VS Transportkosten Frachtkosten
WE-Kosten Einlagerkosten Bereitstellkosten
Auftragsbeschaffung Lagernachschub-
Einzelauftrag
Auftrag Auftragskosten
Auftragskosten
Nachschublieferung
Lagerplatz
LS Rüstkosten Auslagerkosten WA-Kosten
Verbrauch
VS Transportkosten Frachtkosten
WE-Kosten Einlagerkosten Lagerungskosten
Lagerbeschaffung Abb. 2.4 Elementare Regelglieder und relevante Kosten der Auftragsbeschaffung und der Lagerbeschaffung LS: VS:
Lieferstelle, Produktionsstelle oder Logistikzentrum Verbrauchsstelle, Verkaufsstelle oder Versandstelle
Für jede Leistungsstelle ist zu entscheiden, für welche Artikel und Aufträge durch eine Auftragsbeschaffung und für welche Artikel und Aufträge durch eine Lagerbeschaffung die Dispositionsziele (2.1) am besten erreichbar sind. Die elementaren Regelglieder, die wichtigsten Begriffe und die relevanten Kosten der Auftragsbeschaffung einerseits und der Lagerbeschaffung andererseits sind in Abb. 2.4 dargestellt. Die Entscheidung zwischen Auftragsbeschaffung und Lagerbeschaffung ist von großer Tragweite. Sie hängt von so vielen Einflußfaktoren ab,
22
2 Netzwerkmanagement und Disposition
daß sie nicht allein vom Disponenten eines dezentralen Bereichs gefällt werden kann. Sie muß daher zentral geplant und von einem entsprechend programmierten Dispositionssystem unterstützt werden.
2.3 Dezentrale und zentrale Disposition Jede einzelne Leistungsstelle eines Logistiknetzwerks kann grundsätzlich unabhängig von allen anderen Leistungsstellen disponieren, solange sie bei den Lieferstellen nicht auf Engpässe stößt. Bei rein dezentraler Disposition werden die Warenströme und Bestände im Logistiknetzwerk allein von den Dispositionsstrategien der autarken Leistungsstellen ausgelöst. Das Verhalten des Gesamtsystems resultiert aus der Disposition der einzelnen Verbrauchsstellen, der Leistungs- und Speicherfähigkeit der Leistungsstellen, den Durchlaufzeiten und dem Durchsatzvermögen der Strukturelemente und der Art ihrer Verknüpfung. In den meisten Unternehmen sind mehrere Leistungsstellen, die sich in einem abgegrenzten Betriebsteil befinden, ähnliche Funktionen erfüllen oder einen zusammenhängenden Teil einer Wertschöpfungskette umfassen, zu einer Organisationseinheit zusammengefaßt, z.B. in Leistungsbereiche, Funktionsbereiche, Werkstätten oder Fertigungslinien. Mehrere Organisationseinheiten werden zu einem Organisationsbereich gebündelt, der ein Werk, ein Betrieb oder ein Standort sein kann (s. Abb. 10.1). Diese gehören wiederum zu einem übergeordneten Geschäfts- oder Unternehmensbereich. Durch das stufenweise Bündeln der operativen und administrativen Leistungsstellen entsteht eine hierarchische Organisation, in der eine zentrale Disposition möglich ist. Auch die externen Beschaffungs- und Versorgungsketten, die sich über zwei oder mehr Unternehmen erstrecken, lassen sich zentral disponieren. Mit einer Zentraldisposition mehrstufiger Lieferketten, eines Unternehmensbereichs oder eines größeren Logistiknetzwerks eröffnen sich gegenüber der rein dezentralen Disposition zusätzliche Handlungsmöglichkeiten. Solche Handlungsmöglichkeiten bieten die Teil- und Gesamtstrategien der Zentraldisposition: • Festlegung der Lagerhaltigkeit der Artikel in den einzelnen Leistungsstellen des Dispositionsbereichs • Zusammenfassung des Gesamtbestands eines Artikels in einer zentralen Lagerstelle, aus der eine größere Anzahl von Bedarfsstellen beliefert wird
2.3 Dezentrale und zentrale Disposition
23
• Abstimmung der Ressourcen, der Betriebszeiten und der Zeitpunkte der Auftragsbearbeitung in den einzelnen Leistungsstellen auf das Ziel minimaler Gesamtkosten bei Einhaltung der geforderten Gesamtdurchlaufzeiten • geregelter, entzerrter, getakteter oder gedrosselter Durchlauf von Aufträgen, Material oder Sendungen durch eine mehrstufige Leistungskette • Zuteilung knapper Ressourcen und Engpaßstrategien bei absehbarer Kapazitätsüberlastung • Verteilung vieler kleiner und Aufteilung großer Aufträge auf parallele Leistungsstellen • Vorausschauende Disposition der vorangehenden Leistungsstellen bei Kenntnis des aktuellen Auftragseingangs der Endverbrauchsstellen • Beschaffungsbündelung und Zentraldisposition des Gesamtbedarfs dezentraler Leistungsstellen aus einer Lieferstelle über ein virtuelles Zentrallager • Ladungs- und Transportbündelung der zulaufenden Sendungen aus einer Lieferstelle oder aus einer Beschaffungsregion • Versandbündelung durch Zusammenfassen der Lieferungen aus mehreren Leistungsstellen zu größeren Sendungen • Frachtbündelung mehrerer Sendungen, die für unterschiedliche Empfänger in einer Zielregion bestimmt sind • Auswahl der kostenoptimalen Versandart, wie Paketversand, Stückgutspedition und Ladungstransport Mit einer Zentraldisposition sind nicht nur zusätzliche Vorteile erreichbar sondern auch Gefahren und Nachteile verbunden [Schulte 1995]: Fremd geregelte Abläufe beeinträchtigen die Motivation der Menschen. Eine zu weit gehende Zentraldisposition vermindert die Verantwortungsbereitschaft, die Eigeninitiative, die Flexibilität und die Effizienz in den dezentralen Leistungsstellen. Sie erhöht außerdem die Störanfälligkeit. Die Einspareffekte und Verbesserungen von Teilstrategien, die sich auf überschaubare Teilnetze, wie die in Abb. 2.3 dargestellten Strukturelemente beschränken, lassen sich in vielen Fällen noch quantifizieren oder zumindest abschätzen. Eine Berechnung aller Auswirkungen einer Zentralstrategie, die auf die Optimierung eines größeren Gesamtsystems wie das in Abb. 2.1 gezeigte Unternehmensnetzwerk abzielt, ist hingegen bisher nicht möglich. So schreibt Inderfurth 2002 über die Disposition in Logistiknetzwerken: „Es gibt kaum praktikable, wissenschaftlich fundierte Ansätze, die eine simultane Bestimmung all dieser Dispositionsparameter (des Gesamtsystems) im Rahmen eines Optimierungskalküls ermöglichen. Dies gilt erst recht, wenn zu der horizontalen Abstimmung auf einer einzelnen Stufe die
24
2 Netzwerkmanagement und Disposition
Aufgabe der vertikalen Abstimmung über alle Stufen einer Logistikkette hinzukommt.“ Nicht selten werden die positiven Effekte einer Gesamtstrategie maßlos überschätzt, wie z.B. die Kosteneinsparungen aus einer unverzögerten Nutzung der Information der Endverbrauchsstellen in allen vorangehenden Lieferstellen [Schmidt 2000]. In anderen Fällen wird die Zentraldisposition aus spekulativen oder bilanziellen Gründen zu Fertigungs- oder Beschaffungsaufträgen veranlaßt, die weit über den aktuellen Bedarf hinausgehen. Das kann später große Bestandsabschriften und Verluste zur Folge haben. Auch die Vorgabe pauschaler Zielwerte für die Drehzahl oder die Reichweite eines Lagers, die aus Benchmarkwerten anderer Unternehmen resultieren, kann zum Verfehlen der Unternehmensziele führen. Die Gefahr einer Zentraldisposition besteht also darin, daß eine Gesamtstrategie zur Anwendung kommt, deren positive Effekte nicht ausreichend gesichert sind oder deren negative Nebenwirkungen ignoriert werden. Um das zu verhindern, ist eine unabhängige Kontrolle der Entscheidungen und Auswirkungen einer zentralen Dispositionsstelle unerläßlich.
2.4 Subsidiaritätsprinzip und Entkopplungsprinzip Die wichtigste Aufgabe im Vorfeld der aktuellen Disposition ist die Organisation eines unternehmensinternen Auftragszentrums oder einer unternehmensübergreifenden Dispositionszentrale. Dazu sind die Dispositionsbereiche und die Gesamtstrategien sowie die Aufgabenteilung und die Regeln der Zusammenarbeit zwischen den dezentralen Dispositionsstellen und der Zentraldisposition genau festzulegen (s. Kapitel 15). Einer unternehmensübergreifenden Zentraldisposition sind durch die Gesetze der Marktwirtschaft Grenzen gesetzt. In einer freien Marktwirtschaft können die einzelnen Unternehmen über die Beschaffungszeitpunkte, die Einkaufsmengen und ihre eigenen Warenbestände grundsätzlich frei entscheiden. Sie sind nur bereit, Informationen weiterzugeben und ihre Disposition mit den Lieferanten und Kunden abzustimmen, wenn daraus für sie selbst ein Vorteil resultiert. Innerhalb der Unternehmen ist es zweckmäßig, die Entscheidungskompetenz an die jeweils unterste mögliche Organisationsebene zu delegieren und die Disposition so weit wie möglich zu dezentralisieren. Nur dadurch ist eine flexible und schnelle Reaktion auf sich ändernde Anforderungen und Rahmenbedingungen möglich. Daraus folgt das Subsidiaritätsprinzip der Disposition:
2.4 Subsidiaritätsprinzip und Entkopplungsprinzip
25
䉴 Eine Zentraldisposition oder ein Auftragszentrum darf nur Aufgaben
übernehmen, die für die beteiligten Unternehmen von Vorteil sind und nicht von einer dezentralen Dispositionsstelle ausgeführt werden können. Mit anderen Worten: Die Disposition sollte so dezentral wie möglich und darf nur so zentral wie sinnvoll und nützlich sein. Aus der Subsidiarität folgt, daß zunächst die Disposition der einzelnen Lieferkettenelemente sowie der Beschaffungs- und Versorgungselemente kostenoptimal geregelt werden muß. Erst nachdem diese Aufgabe gelöst ist, ist zu prüfen, durch welche übergeordneten Strategien sich welche zusätzlichen Verbesserungen erreichen lassen. Das heißt: 䉴 Ein Auftragszentrum oder eine unternehmensübergreifende Zentral-
disposition kann die dezentrale Disposition nicht ersetzen sondern muß sie unterstützen. Komplexe Systeme mit allzu eng verkoppelten Teilsystemen und Leistungsstellen sind schwerfällig, störanfällig und nicht mehr beherrschbar. Sie lassen sich auch mit Hilfe noch so genauer Simulationsverfahren nicht entscheidend verbessern [Gudehus 1999/2005]. Hieraus resultiert das Entkopplungsprinzip der Logistiknetzwerke: 䉴 Durch Zwischenschalten von Auftragspuffern oder Lagerbeständen ist
ein Logistiknetzwerk so in Teilbereiche und Subsysteme zu zerlegen, daß sich Rückstaus, Rückkopplungen und Störungen eines Teilsystems nur mit ausreichend geringer Wahrscheinlichkeit auf die anderen Teilsysteme auswirken. Die entkoppelten Teilbereiche und Subsysteme können dann weitgehend unabhängig voneinander die Aufträge disponieren, die ihnen entweder direkt von den angrenzenden Systemen oder von einer zentralen Auftragsdisposition erteilt werden. Der Dispositionsbereich des Auftragszentrums eines Unternehmens kann nach dem Entkopplungsprinzip auf bestimmte Leistungsbereiche beschränkt und gegenüber der dezentralen Disposition in den Teilbereichen abgegrenzt werden. So bestimmt die Fertigungsdisposition den Einsatz der Ressourcen ihres Produktionsbereichs zur Ausführung der Produktionsaufträge selbständig. Ein Beispiel sind die weitgehend autarken Fertigungsbereiche und Zulieferer eines Produktionsbetriebs, die ihre Aufträge von einer Auftragszentrale erhalten und über ein Beschaffungszentrum Just-In-Time an die Produktion liefern (s. Abb. 2.1). Ein anderes Beispiel sind die eigenständig disponierenden Filialen einer Handelskette, die aus einem Warenverteilzentrum bedient werden (s. Abb. 2.3 mitte).
26
2 Netzwerkmanagement und Disposition
Der Einsatz von IT-Systemen für den Informationsaustausch und für die Datenverarbeitung sowie der Zugriff auf zentrale Stammdaten eröffnen heute neue Handlungsmöglichkeiten und Potentiale für die Disposition. Die neuen Möglichkeiten moderner IT-Systeme, wie das Internet, setzen aber weder das Subsidiaritätsprinzip noch das Entkopplungsprinzip außer Kraft. Erst mit diesen beiden Grundprinzipien wird die Komplexität großer Netzwerke beherrschbar.
2.5 Dispositionsrelevante Logistikkosten Nur ein Teil der Gesamtkosten, die von der Beschaffungsquelle über die eigenen Fertigungsbereiche, die Lagerstellen und den Versand bis zum Kunden anfallen, wird von der Disposition beeinflußt. Für die Auswahl der Dispositionsstrategien und die Festlegung der Strategieparameter genügt es daher, jeweils nur die Kosten zu berücksichtigen, auf die sich die Entscheidungen der Disposition auswirken [Wöhe 2000]. Die entscheidungsrelevanten Kosten der Beschaffungsdisposition für das elementare Lieferkettenglied Abb. 2.2 sind in Abb. 2.4 angegeben. Sie setzen sich zusammen aus den administrativen Kosten der Auftragsbearbeitung und den operativen Logistikkosten [Soom 1980]. Die administrativen Auftragskosten umfassen: • Kosten der Verbrauchsstelle für die Disposition und die Sendungsannahme • Kosten der Lieferstelle für die Auftragsannahme und die Versanddokumente • Kosten für den Informationsaustausch zwischen der Verbrauchs- und Lieferstelle Die operativen Logistikkosten setzen sich zusammen aus: • Rüstkosten, Auslagerkosten und Handlingkosten der Lieferstelle • Transportkosten der einstufigen Ganz- oder Teilladungstransporte von der Lieferstelle bis zur Verbrauchsstelle oder • Frachtkosten der Stückgutspedition oder Paketbeförderung über ein mehrstufiges Frachtnetz • Handling-, Einlager- und Lagerungskosten der Verbrauchsstelle Die operativen Logistikkosten sind weitaus höher als die administrativen Auftragskosten. Mit einer rechnergestützen Disposition und einem Informationsaustausch über EDI oder Internet können die administrativen Auftragskosten weit unter 10%% der operativen Logistikkosten sinken.
2.5 Dispositionsrelevante Logistikkosten
27
Daher gilt für die Disposition das Dominanzprinzip des Warenflusses: 䉴 Primär bestimmt der Material- und Warenfluß und nicht der Informa-
tions- und Datenfluß die Kosten und damit auch die Dispositionsentscheidungen. Wie in Abb. 2.4 gezeigt, sind die dispositionsrelevanten Logistikkosten eines Lieferkettenelements die Summe der Kosten der Verbrauchsstelle KVS(λ) für Auftragsbearbeitung, Einlagern und Lagerung, der Transportoder Frachtkosten KTR(λ) und der Kosten der Lieferstelle KLS(λ) für Auftragsbearbeitung, Rüsten, Auslagern und Warenausgang: K(λ) = KVS(λ) + KTR(λ) + KLS(λ)
[€/PE].
(2.2)
Die relevanten Kosten (2.2) des Lieferkettenelements sind abhängig vom Periodenabsatz λ [VE/PE] der Verbrauchsstelle. Sie sind die Zielfunktion der dezentralen Disposition. Bezogen auf den Durchsatz ergeben sich aus (2.2) die relevanten Logistikstückkosten pro Verbrauchs- oder Verkaufseinheit VE: k(λ) = K(λ)/λ
[€/VE].
(2.3)
Für eine Lieferkette LK oder ein Logistiknetz LN, das sich aus N Lieferkettenelementen LKEn mit den relevanten Kosten Kn(λn) zusammensetzt, sind die relevanten Gesamtlogistikkosten: N
KLN (l ) =
 Kn (l n )
[€/PE].
(2.4)
n =1
Die partiellen Durchsatzwerte λn ergeben sich aus dem Periodenabsatz λAj der Endstationen des betrachteten Logistiknetzes: Der Absatz der vor den Ausgangsstellen liegenden Verbrauchsstellen errechnet sich jeweils über die Summe des Bedarfs der von ihnen bedienten Leistungsstellen aus dem Absatz der Ausgangsstellen. So resultiert der Absatz eines Handelslagers aus der Summe der Beschaffungsaufträge der belieferten Filialen. Die Gesamtkosten (2.4) sind die Zielfunktion der Zentraldisposition, wobei sich die Summe über deren gesamten Dispositionsbereich erstreckt. Ein erster Schritt zur Minimierung der Gesamtkosten (2.4) ist die Minimierung der Kosten der einzelnen Lieferkettenelemente durch eine retrograde Disposition nach dem Pull-Prinzip: 䉴 Die Beschaffungsaufträge, Bestände und Nachschubmengen in einem
mehrstufigen Logistiknetz werden zuerst für die Ausgangsstellen, danach mit den Beschaffungsmengen der Ausgangsstellen für die vorangehenden Leistungsstellen und so fort bis zu den Eingangsstellen des Logistiknetzwerks disponiert.
28
2 Netzwerkmanagement und Disposition
Die retrograde Disposition kann entweder bilateral von den einzelnen Leistungsstellen oder von einem Auftragszentrum durchgeführt werden. Die dezentralen Dispositionsstellen und die Zentraldisposition sind über das Intranet des Unternehmens miteinander verbunden. Sie werden von einem Dispositionsprogramm unterstützt, das einen großen Teil der wiederkehrenden Entscheidungen und Routineaufgaben ausführt. Simulationsrechnungen für unterschiedliche Beschaffungs- und Versorgungsnetze zeigen, daß die bilaterale dezentrale Disposition selbstregelnd zu minimalen Gesamtkosten führt, wenn für jedes Lieferkettenelement die kostenoptimale Beschaffungsart – Auftragsbeschaffung oder Lagerbeschaffung – gewählt und für die Lagerdisposition mit den optimalen Meldebeständen und Nachschubmengen disponiert wird und dabei keine Engpässe auftreten. Zur Berechnung der Zielfunktionen (2.2) und (2.4) sind die Bemessungsgrößen und die Leistungskostensätze für die verschiedenen Teilleistungen der administrativen Auftragsbearbeitung und der operativen Logistik genau zu definieren. Für die Kostensätze werden realistische Werte benötigt. Denn es gilt der Grundsatz (s. Abschnitt 13.6): 䉴 Eine kostenoptimale Auftrags- und Lagerdisposition ist nur mit hinrei-
chend genauen, aktuellen und vollständigen Leistungskostensätzen möglich.
3 Aufträge und Bedarfsarten
Alle Vorgänge und Prozesse in den Lieferketten werden von den externen Aufträgen der Kunden und den internen Aufträgen der verschiedenen Leistungsstellen des Unternehmens ausgelöst. Der Auftragsinhalt, die Auftragsstruktur und die Seviceanforderungen bestimmen die Sortimentseinteilung in Auftragsartikel und Lagerartikel sowie die Strategien der Auftragsdisposition. Abhängig von der Art des Bedarfs ergeben sich aus der Auftrags- und Lagerdisposition unterschiedliche Bestandsarten mit verschiedenen Lageranforderungen.
3.1 Auftragsinhalt Jeder Auftrag enthält Lieferanforderungen, Operationsanweisungen und Serviceanforderungen: • Die Lieferanforderungen umfassen eine oder mehrere Auftragspositionen, die jeweils eine bestimmte Menge von Verkaufs- oder Verbrauchseinheiten eines Artikels anfordern. • Die Operationsanweisungen spezifizieren, was wie zu produzieren, zu liefern oder zu leisten ist. Sie sind Vorgaben für die Fertigung, Bearbeitung und Montage oder Vorschriften für die Leistungserstellung. • Die Serviceanforderungen geben vor, wann und wo die Liefermengen in welcher Form abzuliefern oder bereitzustellen sind. Die Verkaufs- oder Verbrauchseinheit VE eines Artikels besteht aus einem einzelnen Warenstück [WSt], ist eine passende Längen-, Flächen-, Volumen- oder Gewichtseinheit oder enthält eine abgepackte Menge. Sie ist allgemein wie folgt definiert: 䉴 Die Verkaufseinheit oder Verbrauchseinheit [VE] eines Artikels ist die
kleinste Artikelmenge, die von diesem Artikel ausgeliefert wird.
30
3 Aufträge und Bedarfsarten
Für die Auftrags- und Lagerdisposition ist die Verbrauchs- oder Verkaufseinheit jedes Artikels durch die Angabe von Inhalt, Beschaffenheit, Abmessungen und Gewicht zu spezifizieren und in den Artikelstammdaten zu speichern. Außerdem sind die Verpackungseinheit [VPE], z.B. der Karton oder der Behälter, in denen die Verkaufseinheiten bei der Anlieferung abgepackt sind, und die Ladeeinheit [LE], z.B. die Palette, in der die Verpackungseinheiten angeliefert und gelagert werden, festzulegen und mit ihren Kapazitäten CVPE [VE/VPE] und CLE [VPE/LE] in den Artikelstammdaten zu hinterlegen. Auch die Außenabmessungen lVPE, bVPE, hVPE, das Gewicht gVPE und ein eventuelles Packschema der Verpackungseinheiten auf den Ladeeinheiten müssen für die Disposition bekannt sein und im Artikelstammdatensatz gespeichert werden. Im Logistikstammdatensatz sind die verwendeten Ladungsträger [LT] sowie die Außenabmessungen lLE, bLE, hLE und das Maximalgewicht gLE der vollen Ladeeinheiten zu hinterlegen (s. Tab. 3.1). Von diesen Kenndaten der Ladeeinheiten hängen die spezifischen Kostensätze für den Transport, das Handling und die Lagerung ab, aus denen sich die Auftrags- und Lagerlogistikkosten errechnen lassen (s. Tab. 13.1). Zu den Serviceanforderungen, die in den Auftragsstammdaten zu speichern sind, gehören außer dem Liefertermin und dem Lieferort auch die Versandeinheiten, in denen die Lieferung bereitzustellen ist, und die An-
Logistikeinheit
Abk.
Ausprägungen
Länge mm
Kleinladungsträger
KLT
Kleinkästen Großkästen
KK GK
Großladungsträger
GLT
Euro mit Aufsetzrahmen flach EA1 Euro mit Aufsetzrahmen hoch EA3 Europaletten
EPal
Euro flach Euro hoch
EK1 EK3
Langgutpaletten
LPal
Langgutpalette kurz Langgutpalette lang
LW1 LW 2
Außenmaße Breite mm
Höhe mm
Kapazität Nutzraum Nutzlast l/LE
kg/LE
Lagern/Bereitstell. Einzelstück- und VPE-Kommissionierung/Versand 400 600
300 400
216 216
21 43
20 35
Lagern/Bereitstellung zur Großstückkommissionierung/Versand 1.200 1.200
800 800
360 730
185 511
1.000 1.000
Lagern/Bereitstellung zur KLT -Kommissionierung/Versand 1.200 1.200
800 800
361 793
203 617
1.000 1.000
Lagern/Bereitstellung zur Langgut-Kommissionierung/Versand 1.850 2.450
800 800
340 340
Tab. 3.1 Ladungsträger und Ladeeinheiten einer Maschinenfabrik
261 348
1.000 1.000
3.2 Auftragsstruktur
31
gabe, ob die Ganz- oder Teillieferung einzelner Positionen oder nur die Komplettlieferung aller Auftragspositionen zulässig ist.
3.2 Auftragsstruktur Die Auftragsstruktur ist gegeben durch die Anzahl der Positionen und die Liefermengen der einzelnen Positionen. Die Erreichbarkeit eines bestimmten Servicegrads unterscheidet sich für • Einpositionsaufträge, die nur die Lieferung eines Artikels anfordern und für • Mehrpositionsaufträge, die mehr als einen Artikel betreffen. Der Servicegrad eines Mehrpositionsauftrags ergibt sich aus dem Produkt der Lieferfähigkeit und der Termintreue der einzelnen Artikelpositionen [Gudehus 2005]. Ein hoher Auftragsservicegrad ist daher für Mehrpositionsaufträge erheblich schwerer zu erreichen als ein gleich hoher Positionsservicegrad der Einpositionsaufträge. Externe Mehrpositionsaufträge werden von der Auftragsdisposition in interne Einpositionsaufträge zerlegt und zusammen mit den externen Einpositionsaufträgen zur Ausführung an die betreffenden Leistungsstellen, wie die Produktion, ein Lager oder den Lieferanten des Artikels, weitergeleitet. Abgesehen von der Auftragszusammenführung nach Ausführung der einzelnen Positionen und den daraus resultierenden Risiken für eine Komplettlieferung, lassen sich Mehrpositionsaufträge nach ihrer Zerlegung wie Einpositionsaufträge disponieren. Wenn nicht anders vermerkt, beziehen sich daher die folgenden Ausführungen auf Einpositionsaufträge für einen bestimmten Artikel. Für die Auftrags- und Lagerdisposition ist weiterhin zu unterscheiden zwischen • Einzelstückpositionen, die nur eine Verkaufs- oder Verbrauchseinheit anfordern, und • Mehrstückpositionen, die mehrere Verkaufs- oder Verbrauchseinheiten bestellen. Die Bestellmenge von Einzelstückpositionen ist stets 1 VE. In der Regel schwankt der Auftragseingang von Einzelstückaufträgen, wie in Abb. 3.1 dargestellt, stochastisch um einen Mittelwert λA [Auf/PE], der sich bei instationärem Verbrauch im Verlauf eines Jahres verändert. Bei Aufträgen mit Mehrstückpositionen schwanken in der Regel auch die Bestellmengen eines Artikels um einen Mittelwert m [VE/Pos] mit ei-
32
3 Aufträge und Bedarfsarten
Abb. 3.1 Auftragseingang einer Verkaufsniederlassung für PKW
ner bestimmten Streuung sm. Bei instationärem Verbrauch können sich zusätzlich zum Auftragseingang die mittlere Positionsmenge und deren Streuung im Verlauf der Zeit verändern. Der Periodenbedarf und die mittlere Bestellmenge sind entscheidend dafür, ob es sinnvoll und wirtschaftlich ist, einen Artikel permanent auf Lager zu halten. Die Liefermenge der einzelnen Auftragsposition ist maßgebend dafür, ob diese kostengünstiger ab Lager ausgeliefert oder nach Auftrag gefertigt bzw. beschafft werden soll.
3.3 Periodenabsatz und Periodenbedarf Der Periodenabsatz eines Artikels λ(t) [VE/PE] ist die Menge der Verkaufseinheiten oder Verbrauchseinheiten [VE], die insgesamt für eine vergangene Periode t < tIST von externen Kunden und internen Abnehmern bestellt und an diese geliefert wurde. Der Periodenbedarf des Artikels λ(t) ist der potentielle Absatz eines Artikels in einer zukünftigen Periode t > tIST . Der potentielle Absatz – also der Bedarf – ist gleich der Nachfrage nach einem Artikel [Gudehus 2007]. Abgesehen vom Preis, vom Nutzwert und anderen externen Einflußfaktoren ist die Nachfrage von der zeitlichen Verfügbarkeit der Ware abhängig, also von der Lieferzeit. Für die meisten Güter gilt die Erfahrungsregel: • Bei kurzer Lieferzeit ist der Bedarf höher als bei langer Lieferzeit; für Lagerartikel ist er größer als für Auftragsartikel.
3.3 Periodenabsatz und Periodenbedarf
33
Bei unzureichender Produktionsleistung und schlechter Lieferfähigkeit ist der Absatz kleiner als der Bedarf. Wird der zukünftige Bedarf – wie bei den mathematischen Prognoseverfahren – aus dem Periodenabsatz der Vergangenheit abgeleitet, ist daher stets zu berücksichtigen: • Für einen Auftragsartikel ist der Absatz λ nur solange gleich dem Bedarf, wie die Produktionsgrenzleistung µ zur Erfüllung des Bedarfs λBed ausreicht, wenn also µ > λBed ist. • Für einen Lagerartikel ist der Absatz nur solange gleich dem Bedarf, wie die Lieferfähigkeit 100% ist. Grundsätzlich gilt: 䉴 Für die Disposition und Planung sind nicht die ausgeführten Aufträge
sondern die potentiellen Aufträge maßgebend. Um keine Marktchancen zu verpassen, ist es daher notwendig, bei der Bedarfsprognose nur die Perioden der Vergangenheit zu berücksichtigen, in denen alle eingehenden Aufträge ausgeführt werden konnten und der Absatz gleich dem Bedarf ist (s. Kapitel 4). Für Artikel, die nicht nur in einzelnen Verbrauchseinheiten bestellt werden, ist der Periodenabsatz das Produkt des Auftragseingangs λA(t) [Auf/PE] in der Periode t mit der mittleren Liefermenge m(t) [VE/Auf] in dieser Periode: λ(t) = λA(t) · m(t)
[VE/PE].
(3.1)
Wenn sA die mittlere Streuung des Auftragseingangs und sm die mittlere Streuung der Liefermengen ist, ergibt sich nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz [Kreyszig 1975] für die mittlere Streuung des Absatzverlaufs: sλ = (m2 · sA2 + λA2 · sm2)1/2.
(3.2)
Hieraus ist ablesbar: 䉴 Die Streuung des Auftragseingangs und die Schwankungen der Bestell-
mengen verursachen eine stochastische Schwankung des Periodenabsatzes. Wenn es gelingt, die Schwankungen der Bestellmengen zu reduzieren, etwa durch das Aussondern von Großmengenaufträgen, sinkt die stochastische Streuung des Periodenabsatzes. Damit vermindert sich die Gefahr der Lieferunfähigkeit infolge eines geräumten Lagerbestands.
34
3 Aufträge und Bedarfsarten
3.4 Periodenlänge und Termintreue Keine Messung kann genauer sein als die kleinste Skalenlänge des Meßinstruments. Das gilt auch für die Messung von Zeiten und für die Disposition von Terminen. Die Länge der Zeitperioden, in denen der Absatz zu messen, der Bedarf zu planen und zu prognostizieren und die Auslieferungen zu terminieren sind, wird daher von der angestrebten Termintreue bestimmt: • Für die mittelfristige Absatz- und Umsatzplanung über einen Zeitraum von mehreren Monaten bis zu zwei Jahren ohne Berücksichtigung der Termintreue genügt der Kalendermonat KMt , t = 1,2 ..... 12 als Prognoseperiode. • Wird eine wochengenaue Ausführung verlangt, ist die Kalenderwoche KWt, t = 1,2 ..... 52 die richtige Dispositionsperiode. • Wenn eine tagesgenaue Auslieferung der Kundenaufträge gefordert wird, ist der Arbeitstag oder Absatztag ATt, t = 1,2 ..... 250 als Dispositionsperiode zu wählen. • Für dringend benötigte Artikel, wie Ersatzteile, die sofort nach Bestelleingang ausgeliefert werden müssen, ebenso wie für die Versanddisposition ist als Dispositionsperiode die Stunde erforderlich. • Für die Transportdisposition und die Verkehrssteuerung in Ballungsgebieten, auf Flughäfen und in Bahnhöfen ist die Länge der angemessenen Dispositionsperiode 10 min. Außer der Termintreue hängen auch die Bestände und damit die Höhe der Lagerkosten von der Länge der Dispositionsperioden ab. Beide steigen proportional zur Periodenlänge an [Gudehus 2005]. Daraus folgt die Regel: 䉴 Minimale Logistikkosten, kurze zuverlässige Lieferzeiten und optimale
Lagerbestände sind nur bei täglicher Disposition erreichbar. Die nachfolgenden Formeln und Algorithmen gelten für eine tägliche Disposition. Sie lassen sich jedoch auf andere Periodenlängen übertragen.
3.5 Primärbedarf, Sekundärbedarf und Folgebedarf Für die Bedarfsprognose und Auftragsdisposition ist zu unterscheiden zwischen Primärbedarf, Sekundärbedarf und Folgebedarf: • Der Primärbedarf von Fertigerzeugnissen und Handelsware wird bestimmt von unbeeinflußbaren externen Faktoren, wie Konsumverhal-
3.6 Verbrauchsbedarf und Planbedarf
35
ten, Bedarf und Beschaffungsstrategien der Kunden, von Wettbewerb, Jahreszeit und Konjunktur sowie von den vom Unternehmen beeinflußbaren Zielgrößen Preis, Leistung und Service. • Der Sekundärbedarf von Material, Vorprodukten und Teilen läßt sich grundsätzlich aus dem Primärbedarf, für den er benötigt wird, durch eine Stücklistenauflösung unter Berücksichtigung der Durchlaufzeiten errechnen (s. Abschnitt 10.2). • Der Folgebedarf resultiert aus der Nutzung von Gebrauchs- und Investitionsgütern infolge von Kraftstoffbedarf, Verschleiß, Instandhaltung und Reparaturen. Die Stücklistenauflösung hat den Vorteil, daß der auf diese Weise errechnete Sekundärbedarf den Primärbedarf unverzögert berücksichtigt. Sie ist jedoch für ein komplexes Produktionsprogramm sehr aufwendig und muß dann auf wenige Leitteile beschränkt werden [Dittrich et al. 2000; Berr 1979; Hartmann 1997; Kern 1976; Tempelmeier 1999]. Bei Kenntnis der Anzahl und der Nutzungsintensität eines Gebrauchsund Investitionsgutes, das sich in einer bestimmten Region im Einsatz befindet, sowie des Folgebedarfs pro Nutzungseinheit, z.B. des Kraftstoffverbrauchs oder des Ersatzteilbedarfs eines Autos pro 100 km, läßt sich grundsätzlich der mittlere Folgebedarf pro Periode berechnen. Anders als der Sekundärbedarf aber ist der Folgebedarf eines Artikel wegen der Unabhängigkeit der individuellen Nutzung und der Zufälligkeiten von Ausfällen und Verschleiß niemals verläßlich sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit berechenbar. Weitere Zufallseinflüsse entstehen, wenn sich der Gesamtbedarf eines Verschleißartikels oder eines Ersatzteils auf mehrere Lieferanten verteilt. Für die Nachschub- und Bestandsdisposition von Artikeln des Folgebedarfs wie auch vieler Artikel des Sekundärbedarfs genügt es jedoch, den Bedarf ebenso wie den Primärbedarf aus dem Periodenverbrauch der Vergangenheit zu prognostizieren. Das gilt insbesondere für Artikel, die sowohl für den Bedarf externer Kunden wie auch zur Deckung des Sekundärbedarfs interner Abnahmestellen bestimmt sind.
3.6 Verbrauchsbedarf und Planbedarf Der zukünftige Periodenbedarf eines Artikels setzt sich zusammen aus einem Verbrauchsbedarf und einem Planbedarf: λ(t) = λVerb(t) + λPlan(t)
(3.3)
36
3 Aufträge und Bedarfsarten
Der Verbrauchsbedarf ist die Summe eines gesicherten Verkaufsbedarfs und eines ungesicherten Erwartungsbedarfs: λVerb(t) = λVerk(t) + λErw(t)
(3.4)
䉴 Der Verkaufsbedarf λVerk(t) ist die Summe der direkt oder indirekt ver-
kauften Liefermengen des Artikels, die in den zukünftigen Perioden t > tIST auszuliefern oder bereitzustellen sind.
䉴 Der Erwartungsbedarf λErw(t) ist der zur Auslieferung in den zukünfti-
gen Perioden t > tIST erwartete Bedarf, für den noch keine verbindlichen Aufträge vorliegen.
Die Summe des Verkaufsbedarfs aller zukünftigen Absatzperioden ist der Auftragsbestand in Verkaufseinheiten. Der Auftragsbestand geteilt durch die reguläre Fertigungskapazität ergibt die Fertigungsreichweite des Auftragsbestands. Das Verhältnis von Auftragsbestand zu Lagerbestand ist die Auftragsdeckung des Lagerbestands. Der Verbrauchsbedarf wird auch als Pullbedarf bezeichnet, denn er wird durch die vorliegenden und erwarteten Aufträge direkt von Markt und Kunden abgezogen oder indirekt durch Abrufe des Primärbedarfs verbraucht. Die Erfüllung des Verbrauchsbedarfs, der sich unter den im nächsten Kapitel genannten Voraussetzungen aus dem Absatz der Vergangenheit prognostizieren läßt, ist Aufgabe der verbrauchsgeregelten Disposition, die auch als verbraucherorientierte oder stochastische Disposition bezeichnet wird [Dittrich et al. 2000; Wöhe 2000; Schulte 1995]. Die Erfüllung des Planbedarfs ist Gegenstand der plangesteuerten oder programmgesteuerten Disposition: 䉴 Der Planbedarf λPlan(t) eines Artikels umfaßt die Bedarfsmengen von
internen Planaufträgen für eine zukünftige Periode t > tIST .
Interne Planaufträge sind Aufträge der Projektplanung oder der Produktentwicklung, Aufträge zur vorgezogenen Produktion wegen absehbarer Engpässe oder geplanter Betriebsunterbrechungen und Aufträge des Vertriebs für geplante Verkaufsaktionen, Saisonverkäufe oder Kampagnen. Abgesehen von den Liefer- und Beschaffungsaufträgen, die aus der Projektplanung von Großaufträgen resultieren, ist der Planbedarf nicht durch externe Aufträge abgesichert. Der Planbedarf wird auch als Pushbedarf bezeichnet, da die für eine Verkaufsaktion oder eine Produktneueinführung gefertigten Artikelmengen zu einem späteren Zeitpunkt in den Markt hineingedrückt werden.
3.7 Bestandsarten und Lagerbereiche
37
Bestand mB (t) mmax
mN mWBZ
mMB
mBm
msich T WBZ
Lieferpunkt Bestellpunkt
Zeit Lieferzyklus TZ = m N /l
Abb. 3.2 Zeitlicher Verlauf des Dispositionsbestands eines Artikels mit stationärem Verbrauch
3.7 Bestandsarten und Lagerbereiche Wenn einige oder alle Aufträge ab Lager ausgeführt werden sollen, muß für den Verbrauchsbedarf permanent ein ausreichend bemessener Dispositionsbestand bereitgehalten werden, der auch als Arbeitsbestand oder als Pullbestand bezeichnet wird. Der Dispositionsbestand wird rechtzeitig anonym auf Lager gefertigt oder beschafft und ist für die Lagerdisposition frei verfügbar. Charakteristisch ist: 䉴 Der Pullbestand baut sich durch die eingehenden Bestellungen stufen-
weise ab und steigt bei Eintreffen des Lagernachschubs sprunghaft an. Die Lagerdauer des einzelnen Artikels ist zum Zeitpunkt der Einlagerung unbestimmt. Daraus resultiert der in Abb. 3.2 für einen Artikel mit stationärem Absatz dargestellte typische Sägezahnverlauf eines Dispositions-, Arbeits- oder Pullbestands (s. auch Abb. 6.1, 11.1 und 13.1). Um eine rationelle Produktion in kostenoptimalen Losgrößen zu erreichen, ist es sinnvoll, alle Aufträge mit kleineren Liefermengen aus dem anonymen Pullbestand zu bedienen und größere Bestellmengen auftragspezifisch zu fertigen oder zu beschaffen, soweit das mit der geforderten Lieferzeit verträglich ist (s. Kapitel 5 u. 13). Maßgebend für die Disposition des Pullbestands eines Lagerartikels sind daher die Aufträge, deren Bestellmengen kleiner als eine lageropportune Liefermenge sind. Die Grenze zwischen der Lagerlieferung und der
38
3 Aufträge und Bedarfsarten
Auftragslieferung resultiert aus einem Vergleich der maßgebenden Lagerlogistikkosten für die Lieferung aus einem Dispositionslager und der Auftragslogistikkosten für die Fertigung oder Beschaffung nach Auftrag (s. Abb. 2.4 und Kapitel 8). Wenn eine Beschaffungsmenge für eine Auftragslieferung vor dem Liefertermin angeliefert wird, muß die Lieferung zwischengelagert werden. Das führt zu einem auftragsspezifischen Sperrbestand, der bis zum Auslieferzeitpunkt blockiert werden muß und nicht für anderen Bedarf verfügbar ist. Auch Artikelmengen für den Pushbedarf, wie die geplanten Mengen einer Verkaufsaktion, werden meist vorzeitig auf Lager gefertigt oder beschafft. Diese Pushbestände sind nur für den Planbedarf bestimmt und ebenfalls für andere Bedarfe gesperrt. Sie sind – ebenso wie eine eventuelle Unterbrechungsreserve oder ein strategischer Bestand (s. Kapitel 7) – planmäßige Sperrbestände. Ein Sperrbestand wird also für eine begrenzte Zeit gelagert und bei Erreichen des Liefertermins bzw. des geplanten Verwendungszeitpunkts freigegeben. Charakteristisch ist: 䉴 Ein Sperrbestand oder Speicherbestand wird ab einem bestimmten Zeit-
punkt in einem Schub oder in Teilanlieferungen aufgebaut und nach einer festen Liegezeit komplett oder in Teilmengen ausgeliefert. Bei einer längeren Lagerzeit von einigen Wochen oder Monaten und großen Mengen ist es sinnvoll, den Sperrbestand in einem gesonderten Pufferlager unterzubringen. Bei kurzer Lagerzeit und kleinen Mengen ist eine Lagerung zusammen mit den Pullbeständen in einem integrierten Reserve- und Kommissionierlager wirtschaftlicher [Gudehus 1999]. Bei einer integrierten Lagerung müssen die Sperrbestände vom Rechner gesondert verwaltet und für den Pullbedarf gesperrt werden, damit sie nicht infolge der dynamischen Lagerdisposition vorzeitig verbraucht werden.
4 Dynamische Bedarfsprognose
Der Erfolg der Disposition hängt entscheidend von der Qualität der Bedarfsprognose ab. Jede Bedarfsprognose leitet sich ab aus dem Auftragsbestand, dem Absatzverlauf der Vergangenheit und den Erwartungen für die Zukunft. Der Absatz ist in der Regel instationär und stochastisch: Ein systematischer Absatzverlauf, der aus bekannten internen und externen Einflußfaktoren resultiert, ist überlagert von einer stochastischen Streuung, die sich aus dem unkorrellierten Auftragseingang und den zufällig schwankenden Bestellmengen ergibt. Die Überlagerung der systematischen Veränderungen durch die stochastischen Schwankungen erschwert jede Prognose. Außerdem ist bei jeder Prognose zu berücksichtigen, daß der Absatz vergangener Perioden nicht immer gleich dem Bedarf ist (s. Abschnitt 3.3). Alle mathematischen Verfahren zur Prognose des zukünftigen Bedarfs setzen voraus, daß sich der Absatzverlauf der Vergangenheit für einen ausreichend langen Prognosezeitraum in die Zukunft fortsetzt. Der Bedarf eines Artikel ist daher nur verläßlich prognostizierbar, wenn der Absatz bereits für einen längeren Zeitraum anhält, nicht zu stark schwankt und sich nicht plötzlich sprunghaft verändert [Glaser 1979; Lewandowski 1974; Makridiatis 1980; Backhaus 2000; Tempelmeier 1999]. Wenn diese Prognostizierbarkeitsbedingungen nicht erfüllt sind, ist keine mathematische Bedarfsprognose möglich. Damit entfällt eine wesentliche Grundlage der rechnergestützten dynamischen Disposition [Dittrich et.al. 2000].
4.1 Kurzfristige Bedarfsprognose Wenn sich der systematische zeitliche Verlauf in einem aktuellen Beobachtungszeitraum relativ wenig ändert, setzt sich der mittlere Absatz der zurückliegenden Perioden mit hoher Wahrscheinlichkeit in der näheren Zukunft fort. Das gleiche gilt auch für die Streuung des Periodenbedarfs.
40
4 Dynamische Bedarfsprognose
Für einen kurzen Prognosezeitraum von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen lassen sich daher Mittelwert und Streuung des Periodenbedarfs mit einer Genauigkeit, die in der Regel für die Auftrags- und Lagerdisposition ausreicht, aus dem Absatz der letzten Perioden nach dem Verfahren der exponentiellen Glättung 1. Ordnung berechnen: 䉴 Dynamische Prognose des kurzfristigen Bedarfs: Der für eine zukünf-
tige Absatzperiode t > tIST zu erwartende mittlere Periodenbedarf λm(t) [VE/PE] errechnet sich mit einem Absatzglättungsfaktor αλ, der einen Wert zwischen 0 und 1 hat, aus dem Absatz λ(t–1) in der letzten periode t–1 und dem zuletzt prognostizierten Periodenbedarf λm(t–1) nach der Standardformel für die Kurzfristprognose: l m(t) = a l · l (t – 1) + (1 – a l ) · l m(t – 1).
(4.1)
䉴 Dynamische Prognose der Bedarfsstreuung: Die für eine zukünftige
periode t prognostizierte Streuung des Bedarfs sλ(t) errechnet sich mit dem Glättungsfaktor αλ aus der zuletzt prognostizierten Streuung sλ(t–1) sowie aus dem zuletzt prognostizierten Periodenbedarf λm(t–1) und dem Absatz λ(t–1) in der letzten Periode nach der Standardformel der dynamischen Bedarfsstreuung© a l · (l l m(t – 1) – l (t – 1))2 + (1 – a l ) · sl (t – 1)2]1/2 sl (t) = [a
(4.2)
Bei einem neuen Artikel müssen vor dem Absatzbeginn für den Periodenbedarf und dessen Streuung Schätz- oder Planwerte als Anfangswerte eingeben werden. Neu gegenüber dem allgemein bekannten Verfahren der exponentiellen Glättung zur Bedarfsprognose ist die dynamische Prognose der Bedarfsstreuung (4.2). Sie folgt aus der Anwendung des Verfahrens der exponentiellen Glättung auch auf die Varianz sλ(t)2. Die dynamische Bedarfsstreuung (4.2) wird benötigt zur Berechnung des dynamischen Sicherheitsbestands (s. Beziehungen (7.4) und (7.5)). Der Vorteil der exponentiellen Glättung gegenüber anderen Prognoseverfahren, wie der gleitende Mittelwert, liegt darin, daß in die Prognoserechnung immer nur der zuletzt berechnete Prognosewert und der aktuelle Wert der letzten Periode eingehen. Das macht das Speichern großer Datenbestände aus der Vergangenheit entbehrlich und verkürzt die Rechenzeit erheblich. Für Artikel, die sowohl ab Lager geliefert wie auch nach Auftrag gefertigt oder beschafft werden, ist die ab Lager zu bedienende Nachfrage gesondert zu erfassen, denn für das Bestandsmanagement ist die Lagernachfrage maßgebend. Wenn der Anteil des gesicherten Verkaufsbedarfs am gesamten Bedarf deutlich unter 50% liegt, ist es zweckmäßig, den Verkaufsbedarf und den
4.2 Effekte der dynamischen Glättung
41
Erwartungsbedarf zusammen zu prognostizieren und zu disponieren. Bei einem höheren Anteil des Verkaufsbedarfs kann es sinnvoll sein, nur den Erwartungsbedarf zu prognostizieren und danach durch Addition des Verkaufsbedarfs den Verbrauchsbedarf zu errechnen. Für Mehrstückaufträge lassen sich der Auftragseingang und die mittlere Liefermenge sowie deren Streuung auch getrennt nach dem Verfahren der dynamischen Glättung prognostizieren. Das ist für die Entscheidung der Lagerhaltigkeit eines Artikels von Interesse. Zur dynamischen Prognose der mittleren Liefermenge pro Auftrag ist in den Beziehungen (4.1) und (4.2) λ(t) durch m(t) und sλ(t) durch sm(t) zu ersetzen.
4.2 Effekte der dynamischen Glättung Durch sukzessives Einsetzen der zurückliegenden Werte für λm(t–n) in Beziehung (4.1) ergibt sich, daß durch die exponentielle Glättung der gewichtete Mittelwert t
l m (t ) = a◊
 (1 – a)n◊l(t – 1 – n)
(4.3)
n= 0
aller Vergangenheitswerte des Periodenabsatzes berechnet wird. Bei der exponentiellen Glättung wird also jeweils der letzte aktuelle Wert mit dem Glättungsfaktor α gewichtet. Ein um n Perioden zurückliegender Wert geht gegenüber dem letzten aktuellen Wert mit dem Gewichtsfaktor (1–α)n in den Mittelwert (4.3) ein, der mit zunehmendem Abstand von der Gegenwart exponentiell abnimmt (s. Abb. 4.1). Der um die sogenannte Glättungsreichweite n(α) = (2 – α)/α
(4.4)
zurückliegende Wert wird im Vergleich zum letzten aktuellen Wert nur noch mit dem Faktor e–2 = 0,135 berücksichtigt. Die vor der Glättungsreichweite liegenden Werte fallen mit insgesamt weniger als 13% für den Mittelwert (4.3) kaum noch ins Gewicht (s. Abb. 4.1). Nach einem systematischen Absatzsprung nach oben oder nach unten erreicht der Prognosewert den neuen Bedarfswert erst nach mehreren Perioden. Die Verzögerung ist etwa gleich der Glättungsreichweite, die gemäß Beziehung (4.4) mit abnehmendem Glättungsfaktor zunimmt. Auch der exponentiell geglättete Bedarfswert schwankt von Periode zu Periode. Bei einer Streuung sλ des Periodenabsatzes (3.1) und einem Glättungsfaktor α ist die Streuung des gleitenden Mittelwerts (4.1): slm = sl ◊ a / (2 – a)
(4.5)
42
4 Dynamische Bedarfsprognose
1,00
Reichweite 5 AT, Glättparameter 0,333 0,90
Reichweite 20 AT, Glättparameter 0,095 Reichweite 60 AT, Glättparameter 0,033
Gewichtsfaktor gegen IST-Wert
0,80
1/e2
0,70
0,60
0,50
0,40
0,30
0,20
0,10
0,00 0
10
20
30
40
50
60
Absatztage [AT] Abb. 4.1 Abhängigkeit des Gewichtsfaktors der dynamischen Glättung von der Glättungsreichweite
Die Schwankungen des geglätteten Mittelwerts sind also gegenüber den Schwankungen der Ausgangswerte um den Faktor ÷α/(2–α) kleiner, der mit dem Glättungsfaktor α abnimmt. Das heißt: Mit einem kleineren Glättungsfaktor lassen sich zwar die stochastischen Absatzschwankungen besser unterdrücken. Zugleich aber verzögert sich die Auswirkung einer systematischen Absatzveränderung auf den Prognosewert. Zur Erläuterung ist in Abb. 4.2 der prognostizierte Bedarf eines Artikels dargestellt, dessen Absatz stochastisch um einen saisonal veränderlichen Verlauf schwankt. Deutlich erkennbar ist, daß der prognostizierte Periodenbedarf der systematischen Veränderung des Periodenabsatzes mit ei-
0
500
1.000
1.500
2.000
0
50
Simulierter Periodenabsatz
100 Absatztage [AT]
Dynamische Bedarfsprognose
150
200
Dynamische Bedarfsprognose mit dem Algorithmus (4.1) bis (4.8) Tagesabsatz 700 ± 360 VE, Trend +100% p.a., Saisonalität ±50% Anstiegsfaktor 2 vom 80. bis zum 100. AT Übrige Absatzparameter s. Tab. 15.1
Abb. 4.2 Kurzfristige Bedarfsprognose eines Artikels mit stochastisch und systematisch veränderlichem Periodenbedarf
Absatz [VE/AT]
2.500
250
4.2 Effekte der dynamischen Glättung 43
44
4 Dynamische Bedarfsprognose
nem Zeitverzug folgt und der geglättete Periodenbedarf ebenfalls einer Zufallsschwankung unterliegt.
4.3 Adaptiver Glättungsfaktor Mit einem festen Glättungsfaktor, der nicht den Strukturänderungen des Absatzverlaufs folgt, besteht die Gefahr, daß die systematischen Änderungen des Bedarfs nicht rechtzeitig erkannt und daher bei der Disposition zu spät berücksichtigt werden. Deshalb muß der Glättungsfaktor der Änderung des Absatzverlaufs regelmäßig angepaßt werden [Dittrich et al. 2000; Glaser 1997; Hartmann 1997]. Ein Disponent, der für mehr als 100 Artikel oder auch für andere Aufgaben verantwortlich ist, hat hierzu jedoch weder die Zeit noch die erforderlichen Kenntnisse. Daher ist ein Programm zur dynamischen Disposition erst vollständig, wenn es auch die Anpassung des Glättungsfaktors automatisch durchführt. Das ist möglich mit Hilfe der 䉴 Standardformel des adaptiven Glättungsfaktors
αλ(t) = 2 . MIN(νλ(t)2;νmax2)/(νλ(t)2+MIN(νλ(t)2;νmax2))
(4.6)©
mit dem aktuellen Variationskoeffizienten νλ(t) = sλ(t-1)/λm(t-1) . Wie in Abb. 4.3 gezeigt, paßt sich der adaptive Glättungsfaktor (4.6) der aktuellen Streuung der zu prognostizierenden Größe an und verlängert oder verkürzt damit effektiv die Glättungsreichweite (4.4). Mit zunehmender Absatzstreuung nimmt der adaptive Glättungsfaktor automatisch ab. Die Glättungsreichweite steigt an, so daß die Streuungen über einen längeren Zeitraum geglättet werden. Dafür aber folgt der resultierende Mittelwert einer systematischen Veränderung erst mit einer größeren Verzögerung. Der maximale Variationskoeffizient νmax für den prognostizierten Periodenbedarf in Beziehung (4.6) bewirkt, daß der gleitende Mittelwert nicht stärker als zulässig schwankt. Für die Lagerdisposition ist eine Schwankung des prognostizierten Periodenabsatzes (4.1) bis zu 5% zulässig, denn damit schwankt die optimale Nachschubmenge (8.11) um den Faktor ÷1,05, d.h. nur um ±2,5%. Damit der gleitende Mittelwert einer systematischen Veränderung nicht zu langsam folgt, ist es erforderlich, den adaptiven Glättungsfaktor nach unten zu begrenzen durch den
4.3 Adaptiver Glättungsfaktor
45
adaptiver Glättungsfaktor
0,60 0,50 5% 10% 15%
0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Variationskoeffizient Abb. 4.3 Adaption des Glättungsfaktors α an die aktuelle Streuung νmax/nmin/nmax:
5%/3/60
10%/5/120
15%/8/180
• minimalen Glättungsfaktor αmin, der den Wert 0,033 hat, wenn die Glättung effektiv nicht mehr als die letzten 60 AT berücksichtigen soll. Damit nicht eine zufällige Folge gleicher Abweichungen vom Mittelwert wie eine systematische Veränderung erscheint, muß der adaptive Glättungsfaktor auch nach oben begrenzt werden durch einen • maximalen Glättungsfaktor αmax mit dem Wert 0,333, wenn die Glättung effektiv mindestens die letzten 5 AT berücksichtigen soll. Die Begrenzung des adaptiven Glättungsfaktors nach oben und unten ist die 1. Zusatzbedingung Ïamin Ô a l = Ìa l (t ) Ôa Ó max
wenn a l (t ) < amin wenn amin (t )£ a l (t )£ amax wenn a l (t ) > amax
Zusammengefaßt in einer Formel ist der Zusatzalgorithmus αλ = MAX( αmin; MIN(αmax; αλ(t))).
(4.7)
46
4 Dynamische Bedarfsprognose
Wenn der Absatz für eine längere Anzahl aufeinander folgender Perioden 0 ist, muß der adaptiven Glättungsfaktor auf den Maximalwert gesetzt werden. Daraus resultiert die 2. Zusatzbedingung Ê N ˆ (4.8) a l = WENN Á l (t – n) = 0 ; amax ˜ Á ˜ Ë n=1 ¯ Die Summe in (4.8) erstreckt sich dabei über so viele Absatzperioden wie die Glättungsreichweite des maximalen Glättungsfaktors. Für αmax = 0,333 ist also N = 5. Die 2. Zusatzbedingung ist erforderlich, damit die dynamische Absatzprognose den Absatzbeginn eines neu eingeführten oder eines längere Zeit nicht benötigten Artikels möglichst schnell erkennt. Ebenso wird auf diese Weise das Absatzende eines auslaufenden Artikels rechtzeitig berücksichtigt. Die Abb. 4.4 zeigt, wie rasch die adaptive Absatzprognose mit dem Algorithmus (4.1) bis (4.8) dem plötzlich einsetzenden Absatz eines neuen Artikels folgt, der ab dem 61. Absatztag angefordert wird. Daraus folgt:
Â
䉴 Bei einer Bedarfsprognose mit dem adaptiven Glättungsfaktor ist es
nicht unbedingt erforderlich, für jeden Artikel einen korrekten Anfangswert einzugeben. Das Dispositionsprogramm errechnet den aktuellen Absatz nach kurzer Zeit selbst. Dadurch reduziert sich der Aufwand für die Implementierung der dynamischen Disposition und für das Customizing [Dittrich et al. 2000].
4.4 Mittelfristige Bedarfs- und Umsatzprognose Für die Planung der Fertigungskapazitäten und anderer Ressourcen sowie zur rechtzeitigen Erkennung von Engpässen wird eine mittelfristige Prognose des Bedarfs über einen Zeitraum von mehreren Monaten bis zu einem Jahr benötigt. Auch die Unternehmensplanung und das Finanzcontrolling verlangen eine regelmäßige Fortschreibung der mittelfristigen Absatz- und Umsatzprognose. Für die kurzzeitig ausgerichtete Disposition ist eine mittelfristige Bedarfsprognose nur erforderlich, wenn die Wiederbeschaffungszeit plus Reichweite der Nachschubmenge den kurzfristigen Prognosezeitraum der exponentiellen Glättung von einigen Wochen oder Monaten deutlich überschreitet.
0
500
1.000
1.500
2.000
2.500
3.000
0
50
100 Absatztage [AT]
Dynamische Bedarfsprognose
Simulierter Periodenabsatz
Dynamische Bedarfsprognose mit dem Algorithmus (4.1) bis (4.8) Absatzbeginn am 61. Tag Übrige Absatzparameter s. Abb. 4.2
Abb. 4.4 Dynamische Bedarfsprognose eines Artikels mit plötzlich einsetzendem Bedarf
Absatz [VE/AT]
3.500
150
200
250
4.4 Mittelfristige Bedarfs- und Umsatzprognose 47
48
4 Dynamische Bedarfsprognose
Wenn der Absatz eines Artikels, einer Artikelgruppe oder des gesamten Sortiments in jedem Jahr einen wöchentlich oder monatlich in ähnlicher Form wiederkehrenden Verlauf hat, läßt sich auch der mittelfristige Absatzverlauf für die nächsten NPE Perioden prognostizieren, z.B. bis zum Jahresende oder für die kommenden 12 Monate. Durch eine Analyse des mittleren Absatzverlaufs eines Artikels oder auch einer Artikelgruppe mit ähnlichem Absatzverlauf über einen längeren Zeitraum von einem oder mehreren Jahren lassen sich die wöchentlichen oder monatlichen Saisongewichte g(t) ermitteln, die über das ganze Jahr auf 1 normiert sind. Dabei müssen bewegliche Feiertage und irreguläre Betriebstage heraus gerechnet werden [Dangelmaier 2002]. Für die mittelfristige Bedarfs- und Umsatzprognose genügt es, mit einer Periodenlänge von einer Woche oder einem Monat zu rechnen. Das hat den Vorteil, daß zufällige und kurzzeitige Einflüsse bereits geglättet werden. Die Saisongewichte der NPE Perioden des zurückliegenden Jahres werden verwendet für das 䉴 Standardverfahren der mittelfristigen Bedarfsprognose: Der Verlauf
des Periodenbedarfs ab der Periode t ist: l m(t + k) = g(t + k) · l prog(t)
für
k = 1,2 ... NPE .
(4.9)
Darin ist λprog(t) [VE/PE] der zum Zeitpunkt t prognostizierte mittlere Periodenbedarf der kommenden NPE Perioden. Dieser wird nach dem Verfahren der exponentiellen Glättung aus dem zuletzt prognostizierten mittleren Periodenbedarf λprog(t–1) und dem Ist-Absatz λ(t–1) der vorangehenden Periode wie folgt errechnet: l prog(t) = a l · l (t – 1)/g(t – 1) + (1 – a l ) · l prog(t – 1).
(4.10)
Mit dem prognostizierten mittleren Periodenbedarf (4.10) ergibt sich der zum Zeitpunkt t zu erwartende Gesamtbedarf in den nächsten NH Perioden aus der Beziehung: A prog (t ;N) =
N
 l m (t + k)
[VE/Jahr].
(4.11)
k =1
Mit dem Verkaufspreis PVK [€/VE] resultiert daraus der zum Zeitpunkt t prognostizierte Umsatz für den gleichen Zeitraum: Uprog(t; N) = PVK · Aprog(t; N)
[€/Jahr].
(4.12)
Für einen simulierten stochastischen Absatzverlauf in zwei aufeinander folgenden Jahren zeigt Abb. 4.5 die jeweils zu Beginn eines Quartals mit Hilfe des Prognosealgorithmus (4.9) und (4.10) aus den Saisongewichten des Vorjahres errechneten mittelfristigen Absatzprognosen für das Folge-
4.5 Prüfung der Prognostizierbarkeit
49
2.500
Ist-Absatz 1.Prognose 2.Prognose 3.Prognose 4.Prognose
Absatz [VE/AT]
2.000
1.500
1.000
500
0 0
50
100
150
200
250
Absatztage [AT]
Abb. 4.5 Dynamische Mittelfristprognose eines Bedarfsverlaufs aus den Saisongewichten des Vorjahres
jahr. Mit fortschreitendem Zeitpunkt der Prognoserechnung verbessert sich die Vorhersage des mittleren Absatzverlaufs für das restliche Jahr.
4.5 Prüfung der Prognostizierbarkeit Das Dispositionsprogramm muß laufend den Absatzverlauf aller Artikel verfolgen, deren Prognostizierbarkeit prüfen und rechtzeitig anzeigen, wenn die Prognostizierbarkeit kritisch wird. Simulationsrechnungen zeigen, daß das Verfahren der dynamischen Glättung für die Bestands- und Nachschubdisposition der Lagerartikel solange anwendbar ist, wie die systematische Bedarfsänderung in zwei aufeinander folgenden Absatzperioden kleiner ist als die doppelte stochastische Streuung. Auch wenn ein Artikel nicht mehr mit ausreichender Regelmäßigkeit bestellt wird und der Nullperiodenanteil über 80% ansteigt, wird die Prognose nach dem Verfahren der exponentiellen Glättung fragwürdig. Daraus folgen die Prognostizierbarkeitsbedingungen:
50
4 Dynamische Bedarfsprognose
䉴 Begrenzte Streuung: Der Periodenabsatz darf vom prognostizierten
Mittelwert in zwei aufeinander folgenden Perioden in gleicher Richtung nicht stärker als die doppelte Absatzstreuung abweichen. 䉴 Regelmäßiger Bestelleingang: Der ebenfalls nach dem Verfahren der dy-
namischen Glättung errechnete Nullperiodenanteil des Absatzes muß unter 80% liegen. Sobald der Absatzverlauf eines Artikels eine der beiden Prognostizierbarkeitsbedingungen nicht mehr erfüllt, wird der Artikel prognosekritisch. Für einen prognosekritischen Lagerartikel, den das Programm durch eine Warnmeldung noch in derselben Periode anzeigen muß, bestehen für den Disponenten folgende Handlungsmöglichkeiten: 䉴 Bei einem echten Bedarfssprung nach oben wird die vom Dispositions-
programm errechnete Nachschubmenge heraufgesetzt. 䉴 Bei einem anhaltenden Bedarfseinbruch wird die errechnete Nach-
schubmenge herabgesetzt. Ebenso muß das Programm den Absatz der reinen Auftragsartikel verfolgen und anzeigen, wenn der Artikel die Prognostizierbarkeitsbedingungen erfüllt. Dann entscheidet der Disponent aufgrund des aktuellen Lageropportunitsgewinns, ob es sinnvoll ist, den Auftragsartikel zum Lagerartikel zu machen (s. Abschnitt 8.6).
4.6 Bedarfsprognose in Logistiknetzen Der Absatz der voranliegenden Liefer- und Leistungsstellen, aus denen die Bedarfsstellen eines mehrstufigen Logistiknetzes beliefert werden, läßt sich grundsätzlich aus dem Absatzverlauf der Endverbrauchsstellen berechnen, wenn die Zusammensetzung der Endprodukte, die Bestände und die Ressourcen sowie die Dispositionsstrategien aller nachfolgenden Stellen bekannt sind. Eine solche Netzbedarfsrechnung ist heute für eine begrenzte Anzahl von Endprodukten und ein überschaubares Unternehmensnetzwerk, wie das in Abb. 2.1 gezeigte Netz eines Automobilherstellers, mit einem leistungsfähigen Rechner und geeigneter Software grundsätzlich möglich. Die Netzbedarfsrechung ist jedoch für eine größere Artikelanzahl, umfangreiche Stücklisten und ein vielstufiges Versorgungsnetz sehr aufwendig. Außerdem sind die benötigten Informationen für unternehmensübergreifende Lieferketten in der Regel nicht verfügbar. Aus geschäftspolitischen Gründen geben nämlich nur wenige Unternehmen Informationen über ihre Absatzdaten, Auftrags- und Lagerbestände und Ressourcen un-
4.6 Bedarfsprognose in Logistiknetzen
51
eingeschränkt an Lieferanten und Kunden weiter. Wer etwas anderes erwartet oder fordert, ist naiv oder kennt nicht die Gesetze des freien Marktes [Hayek 1998]. Maßgebend für die Bereitschaft zur Beschaffung und Weitergabe der für eine unternehmensübergreifende Zentraldisposition benötigten Informationen ist der Zusatznutzen, der aus einer zentralen Bedarfsermittlung für das gesamte Netzwerk im Vergleich zur dezentralen Bedarfsermittlung zu erwarten ist. Vorteile für die Zentraldisposition werden vor allem aus folgenden Handlungsmöglichkeiten erwartet [Breiter 1996; Christofer 1992; Förster 1995; Ritter 1997; Scott 1991]: • Bessere Prognose systematischer Bedarfsänderungen aus dem Summenverbrauch mehrerer Verbrauchsstellen. • Schnelle und effiziente Marktbedienung (Efficient Consumer Response ECR) durch unverzögerte Information über den Absatz der Endverbrauchsstellen. Die Summation des stochastisch schwankenden Absatzes einer Anzahl paralleler Verbrauchsstellen (s. Abb. 2.3 Mitte) ergibt einen Gesamtabsatz, dessen relative Schwankung nach dem Gesetz der großen Zahl kleiner ist als die relative Schwankung der Einzelverbräuche. Wenn beispielsweise der in Abb. 3.1 gezeigte dezentrale Absatzverlauf der 45 Händler eines Fahrzeugherstellers eine relative Streuung von 30% hat, so reduziert sich die Streuung des täglichen Gesamtauftragseingangs aller Händler auf 4,3% [Gudehus 2005]. Aus dem summierten Absatz aller Verkaufsstellen ist daher eine bessere Gesamtbedarfsprognose möglich, als sie der einzelne Händler aufgrund des ihm bekannten Bedarfs durchführen kann. Aus dem Summenbedarf vieler paralleler Absatzstellen für den gleichen Artikel können auch recht zuverlässig die Saisongewichte errechnet werden. Damit lassen sich systematische Bedarfsveränderungen des Gesamtmarktes besser erkennen, der mittelfristige Absatz und Umsatz zutreffender prognostizieren und Engpässe rechtzeitig voraussehen (s. Abschnitt 12.6). Wenn eine Leistungsstelle in einem Versorgungsnetz von den Endverbrauchsstellen, wie in Abb. 2.3 unten gezeigt, über eine, zwei oder mehr Leistungsstellen getrennt ist, reagiert der Absatz dieser Stelle, der sich aus den Bestellungen der folgenden Stellen ergibt, erst mit einem bestimmten Informationszeitverzug ∆t auf eine systematische Veränderung des Endverbrauchs. Der Zeitverzug der Absatzinformation infolge einer dazwischen befindlichen Lagerstelle ist im Mittel gleich der halben Reichweite des Lagerbestands. Bei einer bestandslosen Leistungsstelle ist der Zeitverzug im Mittel gleich der halben Bündelungszeit der Beschaffungsaufträge.
52
4 Dynamische Bedarfsprognose
BA(t+ Dt1+Dt2)
LS
l NZ(t)
Dt2
ZL
BA(t+Dt1)
l NV (t)
D t1
VS
E A(t)
l EA (t)
Verzögerte Absatzinformation über Beschaffungsaufträge
AI(t)
AI(t)
LS
l NZ(t)
ZL
l NV (t)
EA(t)
VS
l EA (t)
Simultane Absatzinformation über EDI oder Internet Abb. 4.6 Lieferkette mit verzögerter und mit unverzögerter Absatzinformation LS: Lieferstelle ZL: Zentrallager VS: Verkaufsstelle EA: Endverbrauchsaufträge BA: Beschaffungsaufträge AI: Absatzinformation über EDI oder Internet
Je weiter eine Leistungsstelle in der Lieferkette von der Endverbrauchsstelle entfernt ist, um so größer ist die Informationsverzögerung (s. Abb. 4.6 oben). Wenn hingegen alle Leistungsstellen einer Lieferkette mit der Ausgangsstelle und alle Stellen eines Versorgungsnetzwerks mit den Endverbrauchsstellen über EDI oder Internet verbunden sind, ist es prinzipiell möglich, den zukünftigen Bedarf aus den simultan über die Lieferketten weitergeleiteten Absatzinformationen der Endverbrauchsstellen zu errechnen (Abb. 4.5 oben). Bei der Prognose des eigenen Absatzes einer Leistungsstelle aus dem Endverbrauch der nachfolgenden Lieferketten sind jedoch auch deren Bestände und Nachschubstrategien zu berücksichtigen. Das aber scheitert in der Praxis meist an der fehlenden Verfügbarkeit dieser Zusatzinformationen.
4.6 Bedarfsprognose in Logistiknetzen
53
So kann eine Verkaufsstelle – ohne den Lieferanten darüber zu informieren – auf einen stark angestiegenen Absatz mit einer Preiserhöhung statt mit einer größeren Nachschubbestellung reagieren. Die Preiserhöhung führt unter Umständen zu einem größeren Gewinn und einem Absinken des Bedarfs. Auf einen stark rückläufigen Absatz wird oft mit einer Preissenkung reagiert, die den Absatz ansteigen läßt, während der darüber nicht informierte Lieferant mit einem weiteren Rückgang rechnet. Aber selbst wenn das Dispositionsverhalten aller Lager- und Leistungsstellen und der aktuelle Absatz der Endverbrauchsstellen bekannt sind, ist der Nutzen aus diesen Informationen meist begrenzt. So ergibt die Simulation eines zweistufigen Versorgungsnetzes, wie es in Abb. 2.3 Mitte gezeigt ist, daß sich durch die kurzfristige Absatzprognose auf der Basis des unverzögerten Endverbrauchs anstelle des eigenen Absatzes keine nennenswerten Bestandssenkungen oder Kosteneinsparungen erreichen lassen [Gudehus 2001]. Daher gelten die Regeln: 䉴 Eine Kenntnis des unverzögerten Summenbedarfs ist für die kurzfristi-
ge Bedarfsprognose zur aktuellen Auftrags- und Bestandsdisposition in den einzelnen Liefer- und Lagerstellen nicht erforderlich. 䉴 Die Kenntnis des unverzögerten Summenbedarfs aller Endverbrauchs-
stellen eines Artikels ist nutzbar für die mittelfristige Bedarfsprognose, die zur Engpaß- und Ressourcenplanung in einem Unternehmens- und Logistiknetzwerk benötigt wird. In Unkenntnis dieser Regeln werden die Möglichkeiten und Potentiale der Nutzung der unverzögerten Endverbrauchsinformationen häufig überschätzt.
5 Lieferzeiten und Termintreue
Nach der Qualität und dem Preis des Produkts ist die Lieferzeit der wichtigste Wettbewerbsfaktor. In Zeiten hoher Nachfrage und bei Lieferengpässen entscheidet in vielen Fällen die Lieferzeit noch vor dem Preis über die Vergabe eines Auftrags. Kurze Lieferzeiten sind jedoch nur dann ein überzeugender Wettbewerbsfaktor, wenn sie auch mit hoher Termintreue eingehalten werden. Ungenaue oder unverbindliche Terminzusagen verärgern den Kunden und lassen die zugesagte kurze Lieferzeit rasch vergessen. Hier gilt der Grundsatz: Pünktlichkeit vor Schnelligkeit. Lieferzeiten und Termintreue hängen ab von den Durchlaufzeiten der Leistungsketten, die an einem Auftrag beteiligt sind, von den Schwankungen der einzelnen Durchlaufzeiten und von der zeitlichen Auftragsdisposition.
5.1 Auftragslieferzeit und Lagerlieferzeit Für Auftragsartikel, die speziell für einen Lieferauftrag gefertigt oder beschafft werden, ist die Lieferzeit die Summe der administrativen Auftragsbearbeitungszeit, der Beschaffungszeit und der Transport- und Versandzeiten von der Lieferquelle über eine Versandrampe bis zum Kunden. Ein naheliegender Weg zur Verkürzung der Auftragslieferzeiten ist also – abgesehen von einer Reduzierung der Auftragsbearbeitungszeit – die Verkürzung der Beschaffungszeiten. Bei Eigenfertigung ist die Beschaffungszeit gleich der Fertigungsdurchlaufzeit der Produktion. Die Fertigungsdurchlaufzeit läßt sich im Rahmen der technologischen Grenzen verkürzen durch Standardisierung der Produkte und Fertigungsprozesse, durch Variantenfertigung der Endprodukte aus wenigen Teilen und durch Bevorratung der hierfür benötigten Teile und Vorerzeugnisse (s. Kapitel 10). Bei Handelsware und Kaufteilen ist die Beschaffungszeit die Lieferzeit des Vertragslieferanten. Sie ist besonders kurz, wenn der Lieferant den Ar-
56
5 Lieferzeiten und Termintreue
tikel in der Nähe des Verbrauchsorts auf Lager hält. Bei einer Auftragsfertigung wird sie primär von dessen Fertigungsdurchlaufzeit bestimmt. Die kürzeste Lieferzeit ist erreichbar durch die Fertigung eines Artikels auf Lager und die Erfüllung der Aufträge aus dem Lagerbestand. Für Lagerartikel ist die Lieferzeit die Summe der Auftragsdurchlaufzeit, der Lagerdurchlaufzeit bis zur Rampe und der Versandzeit bis zum Kunden. Voraussetzung für die Einhaltung der im Vergleich zur Auftragslieferzeit extrem kurzen Lagerlieferzeit ist jedoch, daß der Artikel in ausreichender Menge am Lager verfügbar ist. Eine geforderte Verfügbarkeit oder Lieferfähigkeit des Artikels im Lager, also ein bestimmter Lieferbereitschaftsgrad, erfordert einen angemessenen Sicherheitsbestand. Die Höhe des Sicherheitsbestands, der für eine vorgegebene Lieferfähigkeit benötigt wird, hängt ab von der Länge der Wiederbeschaffungszeit und ihrer Streuung. Beide Werte müssen daher für die Lagerdisposition möglichst aktuell und zutreffend bekannt sein. Für Eigenerzeugnisse ist die Wiederbeschaffungszeit die Fertigungsdurchlaufzeit der Produktion, für Handelsware und Kaufteile ist sie die Lieferzeit des Lieferanten. Die aktuelle Wiederbeschaffungszeit für einen Lagerartikel ebenso wie die Beschaffungszeit für einen Auftragsartikel kann von einer zugesicherten oder vereinbarten Standardlieferzeit mehr oder weniger abweichen und mengenabhängig sein (s. Kapitel 13.1). Sie ist oft erheblichen Schwankungen unterworfen. Wird eine Beschaffungsmenge zu früh angeliefert, muß diese zwischengelagert werden. Wird die vereinbarte Lieferzeit überschritten, ist die Termintreue gefährdet.
5.2 Aktuelle Wiederbeschaffungszeit Die Wiederbeschaffungszeit TWBZ [AT] wird gemessen in der Anzahl nWBZ der Absatztage von der Auslösung eines Lagernachschubauftrags bis zum Eintreffen der Nachschubmenge auf dem Lagerplatz [Soom 1980]. Für einen neuen Artikel oder bei einem Wechsel der Lieferstelle muß als Anfangswert für die Wiederbeschaffungszeit zunächst eine Standardlieferzeit oder ein Planwert eingegeben werden. Nach der ersten Lieferung ist es möglich, den Mittelwert und die Streuung der aktuellen Wiederbeschaffungszeit vom Dispositionsprogramm nach dem Verfahren der exponentiellen Glättung aus den Wiederbeschaffungszeiten zurückliegender Nachschublieferungen berechnen zu lassen: 䉴 Dynamische Berechnung der Wiederbeschaffungszeit: Die aktuelle
Wiederbeschaffungszeit nWBZ(t) ist gleich der dynamisch berechneten
5.3 Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit
57
mittleren Wiederbeschaffungszeit nWBZm(j). Diese wird errechnet mit dem WBZ-Glättungsfaktor αWBZ aus der Wiederbeschaffungszeit nWBZ(j–1) der letzten Beschaffung zu einer Zeit j < t und der vorherigen mittleren Wiederbeschaffungszeit nWBZm(j–1) nach der Standardformel zur dynamischen Berechnung der Wiederbeschaffungszeit: nWBZm(j) = a WBZ · nWBZ(j – 1) + (1 – a WBZ) · nWBZm(j – 1).
(5.1)
䉴 Dynamische Berechnung der WBZ-Streuung: Die aktuelle Streuung der
Wiederbeschaffungszeit sWBZ(t) ist gleich der dynamisch berechneten mittleren Streuung der Wiederbeschaffungszeit sWBZ(j). Sie wird mit dem WBZ-Glättungsfaktor αWBZ errechnet aus der vorherigen mittleren WBZ-Streuung sWBZ(j–1), der vorherigen mittleren Wiederbeschaffungszeit nWBZm(j–1) und der letzten Wiederbeschaffungszeit nWBZ(j) nach der Standardformel für die dynamische WBZ-Streuung©: a WBZ · (nWBZm(j – 1) – nWBZ(j – 1))2 + sWBZ(j) = [a + (1 – a WBZ) · sWBZ(j – 1)2]1/2
(5.2)
Um effektiv die letzten N Beschaffungsvorgänge zu berücksichtigen, ist der WBZ-Glättungsfaktor: a WBZ = 2/(N + 1).
(5.3)
Damit die WBZ-Glättungsreichweite N = 5 ist und die letzten fünf Lieferungen erfaßt, muß z.B. der WBZ-Glättungsfaktor αWBZ = 0,33 sein. Mit den Standardformeln (5.1) und (5.2) ist auch eine dynamische Berechnung der aktuellen Beschaffungszeit eines Auftragsartikels und deren Streuung möglich. Die aktuellen Beschaffungszeiten werden benötigt zur laufenden Kontrolle der Fertigungsdurchlaufzeiten der eigenen Produktion und der Lieferzeiten der externen Beschaffungsquellen.
5.3 Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit Aus dem mittleren Verbrauch (3.1) und der durchschnittlichen Wiederbeschaffungszeit (5.1) läßt sich der aktuelle mittlere Verbrauch in der Lieferzeit errechnen: (5.4) mWBZm(t) = nWBZm(t) · λm(t). Wegen der stochastischen Streuung des Verbrauchs und der Wiederbeschaffungszeit schwankt der WBZ-Verbrauch um den Mittelwert (5.4). Aus dem Fehlerfortpflanzungsgesetz ergibt sich für die Absatzstreuung in der Wiederbeschaffungszeit [Gudehus 1999; Inderfurth 1999; Schneeweiß 1981; Tempelmeier 1999]:
58
5 Lieferzeiten und Termintreue
smWBZ(t) = [nWBZm(t) · sλ(t)2 + λm(t)2 · sWBZ(t)2]1/2.
(5.5)
Hieraus ist ablesbar, wie stark die Streuung des WBZ-Verbrauchs (5.4) von der Absatzstreuung, der Länge der Wiederbeschaffungszeit und deren Schwankungen abhängt. Diese Einflußfaktoren wirken sich unmittelbar auf die Lieferfähigkeit, den Lagerbestand und die Lagerlogistikkosten aus.
5.4 Pünktlichkeit und Termintreue Pünktlichkeit ist die Einhaltung eines zugesagten Liefertermins innerhalb eines vereinbarten Zeitfensters. Wenn ein bestimmter Liefertag vereinbart ist, sind nur die Lieferungen pünktlich, die genau an diesem Tag eintreffen. Ein Maß für die Pünktlichkeit ist die 䉴 Termintreue ηT [%]: Sie ist das Verhältnis der Lieferungen, die während
eines Bemessungszeitraums innerhalb des vereinbarten Zeitfensters eingetroffen sind, zur Gesamtzahl aller Lieferungen dieses Zeitraums.
Es ist Selbstbetrug, für die interne Messung der Termintreue das Zeitfenster auf 2 oder mehr Tage zu erweitern, wenn den Kunden eine tagesgenaue Lieferzeit zugesagt wird. Eine solche Schönfärberei ist in manchen Unternehmen durchaus Tradition. Die Lieferzeit einer einzelnen Fertigungsstelle, z.B. einer Endmontage, die von allen vorangehenden Lieferstellen durch Zwischenlager abgekoppelt ist, wird nur von den Schwankungen der Durchlaufzeit dieser Leistungsstelle bestimmt. Die Durchlaufzeitschwankungen werden von unterschiedlichsten Faktoren verursacht, wie schwankende Bearbeitungszeiten, technische Ausfälle und Fehlproduktion. Bei hoher Auslastung und stochastischer Belastung kommen Wartezeiteffekte hinzu. Solange die Fertigungskapazität nicht überschritten wird, führt die Summe aller Einflußfaktoren zu einer Durchlaufzeitverteilung, die ab einer verfahrenstechnisch bestimmten minimalen Durchlaufzeit nach rechts schiefverteilt ist (s. Abb. 5.1). Der Mittelwert und die Streuung der Durchlaufzeitverteilung lassen sich durch eine dynamische Messung mit Hilfe der Beziehungen (5.1) und (5.2) ermitteln. Unter bestimmten Umständen ist auch eine theoretische Berechnung oder eine Simulation der Durchlaufzeitverteilung möglich. Jede Fertigungsstelle kann unter den 3 in Abb. 5.1 gezeigten Zeitstrategien wählen: Vorwärtsterminierung, Rückwärtterminierung und freie Terminierung. Soll bei einer Rückwärtsterminierung der Fertigungsaufträge eine Standardlieferzeit mit einer Termintreue ηT [%] eingehalten werden, muß die
5.4 Pünktlichkeit und Termintreue
Abb. 5.1 Zeitstrategien und Termintreue einer Leistungsstelle
59
60
5 Lieferzeiten und Termintreue
Lieferzeit gegenüber der minimalen Durchlaufzeit um soviel länger bemessen sein, daß die Durchlaufzeit mit der Wahrscheinlichkeit ηT eingehalten wird (s. Abb. 5.1 mitte). Das aber führt dazu, daß ein Teil der Aufträge zu früh fertiggestellt wird und bis zum Versandtermin zwischengelagert werden muß, wenn der Abnehmer eine Just-In-Time-Belieferung fordert und keine vorzeitige Anlieferung akzeptiert. Bei einer Lieferzeit, die größer ist als die Standardlieferzeit, läßt sich eine Terminüberschreitung durch eine Vorwärtsterminierung oder eine freie Terminierung verhindern (s. Abb. 5.1). Dadurch aber treffen die Produkte zu früh im Versandlager ein, wo sie zwischengelagert werden müssen. Wenn die Endfertigungsstelle nicht durch Zwischenlager von den vorangehenden Versorgungsstellen entkoppelt ist, wirkt sich auch deren Termintreue auf die Einhaltung des Endtermins aus. Generell gilt: 䉴 Die Lieferzeit einer Endfertigungsstelle, die ohne Zwischenlager mit
den Lieferketten eines Beschaffungsnetzes verkoppelt ist, ist gleich der Summe der Durchlaufzeiten der Leistungsstellen der durchlaufkritischen Hauptlieferkette. 䉴 Die Termintreue der Endfertigungsstelle ist gleich dem Produkt der Ter-
mintreue der ohne Zwischenlager verkoppelten Leistungsstellen der Hauptlieferkette. Diese Gesetzmäßigkeiten gelten für alle internen wie auch für die externen Beschaffungsketten. Hieraus folgt die Handlungsregel: 䉴 Zur Sicherung der Termintreue ist entweder eine hohe Termintreue al-
ler beteiligten Lieferstellen oder die Entkopplung der unpünktlichen Lieferstellen durch ein Zwischenlager notwendig. In Überlastphasen, in denen der Auftragseingang die Fertigungskapazität einer der beteiligten Lieferstellen überschreitet, bildet sich vor der Engpaßstelle ein zunehmender Auftragsbestand, der zu kontinuierlich ansteigenden Lieferzeiten führt. Ist ein solcher Engpaß rechtzeitig absehbar, lassen sich längere Lieferzeiten durch eine der in Abschnitt 12.6 beschriebenen Engpaßstrategien vermeiden.
5.5 Direktlieferzeit bei Auftragsbündelung Bei einer Auftragslieferung werden die externen Aufträge von der Disposition einzeln oder gebündelt als Direktbeschaffungsauftrag an die eigene Produktion oder die externe Lieferstelle weitergeleitet.
5.5 Direktlieferzeit bei Auftragsbündelung
61
Jeder einzelne Beschaffungsauftrag verursacht Auftragskosten (s. Abschnitt 8.1). Diese können bei langen Rüstzeiten und teuren Anlagen recht hoch sein. Daher entstehen bei einer Auftragstrennung, die jeden einzelnen Kundenauftrag direkt an die Fertigung weiterleitet, wenn diese dort auch einzeln ausgeführt werden, pro Artikeleinheit die höchsten Auftragskosten. Auch für fremd beschaffte Artikel sind die Auftragskosten bei kleinen Mengen in der Regel deutlich höher als bei großen Bestellmengen. Die anteiligen Auftragskosten lassen sich dagegen durch eine Auftragsbündelung erheblich senken. Wenn eine Tagestermintreue gefordert ist, kann ohne Verlängerung der Lieferzeit oder Gefährdung der Termintreue am Ende eines jeden Tages die gesamte Tagesbestellmenge des Artikels zu einem Direktbeschaffungsauftrag zusammengefaßt und weitergeleitet werden. Ist eine Verlängerung der Standardlieferzeit bis zu x Tagen zulässig, können die Aufträge jeweils für einen Bündelungszeitraum von nD = 1+x Tagen gesammelt und zusammen beschafft werden. Der Algorithmus zur Nachschubauslösung für die gebündelte Auftragslieferung ab einem Anfangszeitpunkt to ist also t = tBP
WENN {(t–to)/nD} = (t–to)/nD
(5.6)
wobei die geschweiften Klammern {...} ein ganzzahliges Aufrunden des Klammerinhalts bedeuten. Eine Auftragsbündelung über einen Zeitraum von nD Tagen hat jedoch Auswirkungen auf die Lieferzeit oder auf die Termintreue: 䉴 Soll die Termintreue ebenso hoch sein wie bei tagesgenauer Lieferung,
sind die zugesagten Lieferzeiten um einen Sicherheitszeitpuffer länger als die Standdardlieferzeit, der im Mittel folgende Größe hat Tsich = (nD – 1)/2
[AT].
(5.7)
䉴 Wird den Kunden weiterhin die Standardlieferzeit TSLZ der tagesgenau-
en Lieferung zugesichert, verringert sich infolge der Auftragsbündelung die Termintreue um den Faktor ηT = (2TSLZ – nD + 1)/2TSLZ
(5.8)
Wenn beispielsweise die Termintreue für eine Standardlieferzeit von TSLZ = 10 AT bei einer Tagesbündelung 100% ist, verschlechtert sich die Termintreue bei einer Bündelung über nD = 5 AT auf 80%. Der Preis für die Kostenreduzierung durch eine Auftragsbündelung über mehrere Tage ist also entweder eine Verlängerung der Lieferzeit bei gleicher Termintreue oder eine geringere Termintreue. Dieses Dilemma der Auftragsbündelung für die auftragsbezogene Fertigung oder Beschaffung läßt sich vermeiden durch eine Lieferung ab Lager. Der Einspareffekt der Auftragsbündelung wird dann durch die Nach-
62
5 Lieferzeiten und Termintreue
schubbündelung der Lagerversorgung erreicht. Eine hohe Termintreue bei extrem kurzer Lieferzeit wird über eine entsprechende Lieferfähigkeit gesichert, die einen bestimmten Sicherheitsbestand erfordert. Der Sicherheitsbestand der Lagerlieferung entspricht also dem Sicherheitszeitpuffer der Auftragslieferung.
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
Der Dispositionsbestand eines Lagerartikels ist erforderlich zur Sicherung der geforderten Lieferfähigkeit und zugleich geeignet zur Minimierung der Logistikkosten. Daraus folgt die Regel: 䉴 Die Höhe des Lagerbestands ist das Ergebnis und nicht das Ziel der La-
gerdisposition. Wenn trotzdem viele Unternehmen der Disposition minimale Lagerbestände, eine hohe Lagerdrehzahl oder kurze Bestandsreichweiten als Ziel vorgeben, kann das zu überhöhten Kosten oder einer unzureichenden Lieferfähigkeit führen. Der aktuelle Bestand eines einzelnen Artikels ist eine im Verlauf der Zeit stark schwankende Größe und daher ohne Aussagekraft (s. Abb. 6.1). Für den einzelnen Artikel ist nur der mittlere Bestand über einen ausreichenden Anteil von Nachschubzyklen eine sinnvolle Kontrollgröße. Der Gesamtbestand, die Drehzahl und die Reichweite eines breiten Sortiments sind ebenfalls irreführende Zielgrößen, weil das Sortiment in der Regel Artikel mit unterschiedlicher Gängigkeit und Beschaffenheit umfaßt. Ein weiterer Schwachpunkt der herkömmlichen Lagerdisposition ist die Vernachlässigung der Verpackungseinheiten und der Ladeeinheiten, in denen die Artikeleinheiten angeliefert und gelagert werden. Art, Größe und Kapazität der Verpackungseinheit und der Ladeeinheit bestimmen den Lagerplatzbedarf für den Artikelbestand. Ihr Einfluß auf die Höhe der Logistikkosten darf nicht vernachlässigt werden.
6.1 Lagerbestand und Meldebestand Der aktuelle Bestand mB(t) [VE] eines Lagerartikels am Ende des Tages t ist gleich dem Bestand mB(t–1) am Ende des Vortags t–1 minus dem Absatz λ(t) des Tages t plus der vor einer Wiederbeschaffungszeit von nWBZ Absatztagen ausgelösten Nachschubbestellung λN(t–nWBZ):
101
Absatztage [AT]
151
201
Nachschubstrategie (s, Q): Meldebestandsverfahren mit kostenoptimalem Nachschub Absatzdaten und Dispositionsparameter s. Tab. 15.1 und 15.2 VS-Bestand: aktueller Bestand der Verbrauchs- oder Verkaufsstelle VS
0
5.000
5.000
51
10.000
10.000
1
15.000
15.000
0
20.000
20.000
25.000
25.000
Nachbestellung VS-Bestand
30.000
Abb. 6.1 Simulierter Nachschub und Bestandsverlauf für einen Lagerartikel mit dem Absatzverlauf Abb. 4.2
Nachschubmenge [VE/NAuf]
30.000
64 6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
Bestand [VE]
6.1 Lagerbestand und Meldebestand
mB(t) = mB(t – 1) – λ(t) + λN(t – nWBZ)
65
[VE].
(6.1)
Die Nachschubfunktion λN(t) hängt ab von der Nachschubstrategie. Diese ist bestimmt durch die Bestellpunkte tBP und die aktuelle Nachschubmenge mN(t): λN(t) = WENN(t = tBP ; mN(t) ; 0)
[VE/AT].
(6.2)
Wenn der Absatz, die Bestellpunkte und die Größe der Nachschubmengen bekannt sind, läßt sich mit den Beziehungen (6.1) und (6.2) der Bestandsverlauf eines Artikels berechnen. Die Abb. 6.1 zeigt das Ergebnis einer Bestands- und Nachschubsimulation für einen Artikel mit der Absatzfunktion Abb. 4.2. Die dynamische Disposition nach dem Meldebestandsverfahren mit optimalem Nachschub führt deutlich erkennbar zu einem bedarfsabhängigen Bestandsverlauf. Aus Abb. 6.1 ist der typische Bestandsverlauf eines Lagerartikels mit regelmäßigem Bedarf ablesbar: 䉴 Von dem aktuellen Bestand werden die ausgelieferten Absatzmengen
abgebucht. Dadurch baut sich der Bestand stufenweise ab. Ist der Bestellpunkt erreicht, wird eine bestimmte Nachschubmenge bestellt, die nach der Wiederbeschaffungszeit im Lager eintrifft und den Bestand wieder auffüllt. Wenn die Nachschublieferung im Lager eintrifft, hat der Bestand einen minimalen Wert erreicht, der bei einem stochastischen Absatz und schwankenden Wiederbeschaffungszeiten um einen bestimmten Mittelwert streut (s. Abb. 3.2). Ist der Bestand vor dem Eintreffen des Nachschubs auf Null gesunken, tritt für die verbleibenden Absatztage bis zum Ende der aktuellen Wiederbeschaffungszeit Lieferunfähigkeit ein. Über einen längeren Zeitraum von mehreren abgeschlossenen Nachschubzyklen ergibt sich bei stationärem Absatz: 䉴 Der mittlere Maximalbestand ist die Summe des mittleren Minimalbe-
stands und der mittleren Nachschubmenge mBmax m = mBmin m + mNm
[VE].
(6.3)
䉴 Der Durchschnittsbestand ist die Summe des mittleren Minimalbe-
stands und der halben Nachschubmenge: mBm = mBmin m + mNm /2
[VE].
(6.4)
Um eine bestimmte Lieferfähigkeit zu gewährleisten, muß der späteste Bestellpunkt so gewählt werden, daß der mittlere Minimalbestand gleich dem Sicherheitsbestand ist: mBmin m = msich m
[VE].
(6.5)
66
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
Die Höhe des Sicherheitsbestands wird bestimmt von der geforderten Lieferfähigkeit. Sie ist außerdem abhängig von der Nachschubmenge (s. Kapitel 7). Damit bis zum Eintreffen der Nachschubmenge keine Lieferunfähigkeit eintritt, muß der Nachschub spätestens ausgelöst werden, wenn der aktuelle Bestand (6.1) minus dem Sicherheitsbestand gerade noch für den voraussichtlichen Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit ausreicht. Der Meldebestand ist also die Summe von Sicherheitsbestand msich und Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit nWBZm · λ. Der Meldebestand ändert sich bei einem zeitlich veränderlichem Absatz dynamisch. Er muß daher vom Dispositionsprogramm täglich aus den aktuellen Werten für den Sicherheitsbestand, den Periodenbedarf und die Wiederbeschaffungszeit berechnet werden. Das geschieht nach der 䉴 Standardformel für den dynamischen Meldebestand
mMB(t) = msich(t) + nWBZm(t) · l m(t)
[VE].
(6.6)
Aus unterschiedlichen Gründen kann es sinnvoll sein, eine Nachschubbestellung auch vor dem Erreichen des spätesten Bestellpunkts auszulösen, also noch bevor der Meldebestand (6.6) erreicht ist.
6.2 Programmierbare Nachschubstrategien Grundsätzlich kann ein Disponent zu jedem Zeitpunkt, der ihm oder dem Management günstig erscheint, einen Lagernachschub in beliebiger Höhe auslösen. Dabei werden in der Praxis in den Unternehmen und von den einzelnen Disponenten die unterschiedlichsten Vorgehensweisen, Regeln und Strategien verfolgt. Für die dynamische Lagerdisposition durch einen Rechner sind nur programmierbare Nachschubstrategien geeignet: 䉴 Eine programmierbare Nachschubstrategie ist ein Algorithmus zur Berech-
nung der Bestellzeitpunkte und der Nachschubmengen aus dem aktuellen Bestand und dem prognostizierten Bedarf eines lagerhaltigen Artikels. Bedingungen für die praktische Einsetzbarkeit einer Nachschubstrategie sind, daß sie allgemein verständlich ist, mit programmieren Algorithmen arbeitet und nur verfügbare Daten und Informationen benötigt. Diese Bedingungen werden erfüllt von den drei Standardstrategien zur Bestimmung des Bestellzeitpunkts: Bereitstellverfahren, Meldebestandsverfahren, Zykluszeitverfahren.
b s t
(6.7)
6.2 Programmierbare Nachschubstrategien
67
und den drei Möglichkeiten zur Berechnung der Nachschubmenge: fester Nachschub, kostenoptimaler Nachschub, Auffüllen auf Sollbestand.
M Q S
(6.8)
Die Kombination der 3 Bestellpunktstrategien (6.7) mit den 3 Nachschubmöglichkeiten (6.8) ergibt die Standardnachschubstrategien (b,M), (b,Q), (b,S), (s,M), (s,Q), (s,S), (t,M), (t,Q) und (t,S). Die neun Standardstrategien fächern sich durch die Verbindung mit den unterschiedlichen Prognoseverfahren, wie die exponentielle Glättung oder der gleitende Mittelwert, und durch die verschiedenen Möglichkeiten der Parameterfestlegung weiter auf in eine Vielzahl spezieller Nachschubstrategien [Dittrich et al. 2000; Gudehus 1999; Hartmann 1997; Tempelmeier 1999]. Aus mathematischen Überlegungen, die durch Simulationsrechnungen mit unterschiedlichsten Parameterkombinationen abgesichert sind, resultieren die Regeln: 䉴 Das Bereitstellverfahren mit fester Nachschubmenge (b,M) oder mit
Auffüllung auf einen Sollbestand (b,S) erfordert keine aktuelle Bedarfsprognose und auch keine dynamische Nachschubmengenberechnung. Es führt jedoch bei ungünstiger Festlegung der Nachschubmenge zu höheren Kosten sowie bei hohen Bedarfsschwankungen und langen, stark schwankenden Wiederbeschaffungszeiten zu einer schlechteren Lieferfähigkeit als das Meldebestandsverfahren. 䉴 Mit dem Meldebestandsverfahren bei kostenoptimaler Nachschubmen-
ge (s,Q) ist es möglich, jede geforderte Lieferfähigkeit einzuhalten und die Logistikkosten zu minimieren, wenn der Bedarf nach dem Verfahren der exponentiellen Glättung aus dem aktuellen Absatz prognostiziert und der Sicherheitsbestand mit Hilfe von Beziehung (7.4) dynamisch berechnet wird. 䉴 Mit dem Zykluszeitverfahren (t,Q) lassen sich fest vorgegebene Bestell-
punkte und jede geforderte Lieferfähigkeit einhalten. Jedoch sind auch bei kostenoptimaler Nachschubmenge die Logistikkosten beim Zykluszeitverfahren im Vergleich zum Meldebestandsverfahren um so höher, je größer die Bestellintervalle sind. Für die dynamische Lagerdisposition durch einen Rechner werden außer diesen 3 Standardstrategien keine weiteren Nachschubstrategien benötigt. Komplexere Strategien wären nur von Interesse, wenn sie bei vorgegebener Lieferfähigkeit und Einhaltung aller Restriktionen nachweisbar zu deutlich geringeren Kosten führen [Gudehus 2001; Inderfurth 1994 u. 1999].
68
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
6.3 Bereitstellverfahren und Kanban Das Bereitstellverfahren erfordert keine Bedarfsprognose und keine Berechnung der Nachschubmengen. Die einfachste und bekannteste Realisierung des Bereitstellverfahrens ist das Kanban-Verfahren [Geiger et al. 2000; Gudehus 1999; Leicher 2002; Schulte 1995; Weber 1997]. Das Bereitstellverfahren ist besonders geeignet zum regelmäßigen Nachfüllen eines Bereitstellpuffers mit begrenzter Kapazität, aus dem eine Verbrauchsstelle ihren Bedarf entnimmt. Die Verbrauchsstelle kann ein Montageband, ein Arbeitsplatz, eine Verkaufsstelle, ein Kommissionierplatz oder eine andere Stelle mit kontinuierlichem Bedarf sein. Die Gestaltung eines solchen Bereitstellpuffers und der Ablauf des Nachschubprozesses sind in Abb. 6.2 dargestellt. Beim Bereitstellverfahren wird der Abruf ausgelöst, sobald der Bestand mB(t) einen festen Bestellbestand oder Meldebestand mMB unterschreitet. Der Bestellpunktalgorithmus ist damit: t = tBP WENN mB(t) < mMB = nB · cBE
(6.9)
Der Meldebestand ist ein ganzzahliges Vielfaches des Inhalts cBE [VE/BE] einer Bereitstelleinheit BE – auch Zugriffseinheit genannt – und maximal gleich der Kapazität des Bereitstellplatzes CBP [BE/BP] minus dem Inhalt einer vollen Bereitstelleinheit. Die Anzahl nB ist die Bestellauslösezahl.
Nachschub
Vollpuffer
Zugriffseinheit VE
LE
LE
Entnahme Verbrauch
LT
LT
Entsorgung Leerpuffer
Abb. 6.2 Bereitstellplatz mit Nachschub nach dem Bereitstellverfahren (Kanban- oder FlipFlop-Prinzip) LE: Volle Ladeeinheiten CBE = CNE = CLE = 12 VE;
LT: Leere Ladungsträger nB = 2; nN = 1
6.3 Bereitstellverfahren und Kanban
69
Die Nachschubmenge ist ein ganzzahliges Vielfaches des Inhalts cNE [VE/NE] einer Nachschubeinheit NE. Der Algorithmus für die Berechnung der festen Nachschubmenge ist also: mN = nN · cNE
[VE].
(6.10)
Der Faktor nN ist die Nachschubzahl. Die artikelweise Einzelbereitstellung hat damit 4 Strategieparameter: • Inhalt der Bereitstelleinheit cBE und Bestellauslösezahl nB, deren Produkt den Meldebestand ergibt, • Inhalt der Nachschubeinheit cNE und Nachschubzahl nN, deren Produkt die Nachschubmenge ergibt. Bei einer zyklischen Sammelbereitstellung des Nachschubs für mehrere Artikel, bei der auch Leerbehälter abgeholt werden, kommt als weiterer Strategieparameter hinzu die • Zykluszeit nzyk [AT] oder Zyklusfrequenz νzyk = 1/nzyk [1/AT], mit der die Anliefer- und Sammeltouren stattfinden. Mit zunehmender Zykluszeit verringern sich zwar die Kosten für Belieferung und Abholung. Zugleich aber steigen die effektive Wiederbeschaffungszeit und deren Streuung an, denn im Mittel dauert es eine halbe Zykluszeit, maximal eine volle Zykluszeit, bis ein Leerbehälter abgeholt wird und den Nachschub auslöst. Das Bereitstellverfahren kennt keinen expliziten Sicherheitsbestand und bietet daher keine verläßliche Einhaltung einer geforderten Teileverfügbarkeit am Verbrauchsort. Der Sicherheitsbestand ist beim Bereitstellverfahren effektiv gleich dem festen Meldebestand minus dem Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit. Mit zunehmendem Verbrauch, ansteigender Wiederbeschaffungszeit und größerer Zykluszeit vermindert sich daher beim Bereitstellverfahren der effektive Sicherheitsbestand. Damit erhöht sich auch das Risiko, daß der Restbestand verbraucht wird, bevor der Nachschub eintrifft. Bei dem bekannten Zweibehälter-Kanban-Verfahren sind die Bestellauslösezahl und die Nachschubzahl gleich 1, also nB = nN = 1, und der Inhalt der Bereitstelleinheit gleich dem Inhalt des Nachschubeinheit, das heißt cBE = cNE = cKB [VE/KBeh]. Die Nachschubmenge ist der Inhalt cKB des Kanban-Behälters. Der Behälterinhalt und die Behältergröße sind die freien Strategieparameter des Kanban-Verfahrens. Bei geringwertigen Teilen werden die Entnahmen aus dem Kanban-Behälter nicht einzeln erfaßt. Die Verbrauchsmengen werden gemäß den Angaben der Lieferstelle bereits bei der Anlieferung des Nachschubbehälters verbucht.
70
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
Bei dem weniger bekannten Mehrbehälter-Kanban-Verfahren sind die Bereitstellzahl und/oder die Nachschubzahl größer als 1. Das Mehrbehälter-Kanban-Verfahren ist eine Nachschubstrategie für die zweistufige Kanban-Versorgung. Bei der zweistufigen Kanban-Versorgung werden mehrere Verbrauchsstellen an einem Standort, die den gleichen Artikel benötigen, nach dem Einbehälter-Kanban-Verfahren aus einem naheliegenden Pufferlager versorgt. Beim zyklischen Sammel-Kanban werden die dort zusammengeführten Leerbehälter in einem festen Zyklus, beispielsweise einmal pro Woche oder alle zwei Wochen, von einem Kanban-Dienstleister abgeholt, der pro Sammeltour auch mehrere gefüllte Nachschubbehälter für den gleichen Artikel anliefern kann [Leicher 2002]. Beim Flip-Flop-Verfahren [Gudehus 1999] ist die Nachschubmenge eine Verpackungseinheit mit dem Inhalt cVPE oder eine Ladeeinheit mit dem Inhalt CLE. Die Nachschubzahl ist also 1 und der Inhalt der Nachschubeinheit cNE = cVPE oder CLE. Die Bereitstellzahl kann entweder gleich oder größer 1 gewählt werden. Der Inhalt einer Bereitstelleinheit ist eine VPE oder eine LE, z.B. eine Palette. Beim Flip-Flop-Verfahren wird in der Regel jede verbrauchte Verpackungseinheit einzeln verbucht. Es ist damit auch für höherwertige Artikel geeignet. Im Extremfall eines Nachschubs nach dem One-Piece-Flow-Verfahren wird nach jedem Einzelstückverbrauch nur eine Verbrauchseinheit nachgeliefert. Dann ist nB = nN = 1. Der Inhalt der Bereitstelleinheit und der Nachschubeinheit ist 1 Verbrauchseinheit: cBE = cNE = 1 VE. Das One-PieceFlow-Verfahren ist aufwendig und bei größerem Verbrauch mit einem hohen Nichtverfügbarkeitsrisiko verbunden. Es eignet sich daher nur für hochwertige Artikel, wie Arzneimittel, Uhren, Schmuck, Computer oder Ersatzteile, von denen in der Wiederbeschaffungszeit in der Regel nicht mehr als 1 Stück verbraucht wird. Der Verbrauch wird einzeln erfaßt und sofort elektronisch an die Lieferstelle weitergeleitet. Beim Bereitstellverfahren mit Sollbestandsauffüllung (b,S), das in vielen Verkaufsstellen praktiziert wird, ist ebenfalls der Meldebestand mMB fest vorgegeben. Die Nachschubmenge ist bei diesem Verfahren gleich der festen Sollbestandsdifferenz: mN = mBSoll – mMB
[VE].
(6.11)
Der Sollbestand mBSoll ist gleich der Kapazität des Bereitstellplatzes mBSoll = CBP . Bei einer Verkaufsstelle errechnet sich der Sollbestand aus dem für den Artikel maximal verfügbaren Platz im Verkaufsregal. Die rechnerische Sollbestandsdifferenz (6.11) wird in der Regel auf ganze Verpackungseinheiten gerundet, um den zusätzlichen Handlingaufwand für Anbruchmengen zu vermeiden.
51
101
Absatztage [AT]
151
201
0
5.000
5.000
1
10.000
10.000
0
15.000
15.000
25.000
20.000
Nachbestellung VS-Bestand
20.000
25.000
30.000
Nachschubstrategie: Zweibehälter-Kanban-Verfahren mit Behälterinhalt 8.000 Stück Absatzverlauf: s. Abb. 4.2 Wiederbeschaffungszeit 5 ± 2 AT
Abb. 6.3a Simulierter Nachschub und Bestandsverlauf bei Disposition nach dem Bereitstellverfahren mit fester Nachschubmenge.
Nachschubmenge [VE/NAuf]
30.000
6.3 Bereitstellverfahren und Kanban 71
Bestand [VE]
72
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
Die Abbildungen 6.3a und 6.3b zeigen den Nachschub- und Bestandsverlauf für das Kanban-Verfahren bei zwei unterschiedlichen Behälterinhalten. Der Bestandsverlauf wurde mit dem Testprogramm DYNDIS.XLS für den in Abb. 4.2 gezeigten Absatzverlauf simuliert (s. Abschnitt 15.1). Im Fall der Abb. 6.3a ist der Behälterinhalt so gering, daß der Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit bei einem länger anhaltenden Verbrauchsanstieg größer ist als der Inhalt des Zugriffsbehälters. Dann ist am Verbrauchsort für mehreren Tage keine Ware verfügbar. Im Fall der Abb. 6.3b ist die Nachschubmenge so groß, daß der Zugriffsbehälter in Zeiten mit geringem Verbrauch kaum geleert ist, wenn der andere Behälter mit dem Nachschub wieder eintrifft. Die Risiken und Nachteile des Kanban-Verfahrens sind also bei einer zu geringen Nachschubmenge eine temporäre Nichtverfügbarkeit der Ware und hohe Nachschubkosten sowie bei einer zu großen Nachschubmenge zu hohe Bestände und überhöhte Lagerhaltungskosten. Die Nachteile ergeben sich daraus, daß der konstante Inhalt der Kanban-Behälter sowohl den Bestellpunkt wie auch die Nachschubmenge bestimmt. Abgesehen von der Selbstregelung der Nachschubfrequenz ist das einfache Kanban-Verfahren eine statische Nachschubstrategie und daher nur für Artikel mit einem lange Zeit anhaltenden und hinreichend gleichmäßigen Bedarf geeignet. Aus dem Vergleich der Bestände und Kosten des Zweibehälter-KanbanVerfahrens mit den gleichen Kennzahlen der dynamischen Nachschubstrategien sowie aus entsprechenden Simulationsrechnungen zur Bestimmung der mittleren Lieferfähigkeit resultieren die 䉴 Bemessungsregeln für den Kanban-Behälter:
Der Inhalt des Kanban-Behälters muß mindestens doppelt so groß sein wie der Verbrauch in der längsten Wiederbeschaffungszeit. Der Inhalt des Kanban-Behälters darf maximal so groß sein, wie es der verfügbare Platz am Verbrauchsort zuläßt, aber nicht größer als die maximal zulässige Bestandsreichweite. Mit diesen Bemessungsregeln läßt sich bei einer Neueinführung des Zweibehälter-Kanbans aus dem mittleren Verbrauch der Vergangenheit und der Wiederbeschaffungszeit für den Nachschub die angemessene Behältergröße ermitteln. Nach Einführung des Zweibehälter-Kanbans kann mit Hilfe der Bemessungsregeln durch den Rechner der Lieferstelle die Angemessenheit der Nachschubmenge und der Behältergröße geprüft werden. Der mittlere Tagesverbrauch ist gleich dem Behälterinhalt geteilt durch die Anzahl Tage seit Abholung des letzten Behälters. Wenn nach der Prüfung vom Rechner automatisch eine Anpassung des Behälterinhalts, der Behältergröße und des Meldestands an einen veränderten Bedarf ausgelöst wird, ist auch das Kanban-Verfahren dynamisch.
51
101
Absatztage [AT]
151
201
0
5.000
5.000
1
10.000
10.000
0
15.000
15.000
25.000
20.000
Nachbestellung VS-Bestand
20.000
25.000
30.000
Nachschubstrategie: Zweibehälter-Kanban-Verfahren mit Behälterinhalt 16.000 Stück. Absatzverlauf: s. Abb. 4.2 Wiederbeschaffungszeit 5 ± 2 AT
Abb. 6.3b Simulierter Nachschub und Bestandsverlauf bei Disposition nach dem Bereitstellverfahren mit fester Nachschubmenge.
Nachschubmenge [VE/NAuf]
30.000
6.3 Bereitstellverfahren und Kanban 73
Bestand [VE]
74
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
Auch die anderen Bereitstellverfahren lassen sich durch eine absatzabhängige Anpassung des Inhalts der Nachschubeinheit und der Bereitstelleinheit sowie der Bereitstellzahl und der Nachschubzahl dynamisieren. Das Bereitstellverfahren arbeitet in bestimmten Grenzen selbstregelnd und benötigt weder einen Rechner noch einen Disponenten. Damit entfallen die administrativen Nachschubauftragskosten der Verbrauchsstelle. Häufig wird jedoch übersehen, daß die Auftragskosten der Lieferstelle beim Bereitstellverfahern und beim Kanban nicht entfallen. Sie können bei kleinen Nachschubmengen sogar deutlich höher sein als bei einer Belieferung mit der kostenoptimalen Nachschubmenge (s. Abschnitt 8.1 und Abb. 8.2 und 8.4). Eine Entscheidung über die Kostenopportunität des Kanban-Verfahrens oder eines anderen Bereitstellverfahrens im Vergleich zu den dynamischen Nachschubstrategien ist daher nur möglich durch eine Simulationsrechnung unter Berücksichtigung aller dispositionsabhängigen Kosten (s. Kapitel 8). Hierfür ist ein Simulationstool erforderlich, das wie das Testprogramm DYNDIS.XLS mit den Absatzdaten eines Artikels eine Vergleichsrechnung durchführt (s. Abschnitt 15.1). Viele Simulationsrechnungen haben ergeben, daß sich durch die Einführung des Kanban-Verfahrens nur bei Artikeln mit geringem Stückwert, deren Verbrauch nicht einzeln erfaßt werden muß, Kostensenkungen erzielen lassen.
6.4 Meldebestandsverfahren Das Meldebestandsverfahren – bei SAP Bestellpunktverfahren genannt [Dittrich et al. 2000] – ist die optimale Bestellpunktstrategie, wenn stets ein ausreichender Sicherheitsbestand vorgehalten und kostenoptimale Nachschubmengen beschafft werden. Einsatzvoraussetzungen sind, daß der Absatz von einem Rechner kontinuierlich erfaßt wird und die Parameter zur Berechnung von Sicherheitsbestand und kostenoptimaler Nachschubmenge bekannt sind. Beim Meldebestandsverfahren bestehen für den Nachschub folgende Optionen: • Bestellpunktabhängige Einzeldisposition: Wie im Ablaufdiagramm Abb. 6.4 dargestellt, wird nach Erreichen des Meldebestands (6.6) für jeden einzelnen Artikel unabhängig vom Bestand anderer Artikel eine Nachschubbestellung mit einer festen oder mit der kostenoptimalen Nachschubmenge (8.11) ausgelöst
6.4 Meldebestandsverfahren
75
Artikelabgang
Bestandsabbuchung
Bedarfsprognose Berechnung Meldebestand
Ist-Bestand £ Meldebestand
nein Ende
ja Berechnung optimale Nachschubmenge
Nachschubfreigabe
nein
Ende
ja Nachschubbestellung
Abrufauftrag
Abb.6.4 Artikeleinzeldisposition nach dem Meldebestandsverfahren
76
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
• Bestellpunktabhängige Sammeldisposition: Wenn ein Artikel den Meldebestand erreicht hat, wird gemäß dem in Abb. 6.5 gezeigten Ablauf für alle anderen Artikel aus der gleichen Lieferstelle geprüft, ob sie innerhalb einer bestimmten Vorgriffszeit X [AT] den Bestellpunkt unterschreiten. Danach wird ein Nachschub in Höhe der Differenz des aktuellen Maximalbestands (6.3), der mit der aktuellen kostenoptimalen Nachschubmenge errechnet wird, und des Ist-Bestands (6.1) ausgelöst. Bei der bestellpunktabhängigen Einzeldisposition ist der Auslösezeitpunkt für den Nachschub jedes einzelnen Artikels gleich dem spätesten Bestellzeitpunkt: t = tBP WENN mB(t) ≤ mMB(t) und mN(t) > λm(t) · nWBZ(t).
(6.12)
Für die Nachschubmenge kann eine feste Mindestnachschubmenge, die Sollbestandsdifferenz (6.11) oder die optimale Nachschubmenge (8.11) gewählt werden. Eine Zusatzbedingung, die Doppelbestellungen verhindert, ist, daß in den nachfolgenden x Perioden bis zur Wiederbeschaffungszeit nWBZ der Meldebestand nicht durch das Eintreffen einer zuvor ausgelösten Nachschublieferung wieder überschritten wird: t ≠ tBP WENN mB(t + x) ≥ mMB(t + x) für 0 ≤ x ≤ nWBZ.
(6.13)
Wenn die Nachschubmenge kleiner ist als der Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit, müssen nach der ersten Bestellung weitere Nachschubmengen bestellt werden, sobald der aktuelle Bestand plus der letzten Bestellmenge unter den Meldebestand sinkt. Diese Zusatzbedingung, durch die eine vorzeitige Lieferunfähigkeit verhindert wird, führt zu folgender Erweiterung des Bestellpunktalgorithmus (6.12): t = tBP WENN mB(t) + x · mN(t) ≤ mMB(t) für x = 0, 1, 2 …
(6.14)
Anders als die Bestellung einzelner Artikel ermöglicht die bestellpunktabhängige Sammeldisposition mehrerer Artikel eine transportoptimale Bündelung des Nachschubs, eine rüstkostenoptimale Bündelung der Produktionsaufträge der Artikel, die von derselben Produktionsstelle aus gleichem Vormaterial gefertigt werden, oder die Nutzung einer eventuellen Rabattstaffel für größere Auftragswerte. Die Vorgriffszeit X ist der Strategieparameter zur Optimierung der Summe der Einsparungen und der Mehrkosten einer Sammeldisposition. Bei einer ereignisdynamischen Nachschubdisposition wird das Unterschreiten des Meldebestands – wie in den Ablaufdiagrammen Abb. 6.4 und 6.5 gezeigt – nach jedem Abgang vom Artikelbestand überprüft und bei Unterschreiten sofort ein Nachschubauftrag ausgelöst. Wenn die Nach-
6.4 Meldebestandsverfahren
77
Abgang Artikel x
Berechnung Bestellzeitpunkt für Artikel x
Bestandsabbuchung Artikel x
Bedarfsprognose Berechnung Meldebestand für Artikel x
Ist-Bestand £ Meldebestand
Ordnen der Artikel der gleichen Lieferstelle nach ansteigenden BZP
nein
Ende
ja Berechnung optimale Nachschubmenge und Bestellwert für Artikel x
Bestellwert ≥ Rabattwert ja
Hinzunahme Nachschub für den Artikel mit nächsten BZP nein nein
Nachschubbestellung
Abruf bei Lieferstelle
Abb. 6.5 Bestellpunktabhängige Sammeldisposition BZP: Bestellzeitpunkte nach IST-Periode X: Vorgriffszeit in AT (z.B. gleich WBZ)
Nächster BZP £ x AT ja
Berechnung Gesamtbestellwert
78
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
schubaufträge nur einmal pro Dispositionsperiode an die Lieferstelle weitergeleitet werden, genügt es, das Erreichen des Bestellzeitpunkts (6.12) für alle Artikel am Ende jeder Periode zu überprüfen, bei täglicher Disposition also am Ende jedes Tages. Das ist gleichbedeutend mit einer zyklischen Nachschubdisposition mit der Zykluszeit nZyk = 1 AT. Eine besonders einfache Form der ereignisdynamischen Nachschubdisposition ist das Einbehälter-Kanban. Beim manuellen Einbehälter-Kanban mit Karten wird der Nachschub durch eine Begleitkarte ausgelöst, die sich am Zugriffsbehälter befindet und an ein Brett gehängt wird, wenn der Inhalt einen Bestellbestand erreicht hat. Dieser ist auf der Karte vermerkt und sollte möglichst gleich dem Meldebestand (6.6) sein. Das Abholen und Bearbeiten der Kanban-Karten entfällt beim elektronischen Kanban ohne Karten (s. Abschnitt 11.6).
6.5 Zykluszeitverfahren Das Zykluszeitverfahren – bei SAP Rythmische Disposition genannt [Dittrich et al. 2000] – ist eine geeignete Bestellpunktstrategie, wenn die Lieferstelle nur zu bestimmten Zeitpunkten Nachschub liefert oder eine Fertigungsstelle nur in festen Abständen produziert. Auch wenn die Disposition manuell ohne Rechnerunterstützung durchgeführt wird, ist das Zykluszeitverfahren mit festen Nachschubmengen wegen des geringeren Dispositionsaufwands eine praktikable Bestellpunktsstrategie. Der Dispositionszyklus ist gegeben durch einen bestimmte Bestellzeitabstand, die Bestellzykluszeit nzyk [AT], die eine Stunde, ein Tag, eine Woche, zwei Wochen oder einen Monat lang sein kann. Die Zyklusfrequenz der Disposition ist dann fZyk = 1/nZyk [1/AT]. Beim Zykluszeitverfahren wird beginnend ab einem Anfangszeitpunkt i0 in Zeitabständen von nZyk Absatztagen der Artikelbestand überprüft. Der Algorithmus zur Berechnung der Zykluszeitpunkte tzyk ist also: t = tzyk WENN {(t – t0)/nZyk} = (t – t0)/nZyk.
(6.15)
Hierin bedeuten die geschweiften Klammern ein ganzzahliges Aufrunden des Klammerinhalts. Damit nur dann eine Nachschubbestellung ausgelöst wird, wenn der Meldebestand (6.6) bis zum nächsten Zykluszeitpunkt voraussichtlich unterschritten wird, gilt für die Bestellpunktberechnung der Algorithmus: t = tBP WENN t = tZyk UND mB(t+nZyk) ≤ mMB(t+nZyk)
(6.16)
Wenn die Nachschubmenge kleiner ist als der Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit, gilt außerdem gilt die Zusatzbedingung (6.14). Als Nach-
6.5 Zykluszeitverfahren
79
Start
Dispositionstag DT
nein
Ende
erreicht ? ja Bedarfsprognose Berechnung Meldebestand Bestellpunkt und Nachschubmenge für alle Artikel der Lieferstelle
Ordnen der Artikel nach aufsteigendem Bestellzeitpunkt
Hinzunahme des Nachschubs für den Artikel mit dem nächsten BZP
nein Summation der Nachschubmengen aller Artikel mit BZP £ DT + DZ
Nächster BZP £ DT + x AT
ja
Bestellwert ≥ Rabattwert ja
Nachschubbestellung
Abruf bei Lieferstelle
Abb. 6.6 Zyklische Sammeldisposition DT: BZ: BZP: X:
Dispositionstag der Lieferstelle Bestellzyklus Bestellzeitpunkte nach IST-Periode Zulässige Vorgriffszeit in AT
80
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
schubmenge kann eine feste Menge, eine Sollbestandsdifferenz oder die kostenoptimale Nachschubmenge gewählt werden. Gegenüber dem Meldebestandsverfahren erhöht sich bei einer zyklischen Nachschubdisposition der mittlere Bestand pro Artikel im Mittel um den Verbrauch in der halben Zykluszeit, also um (nzyk–1) · λm(t)/2. Dadurch erhöhen sich die Lagerungskosten entsprechend. Für nzyk → 1 AT geht das Zykluszeitverfahren in das Meldebestandsverfahren über [Gudehus 1999/2005]. Analog wie beim Meldbestandsverfahren bestehen auch für das Zykluszeitverfahren die Nachschuboptionen: • Zyklische Einzeldisposition: Zum Dispositionszeitpunkt wird für alle Artikel unabhängig voneinander geprüft, ob ihr Bestand bis zum nächsten Dispositionszeitpunkt den Meldebestand unterschreiten wird, und für diese Artikel die optimale Nachschubbestellung ausgelöst. • Zyklische Sammeldisposition: Gemäß dem Ablauf Abb. 6.6 wird zum Dispositionszeitpunkt für alle Artikel aus der gleichen Lieferstelle geprüft, ob ihr Bestand bis zu einer Vorgriffszeit von X Tagen den Meldebestand unterschreitet. Für einen kostenoptimalen Anteil dieser Artikel wird danach eine gebündelte Sammelbestellung ausgelöst, wobei die Nachschubmenge der betreffenden Artikel gleich der Differenz des aktuellen Maximalbestands (6.3), der mit der kostenoptimalen Nachschubmenge errechnet wird, und des Ist-Bestands (6.1) ist. Wie bei der bestellpunktabhängigen Sammelbestellung können die Mehrkosten der vorgezogenen Bestellungen gegen die Kostenvorteile der zyklischen Sammelbestellung durch den Strategieparameter der Vorgriffszeit optimal ausgeglichen werden.
6.6 Nachschubmengen und Bestandsrestriktionen Bei der einfachsten Nachschubstrategie wird stets eine gleichbleibende Nachschubmenge mNfix, beschafft, die in den Artikelstammdaten hinterlegt ist. Die Strategie fester Nachschubmengen erfordert keine Kenntnis der Logistikkosten. Sie beachtet nur die Bestandshöhe und läßt die Gesamtkosten außer acht. Wenn vom Management aufgrund externer Benchmarks eine hohe Lagerdrehzahl und niedrige Bestände gefordert werden, kann ein Disponent dieses Ziel recht einfach durch Herabsetzen der Nachschubmengen für die schnellgängigsten Artikel erreichen. Dabei ist jedoch zu beachten: 䉴 Je weiter die feste Nachschubmenge von der kostenoptimalen Menge ab-
weicht, desto höher werden die Logistikkosten (s. Abb. 8.2).
6.7 Verpackungseinheiten und Ladeeinheiten
81
Nur mit der Strategie kostenoptimaler Nachschubmengen ergeben sich minimale Gesamtkosten. Zur Berechnung der optimalen Nachschubmenge müssen jedoch die dispositionsabhängigen Lagerlogistikkosten bekannt sein, deren Berechnung Gegenstand von Kapitel 8 ist. Die strategiebestimmte Nachschubmenge kann durch eine feste Mindestmenge mNmin und eine feste Maximalmenge mNmax eingeschränkt werden. Dann gilt für die aktuelle Nachschubmenge mNStrat(t), die mit Hilfe eines bestimmten Algorithmus berechnet wurde, die Nachschubrestriktion: mN(t) = MAX(mNmin; MIN(mNmax; mNStrat(t))).
(6.17)
Die Nachschubrestriktion (6.17) führt dazu, daß die Mindestmenge bestellt wird, wenn diese größer ist als die strategiebestimmte Menge, oder die Maximalmenge, wenn diese kleiner ist als die strategiebestimmte Menge. Die Mindestnachschubmenge mNmin kann die Mindestlosgröße der Fertigung oder der Lieferstelle sein. Sie kann auch – wie beim Bereitstellverfahren – gleich der Kapazität eines Behälters, einer Verpackungseinheit oder einer ganzen Ladeeinheit gewählt werden. Die maximale Nachschubmenge resultiert aus einer begrenzten Fertigungskapazität oder aus einer Begrenzung der Reichweite des Artikelmaximalbestands: RWmax = (msich + mN)/λm
[AT].
(6.18)
Für kurzlebige oder verderbliche Artikel darf die Maximalbestandsreichweite (6.18) eine vorgegebenen Grenzwert nicht überschreiten. Dann wird die Nachschubmenge durch eine im Stammdatensatz hinterlegte zulässige Bestandsreichweite RWzul nach oben begrenzt. Zur Beurteilung und Begrenzung des Bestandsrisikos ist außer der mittleren Bestandsreichweite RWBm = mBm/λm die Bestandsdeckung durch Kundenaufträge geeignet. Diese gibt an, welcher Anteil des aktuellen Lagerbestands durch verbindliche Kundenaufträge und Rahmenverträge für zukünftige Lieferungen abgesichert ist.
6.7 Verpackungseinheiten und Ladeeinheiten Für den gebündelten Versand, zum Schutz der Artikel und zur rationellen Handhabung werden die Verkaufs- und Verbrauchseinheiten in Verpakkungseinheiten VPE mit einer bestimmten Verpackungskapazität CVPE [VE/VPE] abgepackt. Die Verpackungseinheit kann eine Schrumpfverpackung, ein Karton oder ein Behälter sein. In Industrie und Handel werden zunehmend genormte Standardbehälter als Verpackungs- und Versandeinheit eingesetzt,
82
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
wie die Kleinladungstäger [KLT] der Automobilindustrie und die Klappboxen großer Handelskonzerne. Für große, schwere und sperrige Artikel kann die Verpackungseinheit auch eine Normpalette oder eine Langgutkassette sein (s. Tab. 3.1). Zum Befördern, Heben und Lagern werden kleinere Verpackungseinheiten auf Paletten gestapelt oder in Großladungsträgern gebündelt. Ein Ladungsträger LT bildet zusammen mit dem Inhalt eine Ladeeinheit LE. Die maximale Anzahl Verpackungseinheiten, die eine Ladeeinheit enthalten kann, ist die Ladeeinheitenkapazität CLE [VPE/LE]. Für den außerbetrieblichen Transport werden die Verpackungseinheiten und Ladeeinheiten in Transportgefäße, wie Container, Wechselbrücken und Sattelauflieger, oder in Transportfahrzeuge, wie Lastwagen oder Waggons, verladen. Der maximale Inhalt einer Transporteinheit TE ist die Transportmittelkapazität CTE [VE/TE, VPE/TE, LE/TE]. Den Vorteilen einer Bündelung der Liefermengen in einer Hierarchie von Verpackungs-, Lade- und Transporteinheiten stehen als Nachteile die Kosten für das Bereitstellen, Befüllen und Leeren der Lade- und Transporthilfsmittel sowie das Entstehen von Anbrucheinheiten gegenüber. Anbrucheinheiten sind teilgefüllte Verpackungs-, Lade- und Transporteinheiten. Das Lagern und der Transport des ungenutzten Leerraums führen zu erhöhten Kosten. Die Anbrucheinheiten und deren Kostenauswirkungen werden in den Standardprogrammen zur Auftrags- und Lagerdisposition in der Regel nicht berücksichtigt. Wenn eine bestimmte Anzahl von Fülleinheiten m [FE] in Ladungsträgern mit der Kapazität C [FE/LE] untergebracht wird, ist die Anzahl der entstehenden Ladeeinheiten: MLE = {m/C} = AUFRUNDEN (m/C; 0)
[LE].
(6.19)
Die geschweiften Klammern {..} bezeichnen wie zuvor und in allen nachfolgenden Formeln das ganzzahlige Aufrunden des Klammerinhalts. Die Rundungsoperation bewirkt, daß der Ladeeinheitenbedarf mit ansteigender Füllmenge m in Sprüngen von jeweils einer Ladeeinheit zunimmt (s. Abb. 6.7). Wenn die Mengen mehrerer Füllaufträge mit einer Streuung, die größer ist als die halbe Kapazität, zufällig um einen Mittelwert m verteilt sind, oder wenn die Füllmenge sich wie die Lagerbestände im Verlauf der Zeit permanent ändert, gilt statt der Sprungfunktion (6.19) die 䉴 Mittelwertfunktion für den Ladeeinheitenbedarf ©
MLE m = MAX(1; mm/C + (C – 1)/2C)
[LE].
(6.20)
6.7 Verpackungseinheiten und Ladeeinheiten
83
Die in Abb. 6.7 gezeigte Abhängigkeit (6.20) des mittleren Ladeeinheitenbedarfs von der Füllmenge m ist eine stetige und für m π C differenzierbare Funktion. Der Zusatzterm (C–1)/2C entsteht durch die teilgefüllte Anbrucheinheit pro Füllauftrag, die im Mittel mit dem Anteil (C–1)/2C leer ist. Nur wenn die Füllmengen stets auf die Kapazität C gerundet werden, wenn also eine Rundungsstrategie verfolgt wird, entfällt der Zusatzterm (C–1)/2C in Beziehung (6.20).
7
Ladeeinheitenbedarf [LE]
6
5
4
3
2
1
0 0
5
10
15
20
25
Füllmenge [FE] Abb. 6.7 Ladeeinheitenbedarf als Funktion der Füllmenge Ladeinheitenkapazität C = 5 FE/LE Treppenfunktion: LE-Bedarf bei definierter Füllmenge (Beziehung (6.19)) Ausgleichsfunktion: mittlerer LE-Bedarf bei variabler Füllmenge (Beziehung (6.20))
30
84
6 Lagerbestand und Nachschubstrategien
6.8 Ladeeinheitenbestand Wenn mB der mittlere Bestand in Verkaufs- oder Verbrauchseinheiten ist und nicht nur volle Verpackungseinheiten entnommen werden, folgt aus der Mittelwertfunktion (6.20) der 䉴 mittlere Artikelbestand in Verpackungseinheiten
MBVPE = MAX(1; mB/CVPE + (CVPE – 1)/2CVPE )
[VPE].
(6.21)
Durch Einsetzen des mittleren Bestands in Verpackungseinheiten in (6.20) ergibt sich der 䉴 geglättete Artikelbestand in Ladeeinheiten
MB LE = MAX(1; MB VPE/CLE + (CLE – 1)/2CLE )
[LE].
(6.22)
Für die mittlere Nachschubmenge mit einer wechselnden Anzahl von Verbrauchseinheiten, die zur Anlieferung von Anbrucheinheiten führt, folgt entsprechend die 䉴 geglättete Nachschubmenge in Verpackungseinheiten
MN VPE = MAX(1; mNm /CVPE + (CVPE – 1)/2CVPE ) [VPE].
(6.23)
sowie die 䉴 geglättete Nachschubmenge in Ladeeinheiten
MN LE = MAX(1; MN VPE/CLE + (CLE – 1)/2CLE )
[LE].
(6.24)
6.9 Lagerplatzbedarf Mit den Beziehungen (6.21) und (6.22) läßt sich auch der mittlere Lagerplatzbedarf eines Artikels berechnen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Lagerordnungsstrategien der freien und der festen Lagerordnung. Bei freier Lagerordnung werden nur Lagerplätze für den aktuellen Bestand (6.1) eines Artikels benötigt, dessen mittlere Höhe (6.4) ist, während bei fester Lagerordnung die Plätze stets für den maximalen Bestand (6.3) reserviert bleiben. Daraus folgt mit dem Lagerordnungsfaktor fLO Ï1 / 2 für freie Lagerordnung fLO = Ì für feste Lagerordnung Ó1
(6.25)
6.9 Lagerplatzbedarf
85
䉴 der mittlere Lagerplatzbedarf eines Artikels bei Einzelplatzlagerung
M LPm =(MBVPEsich +fLO ·MNVPE)/CLE +(CLE –1)/2CLE
[LP].
(6.26)
Hierin ist MB VPE sich der mittlere Sicherheitsbestand in Verpackungseinheiten, der mit Beziehung (6.21) aus dem Sicherheitsbestand (7.4) in Verbrauchseinheiten berechnet wird, und MN VPE die mittlere Nachschubmenge in Verpackungseinheiten (6.23). Die Simulationsrechnungen bestätigen für einen stochastisch schwankenden und zeitlich veränderlichen Absatz die Richtigkeit der Formeln für den mittleren Bestand in Verbrauchseinheiten, für die Mittelwerte von Bestand und Nachschubmenge in Ladungsträgern sowie für den mittleren Lagerplatzbedarf.
7 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand
Die Festlegung der Lieferfähigkeit der Lagerartikel ist eine unternehmerische Entscheidung, die von den Marktanforderungen abhängt und mit Risiken verbunden ist [Sooms 1980]. Nur wenn die Kosten der Nichtlieferfähigkeit bekannt sind, läßt sich die optimale Lieferfähigkeit aus einer Minimierung der Risikokosten, die eine Summe der Fehlmengenkosten und der Sicherbestandskosten sind, bestimmen (s. Abschnitt 8.7). Bei der Planung der Lieferfähigkeit ist zu unterscheiden zwischen einer Unterbrechungsreserve und dem Sicherheitsbestand: • Die Unterbrechungsreserve ist ein strategischer oder ein eiserner Bestand zur Sicherung der unterbrechungsfreien Versorgung der Verbrauchsstelle für die Dauer einer unregelmäßig oder unerwartet auftretenden Unterbrechung des Nachschubs, wie ein Anlagenausfall, eine Reparatur oder Betriebsunterbrechung, ein Transportschaden oder Streik oder eine längere Engpaßphase der Lieferstelle [Kern 1979]. • Der Sicherheitsbestand ist eine Schwankungsreserve zur Sicherung der Lieferfähigkeit der Lagerstelle während der Wiederbeschaffungszeit gegen die regelmäßigen stochastischen Schwankungen des Periodenbedarfs und der Wiederbeschaffungszeit [Gudehus 1996]. Die Unterbrechungsreserve ist ein Sperrbestand, der nur bei Auftreten der Ereignisse, für die er bestimmt ist, angegriffen werden darf (s. Abschnitt 3.7). Ihre Höhe ergibt sich aus dem Produkt des Periodenverbrauchs mit der maximalen Unterbrechungszeit. Deren Länge wird von der Fertigungsplanung, der Beschaffungsplanung oder von der Unternehmensleitung unter Berücksichtigung der Unterbrechungsfolgekosten festgelegt. Die Höhe der Unterbrechungsreserve ist also Gegenstand der Planung und nicht der dynamischen Disposition. Der Sicherheitsbestand ist dagegen jederzeit frei verfügbar und ein zentraler Handlungsparameter der dynamischen Bestandsdisposition. Er kann in den letzten Perioden der Wiederbeschaffungszeit vollständig aufgebraucht werden, wenn der Nachschub zu spät eintrifft. Die Höhe des Sicherheitsbestands regelt die Strategie zur Sicherung der Lieferfähigkeit:
88
7 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand
䉴 Der Sicherheitsbestand ist ein freier Strategieparameter der Bestands-
disposition zur Absicherung der geforderten Lieferfähigkeit. In den herkömmlichen Dispositionsprogrammen kann der Sicherheitsbestand entweder vom Disponenten eingegeben werden, wobei offen bleibt, woher er die dafür erforderlichen Kenntnisse hat, oder er wird mit Hilfe einer Formel aus der Absatzstreuung in der Wiederbeschaffungszeit und der geforderten Lieferfähigkeit berechnet. Die bekannten Formeln zur Berechnung des Sicherheitsbestands führen jedoch in weiten Bereichen zu überhöhten Sicherheitsbeständen. Für den Fall eines stationären Verbrauchs mit stochastischer Streuung läßt sich mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung eine exakte Lösung zur Berechnung des Sicherheitsbestands für eine geforderte Lieferfähigkeit herleiten. Die exakte Lösung ist jedoch recht kompliziert und nicht in einer geschlossenen Formel darstellbar. Für die dynamische Disposition genügt zur Berechnung des Sicherheitsbestands die nachfolgende Näherungslösung. Diese sichert die Einhaltung der geforderten Lieferfähigkeit auch bei instationärem Bedarf besser als die exakte Lösung und bewirkt zugleich eine deutliche Senkung der Sicherheitsbestände gegenüber den herkömmlichen Berechnungsverfahren.
7.1 Mittlere Lieferfähigkeit Die Lieferfähigkeit oder Lieferbereitschaft eines Lagerartikels ist die Wahrscheinlichkeit, daß der freie Lagerbestand ausreicht, einen Lieferauftrag für diesen Artikel innerhalb der zugesicherten Termintreue auszuführen. Dieser Wahrscheinlichkeitswert streut um einen Mittelwert, der nur für einen statistisch ausreichend langen Zeitraum hinreichend genau meßbar ist. Die mittlere Lieferfähigkeit für einen bestimmten Artikel ist das über einen ausreichend langen Zeitraum festgestellte Verhältnis der Lieferaufträge, die aus dem Artikelbestand vollständig bedient wurden, zur Gesamtzahl der Lieferaufträge für den Artikel. Wenn eine tagesgenaue Lieferung gefordert ist, ist die mittlere Lieferfähigkeit mindestens so groß wie die Tageslieferfähigkeit, die das Verhältnis der Anzahl der Tage, an denen der Artikelbestand zur Erfüllung der eingehenden Lieferaufträge ausreichend war, zur Gesamtzahl der Tage des Bemessungszeitraums ist. Wegen der stochastischen Streuung des Tagesverbrauchs und der veränderlichen Beschaffungszeiten schwankt der Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit um den Mittelwert (5.4) mit der Streuung (5.5). Wenn die
7.1 Mittlere Lieferfähigkeit
89
Wiederbeschaffung mehrere Tage dauert, ist die Verteilung des Verbrauchs in der Wiederbeschaffungszeit nach dem Gesetz der großen Zahl eine Normalverteilung. Damit in der Wiederbeschaffungszeit von der Bestellung bis zum Eintreffen des Lagernachschubs mit der Wahrscheinlichkeit ηWBZ keine Lieferunfähigkeit auftritt, muß der Sicherheitsbestand gleich dem Produkt eines Sicherheitsfaktors fs(η), der für ηWBZ ≥ 50% gleich der inversen Standardnormalverteilung STANDNORMINVERS(η) ist, mit der Streuung (5.5) des Verbrauchs in der Wiederbeschaffungszeit smWBZ sein: msich = fs(ηWBZ) · smWBZ
(7.1)
Das ist die in Theorie und Praxis häufig zu findende Standardformel für den Sicherheitsbestand. Dabei wird jedoch nur selten genauer erläutert, wie die Absatzstreuung in der Wiederbeschaffungszeit gemessen wird. Noch seltener wird quantifiziert, welche Auswirkungen die einzelnen Einflußfaktoren auf die Absatzstreuung in der Wiederbeschaffungszeit haben [Abels 1991; Dittrich et al. 2000; Hartmann 1997; Inderfurth 1994 u. 2002; Tempelmeier 1999]. Der Hauptschwachpunkt der konventiellen Standardformel (7.1) ist jedoch, daß bei deren Herleitung nicht die Zeiten vom Eingang des Nachschubs bis zum Erreichen des Bestellpunkts berücksichtigt wurden. In diesen Zeiten ist nämlich die Lieferfähigkeit 100%, da der Bestand höher ist als der Meldebestand. Die mittlere Länge des Zeitraums, in dem die Lieferfähigkeit 1 ist, ist gleich der Nachschubreichweite TNRW = mN/λm, die sich aus der Nachschubmenge mN bei einem mittleren Tagesverbrauch λm errechnet, minus der Wiederbeschaffungszeit TWBZ = nWBZ gemessen in Absatztagen (s. Abb. 3.2 und 6.1). Wenn die Nachschubreichweite größer ist als die Wiederbeschaffungszeit und die Lieferfähigkeit in der Wiederbeschaffungszeit gleich ηWBZ ist, gilt daher für die mittlere Lieferfähigkeit über einen längeren Zeitraum: ηlief = 1 · (TNRW – TWBZ)/TNRW + ηWBZ · TWBZ/TNRW = = 1 – (1 – ηWBZ) · nWBZ · λm/mN.
(7.2)
Die Auflösung von Beziehung (7.2) nach der Lieferfähigkeit ηWBZ, die in der Wiederbeschaffungszeit benötigt wird, um über die gesamte Zeit eine gewünschte Lieferfähigkeit ηlief zu erreichen, ergibt [Gudehus 1996 u. 1999]: ηWBZ = MAX(0,5; MIN(ηlief ; 1 – (1 – ηlief ) · mN/(nWBZ · λm))
(7.3)
Das heißt: Wenn eine Lieferfähigkeit ηlief erreicht werden soll, genügt für die Lieferfähigkeit in der Wiederbeschaffungszeit ηWBZ der Wert (7.3). Dieser ist kleiner als die geforderte Lieferfähigkeit, solange die Nach-
90
7 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand
schubreichweite länger als die Wiederbeschaffungszeit ist, und gleich der geforderten Lieferfähigkeit, wenn die Nachschubreichweite kürzer ist als die Wiederbeschaffungszeit (s. Abb. 7.3). Der Sicherheitsfaktor fs(η) = STANDNORMINVERS(η) und damit auch der Sicherheitsbestand (7.1) ist bei einer Lieferfähigkeit bis zu 50% gleich Null. Das heißt:
100%
99%
Lieferfähigkeit
98%
97%
96% Geforderte Lieferfähigkeit Simulierte mittlere Jahreslieferfähigkeit Untere Standardabweichung Obere Standardabweichung
95%
94%
93% 400
800
1.200
1.600
2.000
2.400
2.800
Mittlerer Sicherheitsbestand [VE] Abb. 7.1 Geforderte Lieferfähigkeit und simulierte Lieferfähigkeit als Funktion des Sicherheitsbestands Übrige Parameter: s. Abb. 7.3 und Tab. 15.1/15.2
7.2 Dynamischer Sicherheitsbestand
91
䉴 Ohne Sicherheitsbestand ergibt sich bereits eine Lieferfähigkeit in der
Wiederbeschaffungszeit von 50% und eine noch höhere mittlere Lieferfähigkeit (7.3). Auch in der Wiederbeschaffungszeit tritt eine Lieferunfähigkeit mit der größten Wahrscheinlichkeit erst in den letzten Tagen vor dem Eintreffen des Nachschubs ein. Der effektive Zeitraum der Lieferunfähigkeit ist daher kürzer als die Wiederbeschaffungszeit. Das heißt: 䉴 Wenn der Sicherheitsbestand unter Verwendung des Wertes (7.3) mit
Beziehung (7.1) berechnet wird, resultiert eine mittlere Lieferfähigkeit, die größer ist als die geforderte Lieferfähigkeit. Diese Aussage wird bestätigt durch einen Vergleich mit der mathematisch exakten Lösung. Die zur Kontrolle durchgeführten Simulationsrechnungen ergeben, daß der aus Beziehung (7.1) in Verbindung mit Beziehung (7.3) resultierende Sicherheitsbestand im Rahmen der statistisch zu erwartenden Genauigkeit auch für den Fall eines instationären Absatzverlaufs zu einer deutlich höheren Lieferfähigkeit führt als gefordert. Voraussetzung ist, daß stets mit den dynamischen Werten für den Absatz, die Nachschubmenge und die Wiederbeschaffungszeit gerechnet wird (s. Abb. 7.1).
7.2 Dynamischer Sicherheitsbestand Durch Einsetzen von Beziehung (5.5) und (7.3) in die Formel (7.1) folgt die 䉴 Standardformel für den dynamischen Sicherheitsbestand ©
msich (t ) = f s (X)◊ nWBZ (t )◊s l (t )2 + l m (t )2 ◊sWBZ (t )2 [VE].
(7.4)
mit X = WENN( mN < nWBZ . λm ; ηver ;1 - (1-ηver) . mN/(nWBZ . λm)))
(7.5)
Hierin sind: • • • • • •
mN(t) [VE/NAuf] die aktuelle Nachschubmenge λm(t) [VE/AT] der prognostizierte mittlere Bedarf (4.1) sλ(t) [VE/AT] die prognostizierte Streuung (4.2) des Bedarfs nWBZ(t) die aktuelle Wiederbeschaffungszeit in Absatztagen (5.1) sWBZ(t) [AT] die Streuung (5.2) der aktuelle Wiederbeschaffungszeit fs(x) = WENN (x ≥ 0,5; STANDNORMINVERS(*); 0)
92
7 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand
Die Sicherheitsbestandsformel (7.4) gilt nur für λm > 0, das heißt für einen nicht verschwindenden mittleren Periodenabsatz. Solange ein Artikel keinen Absatz hat, also für λm = 0, ist der Sicherheitsbestand msich(t) = 0 zu setzen. Wichtig ist, daß der dynamische Sicherheitsbestand stets mit dem aktuellen Bedarf, der mit Hilfe von (4.1) aus dem Auftragseingang prognostiziert wird, und nicht – wie z.B. bei SAP R/3 [Dittrich et al. 2000] – mit dem Verlauf des Lagerabgangs berechnet wird, da dieser durch Fehlmengen gegenüber dem Bedarf verzerrt sein kann.
3,0
STANDNORMINV(x)
2,5
Näherungsfunktion
Sicherheitsfaktor
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0 50%
60%
70%
80%
Sicherheitsgrad Abb. 7.2 Exakter und approximativer Sicherheitsfaktor
90%
100%
7.2 Dynamischer Sicherheitsbestand
93
Für den Sicherheitsfaktor fS(x) kann in Beziehung (7.4) anstelle der inversen Standardnormalverteilung, die keine explizite Funktion des Arguments ist und sich daher nicht direkt programmieren läßt, mit folgender Näherungsfunktion gerechnet werden: fS(x) = (2x – 1)/(1 – x)0,2 für
x ≥ 0,5.
(7.6)
Die Abb. 7.2 zeigt, daß die einfache Näherungsfunktion (7.6) über den gesamten praktisch interessierenden Bereich von 50% bis über 99,5% kaum von der inversen Standardnormalverteilung abweicht. 6.000
5.000
Sicherheitsbestand [VE]
konventionelle Formel (7.1) neue Standardformel (7.4) 4.000
3.000
2.000
1.000
0 86%
88%
90%
92%
94%
96%
Lieferfähigkeit Abb. 7.3 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Lieferfähigkeit Obere Kurve: konventionelle Berechnung Untere Kurve: neue Standardformel WBZ 5 AT, WBZ-Streuung ±2 AT Absatz 700 VE/AT, Absatzstreuung ±400 VE Nachschubmenge 12.500 VE/NAuf Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
98%
100%
94
7 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand
Aus dem Kurvenverlauf Abb. 7.2 und 7.3 ist außerdem ablesbar: 䉴 Bei Annäherung des geforderten Sicherheitsgrads an die 100% steigt
der Sicherheitsfaktor und damit der benötigte Sicherheitsbestand über alle Grenzen. Absolute Sicherheit und hundertprozentige Lieferfähigkeit sind daher bei einem stochastisch schwankenden Bedarf grundsätzlich nicht erreichbar. Die Simulationsrechnungen ergeben, daß mit einem Sicherheitsbestand, der dynamisch mit den Standardformeln (7.4), (7.5) und (7.6) errechnet wird, die mittlere Lieferfähigkeit ηIST eines Jahres mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 85% über der geforderten Lieferfähigkeit ηlief liegt (s. Abb. 7.1). Abbildung 7.3 zeigt einen Vergleich der mit Hilfe der neuen Standardformel (7.4) und nach der konventionellen Standardformel (7.1) berechneten Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der geforderten Lieferfähigkeit. Der konventionell berechnete Sicherheitsbestand liegt in diesem wie auch in vielen anderen Fällen weit über dem tatsächlich erforderlichen Sicherheitsbestand.
7.3 Einflußfaktoren auf den Sicherheitsbestand Aus den Beziehungen (7.4) und (7.5) lassen sich die wichtigsten Einflußfaktoren auf die Höhe des Sicherheitsbestands ablesen: • Abhängigkeit von der Lieferfähigkeit (s. Abb. 7.4): Der Sicherheitsbestand steigt mit der geforderten Lieferfähigkeit zunächst nur schwach und dann immer stärker an. Bei Annäherung an die 100% übersteigt er jeden Wert. • Abhängigkeit von der Absatzstreuung (s. Abb. 7.5): Der erforderliche Sicherheitsbestand wächst mit der Streuung des Periodenabsatzes zunächst unterproportional und bei großen Streuungen überproportional. • Einfluß der Wiederbeschaffungszeit (s. Abb. 7.6): Mit zunehmender Wiederbeschaffungszeit steigt der erforderliche Sicherheitsbestand ab einer unteren Schwelle zunächst überproportional und danach linear. • Einfluß der Streuung der Wiederbeschaffungszeit (s. Abb. 7.7): Die Streuung der Wiederbeschaffungszeit hat erheblichen Einfluß auf den erforderlichen Sicherheitsbestand und bewirkt einen überproportionalen Anstieg des Sicherheitsbestands. Die Schwelle der Wiederbeschaffungszeit in Abb. 7.6, unterhalb der kein Sicherheitsbestand benötigt wird, erklärt sich daraus, daß bei kurzer Liefer-
7.3 Einflußfaktoren auf den Sicherheitsbestand
95
5.000 Absatzstreuung ohne WBZ-Streuung, WBZ = 5AT WBZ-Streuung ohne Absatzstreuung, WBZ = 5AT
4.000
Absatz- und WBZ-Streuung, WBZ = 5AT
Sicherheitsbestand [VE]
Absatz- und WBZ-Streuung, WBZ = 10AT
3.000
2.000
1.000
0 90% 91% 92% 93% 94% 95% 96% 97% 98% 99% 100%
Lieferfähigkeit Abb. 7.4 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Lieferfähigkeit für unterschiedliche Wiederbeschaffungszeiten und WBZ-Streuung Übrige Parameter: Abb. 7.3 und Tab. 15.1/15.2
zeit die mögliche Nichtlieferfähigkeit während der Wiederbeschaffungszeit kaum ins Gewicht fällt gegenüber der gesicherten Lieferfähigkeit bis zum Bestellpunkt. Diese Schwelle ist abhängig von der Größe der Nachschubmengen. Sie steigt mit der Relation der Nachschubreichweite zur Wiederbeschaffungszeit [Gudehus 1996 und 2005]. Die Abhängigkeiten des Sicherheitsbestands von den unterschiedlichen Einflußfaktoren sollte jeder Disponent kennen und bei seinen Entscheidungen berücksichtigen. Die wichtigsten Konsequenzen sind:
96
7 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand
9.000
8.000
99% 98% 95%
Sicherheitsbestand [VE]
7.000
90%
6.000
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
0 0
200
400
600
800
1.000
Absatzstreuung [VE/AT] Abb. 7.5 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Absatztreuung für unterschiedliche Lieferfähigkeiten Übrige Parameter: Abb. 7.3 und Tab. 15.1/15.2
䉴 Durch eine Auftragsfertigung von Großmengenbestellungen läßt sich
die Verbrauchsstreuung des Lagerbedarfs reduzieren und damit der Sicherheitsbestand senken. 䉴 Vertrieb und Kunden sollte vermittelt werden, daß eine Lieferfähigkeit
von 100% unbezahlbar und nicht möglich ist. 䉴 Fertigung und Lieferanten müssen wissen, in welchem Ausmaß lange
und unzuverlässige Lieferzeiten die Sicherheitsbestände nach oben treiben und die Logistikkosten erhöhen (s. Kapitel 13).
7.3 Einflußfaktoren auf den Sicherheitsbestand
97
7.000 99% 98% 95% 90%
Sicherheitsbestand [VE]
6.000
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
0 0
5
10
15
20
WBZ Wiederbeschaffungszeit [AT] Abb. 7.6 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Wiederbeschaffungszeit für unterschiedliche Lieferfähigkeiten Übrige Parameter: Abb. 7.3 und Tab. 15.1/15.2
Die Simulation der nach Ablauf eines Jahres erreichten Lieferfähigkeit ergibt, daß diese von Jahr zu Jahr recht unterschiedlich sein kann. Erst nach einer Simulation der Lieferfähigkeit über mehr als 30 Jahre stabilisiert sich der Mittelwert. Die Schwankungen der Jahreslieferfähigkeit um den langfristigen Mittelwert sind, wie die Abb. 7.1 zeigt, bei hoher Lieferfähigkeit kleiner als bei geringer Lieferfähigkeit.
98
7 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand
16.000
14.000
99% 98% 95% 90%
Sicherheitsbestand [VE]
12.000
10.000
8.000
6.000
4.000
2.000
0 0
2
4
6
8
10
WBZ-Streuung [AT] Abb. 7.7 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der WBZ-Streuung für unterschiedliche Lieferfähigkeiten Übrige Parameter: Abb. 7.3 und Tab. 15.1/15.2
8 Minimale Logistikkosten
Die dispositionsabhängigen Logistikkosten lassen sich minimieren durch die Entscheidung zwischen Auftragslieferung und Lagerlieferung sowie durch eine kostenoptimale Festlegung der Dispositionsparameter. Die Frage, ob Auftragslieferung oder Lagerlieferung, stellt sich zunächst bei der Sortimentseinteilung in Lagerartikel und Auftragsartikel und später bei der täglichen Disposition für jeden einzelnen Auftrag. Zu vergleichen und zu optimieren sind in beiden Fällen die dispositionsrelevanten Logistikkosten des betreffenden Lieferkettenelements (s. Abb. 2.4): 1. Die Auftragslogistikkosten sind die maßgebenden Kosten der Auftragslieferungen eines Artikels von der Lieferstelle in ein Zwischenlager oder auf einen Bereitstellplatz in der Verbrauchs-, Verkaufs- oder Versandstelle. 2. Die Lagerlogistikkosten sind die maßgebenden Kosten der Lagerlieferungen eines Artikels von der Lieferstelle in ein Dispositionslager der Verbrauchs-, Verkaufs- oder Versandstelle. Aus dem Vergleich der maßgebenden Logistikstückkosten der Auftragslieferung mit den Stückkosten der Lagerlieferung ergibt sich die lageropportune Liefermenge, unterhalb der eine Lagerlieferung kostengünstiger ist als eine Auftragslieferung. Maßgebend für die optimale Auftrags- und Lagerdisposition sind die Auftragskosten der Beschaffung, die Einlagerkosten für die beschafften Mengen und die Lagerungskosten bis zum Zeitpunkt der Entnahme aus dem Lager. Die Kosten für den Transport zwischen Beschaffungsstelle und Versandstelle fallen für die Lagerlieferung und die Auftragslieferung eines Artikels im Verlauf eines Jahres nahezu in gleicher Höhe an. Sie können daher bei der Artikeldisposition zunächst unberücksichtigt bleiben. Die Beschaffungstransportkosten lassen sich jedoch optimieren durch eine Sammelbeschaffung der Liefermengen für mehrere Artikel und Aufträge, die von der gleichen Lieferstelle kommen (s. Abschnitte 6.4, 6.5 und 8.8).
100
8 Minimale Logistikkosten
Die Kosten für das Auslagern, Kommissionieren und Bereitstellen der einzelnen Kundenaufträge in der Versandstelle sind weitgehend unabhängig von der Artikelbeschaffung. Sie gehen erst in die Auftragskosten der nachfolgenden Lieferkette ein. Freie Dispositionsparameter der Auftragslieferung sind die Bestellpunkte der Beschaffung, die sich aus der Bündelung der Einzelbedarfe zu größeren Beschaffungsmengen ergeben. Freie Dispositionsparameter der Lagerlieferung sind die Nachschubbestellpunkte und die Nachschubmengen, die aus den unterschiedlichen Nachschubstrategien resultieren.
8.1 Auftrags- und Einlagerkosten Für jeden Auftrag, der an eine Liefer- oder Fertigungsstelle zur gesonderten Ausführung geht, entstehen fixe Auftragskosten kAuf [€/Auf], die unabhängig von der Liefermenge sind, und Herstell- oder Einkaufskosten, die das Produkt m · PVE von Liefermenge m [VE/Auf] und Beschaffungspreis PVE [€/VE] sind, also von den Herstellstückkosten bzw. vom Einkaufsstückpreis bestimmt werden. Die Herstellkosten werden von der Fertigung, der Einkaufspreis vom Einkauf bestimmt. Sie lassen sich durch die kurzfristige Auftrags- und Lagerdisposition nur wenig beeinflussen und können daher bei der Disposition unberücksichtigt bleiben. Die fixen Auftragskosten oder Beschaffungsfixkosten verteilen sich hingegen auf eine Artikelmenge, deren Größe von der Disposition bestimmt wird. Sie sind daher für die Disposition entscheidend. Die fixen Auftragskosten setzen sich zusammen aus • Beschaffungsauftragskosten der Beschaffungsstelle für Disposition, Auftragserstellung, Informationsübermittlung und Wareneingangsbearbeitung, • Lieferauftragskosten der Lieferstelle für Auftragsannahme, Auftragsbearbeitung, Disposition und Sendungsausgangsbearbeitung, • Rüstkosten der Fertigung für das Umrüsten einer Produktionsanlage, Montageeinrichtung oder Abfüllanlage (s. Abschnitt 10.4). Die Auftragskosten sind für ähnliche Artikel aus derselben Beschaffungsquelle, derselben Endfertigung und einer Teilefamilie gleich. Die Direktauftragskosten kDAuf [€/DAuf] für Direktbeschaffungen können jedoch größer sein als die Nachschubauftragskosten kNAuf [€/Auf] für den gleichen Artikel, wenn die Direktbeschaffungsaufträge manuell bearbeitet werden und der Lagernachschub automatisch vom Rechner über EDI oder Internet abgerufen wird.
8.2 Lagerhaltungskosten
101
Bei der Auftragslieferung verursacht jede Beschaffung Auftragskosten. Wenn die Aufträge jeweils für einen Bündelungszeitraum von nD Tagen gesammelt werden, ist die Direktbestellmenge: nD
mD (t ) =
 l(t +1– j) @ nD ◊ l m (t )
(8.1)
j=1
Nach einer bestimmten Beschaffungszeit trifft diese Menge in MD = {mD(t)/CLE} Ladeeinheiten in der Versandstelle ein und wird dort in das Zwischenlager eingelagert. Dafür entstehen pro Ladeeinheit die Einlagerkosten kLEein [€/LE]. Die Direktbeschaffungskosten der Auftragslieferung mit einer Bündelung von nD Tagen sind daher: KD(t)=WENN(t=tBP; kDAuf +kLEein ·{mD(t)/CLE}; 0 [€/AT].
(8.2)
Hierin sind tBP die Bestellzeitpunkte der Auftragsbeschaffung in einem Abstand von nD Tagen (s. Algorithmus (5.6)). Die geschweiften Klammern bedeuten ein ganzzahliges Aufrunden des Klammerinhalts {..} (s. Beziehung 6.19). Entsprechend entstehen für die Lagerlieferung an den Nachschubbestelltagen tBP Nachschubkosten, die gleich der Summe der Auftragskosten kNAuf und der Einlagerkosten für die Nachschubmenge mN(t) sind: KN(t)=WENN(t=tBP;kNAuf +kLEein ·{mN(t)/CLE};0) [€/AT].
(8.3)
Die Bestellpunkte für den Lagernachschub sind von der Bestellpunktstrategie abhängig. Für das Meldebestandsverfahren sind sie durch die Algorithmen (6.12), (6.13) und (6.14) bestimmt, für das Zykluszeitverfahren durch (6.15) und (6.16).
8.2 Lagerhaltungskosten Solange der Bestand nicht 0 ist, entstehen für einen Lagerartikel täglich Lagerhaltungskosten. Die Lagerhaltungskosten für eine Bestand mB(t) am Tag t sind die Summe der Zinskosten für den Bestandswert und der Lagerplatzkosten zur Unterbringung der Bestandsmenge: KL(t) = PVE · zL · mB(t) + kLP · {mB(t)/(CLE}.
(8.4)
Zur Berechnung der Lagerhaltungskosten werden also für jeden Artikel folgende Kostensätze und Logistikstammdaten benötigt (s. Kapitel 13): • Lagertageszinssatz zL [%/AT], der die Summe von Kapitalzins und Risiokozins ist,
102
8 Minimale Logistikkosten
• Beschaffungspreis PVE [€/VE] der Verbrauchseinheit, • Lagerplatzkostensatz kLP [€/LE-AT] pro Lagereinheit und Tag, • Ladeinheitenkapazität CLE [VE/LE] für die Verbrauchs- oder Verkaufseinheiten. Auch für die Auftragslieferungen entstehen Lagerhaltungskosten, wenn die bestellte Menge mD vor dem Liefertag in der Versandstelle eintrifft. Bei einer Streuung sT der Beschaffungszeit wird im Mittel die Hälfte der Bestellungen vor dem Ausliefertermin angeliefert und für sT Tage im Zwischenlager gelagert. Im Anschluß an eine Bestellung entstehen daher für die Zwischenlagerung der Direktliefermengen mD(t) entsprechend (8.4) im Mittel die Lagerhaltungskosten: KLA(t)=WENN(t=tBP; 1/2 sT ·(PVE ·zL ·mD(t)+kLP ·{mD(t)/CLE}).
(8.5)
8.3 Auftragslogistikkosten Die Auftragslogistikkosten am Tag t sind die Summe der Direktbeschaffungskosten (8.2) und der Lagerhaltungskosten (8.5) der Auftragslieferung: KAL(t) = KD(t) + KLA(t)
[€/AT].
(8.6)
Mit der Mittelwertfunktion (6.20) folgt aus der Summation der Lagerlogistikkosten (8.6) über eine größere Anzahl von NPE Absatztagen bei einer Bündelung jeweils über nD Tage die 䉴 Standardformel der Auftragslogistikkosten ©
KAL(nD) = (NPE/nD) · [kDAuf + kLEein · (mD /CLE + (1 – CLE)/2CLE) + + 1/2 sT · (mD · PVE · zL + kLO · (mD + (CLE – 1)/2CLE))] [€]. (8.7) Hierin sind λ [VE/AT] der mittlere Tagesabsatz und mD = nD · λ die mittlere Direktbestellmenge im Summationszeitraum. Wenn jeden Tag Aufträge eingehen, ist die Anzahl der gebündelten Direktbeschaffungen in den NPE Perioden NPE/nD . Der erste Summand der Auftragslogistikkosten (8.7) sind die Auftragskosten, der zweite Summand die Einlagerkosten für die vollen Ladeeinheiten und eine anteilige Anbrucheinheit und der dritte Summand die Lagerhaltungskosten der vorzeitigen Anlieferung. Diese Kostenblöcke fallen pro Beschaffungsauftrag jeweils einmal an. Solange die Termintreue besser als 80% ist, sind die Kosten der vorzeitigen Anlieferungen im Vergleich zu den Auftragsbeschaffungskosten und
8.3 Auftragslogistikkosten
103
daher der letzte Summand in (8.7) vernachlässigbar. Bezogen auf den Gesamtabsatz ergibt sich damit aus (8.7) für die 䉴 Auftragslogistikstückkosten©
kAL(λ; nD) = KAL(nD)/(NPE · λ) = = kLEein/CLE + kDAuf/(λ · nD)
[€/VE].
(8.8)
Bei einer Transitlieferung vom Wareneingang ohne Zwischenlagerung direkt zur Verbrauchsstelle ebenso wie bei einem Crossdocking oder Transshipment direkt in den Warenausgang entfallen in (8.7) und (8.8) die Einlager- und Lagerungskosten. 5,0
4,5
Logistikstückkosten [€-Cent/VE]
4,0
Lagerlieferung mit 80 % LF 3,5
Lagerlieferung mit 98 % LF Auftragslieferung mit n = 5 AT
3,0
Auftragslieferung mit n = 10 AT
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0 0
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
Periodenabsatz [VE/AT] Abb. 8.1 Abhängigkeit der Logistikstückkosten vom Periodenabsatz bei Auftragslieferung und bei Lagerlieferung Auftragslieferung mit Beschaffungsbündelung: Beziehung (8.8) Lagerlieferung mit optimalem Nachschub: Beziehung (8.14) Beschaffungspreis: 2,50 €/VE Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
104
8 Minimale Logistikkosten
Aus Beziehung (8.8) folgt (s. Abb. 8.1): 䉴 Die Auftragslogistikstückkosten sinken umgekehrt proportional mit
dem Absatz λ und der Anzahl der Bündelungstage nD.
Simulationsrechnungen über einen Zeitraum von 250 Absatztagen bestätigen die Berechnungsformeln (8.7) für die Jahreslogistikkosten und (8.8) für die Logistikstückkosten der reinen Auftragslieferung auch für einen instationären und stark schwankenden Auftragseingang mit stochastisch streuenden Liefermengen.
8.4 Lagerlogistikkosten Die Lagerlogistikkosten KLN(t) der Periode t setzen sich zusammen aus den Nachschubkosten KN(t) und den Lagerhaltungskosten KL(t): KLN(t) = KN(t) + KL(t)
[€/AT].
(8.9)
Die Summe der Lagerlogistikkosten pro Periode über einen längeren Zeitraum ergibt die Lagerlogistikkosten des Artikels für diesen Zeitraum. Sie sind die Zielfunktion der optimalen Bestands- und Nachschubdisposition der Lagerartikel. Für einen mittleren Periodenabsatz λ [VE/AT] folgt aus der Summation der periodischen Lagerlogistikkosten (8.9) über N PE Absatzperioden die 䉴 Standardformel der Lagerlogistikkosten©
l /CLE + (l l /mN)(CLE – 1)/2CLE) + kNAuf · l /mN + KNL(mN) = NPE · [kLEein · (l + PVE · zL · (msich + mN/2) + kLP · ((msich + fLO · mN)/CLE + + (CLE – 1)/2CLE)] [€]. (8.10) Der erste Summand sind die Einlagerkosten, der zweite die Auftragskosten pro Nachschubbestellung, der dritte die Zinskosten für den mittleren Bestandswert und der vierte Summand die Lagerplatzkosten für die mittlere Lagermenge, die in Ladeeinheiten der Kapazität C LE gelagert wird. Die Anzahl der Nachschubbestellungen in den NPE Perioden ist NPE · λ/mN. Bei Nachschub in vollen Ladeeinheiten entfällt im ersten Summanden der Zusatzterm (λ/mN)(CLE–1)/2CLE für die teilgefüllte Ladeeinheit pro Nachschub. Aus der Standardformel (8.10) ist ablesbar (s. Abb. 8.2): 䉴 Die Einlager- und Auftragskosten sinken umgekehrt proportional, die
Lagerplatz- und Zinskosten steigen linear mit der Nachschubmenge an.
8.4 Lagerlogistikkosten
105
5.000 4.500 0 2.000 4.000 8.000
Lagerlogistikkosten [€/Jahr]
4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
Nachschublosgröße [VE/NAuf] Abb. 8.2 Abhängigkeit der Lagerlogistikkosten von der Nachschubmenge Sicherheitsbestand: 0 / 2000 / 4000 / 8000 VE Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
䉴 Die Lagerlogistikkosten erreichen bei einer optimalen Nachschubmenge
mNopt einen minimalen Wert. In Übereinstimmung mit der analytischen Herleitung zeigen die Simulationsrechnungen, daß die Standardformel (8.10) für die Lagerlogistikkosten auch für einen zeitlich veränderlichen und stochastisch schwankenden Absatz zu richtigen Ergebnissen führt, wenn zur Berechnung der Jahreskosten mit den Jahresmittelwerten für den Tagesabsatz, die Nachschubmenge und den Sicherheitsbestand gerechnet wird. Dieses Ergebnis ist
106
8 Minimale Logistikkosten
nicht überraschend, denn es läßt sich mit Hilfe des Mittelwertsatzes der Logistik beweisen [Gudehus 1999]. Mit der Standardformel (8.10) lassen sich für jeden einzelnen Artikel die Auswirkungen der wichtigsten Einflußfaktoren auf die dispositionsabhängigen Lagerlogistikkosten berechnen: • Einfluß der Nachschubmenge (s. Abb. 8.2): Die Logistikkosten sinken mit der Nachschubmenge bis zu einem Minimalwert zunächst rasch ab und steigen danach mit der Nachschubmenge langsam wieder an.
4.500
Lagerlogistikkosten [€/Jahr]
4.000
3.500
3.000
2.500
2.000 4.000
1.500
8.000 16.000 24.000
1.000
500
0 0
2.000
4.000
6.000
8.000
Sicherheitsbestand [VE] Abb. 8.3 Einfluß des Sicherheitsbestands auf die Lagerlogistikkosten Nachschublosgröße 4000 / 8000 / 16000 / 24000 VE Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
10.000
12.000
8.4 Lagerlogistikkosten
107
6.000 6.000 12.000 18.000 optim. Losgröße
Lagerlogistikkosten [€/Jahr]
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
0 0
500
1.000
1.500
2.000
Periodenabsatz [VE/AT] Abb. 8.4 Abhängigkeit der Lagerlogistikkosten vom Periodenabsatz Nachschublosgröße 6000 / 12000 / 18000 / optimale Anzahl VE Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
• Einfluß des Sicherheitsbestands (s. Abb. 8.3): Ein zunehmender Sicherheitsbestand führt zu einem linearen Anstieg der Logistikkosten, der unabhängig ist von der Nachschublosgröße. • Einfluß des Periodenabsatzes bei konstanter Losgröße (s. Abb. 8.4): Bei konstanter Nachschublosgröße steigen die Logistikkosten linear mit dem Periodenabsatz. • Einfluß des Periodenabsatzes bei optimaler Losgröße (s. Abb. 8.4 und 8.5): Bei jeweils kostenoptimaler Nachschublosgröße nehmen die Logistikkosten nur mit der Wurzel des Periodenabsatzes zu.
108
8 Minimale Logistikkosten
3.500
98,0% 3.000
95,0%
Lagerlogistikkosten [€/Jahr]
90,0% 2.500
2.000
1.500
1.000
500
0 0
500
1.000
1.500
2.000
Periodenabsatz [VE/AT] Abb. 8.5 Abhängigkeit der Lagerlogistikkosten vom Periodenabsatz bei optimalem Lagernachschub Lieferfähigkeit Übrige Parameter:
90% / 95% / 98% s. Tab. 15.1 und 15.2
Bei einem stationären Absatz sind die Nachschubmenge und der Sicherheitsbestand die wichtigsten Einflußfaktoren auf die Logistikkosten. Sie sind die zentralen Strategieparameter der Lagerdisposition. Das besagen die Grundregeln der Lagerdisposition [Gudehus 1999]: 䉴 Die Nachschubmenge ist die Strategievariable der Nachschubdisposi-
tion zur optimalen Bündelung des Nachschubbedarfs. 䉴 Der Sicherheitsbestand ist die Strategievariable der Bestandsdisposi-
tion zur Erfüllung der geforderten Lieferfähigkeit (s. Kapitel 7).
8.5 Optimale Nachschubmenge
109
Beide Strategievariable hängen von den Artikeldaten, den Logistikstammdaten, den Kostensätzen und den speziellen Restriktionen des Unternehmens ab.
8.5 Optimale Nachschubmenge Die Lagerlogistikkosten (8.10) als Funktion der Nachschubmenge erreichen ihr Minimum bei der optimalen Nachschubmenge. Für diese sind die Auftrags- und Einlagerkosten gleich den Lagerungskosten. Sind Wiederbeschaffungszeit und Sicherheitsbestand unabhängig von der Nachschubmenge, folgt die optimale Nachschubmenge durch Nullsetzen der ersten Ableitung der Kostenfunktion (8.10) und Auflösen nach der Nachschubmenge1. Damit ergibt sich die 䉴 Standardformel der kostenoptimalen Nachschubmenge©
mNopt =[2 · l · (kNAuf + kLEein · (CLE – 1)/2CLE)/(PVE · zL + 2fLO · kLP/CLE)]1/2 [VE/NAuf] (8.11) Bei Nachschub in vollen Ladeeinheiten mit der Kapazität CLE [VE/LE] entfällt der Zusatzterm kLEein(CLE–1)/2CLE für die Mehrkosten einer teilgefüllten Ladeeinheit. Dann ist die 䉴 kostenoptimale Anzahl voller Nachschubeinheiten
MNopt =AUFRUNDEN([2 · λ · kNAuf /(PVE · zL + 2fLO · kLP/CLE)]1/2/CLE) [LE/NAuf]. (8.12) mit der gerundeten optimalen Nachschubmenge mN = MNopt · CLE
[VE/NAuf].
(8.13)
Die Standardformel (8.11) für die optimale Nachschubmenge bei mengenunabhängiger WBZ unterscheidet sich von den bekannten Losgrößenformeln der Betriebswirtschaft, wie die Harris- oder Andler-Formel, dadurch, daß sie die Lagerplatzkosten, die Ladungsträgerauswahl, die Lagerordnung, die Einlagerkosten und eine eventuelle Ladeeinheitenrundung korrekt berücksichtigt [Andler 1929; Churchman 1961; Hartmann 1997; Harris 1913; Soom 1976; Tempelmeier 1999; von Zwehl 1979; Wöhe 2000; Zipkin 2000]. In den herkömmlichen Formeln zur Losgrößenoptimierung werden die Lagerplatzkosten und die Einlagerkosten genauso wie die Zinskosten ein-
1
Bei einer mengenabhängigen Wiederbeschaffungszeit ist die kostenoptimale Nachschubmenge gegeben durch Beziehung (12.10) bzw. Beziehung (12.11), die in Kapitel 12 hergeleitet werden.
110
8 Minimale Logistikkosten
fach mit einem Lagerkostensatz in Prozent des Bestandswerts berechnet, dessen Herkunft oder Kalkulation i.d.R. nicht weiter erläutert wird. Ein durchschnittlicher Lagerkostensatz führt bei großen billigen Artikeln und bei kleinen teuren Warenstücken jedoch zu erhöhten Logistikkosten. Auch die Kostenauswirkungen der Ladungsträgerwahl und eine Rundung auf volle Ladeeinheiten bleiben unberücksichtigt [Gudehus 1999].
40.000
Optimale Nachschubmenge [VE]
35.000
30.000
25.000
20.000
15.000
10.000
0,50 0,75 1,50 3,00
5.000
0 0
500
1.000
1.500
2.000
2.500
Periodenabsatz [VE/AT] Abb. 8.6 Abhängigkeit der optimalen Nachschubmenge vom Periodenabsatz Beschaffungspreis: 0,50 / 0,75 / 1,50 / 3,00 €/VE Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
3.000
8.5 Optimale Nachschubmenge
111
Die Simulationsrechnungen zeigen, daß mit der Bestellmengenformel (8.11) das Kostenminimum auch bei einem zeitlich veränderlichen und stochastisch schwankenden Absatz erreicht wird, wenn bei der Disposition für λ mit dem dynamischen Periodenbedarf (4.1) gerechnet wird. Aus der Standardformel (8.11) sind die wichtigsten Einflußfaktoren auf die Größe der optimalen Nachschubmenge ablesbar: • Abhängigkeit vom Periodenabsatz (s. Abb. 8.6): Die optimale Nachschubmenge nimmt mit der Wurzel des Absatzes zu. • Einfluß von Beschaffungspreis und Zinssatz (s. Abb. 8.7): Die optimale Nachschubmenge nimmt umgekehrt proportional zur Wurzel aus dem Beschaffungspreis und aus dem Zinssatz ab. • Einfluß der Auftragskosten (s. Abb. 8.8): Die Nachschubauftragskosten gehen mit der Wurzel in die Nachschubmenge ein. • Auswirkung von Lagerplatzkosten und Ladeinheitenkapazität (s. Abb. 8.9): Die optimale Nachschubmenge sinkt mit der Wurzel des Lagerplatzkostensatzes und steigt mit der Wurzel der Ladungsträgerkapazität. Diese Abhängigkeiten sollte jeder Disponent kennen und bei seinen Entscheidungen berücksichtigen. Die letzte Abhängigkeit hat zur Folge, daß sich die Nachschubmenge, die mittlere Bestandshöhe und die Lagerlogistikkosten für Artikel mit großvolumigen und schweren Verbrauchseinheiten bei Berücksichtigung der Lagerplatzkosten erheblich von den entsprechenden Werten ohne die Lagerkosten unterscheiden. Das heißt: 䉴 Für großvolumige und schwere Artikel sind die spezifischen Lagerplatz-
kosten für die Nachschubdisposition nicht vernachlässigbar. Für jeden einzelnen Artikel lassen sich die Auswirkungen der Ladungsträgerkapazität auf den mittleren Bestand und des Lagerplatzkostensatzes auf die Logistikkosten mit Hilfe der Standardformeln (6.4) und (8.10) genau berechnen. Mit der optimalen Nachschubmenge (8.11) ergeben sich durch Einsetzen in Beziehung (8.10) die minimalen Lagerlogistikkosten KNLmin = KNL(mNopt) sowie bezogen auf den Durchsatz die 䉴 Lagerlogistikstückkosten bei freier Lagerordnung und optimaler Nach-
schubdisposition©
kLNopt(λ) = (kLP/CLE + PVEzL)msich/λ + kLEein/CLE + + [2kNAuf(PVEzL + kLP/CLE)/λ]1/2 [€/VE]
(8.14)
112
8 Minimale Logistikkosten
35.000
Optimale Nachschubmenge [VE/NAuf]
30.000
300 700 1.000 1.300
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0 0,00
1,00
2,00
3,00
4,00
5,00
Beschaffungspreis [€/VE] Abb. 8.7 Abhängigkeit der optimalen Nachschubmenge vom Beschaffungspreis Absatz 300 / 700 / 1000 /1300 VE/AT Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
Die Abhängigkeit der minimalen Lagerlogistikstückkosten (8.14) vom Absatz λ [VE/AT] ist für zwei verschiedene Lieferfähigkeiten in Abb. 8.1 gezeigt. Hieraus ist ablesbar: 䉴 Die Lagerlogistikstückkosten fallen bei optimaler Nachschubdisposition
umgekehrt proportional mit der Wurzel des Absatzes und steigen mit der geforderten Lieferfähigkeit.
8.5 Optimale Nachschubmenge
113
Optimale Nachschubmenge [VE/NAuf]
30.000
300 700 1.000 1.300
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0 0,00
20,00
40,00
60,00
80,00
100,00
Nachschubauftragskosten [€/NAuf] Abb. 8.8 Abhängigkeit der optimalen Nachschubmenge von den Nachschubauftragskosten Absatz 300 / 700 / 1000 /1300 VE/AT Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
䉴 Die minimalen Lagerlogistikstückkosten (8.14) sinken daher weniger
rasch mit dem Absatz als die Auftragslogistikkosten (8.8), die direkt umgekehrt proportional mit dem Absatz fallen. In Abb. 8.10 ist für ein Praxisbeispiel der simulierte Verlauf der Lagerlogistikstückkosten und der Auftragslogistikkosten dargestellt, der sich aus den Beziehungen (8.14) bzw. (8.8) mit den dynamischen Werten für den Absatz, die Nachschubmenge und den Sicherheitsbestand ergibt. Die langzeitigen Veränderungen sind die Folge des systematischen Zeitverlaufs der Bedarfsfunktion, die in Abb. 4.2 gezeigt ist. Die kurzzeitigen Schwankungen resultieren aus der Streuung des dynamischen Prognosewerts.
114
8 Minimale Logistikkosten
30.000
Optimale Nachschubmenge [VE/NAuf]
25.000 300 700 1.000 1.300
20.000
15.000
10.000
5.000
0 0,00
0,05
0,10
0,15
0,20
Lagerplatzkosten [€/LE] Abb. 8.9 Abhängigkeit der optimalen Nachschubmenge von den Lagerplatzkosten Absatz 300 / 700 / 1000 /1300 VE/AT Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
Deutlich erkennbar ist, daß sich die Logistikstückkosten der Auftragsfertigung proportional zum Absatzverlauf verändern, während die Logistikstückkosten der Lagerlieferung relativ konstant bleiben, da sie nur von der Wurzel des Bedarfs abhängen. Über den gesamten Simulationszeitraum aber liegen in diesem Fall die Auftragslogistikstückkosten deutlich über den Lagerlogistikstückkosten. Die Differenz dieser beiden Werte, also die Auftragslogistikstückkosten minus den Lagerlogistikstückkosten, ist der Lageropportunitätsgewinn. Dieser ist in dem betrachteten Beispiel stets positiv. Die Lagerhaltung ist also für den betreffenden Artikel immer kostengünstiger als die Auftragsfertigung.
8.6 Kostenopportunität der Lagerhaltung
115
0,030 Auftragslogistikstückkosten Lagerlogistikstückkosten Lageropportunitätsgewinn
Logistikstückkosten [€/VE]
0,025
0,020
0,015
0,010
0,005
0,000 0
50
100
150
200
250
Absatztage [AT] Abb. 8.10 Simulation der dynamischen Logistikstückkosten und des Lageropportunitätsgewinns Auftragslogistikstückkosten nach Bez. (8.8) Lagerlogistikstückkosten nach Bez. (8.14) Lageropportunitätsgewinn = Auftragslogistikkosten – Lagerlogistikstückkosten Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
8.6 Kostenopportunität der Lagerhaltung Um die Grenze zwischen Lagerlieferung und Auftragslieferung zu bestimmen, ist es zweckmäßig, zunächst die Abhängigkeit der Lagerlogistikstückkosten von der optimalen Nachschubmenge zu betrachten. Da im Kostenminimum die Nachschubkosten gleich den Lagerungskosten sind, ergibt sich bei freier Lagerordnung aus (8.14) und (8.11):
116
8 Minimale Logistikkosten
kLNopt(mNopt) = (kLP/CLE + PVEzL)msich/λ + kLEein/CLE + + 2 · [kNAuf + kLEein(CLE – 1)/2CLE]/mNopt .
(8.15)
Abgesehen von den Kosten für den Sicherheitsbestand und den Einlagerkosten der vollen Ladeeinheiten, die beide unabhängig von der Nachschubmenge sind, entstehen bei einer optimalen Nachschubdisposition genau zweimal die Auftrags- und Anbrucheinlagerkosten. Bei der Auftragslieferung fallen hingegen die Auftrags- und Anbrucheinlagerkosten für einen gebündelten Beschaffungsauftrag nur einmal an. Die gesuchte Absatzgrenze λLA ist erreicht, wenn die Differenz zwischen Lagerlogistikstückkosten und Auftragslogistikstückkosten Null wird, wenn also der 䉴 Lageropportunitätsgewinn©
kLopp(λLA) = kAL(λLA) – kLNopt(λLA)
(8.16)
verschwindet. Abbildung 8.10 zeigt den simulierten Verlauf des dynamisch berechneten Lageropportunitätsgewinns (8.16) für einen Artikel mit dem Absatzverlauf der Abb. 4.2. Nach Einsetzen der Beziehungen (8.8) und (8.15) in die Beziehung (8.16) ergibt sich durch Auflösen der Gleichung kLopp(λLA) = 0 nach λLA der 䉴 Lageropportune Absatz©
k / n + (kLP / CLE + PVE z L )msich l LAopt = DAuf D ◊ mNopt / 2. kNAuf + kLEein (CLE – 1) / 2CLE
(8.17)
Da die Auftragskosten in der Regel wesentlich größer sind als die Lagerungskosten für den Sicherheitsbestand und die anteiligen Einlagerkosten der Anbrucheinheiten, ist der Bruchfaktor annähernd (kDAuf /kNAuf )/nD . Damit folgt aus (8.17) die 䉴 Opportunitätsgrenze zwischen Lagerlieferung und Auftragslieferung©
l LA = (kDAuf /kNAuf ) · mNopt/2nD
[VE/AT].
(8.18)
Dieses verblüffend einfache Ergebnis ist auch ohne längeren Beweis verständlich. Ohne die Kosten für den Sicherheitsbestand sind bei der Lagerlieferung mit kostenoptimalem Nachschub die Lagerhaltungskosten gleich den Nachschubkosten. Daher entstehen bei der Lagerlieferung pro optimaler Nachschubmenge zweimal die Nachschubauftragskosten kNAuf, während bei der Auftragslieferung pro gebündelter Beschaffung die Direktauftragskosten kDAuf nur einmal anfallen. Wenn die Nachschubauftragskosten und die Direktauftragskosten annähernd gleich sind, folgt aus der Opportunitätsgrenze (8.18) der
8.6 Kostenopportunität der Lagerhaltung
117
䉴 Allgemeine Lagersatz: Solange die zur Direktbeschaffung gebündelte
Liefermenge größer ist als die halbe optimale Nachschubmenge, ist die Auftragslieferung kostengünstiger als die Lagerlieferung. Aus dem allgemeinen Lagersatz ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen für die Auftrags- und Lagerdisposition. Die erste Konsequenz ist das Kriterium zur Auswahl der Lagerartikel, die 䉴 Lageropportunität: Ein Artikel ist solange wirtschaftlicher auf Lager zu
halten als ihn nach nD Tagen Auftragsbündelung direkt zu beschaffen, wie der Periodenabsatz kleiner ist als die Opportunitätsgrenze (8.18). Abbildung 8.11 zeigt die Abhängigkeit der kritischen Liefermenge vom Periodenabsatz für zwei Artikel, die sich ceteris paribus im Beschaffungspreis um einen Faktor 10 unterscheiden. Generell folgen aus der Standardformel für die optimale Nachschubmenge in Verbindung mit dem allgemeinen Lagersatz die Regeln: 䉴 Mit einer Zunahme von Artikelwert und Zinsen sowie mit einem Anstieg
von Platzbedarf und Lagerplatzkosten sinkt der lageropportune Absatz. 䉴 Mit einem Anstieg der Auftragskosten und Zunahme des Absatzes er-
höht sich der lageropportune Absatz. Diese hier bewiesenen und quantifizierbaren Regeln bestätigen die bekannte Erfahrungsregel: 䉴 Billige und kleine Artikel mit geringem Absatz sind eher Lagerartikel,
große und wertvolle Artikel mit hohem Absatz eher Auftragsartikel. Anders als bisher läßt sich jedoch jetzt die Grenze zur Entscheidung zwischen Lagerartikeln und Auftragsartikeln für jeden Artikel mit Hilfe von Beziehung (8.18) berechnen. Zur dynamischen Prüfung der Lagerhaltigkeit berechnet das Dispositionsprogramm aus den hinterlegten statischen und dynamischen Artikelund Logistikstammdaten die Lageropportunität und die Opportunitätsgrenze. Wird die Opportunitätsgrenze nachhaltig unterschritten und dadurch der Lageropportunitätsgewinn positiv, wird vom Programm die Umstufung eines Auftragsartikels zum Lagerartikel vorgeschlagen. Wenn der Absatz die Opportunitätsgrenze nachhaltig überschreitet und der Artikel bisher ein Lagerartikel war, weist das Programm die Höhe des Lageropportunitätsgewinns (8.16) aus. Wenn der Opportunitätsgewinn in Relation zu den Auftragslogistikstückkosten (8.8) deutlich kleiner als Null ist, wird vom Programm eine Umstufung zum Auftragsartikel vorgeschlagen. Auf diese Weise melden sich die einzelnen Artikel gewissermaßen selbständig, wenn ihr Status als Lagerartikel oder als Auftragsartikel aufgrund eines veränderten Absatzes geändert werden sollte.
118
8 Minimale Logistikkosten
Was für die Bündelung von Einzelaufträgen zur Direktbeschaffung eines Auftragsartikels gilt, trifft gleichermaßen zu für die Einzelaufträge eines Lagerartikels. Daraus folgt als zweite Konsequenz des allgemeinen Lagersatzes das Kriterium für die Auftragsdisposition von Lagerartikeln: 䉴 Lageropportune Liefermenge: Einzelaufträge, deren Liefermenge m
größer ist als die halbe optimale Lagernachschubmenge (8.11), werden kostengünstiger direkt gefertigt oder beschafft und nicht aus dem Lagerbestand geliefert. 12.000
Lageropportune Liefermenge [VE/Pos]
10.000
8.000
0,75 7,50 6.000
4.000
2.000
0 0
200
400
600
800
1.000
1.200
Periodenabsatz [VE/AT] Abb. 8.11 Die lageropportune Liefermenge in Abhängigkeit vom Periodenabsatz Beschaffungspreis: 0,75 / 7,50 €/VE Übrige Parameter: s. Tab. 15.1 und 15.2
1.400
8.7 Sicherheitskosten und Lieferfähigkeit
119
Das Dispositionsprogramm muß nach diesem Kriterium jeden eingehenden Auftrag prüfen und die Großmengenaufträge zur Direktbeschaffung aussondern. Abgesehen von der Kosteneinsparung hat das Aussondern der Großmengenaufträge den Vorteil, daß sich dadurch die Absatzstreuung verringert und der erforderliche Sicherheitsbestand kleiner wird.
8.7 Sicherheitskosten und Lieferfähigkeit Sicherheit kostet Geld. Das gilt auch für die Sicherung der Lieferfähigkeit. Die Kosten zur Sicherung der Lieferfähigkeit sind gleich den Lagerungskosten für den Sicherheitsbestand. Bezogen auf die durchgesetzte Verbrauchseinheit sind die Sicherheitsstückkosten: ksich(η) = (kLP/CLE + PVEzL) · msich(η)/λ
[€/VE].
(8.19)
Wie in Abb. 8.12 für ein Beispiel gezeigt, steigen die Sicherheitskosten mit Annäherung an die 100% mit der geforderten Lieferfähigkeit η immer stärker an. Sie sinken umgekehrt proportional mit der Wurzel des Verbrauchs λ, denn der Sicherheitsbestand wächst proportional zur Wurzel aus λ. Mit der Länge und Unsicherheit der Wiederbeschaffungszeit nehmen die Sicherheitskosten zu. Sie sind für hochwertige und großvolumige Artikel höher als für geringwertige und kleine Artikel. Den mit der Lieferfähigkeit η ansteigenden Sicherheitskosten stehen in der Regel Fehlmengenkosten gegenüber, die proportional zur Lieferunfähigkeit 1–η ansteigen, also mit zunehmender Lieferfähigkeit kleiner werden. Fehlmengenkosten infolge von Lieferunfähigkeit können sein: • Entgangener Gewinn oder fehlender Deckungsbeitrag für den Umsatzausfall von Fertigartikeln oder Handelsware • Kosten der Produktionsunterbrechung und Wartezeiten wegen fehlenden Materials oder ausbleibender Zulieferteile • Stillstandskosten infolge fehlender Ersatzteile • Lieferverzugsstrafen oder Pönalen bei Terminüberschreitungen In vielen Fällen lassen sich die Fehlmengenstückkosten kfehl [€/VE] kalkulieren oder zumindest abschätzen. Bei einer Lieferfähigkeit η treten die Fehlmengenkosten mit der Wahrscheinlichkeit 1–η auf. Die effektiven Fehlmengenkosten sind (1–η)kfehl. Die Kostensumme der Sicherheitskosten und der Fehlmengenkosten sind die Risikokosten: krisk(η) = ksich(η) + (1 – η) · kfehl
[€/VE].
(8.20)
120
8 Minimale Logistikkosten
0,60 Sicherheitskosten Fehlmengenkosten Risikokosten
Kosten [€-Cent/VE]
0,50
0,40
0,30
0,20
0,10
0,00 98,0%
98,5%
99,0%
99,5%
100,0%
Lieferfähigkeit Abb. 8.12 Abhängigkeit der Risikokosten von der Lieferfähigkeit Beschaffungspreis: Fehlmengenstückkosten: Absatz: Übrige Parameter:
2,50 €/VE 0,15 €/VE 100 VE/AT s. Tab. 15.1 und 15.2
Die Risikokosten haben bei einer bestimmten Lieferfähigkeit ηopt ein Minimum, das im Beispiel der Abb. 8.11 bei 99,3% liegt. Grundsätzlich läßt sich also bei bekannten Fehlmengenkosten durch Bestimmung des Minimums der Risikokosten (8.20) die kostenoptimale Lieferfähigkeit ηopt ermitteln. Auch wenn das im Einzelfall umständlich sein mag, wird dadurch die sonst recht willkürliche Festlegung der Liefer-
8.8 Approximative Nachschubberechnung
121
fähigkeit allein durch den Vertrieb oder die Unternehmensleitung objektiviert. Zur Festlegung der Standardlieferfähigkeit eines Sortiments oder einer Artikelgruppe wird daher empfohlen, mit Hilfe von Beziehung (8.20) Modellrechnungen durchzuführen und dadurch abzuschätzen, ob eine Standardlieferfähigkeit von 95%, 98%, 99% oder sogar 99,5% angemessen und notwendig ist. Wegen der vielen zufallsabhängigen Einflußfaktoren geht es dabei stets um eine Risikoabwägung, die sich durch mathematische Verfahren unterstützen läßt. Die Festlegung der Lieferfähigkeit bleibt jedoch auch dann noch eine unternehmerische Entscheidung mit einem unvermeidlichen Restrisiko.
8.8 Approximative Nachschubberechnung In vielen Unternehmen sind die Logistikstammdaten und die Prozeßkostensätze, die zur Berechnung der kostenoptimalen Nachschubmenge (8.11) benötigt werden, noch nicht erfaßt oder nicht im System gespeichert. In diesen Fällen ist bis zur Beschaffung und Speicherung der vollständigen Stammdaten und Kostensätze eine approximative Berechnung der dynamischen Nachschubmenge erforderlich. Dazu ist es zweckmäßig, die Standardformel der kostenoptimalen Nachschubmenge (8.11) umzuformen in die Beziehung mNopt (t) = FN · ÷λ(t)
[VE/NAuf]
(8.21)
mit dem Nachschubfaktor FN = [2· (kNAuf +kLEein · (CLE –1)/2CLE)/(PVE ·zL+2fLO ·kLP/CLE)]1/2. (8.22) Um die optimale Nachschubmenge dynamisch korrekt zu berechnen, wird der Nachschubfaktor (8.22) für jeden einzelnen Artikel aus den Stammdaten errechnet und mit der Wurzel aus dem aktuellen Periodenabsatz multipliziert. Wenn das Fassungsvermögen der Ladeeinheiten CLE für einen Artikel unbekannt oder nicht in den Stammdaten gespeichert ist, aber das Volumen und das Gewicht der Verbrauchseinheit, läßt sich das Fassungsvermögen errechnen mit Hilfe der Formel für die 䉴 Kapazität einer Ladeeinheit mit dem kubischen Nutzraum VLE [l/LE]
und der Nutzlast GLE [kg/LE] für Fülleinheiten mit dem kubischen Stückvolumen vVE [l/VE] und dem Stückgewicht gVE [kg/VE] CLE(vVE,gVE) = ABRUNDEN(MIN(ηpack · VLE/vVE; GLE/gVE))
(8.23)
122
8 Minimale Logistikkosten
Der Faktor ηpack ist der Packungsgrad. Der mittlere Packungsgrad ist in guter Näherung gegeben durch die 䉴 Packungsgradformel©:
ηpack(vVE,VLE) ≅ (1 – 0,2 · (vVE/VLE)1/3)3 für
vVE < VLE/2.
(8.24)
Hiernach nimmt der mittlere Packungsgrad wegen der immer größeren dreidimensionalen Verschnittverluste mit zunehmendem Füllstückvolumen ab [s. Gudehus 2005, Abschnitt 12.4]. Die Berechnungsformel für die Ladeeinheitenkapazität (8.23) besagt: Für leichtere Fülleinheiten ist die Kapazität volumenbestimmt und gleich dem ganzzahlig abgerundeten Produkt des Packungsgrads ηpack mit dem Volumenquotienten VLE/vVE. Für schwere Fülleinheiten ist die Kapazität gewichtsbestimmt und gleich dem abgerundeten Gewichtsquotienten GLE/gVE. Die Nutzlast und das Nutzgewicht der einsetzbaren Ladeeinheiten sind in den Logistikstammdaten zu hinterlegen (s. Tab. 3.1). Die Grenze zwischen volumenbestimmter und gewichtsbestimmter Kapazität wird vom Verhältnis GLE/VLE des Nutzgewichts zum Nutzvolumen bestimmt, das für die meisten Ladeeinheiten bei 0,2 – 0,3 g/cm 3 liegt. Hieraus resultiert ein spezifisches Grenzgewicht der volumenbestimmten Fülleinheiten von γVE = gVE/vVE = GLE/VLE = 0,2 bis 0,3 g/cm3. Wenn das Stückgewicht und das Stückvolumen der einzelnen Artikel nicht bekannt sind, muß das Sortiment in eine überschaubare Anzahl von Größenklassen eingeteilt werden, zum Beispiel in leichte und schwere Massenteile, Kleinteile, Großteile, Schwergut und Langgut. Aus den Abmessungs- und Gewichtsgrenzen lassen sich für jede Größenklasse ein mittleres Standardvolumen und Standardgewicht ableiten, mit denen für alle Artikel, die dieser Klasse angehören, nach Beziehung (8.23) das approximative Fassungsvermögen der Ladeeinheiten berechnet wird. Sind jedoch auch das Nutzvolumen, die Nutzlast und/oder die Lagerkostensätze der Ladeeinheiten unbekannt, muß in einer noch groberen Näherung der Nachschubfaktor mit der Andler-Harris-Näherung berechnet werden: FN ≈ [2 · kNAuf/PVE · zL]1/2.
(8.25)
Der Beschaffungspreis PVE der einzelnen Artikel und der Lagerzinssatz zL sind in der Regel bekannt und in den Stammdaten gespeichert. Die artikelspezifischen Nachschubauftragskosten kNAuf sind hingegen oft ebenso wenig bekannt wie die Lagerkostensätze. Dann muß das Sortiment in einer weiteren Näherung in Prozeßklassen eingeteilt werden, in denen Artikel mit ähnlichen Beschaffungs- und Herstellprozessen und annähernd gleichen Nachschubauftragskosten zusammengefaßt sind (s. Abschnitt 8.1). Aus einer Prozeßkostenanalyse werden für die verschiedenen
8.9 Sicherheitsbestand und Nachschubmenge
123
Prozeßklassen Standardauftragskostensätze ermittelt oder abgeschätzt und für alle Artikel der gleichen Klasse zur approximativen Berechnung des Nachschubfaktors nach Beziehung (8.22) bzw. (8.25) verwendet. Wie in Abschnitt 8.5 dargestellt, führt die näherungsweise Verwendung der Andler-Harris-Formel bei Artikeln mit einem hohen Lagerkostenanteil zu erheblichen Verfälschungen: 䉴 Die mit der Andler-Harris-Näherung errechnete Nachschubmenge ist
bei hohen Lagerkosten wesentlich kleiner als die optimale Nachschubmenge. Die daraus resultierenden Lagerlogistikkosten sind deutlich höher als für das Kostenoptimum. Die approximative Nachschubmengenberechnung mit der Andler-HarrisNäherung (8.25) sollte daher nur eine Zwischenlösung sein. Wenn die Transport- oder Frachtkosten zwischen der Lieferstelle und der Verbrauchsstelle für die Direktbeschaffung und für die Nachschubbeschaffung voneinander abweichen, sind diese ebenfalls dispositionsrelevant. Sie sind dann in den Auftragslogistikkosten (8.7) und in den Lagerlogistikkosten (8.10) zusätzlich zu berücksichtigen. Das geschieht am einfachsten dadurch, daß die Auftragskosten um die entsprechenden Direktsendungskosten kDSend [€/DAuf] bzw. Nachschubsendungskosten kNSend [€/NAuf] und die Einlagerkosten um die spezifischen Direkttransportkosten kDTr [€/LE] bzw. Nachschubtransportkosten kNTr [€/LE] erhöht werden (s. Tabelle 13.2). An der Herleitung der Formel für die optimale Nachschubmenge ändert sich dadurch nichts. Der Lageropportunitätsgewinn (8.16) aber erhöht sich um die Differenz zwischen den Transportstückkosten der Direktbeschaffung und der Nachschubbeschaffung. Wenn die Direkttransportkosten höher als die Nachschubtransportkosten sind, verschiebt sich die Lageropportunitätsgrenze nach oben.
8.9 Sicherheitsbestand und Nachschubmenge Nach Beziehung (8.10) sind die Lagerlogistikkosten, aus deren Minimierung die kostenoptimale Nachschubmenge resultiert, abhängig vom Sicherheitsbestand. Der Sicherheitsbestand hängt nach Beziehung (7.5) von der Nachschubmenge ab und wird von der Lieferfähigkeit bestimmt. Wenn die Fehlmengen- oder Ausfallkosten bekannt sind, resultiert aus der Minimierung der Risikokosten (8.20), die eine Summe der Sicherheitskosten und der Fehlmengenkosten sind, die kostenoptimale Lieferfähigkeit.
124
8 Minimale Logistikkosten
Wegen der wechselseitigen Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Nachschubmenge und der Lagerlogistikkosten vom Sicherheitsbestand ergibt die Minimierung der Risikokosten (8.20) einerseits und der Lagerlogistikkosten (8.10) andererseits ein verkoppeltes Gleichungssystem für die kostenoptimale Nachschubmenge und den kostenoptimalen Sicherheitsbestand. Das verkoppelte Gleichungssystem läßt sich iterativ lösen: Die Anfangslösung für die kostenoptimale Nachschubmenge ist durch Beziehung (8.11) gegeben, die aus der Minimierung der Lagerlogistikkosten bei konstantem Sicherheitsbestand resultiert. Die Anfangslösung für den Sicherheitsbestand ist durch Beziehung (7.4) mit der kostenoptimalen Lieferfähigkeit gegeben, bei der die Risikokosten (8.20) minimal sind. Im ersten Schritt der Iteration wird in die Lagerlogistikkosten (8.10) die Anfangslösung (7.4) für den Sicherheitsbestand eingesetzt. Die numerische Bestimmung des Minimums der Lagerlogistikkosten ergibt die erste Näherung für die kostenoptimale Nachschubmenge. Unter Verwendung der ersten Näherung für die kostenoptimale Nachschubmenge folgt aus der Minimierung der Risikokosten (8.20) mit dem Sicherheitsbestand (7.4) die erste Näherung für den kostenoptimalen Sicherheitsbestand. Im zweiten Schritt der Iteration werden mit den ersten Näherungen die zweiten Näherungen berechnet und so fort. Auf diese Weise lassen sich die exakten Lösungen für die kostenoptimale Nachschubmenge und den kostenoptimalen Sicherheitsbestand numerisch mit jeder gewünschten Genauigkeit bestimmen. Wegen des hohen Rechenaufwands ist die iterative Näherungsrechnung jedoch für die dynamische Disposition, die eine tägliche Neuberechnung der Nachschubmengen und der Sicherheitsbestände einer Vielzahl von Artikeln erfordert, nicht geeignet. Eine allgemeine Untersuchung der beeinflußbaren Gesamtkosten bei stationärem stochastischen Bedarf durch Rutz 1975 zeigt jedoch, daß die Kosten mit den exakten Lösungen um weniger als 2% geringer sind als die Kosten, die sich mit den Anfangslösungen ergeben, wenn die Streuung des Bedarfs in der Wiederbeschaffungszeit und die Höhe der Risikokosten im praktisch relevanten Bereich liegen. Das heißt: • Die Standardformel (8.11) für die kostenoptimale Nachschubmenge und die Standardformel (7.4) für den Sicherheitsbestand bei einer kostenoptimalen Lieferfähigkeit, die durch Minimierung der Risikokosten (8.20) bestimmt wird, ergeben mit praktisch ausreichender Genauigkeit minimale Gesamtkosten. Damit wird die aufwendige iterative Berechnung der exakten Lösungen für die Praxis entbehrlich. Die exakte theoretische Lösung des Problems ist jedoch zur Beurteilung der Güte und der Anwendungsgrenzen der Anfangslösungen hilfreich.
9 Logistische Sortimentseinteilung
Die logistische Sortimentseinteilung in Lagerartikel und Auftragsartikel sowie nach Standardlieferzeiten und Servicegrad ist Voraussetzung für die optimale Auftrags- und Lagerdisposition. Sie ist zugleich eine Verpflichtung für die Fertigungs- und Lieferstellen, die zugesicherten Lieferzeiten und Servicegrade einzuhalten. Außerdem informiert sie Vertrieb und Kunden über das logistische Leistungsangebot des Unternehmens. Die Einteilung der Fertigwaren für den Primärbedarf in Lagerartikel und Auftragsartikel leitet sich aus den Lieferzeiten und der Lieferfähigkeit ab, die von den Kunden gefordert oder vom Unternehmen angestrebt werden. Sie wird außerdem bestimmt von den relevanten Logistikkosten der Auftragsfertigung im Vergleich zur Belieferung ab Lager. Die Einteilung der Artikel und Materialnummern für den Sekundärbedarf in Lagerartikel und Auftragsartikel ergibt sich aus den geforderten Lieferzeiten, den technologischen Fertigungsdurchlaufzeiten und der geforderten Lagerhaltigkeit der Fertigerzeugnisse, für die ein Vorprodukt benötigt wird (s. Kapitel 10). Die weit verbreitete ABC- und XYZ-Klassifizierung der Artikel ist für die dynamische Disposition weder sinnvoll noch notwendig. Ihr Nutzen ist auch für die Planung und die Erstbeschaffung durch den Einkauf begrenzt [Gudehus 1999].
9.1 Lagerhaltung oder Auftragsfertigung Eine zentrale Entscheidung der Dispositionsplanung ist die Auswahl der Lagerartikel, für die permanent ein Dispositionsbestand bereitgehalten wird, um daraus einen Teil oder alle Lieferaufträge zu bedienen. Lagerbestände binden Kapital, kosten Zinsen, benötigen Lagerplatz und sind mit Risiken verbunden. Sie ermöglichen andererseits extrem kurze Lieferzeiten und eine hohe Lieferfähigkeit. Die mit der Lagerhaltung verbundenen Kosten und Risiken lassen sich jedoch durch eine optimale
126
9 Logistische Sortimentseinteilung
Lagerdisposition minimieren, die zugleich eine Möglichkeit zu Kosteneinsparungen eröffnet. Die wichtigsten Entscheidungskriterien zwischen Lagerhaltung und Auftragsfertigung sind daher der Lageropportunitätsgewinn und die lageropportune Liefermenge (s. Abschnitt 8.6). Die reine Auftragsfertigung vermeidet viele Nachteile des Lagerns, ist aber mit deutlich längeren und in der Regel auch unzuverlässigen Lieferzeiten verbunden. Die Lieferzeit steigt mit zunehmender Auftragsbündelung. Die Termintreue sinkt mit zunehmender Auslastung der Kapazitäten. Für Aufträge mit kleinen Liefermengen und Artikel mit regelmäßigem Bedarf ist die Auftragsfertigung außerdem meist wesentlich teurer als die Belieferung aus einem Lagerbestand (s. Abb. 8.1). Weitere Nachteile der reinen Auftragsfertigung sind der Verzicht auf eine Verstetigung der Fertigungsauslastung durch eine vorgezogene Produktion auf Lager und das Risiko einer temporären Lieferunfähigkeit infolge von Produktionsunterbrechungen oder Beschaffungsschwierigkeiten. Wenn der Markt die Nachteile der reinen Auftragsfertigung nicht akzeptiert, sei es, weil der Wettbewerb einen besseren Lieferservice bietet oder weil die Kunden diesen Service fordern, um ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, ist es unumgänglich, einen Teil des Sortiments auf Lager zu produzieren oder zu beschaffen. Auch wenn die verfügbaren Fertigungskapazitäten für den saisonalen Spitzenbedarf oder eine geplante Verkaufsaktion nicht ausreichen, ist eine Vorabfertigung oder Beschaffung auf Lager erforderlich.
9.2 Lagerartikel und Auftragsartikel Aus den Vor- und Nachteilen der Fertigung oder Beschaffung auf Lager im Vergleich zur Auftragsfertigung oder Auftragsbeschaffung ergeben sich folgende notwendige Bedingungen für die Lagerhaltigkeit von Fertigerzeugnissen: 1. Der Bedarf des Artikels hält für längere Zeit an und ist ausreichend prognostizierbar. 2. Der Artikel ist ein Standardprodukt, das für einen breiteren Abnehmerkreis bestimmt ist. 3. Der Artikel ist ein Sondererzeugnis, dessen zukünftiger Absatz durch Rahmenvereinbarungen abgesichert ist. 4. Verbindlich zugesagte kurze Lieferzeiten und eine hohe Lieferfähigkeit des Artikels sind nur bei Lieferung ab Lager erfüllbar.
9.2 Lagerartikel und Auftragsartikel
127
Wenn ein Artikel die ersten drei Bedingungen erfüllt und der Tagesabsatz kleiner ist als der lageropportune Absatz (8.17) bei der maximal zulässigen Auftragsbündelung, ist eine Lagerhaltung wirtschaftlicher als die Auftragslieferung und daher in jedem Fall sinnvoll. Wird die letzte Forderung für einen Artikel ohne positiven Lageropportunitätsgewinn gestellt, ist die Lagerhaltung mit großen Risiken und höheren Kosten verbunden. Nur wenn der Verkaufspreis, wie bei Ersatzteilen, die Risiken und Mehrkosten der Lagerung trägt, ist eine verpflichtende Zusage einer Lieferzeit, die kürzer als die Wiederbeschaffungszeit ist, wirtschaftlich vertretbar. Nach Abgrenzung der Lagerartikel verbleiben als reine Auftragsartikel: 1. Artikel, die nur einmalig benötigt werden oder deren Absatz überhaupt nicht vorhersehbar ist. 2. Artikel, deren Absatz größer ist als der lageropportune Absatz (8.17) bei maximal zulässiger Bündelung. 3. Sonderartikel, die nur für einen oder wenige Kunden bestimmt sind und für die kein Rahmenvertrag mit der Verpflichtung zur Lagerhaltung oder zu kürzeren Lieferzeiten als die Wiederbeschaffungszeit besteht. 4. Auslaufartikel, die wegen technischer Änderungen oder aufgrund von Neuentwicklungen aus dem Programm genommen werden. Zusätzliche Bedingungen für die Lagerhaltigkeit eines Vorprodukts oder Einbauteils sind: • Die geforderten Lieferzeiten der Fertigerzeugnisse, in die das Vorprodukt einfließt, erfordern eine Lagerhaltung des Vorprodukts. • Die von der Wiederbeschaffungszeit abhängigen Logistikkosten der lagerhaltigen Fertigerzeugnisse, in die das Vorprodukt einfließt, lassen sich mit einer Lagerhaltung des Vorprodukts deutlich senken. • Der Lageropportunitätsgewinn einer Lagerung der Vorprodukte ist größer als der Lageropportunitätsgewinn des Fertigerzeugnisses. Die Entscheidung, ob kurze Lieferzeiten besser durch eine Lagerfertigung des Fertigerzeugnisses oder allein durch eine Bevorratung der Vorprodukte zu erfüllen sind, erfordert also eine Vergleichsrechnung des Lageropportunitätsgewinns aller davon betroffenen Vorprodukte und Fertigerzeugnisse (s. Kapitel 10).
128
9 Logistische Sortimentseinteilung
9.3 Servicegrad und Serviceklassen Der Servicegrad ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Lieferauftrag vollständig und korrekt zum vereinbarten Termin ausgeführt wird. Der Servicegrad der Aufträge ergibt sich aus • der Lieferfähigkeit der Lagerartikel • der Liefertermintreue der Fertigung bzw. des Lieferanten für die Auftragsartikel • der Versandtermintreue des Versandlagers bis zur Rampe und der Distribution bis zum Kunden • der Sendungsqualität als Maß für die Vollständigkeit und Mängelfreiheit der versandten Liefermengen Der Servicegrad ist abhängig von der Auftragsstruktur. Für Einpositionsaufträge mit einem Lagerartikel ist der Servicegrad das Produkt der Lieferfähigkeit mit der Sendungsqualität und der Versandtermintreue. Der Servicegrad von Einpositionsaufträgen für einen Auftragsartikel ist das Produkt der Liefertermintreue mit der Versandtermintreue und der Sendungsqualität. Der Servicegrad für Mehrpositionsaufträge ist das Produkt der Lieferfähigkeiten der enthaltenen Lagerartikel mit der Liefertermintreue der Auftragsartikel, der Versandtermintreue und der Sendungsqualität. Die laufende Verfolgung der Lieferfähigkeit der Lagerartikel, der Liefertermintreue der Auftragsfertigung sowie der Sendungsqualität und der Versandtermintreue der Distribution ist Aufgabe des Logistikcontrolling. Die Messung dieser Zielwerte muß unmißverständlich geregelt sein (s. Abschnitt 13.5). Die Festlegung der Lieferzeiten und des Servicegrads für die Fertigerzeugnisse ist eine grundsätzliche geschäftspolitische Entscheidung von großer Tragweite [Soom 1980]. Für die Auftragsdisposition ist daher das für den Primärbedarf bestimmte Lieferprogramm aus der eigenen Produktion in Serviceklassen einzuteilen, für die den Abnehmern feste Lieferzeiten und ein bestimmter Servicegrad zugesichert werden. Ebenso sind die Artikel der fremd beschafften Handelsware nach Serviceklassen zu ordnen. Die Sortimentseinteilung in Serviceklassen ist abhängig von der Fertigung, den Beschaffungsquellen, der Marktposition und der Geschäftspolitik des einzelnen Unternehmens. Tabelle 9.1 zeigt eine solche Sortimentseinteilung für ein produzierendes Unternehmen. Die angegeben Zielwerte der Lieferzeiten, der Termintreue und der Lieferfähigkeit resultieren aus einer detaillierten Analyse
9.3 Servicegrad und Serviceklassen
129
Tab. 9.1 Sortimentseinteilung in Serviceklassen
der Fertigungsmöglichkeiten und einer konsequenten Standardisierung aller Prozesse. Sie sind für die einzelnen Unternehmen verschieden. Eine entsprechende Sortimentseinteilung in Serviceklassen ist auch für ein Handelsunternehmen durchzuführen. An die Stelle der Serviceklassen für die auftragsgefertigten Artikel treten bei der Handelsware die Serviceklassen der kundenspezifisch beschafften Artikel. Diese sind abhängig vom Servicegrad der unterschiedlichen Beschaffungsquellen, wie die Hersteller und die Großhändler im In- und Ausland.
130
9 Logistische Sortimentseinteilung
9.4 Rollierende Sortimentsanpassung Keine Sortimentseinteilung ist von Dauer, da sich der gesamte Markt und der Absatz der einzelnen Artikel permanent verändern. Ein leistungsfähiges Dispositionsprogramm muß daher eine rollierende Sortimentsanpassung unterstützen. Dafür sind folgende Funktionen erforderlich: • Für alle Auftragsartikel, die nicht als Sonderartikel oder Auslaufartikel gekennzeichnet sind, ist vom Dispositionsprogramm regelmäßig zu prüfen, ob sie nicht inzwischen die Kriterien eines Lagerartikels erfüllen. • Für alle Lagerartikel ist im Zuge der dynamischen Disposition zu prüfen, ob sie noch die Kriterien der Lagerhaltigkeit erfüllen oder besser zu einem Auftragsartikel umgestuft werden sollten. Die entsprechenden Änderungsvorschläge muß das Programm bei Bedarf anzeigen oder ausdrucken. In festen Zeitabständen von mindestens einem Monat, am besten nach jedem Quartal, aber mindestens einmal pro Jahr sollte die aktuelle Sortimentsklassifizierung mit den Standardlieferzeiten und zugesicherten Servicegraden an den Verkauf und ausgewählte Großkunden verteilt werden, damit diese sich darauf einstellen können. Außerdem sind die Standardprodukte in den Verzeichnissen des Lieferprogramms mit den für sie geltenden Servicekategorien zu kennzeichnen.
9.5 ABC- und XYZ-Klassifizierung Die vielfach empfohlene Auswahl des Dispositionsverfahrens in Abhängigkeit von einer ABC-, XYZ- oder RSU-Verteilung des gesamten Sortiments ist für die dynamische Disposition weder sinnvoll noch notwendig [Dittrich et al. 2000; Haupt 1979; Wöhe 2000; Soom 1980]. Ein gemeinsamer Nachteil all dieser Klassifizierungen ist, daß sie aus der Analyse für einen längeren zurückliegenden Zeitraum, meist für ein Geschäftsjahr, resultieren und daher aktuelle Verbrauchsänderungen der einzelnen Artikel nicht berücksichtigen. Die Klassisfizierung nach Gängigkeit oder Prognostizierbarkeit ist statisch, während sich fast jedes Sortiment im Verlauf eines Geschäftsjahrs laufend verändert. Weitere Nachteile resultieren aus der willkürlichen Abgrenzung der 3 Artikelklassen [Tempelmeier 1999]. Der aus einer ABC- oder Lorenzverteilung des Mengenabsatzes ablesbare relative Absatz eines Artikels im Verhältnis zum Absatz der anderen Ar-
9.5 ABC- und XYZ-Klassifizierung
131
tikel eines Sortiments ist für die Disposition irreführend, da der relative Absatz von der Sortimentsbreite und vom Absatz der anderen Artikel abhängt. Der Absatzverlauf und die Prognostizierbarkeit des einzelnen Artikels aber sind davon weitgehend unabhängig. Noch weniger geeignet für die Auswahl des Dispositionsverfahrens ist die Umsatzverteilung. Diese hängt außer vom Absatz von den Preisen der einzelnen Artikel des Sortiments ab. Bei unterschiedlichen Preisen ergibt sich eine Umsatzverteilung, die von der Absatzverteilung erheblich abweicht. Das zeigt der Vergleich Abb. 9.1 der Absatzverteilung und der Umsatzverteilung eines Sortiments. In diesem Beispiel haben die absatzstärksten Artikel einen so geringen Preis, daß sie trotz der großen Absatzmenge die umsatzschwächsten Artikel sind. Die absatzschwächsten Artikel sind dagegen wegen ihres hohen Stückpreises die umsatzstärksten Artikel. Das aber ist für die Artikeldisposition ohne Bedeutung. Statt der Verteilung
100% 90% Absatzverteilung Anteil vom Absatz bzw. Umsatz
80% Umsatzverteilung
70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Anteil der Artikel Abb. 9.1 Absatzverteilung und Umsatzverteilung eines Artikelsortiments
90% 100%
132
9 Logistische Sortimentseinteilung
von Absatz oder Umsatz des Sortiments ist vielmehr der lageropportune Absatz (8.17) des einzelnen Artikels für die Artikeldisposition maßgebend. Auch das Aufwandsargument, nach dem sich die Einzeldisposition eines geringwertigen Artikels nicht lohnt, ist heute nicht mehr haltbar, da ohnehin alle Artikelbewegungen und Beschaffungsaufträge im Rechner erfaßt werden und die Disposition automatisch vom Programm ausgeführt wird. Daraus folgt: 䉴 Die ABC-Klassifizierung von Absatz oder Umsatz eines Sortiments ist
für die dynamische Disposition unnötig. Sie kann jedoch für die Planung, den Einkauf, die Konstruktion, die Erstbeschaffung und für Kostenanalysen von Nutzen sein, wenn dabei die Grenzen dieses Analyseverfahrens beachtet werden [Gudehus 1999; Haupt 1979]. Auch bei der Implementierung eines neuen Dispositionsprogramms ist es sinnvoll, die Anfangseinstellung der statischen und dynamischen Dispositionsparameter in der Reihenfolge der wertmäßigen Gängigkeit der Artikel durchzuführen. Die XYZ-Einteilung des Sortiments nach dem Nullperiodenanteil oder nach der Streuung des Absatzverlaufs ist für die dynamische Disposition ebenso wenig brauchbar, da sie von der Länge der Absatzperioden und von der Grenzziehung zwischen den X-, Y- und Z- Artikeln abhängt. Außerdem besteht zwischen der XYZ-Absatzverteilung und der ABC-Absatzverteilung eine enge Korrellation [Gudehus 1999/2005]. Das gleiche gilt auch für die RSU-Einteilung des Sortiments in R-Teile mit konstantem Verbrauch, S-Teile mit saisonalem oder trendartigem Verbrauch und U-Teile mit völlig unregelmäßigem Verbrauch. An die Stelle der XYZ-Einteilung treten bei der dynamischen Disposition die Kriterien der Prognostizierbarkeit (s. Abschnitt 4.5). Eine RSU-Analyse erübrigt sich bei einer dynamischen Bedarfsprognose. Das Dispositionsverfahren ist in weiten Grenzen unabhängig vom Nullperiodenanteil, von der Streuung und vom systematischen Zeitverlauf des Bedarfs.
10 Permanente Auftragsdisposition
Die zentrale Auftragsdisposition eines Unternehmens – auch Auftragsmanagement oder Order Management genannt – hat die Aufgabe, die kaufmännisch geprüften und im Rechner erfaßten externen Aufträge nach Prioritäten zu ordnen, nach geeigneten Dispositionsregeln in interne Aufträge aufzulösen und diese an die betreffenden Betriebe, Produktionsbereiche, Lieferstellen und Fertigwarenlager zur Ausführung weiterzuleiten. Weitere Aufgaben der zentralen Auftragsdisposition können die Fertigungsdisposition, die Beschaffungsdisposition und die Versanddisposition sein, soweit diese nicht in den dezentralen Bereichen ausgeführt werden. In einem Unternehmen mit eigener Produktion ist die Abstimmung der Strategien der zentralen Auftragsdisposition mit den Strategien der dezentralen Fertigungsdisposition entscheidend für den Erfolg der dynamischen Disposition. Eine Grundvoraussetzung ist, daß die Länge der Dispositionsperioden und die Betriebszeiten der Produktions- und Leistungsbereiche, die an einer Leistungs- und Lieferkette beteiligt sind, aufeinander abgestimmt sind. Außerdem müssen mit der Produktion und mit den externen Lieferstellen die Art und die Strategien der Auftragsausführung abgestimmt werden. Aus der Abstimmung der Lieferanforderungen mit den Produktions- und Beschaffungsmöglichkeiten resultieren die unterschiedlichen Beschaffungsstrategien. Nach der Beschaffungs- oder Fertigungsdisposition wird von der Versanddisposition der Versandort festgelegt und bei Lieferungen frei Haus die kostengünstigste Versandart für die Beförderung der Fertigerzeugnisse zum Empfänger ausgewählt.
10.1 Auftragslieferung oder Lagerlieferung Für einen reinen Auftragsartikel, der grundsätzlich nicht auf Lager produziert oder beschafft wird, gibt es nur die Möglichkeit der Auftragsfertigung
134
10 Permanente Auftragsdisposition
bzw. der Auftragsbeschaffung. Das gilt speziell für immaterielle Produkte, also für Leistungen, die nicht lagerbar sind. Für einen Lagerartikel besteht, wenn nicht grundsätzlich festgelegt ist, daß der Artikel nur ab Lager ausgeliefert wird, die Möglichkeit, diesen ab Lager auszuliefern oder nach Auftrag zu fertigen bzw. zu beschaffen. Für den Fall, daß für einen Lagerartikel beide Möglichkeiten zugelassen sind, ergeben sich aus der Kostenanalyse in Kapitel 8 und der Sortimentseinteilung in Kapitel 9 die 䉴 Zuweisungsregeln für Auftragslieferung und Lagerlieferung
Kleinaufträge mit Liefermengen, die kleiner sind als die halbe optimale Nachschubmenge werden grundsätzlich ab Lager ausgeliefert. Großaufträge mit Liefermengen, die größer sind als die halbe optimale Nachschubmenge werden nach Auftrag gefertigt bzw. beschafft, wenn die geforderte Lieferzeit länger ist als die Standardlieferzeit. Großaufträge mit einer geforderten Lieferzeit, die kürzer ist als die Standardlieferzeit, werden aufgeteilt in einen sofort zu bedienenden Lagerlieferanteil in Höhe der halben optimalen Nachschubmenge und einen verbleibenden Auftragslieferanteil, der erst nach der Standardlieferzeit geliefert wird. Aus dieser Festlegung resultiert über längere Zeit selbstregelnd eine kostenoptimale Aufteilung der Aufträge auf die Lagerlieferung und die Auftragslieferung. Wenn der Standardliefertermin der Auftragsfertigung oder Auftragsbeschaffung für den internen oder externen Kunden akzeptabel ist und die zur Fertigung benötigten Teile und Vorprodukte verfügbar sind, wird vom Rechner direkt bei der Produktions- oder Lieferstelle ein Beschaffungsauftrag ausgelöst. Wird der Standardliefertermin vom Kunden nicht akzeptiert, wird der Auftrag einem Disponenten angezeigt. Er versucht dann in Abstimmung mit der Produktion bzw. dem Lieferanten einen kürzeren Liefertermin zu realisieren. In Engpaßsituationen ist dabei die Eilauftragsbegrenzung zu beachten: 䉴 Die Zahl der Eilaufträge darf 5% der Beschaffungsaufträge nicht über-
schreiten. Wird in einer Engpaßphase die 5%-Grenze überschritten, gefährden die Eilaufträge die zuverlässige und rationelle Ausführung der Normalaufträge.
10.2 Erzeugnisarten und Produktionstypen
135
10.2 Erzeugnisarten und Produktionstypen In einer Produktionsstelle werden Einsatzstoffe und Halbfertigwaren, wie Rohstoffe, Vorprodukte, Teile, Komponenten und Module, von Arbeitskräften, Maschinen und Anlagen in ein Produkt oder auch in mehrere unterschiedliche Erzeugnisse umgewandelt oder zusammengefügt und am Ende in Leergut, Verpackungen oder Ladungsträger „abgefüllt“. In einer Produktionsstelle können aber auch an einem bereitgestellten Erzeugnis oder mit einem Auftragsgegenstand bestimmte Leistungen erbracht werden. Eine Produktionsstelle, die materielle Erzeugnisse, also Sachgüter oder Waren, herstellt, ist eine Fertigungsstelle. Der Einsatz der verfügbaren Fertigungsstellen zur Ausführung aktueller Aufträge ist Aufgabe der Fertigungsdisposition. Produktionsstellen für immaterielle Erzeugnisse, die beispielsweise eine Reparatur ausführen oder einen Transport durchführen, erbringen eine Leistung und werden als Leistungsstellen bezeichnet. Sie sind Gegenstand der Leistungsdisposition, die zum Beispiel eine Transportdisposition oder die Disposition eines Logistiknetzwerks sein kann [Dangelmaier et al. 2002]. Die Unterscheidung zwischen Güterproduktion und Leistungsproduktion ist in vielen Fällen nur eine Frage des Eigentums am Auftragsgegenstand, an dem eine Veränderung vorgenommen oder mit dem eine Leistung erbracht wird [Gudehus 2005]. Der Oberbegriff Produktion und der Unterbegriff Fertigung werden daher in der Praxis häufig gleichbedeutend verwendet. Entsprechend sind die meisten Fertigungsstrategien auch für die Leistungsdisposition geeignet und umgekehrt. Abhängig vom Prozeßablauf ist für die Disposition zu unterscheiden zwischen den Produktionstypen der stetigen Produktion und der unstetigen Produktion [Arnold et al. 2002; Kern et al. 1979]: • Die Stetigproduktion oder Verfahrensproduktion erzeugt in einem ununterbrochenen Prozeß ein kontinuierliches Produkt, das nicht in der gleichen Produktionsstelle abgefüllt oder abgepackt wird. Die Ausstoßmenge kann Gas, Flüssigkeit, Schüttgut, ein Materialstrang oder eine Stoffbahn sein. Sie wird gemessen in Gewichtseinheiten [kg, t], Volumeneinheiten [m3, l], Flächeneinheiten [m2] oder Längeneinheiten [m, km]. • Die Unstetigproduktion oder Taktfertigung produziert in einem getakteten Prozeß diskrete Erzeugnisse, die einzeln oder in einer bestimmten Losgröße hergestellt werden. Die diskreten Erzeugnisse sind einzelne Werkstücke oder Warenstücke [WSt], in Verpackungseinheiten [VPE]
136
10 Permanente Auftragsdisposition
oder Ladeeinheiten [LE] abgefüllte Produkte, fertige Werke, abgeschlossenene Projekte oder Auftragsgegenstände, an denen eine Veränderung vorgenommen oder mit denen eine Leistung erbracht wurde. Der kontinuierliche Ausstoß einer Stetigproduktion wird in der Regel in einem Materialpuffer zwischengespeichert, aus dem nachfolgende Weiterverarbeitungsstellen oder Abfüllstationen bedarfsabhängig versorgt werden. Eine Prozeßfertigung ist daher in der Regel zwei- oder mehrstufig und durch Zwischenpuffer entkoppelt. Sie ist charakteristisch für die Chemieindustrie, die Phamaindustrie, die Textilindustrie, die Papierindustrie, die Getränkeindustrie, die Lebensmittelindustrie und die Zigarettenindustrie.
10.3 Erzeugnisbedarf und Materialbedarf Die Erzeugnisse Er , r = 1,2..., einer Produktionsstelle sind die Realisierung oder Materialisierung der Fertigungsaufträge [FAuf]. Diese enthalten als Information, also in immaterieller Form, die Art und Beschaffenheit der Erzeugnis- oder Artikeleinheiten VEr , die Auftragsmengen mr [VEr /FAuf] und den Fertigstellungszeitpunkt der angeforderten Erzeugnisse. Die Fertigungsaufträge einer Produktionsstelle sind die Summe der Beschaffungsaufträge aller Bedarfsstellen, die von dieser versorgt werden. Die Bestellperioden und Bestellmengen der einzelnen Bedarfsstellen ergeben sich aus deren Auftragseingang, aus der Beschaffungsstrategie –Lagerlieferung oder Auftragslieferung – und aus der Nachschub- bzw. der Auftragsbündelung. Die Aufträge der dezentralen Bedarfsstellen oder einer zentralen Auftragsdisposition sind für die Fertigungsdisposition verbindlich. Daher gilt der Grundsatz: 䉴 Die von den Bedarfsstellen in einer Periode t eingehenden Aufträge
muß die Fertigung in den Standardlieferzeiten (SLZ) ausführen, die zuvor vereinbart wurden. Im Rahmen der Einhaltung der Lieferzeiten verbleiben für die Fertigungsdisposition die Handlungsspielräume: • Festlegung der Ausführungsreihenfolge • Vorziehen von Aufträgen • Bündeln von Aufträgen Diese Handlungsspielräume lassen sich nutzen zur Optimierung des Leistungsvermögens und der Kosten der Produktion, soweit nicht die vereinbarten Lieferzeiten verlängert werden.
10.3 Erzeugnisbedarf und Materialbedarf
137
Aus einem Auftragseingang λA(t) [FAuf/PE] der Produktionsstelle in der Periode t für das Erzeugnis Er mit der mittleren Auftragsmenge mr(t) [VEr /Auf] und einer Standardlieferzeit von nSLZ Perioden resultiert der Erzeugnisbedarf für die zukünftige Periode t + nSLZ: λr (t + nSLZ) = mr(t) · λA(t)
[VEr/PE].
(10.1)
Die zur Produktion eines Erzeugnisses Er benötigten Einsatzmaterialien Ms = 1,2... sind für eine Stetigproduktion in einer Rezeptur und für eine Unstetigproduktion in einer Stückliste spezifiziert. Die Rezeptur bzw. die Stückliste gibt die Beschaffenheit, die Verbrauchs- oder Artikeleinheiten VEs und die Einsatzmengen msr [VEs/VEr] der verschiedenen Einsatzstoffe und Teile vor. Ebenso wie für die Endprodukte gibt es auch für die Vorerzeugnisse Stücklisten, wenn sich diese aus mehreren Einsatzstoffen zusammensetzen. Die Auflösung der Stückliste eines Endprodukts in die Stücklisten der Vorerzeugnisse führt zu einer Hierarchie von Erzeugnisstücklisten [Kern et al. 1979]. Aus den Erzeugnisstücklisten ergibt sich für jedes Einsatzmaterial die Materialverwendungsliste, aus der hervorgeht, für welche Vor- und Endprodukte es benötigt wird. Die Materialverwendungsliste enthält auch die Materialdurchlaufzeiten MDZmr von der Stelle, in der das Einsatzmaterial Ms in ein Erzeugnis Er einfließt, bis zum Produktionsausgang des betreffenden Erzeugnisses. Aus dem Erzeugnisbedarf (10.1), der Erzeugnisstückliste mmr und der Materialdurchlaufzeit nMDZ in Perioden ergibt sich der Materialbedarf für den Einsatzstoff Ms in der Periode t + nSLZ – nMDZ: l s (t + nSLZ – nMDZ ) = msr ◊ l r (t – nMDZ ) =
 r
Âmsr ◊mr (t )◊ l A (t ) r
[VEm/PE]. (10.2) Die Summe (10.2) erstreckt sich über alle Erzeugnisse E r der Materialverwendungsliste, die besagt, daß das Material, das für den gesamten Erzeugnisbedarf einer Periode benötigt wird, bereits in einer um die Materialdurchlaufzeit früheren Periode verfügbar sein muß. Der Einsatzstoff einer Stetigproduktion mit dem größten Mengenanteil am Erzeugnis ist der Leiteinsatzstoff. So ist der Leiteinsatzstoff einer Webmaschine das Kettgarn, eine Papiermaschine die Pulpe und einer Rollendruckmaschine der Bedruckstoff. Das Einsatzteil einer Unstetigproduktion mit dem größten Volumen ist das Leitteil oder Werkstück. Nach der Zuordnung zu einem konkreten Fertigungsauftrag wird das Leitteil zum Auftragsgegenstand. Beispiele für Leitteile sind das Chassis bei der Fahrzeugmontage, der Grundrahmen bei einer Fertigungslinie für Geräte oder der Leerbehälter bei einer Abfüllanlage.
138
10 Permanente Auftragsdisposition
10.4 Leistungskennzahlen der Produktionsstellen Maßgebend für die Fertigungsdisposition sind folgende Leistungskennzahlen einer Produktionsstelle: • Grenzleistungen: Die partielle Grenzleistung µr [VEr/PE] für ein Erzeugnis Er mit der Artikeleinheit VEr ist die maximal mögliche Produktionsleistung bei ununterbrochener Produktion des Erzeugnisses von der betreffenden Produktionsstelle. • Erstrüstzeiten: Die Erstrüstzeit TERZr wird vor dem Start des ersten Fertigungsauftrags für das Erzeugnis Er zur Vorbereitung der Produktionsstelle benötigt. • Umrüstzeiten: Die Umrüstzeit TURZrs ist für das Umrüsten der Produktionsstelle vom Erzeugnis Er zu einem anderen Erzeugnis Es erforderlich. Wenn eine Produktionsstelle stets nach Erzeugung einer Menge mR gereinigt, inspiziert oder gewartet werden muß, kann die dafür anfallende Unterbrechungszeit in der Rüstzeitmatrix TURZrs als Eigenumrüstzeit TURZrr berücksichtigt werden. Bei einer Produktionsleistung λr führt die Eigenumrüstzeit jeweils nach der Reinigungslaufzeit TR = mR/λr mit der Reinigungsfrequenz νRr = λr/mR zu einer unproduktiven Unterbrechung der Dauer TURZrr . Das Produkt der Rüstzeiten mit dem Kostensatz der Produktionsstelle plus den Kosten des Anlaufmaterialverlustes (Makulatur) ergibt die Rüstkosten, deren Höhe für die Optimierung der dispositionsabhängigen Logistikkosten entscheidend ist (s. Kapitel 8). Die Grenzleistung einer Taktfertigung resultiert aus der Taktzeit τr [PE/VE], in der die diskreten Erzeugniseinheiten die Station verlassen: µr = 1/τr
[VEr/PE]
(10.3)
Wenn in einer Periode λr(t) Verbrauchseinheiten VEr der Erzeugnisse Er benötigt werden und mit den Wechselfrequenzen νrs(t) [1/PE] Produktwechsel stattfinden, ist die 䉴 Gesamtauslastung der Produktions- oder Leistungsstelle
r(t ) =
 l r (t ) / mr +Ânrs (t ) ◊ TPWZrs . r
r,s
(10.4)
Die Gesamtauslastung ist also die Summe der partiellen Auslastungen ρr(t) = λr(t)/µr und der Umschaltauslastung, die mit den Wechselfrequenzen aus den Produktwechselzeiten (PWZ) resultiert.
10.4 Leistungskennzahlen der Produktionsstellen
139
Die Produktions- oder Leistungsstelle eines Produktionsbereichs mit der höchsten Auslastung ist eine potentielle Engpaßstelle. Wenn der Auftragszulauf und die Abfertigungszeiten stochastisch schwanken, bildet sich vor einer Produktionsstelle eine Auftragswarteschlange, die mit zunehmender Auslastung länger wird und zu ansteigenden Auftragswartezeiten führt. Bei Erreichen oder Überschreiten der 100%-Grenze steigen die Warteschlange und die Wartezeiten immer weiter an, solange die Auslastung nicht wieder deutlich unter 100% absinkt. Für die Dauer der Überlastung ist die betreffende Produktionsstelle eine aktuelle Engpaßstelle. Aus den Leistungskennzahlen und den Wartezeiten ergibt sich die 䉴 Auftragsdurchlaufzeit der Produktionsstelle
TADZ = TWZ + TRZ + TPZ + TVZ
[PE/FAuf].
(10.5)
Sie ist die Summe von • Auftragswartezeit TWZ, die von der Auslastung (10.4) und von der Produktionsstrategie abhängt, • Rüstzeit TRZ, die – abhängig vom Betriebszustand – gleich der Erstrüstzeit oder gleich der Umrüstzeit ist, • Produktionszeit TPZ = m/µ, die sich aus dem Quotienten von Auftragsmenge m und Grenzleistung µ errechnen läßt, • Verfahrenszeit TVZ, die eine Trockenzeit, Reifezeit oder Aushärtungszeit sein kann oder 0 ist. In der Verfahrensproduktion wie auch bei hoher Auslastung kann die Produktionszeit eines Fertigungsauftrags für ein Produkt mehrere Tage, Wochen oder Monate lang sein (s. Kapitel 13). Eine kontinuierliche Prozeßfertigung muß nicht täglich disponiert werden. Sie wird vor Beginn der Produktion einmal geplant und laufend gesteuert und kontrolliert. Gegenstand der Disposition sind in einer Prozeßfertigung nur das kurzfristige Zuteilen, Zuschneiden oder Abfüllen der Prozeßerzeugnisse, die aus einem Zwischenpuffer entnommen werden, um die aktuellen Kundenaufträge oder die Nachschubaufträge eines Fertigwarenlagers auszuführen. Auch bei einer Projektfertigung kann die Auftragsdurchlaufzeit mehrere Wochen oder Monate lang sein. Eine Projektfertigung ist charakteristisch für den Anlagenbau, den Schiffbau, den Flugzeugbau und die Bauindustrie. Die Verfahren der Projektplanung und der Projektkontrolle sind jedoch nicht Gegenstand dieses Buches. Bei der Chargenproduktion wird eine bestimmte Menge eines Produkts oder gleichartiger Objekte gemeinsam in einer Produktionsstelle erzeugt, bearbeitet und geschlossen fertiggestellt. Die Chargengröße wird bestimmt durch das Fassungsvermögen der Produktionsstelle, z.B. eines
140
10 Permanente Auftragsdisposition
Schmelzofens, eines Brennofens oder einer Galvanisationsanlage, oder durch die Kapazität der Ladeeinheiten, in denen ein Auftrag die Produktionsstelle durchläuft. So sind auch die schubweise Abfertigung in der Fördertechnik oder Ladungstransporte im Prinzip Chargenproduktionen [Gudehus 1999].
10.5 Aufbauorganisation der Produktion Die meisten Produktionsbetriebe arbeiten mehrstufig [Arnold et al. 2002; Kern et al. 1979]. In einer mehrstufigen Produktion sind die Fertigungsbereiche und die Produktionsstellen, wie für ein Beispiel in Abb. 10.1 gezeigt, auf unterschiedliche Weise miteinander verbunden. In einer Werkstattfertigung sind die einzelnen Produktionsstellen durch Auftrags- oder Warenpuffer voneinander entkoppelt. Mehrere Produktionsstellen führen nach dem Verrichtungsprinzip am Auftragsgegenstand in sich abgeschlossenen Arbeitsgänge durch oder erzeugen parallel die angeforderten Teile. In einer Fließfertigung ist eine Anzahl von Produktionsstellen ohne Zwischenlager in Reihe geschaltet. Sie führen nacheinander nach dem Prozeßfolgeprinzip am Auftragsgegenstand oder Leiteinsatzstoff einzelne Arbeitsschritte aus und verbrauchen Einsatzmaterial, das aus anderen Produktionsstellen über Zwischenpuffer zugeführt wird (s. die unterste Fertigungskette in Abb. 10.2). Im Grenzfall lÆm wird die Fließfertigung zur kontinuierlichen Fertigung, die für eine längere Zeit ohne Unterbrechung arbeitet (s. Kapitel 13). In einer Netzwerkfertigung ist eine Hauptleistungskette, in der schrittweise der Auftragsgegenstand erzeugt wird, ohne Zwischenpuffer direkt vernetzt mit einer oder mehreren Zulieferketten, in denen Module, Baugruppen oder größere Teile nach dem Fließprinzip gefertigt werden (s. z.B. Abb. 2.1). Die Werkstattfertigung ist besonders geeignet für Einzelaufträge und Kleinserien. Die Fließfertigung ist wirtschaftlicher bei Großserien und besser geeignet für die Massenproduktion. Durch eine Verkürzung der Umrüstzeiten, eine Standardisierung der Komponenten und ein konsequentes Variantenmanagement der Erzeugnisse aber lassen sich auch in der Fließfertigung unterschiedliche Artikel in kleinen Losgrößen wirtschaftlich produzieren. Andererseits können auch in einer Werkstattfertigung, deren Fertigungsbereiche durch Zwischenpuffer oder Lager entkoppelt sind, bei optimaler Bestands- und Nachschubdisposition rationell Großserien gefertigt werden. Die übliche Gleichsetzung von Kleinserienfertigung mit Werkstattfertigung und Großserienfertigung mit Fließfertigung ist daher falsch.
10.5 Aufbauorganisation der Produktion
141
Wareneingangspuffer Vorfertigung
Vorfertigung Schneiden, Längen Lasern, Stanzen Biegen
Vorfertigung Kleinteile
Vorfertigung Großteile
VF-K
VF-L
Ausgangspuffer
Ausgangspuffer Zulauf Kaufteile
Eingangspuffer Weiterbearbeitung Schweißen, Schleifen Bohren, Lochen Kröpfen, Beschneiden
Weiterbearbeitung
Zwischenlager I
WB
ZL I
Ausgangspuffer
Eingangspuffer Oberflächenbearbeitung Verzinken Chromatieren Pulverbeschichten
Eingangspuffer
Oberflächenbearb. 1
Oberflächenbearb. 2
OB 1
OB 2
Ausgangspuffer
Ausgangspuffer
Zulauf
Zwischenlager 2 ZL 2
Endmontage Nieten, Schrauben Einziehen, Montieren Fetten, Funktionsprüfung Packen, Etikettieren
Kaufteile
Eingangspuffer
Eingangspuffer
Endmontage Manuell
Endmontage Automatisch
EM-M
EM-A
Versandlager Fertigwaren VL F
Abb. 10.1 Fertigungsstruktur in einem Betrieb der Beschlagindustrie Engpaßstationen: Oberflächenbearbeitung
142
10 Permanente Auftragsdisposition
WE
VF K
ZL 1
WE
VF K
ZL 1
WB
OB 1
ZL 2
EM A
VL F
OB 1
ZL 2
EM A
VL F
EM A
VL F
EM A
VL F
EM A
VL F
Standardfertigungskette WE
VF K
ZL 1
WE
VF K
OB 1
WE
VF K
OB 1
OB 1
ZL 2
Abb. 10.2 Innerbetriebliche Fertigungsketten für Kleinteile Fertigungsstruktur und Bezeichnungen s. Abb. 10.1 Engpaßstellen: Oberflächenbearbeitung
In der Praxis finden sich meistens Mischformen der Werkstattfertigung, der Fließfertigung und der Netzwerkfertigung. Eine ausgedehnte Netzwerkfertigung wurde in einigen Industriezweigen, wie der Automobilindustrie und im Computerbau, mit der Just-In-Time-Bereitstellung des Einsatzmaterials und der Zulaufteile angestrebt. Sie hat sich aber in reiner Form nicht durchsetzen können, da sie nur selten kostenoptimal und meist sehr störanfällig ist. Die Probleme und Kosten werden bei den meisten Just-In-Time-Lösungen nur auf die Lieferanten verlagert, ohne daß in der Summe etwas gewonnen ist.
10.6 Fertigungsplanung und Fertigungsdisposition In vielen Unternehmen ist die Fertigungsdisposition nicht klar von der Fertigungsplanung, der Fertigungssteuerung und der Auftragsvorbereitung getrennt. Die Aufgaben und Handlungsspielräume der Disposition, die für die kurzfristige Ausführung der aktuellen Fertigungsaufträge verantwort-
10.6 Fertigungsplanung und Fertigungsdisposition
143
lich ist, unterscheiden sich jedoch grundsätzlich von den Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten der Planung (s. Abschnitt 1.1). Die Fertigungsplanung hat die Aufgabe, für die rechtzeitige Bereitstellung der mittel- und langfristig benötigten Ressourcen vorzusorgen. Sie muß auch die organisatorischen Voraussetzungen für eine effiziente Fertigungsdisposition schaffen. Die Fertigungsdisposition hat die Aufgabe, die aktuellen Aufträge den verfügbaren Ressourcen so zuzuweisen, daß sie zu minimalen Kosten in der zugesicherten Lieferzeit mit der vereinbarten Termintreue ausgeführt werden. Als Voraussetzung für eine effiziente Disposition muß die Fertigungsplanung eine geeignete Aufbau- und Ablauforganisation schaffen. Das geschieht in folgenden Planungsschritten: 1. Erfassung der Produktionsstruktur Abgrenzung und Darstellung der parallelen und aufeinander folgenden Fertigungsbereiche mit ihren Produktionsstellen, Fertigungslinien und Fertigungsnetzen, die durch ausreichend bemessene Puffer- oder Lagerstellen entkoppelt sind (s. z.B. Abb. 2.1 und Abb. 10.1). 2. Erfassung der Fertigungsketten Erfassung und Darstellung der zulässigen Fertigungsketten mit allen Produktionsstellen, Lagerstationen und Leistungsstellen, die zwischen Eingang und Ausgang der Produktion nacheinander an der Erzeugung des Produktionsprogramms beteiligt sind. Auswahl und Kennzeichnung der kostenoptimalen Standardfertigungsketten der unterschiedlichen Produktgruppen und Produktfamilien (s. Abb. 10.2). 3. Einteilung aller Erzeugnisse in Kanban-, Lager- und Auftragsteile Kanbanteile sind geringwertige Massenprodukte mit anhaltendem Bedarf, deren Verbrauch nicht einzeln erfaßt werden muß, und die nach dem selbstregelnden Zweibehälter-Kanban-Prinzip ohne DVUnterstützung über Ein- und Auslaufpuffer direkt von Fertigungsbereich zu Fertigungsbereich laufen können [Geiger et al. 2000] (s. Abschnitt 6.3). Lagerteile sind Standardartikel mit einem regelmäßigen prognostizierbaren Bedarfsverlauf und positivem Lageropportunitätsgewinn, die nach den Strategien der dynamischen Lagerdisposition anonym auf Lager gefertigt werden können (s. Abschnitt 8.6 und Kapitel 11). Auftragsteile sind alle übrigen Artikel und Vorprodukte. Diese werden auftragsbezogen gefertigt. 4. Planbelegung zur Engpaßermittlung Durch eine Planbelegung der Standardfertigungsketten mit dem Materialbedarfsströmen, die über die Stücklistenauflösung (10.2) aus dem
144
10 Permanente Auftragsdisposition
geplanten Auftragseingang resultieren, werden die Engpaßbereiche bestimmt, die bei maximalem Auftragseingang am höchsten ausgelastet sind. 5. Abstimmung von Betriebszeiten und Dispositionszeiten Abstimmung der Betriebs- und Arbeitszeiten in den aufeinander folgenden Fertigungsbereichen untereinander und Abstimmung der Länge der Dispositionsperioden und der Dispositionszeitpunkte der zentralen Auftragsdisposition und der Fertigungsdisposition. Bei gleicher Termintreue müssen die Perioden der Auftragsdisposition und der Fertigungsdisposition gleich lang sein. So ist die Periodenlänge für eine tagesgenaue Termineinhaltung in beiden Dispositionsbereichen 1 Arbeitstag (s. Abschnitt 5.4). Damit sind die Aufbauorganisation und die Ablauforganisation der Fertigung abgeschlossen. Der resultierende Fertigungsablauf wird für einzelne Produkte, Produktgruppen oder Standardartikel in Arbeitsplänen dokumentiert. Diese legen die Abfolge der Produktions- und Leistungsstellen fest, geben die einzelnen Arbeitsvorgänge und deren Zeitbedarf vor und weisen den Material- und Teilebedarf pro Erzeugniseinheit aus. Aus dem Fertigungsablauf, dem Zeitbedarf für die einzelnen Bearbeitungsschritte und den mittleren Transport- und Pufferzeiten, die bei maximaler Planbelastung zwischen den Fertigungsbereichen zu erwarten sind, wird für jeden Arbeitsplan eine Standardlieferzeit SLZ ermittelt. Diese kann mit einer Termintreue eingehalten werden, die von der aktuellen Auslastung der Engpaßstelle der Fertigung sowie von der Größe und der Streuung der Auftragsgrößen abhängt (s. Abschnitt 12.1 u. 12.2). Wenn für einen Arbeitsgang mehrere Fertigungsstellen zulässig sind, werden diese im Arbeitsplan als Optionen ausgewiesen. Die Start- und Endtermine sind im Arbeitsplan nicht festgelegt. Die Terminfestlegung und die Auswahl der Fertigungsstelle sind Aufgaben der Fertigungsdisposition. Nur bei einer Prozeßfertigung und einer Projektfertigung werden von der Fertigungsplanung auch die beteiligten Fertigungsstellen verbindlich festgelegt und die Anfangs-, Zwischen- und Endtermine geplant. Die Fertigungsdisposition belegt die einzelnen, miteinander verketteten oder vernetzten Fertigungsstellen eines Fertigungsbereichs nach geeigneten Fertigungsstrategien so mit den eingehenden Aufträgen, daß die angeforderten Mengen bis zu den vorgegebenen Ablieferzeiten zu minimalen Kosten erzeugt werden. Durch die Wahl der Fertigungsstrategie bestimmt die Disposition die Auslastung (10.4) und die Auftragsdurchlaufzeit (10.5) der einzelnen Fertigungsstellen.
10.7 Reihenfolge-, Abfertigungs- und Zuordnungsstrategien
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10.7 Reihenfolge-, Abfertigungs- und Zuordnungsstrategien Mit zunehmender Verkettung und Vernetzung vergrößert sich der Handlungsspielraum der Fertigungsdisposition. Im einfachsten Fall einer einzigen Fertigungsstelle ist nur die Reihenfolge offen, in der die zum Dispositionszeitpunkt vorliegenden Aufträge nacheinander ausgeführt werden. Diese kann nach folgenden Reihenfolgestrategien für Einzelstationen festgelegt werden [Arnold et al. 2002; Gudehus 1999; Kern 1979 et al.]: • Sofortausführung: Der Auftrag wird sofort gestartet und gegebenenfalls vorzeitig fertiggestellt (s. Abb. 5.1 oben). • Terminausführung (Just-In-Time): Der Auftrag wird gestartet, wenn die Zeit bis zum Liefertemin gleich der Plandurchlaufzeit ist (s. Abb. 5.1 unten). • First Come First Served (FCFS): Der zuerst eingehende Auftrag wird auch zuerst gestartet. • First Out First Served (FOFS): Der Auftrag mit dem frühesten Liefertermin wird zuerst gestartet. • Dringlichkeitsfolge: Die Aufträge werden nach den geforderten Lieferterminen in Dringlichkeitsklassen eingeteilt, die in der Terminfolge ausgeführt werden. Die höchste Dringlichkeitsklasse sind die Eilaufträge, die stets vor allen anderen Aufträgen ausgeführt werden müssen. • Leistungszeitfolge: Die Aufträge werden nach aufsteigendem oder nach absteigendem Leistungszeitbedarf geordnet und in dieser Reihenfolge ausgeführt. • Rüstzeitfolge: Die Aufträge werden nach aufsteigendem oder nach absteigendem Rüstzeitbedarf ausgeführt. • Rüstzeitminimierung: Die Aufträge werden so geordnet und nacheinander ausgeführt, daß die Summe der Umrüstzeiten minimal ist. Beispielsweise werden in einem Abfüllbetrieb, in einer Druckerei und in einer Färberei die Aufträge in Hell-Dunkel-Folge ausgeführt. Dabei folgen dunklere Farben auf hellere Farben, um die Reinigungszeiten und den Makulaturanfall zu minimieren. • Wertfolge: Die Aufträge werden nach aufsteigendem oder absteigendem Auftragswert ausgeführt. • Mengenfolge: Die Aufträge werden nach aufsteigender oder absteigender Auftragsmenge ausgeführt. Bei einer Fließfertigung durch verkettete Fertigungsstellen ist zusätzlich zur Reihenfolge die zeitliche Abfolge der Auftragsdurchführung zu ent-
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10 Permanente Auftragsdisposition
scheiden (s. Abb. 2.3 unten). Das ist nach folgenden Abfertigungsstrategien für Stationsketten möglich [Arnold et al.; Gudehus 1999]: • Pushprinzip mit Einzel- oder Pulkdurchlauf (s. Abb. 12.2 mitte): Die Aufträge werden in der Eingangsfolge zusammen mit dem Auftragsgegenstand einzeln oder als Pulk, Charge oder Serie an die erste Station zur Bearbeitung gegeben. Diese gibt den Einzelauftrag oder den Auftragspulk mit dem Auftragsgegenstand nach der Bearbeitung sofort an die nächste Station ab und so fort bis die letzte Station erreicht ist. • Pullprinzip mit Einzel- oder Pulkabruf (s. Abb. 12.2 unten): Die Aufträge werden in der Eingangsfolge einzeln oder als Pulk an die letzte Station der Leistungskette gegeben, die von den vorangehenden Stellen die Leitteile und den Materialbedarf anfordert und nach deren Eintreffen daraus den Auftrag bzw. die Aufträge fertigstellt. Die voranliegenden Stellen bis zurück zur Eingangsstelle verfahren ebenso. • Engpaßdisposition mit Pull- und Pushprinzip (s. Abb. 12.2 oben): Nach geeigneten Reihenfolgestrategien wird zunächst die Engpaßstelle der Kette mit Aufträgen belegt. Die voranliegenden Stellen arbeiten nach dem Pullprinzip, die nachfolgenden nach dem Pushprinzip. • Gesteuerter Gesamtdurchlauf: Die einzelnen oder zu Pulks zusammengefaßten Aufträge werden nach einer bestimmten Gesamtstrategie nacheinander durch die einzelnen Stationen geleitet, wie etwa nach dem Prinzip der grünen Welle einer Hauptverkehrsstraße mit Ampeln. Wenn mehrere Fertigungsketten oder Fertigungsstellen zur Ausführung eines kompletten Auftrags bzw. eines Arbeitsvorgangs zulässig sind, kommt als Handlungsmöglichkeit der Disposition die Zuweisung der Aufträge zu den parallelen Fertigungsketten und Stationen hinzu (s. Abb. 2.3 mitte/oben). Diese ist nach folgenden Zuordnungsstrategien für Parallelstationen möglich: • Kostenoptimale Zuordnung: Die Aufträge oder Auftragspulks werden jeweils der freien Station zugewiesen, die den Auftrag zu den geringsten Fertigungskosten ausführen kann. Die Fertigungsauftragskosten sind die Summe der mengenunabhängigen Rüstkosten und der mengenabhängigen Leistungskosten. • Stochastische Verteilung: Die einzelnen Aufträge oder Auftragspulks werden nach dem Zufallsprinzip auf die Parallelstationen verteilt. • Zyklische Verteilung: Die einzelnen Aufträge oder Auftragspulks werden in zyklischer Folge nacheinander auf die Parallelstationen verteilt. • Statische Gleichauslastung: Die Aufträge oder Auftragspulks werden jeweils der Station mit der geringsten Auslastung und der kürzesten Warteschlange zugewiesen.
10.8 Dynamische Fertigungsdisposition
147
• Dynamische Gleichverteilung: Die Aufträge oder Auftragspulks werden jeweils derjenigen der N Parallelstationen zugewiesen, die am geringsten ausgelastet ist. Wenn die mittlere Auslastung der Parallelstationen für längere Zeit über 0,9 ansteigt, wird eine weitere Station zugeschaltet. Sinkt sie unter 0,8 ·(N–1)/N wird eine Station abgeschaltet. Durch das dynamische Zu- und Abschalten wird die mittlere Stationsauslastung zwischen 80% und 90% gehalten. In Verbindung mit der kostenoptimalen Zuordnung werden durch die dynamische Gleichverteilung minimale Kosten bei einer akzeptablen Länge der Warteschlangen und Wartezeiten erreicht (s. Abschnitt 12.6).
10.8 Dynamische Fertigungsdisposition Über die Reihenfolge-, Abfertigungs- und Zuordnungsstrategien hinaus gibt es für größere Fertigungsnetzwerke eine Vielzahl von Gesamtstrategien. Viele Gesamtstrategien sind eine Kombination von Bündelungs-, Ordnungs- und Sicherheitsstrategien, die untereinander nur begrenzt kompatibel sind (s. Abschnitte 2.3 und 12.4). Das große Angebot möglicher Strategien erschwert jedoch die Arbeit der Disposition und erhöht die Gefahr einer unsinnigen Strategiewahl [Fritsche 1999; Gudehus 1999; Kern et al. 1978; Schulte 1995; Wiendal 1987]. Daher ist es ratsam, für die Fertigungsdisposition eines Unternehmens eine Standardstrategie zu entwickeln, mit der sich unter den gegebenen Umständen die Unternehmensziele am besten erreichen lassen. Aus der Analyse unterschiedlichster Fertigungsstrukturen und Produktionsbetriebe in verschiedenen Branchen sowie aus logischen Überlegungen, die durch zahlreiche Simulationen abgesichert sind, resultiert die nachfolgende Standardstrategie für die Disposition einer Taktfertigung. Sie läßt sich durch Abwandlung und weitere Detaillierung den unternehmensspezifischen Gegebenheiten und Erfordernissen anpassen. Nach jeder abgeschlossenen Dispositionsperiode – bei tagesgenauer Lieferung also nach jedem Tag – führt das Dispositionsprogramm für die Engpaßstellen der einzelnen Produktfamilien, die jeweils den gleichen Fertigungsablauf haben, die Standardschritte der dynamischen Fertigungsdisposition© durch: 1. Engpaßterminierung Aus dem Erzeugnisbedarf (10.1) und den hinterlegten Materialdurchlaufzeiten von der Engpaßstelle bis zum Produktionsausgang werden
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2.
3.
4.
5.
10 Permanente Auftragsdisposition
die Späteststarttermine und der Materialbedarf der Engpaßstelle errechnet. Alle Aufträge, die nicht als Eilauftrag gekennzeichnet sind, also alle Direktaufträge und alle Lagernachschubaufträge der Bedarfsstellen, werden dabei zunächst gleichrangig behandelt. Verfügbarkeitsprüfung In der Folge ansteigender Liefertermine wird die rechtzeitige Verfügbarkeit der zur Auftragsausführung benötigten Leitteile und des Einsatzmaterials vor der Engpaßstelle geprüft. Wenn Teile oder Material nicht oder nicht in ausreichender Menge verfügbar sein sollten, werden aus dem Auftragsbestand nach absteigender Dringlichkeit und bei gleicher Dringlichkeit nach abnehmender Menge einzelne Aufträge herausgenommen und auf die nächste Periode verschoben. Pulkbildung Die bis zum Beginn einer neuen Periode eingegangenen ausführbaren Aufträge und alle noch nicht begonnenen Aufträge aus vorangehenden Perioden werden zu Auftragspulks von Produkten zusammengefaßt, die nacheinander ohne Umrüsten produziert werden können. Die Aufträge innerhalb eines Pulks werden nach aufsteigendem Späteststarttermin geordnet. Die Aufträge eines Pulks mit dem gleichen Späteststarttermin werden nach ansteigender Leistungszeit geordnet. Engpaßbelegung Die Engpaßstelle wird in rüstzeitoptimaler Folge, oder wenn es diese nicht gibt, in aufsteigender Rüstzeitfolge mit den Auftragspulks belegt. Bei Auftragspulks mit gleicher Umrüstzeit findet die Engpaßbelegung in aufsteigender Leistungszeitfolge statt. Wenn nach der Belegung die Engpaßauslastung über 95% liegt, werden, beginnend mit dem kleinsten Auftrag, dessen Späteststarttermin am weitesten in der Zukunft liegt, in aufsteigender Auftragsgröße und Terminfolge sukzessive Aufträge auf die nächste Periode verschoben, bis die Engpaßauslastung unter 95% liegt. Folgestellenbelegung Sofern der Materialbedarf der Engpaßstelle nicht aus Lager- oder Kanban-Artikeln besteht, deren Zulauf verbrauchsgeregelt ist, werden die vor der Engpaßstelle liegenden Produktions- und Leistungsstellen sukzessive rückwärts terminiert. Sie führen nach dem Pullprinzip die von der Engpaßstelle als nächstes auszuführenden Aufträge so rechtzeitig aus, daß die Engpaßstelle nur leerläuft, wenn keine Aufträge mehr zur Ausführung anstehen. Die auf den Engpaß folgenden Produktions- und Leistungsstellen werden sukzessive vorwärts terminiert. Sie müssen nach dem Pushprinzip die von der Engpaßstelle zusammen mit dem Auftragsgegenstand eingehenden Aufträge in der Eingangsfolge sofort ausführen.
10.9 Beschaffungsdisposition
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6. Parallelstellenbelegung Parallelstationen, auf denen sich das gleiche Produkt erzeugen oder derselbe Arbeitsschritt ausführen läßt, werden nacheinander in der Reihenfolge der günstigsten Auftragsfertigungskosten belegt. Parallelstationen, die zu den gleichen Kosten arbeiten, werden nach dem Prinzip der dynamischen Gleichverteilung disponiert. Einzelne Stationen werden zu- oder abgeschaltet, wenn die mittlere Auslastung für eine Periode unter 0,8 · (N–1)/N sinkt bzw. über 0,9 ansteigt. Beginnend mit den Endprodukten wird dieser Standardablauf vom Dispositionsprogramm sukzessive auch für die Vorprodukte der vorgelagerten Fertigungsstufen bis hin zur Beschaffung der Einsatzstoffe und Fremderzeugnisse ausgeführt. Das Ergebnis sind für die kommenden Perioden terminierte Fertigungsaufträge an jede einzelne Fertigungsstelle mit einer festen Ausführungsreihenfolge, die in der Endmontage der Automobilindustrie sehr anschaulich als Perlenkette bezeichnet wird. Beim nächsten Dispositionslauf am Ende der aktuellen Periode können alle Aufträge neu disponiert werden, deren Termin noch nicht den Einfrierzeitpunkt erreicht hat. Dieser liegt um die maximale Durchlaufzeit der Erzeugnisse vor dem spätesten Auslauftermin aus der Engpaßstelle. Nach dem Einfrierzeitpunkt ist im Regelfall keine Änderung der Disposition mehr zulässig. Mit dem beschriebenen Standardablauf der Fertigungsdisposition lassen sich für viele Produktionsbetriebe minimale Kosten und eine termintreue Einhaltung der Standardlieferzeiten erreichen, solange die Auslastung der Engpaßstellen nicht länger als eine Periode über 95% ansteigt. Sobald die Auslastung einer Engpaßstelle für mehrere Perioden über 95% ansteigt, gibt das Dispositionsprogramm eine Engpaßwarnung. Dann müssen kurzfristig die Betriebszeiten verlängert, und wenn das nicht mehr möglich ist, die Aufträge zu Beginn des Standardablaufs der Fertigungsdisposition nach den Prioritäten der Engpaßzuteilung (12.5) ausgewählt werden (s. Abschnitt 12.6).
10.9 Beschaffungsdisposition Die Beschaffungsdisposition für fremd erzeugte Teile oder Handelsware kann grundsätzlich zwischen einer Just-In-Time-Beschaffung und einer Vorabbeschaffung entscheiden. Dabei sind die eventuellen Mehrkosten des Lieferanten für die Just-In-Time-Bereitstellung und die Terminrisiken gegen die eigenen Lagerkosten der vorzeitigen Anlieferung abzuwägen.
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10 Permanente Auftragsdisposition
Wenn mehrere interne oder externe Bedarfsstellen den gleichen Artikel benötigen, ist eine zentrale Disposition der dezentralen Bestände nach der Strategie eines virtuellen Zentrallagers möglich (s. Abschnitt 13.8).Wenn eine Lieferstelle mehrere Artikel an das Unternehmen liefert, besteht darüber hinaus die Möglichkeit, die Anlieferungen optimal zu bündeln. Eine kostenoptimale Beschaffungsbündelung ist bei einer Lagernachschubbeschaffung am einfachsten durch die in Abschnitt 6.5 beschriebene und in Abb. 6.6 dargestellte zyklische Sammeldisposition mit festen Beschaffungsterminen zu erreichen. In die zyklische Sammeldisposition können auch die Auftragsbeschaffungen einbezogen werden, wenn der zulässige Bündelungszeitraum gleich dem Beschaffungszyklus gewählt werden kann. Durch eine kostenoptimale Beschaffungsbündelung mit einem virtuellen Zentrallager und durch eine zyklische Sammeldisposition lassen sich u.U. die Beschaffungskosten und die Zulauftransportkosten erheblich senken. Hierzu muß das Dispositionsprogramm über die entsprechenden Algorithmen verfügen und auf realistische Kostensätze zugreifen können.
10.10 Versanddisposition Die Versanddisposition ist entweder Aufgabe der zentralen Auftragsdisposition, einer eigenen Versandstelle oder eines Logistikdienstleisters, der die Fertigwarenlagerung und den Versand im Auftrag des Unternehmens durchführt. Logistikdienstleister neigen zur Selbstoptimierung [Gudehus 1999]. Der Logistikdienstleister muß daher durch eindeutige Versandregeln und Vorgaben des Dispositionsprogramms dazu veranlaßt werden, eine optimale Sendungsbündelung durchzuführen und die kostengünstigste Versandart auszuwählen. Für die nach Auftrag gefertigten Positionen muß die zentrale Auftragsdisposition zunächst entscheiden, ob diese nach der Fertigstellung direkt ab Werk oder von einem Versandzentrum versandt werden. Diese Entscheidung hängt außer von den Kosten von den technischen Versandmöglichkeiten in der Produktion und im Versandzentrum ab. Für die Entscheidung zwischen Werksversand oder Zentralversand gelten die 䉴 Standardregeln für den Werksversand
Der Direktversand ab Produktionswerk ist notwendig, wenn ein zugesagter Liefertermin nur auf diesem Weg eingehalten werden kann. Voraussetzung ist, daß es sich um einen Einpositionsauftrag handelt oder eine Teillieferung zulässig ist.
10.10 Versanddisposition
151
Ein Direktversand ab Werk ist wirtschaftlicher für große, schwere und sperrige Teile, Maschinen, Aggregate und Anlagen, die in der Fertigung versandfertig verpackt werden können. Für große Liefermengen ist ein Direktversand ab Werk sinnvoll und wirtschaftlicher, wenn diese in vollen Paletten mit dem LKW als Teiloder Ganzladungen oder per Bahn versandt werden. Optimal ist in diesem Fall eine Produktion direkt in ein bereitstehendes Transportmittel. 䉴 Standardregeln für den Zentralversand
Ein Versand ab Zentralstelle ist für kleinere Liefermengen wirtschaftlicher, wenn dort eine rationelle Verpackung und eine bessere Bündelung mit anderen Sendungen für den gleichen Kunden oder in die gleiche Region möglich ist. Der Versand ab einer Zentralstelle ist notwendig, wenn für einen Mehrpositionsauftrag eine Komplettlieferung zusammen mit Artikeln aus dem Fertigwarenlager oder anderen Produktionsbereichen vorgeschrieben ist. Wenn ein Kundenauftrag mehrere Lieferposition umfaßt oder für den gleichen Liefertermin mehrere Kundenaufträge vorliegen, werden diese in einer Lieferung zusammengefaßt und in der günstigsten Versandart dem Kunden zugestellt. Durch die Vereinbarung fester Versandtermine mit einem Kunden – etwa alle 2 Tage oder einmal pro Woche – ist ein Sammelversand möglich. Alle bis zum Versandtermin eintreffenden Lieferungen für den Kunden werden in einem Zwischenpuffer gesammelt und geschlossen versandt. Eine weitere Möglichkeit der Versandbündelung ist das Zusammenfassen aller Sendungen, die für mehrere Kunden einer Zielregion bestimmt sind und zu festen Zeiten versandt werden können. Die Sendungen können dann vom Paket- oder Speditionsdienstleister als Ganz- oder Teilladung abgeholt und entweder zum nächsten Sammelumschagpunkt oder bei ausreichender Menge direkt zum Verteilumschlagpunkt in der Zielregion transportiert werden. Das ist besonders effektiv für Exportsendungen in ferne Länder und nach Übersee. Wenn mit dem Dienstleister entsprechende Konditionen vereinbart sind, lassen sich durch eine Versandbündelung die Frachtkosten deutlich senken und bei Direkttransport ins Zielgebiet auch die Zustellzeiten verkürzen. Die Transport- und Frachtkostensätze der verschiedenen Versandarten, wie Ganz- oder Teilladungstransport, Stückgutspedition und Paketversand, müssen im Dispositionsrechner hinterlegt sein, damit das Programm abhängig von der Sendungsgröße dem Dienstleister die jeweils kostengünstigste Versandart vorgibt [Gudehus 1999].
11 Dynamische Lagerdisposition
Ziel der dynamischen Lagerdisposition ist die Sicherung der geforderten Lieferfähigkeit der Lagerartikel zu minimalen Kosten. Für Lagerartikel mit einem prognostizierbaren Bedarf wird die Bestands- und Nachschubdisposition von einem leistungsfähigen Dispositionsprogramm weitgehend autark durchgeführt. Nur für kritische Lagerartikel, die vom Rechner angezeigt werden, muß der Disponent tätig werden. Die Bestellpunktstrategie für die Lagerartikel wird von der Beschaffungstrategie bestimmt, die für den einzelnen Artikel und die jeweilige Lieferstelle optimal ist. Sie ist unabhängig von der ABC-, XYZ- oder RSUVerteilung des Sortiments. Zur Lagerdisposition gehört auch die Auswahl des Ladungsträgers, der zur Unterbringung der Nachschub- und Lagermenge eines Artikels technisch geeignet und mit minimalen Kosten verbunden ist. Dieser weitere Handlungsspielraum der Disposition wird bisher nur selten systematisch genutzt.
11.1 Standarddisposition der Lagerartikel Zur rechnergestützten Bestands- und Nachschubdisposition der Lagerartikel werden nach jeder abgeschlossenen Periode t–1 bis zum Beginn der aktuellen Periode t vom Dispositionsprogramm die folgenden Rechenschritte durchgeführt: 1. Prognoserechnung von Mittelwert λm(t) und Streuung sλ(t) des zukünftigen Periodenbedarfs aus den vorherigen Prognosewerten und dem Absatz der letzten Periode t–1. 2. Aktualisierung von Mittelwert TWBZm(t) und Streuung sT(t) der Wiederbeschaffungszeit für alle Artikel, für die in der letzten Periode t–1 eine Nachschublieferung eingetroffen ist. 3. Berechnung der aktuellen Nachschubmenge für alle Lagerartikel aus den Artikellogistikdaten und dem prognostizierten Bedarf.
154
11 Dynamische Lagerdisposition
4. Berechnung der für die jeweils geforderte Lieferfähigkeit benötigten aktuellen Sicherheitsbestände aller Lagerartikel. 5. Berechnung des aktuellen Meldebestands, bei dessen Erreichen spätestens ein Nachschub ausgelöst wird. 6. Bestimmung der Bestellpunkte für Lagernachschubaufträge in Abhängigkeit von der gewählten Bestellpunktstrategie. 7. Anzeige oder Ausdruck einer Bestelliste aller Artikel, deren Bestellpunkt erreicht ist, mit konkreten Bestellvorschlägen für die Lagernachschubaufträge. 8. Anzeige oder Ausdruck einer Warnliste aller kritischen Lagerartikel mit anormalem Verhalten. Wichtig ist, daß die Disposition vom Programm genau in dieser Reihenfolge ausgeführt wird. Nur so ist die dynamische Lagerdisposition selbstregelnd. Mit einer rechnergestützten dynamischen Auftrags- und Lagerdisposition läßt sich erreichen, daß mehr als 90% aller Bestellvorschläge des Rechners ohne Änderung freigegeben und ausgeführt werden. Die resultierenden Bestellvorschläge für unkritische Lagerartikel werden vom Disponenten unverzüglich geprüft und in der Regel sofort freigegeben. Sie werden zusammen mit den Auftragsbestellungen für den gleichen Artikel vom Rechner direkt bei der Produktions- oder Lieferstelle ausgelöst.
11.2 Kritische Lagerartikel Kritische Lagerartikel sind Artikel, für die • der Absatz die Lageropportunitätsgrenze (8.18) nachhaltig überschreitet • die Bestandsreichweite eine vorgegebene maximale Reichweite überschreitet oder nach der Nachschubbestellung überschreiten würde • die errechnete Nachschubmenge die Kapazität der kleinsten zulässigen Ladeeinheit (Palette, KLT oder Gebinde) unterschreitet • die Prognostizierbarkeit nicht mehr geben ist (s. Abschnitt 4.5). Nach Anzeige der kritischen Lagerartikel und entsprechenden Hinweisen durch den Rechner entscheidet der Disponent in den ersten beiden Fällen, ob der Artikel vom Lagerartikel zum Auftragsartikel umgestuft werden soll. In den beiden letzten Fällen ist zu prüfen, ob die Beschaffungsdisposition auf das Kanban-Verfahren umgestellt werden kann (s. Abschnitt 6.3).
11.3 Auswahl der Bestellpunktstrategie
155
11.3 Auswahl der Bestellpunktstrategie Solange der Bedarf eines Artikels prognostizierbar ist und die Parameter zur Berechnung von Sicherheitsbestand und kostenoptimaler Nachschubmenge bekannt sind, ist das Meldebestandsverfahren oder das Zykluszeitverfahren für die Bestellpunktbestimmung geeignet. Für die Auswahl unter diesen beiden Bestellpunktstrategien gelten die in den Abschnitten 6.2 bis 6.5 hergeleiteten Regeln: 䉴 Das Meldebestandsverfahren ist optimal, wenn die Produktions- und
Lieferstelle jederzeit Bestellungen annimmt und diese auch sofort ausführt. Wenn bei einer Produktions- oder Lieferstelle innnerhalb der Standardlieferzeit nur ein Artikel beschafft wird, ist die bestellpunktkabhängige Einzeldisposition zu wählen. Können bei derselben Lieferstelle innerhalb der Standardlieferzeit auch andere Artikel beschafft werden, deren vorgezogene Bestellung und gebündelte Anlieferung eine größere Einsparung ergibt als die Mehrkosten aus der Bestandserhöhung, ist die bestellpunktabhängige Sammeldisposition wirtschaftlicher als die Einzeldisposition. 䉴 Das Zykluszeitverfahren ist anzuwenden, wenn die Produktions- oder
Lieferstelle nur in bestimmten Zeitabständen liefert. Die zyklische Einzeldisposition ist zu wählen, wenn in der Zykluszeit bei der Lieferstelle nur ein Artikel beschafft wird. Die zyklische Sammeldisposition ist kostenoptimal, wenn bei derselben Lieferstelle innerhalb der Zykluszeit regelmäßig mehrere Artikel beschafft werden, deren Bündelung eine größere Kostenersparnis bringt als die Mehrkosten der Bestandserhöhung. Für Artikel mit einem regelmäßigem Bedarf, der nicht vom Rechner erfaßt wird oder deren Parameter zur Berechnung von Sicherheitsbestand und kostenoptimaler Nachschubmenge nicht bekannt sind, ist das Bereitstellverfahren oder das Kanban-Prinzip anwendbar. Der Preis für das einfache, da selbstregelnde und rechnerunabhängige Bereitstellverfahren ist jedoch die Gefahr zu hoher oder für die benötigte Verfügbarkeit unzureichender Bestände. Daraus folgt die Einsatzregel für das Bereitstellverfahren: 䉴 Das Bereitstellverfahren nach dem Kanban-Verfahren oder Flip-Flop-
Prinzip ist beschränkt auf Artikel mit anhaltend regelmäßigem Bedarf und einem so geringen Wert, daß der Verbrauch nicht einzeln erfaßt zu werden braucht.
156
11 Dynamische Lagerdisposition
Da zur Kontrolle und Vergütung der Lieferstelle auch die Beschaffungen nach dem Bereitstellverfahren spätestens bei der Anlieferung erfaßt und im Rechner gespeichert werden, kann der Rechner laufend überprüfen, ob die Voraussetzungen für das Verfahren noch erfüllt sind (s. Abschnitt 6.3).
11.4 Zuweisung kostenoptimaler Ladungsträger Wenn zur Lagerung der Verbrauchseinheiten eines Artikels technisch mehrere Ladungsträger LEj mit unterschiedlicher Kapazität CLEj [VE/LE] geeignet sind, müssen alle zulässigen Ladungsträger, zum Beispiel alle für den Artikel technisch geeigneten KLT, Paletten, Gitterboxen und Langgutkassetten, in den Artikelstammdaten hinterlegt werden. Außerdem müssen die Ladungsträgerkapazitäten und die zugehörigen Lagerkostensätze in den Logistikstammdaten gespeichert sein (s. Tab. 3.1 und 13.1). Aus diesen Kenndaten läßt sich für jeden zulässigen Ladungsträger mit Hilfe von Formel (6.24) aus Kapitel 6 die benötigte Anzahl Nachschubeinheiten errechnen und der kostenoptimale Ladungsträger bestimmen. Für diesen gilt das 䉴 Kriterium des optimalen Ladungsträgers: Mit dem optimalen Ladungs-
träger wird zur Unterbringung der kostenoptimalen Nachschubmenge (8.11) die kleinste Anzahl Ladeeinheiten benötigt und der höchste Füllungsgrad ρj = mNopt/(MNjCLEj) erreicht. Wenn der Füllungsgrad der kleinsten zulässigen Ladeeinheit bei Befüllung mit der ungerundeten kostenoptimalen Nachschubmenge unter 50% sinkt, muß der Disponent in Abstimmung mit dem Vertrieb überprüfen, ob der Artikel weiterhin ein Lagerartikel bleiben oder zu einem Auftragsartikel umgestuft werden soll.
11.5 Auswirkungen der dynamischen Lagerdisposition Die aus einer dynamischen Lagerdisposition resultierenden Nachschubmengen und der Bestandsverlauf eines Artikels mit dem in Abb. 4.2 dargestellten Absatz, der über das ganze Jahr anhält und von Tag zu Tag stochastisch um einen systematisch veränderlichen Verlauf schwankt, sind in Abb. 6.1 gezeigt. Die Absatzdaten und die Dispositionsparameter dieser Simulationsrechnung sind in Tab. 15.1 und 15.2 angegeben.
1
51
101
0
Absatztage [AT]
151
201
10.000
10.
Absatzverlauf s. Abb. 4.3 Übrige Parameter s. Tab. 15.1 und 15.2
0
5.000
15.000
15.000
5.000
20.000
20.000
25.000
25.000
Nachbestellung VS-Bestand
30.000
Abb. 11.1 Dynamische Nachschub- und Bestandsdisposition eines Artikels mit plötzlich einsetzendem Bedarf
Nachschubmenge [VE/NAuf]
30.000
11.5 Auswirkungen der dynamischen Lagerdisposition 157
Bestand [VE]
158
11 Dynamische Lagerdisposition
Sehr gut zu sehen ist, wie die Nachschubmengen und der maximale Bestand dem systematischen Absatzverlauf folgen. Der Einfluß der stochastischen Tagesschwankungen spiegelt sich in den ungleichmäßigen Stufen des Bestandsabbaus. Abbildung 11.1 zeigt die Nachschubmengen und den Bestandsverlauf für denselben Artikel mit den gleichen Dispositionsparametern, jedoch mit einem Absatzverlauf, der erst ab dem 61. Tag beginnt (s. Abb. 4.3). Kurz nach dem Einsetzen des Bedarfs steigt die Bedarfsprognose an und generiert eine erste Nachschubbestellung. Nach deren Eintreffen werden die vorliegenden Aufträge ab Lager bedient. Das Programm berechnet die nächsten Nachschubmengen dynamisch, so daß die relevanten Kosten minimal werden. Wenn in Vorbereitung auf den erwarteten Absatz eines neuen Artikels ein ausreichender Anfangsbestand im voraus beschafft wurde, ist das Lager bereits vom ersten Tag an lieferfähig. Aber auch ohne Anfangsbestand, wie in dem Beispiel der Abb. 11.1, schwingt sich die geforderte Lieferfähigkeit über den dynamischen Sicherheitsbestand sehr rasch ein. Dieses Beispiel sowie weitere Testrechnungen, die der Leser mit dem beigefügten Simulationstool DYNDIS.XLS selbst durchführen kann, lassen erkennen, wie gut auch Artikel mit einem plötzlich ansteigenden oder aussetzenden Bedarf vom Rechner mit dem Verfahren der dynamischen Lagerdisposition disponiert werden können. Die Modellrechnungen machen zugleich deutlich, daß bei einer dynamischen Disposition die Anfangseinstellung der Dispositionsparameter weitgehend unkritisch ist. Bei der Implementierung eines neuen Dispositionssystems oder bei einer Systemumstellung können daher ohne große Gefahr von Fehldispositionen die alten Erfahrungswerte als Anfangswerte übernommen oder Planwerte und Standardwerte für gleichartige Artikelgruppen verwendet werden. Dadurch läßt sich die Implementierung oder Umstellung erheblich erleichtern und verkürzen.
11.6 Elektronisches Kanban Das manuelle Kanban-Verfahren regelt den Nachschub einer Verbrauchsstelle in vollen Behältern, die durch Karten (japanisch: Kanban) gekennzeichnet sind [Geiger 2003]: • Beim Zweibehälter-Kanban wird der Nachschub nach Leeren des Zugriffsbehälters ausgelöst, indem der Leerbehälter herausgestellt oder nur die Karte an ein Brett gehängt wird (s. Abschnitt 6.3).
11.6 Elektronisches Kanban
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• Beim Einbehälter-Kanban von Lagerteilen wird die Karte des Zugriffsbehälters ans Brett gehängt, wenn der Inhalt einen Bestellbestand erreicht hat, der auf der Karte vermerkt ist (s. Abschnitt 6.4). • Beim JIT-Kanban von Auftragsteilen wird ein voller Ladungsträger mit Auftragsteilen durch einen JIT-Beleg rechtzeitig bei der Lieferstelle angefordert. Das bestechend einfache, weil selbstregelnde Kanban-Verfahren ist in der Industrie, insbesondere im Fahrzeugbau, weit verbreitet. Dabei werden jedoch die Nachteile übersehen: • Gefahr von Fehlbeständen • unwirtschaftliche Behältergröße • Aufwand und Zeitbedarf für Rücklauf und Erfassen der Karten Diese Nachteile lassen sich vermeiden durch das elektronische Kanban. Beim elektronischen Kanban ohne Kartenrücklauf wird der Nachschub nach Leeren des Zugriffsbehälters oder Erreichen des Bestellbestands von der Verbrauchsstelle durch Scannen der Behälterkodierung ausgelöst. Über EDI läuft die Anforderung an das Vorratslager oder an die Lieferstelle und veranlaßt diese, unverzüglich einen Nachschubbehälter auszulagern oder zu befüllen. Der volle Behälter, dessen Inhalt mit einem Etikett oder auf einem Transponder kodiert ist, wird sofort an die Bedarfsstelle abgeschickt. Diese erfaßt mit einem Scanner den ankommenden Behälter und quittiert so den Empfang. Leere Großbehälter, Boxpaletten und Sonderladungsträger, die nicht zusammenklappbar sind, bringt das Lieferfahrzeug der Vollbehälter zurück zur Lieferstelle. Flachpaletten, Klappboxen und Kleinbehälter werden gesammelt und gestapelt zur Lieferstelle zurück gebracht oder an einen Leergutpool abgegeben. Beim elekronischen Kanban entfällt die gesamte Zettelwirtschaft des herkömmlichen Kanbans. Der Leergutrücklauf ist vom Vollbehälternachschub entkoppelt und daher wesentlich rationeller. Außerdem verkürzen sich die laufend kontrollierten Wiederbeschaffungszeiten um die Rücklaufund Bearbeitungszeiten der Karten. Darüber hinaus erfolgt eine aktuelle Verbuchung des Verbrauchs im Rechner. Das eröffnet die Möglichkeit zur Überprüfung der wirtschaftlichen Behältergröße und zur dynamischen Anpassung des Bestellbestands und des Sicherheitsbestand an einen sich ändernden Verbrauch.
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
Die vorangehenden Strategien und Algorithmen der dynamischen Disposition gelten für Wiederbeschaffungszeiten, die unabhängig von der Nachschubmenge sind. Bei begrenzter Produktionsleistung der Lieferstelle aber kann die Ausführung eines größeren Nachschubauftrags längere Zeit dauern. Abhängig von der Nachschubmenge und der Anlieferstrategie ergeben sich daraus unterschiedliche Auswirkungen auf den Bestandsverlauf, die Lieferfähigkeit und die Lagerlogistikkosten [Bogaschewsky 1996; Gudehus 1999; Inderfurth 1999; Schneeweiß 1981; Tempelmeier 1999; von Zwehl 1979]. In diesem Kapitel werden Strategien und Algorithmen für die dynamische Disposition bei begrenzter Produktionsleistung entwickelt, die in ein- und mehrstufigen Lieferketten anwendbar sind. Sie eröffnen weitere Potenziale zur Bestandssenkung, Kosteneinsparung und Verkürzung der Lieferzeiten. Zugleich läßt sich mit Hilfe dieser Strategien eine der gravierendsten Ursachen des sogenannten Peitschenknalleffekts beheben (s. Abschnitt 13.8).
12.1 Mengenabhängige Lieferzeiten Die Lieferzeit für Bestellungen bei einer produzierenden Lieferstelle ist die Summe • einer Vorlaufzeit no [AT] bis zum Produktionsbeginn, die für Auftragsübermittlung, Auftragsbearbeitung, Freigabe und Rüsten benötigt wird, • der reinen Produktionszeit nP [AT] zur ununterbrochenen Erzeugung der Bestellmenge m • einer Nachlaufzeit, die – abgesehen von einer eventuellen Trocken-, Reife- oder Aushärtezeit – gleich der Transportzeit ntr [AT] bis zum Bedarfsort ist.
162
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
Bei einer Produktionsgrenzleistung µ [VE/AT] ist die reine Produktionszeit für m Verkaufs- oder Verbrauchseinheiten [VE] gleich [m/µ] [AT], wobei die eckige Klammer ein ganzzahliges Abrunden des Klammerinhalts bedeutet. Die Gesamtlieferzeit bis zum Eintreffen der letzten Einheit der Bestellmenge am Bedarfsort ist also no+ntr+[m/µ]. Daraus folgt: • Sobald die Nachschubmengen größer als eine Tagesproduktion sind, ist die Gesamtlieferzeit für den vollständigen Nachschubauftrag mengenabhängig. Wie sich die Mengenabhängigkeit der Gesamtlieferzeit auf die Lagerbestände und die Lagerdisposition auswirkt, wird von der Anlieferstrategie bestimmt.
12.2 Anlieferstrategien und Bestandsverlauf Für die Beförderung der produzierten Menge vom Ausgang der Produktionsstelle bis zur Lagerstelle sind folgende Anlieferstrategien möglich:1 • Geschlossene Nachschubanlieferung (GN): Die gesamte Nachschubmenge wird erst zum Lager befördert, wenn sie komplett fertiggestellt ist. • Kontinuierliche Nachschubanlieferung (KN): Die Produktionsmenge wird kontinuierlich in einzelnen Mengeneinheiten oder vollen Ladeeinheiten zum Lager befördert. Der resultierende Bestandsverlauf bei einem stationären Bedarf λ [ME/AT] ohne stochastische Streuung ist in Abb. 12.1 oben für die geschlossene und in Abb. 12.1 unten für die kontinuierliche Nachschubanlieferung dargestellt. Die Wiederbeschaffungszeit bei geschlossener Anlieferung ist gleich der Beschaffungszeit für die gesamte Nachschubmenge mN: nWBZ GN(mN) = no + ntr + [mN/µ]
[AT].
(12.1)
Um die Lieferfähigkeit zu bewahren, muß ein Nachschubauftrag ausgelöst werden, wenn der Bestand unter den Verbrauch in der Wiederbeschaffungszeit plus einem Sicherheitsbestand msich sinkt, der eventuelle Verbrauchsschwankungen in der Wiederbeschaffungszeit ausgleicht. Der Meldebestand bei geschlossener Anlieferung ist daher: = ( n + n + [m /µ]) . λ + m [VE]. (12.2) m MB GN
1
o
tr
N
sich
Alle Zeiten werden in dimensionslosen Anzahlen n ganzer Perioden gemessen, die hier Arbeitstage [AT] sind.
12.2 Anlieferstrategien und Bestandsverlauf
163
Wie in Abb. 12.1 oben gezeigt, baut sich in der Produktionsstelle ab einem Zeitpunkt to, der um no Tage nach dem Bestellpunkt liegt, ein Bestand auf, der nach Ablauf der Produktionszeit mN/µ geschlossen an die Lagerstelle ausgeliefert wird. Dort trifft er nach einer Transportzeit von ntr AT
mB(t)
Geschlossene Nachschubauslieferung mB= ½ · mN · (1 + λ / µ)
m
–t ) 0
mmax = mN
µ · (t
N
-λ
·(
t-
t)
o
mB mMB L
F
PAS FW
P
WL
AS
FWL
t T0
mN / µ
Ttv
TWBZ TN = m N / λ
mB(t)
Kontinuierliche Nachschubauslieferung mB= ½ · mN · (1 - λ / µ)
mmax = mN · (1 - λ / µ)
(µ -
t 0)
FWL FWL
t–
λ) · (
·(
t–t
o)
-λ mN
mB
FWL
FWL FWL
mMB
t T0
Ttv mN / µ
TWBZ TN = m N / λ
Abb. 12.1 Bestandsverlauf bei stationärem Bedarf ohne stochastische Streuung für geschlossene und für kontinuierliche Nachschubanlieferung FWL: Fertigwarenlager PAS: Produktionsausgangsspeicher
164
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
ein und führt zu einem sprunghaften Anstieg des Bestands. Bei stationärem Bedarf ergibt sich daraus der bekannte sägezahnartige Bestandsverlauf mit senkrechten Anstiegsflanken und schrägem Abfall bis auf den Sicherheitsbestand (s. Abb. 3.2 und 6.1). Bei kontinuierlicher Nachschubanlieferung ist die Wiederbeschaffungszeit gleich der Beschaffungszeit für die erste Ladeeinheit, wenn deren Inhalt kleiner ist als eine Tagesproduktion. Die Wiederbeschaffungszeit bei kontinuierlicher Anlieferung ist unabhängig von der Nachschubmenge gleich der Startlieferzeit: nWBZ KN = no + ntr
[AT].
(12.3)
Für große Nachschubmengen, deren komplette Fertigstellung mehrere Tage erfordert, ist sie wesentlich kleiner als die Wiederbeschaffungszeit bei geschlossener Anlieferung. Das gilt auch für den Meldebestand bei kontinuierlicher Anlieferung: = (n + n ) . λ + m [VE]. (12.4) m MB KN
o
tr
sich
Mit dem Eintreffen der ersten Teilmenge ist die Lagerstelle wieder lieferfähig. Wie in Abb. 12.1 unten gezeigt, baut sich danach der Lagerbestand proportional zur Differenz µ-λ zwischen Produktionsleistung µ und Verbrauch λ auf, bis nach der Produktionszeit mN/µ die gesamte Nachschubmenge angeliefert ist. Dann fällt der Bestand wie bei der geschlossenen Anlieferung proportional zum Verbrauch λ bis auf den Sicherheitsbestand. Daraus ergibt sich ein sägezahnartiger Bestandsverlauf mit schrägen Anstiegsflanken. Bei täglicher Anlieferung in vollen Ladeeinheiten und einem Absatz von unterschiedlichen Mengen diskreter Mengeneinheiten ändert sich der Lagerbestand in kleineren oder größeren Sprüngen. Weitere Unstetigkeiten ergeben sich bei stochastischem Bedarf und schwankenden Wiederbeschaffungszeiten. Bei stationärem Verbrauch hat jedoch der über viele Nachschubzyklen gemittelte Bestandsverlauf immer noch die in Abb. 12.1 dargestellte Sägezahnform. Das zeigen auch die Simulationsergebnisse Abb. 12.4 und 12.6.
12.3 Mittlerer Bestand Bei unbegrenzter Produktionsleistung ist der über viele Nachschubzyklen gemittelte Bestand der Lagerstelle: mB = msich + 1/2 mN
[VE].
(12.5)
12.3 Mittlerer Bestand
165
Bei begrenzter Produktionsleistung und geschlossener Anlieferung entsteht während der Produktionszeit zusätzlich zum Lagerbestand in der Lieferstelle ein Produktionsausgangsbestand. Dessen mittlere Höhe während der Produktionszeit ist 1/2 mN. Da dieser Produktionsbestand nur für einen Anteil mN/µ der gesamten Nachschubzykluszeit TN = mN/λ besteht, ist der langzeitige Mittelwert des Produktionsbestands mNλ/µ. Der mittlere Gesamtbestand von Lagerstelle und Lieferstelle ist daher bei geschlossener Anlieferung: = m + 1/ m . (1+λ/µ) [VE]. (12.6) m B GN
sich
2
N
Der mittlere Gesamtbestand ist für die Lagerlogistikkosten maßgebend, wenn das gleiche Unternehmen die Lagerlogistikkosten der Lieferstelle und der Lagerstelle zu tragen hat. Das gilt direkt für die Eigenproduktion, indirekt über den Preis aber auch für Fremdprodukte und Handelsware. Aus Beziehung (12.6) folgt: • Bis auf den Sicherheitsbestand erhöht sich der mittlere Gesamtbestand bei geschlossener Anlieferung der Nachschubmenge und begrenzter Produktionsleistung mit steigendem Bedarf gegenüber dem mittleren Bestand bei unbegrenzter Produktionsleistung um den Faktor (1+λ/µ). Solange der Bedarf wesentlich kleiner ist als die Produktionsgrenzleistung, gilt für den mittleren Bestand die Beziehung (12.5) der unbegrenzten Produktionsgrenzleistung. Nähert sich der Bedarf der Produktionsleistung, steigt der mittlere Summenbestand (12.6) um den Faktor 2 gegenüber dem Bestand bei unbegrenzter Produktionsleistung Bei kontinuierlicher Nachschubanlieferung entsteht in der produzierenden Lieferstelle kein Lagerbestand. Wie in Abb. 12.1 unten dargestellt, reduziert der tägliche Bedarf λ der Lagerstelle laufend die mit der Produktionsleistung µ angelieferte Menge. Infolgedessen steigt der Lagerbestand bis zum Ende der Anlieferzeit nicht mehr um die gesamte Nachschubmenge mN sondern nur um die reduzierte Menge mN(1-λ/µ). Der mittlere Gesamtbestand ist daher bei kontinuierlicher Anlieferung der Nachschubmenge: m [VE]. (12.7) = m + 1/ m . (1-λ/µ) B KN
sich
2
N
Hieraus folgt: • Bis auf den Sicherheitsbestand reduziert sich der Lagerbestand bei kontinuierlicher Anlieferung der Nachschubmenge und begrenzter Produktionsleistung mit ansteigendem Bedarf gegenüber dem mittleren Bestand (12.5) bei unbegrenzter Produktionsleistung um den Faktor (1-λ/µ). Bei Annäherung des Bedarfs an die Produktionsgernzleistung sinkt der mittlere Lagerbestand auf den Sicherheitsbestand. Nur wenn der Ver-
166
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
brauch wesentlich kleiner ist als die Produktionsgrenzleistung, gilt für den mittleren Bestand die Beziehung (12.5). Der Vergleich des in Abb. 12.1 dargestellten Bestandsverlaufs für die beiden Anlieferstrategien und der in Abb. 12.4 gezeigte Unterschied der Sicherheitsbestände ergibt die Dispositionsregel: 䉴 Bei begrenzter Produktionsleistung führt die kontinuierliche Nach-
schubanlieferung zu deutlich niedrigeren Beständen als die geschlossene Nachschubanlieferung. Der Unterschied nimmt mit Annäherung des Bedarfes an die Produktionsgrenzleistung immer weiter zu. Auch für Handelsware und Fremdprodukte, die nicht direkt mit den Lagerkosten der Lieferstelle belastet sind, führt die tägliche Anlieferung von Teilmengen bei großen Nachschubmengen, deren Gesamtfertigstellung mehrere Tage erfordert, zu Bestandssenkungen und Einsparungen der Lagerlogistikkosten. Dagegen sind die Mehrkosten für den täglichen Transport der Teilauslieferungen zu rechnen. Mehrkosten für den Teilmengentransport fallen jedoch nur an, wenn der Transport nicht im Verbund mit dem Nachschub für andere Artikel stattfinden kann und für den täglichen Nachschub zusätzliche Fahrten erforderlich sind.
12.4 Kostenoptimale Nachschubmengen Die dispositionsrelevanten Lagerlogistikkosten sind die Summe der Nachschubkosten, die mit der Frequenz λ/mN bei jeder Nachschubanforderung anfallen, und der Lagerhaltungskosten, die laufend für die Bestandsverzinsung und die Lagerplatzmiete entstehen. Wenn nur für Lagerplätze, die mit einer vollen Ladeeinheiten LE der Kapazität CLE [VE/LE] belegt sind, die Lagerplatzkosten kLP [€/LE*ZE] anfallen, sind die Lagerlogistikkosten über einen längeren Zeitraum ZE bei Nachschubauftragskosten kAuf, einem Stückpreis P [€/VE] und einem Lagerzins zL [%/ZE] (vgl. Bez. (8.10)): K (m ) = k . λ/m + (P . z + k /C ) . m [€/ZE]. (12.8) NL
N
Auf
N
L
LP
LE
B
Durch Einsetzen der Beziehungen (12.6) und (12.7) für den mittleren Bestand mB ergeben sich hieraus die Lagerlogistikkosten für die beiden Anlieferstrategien in Abhängigkeit von der Nachschubmenge. Die Abb. 12.2 zeigt die mit Beziehung (12.8) resultierende Nachschubabhängigkeit der Lagerlogistikkosten für ein Beispiel aus der Praxis. Aus Beziehung (12.8) in Verbindung mit (12.6) und (12.7) ebenso wie aus Abb. 12.2 ist ablesbar:
12.4 Kostenoptimale Nachschubmengen
167
• Die Lagerlogistikkosten sind bei begrenzter Produktionsleistung für die geschlossene Anlieferung höher und für die kontinuierliche Anlieferung geringer als die Lagerlogistikkosten bei unbegrenzter Produktionsleistung. • Bei begrenzter Produktionsleistung verschiebt sich die kostenoptimale Nachschubmenge für die geschlossene Anlieferung zu kleineren und für die kontinuierliche Anlieferung zu größeren Werten als die optimale Nachschubmenge bei unbegrenzter Produktionsleistung. Für das in Abb. 12.2 dargestellte Beispiel, bei dem der Bedarf des betrachteten Artikels die Produktionsgrenzleistung zu 1/3 auslastet, sind die Lagerlogistikkosten bei jeweils optimaler Nachschubmenge für die kontinuierliche Anlieferung um 33% geringer als für die geschlossene Anlieferung und um 24% geringer als bei unbegrenzter Produktionsleistung. Die Ein-
4.500
kontinuierliche Anlieferung
4.000
geschlossene Anlieferung ohne PB
Lagerlogistikkosten [€/PE]
3.500
geschlossene Anlieferung mit PB
3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
Nachschubmenge [VE/NAuf] Abb. 12.2 Nachschubabhängigkeit der Lagerlogistikkosten für kontinuierliche und geschlossene Anlieferung mit und ohne Produktionsbegrenzung (PB) Bedarf λ = 700 VE/AT Artikelpreis P = 0,75€/VE Auftragskosten (Rüstkosten) Behälter mit CLE = 400 VE/Beh Mittlere Lieferfähigkeit
Produktionsgrenzleistung µ = 2.100 VE/AT; Lagerzins zL= 9% p.a. kAuf = 65 €/Auf Lagerplatzkosten kLP = 7,80 €/Beh p.a ηlief = 99%
168
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
sparpotenziale durch richtige Nachschubdisposition können also beträchtlich sein. Die kostenoptimale Nachschubmenge bei unbegrenzter Produktionsleistung ergibt sich nach Einsetzen von Beziehung (12.5) in (12.8) durch Nullsetzen der Ableitung der Kostenfunktion und Auflösung nach mN. Das Ergebnis ist: m Nopt = 2 ◊ l ◊ k Auf / (P ◊ z L + kLP / CLE )
[VE].
(12.9)
Entsprechend resultiert bei begrenzter Produktionsleistung durch Einsetzen der Beziehung (12.6) bzw. (12.7) in (12.8) und Nullsetzen der Ableitung: • Für die geschlossene Anlieferung ist die kostenoptimale Nachschubmenge bei begrenzter Produktionsleistung µ und Bedarf λ m Nopt GN = m Nopt / 1+ l / m [VE]. (12.10) • Für die kontinuierliche Anlieferung ist die kostenoptimale Nachschubmenge bei begrenzter Produktionsleistung µ und Bedarf λ m Nopt KN = m Nopt / 1 – l / m [VE]. (12.11) Für das Beispiel der Abb. 12.2 zeigt Abb. 12.3 die mit den Beziehungen (12.9), (12.10) und (12.11) berechnete Abhängigkeit der kostenoptimalen Nachschubmenge vom Bedarf bei unbegrenzter und bei begrenzter Produktionsleistung. Hieraus sind folgende Gesetzmäßigkeiten ablesbar: 䉴 Die kostenoptimale Nachschubmenge bei unbegrenzter Produktionslei-
stung steigt proportional mit der Wurzel des Bedarfs. 䉴 Die kostenoptimale Nachschubmenge bei begrenzter Produktionslei-
stung und geschlossener Anlieferung ist kleiner als bei unbegrenzter Produktionsleistung. Sie steigt unterproportional zur Wurzel des Bedarfs und ist bei Annäherung an die Produktionsgrenzleistung um den Faktor 1/√2 kleiner als bei unbegrenzter Produktionsleistung. 䉴 Bei begrenzter Kapazität und kontinuierlicher Anlieferung ist die ko-
stenoptimale Nachschubmenge größer als bei unbegrenzter Produktionsleistung. Nur bei geringem Bedarf steigt sie annähernd proportional zur Wurzel aus dem Bedarf. Bei Annäherung des Bedarfs an die Produktionsgrenzleistung steigt sie immer rascher an. Wenn sich der Bedarf der Produktionsgrenzleistung nähert, also für λ → µ , steigt die optimale Nachschubmenge der kontinuierlichen Anlieferung gemäß Beziehung (12.11) über alle Grenzen. Die kontinuierlich ausgelieferte Produktionsmenge wird täglich vollständig verbraucht. Das heißt:
12.4 Kostenoptimale Nachschubmengen
169
60.000
kontinuierliche Anlieferung Optimale Nachschubmenge [VE/NAuf)
50.000
geschlossene Anlieferung ohne PB geschlossene Anlieferung mit PB
40.000
30.000
20.000
10.000
0 0
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
1.600
1.800
2.000
2.200
Absatz [VE/PE]
Abb. 12.3 Bedarfsabhängigkeit der kostenoptimalen Nachschubmenge für kontinuierliche und geschlossene Anlieferung mit und ohne Produktionsbegrenzung (PB) Produktionsgrenzleistung: 2.100 VE/AT übrige Parameter: s. Abb. 12.2
䉴 Die Losgrößenfertigung geht bei Annäherung des Bedarfs an die Pro-
duktionsgrenzleistung in eine kontinuierliche Fertigung über. In der Praxis ist die Produktionslosgröße in der Regel nach oben begrenzt, weil nach einer maximalen Laufzeit TPmax, in der die maximale Produktionsmenge mPmax = TPmax . µ gefertigt werden kann, die Anlage zur Durchführung planmäßiger Wartungs- und Reinigungsarbeiten abgeschaltet werden muß. Wenn aus technologischen Gründen auch noch eine minimale Produktionsmenge mPmin vorgegeben ist, gilt für die Nachschubmengenrechnung die Nebenbedingung mPmin £ m N £ mPmax . Wenn bei der Anlieferung und Lagerung teilgefüllte Ladeeinheiten entstehen oder wegen fester Lagerordnung die Lagerplatzkosten für den maximalen Lagerbestand anfallen, erhöhen sich die Lagerlogistikkosten (12.8) um entsprechende Zusatzterme. Dadurch verändert sich die kosten-
170
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
600
8.000
Nachlieferung
Lagerbestand
7.000
6.000 400 5.000
4.000
300
3.000
Bestand [VE]
Nachschubzulauf [VE/AT]
500
200 2.000 100 1.000
0
0 1
51
101
151
201
Absatztage [AT]
Abb. 12.4 Nachschubzulauf und Lagerbestand bei begrenzter Produktionsleistung und kontinuierlicher Anlieferung Stetig ansteigender stochastischer Bedarfsverlauf (s. Abb. 4.2) Mittlerer Tagesbedarf: Start 133 VE/Tag Ende 267 VE/AT Maschinengrenzleistung: 500 VE/AT
optimale Nachschubmenge (12.9) für die unbegrenzte Produktionsleistung (s. Beziehung (8.10) und (8.11)). Die Beziehungen (12.10) und (12.11) gelten auch für diese Fälle, wobei jedoch die veränderte Nachschubmenge (8.11) einzusetzen ist. Für ein Beispiel aus der Praxis zeigt Abb. 12.4 das Ergebnis einer Simulation des Nachschubzulaufs und des Lagerbestands, die sich für einen stetig ansteigenden stochastischen Bedarf aus der Strategie der kontinuierlichen Auslieferung bei optimaler Nachschublosgröße ergeben.
12.5 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand Der zur Sicherung einer Lieferfähigkeit ηlief erforderliche Sicherheitsbestand läßt sich mit der Standardformel für den dynamischen Sicherheitsbestand (7.4) berechnen. Nach Einsetzen von Beziehung (12.2) für die Wiederbeschaffungszeit und von Beziehung (12.10) für die Nachschubmenge resultiert aus (7.4) für den Fall der geschlossenen Anlieferung:
12.5 Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestand
171
䉴 Bei geschlossener Nachschubanlieferung steigt der Sicherheitsbestand
mit größerer Nachschubmenge wegen der zunehmenden Streuung in der immer länger werdenden Wiederbeschaffungszeit und wegen des zunehmenden Anteils der längeren Wiederbeschaffungszeit an der Nachschubzykluszeit. Für den Fall der kontinuierlichen Anlieferung ergibt sich nach Einsetzen von Beziehung (12.3) für die Wiederbeschaffungszeit und Beziehung (12.11) für die Nachschubmenge aus (7.4): 䉴 Bei kontinuierlicher Nachschubanlieferung sinkt der Sicherheitsbestand
mit zunehmender Nachschubmenge bei geringer Streuung in der gleichbleibend kurzen Wiederbeschaffungs wegen des abnehmenden Anteils der kurzen Wiederbeschaffungszeit an der Nachschubzykluszeit. Die gegenläufige Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Nachschubmenge bei geschlossener und bei kontinuierlicher Anlieferung zeigt Abb. 12.5 für ein Beispiel mit den gleichen Parametern wie Abb. 12.2. 4.000
Sicherheitsbestand [VE]
3.500
3.000
2.500 kontinuerliche Anlieferung
2.000
geschlossene Anlieferung 1.500
1.000
500
0 0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
Nachschubmenge [VE/NAuf]
Abb. 12.5 Abhängigkeit des Sicherheitsbestands von der Nachschubmenge für kontinuierliche und geschlossene Anlieferung Lieferfähigkeit: ηlief = 99% Übrige Parameter: s. Abb. 12.2
172
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
Bei kleinen Nachschubmengen, deren Fertigung weniger als einen Tag dauert, ist der Sicherheitsbestand für die geschlossene Auslieferung gleich dem Sicherheitsbestand bei kontinuierlicher Auslieferung. Bei sehr großen Nachschubmengen und kontinuierlicher Anlieferung wird der Anteil der Nachschubzeit an der Zykluszeit immer kleiner. Im Grenzfall l Æ m ist bei kontinuierlicher Anlieferung gar kein Sicherheitsbestand mehr erforderlich, da täglich eine neue Nachlieferung ankommt. Wenn der Bedarf λ größer ist als die Produktionsgrenzleistung µ einer Maschine, d.h. für λ > µ, kann er nicht mehr von einer Maschine gedeckt werden. Werden keine weiteren Maschinen hinzu genommen, wird der Absatz durch die Grenzleistung der einen Maschine gedrosselt und von dieser ununterbrochen produziert. Zugleich wächst der Auftragsbestand gemäß Beziehung (13.4) immer weiter an. Für den Fall λ > µ gelten die vorangehenden Dispositionsstrategien und Formeln zur Berechnung der Losgröße und des Bestellpunktes bei kontinuierlicher Anlieferung nicht mehr, denn der Faktor (1-λ/µ) ist in diesem Fall negativ und die Wurzel daraus unbestimmt.
12.6 Parallelproduktion bei großem Bedarf Übersteigt der Bedarf λ für einen Artikel die Produktionsgrenzleistung µ einer Anlage oder Maschine, kann er nur gedeckt werden, wenn mehrere Anlagen zur Verfügung stehen, auf denen der Artikel parallel gefertigt wird. Die zur Deckung eines anhaltenden Bedarfs λ > µ erforderliche Anzahl Produktionsmaschinen ist: NPM = {λ/µ} = AUFRUNDEN (λ/µ)
(12.13)
Von diesen Maschinen sind NPM-1 stets zu 100% ausgelastet. Eine Maschine ist nur teilweise ausgelastet. Sie arbeitet mit dem Auslastungsgrad (λ-(NPM-1) . µ)/µ, der unter 100% liegt. Wenn für die Produktion eines Artikels mehrere Maschinen zur Verfügung stehen, sind für den Lagernachschub folgende Fertigungsstrategien möglich: • diskontinuierliche Losgrößenfertigung auf allen verfügbaren Produktionsmaschinen • kontinuierliche Nachschubfertigung auf der minimalen Anzahl Produktionsmaschinen Sobald λ > µ wird, ist für beide Strategien eine kontinuierliche Auslieferung an das Fertigwarenlager unerläßlich, da andernfalls in der Produktionsstelle unwirtschaftlich hohe Bestände auflaufen würden.
12.6 Parallelproduktion bei großem Bedarf
173
Bei der diskontinuierlichen Losgrößenfertigung werden alle NPM verfügbaren Maschinen wie eine Gesamtanlage mit der NPM-fachen Grenzleistung NPM . µ und den NPM-fachen Rüstkosten disponiert. Dann kann die Nachschubdisposition nach den vorangehenden Algorithmen und Berechnungsformeln durchgeführt werden, wobei jedoch anstelle der Grenzleistung µ die erhöhte Grenzleistung NPM . µ einzusetzen und mit den NPMfachen Rüstkosten zu rechnen ist. Bei der kontinuierlichen Nachschubfertigung produziert die minimal erforderliche Anzahl Maschinen, die durch Beziehung (12.13) gegeben ist, den gleichen Artikel. Außer im Grenzfall λ = NPM . µ ist der Produktionsausstoß dieser Maschinen größer als der Bedarf. Eine permanente Produktion auf allen NPM Maschinen würde zu einem kontinuierlichen Anstieg des Lagerbestands führen. Daher muß die Produktion auf einer der Maschinen immer wieder unterbrochen werden. Die kostenoptimale Menge, nach deren Produktion eine Maschine abgeschaltet wird während die übrigen Maschinen weiter laufen, läßt sich mit Hilfe der Beziehungen (12.9) und (12.11) berechnen. Dazu ist anstelle des Bedarfs λ der ungedeckte Restbedarf (12.14) λ = λ - (N -1) . µ rest
PM
einzusetzen, der nach Abzug der Produktionsleistung der (N PM-1) voll ausgelasteten Maschinen übrig bleibt. Der Sicherheitsbestand und der Meldebestand, bei dessen Erreichen eine Maschine hinzu geschaltet wird, sind weiterhin mit dem vollen Absatz λ und dessen Streuung zu berechnen. Anders als bei der diskontinuierlichen Losgrößenfertigung, bei der gleichzeitig NPM Maschinen zu und abgeschaltet werden und daher die NPM-fachen Rüstkosten anfallen, wird bei der kontinuierlichen Nachschubfertigung nur eine Maschine zu- und abgeschaltet. Daher ist bei der kontinuierlichen Losgrößenfertigung in der Nachschubmengenformel (12.9) mit der einfachen Rüstzeit zu rechnen. Aus den geringeren Rüstkosten folgt die allgemeine Fertigungsregel: 䉴 Für Artikel mit einem anhaltend hohen Bedarf ist eine kontinuierliche
Nachschubfertigung auf der minimal erforderlichen Anzahl Produktionsmaschinen kostengünstiger als eine diskontinuierliche Losgrößenfertigung auf allen verfügbaren Maschinen. Bei einer dynamischen Disposition werden Nachschubmenge, Sicherheitsbestand, Meldebestand und die erforderliche Anzahl Produktionsmaschinen (12.13) unter Verwendung der aktuellen Prognosewerte täglich neu berechnet. Daraus ergibt sich selbstregelnd eine Anpassung der Anzahl Produktionsmaschinen an einen sich ändernden Bedarf, wenn das Zu- und
174
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
Abschalten nach folgenden Dispositionsregeln für die kontinuierliche Parallelproduktion erfolgt: • Sinkt der Bestand unter den aktuellen Meldebestand (12.4), wird spätestens nach der Startlieferzeit (12.3) eine Maschine hinzu geschaltet. • Wenn die von der zusätzlichen Maschine gefertigte Menge die aktuelle optimale Nachschubmenge (12.11) erreicht hat, wird diese oder eine andere Maschine abgeschaltet. Jeweils bis zur Umschaltentscheidung ist die Nachschubmenge mit der alten Maschinenanzahl (12.13) für den aktuellen Restbedarf (12.14) zu berechnen. Die Abb. 12.6 zeigt den simulierten Nachschubzulauf und den Lagerbestandsverlauf für einen Artikel, der sich nach den Dispositionsregeln für die kontinuierliche Parallelproduktion ergibt. Eine Produktionsmaschine läuft permanent durch. Bei Unterschreiten des Meldebestands wird nach einer Vorlaufzeit von 5 Tagen eine Maschine hinzu geschaltet. Nach Fertigstellung der optimalen Nachschubmenge wird die zusätzliche Maschine wieder freigegeben. In diesem Fallbeispiel sind die relevanten Kosten bei
1.200
12.000
Nachlieferung
Lagerbestand 10.000
800
8.000
600
6.000
400
4.000
200
2.000
0
Bestand [VE]
Nachschubzulauf [VE/AT]
1.000
0 1
51
101
151
201
Absatztage [AT]
Abb. 12.6 Nachschubzulauf und Lagerbestand bei kontinuierlicher Nachschubfertigung auf Paralellanlagen Stetig ansteigender stochastischer Bedarfsverlauf (s. Abb. 4.2) Mittlerer Tagesbedarf: Start 467 VE/Tag Ende 933 VE/AT Maschinengrenzleistung: 500 VE/AT Startlieferzeit: 5 AT Anzahl Produktionsmaschinen: minimal 1, maximal 2
12.7 Strategieanpassung
175
einer kontinuierlichen Parallelproduktion um 50% geringer als bei einer Losgrößenfertigung mit geschlossener Auslieferung.
12.7 Strategieanpassung Solange nur eine Produktionsmaschine benötigt wird, also für den Fall NPM = 1, bewirken die Dispositionsregeln für die kontinuierliche Parallelproduktion den gleichen Nachschub- und Bestandsverlauf wie die Disposition nach dem Meldebestandsverfahren mit kontinuierlicher Anlieferung (s. Abb. 12.4). Sie sind also eine Verallgemeinerung des in Abschnitt 6.4 dargestellten Meldebestandsverfahrens. Das einfache Meldebestandsverfahren mit dem Abruf einer Nachschubmenge mN ist anwendbar, solange die reine Produktionszeit mN/µ der Nachschubmenge kürzer ist als ein Arbeitstag. Wenn für die Produktion der Nachschubmenge mehr als ein Tag benötigt wird, ist die Wiederbeschaffungszeit gemäß Beziehung (12.1) von der Nachschubmenge abhängig. Dann ist ein Strategiewechsel zur kontinuierlichen Parallelproduktion erforderlich. Bei einer dynamischen Disposition wird die Nachschubmenge täglich aus dem aktuellen Prognosewert des Bedarfs neu berechnet. Wenn der Bedarf während der Produktionszeit ansteigt, erhöht sich die aktuelle Nachschubmenge, was zu einer längeren Laufzeit der zusätzlichen Produktionsmaschine führt. Fällt der Bedarf während der Produktionszeit, so sinkt die aktuelle Nachschubmenge, wodurch sich die Laufzeit der zusätzlichen Maschine verkürzt. Auf diese Weise passen sich die Strategieparameter permanent einem sich verändernden Bedarf an. Eventuelle Abweichungen des Bedarfs von der kurzfristigen Prognose zum Zeitpunkt des Nachschubabrufs werden laufend korrigiert. Daher ist die kurzfristige Bedarfsprognose für die dynamische Disposition auch bei längerer Produktionszeit völlig ausreichend. Die dynamische Disposition bei begrenzter Produktionsleistung zeigt die enge Wechselwirkung zwischen Lagerdisposition und Fertigungsdisposition. Allgemein gilt der Grundsatz: 䉴 Nur bei enger Abstimmung von Lagerdisposition und Fertigungsdispo-
sition ist das Ziel minimaler Gesamtkosten bei kurzen Lieferzeiten und geringen Beständen erreichbar. Das gilt auch für Fremdprodukte und Handelsware, bei denen die produzierende Lieferstelle zu einem anderen Unternehmen gehört als die Verbrauchs- oder Verkaufsstelle.
176
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
12.8 Opportunität der Auftragsfertigung Wie in Abschnitt 8.6 gezeigt, ist für Artikel, deren Bedarf anhaltend größer ist als die Lageropportunitätsgrenze = 1/ . m /n (12.15) λ Lopp
2
Nopt
D
die Auftragsfertigung mit nD Tagen Bündelung kostengünstiger als eine Lieferung ab Lager. Bei täglicher Auftragsbündelung, also für nD = 1 AT, ist hiernach die Auftragsfertigung kostengünstiger, wenn der Tagesbedarf größer ist als die halbe optimale Nachschubmenge mNopt. Nach der Regel der lageropportunen Liefermenge sind auch Großaufträge mit Bestellmengen größer als die halbe optimale Nachschubmenge kostengünstiger direkt zu fertigen und nicht ab Lager auszuliefern. Wenn bei begrenzter Produktionsleistung die gesamte Nachschubmenge von der Lieferstelle erst komplett fertiggestellt und dann geschlossen an das Lager angeliefert wird, ist die optimale Nachschubmenge gemäß Beziehung (12.10) um den Faktor 1+ l / m kleiner als bei unbegrenzter Produktionsleistung. Daraus folgt: 䉴 Bei geschlossener Anlieferung und begrenzter Produktionsleistung ver-
schiebt sich die Opportunitätsgrenze der Auftragsfertigung mit zunehmendem Bedarf zu kleineren Werten. Bei einem Bedarf nahe der Produktionsgrenzleistung reduziert sich die Opportunitätsgrenze um den Faktor √2. Wenn der Nachschub bei begrenzter Produktionsleistung kontinuierlich an das Lager geliefert wird, ist die optimale Nachschubmenge gemäß Beziehung (12.11) um den Faktor 1– l / m größer als bei unbegrenzter Produktionsleistung. Das heißt: 䉴 Bei kontinuierlicher Anlieferung und begrenzter Produktionsleistung
verschiebt sich die Opportunitätsgrenze der Auftragsfertigung mit zunehmendem Bedarf zu höheren Werten. Wenn der Gesamtbedarf die Grenzleistung einer Produktionsmaschine erreicht oder überschreitet und der Lagernachschub kontinuierlich auf einer minimalen Anzahl von Maschinen gefertigt wird, ist für alle Aufträge die Lagerfertigung kostenoptimal. Großaufträge mit Bestellmengen, die größer sind eine Tagesproduktion, können nicht geschlossen aus dem täglichen Nachschubzulauf erfüllt werden. Die Ausführung solcher Großaufträge erfordert daher eine längere Lieferzeit als die Lagerauslieferung kleinerer Aufträge. Das bedeutet:
12.9 Direktversorgung über Pufferplätze (Crossdocking)
177
• Großaufträge, deren Bestellmenge größer ist als eine Tagesproduktion oder größer als die halbe optimale Lagernachschubmenge, werden aus der laufenden Produktion erfüllt. Wenn zusätzlich zu den kontinuierlich produzierenden Maschinen keine weitere Maschine läuft, ist zur Produktion der Bestellmenge eines Großauftrags eine Zusatzmaschine hinzu zu schalten. Wenn bereits eine Zusatzmaschine läuft, sind die Bestellmengen der Großaufträge zu der optimalen Nachschublosgröße für den Lagerbedarf zu addieren. Dadurch verlängert sich die Einsatzzeit der Zusatzmaschine.
12.9 Direktversorgung über Pufferplätze (Crossdocking) Bei einer Lagerfertigung ebenso wie bei einer Auftragsfertigung sind folgende Versorgungsstrategien möglich (s. Abb. 12.7): • Indirekte Versorgung über Lager: Alle erzeugten oder angelieferten Ladeeinheiten werden zunächst auf einen Lagerplatz eingelagert und bei aktuellem Bedarf ausgelagert und zur Verbrauchs- oder Versandstelle befördert. • Direktversorgung über Pufferplätze: Wenn nach Fertigstellung oder Anlieferung einer vollen Ladeeinheit eine Verbrauchs- oder Versandstelle den Artikel benötigt und in deren Eingangspuffer Platz ist, wird diese am Lager vorbei direkt zur Verbrauchs- oder Versandstelle befördert. In den Logistikbetrieben des Handels und der Konsumgüterindustrie wird die Direktversorgung über Pufferplätze als Crossdocking bezeichnet. Dort werden die angelieferten Ladeeinheiten bei aktuellem Bedarf direkt aus dem Wareneingang zu den Versandbereitstellplätzen im Warenausgang befördert [Gudehus 2005]. Mit der Strategie der Direktversorgung über Pufferplätze werden das Einlagern, die Belegung von Lagerplatz und das Auslagern eingespart. Die Einspareffekte sind um so größer je höher der Anteil der am Lager vorbeilaufenden Ladeeinheiten ist. Bei einer Direktversorgung über dezentrale Pufferplätze ist eine analoge Disposition möglich wie bei der indirekten Versorgung über Lager. Daraus resultiert die Dispositionsstrategie des virtuellen Zentrallagers (s. Abschnitt 13.8): • Die optimale Nachschubmenge, der Sicherheitsbestand und der Meldebestand aller Artikel werden täglich aus dem prognostizierten Summenbedarf aller Verbrauchsstellen neu berechnet. Wenn der aktuelle Gesamtbestand, der die Summe des Bestands im Ausgangspuffer der Pro-
178
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
duktionsstelle, auf dem Transport, im Lager und in den Eingangspuffern der Verbrauchs- oder Versandstellen ist, unter den Meldebestand sinkt, wird bei der Produktionsstelle die Fertigung der optimalen Nachschubmenge ausgelöst. Bei Bedarf kleiner als die Produktionsleistung einer Anlage wird die optimale Nachschubmenge (12.11) an einem oder in wenigen Tagen produziert und kontinuierlich ausgeliefert. Bei Bedarf größer als die Grenzleistung produzieren eine oder mehrere Anlagen kontinuierlich durch. Eine weitere Anlage wird nach Unterschreiten des Meldebestands oder bei Eintreffen eines Großauftrags solange hinzu geschaltet, bis der Gesamtbestand die Summe von Sicherheitsbestand (12.12) und optimaler Losgröße (12.11) erreicht hat bzw. bis der Großmengenauftrag ausgeführt ist.
indirekte Versorgung über Lager
PS
LE
LB
LE
VS
LE
λP
λV
Direktversorgung über Pufferplätze
LB wenn ME = CEV d.h. für λP > λV
wenn ME ≤1 und MA = 0 d.h. für λP < λV LE
PS
LE
LE
LE
LE
LE LE
VS
wenn λP = λV
CAP
CEV
Abb. 12.7 Indirekte Versorgung über Lager und Direktversorgung über Pufferplätze PS: Produktionsstelle LB: Lagerbereich CAP: Kapazität Ausgangspuffer PS λP : aktueller Produktionsausstoß
VS: Verbrauchsstelle CEP: Kapazität Eingangspuffer VS λV : aktueller Verbrauch
12.9 Direktversorgung über Pufferplätze (Crossdocking)
179
Für die Strategie der indirekten Versorgung über Lager sind nach Fertigstellung einer Ladeeinheit keine weiteren Entscheidungen erforderlich, da alle Ladeeinheiten ins Lager gehen. Für die Strategie der Direktversorgung müssen Dispositionsprogramm oder Disponent – wie in Abb. 12.7 dargestellt – laufend folgende Entscheidungen treffen: • Wenn der Bestand des Ausgangspuffers der Produktionsstelle größer als dessen Kapazität wird und im Eingangspuffer mindestens einer Verbrauchs- oder Versandstelle mit aktuellem Bedarf Platz frei ist, wird die Ladeeinheit direkt zu der Verbrauchs- oder Versandstelle mit dem kleinsten Pufferbestand befördert. • Wenn der Ausgangspuffer der Produktionsstelle überläuft und im Eingangspuffer keiner Verbrauchs- oder Versandstelle mit aktuellem Bedarf Platz frei ist, wird die Ladeeinheit zum Lager befördert und dort eingelagert. • Wenn der Bestand im Eingangspuffer einer Verbrauchs- oder Versandstelle mit aktuellem Bedarf unter eine Ladeeinheit sinkt und sich keine volle Ladeeinheit im Ausgangspuffer der Produktionsstelle oder auf dem Weg befindet, wird eine volle Ladeeinheit aus dem Lager abgerufen und zu der betreffenden Verbrauchs- oder Versandstelle befördert. Auf diese Weise wechseln selbstregelnd drei Betriebsphasen einander ab: 1. Phase λP = λV: Der Produktionsausstoß ist gleich dem Verbrauch. Der gesamte Produktionsausstoßes läuft direkt zu den Verbrauchs- oder Versandstellen. Das Lager wird nicht in Anspruch genommen. 2. Phase λP > λV: Der Produktionsausstoß ist größer als der Verbrauch. Der sofort benötigte Anteil λV des Produktionsausstoßes läuft direkt zu den Verbrauchs- oder Versandstellen. Der nicht benötigte Anteil λP-λV geht ins Lager. 3. Phase λP < λV: Der Produktionsausstoß ist kleiner als der Verbrauch. Der gesamte Produktionsausstoß λP läuft direkt zu den Verbrauchsoder Versandstellen. Der von der Produktion nicht gedeckte Bedarf λVλP kommt aus dem Lager. Wenn der Nachschubbedarf der Verbrauchsstelle jeweils nach Leerung eines Behälters über Karten oder elektronisch ausgelöst wird, erscheint die Direktauslieferung über Pufferplätze aus Sicht der Verbrauchsstelle wie ein Kanban-Nachschub. Im Unterschied zum Kanban-Verfahren ist die Nachschubmenge der Fertigung jedoch nicht durch die Kapazität des einzelnen Behälters festgelegt. Sie wird vielmehr täglich für den aktuellen Gesamtbedarf aller Verbrauchsstellen neu berechnet. Nur wenn der Behälterinhalt gleich der kostenoptimalen Nachschubmenge für den Gesamtbedarf ist, stimmt das Kanban-Verfahren mit der Direktnachschubstrategie überein.
180
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
Andernfalls führt es zu höheren Kosten und einer geringeren Warenverfügbarkeit (s. Abschnitt 6.3 und 11.6). Bei einer Gesamtkapazität NP . CAP [LE] von NP Produktionsausgangspuffern der Kapazität CAP und einer Gesamtkapazität NV . CEV [LE] von NV Verbrauchseingangspuffern der Kapazität CEV wird unter Berücksichtigung der {Ttr . λP/CLE} Ladeeinheiten, die bei einem Produktionsausstoß λP in der Transportzeit Ttr unterwegs sind, bei einer Direktversorgung zur Unterbringung eines aktuellen Gesamtbestands mB [VE] folgender Lagerplatz benötigt: MLP = MAX (0; {mB/CLE} - (NP . CAP + NV . CEV) - {Ttr . λP/CLE}) [LE]. (12.16) Wenn jeweils eine Ladeeinheit von der Produktionsanlage befüllt wird und eine auf Abholung wartet, sind der erste und der letzte Platz eines Produktionsausgangspuffers im Mittel nur halb voll. In jedem Produktionsausgangspuffer befinden sich dann im Mittel CAP-1 Ladeeinheiten. Bei Einzelverbrauch ist in jedem Verbrauchsbuffer der Zugriffsbereitstellplatz halb gefüllt. Der erste Anlieferplatz wartet die halbe Zeit leer auf Nachschub. Dann befinden sich in jedem Verbrauchseingangspuffer im Mittel CEV-1 Ladeeinheiten. Daraus folgt die Lagerplatzeinsparung durch Direktversorgung: 䉴 Durch eine Direktversorgung von NV Verbrauchs- oder Versandstellen
mit der Pufferkapazität CEV aus NP Produktionsstellen mit der Pufferkapazität CAP läßt sich der Gesamtlagerplatzbedarf bei Einzelzulauf der Ladeeinheiten reduzieren um [LE]. (12.17) ∆ = N . (C -1) + N . (C -1) LP
P
AP
V
EV
Werden die Ladeeinheiten nicht einzeln sondern schubweise – beispielsweise als Ganzladungen mit Sattelaufliegern – aus der Produktion zu den Bedarfsstellen befördert, reduziert sich die Lagerplatzeinsparung (12.17). Wenn für einen Artikel die Summe der Pufferkapazitäten der Produktion und der Verbrauchsstellen sowie der Ladeeinheiten auf dem Weg größer als ist die Anzahl {mBmax/CLE} der Ladeeinheiten für den maximalen Bestand mBmax, wird bei einer Direktversorgung überhaupt kein Lagerplatz benötigt. Dann läuft die gesamte Produktion direkt zu den Verbrauchsstellen. Auch wenn dadurch die Lagerplatzkosten und die Kosten für das Einund Auslagern vollständig eingespart werden könnten, ist eine beliebige Vergrößerung der Pufferplatzkapazität in der Produktion, an den Verbrauchsstellen oder im Versand nur in wenigen Fällen möglich und nur selten wirtschaftlicher als die Unterbringung temporärer Überstände in einem Lager. Das liegt daran, daß die Flächen in der Produktion und nahe
12.10 Effiziente Versorgung und kontinuierlicher Nachschub
181
den Verbrauchsstellen in der Regel knapp und die dezentralen Platzkosten weitaus höher sind als die Platzkosten in einem Zentrallager, das sich durch rationelle Lagertechnik optimieren läßt [Gudehus 2005]. Das Kostenoptimum der Bestandsverteilung auf dezentrale Pufferplätze und zentrale Lagerplätze ist im Prinzip bestimmbar durch Berechnung und Vergleich der dispositionsrelevanten Lagerlogistikkosten für unterschiedliche Anzahlen von Pufferplätzen. Bei der Direktversorgung ist bis zu einem Bestand CAP+CEP mit den höheren Pufferplatzkosten und für den darüber hinausgehenden Bestand (12.16) mit den geringeren Lagerplatzkosten zu rechnen. Bei der indirekten Versorgung über Lager sind die Ein- und Auslagerkosten für den gesamten Ladeeinheitenstrom zu berücksichtigen. Bei der Direktversorgung entstehen in der Phase λP > λV nur die Einlagerkosten für den Differenzstrom λP-λV und in der Phase λV > λP nur die Auslagerkosten für den Differenzstrom λV-λP. Eine solche Optimierung der Versorgungsstrategie ist jedoch nur im Einzelfall bei hinreichend genauer Kenntnis der Kostensätze durchführbar.2
12.10 Effiziente Versorgung und kontinuierlicher Nachschub Die zuvor entwickelten Dispositionsstrategien sind grundlegend für das sogenannte ECR (efficient consumer response), also für die effiziente Versorgung von Verbrauchsstellen. Für Produkte mit anhaltend hohem Verbrauch, wie täglich benötigte Konsumgüter (fast running consumer goods), führen diese Strategien selbstregelnd zu einem kontinuierlicher Nachschub bei minimalen Kosten. Sie sind daher für das sogenannte CRP (continuous replenishment) von zentraler Bedeutung. Wenn alle Stationen einer mehrstufigen Lieferkette nach diesen Strategien arbeiten, entfallen auch die gravierendsten Ursachen des sogenannten Peitschenknalleffekts (s. Abschnitt 13.8), denn: 1. Die kontinuierliche Nachschubauslieferung vermindert die großen Bestandssprünge, die bei geschlossener Auslieferung großer Nachschubmengen auftreten. 2. Die kontinuierliche Parallelproduktion führt auch bei großem Bedarf zu minimalen Ausliefermengen und reduziert damit die Schwankungen des Nachschubzulaufs.
2 Die allgemeine analytische Lösung dieses Optimierungsproblems und deren Überprüfung durch Simulationsrechnungen sind reizvolle und lohnende, aber nicht ganz einfache Aufgaben für die Logistikforschung.
182
12 Disposition bei begrenzter Produktionsleistung
3. Die Direktversorgung über Pufferplätze verhindert ebenso wie das Crossdocking den Aufbau großer Lagerbestände und reduziert die Einund Auslagerkosten. Diese Dispositionsstrategien eröffnen daher erhebliche Potenziale für die Versorgungsketten innerhalb eines Unternehmens wie auch für das unternehmensübergreifende Supply Chain Management.
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
Eine zentrale Disposition der Aufträge, Bestände und Ressourcen eines Unternehmensnetzes oder eines unternehmensübergreifenden Versorgungsnetzwerks ist nach dem Subsidiaritätsprinzip nur soweit sinnvoll, wie sich damit die Ziele der beteiligten Unternehmen besser erreichen lassen als durch eine dezentrale Disposition der einzelnen Leistungsbereiche und Teilnetze (s. Abschnitt 2.4). Voraussetzungen für eine Zentraldisposition sind Klarheit und Einvernehmen aller Beteiligten über die gemeinsamen Ziele. Ohne eine berechenbare Zielfunktion, wie die dispositionsabhängigen Gesamtkosten, und ohne Messung der Zielwerte ist eine Zentraldisposition auf die Dauer zum Scheitern verurteilt. Die Gefahren einer zu weit gehenden Zentralisierung der Planung und Disposition hat das Versagen der Planwirtschaft in den sozialistischen Ländern gezeigt. Viele Großunternehmen, die in der Blütezeit des Sozialismus ebenfalls zum Zentralismus neigten, bemühen sich heute, dezentrale Strukturen mit eigenständigen Entscheidungsvollmachten einzuführen. Das gelingt jedoch nur schwer, da Manager und Theoretiker immer noch eine große Neigung für zentral gelenkte Strukturen haben und von den elektronisch vernetzten ERP-, APS- und SCM-Systemen neue Wunder erwarten [Fritsche 1999; Prockl 2001; Schmidt 2000]. Nachweisbare, oft aber nur begrenzte Kosteneinsparungen oder Verbesserungen von Lieferzeiten und Lieferfähigkeit sind mit Hilfe einer Zentraldisposition möglich durch: • • • • • •
Plangesteuerte Disposition Engpaßstrategien Bestandszentralisierung Zentraldisposition dezentraler Bestände Fertigungszentralisierung Begrenzung der Bedarfsaufschaukelung
(13.1)
Nach einer Analyse der grundsätzlich möglichen Dispositionstrategien für mehrstufige Leistungsketten werden nachfolgend die wichtigsten Hand-
184
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
lungsspielräume und Effekte einer zentralen Netzwerkdisposition behandelt.
13.1 Disposition mehrstufiger Leistungsketten Wenn an der Ausführung eines Lieferauftrags eine Kette oder ein Netzwerk von Leistungsstellen beteiligt ist, hat jede einzelne Stelle drei verschiedene Möglichkeiten zur Terminierung der ihr erteilten Aufträge: Vorwärtsterminierung, Rückwärtsterminierung und freie Terminierung (s. Abb. 5.1). Ist die zulässige Lieferzeit für das Endprodukt länger als die Summe der Durchlaufzeiten der nacheinander beteiligten Leistungsstellen, besteht ein weiterer Dispositionsspielraum in der Festlegung der Zwischenstarttermine der einzelnen Leistungsstellen [Gudehus 1999/2005]. Bei rein dezentraler Disposition ergeben sich die Zwischenstarttermine selbstregelnd. Sie können aber auch von einer Zentraldisposition so festgelegt werden, daß ein bestimmtes Gesamtziel erreicht wird, wie minimale Gesamtkosten oder eine vereinbarte Lieferzeit. Strategieparameter der zentralen Auftragsdisposition sind dabei die Zeitpuffer und Warenpuffer zwischen den einzelnen Leistungsstellen. Zur Erläuterung zeigt die Abb. 13.1 oben die Disposition mit Zeitpuffern zwischen den beteiligten Leistungsstellen und unten den Extremfall einer durchgängigen Just-In-Time-Disposition ohne Zwischenpufferzeiten und ohne Lagerbestände. Die Kombination von zentraler oder dezentraler Disposition mit dem Push- und dem Pull-Prinzip führt zu den in Abb. 13.2 gezeigten vier grundlegenden 䉴 Dispositionsstrategien für mehrstufige Leistungsketten:
• • • •
dezentrale Pulldisposition, dezentrale Pushdisposition, zentrale Pulldisposition, zentrale Pushdisposition.
(13.2)
Bei einer bilateralen dezentralen Disposition durch die frei agierenden Marktteilnehmer stellt sich in einem Markt ohne Versorgungsengpässe selbstregelnd entweder ein relatives oder ein absolutes gesamtwirtschaftliche Optimum ein. Nach jeder Bestellung ist grundsätzlich ein Wechsel der Lieferbeziehung möglich. Die dezentrale Disposition arbeitet wie die unsichtbare Hand von Adam Smith und ist das Merkmal der freien Marktwirtschaft [Gudehus 2007; Smith 1789].
13.1 Disposition mehrstufiger Leistungsketten
185
Abb. 13.1 Freie Terminierung und Just-In-Time Disposition einer Leistungskette LSi : Leistungsstellen STi : Starttermine VPi : Vorpufferzeiten
GDZ: Gesamtdurchlaufzeit DZi : Durchlaufzeiten von LSi
Nachteile der dezentralen Disposition sind jedoch lange Reaktionszeiten bei neuen Auftragsarten und Produkten und das schwer vorhersehbare Verhalten bei größeren Bedarfsschwankungen und Engpässen. Diese Nachteile verstärken sich, wenn eine Stelle der Lieferkette ohne Rücksicht auf das Gesamtoptimum einen unnötig großen Teil des Handlungsspielraums verbraucht und den übrigen Stellen zu wenig Spielraum läßt.
186
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
Zentrale Push- oder Pulldispostion Beschaffung
AE
ZD
LS
BA
BA
LS1
Auftrag
BA
LS2
LS
LS3
LS4
Dezentrale Pulldisposition Auftrag
Beschaffung AE
AB
AE
AB
AE
AB
LS
LS
LS1
LS2
LS3
LS4
Dezentrale Pushdisposition Auftrag
BA
LS1
BA
LS2
B
A
LS3
LS
LS4
Abb. 13.2 Dezentrale und zentrale Disposition nach dem Pullprinzip und dem Pushprinzip Æ LSi : AE: BA:
Materialfluß Leistungsstellen Auftragseingang Begleitauftrag
·····> ZD: AB: LS:
Datenfluß Zentraldisposition Auftragsbestätigung Lieferschein
Die Pulldisposition ist typisch für gesättigte Märkte, deren Angebot größer ist als die Nachfrage. Sie gewinnt daher in den hochindustrialisierten Ländern mit einer freien Marktwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Unternehmen der Automobilindustrie, der Computerbranche, der Möbelindustrie, der Textilindustrie und anderer Branchen, die lange Zeit ihre Produkte nach dem Pushprinzip in die Märkte hineingedrückt
13.3 Dezentrale Pushdisposition
187
haben, stellen heute die Produktion und Disposition auf das Pullprinzip um (customized production/production on demand). Auch ein Fachbuch wie dieses wird nicht mehr wie früher in der Erstauflage in großer Stückzahl gedruckt und bis zum Verkauf des letzten Exemplars über Jahre gelagert oder unter Umständen am Ende teilweise vernichtet. Das Buch wird vielmehr abhängig vom laufenden Verkauf in kleineren Teilmengen gedruckt (print on demand).
13.2 Dezentrale Pulldisposition Bei der dezentralen Pulldisposition gehen die externen Aufträge direkt in der letzten Leistungsstelle ein. Diese disponiert unter Berücksichtigung ihres aktuellen Auftrags- und Lagerbestands sofort den Starttermin und die Vorpufferzeit des im eigenen Leistungsbereich liegenden Auftragsteils und gibt terminierte Zulieferaufträge an die voranliegenden Liefer-, Leistungs- und Produktionsstellen weiter. Die voranliegenden Stellen verfahren mit den ihnen erteilten Aufträgen ebenso, bis die Auftragsprozeßgrenze erreicht ist, an der ohne Zeitverzug auf anonym vorgefertigte Lagerbestände oder die frei verfügbare Ausstoßmenge einer kontinuierlichen Produktion zugegriffen werden kann. Auf diese Weise ziehen die einzelnen Leistungsstellen, die zueinander in einem Kunden-Lieferanten-Verhältnis stehen, nacheinander aus den vorangehenden Stellen das Auftragsergebnis ab. Daher heißt das Verfahren Pullprinzip. Die einfachste Realisierung des dezentralen Pullprinzips ist das mehrstufige Kanban-Verfahren (s. Abschnitt 6.3). Die dezentrale Pulldisposition läßt sich für mehrstufige Lieferketten und ausgedehnte Versorgungsnetze organisatorisch und informationstechnisch am leichtesten realisieren. Sie arbeitet selbstregelnd und wird daher zwischen den unabhängigen Unternehmen einer freien Marktwirtschaft am häufigsten praktiziert. Auch innerhalb eines Branchennetzwerks, beispielsweise zwischen den Werken und Zulieferfirmen der Hersteller von Automobilen, Haushaltsgeräten, Unterhaltungselektronik und Computern, hat sich die dezentrale Pulldisposition bewährt.
13.3 Dezentrale Pushdisposition Bei der dezentralen Pushdisposition laufen die externen Aufträge in die erste Leistungsstelle einer Liefer- und Leistungskette ein, die damit zugleich Auftragsannahmestelle ist. Der Auftrag kann zusammen mit einem Auf-
188
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
tragsgegenstand ankommen. Für ein Produktionssystem sind die Auftragsgegenstände Vorprodukte, Material oder Leitteile, die in der Leistungskette zu bearbeiten sind. Für ein Frachtnetz ist der Auftragsgegenstand ein Paket oder eine Sendung aus mehreren Frachtstücken, die von der Annahmestelle über eine oder mehrere Umschlagstellen zu einem Zielort zu befördern sind [Gudehus 1999]. Die erste Leistungsstelle disponiert ihren eigenen Starttermin und gibt ihr Auftragsergebnis mit oder ohne Vorankündigung an die nächste Leistungsstelle zur Bearbeitung weiter. Diese bekommt ihre Anweisungen von dem begleitenden Auftrag. Der vom Auftraggeber bestimmte Empfänger erhält das bestellte Auftragsergebnis – das fertige Produkt oder den Sendungsinhalt – von der letzten Leistungsstelle. Auf diese Weise schiebt eine Leistungsstelle der nächsten Stelle den Auftrag zusammen mit dem Auftragsgegenstand zu. Das daher so genannte Pushprinzip wird in der Werkstattfertigung eingesetzt. Es wird auch von Post, Bahn, Paketdiensten und Spediteuren zur Ausführung von Beförderungsaufträgen praktiziert [Dangelmaier et al. 2002].
13.4 Zentrale Netzwerkdisposition Bei der zentralen Netzwerkdisposition laufen alle externen Aufträge, Bestandsinformationen und Fertigmeldungen über einen Zentralrechner zu einem Auftragszentrum, das mit besonderes qualifizierten Disponenten besetzt ist. Der Rechner führt alle Standardfunktionen der Disposition weitgehend selbständig aus und erzeugt Entscheidungsvorschläge für die Disponenten. Vom Zentralrechner oder vom Auftragszentrum werden die Aufträge erfaßt, in interne Teilaufträge zerlegt, geeignete Leistungsstellen mit freier Kapazität ausgewählt und diesen die terminierten Teilaufträge zugewiesen (s. Abb. 13.2 oben). Die Zerlegung der externen Aufträge, die Auswahl der Leistungsstellen, die Festlegung der Zwischentermine, Pufferzeiten und Bestände sowie die Bündelung von Teilaufträgen werden nach Zentralstrategien ausgeführt (s. Abschnitt 2.3). Die zentrale Disposition strebt damit an, die zeitlichen Handlungspielräume und die unterschiedlichen Bündelungs- und Zuweisungsmöglichkeiten so zu nutzen, daß ein Gesamtoptimum erreicht wird. Bei der zentralen Pushdisposition wird vom Auftragszentrum ein Startauftrag – gegebenenfalls zusammen mit einem Auftragsgegenstand – an die erste Stelle der Leistungskette gegeben. Diese übergibt das Auftragsergebnis an die nächste angewiesene Stelle, die bereits vom Auftragszentrum
13.5 Kombination von dezentraler und zentraler Disposition
189
den zugehörigen Teilauftrag erhalten hat. Die Leistungskette arbeitet nach dem Pushprinzip, da eine Stelle den Auftragsgegenstand unmittelbar nach Fertigstellung an die nächste Stelle weitergibt. Die Zwischenprodukte lagern – wenn überhaupt – nur in den Empfangsstellen. Die zentrale Pushdisposition ist typisch für die sozialistische Planwirtschaft und für ungesättigte Märkte, deren Nachfrage größer ist als das Angebot. Sie wird heute eingesetzt für die Beschaffung und Distribution von Aktionsware, zur Markteinführung eines neuen Produkts oder bei der Versorgung einer Großbaustelle. Bei der zentralen Pulldisposition geht der Startauftrag an die letzte Leistungsstelle mit der Anweisung, von sich aus rechtzeitig vor dem Starttermin den Auftragsgegenstand und das benötigte Material von den Zulieferstellen anzufordern. Diese werden zuvor durch das Auftragszentrum darüber informiert, welche Stellen zu welcher Zeit welche Zwischenprodukte bei ihnen anfordern werden. Die Leistungskette arbeitet nach dem Pullprinzip. Die Zwischenprodukte lagern bei den Abgabestellen.
13.5 Kombination von dezentraler und zentraler Disposition Zentrale und dezentrale Disposition haben Vor- und Nachteile. Der Vorteil des einen Verfahrens ist oft der Nachteil des anderen. Daher liegt es nahe, durch eine Kombination von dezentraler und zentraler Disposition die Vorteile beider Dispositionsarten zu erreichen und deren Nachteile zu vermeiden. Für Sachgüter und für Leistungen mit regelmäßigem und anhaltendem Bedarf, also für den reinen Pullbedarf, lassen sich die Nachteile der dezentralen Disposition durch eine Zentralplanung der Ressourcen, eine Abstimmung der Auftrags- und Lieferprozesse und eine Standardisierung der Schnittstellen, Daten und Logistikeinheiten weitgehend vermeiden. Wenn das Versorgungsnetzwerk zuvor gut geplant wurde, kann jede Stelle für sich nach dem Verfahren der dynamischen Disposition arbeiten, solange keine Engpässe auftreten. Daraus folgt als Benchmark für die zentrale Disposition: 䉴 Die nach guter Vorplanung und Abstimmung mit einer dezentralen Dis-
position erreichbaren Kosten und Servicegrade sind der Maßstab für den Zusatznutzen jeder Zentraldisposition. Eine Zentralstrategie ist unternehmensübergreifend nur durchsetzbar, wenn sich dadurch die Kosten möglichst aller beteiligten Unternehmen senken lassen und für kein Unternehmen erhöhen. Ohne genaue Kenntnis des Versorgungsnetzes ist es nicht möglich, zu beurteilen, welche Zentral-
190
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
strategie in welchem Ausmaß zu geringeren Gesamtkosten führt als die gut vorbereitete dezentrale Disposition [Inderfurth 2000]. Unstrittig sind die Vorteile einer Zentraldisposition zur kostenoptimalen und termingerechten Deckung eines Planbedarfs, wie die Beschaffung und Erzeugung von Aktionsware. Auch in Engpaßsituationen, für ein virtuelles Zentrallager und für die Belieferung aus einem Zentrallager kann die Zentraldisposition vorteilhaft sein (s. Abschnitt 13.8). Abgesehen von diesen Fällen aber sind die Auswahl- und Einsatzkriterien für die Zentralstrategien und die Potentiale anderer denkbarer Teil- und Gesamtstrategien bisher noch wenig erforscht. Die zweckmäßige Kombination von zentraler und dezentraler Disposition und der richtige Strategiemix lassen sich bisher nur für ein bekanntes Netzwerk unter Berücksichtigung der konkreten Unternehmensziele entwickeln. Die Komplexität größerer Netzwerke wird beherrschbar mit Hilfe der in Abschnitt 2.4 eingeführten Grundprinzipien der Subsidiarität und der Entkopplung. Hier ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten.
13.6 Engpaßstrategien Aus dem prognostizierten mittelfristigen Bedarfsverlauf (4.9) lassen sich kommende Bedarfsspitzen ablesen und zukünftige Produktionsengpässe erkennen. Das gilt für den Bedarf der Fertigerzeugnisse ebenso wie für den aus dem Primärbedarf über Stücklistenauflösung abgeleiteten Sekundärbedarf. Die Summe des für die Periode t prognostizierten Bedarfs λA(t) aller Artikel A, die auf den gleichen Anlagen oder Produktionsmaschinen gefertigt werden, ergibt den Produktionsleistungsbedarf in der Periode t: l P (t ) =
 l A (t ) A
[VE/PE].
(13.3)
Solange der Bedarf λP(t) kleiner ist als die reguläre Produktionsgrenzleistung µP d.h. wenn λP(t) < µP ist, können alle Fertigungsaufträge innerhalb der Plandurchlaufzeit ausgeführt werden. Wenn jedoch der Bedarf die Produktionsgrenzleistung für mehrere Perioden übersteigt, entsteht ein ansteigender Auftragsbestand, der zu Wartezeiten und längeren Durchlaufzeiten führt (s. Abschnitt 10.3). In einer atmenden Fabrik ist es möglich, die Produktionsgrenzleistung durch zusätzliche oder verlängerte Schichten einem ansteigenden Bedarf anzupassen und dadurch den Anstieg der Durchlaufzeiten in Spitzenzeiten zu vermeiden. Eine weitere Möglichkeit ist die verstärkte Nutzung externer Produktionskapazitäten.
13.6 Engpaßstrategien
191
Wenn der Bedarf jedoch die maximal verfügbare Produktionsgrenzleistung µPmax übersteigt, wird der betreffende Produktionsbereich zum Engpaß. Dann sind ein ansteigender Auftragsbestand und immer längere Durchlaufzeiten unvermeidlich. Ist dieser Zustand erreicht, müssen die knappen Ressourcen von der Disposition den einzelnen Aufträgen zugeteilt werden. In den Perioden einer Engpaßzeit Teng, während der λP(t) > µPmax ist, baut sich ein Auftragsbestand auf. Dieser erreicht am Ende den Wert: AB(Teng ) =
 (l P (t )– mPmax )
[VE].
(13.4)
t ŒTeng
Wenn der prognostizierte Spitzenbedarf für eine Engpaßzeit Teng über die Produktionsgrenzleistung ansteigt und sich in dieser Zeit der Auftragsbestand (13.4) aufbaut, kann dieser durch eine Vorabfertigung der betreffenden Artikel vermindert oder ganz vermieden werden (s. Abb. 13.3). Voraussetzung einer solchen Vorabfertigung ist allerdings, daß der Bedarf in der vorangehenden Zeit deutlich unter der Grenzleistung der Produktion liegt und eine Mehrproduktion überhaupt möglich ist.
Absatz bzw. Produktion [VE/AT] - Bestand [10 VE]
700
600
500
400
300
200 Bedarf Produktion Lagerbestand
100
0 0
50
100
150 Absatztag [AT]
Abb. 13.3 Vorabfertigung für eine absehbare Engpaßphase Produktionsgrenzleistung: 500 VE/AT Engpaßphase: von AT 145 bis AT 230 Start Vorabfertigung: AT 105 Maximaler Lagerbestand: 6.000 VE
200
250
192
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
Der Preis einer vorgezogenen Produktion von Engpaßartikeln für einen absehbaren Spitzenbedarf ist ein zusätzlicher Lagerbestand, der mit entsprechenden Kosten und Risiken verbunden ist. Das gleiche gilt für die Vorausbeschaffung von Saisonware. Daraus folgt der Grundsatz: 䉴 Die Entscheidung zur Vorabfertigung oder Vorausbeschaffung muß der
Disponent in Abstimmung mit dem Vertrieb und der Unternehmensleitung treffen. Sie darf nicht allein dem Dispositionsprogramm überlassen werden. Ein leistungsfähiges Dispositionsprogramm kann einen Engpaß jedoch rechtzeitig erkennen, indem es aus dem prognostizierten mittelfristigen Bedarf (4.9) und der hinterlegten maximalen Produktionsgrenzleistung mit Hilfe von Beziehung (13.3) bestimmt, für welchen Zeitraum eine Engpaßsituation zu erwarten ist. Mit Hilfe der Beziehung (13.4) berechnet das Programm den in der Engpaßzeit auflaufenden Auftragsbestand und die bis zum Beginn der Engpaßzeit verfügbare Überschußleistung. Sobald das Programm für einen längeren Prognosezeitraum eine Engpaßzeit feststellt, zeigt es dem Disponenten in einer Engpaßwarnung den Engpaßzeitraum, den Vorabfertigungsbedarf für diese Zeit und die bis dahin verfügbare Überschußleistung an. Werden auf den gleichen Produktionsanlagen unterschiedliche Artikel gefertigt, gilt die • Auswahlregel zur Vorabfertigung von Engpaßartikeln: Vorzufertigen sind die Artikel mit dem höchsten gesicherten Absatz. Damit wird verhindert, daß bei unerwartet absinkendem Bedarf die vorproduzierten Mengen zu lange oder unverkäuflich auf Lager liegen. Außerdem ist bei diesen Artikeln eine kostengünstige kontinuierliche Produktion möglich (s. Abschnitt 12.6). Wenn nach Eintreten der Engpaßphase der Lagerbestand und die Engpaßreserve eines Artikels erschöpft sind, entfällt die Möglichkeit einer Lieferung ab Lager. Ist diese Situation erreicht, muß der Disponent die verfügbare Produktionsleistung nach Prioritätsregeln, die mit dem Vertrieb und der Unternehmensleitung abgestimmt sind, den einzelnen Kundenaufträgen zuteilen. Mögliche Prioritätsregeln für die Engpaßzuteilung sind: • • • • • •
First-Come-First-Served Deckungsbeitrag Gewinn Dringlichkeit Kundenbedeutung Fehlmengenkosten
(13.5)
13.7 Bestandszentralisierung
193
Die fairste Regelung ist eine Zuteilung des begrenzten Produktionsausstoßes im Verhältnis des regulären Bedarfs der Abnehmer von der Engpaßzeit. Wenn aus einer Engpaßstelle mehrere Bedarfsstellen eines größeren Versorgungsnetzes beliefert werden, ist in den Engpaßzeiten eine Zentraldisposition notwendig, um die geplanten Zuteilungsregeln einhalten zu können. Allgemein gilt: 䉴 Bei ausreichender Produktionsleistung und freien Lagerbeständen ist
eine dezentrale Disposition ausreichend. 䉴 Erst Engpässe und Knappheit erfordern eine zentrale Planung und Dis-
position. Hält der Engpaßzustand länger an, ist keine Vorabfertigung möglich. Dann bestehen folgende Möglichkeiten: • Investition in zusätzliche Produktionsanlagen zur Beseitigung der Engpässe. Bis zu deren Verfügbarkeit können nicht alle Aufträge ausgeführt werden. • Preiserhöhung zur Drosselung des Bedarfs auf das Niveau der verfügbaren Produktionsleistung, bis die zusätzliche Produktionsleistung verfügbar ist. Die Entscheidung zwischen diesen beiden betriebswirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten ist jedoch nicht Aufgabe der Disposition sondern der Unternehmensleitung [Gudehus 2007].
13.7 Bestandszentralisierung Gemäß Beziehung (8.21) ist die kostenoptimale Nachschubmenge proportional zur Wurzel aus dem Periodenabsatz eines Artikels. Auch der Sicherheitsbestand verändert sich bei gleichbleibender Lieferfähigkeit mit der Wurzel aus dem Absatz. Das resultiert daraus, daß die Streuung des Periodenabsatzes und damit auch die Streuung des Absatzes in der Wiederbeschaffungszeit (5.5) nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz nur mit der Wurzel aus dem Absatz ansteigt [Gudehus 1999] (s. auch Abschnitt 4.5). Mit der Beziehung (6.4) folgt daraus die Regel: 䉴 Bei optimaler Bestands- und Nachschubdisposition ist der mittlere Ar-
tikelbestand proportional zur Wurzel aus dem Periodenabsatz der Lagerstelle.
194
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
Die mittleren Artikelbestände mBn in den dezentralen Verbrauchs- oder Verkaufsstellen VSn eines Versorgungsnetzes, wie es in Abb. 2.3 Mitte gezeigt ist, sind also bei optimaler Disposition jeweils proportional zur Wurzel aus dezentralem Absatz λn. Anders gesagt ist mBn = Fv · √λ n mit einem dezentralen Lagerstrukturfaktor Fv, der von den Kostensätzen und der geforderten Lieferfähigkeit abhängt (s. Abschnitt 8.8). Der mittlere Artikelbestand eines Zentrallagers, aus dem die gleichen Verbrauchsstellen ohne Verzug beliefert werden, ist proportional zur Wurzel aus der Absatzsumme. Es ist also mBz = Fz · √Σλ n mit dem zentralen Lagerstrukturfaktor Fz. Wenn das Zentrallager wesentlich größer ist als die dezentralen Lager, ist der zentrale Lagerstrukturfaktor Fz wegen der Kostendegression kleiner als der dezentrale Lagerstrukturfaktor Fv für die Lagerung in den Verbrauchsstellen [Gudehus 1999]. Durch Auflösen der ersten Gleichung nach λn und Einsetzen in die zweite Gleichung ergibt sich der allgemeine 䉴 Wurzelsatz der Bestandszentralisierung: Bei optimaler Bestands- und
Nachschubdisposition ist der mittlere Zentralbestand eines Artikels, aus dem mehrere bestandslose Verbrauchs- oder Verkaufsstellen beliefert werden, kleiner als die Wurzel aus der Quadratsumme der mittleren Artikelbestände, die bei gleicher Lieferfähigkeit und optimaler Disposition in den einzelnen Stellen ohne Zentralbestand benötigt werden: m Bz £
 m Bn n
2
.
(13.6)
Beispielsweise reduziert sich durch das Zusammenfassen von drei dezentralen Beständen eines Artikels, die im Mittel mB1 = 300, mB2 = 400 und mB2 = 500 VE und in der Summe 1.200 VE betragen, der Gesamtbestand in einem Zentrallager auf eine Höhe mBz , die im Mittel kleiner ist als √3002 + 4002 + 500 2 = 707 VE. Die Bestandsreduzierung durch Zentralisierung ist in diesem Fall größer als 41%. Aus der Umkehrung des Wurzelsatzes folgt, daß auch mit einem Zentralbestand, der weitaus kleiner als die Summe der dezentralen Bestände ist, eine bessere Lieferfähigkeit möglich ist als mit den dezentralen Beständen. Der Wurzelsatz und seine Umkehrung sind Auslöser vieler Zentrallagerprojekte. Dabei werden jedoch häufig die Voraussetzungen übersehen und infolgedessen die angestrebte Bestands- und Kostensenkung verfehlt. Für die Anwendung des Wurzelsatzes zur Bestandszentralisierung sind daher folgende Voraussetzungen, Bedingungen und Regeln unbedingt zu beachten [Gudehus 1999]:
13.7 Bestandszentralisierung
195
1. Die Bestands- und Nachschubdisposition im Zentrallager muß dynamisch nach dem Meldebestandsverfahren oder dem Zykluszeitverfahren mit dem Sicherheitsbestand (7.4) und dem kostenoptimalen Nachschub (8.11) arbeiten. Andernfalls ändern sich die Bestände nicht proportional mit dem Absatz. 2. Der Wurzelsatz gilt nur für einzelne Artikel, die in mehreren dezentralen Bedarfsstellen verbraucht werden, und ist nur bedingt auf die Bestände eines breiteren Artikelsortiments übertragbar. 3. Für Artikel, deren Gängigkeit in den einzelnen Bedarfsstellen stark voneinander abweicht oder die nur in wenigen Stellen benötigt werden, ist der Zentralisierungseffekt weitaus geringer, als für Artikel mit gleichverteiltem Absatz. 4. Wenn die Lieferzeit aus dem Zentrallager an eine Bedarfsstelle zu lang ist, muß in der betreffenden Stelle zusätzlich zum Zentralbestand ein dezentraler Pufferbestand in ausreichender Höhe gehalten werden. Der mittlere Pufferbestand der Bedarfsstelle, der mindestens gleich dem dezentralen Sicherheitsbestand plus dem halben Verbrauch in der Nachlieferzeit aus dem Zentrallager ist, vermindert die Zentralisierungseffekte. Die Berechnung der Kosteneinsparungen und Bestandssenkungen, die durch ein Zentrallager erreichbar sind, ist Aufgabe der Planung des Beschaffungsnetzes mit allen relevanten Lieferketten. Dabei muß die Planung neben der Lieferkette über ein Zentrallager auch die in Abb. 13.4 gezeigten Lieferketten der Direktbelieferung aus den Lieferstellen und der bestandslosen Bündelung in einem Logistikzentrum mit Crossdocking oder Transhipment berücksichtigen. Diese Planungsaufgabe ist lösbar durch eine analytische Simulation des gesamten Beschaffungsnetzwerks mit den 4 Lieferketten mit Hilfe eines BOL-Rechnertools zur Bestimmung Optimaler Lieferketten. Teil des BOLTools sind die Dispositionsalgorithmen in den einzelnen Bedarfsstellen und im Zentrallager [Gudehus 1999]. Zahlreiche Simulationen von Versorgungsnetzen für die Filialen und Märkte von Handelskonzernen sowie von Distributionsnetzen der Konsumgüterindustrie, der Automobilindustrie und zur Ersatzteilversorgung, die im Rahmen von Beratungsprojekten mit echten Absatzdaten durchgeführt wurden, haben ergeben, daß für die Auswahl der Artikel, für die eine Zentrallagerung opportun ist, viele Einflußfaktoren maßgebend sind. Eine Erörterung der unterschiedlichen Einflußfaktoren auf die Lagerhaltigkeit und der Auswahlkriterien für die verschiedenen Lieferketten würde jedoch den Rahmen dieses Buches sprengen. Systematische Modellrechnungen für das Versorgungsnetz der Abb. 2.3 mitte unten bestätigen [Gudehus 2001]:
196
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
Abb. 13.4 Konkurrierende Lieferketten zur Versorgung von Filialen und Märkten des Handels L: Lieferant CD: Crossdocking ZL: Zentrallager
M: Markt TS: Transshipment
䉴 Notwendige Voraussetzung für den optimalen Effekt einer Bestandszen-
tralisierung und einer Zentralbelieferung mit Crossdocking oder Transshipment ist eine dynamische Disposition in allen Stationen des Versorgungsnetzes. 䉴 Bei ausreichenden Kapazitäten und Lagerbeständen der Versorgungsstellen führt die dynamische Disposition selbstregelnd zu minimalen Gesamtkosten für das Versorgungsnetz. Für das Zentrallager und die Vorlieferanten ist eine sprunghafte Bedarfsänderung frühzeitig aus der unverzögerten Absatzinformation aller Endverbrauchsstellen erkennbar. Die einzelnen Verbrauchsstellen können einen gleichzeitigen Bedarfsanstieg im gesamten Markt schneller aus dem Summenbedarf ablesen als aus ihrem eigenen Absatz. Es ist daher sinnvoll,
13.8 Zentraldisposition dezentraler Bestände
197
die jeweils aktuellste Absatzinformation zur Basis einer zentralen Bedarfsprognose zu machen und diese Information allen beteiligten Stellen zur Verfügung zu stellen (s. Abschnitt 4.6 und Abb. 4.5). Entgegen der allgemeinen Erwartung ergeben jedoch die Simulationsrechnungen, daß sich durch Umstellung der Prognosebasis vom eigenen Absatzverlauf auf den summierten Endverbrauchsverlauf keine nennenswerten Bestandssenkungen und Kosteneinsparungen erreichen lassen. Deutlich verbessern aber läßt sich die Lieferfähigkeit, wenn die Nachschubmengen unverzüglich einem Bedarfssprung der Endverbraucher angepaßt werden [Gudehus 2001]. Die Planung der Beschaffungs- und Versorgungsnetze und die Entwicklung geeigneter Dispositionsstrategien sind ein lohnendes Feld für weitere Untersuchungen. Besonders zu beachten sind dabei die Interessenkonflikte zwischen Lieferanten und Kunden.
13.8 Zentraldisposition dezentraler Bestände Bei Belieferung eines großen Absatzgebiets aus einem einzigen Fertigwarenlager lassen sich die geforderten Lieferzeiten wegen zu langer Transport- und Frachtlaufzeiten nicht mehr für alle Kunden und Abnehmer einhalten. Eine Lösung sind dezentrale Auslieferlager, die jeweils in der Mitte eines Teilabsatzgebiets liegen. Aus diesen Auslieferlagern werden Großabnehmer und Handelslager direkt beliefert. Kleinere Abnehmer, wie eigene Verkaufsstellen und selbständige Handelsgeschäfte, werden über zusätzliche Regionallager versorgt. Das Auslieferlager kann zugleich wie ein Regionallager arbeiten und die kleineren Abnehmer eines umgebenden Nahgebiets direkt beliefern. Damit ergibt sich die in Abb. 13.5 dargestellte Struktur eines allgemeinen Versorgungsnetzes für Verkaufsstellen, Filialen und Großkunden, die aus einer oder mehreren Liefer- oder Produktionsstellen mit unterschiedlichen Artikeln beliefert werden. Das Versorgungsnetz setzt sich zusammen aus einzelnen Distributionsnetzen, deren grau markierte Leistungsstellen und Verbindungen von der Industrie beherrschten werden, und aus Beschaffungsnetzen, deren weiß gekennzeichnete Leistungsstellen und Verbindungen der Handel beherrscht. Die minimale Anzahl dezentraler Lager ergibt sich aus der überlappungsarmen Abdeckung des Servicegebiets mit Auslieferkreisen, in denen die Kunden von einem Lagerstandort in der geforderten Lieferzeit beliefert werden können. So ergeben sich für Deutschland bei einem maximalen Auslieferkreis von 124 km Luftlinie minimal 6 Auslieferlager. Sie liegen
198
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
im Zentrum von 6 Gebieten, aus denen alle Kunden innerhalb von 24 h beliefert werden können (s. [Gudehus 2005] Abb. 19.19). Der Preis für die kürzeren Lieferzeiten aus den Auslieferlagern sind größere Lagerlogistikkosten und höhere Bestände. Werden Bestand und Nachschub von N dezentralen Auslieferlagern mit annähernd gleichem Absatz und gleichen Kostensätzen unabhängig voneinander jeweils nach ihrem eigenen Absatz disponiert, so ist die Summe der Lagerlogistikkosten und der Gesamtbestand nach dem Wurzelsatz der Bestandszentralisierung um N höher als für ein Zentrallager. Das ist für 6 Auslieferlager ein Faktor 2,5 (s. Abschnitt 13.7). Die Kosten und Bestände dezentraler Lager, die aus einer Lieferstelle versorgt werden, lassen sich jedoch durch eine zentrale Disposition nach der Strategie des virtuellen Zentrallagers erheblich reduzieren. Die Versorgung von NL Lagern Ln, n = 1,2,..NL, aus einer Produktion ist kostenoptimal, wenn die dispositionsrelevanten Gesamtkosten (2.4), also die Summe aller durch die Disposition beeinflußbaren Auftrags-, Rüst-, Transport- und Lagerkosten, minimal ist. Die Summe der Rüstkosten hat ein Minimum, wenn der Nachschub des gleichen Artikels für alle dezentralen Lager möglichst gebündelt gefertigt wird. Ist die Summe der Sicherheitsbestände klein im Vergleich zum mittleren Gesamtbestand eines Artikels, dann ist die Summe der Rüstkosten der Produktion und der Kosten der dezentralen Lager mit dem Absatz λn gleich der Summe der Rüst- und Lagerkosten eines virtuellen Zentrallagers mit dem Summenabsatz
V
V
Abb. 13.5 Mehrstufiges Versorgungsnetz mit dezentralen Auslieferlagern Graue Stationen: Liefer-, Lager- und Umschlagstellen der Industrie Weiße Stationen: Liefer-, Lager- und Umschlagstellen des Handels
V
G
V
RL4
V
• • •
V
• •
V
• • •
F
• •
F
RL3
• • •
G
ALN
•
F
LS
•
•
F
HL2
• • •
V
•
•
V
• • • •
V
• • •
G
•
V
PS2
•
V
HL1
RL2
• • •
V
• • •
V
• • •
V
• •
RL1
• •
PS: Regionallager HL: Handelslager
•
AL1
AL: Auslieferlager
V: Verkaufsstellen F: Filialen G: Großkunden
•
PS1
•
PS: Produktionsstellen LS: Lieferstellen
V
13.8 Zentraldisposition dezentraler Bestände
199
N
lS =
 ln
[VE/PE],
(13.7)
n=1
dessen Platzkosten gleich den mittleren dezentralen Platzkosten sind. Daraus folgt: 䉴 Die optimale Produktionsmenge eines Artikels zur Belieferung aller de-
zentraler Lager ist gleich der kostenoptimalen Nachschubmenge des virtuellen Zentrallagers:
)
m NZ opt = 2 ◊ l S ◊ k Auf / (P ◊ Z L + kLP / CLE ) / 1 – l S / m [VE].
(13.8)
Hierin ist λS der Summenabsatz (13.7). Damit der Bestellpunkt in den dezentralen Lagern möglichst gleichzeitig erreicht wird, müssen die dezentralen Bestände die gleiche Reichweite haben (s. Abb. 13.6). Das wird erreicht durch die Verteilungsregel: 䉴 Die optimale Produktionsmenge (13.8) wird im Verhältnis des dezentra-
len Absatzes an die dezentralen Lager ausgeliefert. Die optimalen Nachschubmengen der Artikelbestände in den dezentralen Lagern sind daher: m = (λ /λ ) . m [VE]. (13.9) Nn
n
S
NZopt
Zur Einhaltung einer geforderten Lieferfähigkeit ηlief gibt es für die dezentralen Lager folgende Möglichkeiten:
mb(t)
Summenbestand
Bestand1
MBS
MBS
MB1
MB1
Bestand2
MB1 ∆t
∆t WBZ
∆t WBZ
∆t WBZ
WBZ
t
Abb. 13.6 Bestandsverlauf und Bestellpunkte von 2 Lagern bei zentraler Disposition Dt: Zeitdifferenz der Bestellauslösung für ein virtuelle und ein reales Zentrallager
200
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
1. Jedes dezentrale Auslieferlager hat seinen eigenen Sicherheitsbestand msich n, der mit Hilfe von Beziehung (7.4) aus der Höhe λn und der Streuung sλn des dezentralen Absatzes, der kostenoptimalen Nachschubmenge (13.9) des dezentralen Lagers Ln sowie aus der Länge TWBZ und Streuung sWBZ der Wiederbeschaffungszeit berechnen wird. 2. Die dezentralen Lager teilen sich im Verhältnis l n 1 : l n 2 :....: l N einen virtuellen Gesamtsicherheitsbestand mZsich, der mit Hilfe von Beziehung (7.4) aus der Höhe λS und der Streuung sS des Summenabsatzes (13.7), der kostenoptimale Nachschubmenge (13.8) des virtuellen Zentrallagers sowie aus der Länge TWBZ und Streuung sWBZ der Wiederbeschaffungszeit berechnet wird. Voraussetzung für die Strategie des virtuellen Gesamtsicherheitsbestands ist, daß ein dezentrales Lager, das nicht mehr lieferfähig ist, auf den Bestand eines benachbarten Lagers zugreifen kann und von diesem unverzüglich mit Nachschub beliefert wird. Abgesehen von dem damit verbundenen Zeitverzug, ist die Querbelieferung mit zusätzlichen Abwicklungs-, Handling- und Transportkosten verbunden, die in der Regel höher sind, als die Mehrkosten für einen eigenen Sicherheitsbestand. Damit die dezentralen Lager mit der geforderten Wahrscheinlichkeit ηlief lieferfähig sind, muß der Nachschub spätestens ausgelöst werden, wenn der aktuelle Bestand mBn(t) den dezentralen Meldebestand mMBn(t) unterschreitet. Der aktuelle dezentrale Meldebestand am Tag t ist: . λ (t) m (t) = m (t) + T [VE]. (13.11) MBn
sich n
WBZ
n
Mit dem dezentralen Meldebestand (13.11) ist auch zu rechnen, wenn wegen einer Transportbündelung mit anderen Artikeln eine zyklische Nachschubauslösung gewählt wird. Aus der vorangehenden Analyse resultiert für die Disposition dezentraler Lager und verteilter Bestände die Dispositionsstrategie des virtuellen Zentrallagers (s. Abschnitt 12.9): 1. Der Zentralrechner berechnet nach jedem Tag t für alle dezentralen Lagerstellen und alle Artikel aus dem aktuellen Gesamtabsatz (13.7) die optimale Gesamtnachschubmenge (13.8), die dezentralen Nachschubmengen (13.9), die dezentralen Sicherheitsbestände und die Meldebestände (13.11). 2. Wenn in einer der dezentralen Lagerstellen der aktuelle Bestand eines Artikels den aktuellen Meldebestand (13.11) unterschreitet, wird in der Lieferstelle die Fertigung der Gesamtmenge (13.8) ausgelöst.
13.8 Zentraldisposition dezentraler Bestände
201
3. Die erste produzierte Tagesmenge des Artikels wird spätestens nach Ablauf der Wiederbeschaffungszeit an die Lagerstelle ausgeliefert, deren Bestand zu diesem Zeitpunkt die geringste Reichweite hat. 4. Wenn vor dem Fertigstellungstag der ersten Tagesmenge der Artikelbestand in mehreren Lagern auf Null gesunken ist, werden die Tagesproduktionen in einer Prioritätenfolge auf die betreffenden Lagerstellen verteilt, die der Dauer der Lieferunfähigkeit entspricht. 5. Die übrige Tagesproduktion wird gemäß Beziehung (13.9) im Verhältnis des dezentralen Artikelabsatzes unter Berücksichtigung des aktuellen Bestands so auf die Lagerstellen verteilt, daß deren Bestände für den betreffenden Artikel die gleiche Reichweite haben. Abgesehen von den dezentralen Sicherheitsbeständen und den daraus resultierenden Sicherheitskosten, führt die zentrale Disposition nach der Strategie des virtuellen Zentrallagers zu minimalen Lagerlogistikkosten bei einem Gesamtbestand, der nicht größer ist der Bestand eines Zentrallagers für den Summenabsatz. Aus dem Wurzelsatz der Bestandszentralisierung aus Abschnitt 13.7 folgt: • Die Kosteneinsparung und die Bestandssenkung durch die Strategie des virtuellen Zentrallagers steigt mit der Anzahl der Lager und mit der Höhe der Nachschubauftragskosten. So ergibt sich für 3 Auslieferlager, über die im Mittel gleiche Absatzmengen ausgeliefert werden, durch die Strategie des virtuellen Zentrallagers eine Einsparung der Lagerlogistikkosten bis zum Faktor 1/ 3 = 0, 58 und eine Senkung der Gesamtbestände bis zu 40%. Da die Nachschubauftragskosten aus einer Produktion wegen der Rüstkosten besonders hoch sind, hat eine Zentraldisposition für dezentrale Produktionsauslieferungslager den größten Effekt. Für ein zweistufiges Distributionsnetz, wie es Abb. 13.5 zeigt, führen folgende Dispositionsstrategien zu minimalen Kosten und optimalen Beständen: 䉴 Nachschub und Bestände in den Auslieferlagern, die ihren Nachschub
aus einer Produktion erhalten, werden nach der Strategie des virtuellen Zentrallagers zentral disponiert. 䉴 Nachschub und Bestände in den angeschlossenen Regionallagern und
Handelslagern werden unabhängig voneinander dezentral so disponiert, daß die Auftrags-, Transport- und Lagerkosten der Belieferung aus dem Auslieferlager minimal werden. 䉴 Zur Vermeidung eines Peitschenknalleffekts durch das Zusammentreffen
vieler Auslieferungen am gleichen Tag erhalten die Regionallager und
202
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
Handelslager ebenso wie die Verkaufsstellen und Handelsfilialen ihren Nachschub an verteilten Tagen. 䉴 Wenn am Tag der Nachschubanlieferung an ein Auslieferlager ein ange-
schlossenes Regionallager oder ein Großabnehmer mit Nachschub zu beliefern ist, wird deren Nachschubmenge ohne Zwischenlagerung im Crossdocking direkt vom Wareneingang zum Warenausgang befördert und noch am gleichen Tag ausgeliefert. 䉴 Großmengenbestellungen eines Regionallagers, Handelslagers oder
Kunden, die größer sind als die halbe optimale Nachschubmenge (13.8) des virtuellen Zentrallagers, werden als Direktauftrag an die Produktion weitergeleitet und nach Fertigstellung bei Ganz- und Teilladungen direkt und bei kleineren Mengen im Crossdocking über das Auslieferlager ausgeliefert. 䉴 Produktionsmengen für eine Aktion werden in einem zuvor geplanten
Verteilungsschlüssel bei Ganz- und Teilladungen direkt und bei kleineren Mengen im Crossdocking über die Auslieferlager an die Empfänger verteilt. Zur Realisierung der Strategie des virtuellen Zentrallagers muß eine Zentraldisposition den täglichen Bestelleingang und die aktuellen Bestände aller dezentralen Lager kennen, die unmittelbar aus der Produktion beliefert werden. Diese Voraussetzung ist innerhalb des eigenen Distributionsnetzes eines Herstellers über das interne IT-Netz erfüllbar. Handelslager und Großabnehmer können von der Strategie des virtuellen Zentrallagers nur profitieren, wenn sie bereit sind, die Disposition der betreffenden Artikelbestände dem Produzenten zu überlassen. Dafür ist eine entsprechende EDI-Verbindung erforderlich. Ganz allgemein sind bis heute folgende Grundsatzfragen der Makrologistik ungelöst [Gudehus 2005]: 1. Nach welchen Strategien sind die Transportströme und Artikelbestände in einem Versorgungsnetz zu disponieren, damit sich bei der benötigten Lieferfähigkeit minimale Gesamtkosten und kostenoptimale Bestände ergeben? 2. Wie viele Auslieferlager und wie viele Regionallager werden bei optimaler Disposition zur Versorgung eines großen Absatzgebiets mit einem bestimmten Artikelbedarf aus einer gegebenen Anzahl von Lieferstellen benötigt, damit die Gesamtkosten minimal sind? Eine Beantwortung dieser Grundsatzfragen ist jedoch nur für eine zentral gelenkte Planwirtschaft von praktischer Bedeutung. In einer Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb kann sich eine theoretisch optimale Gesamt-
13.9 Bedarfsaufschaukelung und Peitschenknalleffekt
203
lösung nur durchsetzen, wenn sie auch im Interesse jedes einzelnen Akteurs liegt. Das aber ist i.a. nicht der Fall. Die einzelnen Akteure, also die Produzenten und Lieferanten auf der einen Seite und die Handelsunternehmen auf der anderen Seite, sind vielmehr bestrebt, ihr Distributionsnetz bzw. ihr Beschaffungsnetz so zu gestalten und zu disponieren, daß sich für sie selbst der maximale Nutzen und Gewinn ergibt. Sie suchen daher nach Gestaltungsregeln und Dispositionsstrategien für das von ihnen beherrschte Teilnetz des gesamten Versorgungsnetzes. Zu einer unternehmensübergreifenden Planung und Disposition sind zwei Unternehmen nur bereit, wenn beide nachweisbar davon profitieren. Die Strategie des virtuellen Zentrallagers ist eine Gesamtstrategie, deren Kosten- und Bestandssenkungspotential berechenbar ist und eine Größenordnung erreichen kann, die auch für ein unternehmensübergreifendes Supply Chain Management interessant ist.
13.9 Bedarfsaufschaukelung und Peitschenknalleffekt Ein oft zu höhrendes Argument für die Vorteile einer Zentraldisposition ist der sogenannte Peitschenknalleffekt (bull-whip-effect), nach seinem Entdecker auch Forrester-Aufschaukelung genannt. Durch Simulationsrechnungen wird für eine Kette aufeinander folgender Liefer- und Lagerstellen demonstriert, daß sich aus einer geringen Bedarfsänderung einer Endverbrauchsstelle für die Zulieferstellen ein Absatzverlauf ergeben kann, der sich mit zunehmendem Abstand von der Endverbrauchsstelle immer stärker aufschaukelt [Arnold 1999; Forrester 1961; Kahn 1987; Lee 1997; Sterman 1989]. Eine Analyse dieser Simulationsrechnungen und des angenommenen Dispositionsverhaltens der Bedarfs- und Lieferstellen sowie eigene Simulationsrechnungen [Gudehus 2001] ergeben, daß die Aufschaukelung des Absatzes in den Zulieferstellen sehr unterschiedliche Ursachen hat: 1. Wenn alle Lagerstellen bei normalen Lieferzeiten unabhängig voneinander jeweils für sich kostenoptimal disponieren, ergibt sich eine Aufschaukelung der Absatzschwankungen mit zunehmendem Abstand von der Endverbrauchsstelle allein daraus, daß die kostenoptimalen Nachschubmengen wegen des höheren Gesamtabsatzes und der geringeren Lagerungskosten für voran liegende Stellen größer sind als für nachfolgende. Diese normale Aufschaukelung ist die Folge der bündelungsbedingten Nachschubsprünge der einander beliefernden Lagerstellen.
204
13 Netzwerkdisposition und Ressourcenplanung
2. Bei synchronem Bestellverhalten und Zusammentreffen der Bestellungen aus mehreren parallelen Bedarfsstellen, zum Beispiel, wenn alle Filialen eines Handelsunternehmens denselben Artikel am gleichen Tag disponieren, kommt es in der zentralen Lieferstelle zu erheblichen Anforderungsspitzen, die wie ein Peitschenknall wirken. 3. Besonders kritisch wird das Bestellverhalten der Verbrauchsstellen, wenn eine Preiserhöhung oder eine Engpaßphase absehbar ist oder auch nur befürchtet wird. Schon ein Gerücht oder falsche Schlüsse aus einer mehrfach verzögerten Lieferung können dazu führen, daß schlagartig die nächste Bestellmenge erhöht wird, um einen größeren Reserve- und Sicherheitsbestand aufzubauen. Dieser Effekt kann auch bei der Nachschubdisposition durch einen Rechner eintreten, denn das Programm errechnet nach Beziehung (7.5) bei längeren und unzuverlässigeren Lieferzeiten einen größeren Sicherheitsbestand und zieht damit den Bestellpunkt vor. 4. Wenn eine Verbrauchs- oder Verkaufsstelle eine spekulative Beschaffungsstrategie verfolgt, eine Verkaufsaktion vorbereitet oder den Markt monopolisieren will, kann die plötzliche Bestellung einer ungewöhnlich großen Menge bei der Lieferstelle unterschiedlichste, teilweise irrationale Effekte auslösen, die sich mit zunehmender Entfernung von der Endverbrauchsstelle noch verstärken. Die normale Aufschaukelung der Nachschubströme durch die Disposition kostenoptimaler Mengen läßt sich grundsätzlich nicht vermeiden, wenn die Gesamtkosten minimiert werden sollen. Wie in Kapitel 12 gezeigt, werden die Anliefermengen jedoch erheblich reduziert durch die Strategie der kontinuierlichen Nachschubauslieferung und durch Fertigung auf einer minimalen Anzahl von Produktionsmaschinen. Das gilt vor allem für Artikel mit anhaltend hohem Bedarf. Damit wird eine der gravierendsten Ursachen des Peitschenknalleffekts entschärft. Das synchrone Bestellverhalten paralleler Bedarfsstellen läßt sich durch einen abgestimmten Dispositionsplan mit versetzten Bestelltagen beheben. Da die daraus resultierende bessere Lieferfähigkeit der zentralen Lieferstelle im gemeinsamen Interesse liegt, sind dazu auch Bedarfsstellen bereit, die sonst Wettbewerber sind und nicht dem Betreiber des Zentrallagers gehören. Wenn viele parallele Bedarfsstellen völlig unabhängig voneinander disponieren, führt die Summe des stochastischen Bedarfs bei der gemeinsamen Lieferstelle sogar zu einer Glättung der zufälligen Bedarfsschwankungen und des individuellen Dispositionsverhaltens der einzelnen Lieferstellen. Eine weitere Dämpfung der Endverbrauchsschwankungen bewirken die Pufferbestände in den Bedarfsstellen [Gudehus 2001].
13.9 Bedarfsaufschaukelung und Peitschenknalleffekt
205
Der Effekt einer Engpaßsituation läßt sich durch eine Zentraldisposition mit den zuvor behandelten Engpaßstrategien regeln oder zumindest für die Beteiligten erträglich machen. Hier ist rechtzeitiges und planvolles Handeln angesagt, um Panik- und Hamsterbestellungen vorzubeugen. Frühindikatoren einer Engpaßsituation sind plötzliche Eilbestellungen für denselben Artikel, die in gleicher Menge von mehreren Kunden angefragt werden und für denselben Endkunden bestimmt sind. Solche Phantombestellungen führen zu einer temporären Aufblähung des Bedarfs. Der letzte Effekt einer spekulativen Beschaffung wird verursacht von der Verhaltenstaktik und der Psychologie der Wirtschaftsteilnehmer. Diese liegen außerhalb der Einflußmöglichkeiten der Disposition.
14 Datenbedarf und Logistikcontrolling
Eine wichtige Voraussetzung für die dynamische Auftrags- und Lagerdisposition durch ein Dispositionsprogramm sind vollständige, korrekte und aktuelle Artikel- und Logistikstammdaten. Hierzu müssen die Herkunft, die Verantwortung für die Richtigkeit und Aktualität sowie die Eingabe und laufende Pflege der Artikeldaten und Logistikstammdaten im Unternehmen genau geregelt sein. Das ist besonders wichtig bei der Implementierung einer neuen Dispositionssoftware oder bei einer Systemumstellung. Die größten Lücken und die meisten Fehler finden sich erfahrungsgemäß in den statischen Artikelstammdaten. Das wird oft erst kurz vor dem Start einer neuen, veränderten oder verbesserten Dispositionssoftware erkannt. Dann reicht meist die Zeit nicht mehr, um alle Artikeldaten zu beschaffen und Lücken zu füllen. Es ist verhängnisvoll und hat schon zu erheblichen Belastungen bis hin zum Ruin von Unternehmen geführt, das Dispositionssystem mit unvollständigen oder falschen Stammdaten und Dispositionsparametern zu betreiben [Dittrich et al. 2000]. Eine sorgfältige Vorplanung des Datenbedarfs und ein angemessenes Vorgehen zur Ermittlung der fehlenden Daten sind daher unerläßliche Voraussetzung für den Erfolg jedes Dispositionssystems.
14.1 Logistikstammdaten und Dispositionsparameter Die Logistikstammdaten umfassen alle für die dynamische Disposition benötigten Parameter und Eingabewerte, die für das gesamte Sortiment oder für einzelne Artikelgruppen gelten, wie die verschiedenen Serviceklassen. Für das gesamte Sortiment sind zur dynamischen Disposition folgende Logistikstammdaten erforderlich: • Lagerzinssatz zL [%/AT] • Zulässige Bestandsreichweite RWzul [AT]
208
14 Datenbedarf und Logistikcontrolling
Der Lagerzinssatz pro Betriebstag ergibt sich aus dem Kapitalmarktzins zK [% p.a.] plus einem Risikozinssatz zR [% p.a.], der von der Verkäuflichkeit und Verderblichkeit des Sortiments abhängt, geteilt durch die Anzahl Betriebstage [AT] pro Jahr. Außerdem wird ein Ladungsträgerverzeichnis benötigt, das für alle eingesetzten Verpackungseinheiten (Packung; KLT, Behälter ....) und Ladeeinheiten (Flachpaletten, Hochpaletten, Langutpaletten ....) folgende Daten zur Verfügung stellt (s. Tab. 14.1): • Lagerplatzkostensatz kLE [€/LE-AT] pro Lagereinheit und Periode • Einlagerkostensatz kLEein [€/LE] pro eingelagerte Ladeeinheit
Tab. 14.1 Richtkostensätze für innerbetriebliche Logistikleistungen Vollkostenrechnung auf Kostenbasis: 2001 KTag: Kalendertag Niedrige Kostensätze: große Logistikzentren und Betriebe, hohe Mechanisierung, DV-gestützte Abläufe und Disposition Hohe Kostensätze: kleine dezentrale Lager und Betriebe, geringe Mechanisierung, manuelle Abläufe und Disposition
14.2 Statische Artikelstammdaten
209
Pro Warengruppe oder für bestimmte Artikelklassen sind zusätzlich folgende Logistikstammdaten zu hinterlegen: • geforderte Lieferfähigkeit ηlief [%] • zugesicherte Termintreue ηtreu [%] Fest zu programmieren sind für alle Artikel die allgemeinen Dispositionsparameter: • maximaler Variationskoeffizient νλmax = 5% des Periodenbedarfs • minimaler Absatzglättungsfaktor αmin = 0,033 und maximaler Absatzglättungsfaktor αmax = 0,333 • WBZ-Glättungsfaktor αT = 0,333 Die Verantwortung für die Eingabe und Richtigkeit der Logistikstammdaten und Dispositionsparameter liegt bei den Disponenten, die sich dafür mit dem Vertrieb und dem Controlling abstimmen müssen. Bei der Neuinstallation eines Dispositionsprogramms oder bei einem Systemwechsel bereiten die relativ wenigen universellen Logistikstammdaten die geringsten Probleme. Wegen ihrer großen Tragweite aber müssen sie besonders sorgfältig festgelegt werden.
14.2 Statische Artikelstammdaten Die logistischen Artikelstammdaten umfassen alle artikelspezifischen Daten, die für die Auftrags- und Lagerdisposition benötigt werden. Die statischen Artikelstammdaten sind unabhängig von Auftragseingang und Absatz des Artikels. Sie werden bei der Neuaufnahme eines Artikels von den hierfür verantwortlichen Stellen ermittelt und in den Artikelstammdatensatz eingegeben. Die statischen Artikelstammdaten müssen und dürfen nur aus begründetem Anlaß von der dazu autorisierten Stelle verändert werden. Zur dynamischen Disposition eines Erzeugnisses aus einer eigenen Produktion sind folgende statische Stammdaten erforderlich: • Fertigungsstellen • Verbrauchs- oder Verkaufseinheit [VE = kg, l, m3, m2, m bzw. = Stück, WST ..] • Herstellkosten PVE [€/VE] der Verbrauchseinheit • Kapazität CVPE [VE/VPE] der zulässigen Verpackungseinheiten • Kapazitäten CLE [VE/LE und VPE/LE] der zu verwendenden Ladeeinheit • Plandurchlaufzeit der Fertigung TWBZ plan [AT]
210
14 Datenbedarf und Logistikcontrolling
• Produktionsauftragskosten kAuf [€/PAuf] für Direktlieferung und Lagernachschub • Mindestlosgröße mNmin und Maximallosgröße mNmax [VE/NAuf] • Produktionsgrenzleistung µPMmax [VE/PE] • Erzeugnisstückliste mit dem Einsatzmaterialbedarf mm [VEm pro VE] Wenn der Artikel ein Vorerzeugnis ist, das in der eigenen Produktion zu unterschiedlichen Endprodukten weiterverarbeitet wird, benötigt die Fertigungsdisposition zusätzlich eine • Materialverwendungsliste mit den Materialdurchlaufzeiten. Die Verantwortung für die Ersteingabe der statischen Stammdaten eines neuen oder technisch veränderten Artikels aus der eigenen Produktion liegt bei der Produktentwicklung in Abstimmung mit den Verantwortlichen für die Produktion. Für einen eingeführten Artikel geht die Verantwortung für die Richtigkeit der Artikelstammdaten auf die Produktion über, die bei Veränderungen des Fertigungsprozesses die Stammdaten überprüfen und gegebenenfalls korrigieren muß. Für einen fremdbeschafften Artikel werden folgende statische Artikelstammdaten benötigt: • Beschaffungsquellen • Verbrauchs- oder Verkaufseinheit [VE = kg, l, m3, m2, m bzw. = Stück, WST ..] • Einkaufs- oder Beschaffungseinheit CBE [VE/BE] • Beschaffungspreis PVE [€/VE] der Verbrauchseinheit • Kapazitäten CVPE [VE/VPE] der zulässigen Verpackungseinheiten • Kapazitäten CLE [VE/LE und VPE/LE] der zu verwendenden Ladeeinheiten • Planwiederbeschaffungszeit TWBZplan [AT] • Beschaffungsauftragskosten kAuf [€/BAuf] für Direktlieferung und Lagernachschub • Mindestbestellmenge mNmin und Maximalbestellmenge mNmax [VE/NAuf] Die Einkaufs- oder Beschaffungseinheit ist in der Regel eine Verpackungseinheit oder eine Ladeeinheit, kann aber auch davon abweichen. Für Fremderzeugnisse wird keine Materialstückliste benötigt. Wenn der fremd beschaffte Artikel in der eigenen Produktion zu unterschiedlichen Erzeugnissen weiterverarbeitet wird, muß jedoch auch für das Fremderzeugnis eine Materialverwendungsliste, auch Teileverwendungsnachweis genannt, mit den Materialdurchlaufzeiten im Rechner gespeichert werden. Verantwortlich für die Ersteingabe, die Aktualisierung und die Richtigkeit der Stammdaten der fremd beschafften Artikel ist in der Regel der Einkauf in Abstimmung mit dem Lieferanten.
14.3 Dynamische Artikelstammdaten
211
Wenn bis zum Start eines neuen Dispositionssystems nicht alle statischen Artikelstammdaten bekannt sind, ist es möglich, zunächst für eine überschaubare Anzahl von Artikelgruppen mit ähnlichen Logistikeigenschaften Standardwerte oder Durchschnittswerte zu ermitteln und diese als Startwerte zu verwenden. Anschließend aber müssen die Stammdaten jedes einzelnen Artikels überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden (s. Abschnitt 8.8). Das kann entweder zufallsabhängig bei der nächsten Anlieferung im Versandlager erfolgen oder systematisch durch die Lieferund Produktionsstellen der Artikel in der Reihenfolge ihrer Gängigkeit.
14.3 Dynamische Artikelstammdaten Die dynamischen Artikelstammdaten sind vom aktuellen Absatz abhängig. Sie werden nach jeder Dispositionsperiode – d.h. bei einer Tagesdisposition täglich – neu berechnet und im Artikelstammdatensatz abgespeichert. Für die automatische Disposition sind vom Programm folgende dynamische Artikelstammdaten täglich neu zu errechnen und zwischenzuspeichern: • aktueller Prognosewert für den Tagesbedarf λm(t) [VE/AT] • aktueller Prognosewert für die Streuung des Tagesbedarfs sλ(t) [VE/AT] • aus der aktuellen Wiederbeschaffungszeit nach Eingang eines Nachschubs berechneter Prognosewert für die Wiederbeschaffungszeit TWBZm(t) [AT] • aus der aktuellen Wiederbeschaffungszeit berechneter Prognosewert für die Streuung sWBZ(t) der Wiederbeschaffungszeit TWBZm(t) [AT] • optimale Nachschubmenge mNopt(t) [VE] • aktueller Sicherheitsbestand msich(t) [VE] • aktueller Meldebestand mMB(t) [VE] • aktueller Lagerbestand in VE, KLT und LE eines Lagerartikels • Lageropportunitätsgrenze • Lageropportunitätsgewinn Die Speicher- und Anzeigefelder der dynamischen Artikelstammdaten müssen vom Programm gesperrt sein, damit sie nicht von außen verändert werden. Da die dynamische Disposition weitgehend selbstregelnd ist und die aktuellen Werte nach kurzer Zeit aus den Ist-Daten errechnet, genügt es bei den dynamischen Artikelstammdaten zum Start des neuen Dispositionssystems, die alten Absatzwerte, Planlieferzeiten, Nachschubmengen und Sicherheitsbestände als Anfangswerte zu übernehmen. Nur die aktuellen
212
14 Datenbedarf und Logistikcontrolling
Bestandswerte der einzelnen Artikel müssen stets absolut korrekt sein und durch eine permanente Inventur immer wieder korrigiert werden.
14.4 Anzeigebedarf Für die zur Disposition benötigten Artikel- und Logistikstammdaten sind sinnvoll gestaltete Eingabemasken und Anzeigemasken erforderlich. Ein benutzerfreundliches Dispositionsprogramm muß den für die Eingabe und Pflege Verantwortlichen sowie den Disponenten auf Anforderung alle benötigten Artikel- und Logistikstammdaten und die vom Programm dynamisch berechneten aktuellen Dispositionswerte in übersichtlicher Form anzeigen. Zur Anzeige kritischer Artikel werden zusätzlich Felder für das zweimalige Überschreiten des Streuwertes und für den Nullperiodenanteil benötigt. Außerdem sind alle Lagerartikel anzuzeigen, deren Auftragslogistikstückkosten soweit gefallen sind, daß sie deutlich geringer sind als die Lagerlogistikstückkosten. Für eine Engpaßwarnung sind Anzeigefelder für die Engpaßzeit, den Engpaßbedarf und die Überschußkapazität erforderlich.
14.5 Logistikcontrolling Das Logistikcontrolling hat die Aufgabe, Leistung, Qualität und Kosten der logistischen Leistungsbereiche zu erfassen und mit den Plan- und Vorgabewerten zu vergleichen. Es soll damit das Management bei der Steuerung und Optimierung der Prozesse unterstützen sowie den Handlungsbedarf und die Handlungsmöglichkeiten zur Leistungssteigerung, Qualitätsverbesserung und Kostensenkung aufzeigen [Darkow 2001; Weber 1993]. Die Gefahr jedes Controlling besteht in der Versuchung, permanent mit hoher Genauigkeit alle möglichen Leistungsdaten und Kostenkennwerte zu erfassen und daraus endlose Auswertungen und Berichte abzuleiten, die keiner mehr liest, da der Nutzen nicht erkennbar ist. Hier gilt daher der alte Grundsatz: Weniger ist mehr! Zur Kontrolle der Einhaltung von Terminen und Mengenvorgaben durch die Fertigungsbereiche und Lieferstellen, zur laufenden Prüfung der Zielerfüllung und zur rechtzeitigen Erkennung von Planabweichungen werden für das Logistikcontrolling folgende Logistikkennzahlen benötigt:
14.6 Leistungspreise und Leistungskostensätze
213
• Bestände: Mittlerer Artikelbestand während der aktuellen Nachschubzykluszeit: TZ(t) = mNopt(t)/λm(t)
• • • • • • • •
[AT].
(14.1)
Dieser ist anzugeben in Verbrauchs- oder Verkaufseinheiten [VE], in Verpackungseinheiten [VPE] und in Paletten [Pal] (s. Abb. 3.2). Lagerplatzbedarf: Summierter aktueller Artikelbestand in Verpakkungseinheiten und Ladeeinheiten aufgeteilt nach lagertechnisch relevanten VPE- und LE-Klassen. Bestandswert: Summierter Wert der aktuellen Artikelbestände für das gesamte Sortiment und für ausgewählte Artikelgruppen. Bestandsreichweite: Reichweite des aktuellen Bestands bezogen auf die aktuelle Bedarfspronose. Auftragsabdeckung des Bestands: Abdeckung des aktuellen Lagerbestands durch Kundenaufträge und verbindliche Rahmenverträge. Logistikkosten: Aktuelle Werte der Gesamtlogistikkosten und Artikellogistikstückkosten für die Lagerlieferung und die Auftragslieferung. Beschaffungszeiten: Die dynamisch errechneten Werte der aktuellen Beschaffungszeiten und deren Streuung. Termintreue: Das Programm muß laufend die IST-Lieferzeiten mit den vereinbarten Lieferzeiten der Aufträge vergleichen und eine Statistik der Termintreue auf Artikelebene und auf Auftragsebene generieren. Lieferfähigkeit: Die aktuelle Lieferfähigkeit in der aktuellen Nachschubzykluszeit (14.1) ist der Quotient der Anzahl Absatztage n lief in diesem Zeitraum, an denen der Artikel ab Lager lieferbar war, zur Gesamtzahl der Absatztage nges, die gleich der Summe der Absatztage ohne Lieferfähigkeit nNlief und mit Lieferfähigkeit nlief ist: ηlief = nlief /nges = (nges – nNlief )/nges = nlief /(nlief + nNlief ).
(14.2)
Die für ein ganzes Jahr mit nges = 250 Absatztagen gemessene Jahreslieferfähigkeit kann in aufeinander folgenden Jahren aufgrund der Zufallseffekte bei im übrigen konstanten Einflußfaktoren recht stark voneinander abweichen. Die absoluten Abweichungen nehmen jedoch mit zunehmender Lieferfähigkeit ab und sind für Lieferfähigkeiten über 95% kleiner als ±1% (s. Abb. 7.1).
14.6 Leistungspreise und Leistungskostensätze Für die kostenoptimale Auftrags- und Lagerdisposition werden korrekte Leistungskostensätze und Leistungspreise zur Kalkulation der Kosten der Auftragsbearbeitung und der operativen Logistik benötigt.
214
14 Datenbedarf und Logistikcontrolling
Für alle administrativen und operativen Leistungen, die von einem Dienstleister ausgeführt werden, sind die mit diesem vereinbarten Leistungspreise verwendbar, wenn diese für nutzungsgemäße Preiseinheiten gelten und auf Vollkostenbasis kalkuliert sind [Gudehus 1999]. Das heißt: • Mit einem Lagerdienstleister müssen für das Einlagern, die Lagerplatznutzung, das Kommissionieren und die Versandbereitstellung der verschiedenen Ladeeinheiten gesonderte Preise vereinbart werden (s. Tab. 14.1). • Mit den Transportdienstleistern ist pro Transportmittel der Grundpreis, der Stopppreis und der Fahrwegpreis und mit den Spediteuren und Paketdiensten pro Frachtstücktyp ein Sendungspreis, ein Mengenpreis und ein Entfernungspreis zu vereinbaren (s. Tab. 14.2). Nicht alle Logistikdienstleister sind bereit oder in der Lage, derart differenzierte Leistungspreise anzubieten. Qualifizierte und erfahrene Logistikdienstleister aber haben sich bereits auf eine nutzungsgemäße Leistungsvergütung eingestellt, die von ihren Kunden für die kostenoptimale Disposition und für das Logistikcontrolling unbedingt benötigt wird. Für die internen logistischen und administrativen Leistungsbereiche müssen die Leistungskostensätze grundsätzlich nach dem gleichen Schema kalkuliert werden. Das ist auch für eine Verrechnung der Leistungen dieser Bereiche als Profitcenter erforderlich. Hierfür ist es notwendig, eine Logistikkostenrechnung aufzubauen. Die Kostenrechnung kalkuliert nach den Verfahren der Prozeßkostenrechnung nutzungsgemäße Kostensätze für die intern erbrachten Logistikleistungen, die Disposition, die Auftragsbearbeitung und die Rüstkosten. Die Kostensätze und Leistungspreise müssen grundsätzlich auf Vollkostenbasis kalkuliert werden [Gudehus 2005; Mayer 1991]. Bei der Einführung und Erprobung der dynamischen Disposition kann auch zunächst mit den Richtpreisen der Tab. 14.1 und 14.2 kalkuliert werden.
14.6 Leistungspreise und Leistungskostensätze
Tab. 14.2 Richtkostensätze für Transport- und Frachtleistungen Preisbasis: 2001 Ladeeinheiten: Euro-Paletten, Höhe bis 1,1 m, Gewicht mittel 600/maximal 1.000 kg/Pal Versandgebiet: von Versandzentrum zu Zielorten in Deutschland; Nahgebiet bis 200 km Stückgutsendungen: 1 bis 6 Paletten pro Sendung Teilladungssendungen: 7 bis 24 Paletten pro Sendung Ganzladungssendungen: bis 34 Paletten pro Sendung
215
15 Auftragszentrum und Implementierung
Zur Implementierung und Realisierung der dynamischen Disposition nach dem vorliegenden Regelwerk ist die Schaffung einer eigenständigen Organisationseinheit für die zentrale Auftrags- und Lagerdisposition sinnvoll. Die zentrale Disposition wird auch als Auftragszentrum, Auftragszentrale, Auftragsabwicklung, Logistikdisposition oder Zentraldisposition bezeichnet. Das Auftragszentrum ist Drehscheibe und Verteilstelle für alle externen Aufträge. Es ist eine Art zentrale Arbeitsvorbereitung, Koordinationsstelle und logistische Kontrollzentrale für das gesamte Unternehmen. Das Auftragszentrum darf jedoch nur in die selbständige Disposition, Steuerung und Arbeit der dezentralen Fertigungsbereiche, Lieferstellen und Leistungsstellen, des Verkaufs und des Einkaufs eingreifen, wenn diese von den festgelegten Regeln abweichen oder die ihnen erteilten Aufträge nicht wie vorgegeben ausführen. Die Aufgaben und Entscheidungen des Auftragszentrums sind auf das Gesamtoptimum des Unternehmens ausgerichtet. Das kann zu Konflikten mit dem Vertrieb, dem Einkauf und den Produktionsbereichen führen. Daher sollte das Auftragszentrum keinem Bereich unterstellt sein, der an der Auftragsdurchführung unmittelbar beteiligt ist, und am besten direkt an die Unternehmensleitung berichten.
15.1 Aufgaben des Auftragszentrums Das Auftragszentrum hat die Aufgabe, die kommerziell geprüften externen Aufträge nach Prioritäten zu ordnen, in interne Aufträge aufzulösen und nach den Dispositionsregeln gebündelt an die Lagerstellen, Produktionsbereiche und Lieferanten weiterzuleiten. Danach verfolgt und kontrolliert das Auftragszentrum die termingerechte, vollständige und korrekte Ausführung der vom Rechner oder vom
218
15 Auftragszentrum und Implementierung
Disponenten generierten internen Aufträge durch die operativen Leistungsbereiche. Diese Aufgaben werden für Standardartikel und Standardaufträge weitgehend unabhängig von den Disponenten durch das Dispositionsprogramm nach den vorangehend aufgeführten Strategien durchgeführt. Damit verbleiben für die Disponenten im Auftragszentrum folgende Aufgaben: • • • • • • • • • •
Laufende Pflege der Artikel- und Logistikstammdaten Plausibilitätsprüfung und Freigabe der Lagernachschubvorschläge Disposition von Eil- und Sonderaufträgen Disposition der Vorabfertigung oder Vorausbeschaffung Umstufung von Auftragsartikeln in Lagerartikel Umstufung von Lagerartikeln in Auftragsartikel Auslösen einer Vorabproduktion zur Engpaßvermeidung Auftragszuteilung nach Prioritätsregeln in Engpaßzeiten Kontrolle und Sicherung der Einhaltung der vereinbarten Servicegrade Information von Vertrieb, Produktion, Einkauf und Lieferstellen über alle Neuregelungen und Änderungen der Disposition • Koordination der dezentralen Disposition der Fertigung, Lieferanten und Kunden Das Auftragszentrum übernimmt darüber hinaus die Aufgaben des Logistikcontrolling, soweit diese nicht dem Unternehmenscontrolling zugeordnet sind. Dazu gehört insbesondere die laufende Kontrolle der Fertigungsdurchlaufzeiten und der Lieferzeiten [Darkow 2001; Gudehus 1999; Weber 1993]. Auch die Fertigungsdisposition, die Organisation von Ausweichlösungen bei Fertigungsengpässen, Auftragsrückständen, Maschinenausfall, Personalproblemen, Fehllieferungen oder Fehlfertigung sowie die Entscheidung zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug können einem Auftragszentrum übertragen werden.
15.2 Implementierung des Dispositionsregelwerks Vor der Implementierung der dynamischen Disposition und des Dispositionsregelwerks kann eine grundlegende Reorganisation und Neustrukturierung der Unternehmenslogistik sinnvoll oder notwendig sein. Diese umfaßt folgende Arbeitsschritte: 1. Erfassung und Optimierung der externen und internen Auftrags- und Lieferketten
15.2 Implementierung des Dispositionsregelwerks
219
2. Abgrenzung und Neustrukturierung des gesamten Unternehmensnetzwerks 3. Abgrenzung von zentraler und dezentraler Disposition 4. Entscheidung über Eigenleistung oder Fremdbeschaffung des Lieferprogramms, der Logistik und von Serviceleistungen 5. Aufbau einer Logistikkostenrechnung mit nutzungsgemäßen Kostensätzen für Eigenleistungen und Leistungspreisen für Fremdleistungen 6. Organisation des Auftragszentrums 7. Logistische Sortimentseinteilung Ergebnisse der Reorganisation und Neustrukturierung der Unternehmenslogistik sind [Gudehus 2005]: • Strukturpläne des Unternehmensnetzwerks und aller Produktions- und Leistungsbereiche (s. Abb. 2.1 und 10.1) • Organisationsplan der Disposition • Dokumentierte Standardabläufe in den Auftrags- und Lieferketten (s. Abb. 10.2 und 12.3) • Standorte und Betriebszeiten der Leistungsbereiche • Verzeichnisse der verfügbaren Ressourcen in den Leistungsbereichen Die Ressourcen der Leistungsbereiche umfassen die Lagerkapazitäten, die Grenzleistungen und die Personalbesetzung der zugehörigen Leistungsstellen. Die Einführung der neuen Dispositionsregeln und das Programmieren der Algorithmen lassen sich neben dem laufenden Geschäftsbetrieb nur in beherrschbaren Arbeitsschritten realisieren. Folgende Schritte sind dabei zweckmäßig und zielführend: 1. 2. 3. 4. 5.
Anlegen der benötigten Stammdatenfelder und Anzeigen Programmierung der Algorithmen Erfassung und Eingabe der Stammdaten Schulung der Disponenten und der Prozeßbeteiligten Information von Vertrieb und Produktion
Erst nach vollständiger Erledigung dieser Aufgaben und nach einem Test der Funktionsfähigkeit des neuen oder angepaßten Dispositionsprogramms anhand ausgewählter Artikelgruppen wird die Disposition zunächst für ein Pilotsortiment und danach für das gesamte Lieferprogramm auf die neuen Regeln umgestellt. Die einzelnen Schritte und Stufen der Implementierung und deren zeitliche Realisierbarkeit sind abhängig von der Größe des Unternehmens, von der Dringlichkeit der Ziele, wie Kosteneinsparung, Verkürzung der Lieferzeiten und Verbesserung der Lieferfähigkeit, von den Möglichkeiten der bestehenden Standardsoftware und von den zur Pro-
220
15 Auftragszentrum und Implementierung
grammierung und Implementierung verfügbaren internen und externen Ressourcen. Der Zeitbedarf und der Ressourceneinsatz der Implementierung kann erst nach Verabschiedung des gesamten Projekts und des dokumentierten Dispositionsregelwerks durch alle Beteiligten geplant werden. Ihr Erfolg hängt entscheidend von der Motivation der an der Realisierung Beteiligten und von der Unterstützung durch die Unternehmensleitung ab.
16 Simulationstools
Die digitale oder stochastische Simulation ist ein Modellexperiment zum Test theoretischer Vorhersagen. Sie ist ein nützliches Hilfsmittel zur Untersuchung des dynamischen Verhaltens eines Logistiksystems bei zeitlich veränderlicher stochastischer Belastung und bei unterschiedlichen Dispositions- und Betriebsstrategien [Arnold et al. 2002; Gudehus 1999; Kuhn 1993]. Zum Test der Verfahren der Bedarfsprognose, zur Überprüfung der Algorithmen und Formeln der dynamischen Disposition und zur Demonstration der Auswirkungen der Dispositionsstrategien wurden vom Verfasser mehrere Simulationsprogramme entwickelt. Die auf der beigefügten CD-ROM dem Leser zur persönlichen Nutzung zur Verfügung gestellten Basisprogramme DYNDIS.XLS, SIMNET.XLS und PROGNOS.XLS sind in MS-EXCEL programmiert und modular aufgebaut. Die Basisprogramme lassen sich für konkrete Projekte den speziellen Gegebenheiten anpassen und durch Zusatzprogramme in MS-ACCESS erweitern für die Verarbeitung von Massendaten. Für Unternehmen unterschiedlicher Branchen wurden aus den Basisprogrammen anwendungsspezifische Simulationsprogramme entwickelt und mit echten Absatzdaten Potenzialrechnungen durchgeführt. Auf diese Weise wurde die Umstellung von der statischen auf die dynamische Disposition vorbereitet, unterstützt und begleitet. Zur Untersuchung der unterschiedlichen Einflußfaktoren auf die Zielgrößen und zur Durchführung von Sensitivitätsrechnungen dient das ebenfalls auf der CD-ROM enthaltene Kalkulationstools KALDIS.XLS. Mit Hilfe der Simulations- und Kalkulationstools wurden auch die vorangehenden Diagramme berechnet, die der interessierte Leser damit nachvollziehen und nachrechnen kann.
222
16 Simulationstools
16.1 Tools zur stochastischen Simulation Für die stochastische Simulation stehen dem Leser folgende Basisprogramme zur Verfügung: • DYNDIS.XLS©: Dieses Mastertool ermöglicht die Simulation der Disposition der in Abb. 2.4 dargestellten Lieferkettenelemente mit Auftragsbeschaffung und mit Lagerbeschaffung. Damit lassen sich für einzelne Artikel die Auswirkungen der externen Einflußfaktoren und der freien Dispositionsparameter auf die Lieferfähigkeit, die Logistikkosten und andere Zielgrößen untersuchen. Mit diesem Tool wurden die Abb. 4.2, 4.3, 6.1, 7.1, 8.1 und 11.1 generiert. • DYNDISGrenz.XLS©: Dieses Tool ist eine Erweiterung des Mastertools DINDIS.XLS für den Nachschub bei begrenzter Fertigungskapazität und mengenabhängigen Wiederbeschaffungszeiten. Es enthält zusätzlich die Formeln, Algorithmen und Funktionalitäten aus Kapitel 12, dessen Diagramme mit Hilfe dieses Tools berechnet wurden. • SIMNET.XLS©: Das Tool erlaubt die Simulation eines zweistufigen Versorgungsnetzes mit einer Lieferstelle, einem Zentrallager und mehreren Verbrauchsstellen, deren Absatz aus Regionalbeständen gedeckt wird. Untersuchen lassen sich die Auswirkungen der externen Einflußfaktoren, der freien Dispositionsparameter und der Strukturparameter auf die Lieferfähigkeit, die Logistikkosten und andere Zielgrößen in den einzelnen Stationen sowie im Gesamtnetz. Die mit diesem Tool gewonnenen Erkenntnisse sind in Abschnitt 4.6 und Kapitel 13 beschrieben [Sie sind mit Abbildungen ausführlich in Gudehus 2001 dargestellt]. • PROGNOS.XLS©: Das Tool dient der stochastischen Simulation von Verfahren zur mittelfristigen Bedarfsprognose. Es simuliert über 2 Jahre eine Absatzfunktion und prognostiziert unter Verwendung der Saisongewichte des Vorjahres den Bedarf des Folgejahres. Mit diesem Tool wurde Abb. 4.4 generiert. Diese Simulationstools sind geeignet zur Demonstration der Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Einflußfaktoren der dynamischen Disposition in Lieferketten und Versorgungsnetzen bei stochastischem und zeitlich veränderlichen Auftragseingang. Sie sind nutzbar zum Selbststudium, für Testrechnungen und zur Schulung. In Grenzen lassen sich mit den Basisversionen der Simulationstools auch Potenzialrechnungen für konkrete Anwendungsfälle und Simulationsrechnungen zur wissenschaftlichen Untersuchung weiterer Fragen der Disposition durchführen.
16.2 Aufbau der Simulationsprogramme
223
16.2 Aufbau der Simulationsprogramme Die Basisprogramme DYNDIS.XLS und DYNDISGrenz.XLS sind nach dem gleichen Schema aufgebaut: • Die ersten Blätter enthalten Eingabetabellen für die unterschiedlichen Absatz-, Dispositions- und Strukturparameter. Die Eingabefelder sind durch Unterstreichung markiert (s. Tab. 16.1 und 16.2). • Die Berechnungsfelder und Ergebnisfelder sind nicht unterstrichen. Sie enthalten schreibgeschützte Berechnungsformeln, die im Text des Buches zu finden sind. • Hinter den Blättern mit den Eingabetabellen befinden sich die Blätter mit den Berechnungstabellen. In diesen werden aus den Absatzparametern mit Hilfe eines Zufallsgenerators Absatzwerte generiert und für die eingegebenen Dispositionsparameter Simulationsrechnungen durchgeführt. Die nicht unterstrichenen Zahlenfelder dieser Tabellen enthalten Formeln, die aus den Eingabewerten und den in anderen Feldern gespeicherten Zwischenwerten neue Werte berechnen. Die Berechnungsund Ergebnisfelder dürfen nicht überschrieben oder verändert werden. • Unterhalb der Berechnungstabellen sind im ersten Diagramm der simulierte Absatzverlauf und das Ergebnis der daraus abgeleiteten Bedarfsprognose dargestellt. Hieraus sind die systematischen Schwankungen und stochastischen Veränderungen des Absatzes ablesbar. Bei schwachem Absatz und großer Streuung zeigt das Diagramm auch die Anzahl der Nullperioden ohne Absatz. Außerdem ist erkennbar, wie die dynamische Prognose einerseits die stochastischen Schwankungen glättet und wie andererseits der prognostizierte Bedarf dem tatsächlichen Absatzverlauf mit Verzögerung folgt (s. Abb. 4.2 und 4.3). • Das zweite Diagramm unter den Tabellen zeigt den simulierten Bestandsverlauf und die Größe der Nachschubmengen. Ablesbar sind der typische Sägezahnverlauf des Bestands und die unterschiedlichen Wiederbeschaffungszeiten zwischen Bestellpunkt und Zugang der Nachschubmenge. Maßgebend für die Lieferfähigkeit ist die Anzahl der Tage ohne Lagerbestand, die sich aus dem Diagramm ablesen läßt (s. Abb. 6.1, 6.3a/b und 11.1). • Die letzten Blätter des Simulationsprogramms enthalten Ergebnistabellen (s. Tab. 16.3). In diesen sind die Ergebnisse aus den vorangehenden Berechnungen zusammengefaßt. Außerdem sind zum Vergleich die Ergebnisse der analytischen Berechnung der entsprechenden Jahresmittelwerte angegeben.
224
16 Simulationstools
Tab. 16.1 Eingabetabelle DYNDIS.XLS – Artikelstammdaten und Absatzparameter
16.2 Aufbau der Simulationsprogramme
225
Tab. 16.2 Eingabetabelle DYNDIS.XLS – Kostensätze und Dispositionsparameter
Weitere Blätter enthalten statistische Auswertungen und Diagramme mit Darstellungen der Ergebnisse. In der Kopfzeile der zentralen Simulationstabellen sind die Bedeutungen der Spalten angegeben. Hier werden auch die Anfangswerte für den Periodenabsatz und die Bestände berechnet und durch einen Zufallsgenerator stochastisch gestreut, damit keine Anlaufverfälschungen auftreten.
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16 Simulationstools
Tab. 16.3 Ergebnistabelle DYNDIS.XLS zur Simulation der dynamischen Disposition einer elementaren Lieferkette mit und ohne Lager Simulation: Ergebnisse der stochastischen Simulation mit instationärem Absatz Analytisch: Analytische Berechnungsergebnisse mit den Jahresmittelwerten Eingabewerte: s. Tabelle 16.1 Dispositionsparameter: s. Tabelle 16.2
16.3 Modellfunktion zur Absatzsimulation
227
Die wichtigsten Zielwerte der Disposition sind die Logistikkosten und die Lieferfähigkeit. Außer diesen Zielwerten errechnet das Programm die Jahresmittelwerte anderer Größen von Interesse, wie Bestand, Nachschubmenge, Drehzahlen, Bestellfrequenz und Standardabweichungen.
16.3 Modellfunktion zur Absatzsimulation Gegenüber einer Verwendung realer Absatzverteilungen aus einem abgeschlossenen Zeitraum haben Modellabsatzfunktionen den großen Vorteil, daß sich mit ihnen die Auswirkungen von erwarteten oder geplanten Veränderungen des Absatzes simulieren lassen. Dadurch können die Auswirkungen im voraus kalkuliert und die Disposition darauf ausgerichtet werden. Entsprechend dem Produktansatz (3.1) der allgemeinen Absatzfunktion wird in den Programmen zur digitalen Simulation der Periodenabsatz für einen Simulationszeitraum von einem Jahr mit NPE = 250 Absatztagen AT generiert durch folgende 䉴 Modellabsatzfunktion©
(16.1)
l (t) = RUNDEN (l A · gTrend(t) · gZyk(t) · gStör(t) · gAZuf(t)) · MAX(1; RUNDEN(m · gmZuf(t))). Der erste Faktor der Modellabsatzfunktion generiert einen stochastisch schwankenden Auftragseingang, der sich im Verlauf des Jahres systematisch verändert. Er kann bei geringem Auftragseingang an einigen Tagen auch den Wert 0 haben. Der zweite Faktor erzeugt eine um den Mittelwert m stochastisch schwankende Liefermenge, die minimal gleich 1 VE ist. Die Absatzparameter λA und m lassen sich so einstellen, daß ein gewünschter Jahresabsatz resultiert. Außer der Trendfunktion und der Störfunktion sind die Gewichtsfunktionen gxx(t) und die Zufallsfunktionen gZuf(t) über den Zeitraum von NPE = 250 Absatztagen auf 1 normiert. Mit den Modellparametern der Gewichtsfunktionen lassen sich unterschiedliche systematische Veränderungen und stochastische Schwankungen einstellen. Die Trendfunktion gTrend(t) = 1 + cTr · t/NPE
(16.2)
erzeugt eine lineare Absatzveränderung mit dem Trendanstieg cTr ab dem Anfangswert 1 bei t = 0 bis zum Endwert 1 + cTr bei t = NPE. Der Trendanstieg ist in gewünschter Höhe einstellbar.
228
16 Simulationstools
Die Zyklusfunktion gZyk(t) = 1 + (fZyk – 1) · SIN(2π · νZyk · t/NPE)
(16.3)
generiert einen sinusförmigen Saisonverlauf um den Mittelwert 1. Die Höhe der Saisonspitzen ist durch den Zyklusfaktor fZyk und die Anzahl der Saisonspitzen pro Jahr durch die Zyklusfrequenz νZyk veränderbar. Die nicht normierte Störfunktion gStör(t) = WENN (t < tA; 1; WENN (t > tE; 1; fStör))
(16.4)
erzeugt einen sprunghaften Anstieg vom Ausgangswert 1 um den frei wählbaren Störfaktor fStör , der in einer einstellbaren Anfangsperiode tA beginnt und in der Endperiode tE endet. Durch die normierte Auftragszufallsfunktion gAZuf(t) = 1 + cAuf · (2 · ZUFALLSZAHL() – 1)
(16.5)
werden vom EXCEL-Programm Zufallszahlen erzeugt, die zwischen 1 + cAuf und 1 – cAuf gleichverteilt sind. Mit einen Auftragszufallsfaktor cAuf, dessen Wert zwischen 0 und 1 liegt, ist die Streubreite der Zufallsfunktion (16.5) in Grenzen einstellbar. Entsprechend ist die Mengenzufallsfunktion definiert: gmZuf(t) = 1 + cm · (2 · ZUFALLSZAHL() – 1).
(16.6)
Mit dem frei wählbaren Mengenzufallsfaktor cm lassen sich unterschiedliche Streubreiten der Positionsmenge pro Auftrag generieren. Wenn die Zufallsfunktionen (15.5) bzw. (15.6) eine bestimmte Streuung sλ bzw. sm erzeugen sollen, ist für die Zufallsfaktoren einzusetzen: c Auf = 3◊ s l / l A bzw . cm = 3◊ sm / m .
(16.7)
Für einen stationären Absatzverlauf ohne Trendanstieg, Saisonabhängigkeit und sprunghafte Veränderungen bestätigt die statistische Auswertung der vom Programm mit den Beziehungen (16.2), (16.5) und (16.7) generierten Absatzwerte die eingegebene relative Streuung, solange diese unter 80% liegt. Bei größeren Eingabewerten für die relative Streuung oder bei instationärem Absatzverlauf weicht die Streuung des simulierten Absatzes vom Eingabewert ab. Da jedoch der Sicherheitsbestand vom Programm aus der dynamischen Streuung (4.2) der simulierten Absatzwerte berechnet wird, ist diese Abweichung ohne Einfluß auf die weiteren Simulationsergebnisse. Mit den Standardfunktionen (16.2) bis (16.6) und der Modellfunktion (16.1) läßt sich – wie in Abb. 4.2 und 4.4 gezeigt – der kurz- bis mittelfristige Bedarfs- oder Absatzverlauf für einen Zeitraum von wenigen Tagen bis zu einem Jahr generieren und simulieren (s. Abschnitt 4.1).
16.3 Modellfunktion zur Absatzsimulation
229
120
Bedarf [VE/Monat]
100 80 60 40 Wachstumsfunktion Logistikfunktion Lebenszyklusfunktion
20 0 0
6
12
18
24
30
36
42
48
54
60
Zeit [Monate] Abb. 16.1 Modellfunktionen zur mittel und langfristigen Bedarfssimulation
Zur Simulation und Prognose des mittel- bis langfristigen Bedarfs über einige Monate bis Jahre sind folgende Modellfunktionen geeignet: • Natürliches Wachstum: Die Wachstumsfunktion gNW(t) = exp[(t - to)/TW]
(16.8)
stellt einen ab der Periode to zunächst linear in der Wachstumszeit TW ansteigendes und im weiteren Verlauf abnehmendes Wachstum dar, das sich asymptotisch dem Sättigungsniveau nähert. • Markteinstiegsverlauf: Die ansteigende Logistikfunktion g +(t) = 1/(1+ a+.exp[-(t-t +)/T +]) - 1/(1+a+) L
o
N
(16.9)
ist geeignet zur Simulation eines ab der Periode to+ zunächst langsam, dann rascher und bei Annäherung an das Sättigungsniveau immer schwacher ansteigenden Verlaufs. Sie wird in der Automobilindustrie als Anlauffunktion zur Simulation der Markteinführung eines neuen Modells verwendet. • Marktausstiegsverlauf: Die fallende Logistikfunktion g -(t) = (2+a-)/(1+a-) - 1/(1+ a-.exp[-(t-t -)/T -]) L
o
N
(16.10)
230
16 Simulationstools
stellt einen ab der Periode to - vom Sättigungsniveau zunächst langsam, dann rascher und mit dem Ausklingen immer schwacher abfallenden Verlaufs. • Lebenzyklus: Die Lebenszyklusfunktion gLC(t) = gL+(t-to+ ; TN+; a+) - gL+(t-to-; TN-; a-)
(16.11)
ist die Summe einer ab Periode to+ steigenden und einer ab Periode tofallenden Logistikfunktion. Sie ist geeignet zur Simulation unterschiedlicher Produktlebenszyklen oder von Katalogverkaufszyklen im Versandhandel. Die in Abb. 16.1 gezeigten Modellfunktionen (16.8) bis (16.11) werden als zusätzlicher Faktor in die allgemeine Modellfunktion (16.1) eingefügt. Sie sind auch nutzbar zur mittelfristigen Absatzprognose (s. Abschnitt 4.4).
16.4 Benutzerhinweise Bevor ein Programm genutzt wird, ist es ratsam, eine Masterkopie des Basisprogramms anzufertigen und gesondert abzulegen. Wenn das Arbeitsprogramm durch falsche Eingaben oder Fehlbedienung nicht mehr einsetzbar ist, kann auf die Masterkopie zurückgegriffen werden. Um sich mit der Arbeitsweise eines Programms vertraut zu machen, wird empfohlen, zunächst mit den Anfangswerten, die in der Basisversion des Simulationsprogramms hinterlegt sind, mehrere Simulationsläufe durchzuführen. Das geschieht am einfachsten durch Betätigen der Taste F9. Auf diese Weise ist es möglich, die Streuung der simulierten Zwischenergebnisse und der Zielwerte, insbesondere der von Jahr zu Jahr schwankenden Lieferfähigkeit, zu untersuchen und statistisch auszuwerten. Danach können nacheinander die Parameter der Modellabsatzfunktion verändert und deren Auswirkungen studiert werden. Als Anfangseinstellung sind die Auftragsstreuung auf 5%, die Mengenstreuung und die Zuwachsrate auf 0% sowie der Zyklusfaktor und der Anstiegsfaktor gleich 1 zu setzen. Zuerst wird der Periodenabsatz, danach die Positionsmenge und dann deren Streuwerte verändert, während alle anderen Parameter konstant bleiben. Danach werden die verschiedenen Parameter für den Jahresverlauf eingeschaltet. In den nächsten Schritten können auch mehrere Parameter gleichzeitig variiert werden. Im Simulationstool DYNDIS.XLS für die einstufige Beschaffung lassen sich auch die Wiederbeschaffungszeiten und deren Streuung verändern und die Auswirkungen dieser externen Einflußgröße auf den Sicherheits-
16.5 Kalkulationstool für analytische Berechnungen
231
bestand und die Lieferfähigkeit studieren. In der Basisversion des Simulationstools SIMNET.XLS ist das nicht möglich. Nachdem auf diese Weise die Auswirkungen der wichtigsten externen Einflußfaktoren studiert wurden, können nacheinander die Bestellpunktstrategie von Meldebestandsverfahren „s“ auf Bereitstellverfahren „b“, die Nachschubmenge von „optimal“ auf einen festen Eingabewert und die übrigen Dispositionsparameter verändert werden. Durch Eingabe unterschiedlicher Kostensätze, Grenzleistungswerte und anderer Parameter ist es möglich, systematisch die Sensitivität und die Abhängigkeit der Zielwerte von diesen Parametern zu untersuchen.
16.5 Kalkulationstool für analytische Berechnungen Eine analytische Berechnung der Auswirkungen der unterschiedlichen Einflußfaktoren auf die Zielgrößen ermöglicht das Programmtool 䉴 KALDIS.XLS©: In den ersten Blättern des Tabellenprogramms wird die
Abhängigkeit der Logistikkosten, der Nachschubmenge und des Sicherheitsbestands von den wichtigsten Einflußfaktoren mit Hilfe der angegebenen Formeln berechnet und in Diagrammen dargestellt. In einem weiteren Blatt werden die Logistikstückkosten und die kritische Liefermenge für die Auftragsfertigung und die Lagerlieferung kalkuliert. Das Tabellenprogramm TABDIS.XLS enthält alle weiteren Tabellen des Buches, insbesondere die Tab. 4.1 zur Sortimentseinteilung nach Servicekriterien in Lagerartikel und Auftragsartikel.
Literatur
Die angegebene Literatur ist nur ein kleiner Auszug aus der unübersehbaren Fülle der Veröffentlichungen über Disposition und Planung. Im Text werden alle Arbeiten zitiert, aus denen Anregungen, Verfahren und Algorithmen in dieses Werk eingeflossen sind. Bezüglich weiterer Arbeiten zum Thema Disposition wird der interessierte Leser auf die Literaturverzeichnisse in den Veröffentlichungen von Inderfurth, von Zwehl und Tempelmeier verwiesen. Das 2005 bei Springer in 3. Auflage erschienene Buch des Verfassers, Logistik/Grundlagen, Strategien, Anwendungen, gibt eine Einführung in die verwendeten Verfahren und definiert viele Begriffe der Logistik. Es ist grundlegend für das Verständnis der Konsequenzen der Disposition in der Unternehmenslogistik. Die durch das Copyright-Zeichen © gekennzeichneten Berechnungsformeln und Algorithmen sowie die daraus hergeleiteten Simulationsprogramme sind das geistige Eigentum des Verfassers. Mit dem Kauf dieses Buches und der Übernahme der Simulationstools erkennt der Benutzer die Urheberrechte des Verfassers an. Abels H., DISCOVER II (1991); Ganzheitliche Bestimmung von Sicherheitsbeständen, Springer Ahrens J., Straube F. (1999); The Pull Principle, Logistics Europe, September 99, S. 64 ff. Andler K. (1929); Rationalisierung der Fabrikation und optimale Losgröße, R. Oldenbourg, München Arnold D., Faißt B. (1999); Untersuchung des Bullwhip-Effekts in sequentiellen Lieferketten, Tagungsbericht der 5. Magdeburger Logistik-Tagung über Logistiknetzwerke, Ottovon-Guericke-Universität, Magdeburg, S. 180 ff Arnold D., Inderfurth H., Kuhn A., Tempelmeier H. (2002); Handbuch Logistik, Springer, Berlin-Heidelberg-New York Backhaus K., Erichson B., Plinke W., Weiber R. (2000); Multivariante Analysemethoden, 9. Aufl, Springer Behrentzen Chr. (1999); Logistikrestrukturierung nach Firmenübernahmen in der Spirituosenindustrie, 16. Deutscher Logistik-Kongreß; Tagungsbericht I, S. 751 ff, Berlin Berr U. (1979); Materialbedarfsplanung mit Stücklistenauflösung, Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, Poeschel, Stuttgart, Spalte 1193 ff. Bichler K. (1994); Beschaffungs- und Lagerwirtschaft, 7. Aufl., Gabler, Wiesbaden Bogaschewsky R. (1996); Losgröße, in Handbuch der Produktionswirtschaft, Hrsg. W. Kern, S. 1142 ff, 2. Auflage, Poeschel, Stuttgart Breiter P.M. (1996); ECR – Efficient Consumer Response – Wer hat was davon?, Distribution 7-98, S. 12 ff
234
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Sachwortverzeichnis
A ABC-Klassifizierung 131 Abfertigung, schubweise 140 Abfüllanlage 137 Ablauforganisation 143 Absatz 65, 203 – lageropportuner 131, 116, 127 Absatzglättungsfaktor 209 Absatzinformation – simultane 52 – verzögerte 52 Absatzparameter 224 Absatzprognose – auf Basis Endverbrauch 53 – mittelfristige 46, 229 Absatzsimulation 227 Absatzstreuung 94, 96 – in der Wiederbeschaffungszeit 57 Absatzverlauf 33 – kurzfristiger 228 – mittelfristiger 228 Absatzverteilung 131 Adaption 6 – des Glättungsfaktors 45 Advanced Planning and Scheduling (APS) 3, 183 Aktualisierung 153 Anbrucheinheit 82 Anbruchmenge 70 Andler-Formel 109 Andler-Harris-Näherung 122 Anfangseinstellung 131, 158 Anfangswert 46, 158 Anfangszeitpunkt 78 Anlagenbau 3, 4 Anlieferung 162 – geschlossene 162 – kontinuierliche 164
Anzahl – kostenoptimale 109 – Produktionsmaschinen 172 Anzeige kritischer Artikel 212 Anzeigebedarf 212 Anzeigemaske 212 APS 3, 183 Arbeitsbestand 37 Arbeitsplan 144 Arbeitsplatz 68 Artikel – fremdbeschaffter 210 – kritischer 212 – mit plötzlichem Bedarf 47, 157 – verderblicher 81 Artikelbestand – in Ladeeinheiten 84 – in Verpackungseinheiten 84 Artikeleinzeldisposition 75 Artikellogistikkosten 213 Artikelmaximalbestand 81 Artikelstammdaten 12, 30, 156, 207, 224 – dynamische 211 Arzneimittel 70 Aufbau der Simulationsprogramme 223 Aufbauorganisation 143 – der Produktion 140 Aufgaben des Auftragszentrums 217 Aufgabenteilung Disposition und Planung 8 Auflösen 20 Aufschaukelung 203, 204 Auftrag 29 – externer 217 Auftragsdeckung des Bestands 36, 213 Auftragsabwicklung 217 Auftragsannahme 26
238
Auftragsartikel 7, 8, 29, 33, 125, 126, 128, 129, 218 Auftragsbearbeitungszeit 55 Auftragsbeschaffung 16, 20, 21, 222 Auftragsbestand 60 Auftragsdisposition 7, 8, 133 – permanente 7 – zentrale 9 Auftragsdurchlaufzeit 56 – der Produktionsstelle 139 Auftragseingang 31, 32, 33 Auftragsfertigung 125, 176 Auftragsgegenstand 135, 136, 137, 188 Auftragsinhalt 29 Auftragskette 218 Auftragskosten 21, 61, 100, 110 – administrative 26 – fixe 100 Auftragslieferung 60, 61, 99, 101–103, 116, 133, 134 Auftragslieferzeit 55 Auftragslogistikkosten 99, 102, 103 Auftragsmanagement 133 Auftragsmenge 136 Auftragsprozeßgrenze 187 Auftragspulk 148 Auftragsrückstand 218 Auftragsservicegrad 31 Auftragsstammdaten 30 Auftragsstruktur 31 Auftragsteil 143, 159 Auftragstrennung 61 Auftragsvorbereitung 142 Auftragswarteschlange 139 Auftragswartezeit 139 Auftragszentrum 25, 188, 217 Auftragszufallsfaktor 228 Auftragszufallsfunktion 228 Ausführungsreihenfolge 136, 149 Auslagerkosten 21, 26 Auslastung, partielle 138 Auslaufartikel 127 Auslaufpuffer 143 Auslieferkreis 197 Auslieferlager 197, 201 Außenmaße 30 Auswahl – Bestellpunktstrategie 155 – Dispositionsverfahren 131 – Ladungsträger 153
Sachwortverzeichnis
Ausweichlösung 218 Auswirkung Zentralstrategie 23 Automobilindustrie 15, 16, 50, 82, 149, 186
B Bahn 188 Basisprogramm 222 Bauindustrie 139 Bedarf – kurzfristiger 40 – plötzlicher 47 Bedarfsabhängigkeit Nachschubmenge 169 Bedarfsart 29 Bedarfsaufschaukelung 183, 203 Bedarfseinbruch 50 Bedarfsprognose – dynamische 39 – in Logistiknetzen 50 – kurzfristige 4, 39, 43 – mittelfristige 46, 48, 53 Bedarfsspitze 190 Bedarfssprung 50 Bedarfsstreuung 40 Bedarfsverlauf – kurzfristiger 228 – mittelfristiger 228 Bedruckstoff 137 Begleitkarte 78 Begrenzung – der Bedarfsaufschaukelung 183 – des adaptiven Glättungsfaktors 45 Behältergröße, wirtschaftliche 159 Belieferung aus Zentrallager 190 Bemessungsregel Kanban-Behälter 72 Benchmarkwert 24 Benutzerhinweis 229 Berechnung Nachschubmenge 67 Bereitstellbestand 68 Bereitstellkosten 21 Bereitstellplatz 21, 68 Bereitstellpuffer 68 Bereitstellverfahren 67, 68, 81, 155 – mit fester Nachschubmenge 71, 73 – mit Sollbestandsauffüllung 70 Beschaffungsart, kostenoptimale 28 Beschaffungsauftragskosten 100, 210 Beschaffungsbündelung 23 Beschaffungsdisposition 133, 149
Sachwortverzeichnis
Beschaffungseinheit 210 Beschaffungselement 17, 19 Beschaffungsfixkosten 100 Beschaffungslogistik 17 Beschaffungsnetz 197 Beschaffungsplanung 87 Beschaffungspreis 102, 110, 112, 122 Beschaffungsquelle 210 Beschaffungsstrategie 133 – spekulative 204 Beschaffungszeit 55, 213 Beschaffungszentrum 25 Bestand 213 – dezentraler 183, 197 – eiserner 87 – mittlerer 63, 164, 166 – strategischer 38 Bestandsart 29, 37 Bestandsdeckung 81 Bestandsdispositon 108 Bestandsreduzierung durch Zentralisierung 194 Bestandsreichweite, zulässige 81, 207 Bestandsrestriktion 80 Bestandsverlauf 64, 163 – eines Fertigerzeugnisses 12 Bestandsverteilung 181 Bestandswert 213 Bestandszentralisierung 183, 193, 194, 201 Bestellauslösezahl 69 Bestellbestand 68 Bestelleingang, regelmäßiger 50 Bestelliste 154 Bestellmenge 31, 161 Bestellpunkt 37, 65, 76, 154 Bestellpunktstrategie 67, 74, 153, 154, 155 Bestellpunktverfahren 74 Bestellverhalten, synchrones 203 Bestellvorschlag 154 Bestellzeitpunkt 66, 78, 101 Bestimmung Optimaler Lieferketten 195 Betriebskosten 16 Betriebsphase 179 Betriebssteuerung 4 Betriebsunterbrechung 36 Betriebszeit 144, 219 Betriebszustand 139 Bevorratung 55 BOL-Rechnertool 195
239
Boxpalette 159 Brennofen 140 bull-whip-effect 203 Bündelungsstrategie 20, 136
C Chargengröße 139 Chargenproduktion 139 Computerbranche 70, 186 Crossdocking 177, 195, 196, 202 CRP (continuous replenishment) 181 customized production 187
D Datenbedarf 207 Deckungsbeitrag 119, 192 Dilemma der Auftragsbündelung 61 Direktauftragskosten 100, 116 Direktbelieferung 196 Direktbeschaffung 8 Direktbeschaffungsauftrag 21, 60, 61 Direktbeschaffungskosten 101 Direktlieferung 21, 210 Direktlieferzeit 60 Direktnachschubstrategie 179 Direkttransportkosten 123 Direktversand 151 Direktversorgung 179 – über Pufferplätze 177 Display 129 Disponent 5, 44, 154 Disposition 2, 3, 15 – dezentrale 27, 183-185 – dynamische 2, 5, 132, 173, 196, 211, 217 – Taktfertigung 147 – Logistiknetzwerks 135 – ereignisdynamische 6 – Grundstrategie 20 – Hauptziel 20 – mehrstufiger Leistungsketten 184 – mit Zeitpuffer 184, 185 – monatliche 5 – periodendynamische 6 – plangesteuerte 36, 183 – programmgesteuerte 36 – retrograde 27 – rhythmische 78
240
– stochastische 36 – verbrauchsgeregelte 36 – vorausschauende 23 – wöchentliche 5 – zentrale 22 Dispositionregelwerk 218 Dispositionsbestand 37, 63 Dispositionslager 99 Dispositionsparameter 99, 100, 209, 225 Dispositionsperiode 34, 78, 147 Dispositionsplan 125, 204 Dispositionsprogramm 5, 7, 9, 28, 150, 209 Dispositionsregel 166, 174 Dispositionssoftware 207 Dispositionsstrategie 5, 6, 9, 16, 50 – des virtuellen Zentrallagers 177, 200 – mehrstufige Leistungsketten 184 Dispositionsverfahren 131 Dispositionsverhalten 53 Dispositonszeitpunkt 144, 145 Distributionslogistik 17 Distributionsnetz 197 – zweistufiges 201 Dominanzprinzip des Warenflusses 27 Dringlichkeit 145, 192, 219 Durchlauf, gedrosselter 23 Durchlaufzeit 55, 58 Durchlaufzeitschwankung 58 Durchschnittsbestand 65 Dynamische Berechnung – WBZ-Streuung 57 – Wiederbeschaffungszeit 56 Dynamische Disposition 5 DYNDIS.XLS 222 DYNDISGrenz.XLS 222
E e-commerce 13 ECR (efficient consumer response) 181 EDI (electronic data interchange) 26, 52, 100, 159 Effekt spekulativer Beschaffung 205 Eigenleistung 219 Eigenumrüstzeit 138 Eilauftrag 134, 145, 204 Einbehälter-Kanban 78, 158 Einfluß Nachschubmenge 106 Einflußfaktoren auf Sicherheitsbestand 94
Sachwortverzeichnis
Einfrierzeitpunkt 149 Eingabemaske 212 Einkaufseinheit 210, 217 Einlagerkosten 21, 26, 99, 100, 208 Einlaufpuffer 143 Einpositionsauftrag 31, 128 Einsatzmaterial 137 Einsatzmenge 137 Einsatzregel für Bereitstellverfahren 155 Einsatzstoff 135 Einzelabruf 146 Einzelbereitstellung 69 Einzeldisposition – bestellpunktabhängige 74, 155 – zyklische 80 Einzeldurchlauf 146 Einzelplatzlagerung 84 Einzelstation 145 Einzelstückposition 31 Endkunde 2 Endmontage 141 Endverbrauch, unverzögerter 53 Endverbrauchsinformation 53 Engpaß 16, 22, 36, 183 Engpaßartikel 192 Engpaßauslastung 148 Engpaßbelegung 148 Engpaßbereich 144 Engpaßdisposition 146 Engpaßermittlung 143 Engpaßphase 191, 204 Engpaßsituation 134, 190, 204 Engpaßstation 141 Engpaßstelle 60 – aktuelle 139 – potentielle 139 Engpaßstrategie 23, 60, 190, 204 Engpaßterminierung 147 Engpaßwarnung 149, 192, 212 Engpaßzeit 191 Enterprise Ressource Planning (ERP) 3, 183 Entfernungspreis 214 Entkopplungsprinzip 15, 24, 25, 190 Entsichern 20 ERP 3, 183 Ersatzteil 70, 119 Ersatzteilbedarf 35 Erstrüstzeit 138
Sachwortverzeichnis
Erwartungsbedarf 36 Erzeugnis – diskretes 135 – immaterielles 135 – materielles 135 Erzeugnisart 135 Erzeugnisbedarf 136, 137 Erzeugnisstückliste 137, 210 Europalette 30
F Fabrik, atmende 190 Fahrwegpreis 214 Fahrzeughersteller 51 Fahrzeugmontage 16, 137 FCFS 145 Fehlbestand 159 Fehlerfortpflanzungsgesetz 57, 193 Fehlfertigung 218 Fehllieferung 218 Fehlmengenkosten 119, 192 Fertigerzeugnis 12, 126 – auftragsgefertigtes 129 Fertigstellungszeitpunkt 136 Fertigung 128 Fertigungsablauf 144 Fertigungsauftrag 136 Fertigungsauftragskosten 146 Fertigungsdisposition 8, 25, 133, 136, 144, 175, 218 – dynamische 147 Fertigungsengpaß 218 Fertigungskette 142, 143 Fertigungsplanung 87, 142 Fertigungsregel 173 Fertigungsstelle 135, 209 Fertigungssteuerung 142 Fertigungsstrategie 144, 172 Fertigungsstruktur 141 Fertigungszentralisierung 183 Fertigwarenlager 18 First Come First Served (FCFS) 145, 192 First Out First Served (FOFS) 145 Flächeneinheit 135 Flachpalette 159 Flexibilität 6 Fließfertigung 140, 145 Flip-Flop-Verfahren 68, 70, 155
241
Flugzeugbau 139 FOFS 145 Folgebedarf 35 Folgestellenbelegung 148 Forrester-Aufschaukelung 203 Frachtbündelung 23 Frachtkette 17 Frachtkosten 21, 26, 123 Frachtleistung 215 Frachtnetz 188 Fremdbeschaffung 219 Fremdprodukt 175 Frühindikator Engpaßsituation 204 Füllauftrag 82 Fülleinheit 82 – volumenbestimmte 122 Füllmenge 83 Füllungsgrad 20, 156
G Galvanisationsanlage 140 Gängigkeit 130 Ganzladung 31, 180 Gebrauchsgüterversorgung 1 Gefahren des Controlling 212 Gesamtauslastung 138 Gesamtbestand 63 Gesamtbedarf 48, 165 Gesamtdurchlauf gesteuerter 146 Gesamtkosten 202 – dispositionsrelevante 198 Gesamtlogistikkosten 27, 213 Gesamtsicherheitsbestand, virtueller Gesamtstrategie 22, 147, 203 Gesetz 168 – der großen Zahl 51 – des freien Marktes 51 Getränkeindustrie 136 Gewichtseinheit 135 Gewichtungsfaktor 41, 42 Gewinn 192 Gitterbox 156 Glättung – dynamische 42 – exponentielle 40, 41 Glättungsfaktor 45 – adaptiver 44, 44, 45 – maximaler 45
200
242
Sachwortverzeichnis
– minimaler 45 Glättungsreichweite 41, 42, 44, 57 Gleichauslastung, statische 146 Gleichverteilung, dynamische 147 Grenzgewicht, spezifisches 122 Grenzleistung 138 Großauftrag 176, 177 Großbaustelle 189 Großbehälter 159 Größenklasse 122 Großladungsträger 30, 82 Großmengenauftrag 33, 96, 178, 202 Großteil 122 Grundpreis 214 Grundregel 8 – der Lagerdisposition 108 Grundsatzfragen der Makrologistik 202 Grundstoffindustrie 2 Grundstrategie der Disposition 20 Güterproduktion 135
H Halbfertigware 135 Hamsterbestellung 204 Handel 2, 18, 25, 82, 198 Handelsware 55, 128, 149, 175 Handlingkosten 26 Handlungsmöglichkeit 22, 50, 60 Handlungsspielraum 136 Harris-Formel 109 Hauptleistungskette 140 Hauptlieferkette 60 Hauptziele – der Disposition 20 – des SCM 8 Haushalt 2 Herstellkosten 209 Hierarchie 15 – von Erzeugnisstücklisten 137 Hochbau 3
I Implementierung 13, 46 – des Dispositionsregelwerks Industrie 198 – verarbeitende 2 Informationsaustausch 26
218
Informationszeitverzug 51 Inhalt Kanban-Behälters 69, 72 Internet 13, 26, 52, 100 Intranet 28 Investition 193 IT-Netz 202 IT-System 26
J Jahreslieferfähigkeit 97 Jahresmittelwert 227 JIT-Kanban 158, 159 Just-in-Time 25 Just-in-Time-Belieferung 60 Just-In-Time-Bereitstellung 142 Just-In-Time-Beschaffung 149 Just-In-Time-Disposition 184, 185
K KALDIS.XLS © 231 Kalkulationstool 221, 231 Kampagne 36 Kanban – elektronisches 78, 158 – ohne Karten 159 – zweistufiges 70 Kanban-Behälter 69, 72 Kanban-Dienstleister 70 Kanban-Karte 78 Kanbanteil 143 Kanban-Verfahren 68, 74, 154, 155, 158, 179, 187 Kapazität 30, 82, 166 – Ladeeinheiten 121, 140, 209, 210 – Verpackungseinheiten 209, 210 Kapitalmarktzins 208 Kartenrücklauf 159 Karton 81 Katalogverkaufszyklus 229 Kaufteil 55 Klappbox 82, 159 Kleinbehälter 159 Kleinladungsträger 30, 82 Kleinteil 122 KLT 156 Kommissionierplatz 68 Komplettlieferung 31, 151
Sachwortverzeichnis
Komponentenhersteller 16 Konfektionsartikel, lagerhaltiger 129 Konsument 1 Konsumgüterversorgung 1 Konsumverhalten 34, 35 Kosten 8, 20 – relevante 21 Kostenopportunität 8 – Lagerhaltung 115 – Kanban-Verfahren 74 Kostenoptimum Bestandsverteilung 181 Kostensatz 9, 101, 214, 225 – Produktionsstelle 138 Kraftstoffverbrauch 35 Kriterium optimaler Ladungsträger 156 Kundenauftrag 7 Kundenbedeutung 192 Kuppelproduktion 4 Kurzfristprognose 8, 40
L Ladeeinheit 30, 63, 68, 81, 82, 104, 121, 140, 209, 210 Ladeeinheitenbedarf 83 Ladeeinheitenbestand 84 Ladeeinheitenkapazität 82, 102, 110 Ladeeinheitenrundung 109 Ladungs- und Transportbündelung 23 Ladungsträger 30, 68, 153, 156 – kostenoptimaler 156 Ladungsträgerverzeichnis 208 Ladungstransport 23 Lagerartikel 7, 8, 29, 33, 125, 126, 128, 129, 153, 218 – kritischer 153, 154 – prognosekritischer 50 Lagerbereich 37 Lagerbeschaffung 16, 20, 21, 222 Lagerbestand 63 – aktueller 211 – bei begrenzter Produktionsleistung 170 – bei kontinuierlicher Nachschubfertigung auf Parallelanlagen 174 Lagerdienstleister 214 Lagerdisposition 7, 108, 175 – dynamische 7, 9, 67, 153 Lagerdurchlaufzeit 56 Lagerhaltigkeit 22, 117
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– Vorprodukte 127 – Fertigerzeugnisse 126 Lagerhaltung 115, 125 Lagerhaltungskosten 72, 101, 102, 104 Lagerleistungsumfang 208 Lagerlieferung 8, 99, 103, 116, 133, 134 Lagerlieferzeit 55, 56 Lagerlogistikkosten 99, 104, 105, 106, 167 – dispositionsrelevante 181 – minimale 110 Lagerlogistikstückkosten 111 Lagernachschub 100, 210 Lagernachschub-Auftrag 21 Lageropportuner Absatz 116 Lageropportunität 117 Lageropportunitätsgewinn 50, 114, 123, 126, 143, 211, 116 Lageropportunitätsgrenze 154, 211 Lagerordnung 169 Lagerordnungsfaktor 84 Lagerordnungsstrategie 84 Lagerplatz 21, 180 Lagerplatzbedarf 63, 84, 213 Lagerplatzeinsparung 180 Lagerplatzkosten 102, 110, 114, 166, 208 Lagersatz 117 Lagerstelle 51 – zentrale 22 Lagerstrukturfaktor 194 Lagertageszinssatz 101 Lagerteil 143, 158 Lagerung, integrierte 38 Lagerungskosten 99 Lager-Verwaltungs-System (LVS) 3 Lagerzins 166, 207 Längeneinheit 135 Langgut 122 Langgutkassette 82, 156 Langgutpalette 30 Lebensmittelindustrie 136 Lebenszyklusfunktion 229 Leerbehälter 137 Leistungsanforderung 3 Leistungsbereich 219 Leistungserfüllung 20 Leistungskennzahl Produktionsstelle 138 Leistungskette, mehrstufige 184 Leistungskostensatz 28, 208, 213 Leistungspreis 213, 214, 219 Leistungsproduktion 135
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Leistungsstelle 51 Leistungszeitfolge 145 Leiteinsatzstoff 137 Leitteil 35, 137 Lieferanforderung 29 Lieferant 128, 196 Lieferauftragskosten 100 Lieferbereitschaft 20, 56, 88 Lieferfähigkeit 6, 9, 12, 33, 56, 62, 87, 88, 94, 119, 125, 128, 154, 170, 197, 199, 209, 213, 227 – geforderte 90 – kostenoptimale 120, 124 – mittlere 89 – simulierte 90 Lieferkette 18, 52, 218 – dreistufige 19 Lieferkettenelement 17, 18, 222 Liefermenge 33 – lageropportune 37, 99, 118, 126 Lieferort 30 Lieferstelle 17, 159 Liefertermin 30 Liefertermintreue 128 Lieferunfähigkeit 33, 66, 76, 126 Lieferung, tagesgenaue 88 Lieferverzugsstrafe 119 Lieferzeit 8, 9, 12, 20, 32, 55, 60, 125, 128 – mengenabhängige 161 – unzuverlässige 96 – vertragliche 59 Lieferzeitopportunität 8 Lieferzyklus 37 Logistik 3 Logistikbetrieb 5 Logistikcontrolling 12, 128, 207, 212, 218 Logistikdienstleister 1, 150 Logistikdisposition 217 Logistikeinheit 30 Logistikfunktion 229 Logistikkennzahl 212 Logistikkosten 12, 99, 213, 227 – dispositionsrelevante 26, 99 – operative 26 Logistikkostenrechnung 214, 219 Logistikleistung, innerbetriebliche 208 Logistiknetzwerk 25, 50, 135 Logistikstammdaten 12, 30, 101, 122, 207 Logistikstückkosten 16 Lorenzverteilung 130 Losgrößenfertigung 169
Sachwortverzeichnis
– diskontinuierliche 172 Losgrößenoptimierung 109 LVS 3
M Makrologistik 202 Makulatur 138 Markt – gesättigter 186 – ungesättigter 189 Marktausstiegsverlauf 229 Marktchance 33 Markteinstiegsverlauf 229 Marktware 196 Marktwirtschaft 24, 202 Maschinenausfall 218 Massenteil 122 Masterkopie 229 Material Requirement Planning (MRP) 3 Materialbedarf 136, 137 Materialdurchlaufzeit 137, 210 Materialnummer 125 Materialpuffer 136 Materialstückliste 210 Materialverwendungsliste 137, 210 Maximalbestellmenge 210 Maximallosgröße 210 Maximalmenge 81 Mehrbehälter-Kanban-Verfahren 70 Mehrpositionsauftrag 31, 128 Mehrstückauftrag 41 Mehrstückposition 31 Meldebestand 68, 154, 173 – aktueller 211 – bei geschlossener Anlieferung 162 – bei kontinuierlicher Anlieferung 164 – dezentraler 200 – dynamischer 66 Meldebestandsverfahren 64, 65, 67, 74, 75, 155, 175, 195 Menge, kostenoptimale 173 Mengenfolge 145 Mengenpreis 214 Mengenzufallsfunktion 228 Mindestbestellmenge 210 Mindestlosgröße 210 Mindestnachschubmenge 81 Mittelfristprognose – dynamische 49
Sachwortverzeichnis
– rollierende 8 mittlerer Ladeeinheitenbedarf 82 Möbelindustrie 186 Modellabsatzfunktion 227 Modellexperiment 221 Modellfunktion 228 – zur Absatzsimulation 227 Modellparameter 227 Modulwerk 16 Montageband 68 MRP 3
N Nachfrage 32 Nachschub – kontinuierlicher 181 – simulierter 64 Nachschubanlieferung – geschlossene 162 – kontinuierliche 162 Nachschubauftragskosten 100, 113, 116, 122, 166 Nachschubauslieferung – geschlossene 163 – kontinuierliche 163, 181, 204 Nachschubauslösung für gebündelte Auftragslieferung 61 Nachschubberechnung, approximative 121 Nachschubbestellpunkt 100 Nachschubbündelung 61, 62 Nachschubdisposition 108 – ereignisdynamische 76 Nachschubeinheit 69, 109 Nachschubesendungskosten 123 Nachschubfaktor 121 Nachschubfertigung 172, 174 Nachschubfunktion 65 Nachschublieferung 21 Nachschublosgröße 105 Nachschubmenge 65-67, 80, 106, 108, 123, 153, 167, 171 – feste 69, 71, 73, 78 – in Ladeeinheiten 84 – in Verpackungseinheiten 84 – kostenoptimale 124, 166, 169 – bei begrenzter Produktionsleistung 168 – bei unbegrenzter Produktionsleistung 168
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– maximale 81 – optimale 81, 105, 109, 111, 176, 211 Nachschuboption 80 Nachschubreichweite 89 Nachschubrestriktion 81 Nachschubstrategien 63, 66, 100 Nachschubtransportkosten 123 Nachschubzahl 69 Nachschubzyklus 63 Nachteile dezentraler Disposition 185 Näherungsfunktion 93 Nahgebiet 197 Netzbedarfsrechnung 50 Netzwerkdisposition 183 – zentrale 188 Netzwerkfertigung 140 Netzwerkmanagement 15 Neustrukturierung Unternehmenslogistik 218 Nichtlieferfähigkeit 95 Nichtverfügbarkeit 72 Normalauftrag 134 Normpalette 82 Nullperiodenanteil 131
O Oberflächenbearbeitung 141 One-Piece-Flow 70 Operationsanweisung 29 Opportunität der Auftragsfertigung 176 Opportunitätsgrenze Lagerlieferung/Auftragslieferung 116 Optimierung Versorgungsstrategie 181 Optimum, gesamtwirtschaftliches 184 Order Management 133 Ordnen 20 Organisation 2, 3 – der Disposition 5, 8 – hierarchische 22 Organisationsbereich 22 Organisationsebene 24 Organisationseinheit 22 Organisationsplan 219
P Packschema 30 Packungsgrad 20, 122 Packungsgradformel 122
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Paketdienst 188, 214 Paketversand 23, 151 Palette 156 Papierindustrie 136 Parallelanlagen 174 Parallelproduktion – bei großem Bedarf 172 – kontinuierliche 174, 181 Parallelstation 146, 147 Parallelstellenbelegung 149 Peitschenknalleffekt 161, 181, 201, 203 Periodenabsatz 32, 107, 110, 111 Periodenbedarf 32, 48 Periodenlänge 34, 144 Perlenkette 149 Phantombestellung 205 Pilotsortiment 219 Planbedarf 35, 36, 190 Planbelastung, maximale 144 Plandurchlaufzeit 209 Planung 2, 3 Planungsschritt 143 Planwiederbeschaffungszeit 210 Planwirtschaft 183, 202 Pönale 119 Post 188 PPS 3 Preis 55 Preiseinheiten, nutzungsgemäße 214 Preiserhöhung 53, 193 Preissenkung 53 Primärbedarf 34, 125, 128 print on demand 187 Prinzip der dynamischen Gleichverteilung 149 Prioritätsregel für Engpaßzuteilung 192 production on demand 187 Produkt, kontinuierliches 135 Produktion 135 – mehrstufige 140 Produktionsauftragskosten 210 Produktionsausgangsbestand 165 Produktionsbereich 217 Produktionsengpaß 190 Produktionsgrenzleistung 33, 162, 166, 190, 210 Produktionsleistung – begrenzte 161, 168, 170 – unbegrenzte 168 Produktionsleistungsbedarf 190
Sachwortverzeichnis
Produktionsmaschine 172 Produktionsmenge – maximale 169 – minimale 169 – optimale 199 Produktions-Planungs- und Steuerungssystem (PPS) 3 Produktionsstelle 135, 138 Produktionstyp 135, 135 Produktionsstruktur 143 Produktionsunterbrechung 119 Produktionszeit 139, 161 Produktlebenszyklus 229 Produktwechselzeit 138 Profitcenter 214 Prognose, dynamische – der Bedarfsstreuung 40 – des kurzfristigen Bedarfs 40 Prognosealgorithmus 48 Prognoserechnung 153 Prognosewert – Tagesbedarf 211 – Streuung 211 – Wiederbeschaffungszeit 211 Prognosezeitraum 39, 40 Prognostizierbarkeit 49, 130, 132, 154 Prognostizierbarkeitsbedingungen 39, 49 Projekt 136 Projektfertigung 139 Projektlogistik 4 Projektplanung 3 Prozeßablauf 135 Prozeßfertigung 136 – kontinuierliche 139 Prozeßindustrie 4 Prozeßklassen 122 Prozeßsteuerung 4 Prüfung Lagerhaltigkeit 117 Pufferlager 38 Pufferplatz 177 Pulkabruf 146 Pulkbildung 148 Pulkdurchlauf 146 Pullbedarf 36 Pullbestand 37 Pulldisposition 186 – dezentrale 184, 187 – zentrale 184 Pullprinzip 27, 146, 148, 187 Pünktlichkeit 58
Sachwortverzeichnis
Pushbedarf 36, 38 Pushdisposition – dezentrale 184, 187 – zentrale 184, 188 Pushprinzip 146, 148, 186, 188
Q Qualität 20, 55 Querbelieferung 200
R Rabattstaffel 76 Rahmenvertrag 81 Rationalisierungspotential 9 Reaktionszeit 6 Regelglied, elementares 21 Regelkreis der Disposition 17 Regionallager 197, 201 Reichweite Artikelmaximalbestands 81 Reihenfolgestrategie Einzelstationen 145 Reinigungslaufzeit 138 Reorganisation 218 Ressourcen 219 Ressourceneinsatz 220 Ressourcennutzung 6 Ressourcenplanung 53, 183 Restbedarf, ungedeckter 173 Rezeptur 137 Richtkostensätze – innerbetriebliche Logistikleistungen 208 – Transport- und Frachtleistungen 215 Richtpreise 214 Risiko 16 Risikokosten 119, 120, 124 Risikozinssatz 208 Rollendruckmaschine 137 RSU-Einteilung 131 Rückwärtsterminierung 59, 184 Rundungsstrategie 83 Rüstkosten 21, 26, 100, 201 Rüstzeit 61 Rüstzeitfolge 145 Rüstzeitmatrix 138, 139 Rüstzeitminimierung 145
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S s,Q 67 Sägezahnverlauf 37 Saisongewicht 48, 51 Saisonverkauf 36 Sammelbereitstellung, zyklische 69 Sammelbeschaffung 99 Sammeldisposition – bestellpunktabhängige 76, 77, 155 – zyklische 79, 80, 150, 155 Sammel-Kanban, zyklisches 70 Sammelversand 151 SAP 74, 78, 92 Scannen 159 Schiffbau 3 Schmelzofen 140 Schmuck 70 Schrumpfverpackung 81 Schulung 222 Schwachstelle 16 Schwankungsreserve 87 Schwergut 122 SCM 3, 8, 183 Sekundärbedarf 35, 125 Selbstregelung 72, 74, 187, 211 Sendung, marktreine 196 Sendungsannahme 26 Sendungsbündelung 150 Sendungsgröße 151 Sendungspreis 214 Sendungsqualität 20, 128 Sensitivitätsrechnung 221 Serviceanforderung 29 Servicebereitschaft 129 Servicegebiet 197 Servicegrad 125, 128 Serviceklasse 128, 129, 207 Servicequalität 20 Set 129 Sicherheitsbestand 20, 62, 65, 69, 85, 87, 88, 90, 91, 94, 106, 108, 116, 123, 154, 159, 171, 173, 200, 204 – aktueller 211 – dezentraler 201 – kostenoptimaler 124 Sicherheitsbestandsformel 92 Sicherheitsfaktor 93 Sicherheitskosten 119 Sicherheitsstrategie 147
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Sicherheitsstückkosten 119 Sicherheitszeitpuffer 61, 62 Sichern 20 Sicherung der Lieferfähigkeit 87 Simulation 11, 74, 147, 170, 221, 222 Simulationsprogramm 221, 223 Simulationstest 11 Simulationstool 12, 158, 221 Sofortausführung 145 Sollbestandsauffüllung 70 Sollbestandsdifferenz 70 Sonderanfertigung 129 Sonderartikel 127 – auftragsgefertigter 129 Sonderladungsträger 159 Sortimentsanpassung, rollierende 130 Sortimentseinteilung 8 – in Serviceklassen 129 – logistische 7, 125, 219 Spediteur 188, 214 Speditionsdienstleister 151 Speicherbestand 38 Sperrbestand 87 – auftragsspezifischer 38 – planmäßiger 38 Spitzenbedarf 126 Stammdaten 9 – statische 209 Standardablauf 219 Standardartikel, lagerhaltiger 129 Standardbehälter 81 Standarddisposition Lagerartikel 153 Standardfertigungskette 143 Standardformel – Auftragslogistikkosten 102 – dynamische Bedarfsstreuung 40 – kostenoptimale Nachschubmenge 109 – Lagerlogistikkosten 104 – adaptiver Glättungsfaktor 44 – dynamischer Sicherheitsbestand 91, 170 – Sicherheitsbestand 89 – Kurzfristprognose 40 Standardfunktion 228 Standardgewicht 122 Standardisierung 55, 140, 189 Standardlieferfähigkeit 121 Standardlieferzeit 7, 56, 61, 125, 136, 144, 149 Standardmaschine 129
Sachwortverzeichnis
Standardnachschubstrategie 67 Standardnormalverteilung, inverse 89 Standardregel – für Werkversand 150 – für Zentralversand 151 Standardschritte dynamischer Fertigungsdispositon 147 Standardstrategie 66, 67, 147 Standardverfahren mittelfristige Bedarfsprognose 48 Standardwert 158, 211 STANDNORMINVERS(η) 89 Startauftrag 189 Stationsauslastung 147 Stetigproduktion 135 Steuerung 2, 3 Stopppreis 214 Störanfälligkeit 23 Störfunktion 228 Strategie – der Direktversorgung 179 – der indirekten Versorgung 179 – des virtuellen Zentrallagers 198 Strategieanpassung 175 Strategiemix 190 Strategieparameter 6, 16, 184 – Lagerdisposition 108 – Kanban-Verfahren 69 Strategieplanung 3 Strategievariable – Bestandsdisposition 108 – Nachschubdisposition 108 Strategiewechsel 175 Streuung 211, 228 – begrenzte 50 – Wiederbeschaffungszeit 94 – Absatzverlauf 33 Strukturelement 17, 19 Strukturplan 219 Stückgutspedition 23, 151 Stücklistenauflösung 17, 35, 190 Stückpreis 166 Subsidiarität 190 Subsidiaritätsprinzip 15, 24, 183 – der Disposition 24 Summenabsatz 198 Summenbedarf 51 Supply Chain Management (SCM) 3 – unternehmensübergreifendes 182, 203
Sachwortverzeichnis
T t,Q 67 Tagesbedarf 211 Tageslieferfähigkeit 88 Tagestermintreue 61 Tagesverbrauch 89 Taktfertigung 135, 138 Teilehersteller 16 Teileverfügbarkeit 69 Teileverwendungsnachweis 210 Teilladungstransport 151 Teillieferung 31 Teilstrategie 22 Terminausführung 145 Termingenauigkeit 6 Terminierung, freie 59, 184 Termintreue 7, 8, 12, 20, 34, 55, 58, 60, 61, 88, 102, 209, 213 Terminüberschreitung 60 Textilindustrie 186 Tiefbau 3 Transitlieferung 196 Transponder 159 Transportbündelung 23 Transportdienstleister 214 Transportfahrzeug 82 Transportgefäß 82 Transportkosten 21, 26 Transportleistung 215 Transportmittelkapazität 82 Transportstrecke 17 Transportzeit 161 Transshipment 195, 196 Tray 129 Trendfunktion 227 Treppenfunktion 83
U Umordnen 20 Umrüstzeit 138 Umsatzprognose 46, 48 Umsatzverteilung 131 Umschaltauslastung 138 Umschlagpunkt 16 Unstetigproduktion 135 Unterbrechungsfolgekosten 87 Unterbrechungsreserve 38, 87 Unterbrechungszeit 87
249
Unternehmensbereich 22 Unternehmenslogistik 218 Unternehmensnetzwerk 219 Unternehmensplanung 3, 4 unternehmensübergreifend 189
V Variantenfertigung 55, 129 Variantenmanagement 140 Variationskoeffizient 44, 209 Veränderung, systematische 44 Verarbeitende Industrie 2 Verbrauch – in der Wiederbeschaffungszeit 57, 66 – instationärer 32 – stationärer 164 Verbrauchsbedarf 35 Verbrauchseinheit 29, 209, 210 Verbrauchsstelle 17 Verfahrensproduktion 135, 139 Verfahrenszeit 139 Verfügbarkeitsprüfung 148 Verhalten, anormales 154 Verkaufsaktion 3, 36 Verkaufsbedarf 36 Verkaufseinheit 29, 209, 210 Verkaufsniederlassung 32 Verkaufspreis 48 Verkaufsstelle 53, 68 Vermeidung Peitschenknalleffekt 201 Verpackungseinheit 30, 63, 81, 135, 210 – zulässige 209 Verpackungskapazität 81 Verrichtungsprinzip 140 Versandart 133 – kostengünstigste 23, 150 Versandbereitstellplatz 177 Versandbündelung 23, 151 Versanddisposition 133, 150 Versanddokument 26 Versandhandel 229 Versandort 133 Versandtermintreue 128 Versandzeit 56 Versandzentrum 150 Verschleißartikel 35 Versorgung – effiziente 181
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– indirekte 179 – über Lager 177 Versorgungselement 18, 19 Versorgungskette 18 Versorgungsnetz 18, 197, 203 – mehrstufiges 198 – zweistufiges 19 Versorgungsnetzwerk 52 Versorgungsstrategie 181 Verteilung – stochastische 146 – zyklische 146 Verteilungsschlüssel 202 Vertrieb 217 Verzögerung 41 Vollbehälter 159 Vollkostenbasis 214 Volumeneinheit 135 Vorfertigung Engpaßartikel 141, 191, 192 Vorausbeschaffung 192 Vorerzeugnis 137 Vorgriffszeit 76 Vorlaufzeit 161 Vorprodukt 127 Vorteile Zentraldisposition 51 Vorwärtsterminierung 59, 184 Vorziehen 136
W Wachstumsfunktion 229 Warenausgangskosten 21 Wareneingang 177 Warenfluß 27 Warenpuffer 184 Warenstück 29, 135 Warenverteilzentrum 25 Waren-Wirtschafts-System (WWS) 3 Warnmeldung 50 Warteschlange 147 Wartezeit 147 Wartezeiteffekt 58 WBZ-Glättungsfaktor 57, 209 WBZ-Streuung 98 WBZ-Verbrauch 57 Webmaschine 137 Wechselfrequenz 138 Weiterbearbeitung 141 Wareneingangskosten 21
Sachwortverzeichnis
Werkstück 135, 137 Werksversand 150 Wertfolge 145 Wertschöpfungsnetzwerk 1 Wettbewerb der Lieferketten 1 Wettbewerbsfähigkeit 6 Wiederbeschaffungszeit 46, 56, 57, 63, 65, 66, 72, 91, 94, 97, 127, 164, 211, 230 – aktuelle 56 – bei geschlossener Anlieferung 162 – effektive 69 – mengenabhängige 109 Wurzelsatz Bestandszentralisierung 194, 201 WWS 3
X XYZ-Absatzverteilung 131 XYZ-Einteilung 131 XYZ-Klassifizierung 125
Z Zeitbedarf 220 Zeitpuffer 20, 184 Zeitstrategie 58 Zentraldisposition 9, 22, 24, 25, 27, 183, 184, 217 – dezentraler Bestände 183, 197 – unternehmensübergreifende 51 Zentralismus 183 Zentrallager 16, 196, 222 – virtuelles 23, 150, 177, 190, 198, 200 Zentrallagerprojekt 194 Zentrallagerung 195 Zentralplanung 189 Zentralrechner 188, 200 Zentralstrategie 9, 23, 188 Zentralversand 150 Ziele Dringlichkeit 219 Zielfunktion 16, 183 – dezentrale Dispositon 27 – Zentraldisposition 27 Zielwert 183 – Lieferzeiten 128 Zigarettenindustrie 136 Zinssatz 110 Zufallsfunktion 227
Sachwortverzeichnis
Zufallsgenerator 225 Zugriffsbehälter 72, 78 Zulaufteil 142 Zulieferkette 140 Zulieferteil 119 Zuordnen 20, 146 Zuordnung Parallelstationen 146 Zusatzbedingungen 45, 46, 76 Zuweisungsregeln – Auftragslieferung 134
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– Lagerlieferung 134 Zweibehälter-Kanban 69, 71, 72, 143, 158 Zwischenlager 60 Zwischenpuffer 136, 139 Zwischenstarttermin 184 Zyklusfrequenz 69, 78 Zyklusfunktion 228 Zykluszeit 69, 78 Zykluszeitverfahren 67, 78, 155, 195