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German Pages 83 [92] Year 1968
Alfred Heuß · Zur Theorie der Weltgeschichte
Alfred Heuß
Zur Theorie der Weltgeschichte
Walter de Gruyter & Co. Berlin 1968
Archiv-Nr. 47 69 681
© 1968 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J. Trübner «Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. O h n e ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photo· mechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Paul Funk, Berlin 30
Vorbemerkung Entstehung und Veröffentlichung der hier vorgelegten drei Abhandlungen erhielten ihren Anstoß durch äußere Veranlassung. Den ersten Aufsatz trug ich im Oktober 1967 am Deutschen Historikertag in Freiburg vor, nachdem ich mich zur Behandlung dieses Themas nicht ohne einige Bedenklichkeit auf Aufforderung des Tagungskomitees verstanden hatte. Eine selbständige Publikation lag mir damals gänzlich fern, und ich wäre ihr auch nicht nähergetreten, wenn nicht Herr Professor Dr. Wenzel, Leiter der geisteswissenschaftlichen Abteilung des Verlages Walter de Gruyter, in diesem Sinn in mich gedrungen wäre. Ich möchte ihm an dieser Stelle für das Interesse, das er diesen Ausführungen schenkte, herzlichen Dank sagen. Damit nun der Aufsatz noch zusätzliches Gewicht bekommt, habe ich ihm zwei in der gleichen Richtung liegende Betrachtungen beigefügt. Beide lassen sich als weitere Explikationen bestimmter in dem ersten Aufsatz angedeuteter Gedanken verstehen. Unter „Weltgeschichte als Methode" sollen vor allem bestimmte Behauptungen des ersten Aufsatzes gegen Mißverständnisse geschützt werden. Max Weber wird in dem dritten behandelt, weil er in entscheidender Weise zur Konzeption des ersten geistig Pate gestanden hat und diese seine Rolle in ihm auch nicht verschwiegen wird. Die Gedanken selbst habe ich im Max-Weber-Jahr 1964 an verschiedenen Stellen vorgetragen und nun nachträglich für den Zweck dieser Publikation zu Papier gebracht. Aus Gründen der stilistischen Einhelligkeit habe ich in allen drei Abhandlungen auf Angaben von Literatur verzichtet und die Ausführungen völlig von Auseinandersetzungen mit ihr freigehal-
ten. Vor allem hinsichtlich des Idealtypus wäre, wie jeder Kundige weiß, eine weitläufige Diskussion möglich gewesen. Sie hätte aber vom Thema zu weit abgeführt. Auch sonst habe ich von bibliographischen Angaben abgesehen. Man möge dies bitte nicht als Nichtachtung mancher schätzenswerter Bemühungen, die in der gleichen Richtung verlaufen, auffassen. Es geschieht nur aus Gründen der inneren und äußeren Ökonomie. Göttingen, den 7.5.1968
Alfred Heuß
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
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1. Möglichkeiten einer Weltgeschichte heute
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2. „Weltgeschichte" als Methode
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3. Max Weber und das Problem der Universalgeschichte
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I. Soziologie und Geschichte 49 — II. Die beiden Grundformen des historischen Wissens 52 — III. Max Weber und der Historismus 56 — IV. Der Idealtypus 64 — V. Der Idealtypus und die Weltgeschichte 71 — VI. Max Weber als Historiker 79
1. Möglichkeiten einer Weltgeschichte heute Die Ausführungen dieses Vortrages dürfen wahrscheinlich nur in dem einen Punkt auf ungeteilte Zustimmung zählen, daß sie von der Uberzeugung ausgehen, man habe es angesichts der „Weltgeschichte" mit einer zutiefst fragwürdigen Größe zu tun. Wer glaubt heute eigentlich noch an „Weltgeschichte" im Sinne eines präzisen wissenschaftlichen Begriffes? Weltgeschichten stellt man heute zusammen, druckt sie und bietet sie dem Publikum — wohlverstanden: einem Laienpublikum — an, aber man erforscht sie weder als solche noch schildert man sie eigentlich unter dieser Thematik. „Weltgeschichte" existiert heute vor allem in der Erinnerung an Zeiten, als man sie mit halbwegs gutem Gewissen betrieb, aber jeder weiß, daß diese jetzt schon ziemlich weit zurück liegen und man damals im Grunde von Geschichte noch verhältnismäßig wenig wußte. Weltgeschichte war immer mehr eine Sache der Tradition und viel weniger der sogenannten Forschung, und die Tradition hatte zudem, wenn man näher hinzusah, ausgesprochen dogmatische Voraussetzungen: zuerst christliche, dann rationalistische — wenn irgendwo, dann handelt es sich hier um einen Säkularisationsvorgang — und beides galt sowohl für den stofflichen Umfang der Weltgeschichte wie für ihren Verlauf, so daß man kein allzu großes Risiko mit der Behauptung eingeht, die moderne Form des geschichtlichen Wissens negiere von vorneherein jegliche „Weltgeschichte" und habe über keinen Punkt mehr Klarheit geschaffen als über die Tatsache, daß es keine Weltgeschichte geben könne. Was sich allenfalls vorstellen ließe, nämlich eine Unsumme vieler einzelner Geschichten, verdiene den Namen Weltgeschichte nicht im 1
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entferntesten, indem es auf der einen Seite die „Einheit" eines Subjektes impliziere, andererseits aber gerade diese bei der bloßen Addition von zahlreichen Subjekten nicht geben könne. Eine Totalität ist denn auch auf diesem Wege in der Tat schwerlich zu gewinnen. Man kommt über einen Haufen von Einzelgeschichten nicht hinaus, und das Ganze wäre allenfalls identisch mit der Vollständigkeit von diesen, d. h. mit der Tatsache, eine Reihe zu Ende gezählt zu haben. Aber schon der Augenschein lehrt, daß man mit einem solchen Geschäft praktisch nie fertig würde und infolgedessen ein solcher Vollständigkeitsbegriff de facto utopisch bliebe. Trotzdem wäre er die einzige Möglichkeit für das Ganze der Weltgeschichte, das heißt: es käme heraus, Weltgeschichte als Begriff (und nicht einfach als Redensart) verträgt logisch nun einmal nur die Addition, denn das Ganze ist nur in dieser Weise zu denken, freilich ganz abstrakt, und in gar keiner Weise so vorzustellen. Die Unanfechtbarkeit der logischen Form einer Weltgeschichte würde sich also verknüpfen mit der absoluten Leere ihres Inhaltes. Dies ist ein peinlicher Tatbestand, nicht zuletzt wegen seiner Banalität, und man darf mit ihm eigentlich nur aufwarten, weil er seiner Entstehung nach nicht ganz so trivial ist, wie er selbst auf den ersten Blick erscheint. Bekanntlich ist er nämlich das Ergebnis einer bestimmten geistigen Erfahrung. Diese Erfahrung bezeichnet den Prozeß, in dem sich die Einheit eines weltgeschichtlichen Prozesses kraft Teleologie d. h. eine teleologische Verknüpfung mehrerer Subjekte in einem gesteuerten Zusammenhang, als Illusion herausstellte. Bekanntlich ging diese Erkenntnis Hand in Hand mit der Entwicklung der modernen Geschichtswissenschaft, als der historische Horizont jene Offenheit gewann, welche das Kennzeichen jeglicher modernen Forschung ist. *
Es hat wenig Sinn zu versuchen, die Diskussion über die Möglichkeit einer Weltgeschichte von diesem Punkt zurück zu nehmen. Wohl aber dürfte es nicht überflüssig sein, sich darauf zu besinnen,
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was „Weltgeschichte", sofern das Wort einen Sinn beansprucht, besagt, und die einfache Tatsache festzustellen, daß es die Geschichte eines universalen Subjektes meint. D a ß es, entgegen der Wortbedeutung, nicht die Geschichte des Kosmos bezeichnen will, wird keine Skrupel verursachen. Z u sehr entspricht hergebrachter Konvention, die Wandlungen in der Natur nicht schlechthin unter „Weltgeschichte" zu subsumieren, sondern Weltgeschichte allenfalls soweit gelten zu lassen, als der Mensch von jenen Veränderungen betroffen wird, denn Weltgeschichte ist Menschengeschichte. Der Mensch ist ihr Subjekt, und nichts anderes. Nach ihrer Möglichkeit zu fragen heißt deshalb zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen „der" Mensch sich als Subjekt einer Geschichte einsetzen läßt. Oder anders, als direkte Frage ausgedrückt: wann dürfen wir von der Einheit des Menschengeschlechtes als nachweisbarem Phänomen sprechen? Die Antwort hierauf ist nicht schwer zu finden, denn sie liegt im Inventar unseres täglichen Denkens gleichsam griffbereit vor uns. Der Mensch als Genuswesen, als animalische und anthropologische Erscheinung, repräsentiert die Einheit des Menschengeschlechts, ganz ohne Vorbehalt, indem schon die Möglichkeit jeder beliebigen Rede von „dem Menschen" ihre Realität impliziert. D a ß dieser Mensch, für uns nur unter einem bestimmten Blickwinkel ansichtig und als solcher mit Recht seiner occasionellen Variabilität, welche zumeist sein historisches Schicksal betrifft, entgegengestellt, nun seinerseits wieder das Ergebnis in der Zeit verlaufender Vorgänge ist, hat die moderne Naturwissenschaft so gut als gewiß erwiesen und damit in gewissem Sinne alle kosmogonischen Spekulationen des Mythos im Ansatz gerechtfertigt. Sofern eine offenbarte Weltgeschichte mit Recht von diesen Uranfängen ihren Ausgang nimmt, befindet sie sich also immer noch oder jetzt wieder im Einklang zwar nicht mit den Resultaten, so doch mit der Aufgabenstellung rationaler Erkenntnis. Oder umgekehrt gesehen: auch eine moderne Weltgeschichte sieht sich auf einen Punkt verwiesen, den sie in der Fragestellung mit der „unwissenschaftlichen" Weltgeschichte gemeinsam hat. Seitdem die Geschichte der Natur keine Absurdität 1"
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mehr bedeutet, hat auch der Mensch als Naturwesen seine Geschichte, über Millionen von Jahren hinweg, und innerhalb dieser Größenordnung gewiß nicht ohne Spannung und keineswegs unter einem evolutionären Zwang stehend, obgleich über diese Fragen gerade die Evolutionstheorie Auskunft gibt. Daß die zum Menschen hinführende sogenannte „Entwicklung" im Grunde keine Entwicklung in dem Sinne ist, daß sie erfolgen mußte, ist eine der durchsichtigsten Erkenntnisse aus diesem weiten und voller Rätsel steckenden Fragenbereich und ihre Evidenz nicht geringer als die Möglichkeit einer Vorstellung, daß die Natur bei der Unendlichkeit ihrer Schöpfungen auf die eine des Menschen durchaus hätte verzichten können. Die Naturgeschichte des Lebens ist eine lange Reihe von Daten, deren Sukzession in erster Linie durch ihre Historizität, d. h. hier: durch ihre Ordnung in der Zeit, erwiesen wird. Die Motivverbindungen zwischen ihnen sind dagegen viel dunkler und so wenig von selbst zu erstellen, wie aus reinen Annalen ein Thukydides zu gewinnen ist. Es ist heute wahrscheinlich immer noch leichter zu sagen, warum diese oder jene spezies ihren Untergang gefunden hat, als warum sie entstanden ist. Von der viel schwierigeren Frage, wieso sich eine metabasis es alio genos überhaupt vollziehen konnte und vor allem, was für eine soldie jeweils zu gelten hat, ganz zu schweigen. Die Geschichte des Menschen als Gattungswesen ist an solchen Fragen nicht nur nicht ärmer als die übrige Naturgeschichte, sondern wahrscheinlich eher durch eine Häufung solcher Probleme ausgezeichnet. Der Historiker mag diesen Sachverhalt jeweils dem mageren Faktensubstrat interpolieren, wenn er die Flucht der Jahrhunderttausende durch scheinbar leere Begriffe wie Pithekanthropus, Australopithekos, homo Heidelbergensis, Abbevillien, Acheulien, Lavalloisien usw. besetzt sieht, und ihre Existenz auf der einen Seite in Eigentümlichkeiten der Schädelanatomie, auf der anderen in einem Steinwerkzeug der primitivsten Art nicht nur dokumentiert, sondern zugleich erschöpft ist. In der Tat ist die „Geschichte" des Paläolithikums eine Geschichte der Gattung Mensch von der Art, daß jedes Exemplar der Gattung den sogenannten geschieht-
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liehen Zustand repräsentiert und die nachweisbaren Wandlungen immer für die Gesamtheit des Menschengeschlechts gelten. Die Feststellung ist leicht zu treffen, soweit es um die konstitutiven Merkmale des Körperbaus geht. Sie trifft aber auch zu für die kulturanthropologische Dimension. Schon per definitionem ist ja der primitive Urmensch dadurch bestimmt, daß er nicht mehr über dieselben Instinktregulationen des Tieres verfügt und diesen „Ausfall" durch spezifische humane „Fähigkeiten" kompensiert, und gerade als solchen kategorisieren wir ihn ja als ein besonderes genus. Es spricht jedoch logisch nichts dagegen, auch bei der Anreicherung des speziellen menschlichen Vermögens, ihn weiterhin als Gattungswesen zu verstehen, einfach auf Grund der Tatsache, daß auch der intelligible Humanbestand (welchen man dem bloßen naturalen gegenüber zu stellen hat), jeweils jedem Vertreter der Gattung zugehört und hierin das Menschengeschlecht seine Wirklichkeit gewinnt. Das kann selbstverständlich nicht heißen, daß die Menschheit eine Einheit sozialer Beziehungen wäre. Die soziale Aktionseinheit existiert selbstverständlich jeweils nur in einzelnen Exemplaren, aber das ist nicht anders als im Tierreich. Doch wie jeder Biene ihre Zugehörigkeit zu einem „Staat" zu imputieren ist, ohne daß es auf dessen Besonderheit ankäme, so wird es nicht nur unserer Unkenntnis zu verdanken sein, wenn wir beim Urmenschen ähnlich verfahren und auf seine individuelle Fixierung verzichten müssen. In der Unendlichkeit der Jahrhunderttausende, während deren sich seine Lebensverhältnisse immer gleichblieben (wenn wir von den langfristigen Klimaveränderungen absehen), hat der Urmensch gewiß nicht nur keine Dokumente einer Artikulation seines Daseins uns hinterlassen, sondern bei seiner schweifenden, stets der äußersten Existenznot abgerungenen Lebensweise, auch kaum die Möglichkeit zu einer solchen Artikulation besessen. Unter dem Gesichtspunkt der „Weltgeschichte" gesehen ist die Selbstgenügsamkeit des Urmenschen seine Stärke. Der Umstand, daß er in der Gattung aufging, verbürgte seine Welthaftigkeit. Stets war er nicht nur Exemplar der Gattung, sondern stellte dieselbe auch immer in all ihren Möglichkeiten dar. Mit jedem anderen
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Stück derselben auswechselbar garantierte er gerade audi deswegen deren Existenz. Bei der geringen Population und der gewaltigen Lebensgefährdung der damaligen Zeiten war zudem sein statistischer Wert unverhältnismäßig hoch und beruhte die Perseveranz des Menschengeschlechtes damals in weit höherem Maße auf dem zufälligen Dasein seiner Angehörigen als in späteren Zeiten. Der Gattungsmensch erhielt seine Welthaftigkeit gleichsam als Geschenk seiner Bedürftigkeit, indem er, Hegelisch gesprochen, als „an sich Seiender" jeweils die Totalität des Mensdiengeschlechtes ausfüllte. Überall, wo er angetroffen wird, das heißt in seinem weiten über Afrika und Eurasien sich erstreckenden Spurenfeld, repräsentiert er sein Wesen in gleicher Weise und bildet damit ungeachtet seiner Sonderstellung im Reich des Lebendigen nicht viel mehr als eine Variätät innerhalb des animalischen Belages unserer Erdkugel. *
Spätestens seit dem Jungpaläolithikum, d. h. mit dem Auftreten des homo sapiens, wahrscheinlich jedodi schon im Mittelpaläolithikum, beginnt sich wohl eine Differenzierung dahin abzuzeichnen, daß die Lebensäußerungen der Menschen nicht mehr im Spiegel einer durchgehenden Typologie zu fassen sind, und sich bestimmte Leistungsdokumente nicht nadi Zeitstufen, sondern sich jetzt auch nach räumlichen Sektoren abgrenzen. Darin liegt der Hinweis auf einen Zustand, der hinfort die Menschheit von Grund aus durchdringen sollte und in welchem sich auf die sinnfälligste und einfachste Weise das künftige Schicksal der Menschheit, nicht mehr in jedem Exemplar ihrer Gattung ganz vertreten zu sein, ankündigt. Der entscheidende Schritt in dieser Richtung ist bekanntlich die Seßhaftwerdung des Menschen mit der Domestizierung von Pflanze und Tier, der Vorgang also, den Childe — auf dem Hintergrund von vielen Jahrhunderttausenden nicht ganz mit Unrecht — die neolithische Revolution genannt hat. Die vielfältigen Konsequenzen dieses „Ereignisses" kommen in gewissem Sinne einer Verwandlung der Welt gleich. Erst von diesem Zeitpunkt an gilt der tiefe Satz
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der biblischen Anthropologie, daß dem Menschen die Erde Untertan sei. Der Mensch beginnt, die Oberfläche der Erde mitzugestalten und sich bei diesem Geschäft den Naturgewalten als eigene Potenz hinzuzugesellen. Aber das ist nur e i n e Ansicht dieses fundamentalen Sachverhaltes. Herrschaft über die Geschöpfe der Erde bedeutet auch Besitznahme der Erde und die Begründung eines dauernden Verhältnisses bestimmter Menschen zu einem bestimmten Stück der Erdoberfläche. Daß dergleichen unter gewissen Konstellationen früher völlig gefehlt hätte, braucht damit selbstverständlich nicht gesagt zu sein, aber in der Verbindung des Menschen mit dem von ihm geschaffenen Kulturland liegt doch eine radikal neue Dimension des Daseins beschlossen. Die Elemente des menschlichen Zusammenhaltes, ohnehin unentbehrlich, potenzieren sich zwangsläufig, wenn der Grund und Boden als dominante Größe in sie einbezogen wird. Die Zähmung der Natur schafft mit der Verfügung über sie zugleich neue Abhängigkeiten von ihr. Und schließlich wird der Raum, je mehr er von dem Wirken des Menschen durchdrungen wird, nach außen zur Grenze, zuerst gegen alle die, welche den Schritt zu seiner „Einhegung" (Hans Freyer) nicht mitgemacht haben und auf der alten Stufe der Wirtschaft verharren, dann auch gegen die gleichgearteten Nachbarn. Die Uberwindung des Sammlerund Wildbeutertums, nach welcher Methode auch immer sie vonstatten ging, hatte mit der Verdichtung der menschlichen Arbeit und ihrer Zuordnung zum abgesteckten Raum eine erhöhte Integration der menschlichen Gruppe zum Gefolge. Dadurch, daß die beliebige Auswechselbarkeit der Umweltkulisse verlorengeht und überhaupt eine bleibende Horizontbegrenzung entsteht, wird das „Hier" zum unumstößlichen Mal, zur Mitte und zum Bannkreis des Menschen. Er vermag sich selbst jetzt nicht mehr zu entrinnen und nicht mehr im flüchtigen Wandel des ewig Gleichen unterzutauchen. Eine Lebensordnung, die mit dem markierten Raum den Menschen auf einen geschlossenen Weltausschnitt fixiert, zwingt ihn, diesen mit seinem Wesen zu erfüllen. Ob er es will oder nicht, vermehrt sich nicht nur der Umkreis seiner Weltbezüge, sondern erscheint er selbst
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auch in diesen, ausgesprochen oder unausgesprochen, als einer seiner wichtigsten Bestandteile. Die Innenseite des Menschen, seine Intelligibilität, deren prinzipieller Ansatz ihn von Hause aus zum Menschen stempelt, erhöht mit dem Ubergang zur Seßhaftigkeit ihre Produktivität und ihren Reichtum. *
Neolithische Seßhaftigkeit ist ferner nicht nur Voraussetzung der Hochkultur, sondern die Hochkultur muß in vielem als Fortbildung und Zuspitzung von deren Prinzipien gelten. Erbrachte jene schon eine hochgradige Vermehrung der sozialen Funktionen, so erkennt diese sie nicht nur an und vergrößert ihren Umfang. Sie nimmt vielmehr den Begriff der sozialen Funktion neu auf, um ihm einen deutlicheren Inhalt zu geben und ihn teilweise umzuprägen. Unter allen Charakterisierungen der Hochkultur dürfte diejenige am unverfänglichsten sein, welche solchermaßen auf eine höhere Spezialisierung der Funktionen abstellt, daß sie beileibe nicht für alle, so doch für sehr wichtige in ihr besondere Träger bereitgestellt sieht. Ausschlaggebend jedoch für die Erreichung des Niveaus der Hochkultur wird die Spezialisierung der Herrschaft durch eine Konzentrierung in einer bestimmten Hand. Natürlich hat es vorher schon Uber- und Unterordnung gegeben, meistens wohl in den beschränkteren Kreisen von Sippe und Familie, aber die Exposition der Herrschaft als selbständiger Größe ist ein gewaltiger Schritt darüber hinaus und bildet obendrein die Voraussetzung für eine Reihe anderer Spezialisierungen. Spezialisierung als ausschließliche Zuweisung an einen Träger ist immer zugleich Befreiung von anderen Pflichten und Lasten, d. h. Freisetzung zum Zwecke der ausschließlichen Einlassung auf eine besondere Tätigkeit. Keine Herrschaft ohne ein Minimum impliziter oder expliziter Verwaltung, und eben gerade sie sorgt für die materiellen Mittel, welche jene Freisetzung ermöglichen. Keine Verwaltung ohne planende Disposition. Doch kennt Disposition schon die bäuerliche Wirtschaft. Die Hochkultur objektiviert also auch hier durch Institutionalisie-
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rung, was sie in nuce schon angetroffen hat. Ebenso ist der bäuerlichen Wirtschaft ein spezifisches Verhältnis zur Zeit eigen, das spatium von Jahr zu Jahr mit ihren „natürlichen", d.h. für die bäuerliche Produktion relevanten, Gliederungen. Die Hochkultur gewinnt die ihr eigentümliche Gestalt nicht zuletzt dadurch, daß sie sich auf ihre Art mit der Zeit ins Benehmen setzt und deren Begriff auf den engen Banden des einzelnen Jahres befreit, um damit größere Zeiträume und Jahresreihen zu schaffen. Diesem Streben nach Überwindung des zeitlichen Flusses verdankt bekanntlich die Schrift ihre Entstehung, dieses signifikante Symptom der Hochkultur. Es scheint, daß Hochkultur sich zwar keineswegs im Begriff politscher Organisation erschöpft, aber doch ohne dieselbe nicht vorstellbar wäre. Dies will vor allem auf ihre Entstehung hin bedacht sein. Wie hätte ohne Organisation das Niveau des (neolithischen) Bauerndaseins überwunden werden können und wie wäre bei den damaligen Verhältnissen Organisation ohne politische Macht ins Leben getreten? Politische Organisation — der Ausdruck darf natürlich nicht mit der modernen Prägnanz belastet werden — muß also doch wohl als die primäre Leistung der Hochkultur angesehen werden. Das heißt aber nichts anderes, als daß der Anlauf der neolithischen Bauern- und Viehzüchtergesellschaft zur Erhöhung der sozialen Integration von ihr auf den Gipfel geführt wird und das, was in jener prinzipiell angelegt ist, jetzt seine klare Ausbildung erfährt. Hatte schon dort die Konsistenz des menschlichen Verbandes sich verstärkt, so verdichtet sie sich jetzt zu dem ausdrücklichen Willen, in Raum und Zeit zu beharren und sich als ausschließliche, durch keine andere ersetzbare Größe zu konstituieren. So entsteht ein neues menschliches Wesen, und zwar im doppelten Sinn, indem einesteils die politische Organisation mit ihrer eigenen Aktionsspitze die Fähigkeit zu selbständiger Bewegung besitzt und damit ein besonderes Geschöpf wird, andererseits der Mensch kraft seiner Zugehörigkeit zu ihr eine andere Existenzform gewinnt. Das Dasein des Menschen als ein bestimmtes und der Intention nach unverlierbares gestaltet sich damit in den besonderen Fällen, in denen diese Verwandlung gelingt, zu Einheiten, welche je-
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weils das Menschsein auf ihre Weise konzipieren und es nicht mehr der psychologischen Kehrseite seines biologischen Habitus überantworten. Oder anders ausgedrückt: Die Dominanz des Genusbegriffes, unter der der Urmensch stand, wird durch die des konkreten Begriffes ersetzt, das heißt: nicht durch die Verwirklichung des Menschen an sich, sondern die seiner bestimmten, nur a posteriori zugänglichen Möglichkeiten hier und dort. Das menschliche Dasein wird von da an nicht mehr von seinen allgemeinen, sondern individuellen Bestimmungen her angegangen. Es wird nicht nur im einzelnen verstehbar, sondern diese seine intelligible Seite drängt die andere, anthropologische, völlig zurück, so daß jetzt vom Menschen sprechen erst einmal heißt ihn in seinen historischen Situationen und Physiognomien erfahren. Für die Universalität des Menschen und seiner „Geschichte" ist dieser Wechsel der für ihn zuständigen Kategorien entscheidend. War der Mensch bislang, gleichsam noch an der Nabelschnur seiner animalischen Herkunft hängend und damit in die Geschichte der Natur eingebettet, jener Welthaftigkeit teilhaftig, welche die Natur ohne jede Fraglichkeit besitzt, so bezeichnet der Weg in die Hochkultur notwendigerweise ihren allmählichen Verlust und verschwindet mit dem definitiven Gewinn der Hochkultur jene Welthaftigkeit gänzlich hinter dem Horizont. Unbestreitbare „Weltgeschichte" ist an der Hochkultur deshalb der Bezug, der sie mit ihrer Herkunft verbindet, und alle Strukturprobleme „der" Hochkultur, soweit sie ihre Genesis betreffen, können deshalb noch verhältnismäßig leicht in der Domäne eines einhelligen und durchsichtigen Begriffes von Weltgeschichte angesiedelt werden. Außerdem hat man es ja bei den originären Hochkulturen mit verhältnismäßig wenigen zu tun und ist obendrein ihre Situation, untereinander verglichen, keineswegs so uniform, daß man berechtigt wäre, ihre Entstehung unter dem Begriff einer eindeutig bestimmten Klasse zu begreifen. Es wird im Gegenteil sich empfehlen, das Problem zuerst idiographisch anzupacken und danach die am Einzelobjekt gewonnenen Erkenntnisse wechselseitig als methodisches Hilfsmittel zu verwenden. Inwieweit dies bis jetzt geschehen
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ist oder überhaupt bei dem Stand unserer Erkenntnisse geschehen konnte, kann hier auf sich beruhen, nur die eine notorische und damit risikolose Feststellung scheint mir auch in diesem Rahmen vertretbar: das Gebiet des fruchtbaren Halbmondes ist nicht nur die Wiege der ältesten Hochkulturen, die der Globus trägt, sondern sie treten audi dort in der größten Frequenz (im Verhältnis zum Raum) auf. Sowohl in Indien wie in China scheinen die Dinge anders zu liegen. Ferner dürften sowohl naheliegende Vermutungen, wie ihre Bestätigung durdi Kleinasien ( T y p Troja) und Syrien (Jericho) lehren, daß gelungenen Hochkulturen lange Phasen von Experimenten vorausgehen. Wahrscheinlich müssen wir mit zahlreichen mißglückten Versuchen rechnen, sei es, daß nicht alle konstitutiven Postulate zu erfüllen waren (etwa das der Schrift), sei es — und dies dürfte die wichtigere Spielart sein — , daß eine Hochkultur an dem Gewinn der Zeit in der sinnfälligsten Weise vorbeitraf und sich nicht halten konnte, also, unter welchen Umständen auch immer, wieder in die gesellschaftliche Urform des Neolithikums zurücksank (was nicht eine Angleichung an den ergologischen Begriff des Neolithikums zu bedeuten braucht, denn dieser ist keineswegs spezifisch und an sich mit „Hochkultur" durchaus verträglich). Vielleicht darf man diesen Zusammenhang dahin auffassen, daß die Sumerer gleichsam glückliche Experimentatoren in einer Reihe weniger glücklicher waren, andererseits ihr Vorbild anderen den Start erleichterte (Ägypten? Mohenjo-Daro, Harrappa? Elam?). Das Indien der Veden gehört wohl einer Sekundärform der Hochkultur an (in der Terminologie Toynbees als affiliated civilization, obsdion dieser Begriff bei jeder seiner Anwendungen auf seine Brauchbarkeit geprüft werden müßte), doch scheint China im Verfolge eines einzigen hochkulturellen Ansatzes entstanden zu sein und legt deshalb die Frage nach dem Fehlen einer analogen Entwicklung im Vorderen Orient nahe. Auf jeden Fall muß von daher auffallen, daß trotz relativ enger räumlicher Begrenzung im Vorderen Orient keine einheitliche Zivilisation entstand, weder von seiten Ägyptens noch Mesopotamiens und auch die Möglichkeiten kolonialer Ausbreitung offenbar sehr beschränkt waren. Mög-
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lidierweise hängt dies mit der Häufigkeit jeweils eigener hochkultureller Initiativen in diesem Gebiet zusammen. Man wird dies vielleicht umso mehr in Anschlag bringen, als in der Imprägnierung der Semiten durch die Sumerer ein eindrucksvolles Beispiel kultureller Tradition und Ausbreitung an sich nicht gefehlt hat. Dagegen ist die Rezeption der Keilschrift im Alten Orient des 2. Jahrtausends und darüber hinaus schwerlich in diesem Sinn zu interpretieren. Der ägyptischen Kultur einen ausgesprochenen „Binnencharakter" zuzuschreiben, dürfte verhältnismäßig unproblematisch sein. Aber vielleicht hat es mutatis mutandis um Sumer-Akkad nicht viel anders gestanden und darf überhaupt gesagt werden, daß der alte Orient trotz (oder vielleicht sogar wegen) seines außerordentlichen Alters nicht imstande war, eine wirklich expansive Weltzivilisation zu entwickeln (die bekannten Entlehnungen der Griechen bedeuten nichts dagegen), und damit auch unter den günstigen Voraussetzungen des Achämenidenreiches nicht das fertigbrachte, was zuerst den Griechen und dann, auf Voraussetzungen fußend, die ihrer Welt entstammen, den Arabern gelang? Möglicherweise haben wir demzufolge im Horizont einer „Weltzeit" mit einer archaischen und moderneren Stufe der Hochkultur zu rechnen. *
Die Geschichte der Hochkulturen bzw. der aller in ihrem Bereich fallenden Phänomene ist die Entfaltung der historischen Zeit im engeren Sinn. Bekanntlich gibt es jedoch hierin keine einheitliche Zeit sondern mehrere geschichtliche Zeiten, d.h. verschiedene Abläufe mit ihren eigenen zeitlichen Gliederungen. Die verwirrende Mannigfaltigkeit der Ereignisse, die damit angezeigt wird, ist sozusagen der Inhalt der historischen Zeit, nachdem sie sich der urgeschichtlichen Weltzeit entwunden hat. Je näher jedoch die Geschichte der Urzeit bzw. den ihr angehörenden Fragen steht, umso mehr „Weltgeschichte" ist sie zwangsläufig, denn immer kommt sie damit in Berührung mit den globalen Konstanten des Geschehens, unter deren Herrschaft die Urgeschichte eben stand.
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Der Fragen, die sich da zu Worte melden, sind nicht wenige. An das Problem von Stufen der Hochkultur ist schon gerührt worden. Vor allem aber wäre das elementare Verhältnis von Hochkultur und „ barbarischer" Umwelt in seiner Dynamik zu verstehen. „ Barbaren" im Jahre 3000 v.Chr. sind zweifellos etwas anderes als im Jahre 500 n. Chr., und viele zivilisatorische Äußerungen, die zur Zeit der Sumerer als spezifisch „kochkulturell" zu verstehen wären, können zweitausend Jahre später zur Ausstattung eines Barbarenstammes gehören. Obendrein ist die Überlegenheit der höheren Zivilisation über „Barbaren" keineswegs immer eindeutig und allseitig, beispielsweise gerade nicht da, worauf im Existenzkampf viel ankommt, nämlich im Kriegswesen. Mit dem Neolithikum und der Hochkultur tritt zudem der fundamentale Tatbestand in Erscheinung, daß nicht nur der Einzelmensch, sondern auch die menschliche Gruppe ein lernfähiges Wesen ist und zu „lernen" vermag, d. h.: der Griff nach der zivilisatorischen Ausstattung (bzw. nach Stücken von ihr) fremder Gemeinschaften oder auch deren Oktroyierung gehört von nun an zu den fundamentalen, immer wiederholten Vorgängen der Geschichte. Das Ergebnis ist, je nach dem, sehr verschieden und bewegt sich auf einer langen Skala, deren eines Ende die Rezeption eines "beliebigen Etwas" (vielleicht eines Wortes oder eines nebensächlichen Artefaktes) bezeichnet und dessen anderes nichts Geringeres ist, als das Hineinwachsen in einen fremden Zivilisationskreis. Doch auch schon der Begriff der hochkulturellen Zivilisation oder Kulturgemeinschaft ist keineswegs so leicht an die Hand gegeben, wie der bekannte Katalog Toynbees zu lehren scheint. Es könnte sein, daß man in dieser Hinsicht mit einer differenzierten Erfahrung zu rechnen hat und die frühsten Phänomene sich wesentlich von den folgenden unterscheiden. Jedenfalls besitzen Hochkulturen nach der Passierung des ersten Stadiums die Fähigkeit, sich von der politischen Organisation in dem Sinne zu dispensieren, daß Einheitlichkeit der Kulturgesellschaft nicht die der politischen Organisation voraussetzen muß. Die politische Organisation ist zwar die primäre Leistung der Hochkultur, aber einmal geschaffen und damit höhere Zivilisation überhaupt ermög-
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lichend ist sie weit davon entfernt, nun dauernd deren Modalitäten zu bestimmen. Eher ist es umgekehrt und wird der Staat zu einem Moment der Zivilisation. Schließlich geht die Entwicklung bekanntlich so weit, daß selbst die Beschränkung auf eine bestimmte Sprachgemeinschaft unter Umständen von der Zivilisation überspielt wird. *
Es ist wohl kaum zu bestreiten, daß Geschichte von ihrem universalen Ursprung her betrachtet jederzeit die Zuwendung zu ihr als Ganzem erlaubt und zu einer komparativen Betrachtung bestimmter, überall anzutreffender Probleme auffordert. Der Vergleich, angewandt auf Vergleichbares, ist ein legitimes historisches Erkenntnismittel und hat u. a. zu seiner Prämisse die Tatsache, daß trotz aller Individuation der geschichtlichen Welt gewisse gemeinsame Elemente nidit verlorengegangen sind und in gewisser Weise ein Rest der Urzeit erhalten blieb. Doch wird sich trotz dieser Möglichkeit, Brücken auch zwischen entfernten Tatsachen zu schlagen, damit noch keine Weltgeschichte ergeben. Allenfalls wird die Rechtfertigung einer komparativen Logik (bzw. der Logik einer Komparation) es vielleicht nicht mehr von vorneherein als ausgeschlossen erscheinen lassen, in der unendlichen Masse historischer Daten die Linien einer universalen Zeichnung zu entdecken. Die Erörterung dieser Frage ist von der Klärung folgender beider Voraussetzungen abhängig. Reflexion auf die Geschichte, wie sie unvermeidlich die komparative Methode beinhaltet, ist nur unter Zuhilfenahme von Abstraktion denkbar, eben im Absehen von all dem, was sich nicht vergleichen läßt. Wie steht es aber um die Abstraktion im Rahmen der historischen Synthesis, wie sie in regelhafter Anwendung durch geschichtliches Erzählen hervorgebracht wird? Die Frage ist zu weitläufig, um hier befriedigend beantwortet werden zu können. Doch eins ist gewiß: auch die konkreteste geschichtliche Darstellung kommt ohne ein gewisses Maß von Abstraktion nicht aus, wenn schon damit in dieser Allgemeinheit gewiß nicht allzu viel gesagt ist. Die Geschichte hat es wahr-
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scheinlich mit Abstraktionen von sehr verschiedener Art zu tun. Hier geht es vor allem darum, unter einer Vielheit von Phänomenen einzelne als Dominanten hervortreten zu lassen und als solche miteinander zu verknüpfen. Ihre Verknüpfung wieder hätte nach bestimmten, durch Abstraktion gewonnenen Prinzipien zu erfolgen. Es mag sein, daß die Geschichtstheorie sich dieser Frage bis jetzt noch nicht in ausreichendem Umfang angenommen hat. Aber das Problem braucht deshalb nicht zu befremden, da es sich einer herkömmlichen historischen Betrachtung ohne Mühe beimischt. Jede Geschichte Europas ζ. B. sieht sich mit ihr konfrontiert und wird sowohl auf eine spezifische Relevanz der Phänomene in entsprechender Auswahl wie auf eine besondere Weise ihrer Zuordnung sich einstellen müssen. Bei jener wird sich die Bedeutung nicht immer mit der „nationalen" decken, bei diesen tritt neben die Einordnung in ein pragmatisches Wirkungsverhältnis als gleichrangiger Partner ganz bestimmt die Frage der strukturellen Verwandtschaft und Zugehörigkeit. Um zu ahnen, was hierbei ins Spiel kommen könnte, bedarf es statt weitschweifiger Überlegung nur eines Blickes, wie Ranke seine historische Konzeption verstand, wenn er das Gewicht der staatlichen Individuen nach ihrer zeitweiligen Funktion innerhalb der Geschichte Europas bemaß. Nicht von ungefähr kam aber Ranke von einer universalgeschichtlichen Tradition her. Wie eine Gesdiichte Europas eine eigentümliche Synopsis erfordert und auch heute noch, oder vielleicht gerade heute, mit solchem Postulat den historischen Verstand stimuliert, eben so steht es mit der Weltgeschichte, exakt als Geschichte der historischen Welt verstanden, nur daß wir bei Europa einigermaßen zu wissen glauben, womit wir es zu tun haben, während dies hinsiditlich der „Welt" durchaus dahinsteht. Uberhaupt gibt sich keine Geschichte von selbst an die Hand, sobald man einmal die Einstellung auf das, was „sich nacherzählen läßt", aufgegeben hat. Geschichte findet sich, immer erst unter einem bestimmten Aspekt (bzw. der Verknüpfung von mehreren) zusammen. Der Grad von Abstraktion, der hierbei erfordert wird, ist in den verschiedenen Fällen natürlich verschieden. Es macht einen
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Unterschied aus, ob ich einen verhältnismäßig geschlossenen und durch sich selbst präzisierten Handlungsablauf wie etwa einen Krieg schildere, oder den historischen Wandlungen eines Wirtschaftssystems nachgehe, wobei weder das „System" unmittelbar gegeben ist noch seine Wandlungen sich dementsprechend apperzipieren lassen. Audi Weltgeschichte kann deshalb, sofern es sie gibt, nur Geschichte unter einem gewissen Aspekt sein, und der Zugang zu ihr öffnet sich deshalb am ehesten an Hand der Frage, welcher Aspekt wohl hier maßgebend sein müßte und ob sich ein solcher überhaupt aus ihrem bisher zu Grunde gelegten Begriff deduzieren läßt. Das Spezifikum einer „Weltgeschichte" hätte doch wohl auch in diesem Zusammenhang ihre „Welthaftigkeit" zu sein. Der Begriff war bei unseren Überlegungen ohne Schwierigkeit dem ersten, unendlich ausgedehnten Abschnitt der Menschheitsentwicklung zu entnehmen, doch jene „generelle" Welthaftigkeit verliert, wie wir gesehen haben, mit dem Fortschreiten der Zeit ihr Gewicht. An die Stelle der „generellen" Bestimmung der menschlichen Verhältnisse schiebt sich die intelligible, was soviel heißt, daß von da an die Geschichte in der Individuation des Menschlichen aufzusuchen ist, welche über die offenliegende Allgemeinheit der Urzeit nicht mehr verfügt. Die Überlegung muß deshalb jetzt darauf gerichtet sein, ob unter dem Aspekt einer durch ihr Heraustreten aus der Urzeit vielfach gespaltenen Menschheit, deren Schicksal nicht mehr durch ihre globale Homogenität, sondern die gerade neben ihr aufgebaute Partikularität bestimmt wird, sich doch noch so etwas wie eine „Welthaftigkeit" des inneren Forums entdecken läßt. Wir stellen also die Frage nach der „Welthaftigkeit" der intelligiblen Menschheitsgeschichte, oder besser: nach der „Welthaftigkeit" der intelligiblen Daten menschlicher Geschichte. Hierbei dürfte von vorneherein, gleichsam begriffsnotwendig, klar sein, daß unter dem Horizont des Partikularen es sich niemals um eine totale, sondern allenfalls relative „Welthaftigkeit" handelt. Dem Konkreten in seiner Beschränkung den Charakter des allgemein Vorhandenen zuzuschreiben, wäre eine evidente contradictio in adiecto, wohl aber ist denk-
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bar, daß ein Besonderes weniger besonders, das heißt allgemeiner als ein anderes Besondere ist, daß zwar niemals der Charakter des Partikulären verlorengeht, aber in bezug auf die Gesamtheit des menschlichen Daseins auf unserem Globus das eine mehr, das andere weniger an dieser Gesamtheit teilhat, d.h., einen größeren oder kleineren Teil von ihr bildet. Das Maß dieses Verhältnisses bemißt sich nach den beiden Größen, welche die "Welt" in bezug auf den Menschen als verhältnismäßig eindeutige Größen eignen, nach dem Raum und nach der Zeit. Jene ist als Oberfläche der Erdkugel eine definite Größe, diese mag im kosmischen Verstand eine nicht unproblematische sein, wird jedoch in bezug auf den Menschen wie hinsichtlich allen animalischen Lebens auf der Erde sich doch einigermaßen als homogene Dimension vorstellen lassen. Es ist also danach nicht schwer auszumachen, daß jede zivilisatorische Individuation danach befragt werden kann, wieviel von der „Welt", sprich von der Erde und ihren Bewohnern, sie unter ihre Herrschaft bekommt, und wieviel „Weltzeit" von ihrer Existenz eingefangen wird. Das Wesen der Hochkultur ist ohnehin auf Perseveranz, das heißt auf Verfügung über ein mögliches Maximum von Zeit angelegt. Man wird sich nicht wundern, daß nach dem Umfang, in dem ihr dies gelingt, ihr Weltcharakter sich bestimmt. Die Zivilisation von Tartessos, die ein paar hundert Jahre gedauert haben mag, hat schon aus diesem Grunde kleinere Dimension als das minoische Kreta, wie wiederum dieses zweifellos gegenüber dem pharaonischen Ägypten zurücksteht. Die Zeit ist ein unbarmherziger Richter der Geschichte. Was sich in ihr nicht hält, oder sie, auch über das äußere Dasein hinaus, nicht in irgendeiner Weise zu erfüllen vermag, verwirkt oder kürzt seine geschichtliche Existenz. In der Geschichte wird bekanntlich viel Samen ausgestreut, der nicht aufgeht. Die Zeit und damit die Möglichkeit der eigenen Entfaltung sind unter anderem auch ein Geschenk des Schicksals, das nicht jeder Gesittung zuteil wird. Die präkolumbischen Kulturen Amerikas sind so, als wären sie nie gewesen, und dies nicht nur deshalb, weil ihnen die Spanier von heute auf morgen das Licht ausbliesen, sondern ebenso, weil ihnen über 2
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ihren physischen Tod hinaus jede Chance des mittelbaren Fortlebens genommen war. Früheste Hochkulturen — und die amerikanischen müssen ungeachtet ihrer Chronologie morphologisch wohl als solche gelten — sind dem Verhängnis absoluter Vergänglichkeit offenbar in höherem Maße ausgesetzt als die späteren (man denke etwa auch an die Hethiter), und dies mag wiederum mit dem experimentellen Charakter all' der Hochkulturen zusammenhängen, in deren genetischer Nachbarschaft noch das Neolithikum und seine Gesellschaft steht. Die Zeit ist nun einmal in der Geschichte ein Indikator der Wirklichkeit, und was sich in der Zeit nicht oder nur unzureichend manifestiert, gewinnt keine historische Realität. In anderer Weise gilt das auch vom Raum, und zwar schon deshalb, weil die Lebensaussichten einer Zivilisation unter anderem auch von ihrer Verbreitung und Population abhängig sind. Doch geht es hier im Grunde nach noch einfacheren Regeln zu. D a die höhere Zivilisation von Hause aus ein Ausnahmefall gegenüber ihrem urgeschichtlichen Hintergrund ist, ist sie auf Geländegewinn auf dessen Kosten angelegt. Die geschichtlichen Zivilisationen bedürfen der Expansion, um zu existieren und sind ohne sie angesichts des überwältigenden auf sie eindringenden Druckes zum Untergang verurteilt. Der Raum ist aber auch die Arena der Bewährung gegenüber den konkurrierenden höheren Zivilisationen. Letztlich sind sie alle dazu bestimmt, nach ihrem Vermögen die Erde zu verwandeln und ihr den Stempel ihres Wesens aufzudrücken. Entsprechend dem Umfang, in dem ihnen das gelingt, erringen sie Welthaftigkeit. Es ist hierbei leicht zu sehen, daß dieser Maßstab für die Frühzeit der Hochkulturen noch kaum in Betracht kommt und das Stadium eventueller relativer Welthaftigkeit etwa frühestens mit der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends erreicht wird. Noch klarer ist freilich, daß mit dem Eintritt in die Neuzeit die zivilisatorische Expansion an einer bestimmten Stelle eine bis dahin unbekannte Dynamik erhält und die Präpotenz der europäischen Zivilisation es dahin bringt, daß der gesamte Globus ein einheitliches Aktionsfeld wird und damit „Weltgeschichte" nun tatsächlich auch in einem pragmatischen Sinn sich verwirklicht.
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Doch auch wenn man noch nicht gleich diesen Fluchtpunkt der Gegenwart einbezieht, wird die Rechnung in bezug auf die unter dem Aspekt der relativen Welthaftigkeit allein ernsthaft in Betracht kommenden Größen verhältnismäßig durchsichtig. Weltcharakter in dem angegebenem Sinn können nur vier Zivilisationen beanspruchen: die europäische (selbstverständlich das amerikanische Kolonialgebiet mit eingeschlossen), die islamische, die indische und die chinesische. Alles andere mag mit Fug und Recht aus dem Spiel bleiben, soweit es nicht in einer verdeckten oder manifesten Berührung zu jenen Größen steht. Die Weltgeschichte, im Stadium ihrer Autonomie, das heißt ihrer relativen Unabhängigkeit von der Urgeschichte, betrachtet, konzentriert sich auf eine Synopse dieser vier weltgeschichtlichen Potenzen und hätte es damit, was ihre Zahl betrifft, mit einer noch halbwegs überschaubaren Bühne zu tun. Aber damit ist freilich noch wenig gesagt, denn Weltgeschichte soll ja mehr sein als eine bloße Addition. Wenn es sich jetzt auch um keine Summe beliebiger und unzähliger Größen handelt und die nur wenigen „Individuen" eine Zusammenschau unter Umständen als denkbar erscheinen lassen, so bliebe es audi dann bei der Addition, sofern die zusammenschauende Betrachtung nicht unter die Herrschaft bestimmter Gesichtspunkte träte. Ihre Deduktion hätte wahrscheinlich aus dem (hier eingeführten) Begriff der relativen Welthaftigkeit zu erfolgen, in einer weiteren Umsetzung seiner Möglichkeiten, ohne daß damit im einzelnen schon viel gesagt wäre. Am unproblematischsten dürften die Ansprüche der genetischen Frage sein. Woher eine geschichtliche Erscheinung kommt, ist, unter anderem, auch immer aufschlußreich für ihr Wesen. Dieser Satz gilt, sofern er richtig ist, erst recht innerhalb des universalen Horizontes, wenn es nicht zuletzt um die Frage geht, durch welche Vermittlungen eine Zivilisation den Anschluß an die primäre Hochkulturstufe erhält, anders formuliert, ob und wie sie auf einer vorausgehenden Hochzivilisation aufbaut. Toynbee hat durchaus recht mit seiner Unterscheidung von Hochkulturen, die noch selbst den Anstieg zu ihrem Niveau geleistet haben, und solchen, die sich auf das Vorbild oder gar die Vorarbeit 2"
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anderer stützen konnten. Freilich liegen hierbei die Verhältnisse je nach dem sehr verschieden; sie sind mitunter recht kompliziert, so daß es kaum angängig sein dürfte, die negative Abgrenzung gegenüber den Primärzivilisationen in den runden, positiven und eindeutigen Begriff der „abgeleiteten" Kulturen (affiliated civilizations) umzusetzen. Wie differenziert die Analyse zu verfahren hat, lehrt ja gerade die europäische Kultur, zu deren Elementen nicht nur die griechisch-römische Antike mit ihren Voraussetzungen, sondern ebenso das antike Judentum und damit ein Stück des alten Orients gehören. Es empfiehlt sich ganz und gar nicht, in diesen Verhältnissen mit einem festen Modell zu arbeiten, und gerade eine Weltgeschichte, die den Begriff Geschichte ernst nehmen will, wäre im Gegensatz zu voraussetzungsvolleren Theorien, wie etwa der Toynbees und erst recht Spenglers, gehalten, den individuellen und konkreten Beziehungen auf dem bestimmten Beobachtungsfeld, um das es sich bei einer Weltgeschichte handelt, nachzugehen. In anderer Richtung ist die Aufmerksamkeit durch die Frage nach den ursächlichen Faktoren der Welthaftigkeit bestimmt. Es ist leicht zu sehen, daß es da um soziale, politische und intellektuelle Strukturprobleme geht, wenn man überlegt, worauf die Fähigkeit einer Weltzivilisation beruht, sich in der Zeit zu behaupten, und wie es um die Möglichkeiten ihrer Expansion bestellt ist, d. h. inwieweit sie zu kolonisieren versteht und ihr hierzu Gelegenheit gegeben wird (Kulturgefälle in der Umgebung, leere Räume), oder sie, meistens in Verbindungen mit echter Kolonisation, indirekt kolonisiert, d. h. fremdes Volkstum absorbiert. In beiderlei Hinsicht, bei der zeitlidien Behauptung wie bei der Expansion, kommt es nicht nur auf bestimmte Momente an, sondern fließen auch immer Gegebenheiten ein, die unmittelbar mit der speziellen Fragestellung nichts zu tun haben. Wie bei jeder historischen Untersuchung ist zur Vermeidung von Kurzschlüssen zuerst einmal eine Vorstellung des Ganzen zu bemühen und bei diesem Ganzen audi nicht zu vergessen, was der Grieche Tyche nannte. Wenn man das Schicksal der asiatischen Hochzivilisationen mit der europäischen in dieser Hinsicht vergleicht, dann ist das bedeutsame Ge-
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wicht, das für jene der Einbruch der Barbaren besaß, und das auffallende „Glück" Europas, kraft seiner geographischen Lage nur am Rande von den innerasiatischen Reiterstürmen betroffen zu werden, schwerlich zu übersehen, ohne daß damit die vielfältigen Überlegungen, die allein von diesem Datum ausgehen, präjudiziert wären. Keine Zivilisation ist ferner ein monolithischer Block, aber die Polarität zwischen den zentripotalen und zentrifugalen Kräften ist jeweils nicht nur verschieden stark, sondern dies als solches recht formale Verhältnis sieht innerhalb der verschiedenen Kulturhorizonte jedes Mal wieder anders aus, wenn schon es selbstverständlich identische Relationen gibt, denen freilich innerhalb des ganzen Lebensgefüges niemals hier und dort der gleiche Stellenwert zukommt. Trotzdem könnten in diese Erwägungen noch einige Zweifel gesetzt werden, ob sie imstande sind, eine Weltgeschichte zu rechtfertigen. Sie sind ja denn auch von der Feststellung ausgegangen, daß Weltgeschichte es allenfalls mit einer relativen Welthaftigkeit zu tun hat und es sich deshalb lediglich um das Zusammenfügen gewaltiger Teile zu so etwas wie einem Ganzen handeln kann. Die Berührungen zwischen diesen Teilen waren zwar zeitweise erheblich (Abendland — Islam, Islam — Indien, Indien — China), haben bekanntlich aber nie ausgereicht, einen einheitlichen euroasiatischen Wirkungszusammenhang herzustellen. Noch weniger ist es jemals möglich gewesen, die Verbindlichkeit einer Kulturkonzeption gegenüber den anderen mit überzeugenden Gründen zu behaupten und etwa, sozusagen unter Zuhilfenahme supranaturaler Einsichten, die geschichtliche Einheit der Welt auf der Basis einer Wertmetaphysik zu gewinnen. *
An diesem Kulturrelativismus hat sich jedoch mit dem Auftreten der modernen europäischen Naturwissenschaft und Technik etwas grundlegend geändert. Es ist heute längst nicht mehr möglich, beide Größen, zumal in ihrem gegenseitigen Bezug, als ein Binnen-
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phänomen der europäischen Kultur aufzufassen, und man spricht nur eine Binsenwahrheit aus, wenn man bemerkt, daß sie nicht minder eine zivilisatorische Weltrevolution bedeuten wie einst der neolithische Ubergang zur Seßhaftigkeit. Für den modernen Begriff einer Weltgeschichte zieht man hieraus eine verhältnismäßig nahe Konsequenz, wenn man dieses Datum auf dem welthistorischen Prospekt einfach ansetzt. Tut man dies, so erhält man auf der einen Seite eine Anzahl historischer, d. h. wirklicher und als soldier nachweisbarer Effekte, auf der anderen trägt man einige offene Fragen an die Zukunft heran. Wirklich und effektiv ist längst die Überlegenheit der technischen Zivilisation Europas. Diese Feststellung beinhaltet kein Werturteil, sondern ist so simpel wie eine historische Beschreibung. Sie besagt lediglich, daß keine Zivilisation der Erde im offenen Einsatz der technischen Machtmittel sich mit der europäischen mehr messen kann. Seit der Erfindung der Feuerwaffen gibt es für die europäische Hochkultur keine Bedrohung durch Barbaren mehr. Historisch ist ferner die politische Suprematie Europa-Amerikas über jedes andere Land auf der Erde vor 1914. Historisch ist ebenso, daß es seit dem 19. Jahrhundert im strengen Wortsinn eine Weltpolitik gibt und daß seitdem das politische Geschehen auf dem Globus zu einem Wirkungskomplex zusammenwuchs. Mit anderen Worten: seit einigen Generationen ist in die pluralistische Geschichte der Welt eine globale Geschichte in dem Sinn eingedrungen, daß sich bestimmte Situationen und Ereignisse nur im Hinblick auf Zusammenhänge, die die ganze Erde betreffen, und gewisse Normen, die überall gelten, verstehen lassen. Solche Feststellungen haben ihre Rückwirkung auf die historische Besinnung. Wenn die Geschichte des modernen Europas in ihrem Ergebnis einen weltgeschichtlichen Ausschlag zeitigt, muß sie selbst, wenigstens soweit sie auf dieses Ergebnis hinführte, schon vorher eine mittelbare weltgeschichtliche Relevanz besessen haben. Es wäre selbstverständlich eine unzulässige Stilisierung, sie als Ganzes auf einen solchen Effekt angelegt zu sehen. Das würde bedeuten, anstatt eine kausale Analyse vorzunehmen, eine Teleologie in
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sie hinein zu geheimnissen. Es wäre auch von vorneherein abwegig, die gesamte Geschichte Europas zur Ursache ihres späteren Zustandes zu machen. Wie überall in der Geschichte, kommt es auf die Verzahnung spezifischer Faktoren an. Diese festzustellen und damit der eigentümlichen europäischen Rationalität in den Wissensformen, dem Staat und in der Wirtschaft auf die Spur zu kommen, dürfte allerdings ein eminent welthistorisches Anliegen sein. Seine Durchführung würde dies denn auch zu erkennen geben, denn schwerlich wird man Max Weber bestreiten, daß methodisch diesem Problem nur auf dem Umweg über eine Analyse der anderen großen Kultursysteme beizukommen ist und nicht nur positiv nach den bestimmenden Elementen in Europa gefragt werden muß, sondern vorher erst eine Klärung nötig wäre, warum außerhalb Europas von diesen europäischen Möglichkeiten nichts zutage trat ungeachtet einer zivilisatorischen Ausstattung, die der Europas zeitweise weit überlegen war. Eine moderne Weltgeschichte ist, wenn sie sich überhaupt verwirklichen läßt, ohne Max Weber nicht denkbar, womit zugleich gesagt wäre, daß dessen monumentales Werk viel eher der Geschichtswissenschaft als der heute modischen Art der Soziologie angehört. Die Welthaftigkeit der Geschichte in ihren einzelnen Verlaufseinheiten, d. h. ihre Exposition, vorgenommen jeweils an den großen vier Hochkulturen, würde Aufgabe einer Weltgeschichte sein. Nach der Feststellung einer von Europa gleichsam monopolisierten Welthaftigkeit hätte unvermeidlich in dieser Exposition in bezug auf die nichteuropäischen Kulturen audi eine Reihe negativer Registrierungen zu erfolgen, und damit wäre das Spiel wechselseitiger Beleuchtung, aus dem dann im wesentlichen diese weltgeschichtliche Zusammenschau bestände, um eine wichtige Modalität bereichert. Es mag sein, daß Ungleichheiten in dieser Hinsicht durch andere, bei denen Europa die negative Folie abgibt, aufgewogen werden, obgleich man damit in die Nähe subjektiver Wertung käme und versucht sein könnte, seiner Genugtuung Ausdrude zu geben, daß die Weltgeschichte keine eindeutige Bilanz kennt. Doch wäre das eine billige und am Ende vielleicht sogar fragwürdige Weisheit.
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Wer kann schließlich das Fazit ziehen, bevor die Geschichte zu Ende ist? Wahrscheinlich würde man wohl eine andere Erfahrung machen und dann festzustellen haben, daß die Geschichte Europas, verglichen mit der der anderen Weltzivilisationen, überhaupt und von Grund aus recht singular ist und nicht nur in den hier gemeinten Punkten von ihnen divergiert. Möglicherweise verrät sich in ihr schon ziemlich früh eine größere Wandlungsfähigkeit des sozialen und geistigen Lebens und damit überhaupt auf diesem Sektor ein schnelleres Entwicklungstempo als anderswo. Der Gedanke wäre deshalb nicht absurd, die Darstellung einer Weltgeschichte um die europäische Geschichte herumzugruppieren und jene zuvorderst im Spiegel dieser zu erkennen. Eine Weltgeschichte Europas (Hans Freyer) hat deshalb ihren guten Sinn und besäße gewiß eher als die einer anderen Zivilisation die Chance, der geschichtlichen Welthaftigkeit ansichtig zu werden oder wenigstens die nicht minder schwierige Aufgabe ihrer Schilderung zu bewältigen. *
Doch wie dem auch sei, eine Weltgeschichte, welche die Gegenwart (im weitesten Sinne) nicht nur einkalkuliert, sondern ein entscheidendes Element aus ihr bezieht, hat dieses Faktum auch in bezug auf die Zukunft zu bedenken. Wenn die technische Zivilisation Europas das Schicksal der Welt ist, dann kann sich ihr kein Volk der Erde mehr entziehen. Der Verdacht liegt nahe, daß so über kurz oder lang die gesamte Erde von einer einheitlichen Gesittung erfüllt wird und sie wirklich so ist, wie sie von den verschiedenen Flughäfen der Welt aussieht. Die Weltgeschichte wäre dann in den Zustand überführt, der ihren Begriff uneingeschränkt rechtfertigte, und würde nun tatsächlich von einer Zivilisation und einem Subjekt getragen. Die Vereinzelung, welche einst die paläolithische Namenlosigkeit aufhob, wäre damit durch ihre äußerste Konsequenz, durch die künstliche Erschaffung einer zweiten, für alle verbindlichen menschlichen Natur kraft des Alleinganges einer be-
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stimmten Zivilisation wieder zurückgenommen, und hinfort wäre in Zukunft tatsächlich mit einem menschlichen Geschlecht zu rechnen, das nicht nur die Gattung Mensch abbildete, sondern sie zu einer konkreten Zivilisationsgesellschaft integrierte. Dergleichen als sicher hinstellen, hieße freilich die Tragfähigkeit bloßer Spekulation überschätzen und darüber hinwegzusehen, daß vorerst eine ganze Anzahl Zwischenfragen beantwortet sein müßten. Wer weiß, wie bei uns selbst, die wir die Technik hervorgebracht haben, deren Zukunft sein wird, wenn der Mensch als ihr Objekt nicht mehr der gleiche ist, der sie einst erschuf und sie selbst die Voraussetzungen ihrer Entstehung auf das gründlichste beseitigte. Die technische Zivilisation hat die Gefahr des externen Barbarentums gebannt und damit ausgeschlossen, daß sie dessen Opfer wird. Wird sie jedoch gegen die interne Barbarei geschützt sein, falls sich diese unter anderem auch in der Form des Zerfalls der intellektuellen Kräfte einstellt? Der Mensch hat zwar die Technik hervorgebracht, er hat aber noch nicht bewiesen, daß er ihr und ihrem dauernden Progreß wirklich auch gewachsen ist. Wenn einem solche Zweifel schon für die Heimat der modernen Zivilisation kommen, dann ist gewiß das Feld noch unübersichtlicher bei ihrer Amalgamierung mit einem ihr von Hause aus fremden Menschentum. Die Frage geht hier, abgekürzt formuliert, dahin, ob man mit der technischen Zivilisation einen produktiven Umgang pflegen und sie damit sich restlos aneignen kann, ohne zugleich zum Europäer zu werden. Verurteilt eine Durchdringung mit europäischer Technik und Wissenschaft die großen außereuropäischen Kulturen zum Absterben? Oder lassen Technik und Wissenschaft sich verpflanzen, ohne daß mit den einheimischen Traditionen jeweils gebrochen wird, und lassen sich damit die naheliegenden Analogien der technischen Revolution zur neolithischen auch dahin verifizieren, daß jene nicht anders als diese zwar einen neuen Aggregatzustand des sozialen Lebens schafft, im übrigen aber den Menschen auf dem neuen Niveau sehr verschiedene Wege ziehen läßt. Die Frage wird sich schwerlich mit „ j a " oder „nein" beantworten lassen, gibt aber doch von vorneherein der Vermutung Raum, daß jede
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Anpassung an die technische Zivilisation eine Umstellung erfordert, welche den bisherigen Traditionen nur mehr einen begrenzten Spielraum läßt. Man mag bei solchen Überlegungen verweilen oder nicht — Futurologie ist keine historische Disziplin und auch keine Wissenschaft —, daß „Menschheit" heute kein bloßer Gattungsbegriff mehr ist, sondern die Geschichte uns zwingt, sie nicht nur als Konkretum zu denken, sondern als solches auch ernst zu nehmen, das ist nun freilich eine Realität. Seit der Entdeckung der nuklearen Energie schauen sich alle Menschen dieses Globus in die Augen, keiner kann dem anderen mehr gleichgültig sein, ein genau definiertes Maß von Solidarität ist für jeden zur Existenzfrage geworden. Wie sich diese Notwendigkeit politisch und organisatorisch niederschlagen wird und wie hierzu angesichts der weltweiten Hindernisse der Weg gebahnt wird, mag auf sich beruhen. Auf jeden Fall ist eine unter ein und dasselbe Gebot gestellte Menschheit nun auch in der Aktion über alle dabei bestehenden Divergenzen hinweg zu einer gewissen Art von Einheit verknüpft. Zu einer unauflöslichen sogar. Die Teleologie, einst unkritisch in die Weltgeschichte hineingezaubert, wird nun in wahrhaft geschichtlicher Weise, das heißt als bewußte Bestimmung des Willens, auftreten. Andernfalls würde ein Ereignis ausgelöst, dessen welthistorische Tragweite wahrlich schon vorher evident wäre und nicht den geringsten Zweifel ließe, daß es einerseits höchst konkret, auf der anderen nun auch in einem absoluten (und ganz und gar nicht mehr relativen) Sinne Weltgeschichte wäre. Sollte es allerdings eintreten, bestünde vielleicht zu dieser Feststellung keine Möglichkeit mehr, und niemand wäre da, der der zerstörten Menschheit bescheinigte, daß sie sich selbst wiederum ins Neolithikum zurückkatapultiert hat.
2. „Weltgeschichte" als Methode Es würde guter erkenntnistheoretischer Tradition entsprechen, einen Gegenstand dadurch zu bestimmen, daß man die Methode, nach der man ihn ausfindig macht und behandelt, ans Licht höbe. In der Tat ist dieser Weg zwar nicht geeignet, einen von allen Erkenntnisskrupeln zu befreien, doch mag er immerhin dazu taugen, einen ein Stück weiter zu bringen. Diese Hoffnung dürfte man vielleicht auch hier hegen, wenn sich plausibel machen ließe, daß von „weltgeschichtlicher Methode" im Rahmen der sonstigen historischen Begriffsbildung zu sprechen, nicht gerade eine Absurdität wäre. Jede Geschichte, sie betreife wen und was auch immer, ist, sobald sie zum Gegenstand erhoben wird und nidit lediglich Lebenshorizont geschichtlicher Subjekte ist, niemals von selbst an die Hand gegeben, sondern wird durch ein erkennendes Verfahren erst umrissen und nach verschiedenen Seiten abgegrenzt. Selbst wenn ich die gängigsten historischen Größen, wie etwa eine Geschichte Frankreichs, Englands, des antiken Rom und alten Griechenland, ergreife, kann ich dies, sofern ich einmal von der Tradition, die mir diese Begriffe liefert, absähe, nur tun, indem ich aus einer indefiniten Summe historischer Daten unter einem bestimmten Gesichtspunkt gewisse Phänomene auswähle und andere beiseite lasse. Daß sich bei verhältnismäßig primitiven Distinktionen, wie sie gerade hier in Betracht kämen, diese Selektion scheinbar von selbst an die Hand gibt, darf nicht darüber täuschen, daß sie trotzdem irgendwie stattfindet. Unter Umständen stellt sie sich audi dem Bewußtsein. Die Geschichte mancher Stadt und mancher Landschaft ist gegenüber den sie umfassenden Ereignissen größerer Einheiten nicht immer
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leicht zur Geltung zu bringen: Gewiß bietet sich die Geschichte eines politischen Subjektes mit aktionsfähiger Spitze, also eines staatlichen Gebildes von dieser oder jener Art, beinahe an und trägt an den Historiker gleichsam von sich aus die Aufforderung heran, ihr eine Darstellung zu widmen. Doch wenn es sich um ein Subjekt ohne solche Spitze, also etwa ein Volk oder Land ohne politische Einheit, handelt, ist die Aufgabe schon viel schwerer zu lösen und stellt sich alsbald für die Geschichtsschreibung die Frage, welche Auswahl unter den vielen Handlungen und Handlungssubjekten getroffen wird, und was allenfalls weggelassen werden kann. Bei der Erfassung jedes geschichtlichen Gegenstandes ist Abstraktion notwendig, immer muß etwas zu Gunsten eines anderen verdunkelt werden. Dies ist schon bei der sogenannten „ allgemeinen" Geschichte der Fall und trifft erst recht für die „Spezialgeschichte" zu. Diese ergibt sich nun aus einem ziemlich komplizierten Abstraktionsprozeß und bedarf obendrein noch der Synthesis mehrerer, mitunter unabhängig voneinander durch Abstraktion aus einem großen Ganzen gezogenen Tatsachen. Das gilt etwa für die Rechtsund Religionsgeschichte, ganz zu schweigen von der Wirtschaftsund Gesellschaftsgeschichte. Bei all diesen Fällen geht es nicht nur darum, zwischen verschiedenen kohärenten Phänomenen eine Auswahl zu treffen, sondern die Abstraktion setzt je nachdem schon am konkreten Einzelphänomen an. Wenn der Kauf einer Kuh vonstatten geht, ist dies zugleich ein wirtschaftliches und juristisches Phänomen (obendrein kann es ein biographisches Binnenphänomen für Verkäufer und Käufer sein). Den Rechtshistoriker wird daran die Rechtsform des Kaufes, eventuell auch die Vertragsfreiheit und die Möglichkeit überhaupt des dispositiven Rechtes interessieren, dem Wirtschaftshistoriker werden die internen Formalitäten gleichgültig sein, abgesehen vielleicht von der Vertragsfreiheit. Dabei wird er mehr auf die Kuh als Kaufobjekt achten (was den Juristen gar nicht betrifft, es sei denn hinsichtlich der Möglichkeit der Mängelrüge), auf den Preis und noch manches andere, was den Kauf eben als wirtschaftliches Phänomen erscheinen läßt. Selbstverständlich ist er damit noch gar nicht in die Wirtschaftsgeschichte einge-
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ordnet, wozu erst von hier aus umständliche und verschiedene Erwägungen angestellt werden müßten. Die menschliche Gesdiichte ist nun einmal kraft des Aufrisses des menschlichen Seins ein höchst komplexer Vorgang, dem man sich von den verschiedensten Seiten her nähern kann und der entsprechend immer nur eine bestimmte Aufsicht „des Ganzen" enthält. Auf diese Weise spaltet sich die Geschichte in Sachgebiete auf, und dies in einem solchen Maß, daß einem modernen Verständnis die Gesdiichte dieser Aufspaltungen beinahe geläufiger ist als die „allgemeine Gesdiichte'' und ihm viel eher diese als problematische Größe vorkommt als die abstrahierte Geschichte verschiedener Sachgebiete. Dies geschieht nicht einmal ganz ohne Berechtigung, denn es würde logisch weniger Schwierigkeiten bereiten, jene „abstrahierte Gesdiichte" zu definieren, als mit einem Satz zu sagen, was denn im landläufigen Sinn unter der nicht spezifizierten, der „allgemeinen" Geschichte oder einfach der „Geschichte schlechthin", zu verstehen sei. Wie bereits angedeutet, geht es bei dieser allgemeinen Geschichte auch nicht ohne Abstraktion ab, doch ist dieselbe offenbar von anderer Art als bei den speziellen Sachgeschichten. Aber das ist nicht die einzige Schwierigkeit. Ohne daß auf diese Fragen des näheren hier eingegangen wird, darf doch immerhin die Vermutung geäußert werden, daß gerade die Synthesis ihren Stempel der allgemeinen Geschichte aufdrückt und darin von ungleich komplizierterer Art ist als die der Spezialgeschichten und vor allem je nach dem individuellen Gegenstand ein hohes Maß von Anpassung an ihn erfordert. Das einzige, was sich verhältnismäßig eindeutig sagen läßt, betrifft die politische Geschichte als Rüdsgrat der allgemeinen Geschichte. Es wird dies zwar immer wieder, und nicht erst seit heute, bestritten, aber noch niemand hat in praxi überzeugend gezeigt, wie man ohne sie auskommen kann. Freilich genügt sie allein nicht. Die äußeren pragmatischen Ereignisse bedürfen des zuständigen Hintergrundes, des Hintergrundes, der weniger ein Handeln als ein allmählich sich Verändern ist und sowohl von sich auf das äußere Aktionsfeld Impulse entsendet, als von ihm wiederum empfängt. Doch wodurch wird im einzelnen dieser Hintergrund gebildet und
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wo schiebt er sich als Energiequelle bzw. als Aufnahmeorgan für fremde Energie besonders nahe an die äußere Aktion heran, so daß mitunter beides ineinander übergeht und nur ein einziges großes Ereignisfeld entsteht? Beides steht keineswegs ein für allemal fest und richtet sich immer nach den Gegebenheiten des historischen Gegenstandes. In welchem Umfang zum Beispiel die sogenannte Geistesgeschichte als Anreger politischer Taten und Ereignisse in Betracht kommt, ist zu den jeweiligen Zeiten notorisch verschieden. Dasselbe gilt von Wirtschaft, Gesellschaft und politischer Verfassung. Der Umfang, in dem diese Gebiete in der allgemeinen Geschichte Berücksichtigung finden, richtet sich zwar nicht ausschließlich, so doch auch nach der Zuordnung von Zustandsprämisse und Handlungseffekt. Doch wird damit nur eine einzige Frage von verschiedenen dieses ganzen Bereiches berührt. Es ist hier aber nicht der Ort, das Problem abzuhandeln. Zu zeigen war lediglich, daß selbst die „allgemeine Geschichte" ihrem Aufriß nach besonderer Einstellungen bedarf und insofern trotz ihrer „Allgemeinheit" eine eigene Perspektive nötig macht. Es gibt eben die „Allgeschichte" als alles umfassende gar nicht, und es kann sie nicht geben, weil kein Prinzip der Ubiquität denkbar ist, nach dem sie ihre Ordnung erhielte. Eine integrierte Geschichte, in der man alles vereint und gegenseitig verzahnt beieinander fände, was die jeweiligen „Spezialgeschichten" bieten, ist eine logische Unmöglichkeit und deshalb gar nicht in praxi vorstellbar. Wo sie trotzdem versucht wird, führt das zur monströsen Unförmigkeit ungebändigter und unverarbeiteter Stoffmassen. „Weltgeschichte", sofern es sie überhaupt gibt, kann schon deshalb nie mit dem Anspruch auftreten, entweder alle denkbaren Geschichtsbetrachtungen in sich zu vereinen, also sowohl nach ihrem äußeren Umfang wie hinsichtlich ihrer Gesichtspunkte, schlechthin „universal" zu sein, oder gar von vorneherein, kraft ihres Begriffes, die einzige wahre Geschichte darzustellen und damit alle anderen Geschichten aus dem Felde zu schlagen. „Weltgeschichte" ist vielmehr ein Modus des Umganges der Geschichte unter manchen anderen und ist diesen gegenüber mit keinem Privileg ausgestattet.
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Wenn etwa bei der äußeren Begrenzung der "Weltgeschichte es darum geht, bestimmte Geschichtskomplexe von ihr auszuschließen, so ist selbstverständlich damit nicht gesagt, daß diese nicht zur Geschichte gehörten und es deshalb nicht der Mühe wert sei, sich mit ihnen zu befassen. Um ein verhältnismäßig unverfängliches Beispiel zu wählen: Wie auch immer man Weltgeschichte definieren mag, daß die präkolumbischen Hochkulturen Amerikas nur eine geringe Chance haben, zu ihr gezählt zu werden, dürfte zumindesten als naheliegende Vermutung gelten. Einem solchen Anspruch würde sich schon ihre nur partielle Bedeutung für den amerikanischen Kontinent vor seiner Entdeckung entgegenstellen. Auch scheint das Perseverationsvermögen dieser Zivilisationen recht beschränkt gewesen zu sein. Die zeitliche Kontinuität wurde wohl mehr als anderswo unterbrochen. Vor allem brachte sie das Schicksal, das ihnen durch die Spanier bereitet wurde, um jede weltgeschichtliche Chance. Trotzdem wäre es geradezu aberwitzig, ihnen aus diesem Grund historisches Interesse zu versagen. Im Gegenteil: Unter bestimmten Gesichtspunkten ist das Studium dieser geschichtlichen Erscheinungen ganz unerläßlich und darf sogar, bei richtigem Verständnis und entsprechender Einordnung, mittelbar eine welthistorische Relevanz beanspruchen. Wenn „Weltgeschichte" ein eigener Begriff sein soll, dann kann er nicht mit der Summe des auf der Erde irgendwie erfahrbaren historischen Wissens zusammenfallen. Die berüchtigte, wohl durch ein nicht ganz angemessenes Verständnis Ratzels inspirierte Helmoltsche Weltgeschichte, welche die gesamte Oberfläche der Erde mit der ihr jeweils für die betreffenden geographischen Einheiten zugehörigen Geschichte versieht, ist schon wegen ihres verkehrten Vollständigkeitsbegriffes eine unmögliche Konzeption. Keineswegs absurd braucht es jedoch zu sein, von der Gesamtheit des jeweils auf dem Globus vorgekommenen Geschehens „für den internen Gebrauch" Kenntnis zu nehmen. Es kommt dann nur auf die Erkenntnisziele an, die man mit solch enzyklopädischer Unterrichtung verfolgt. Sie selbst kann nicht als Selbszweck gelten, wie man im acht-
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zehnten Jahrhundert, zu Zeiten der Folianten der »genannten „Englischen Weltgeschichte", vielleicht gedacht hat. Man muß sogar noch einen Schritt weiter gehen und kann dann vielleicht einen denkbaren Gesichtspunkt angeben, unter dem eine enzyklopädische Musterung allen Geschehens eventuell sinnvoll wäre. Gewiß nicht, um etwa von der äußeren Geschichte eines Kaifernstammes Notiz zu nehmen, sofern heuristisch hierzu die Möglichkeit bestände, womit natürlich wiederum nicht gesagt ist, daß dies unter einem anderen Gesichtspunkt, etwa zum Zwecke der Aufklärung über die präkoloniale Existenzweise der Afrikaner, nicht bedeutsam sein könnte. Vielleicht bietet die Geschichte eines solchen Stammes auch interessante Einblicke in die Form von Stammesorganisationen und bereichert nicht nur unsere diesbezügliche Anschauung, sondern im Falle einer besonderen Variante auch unsere Begriffe von einer solchen. Es wäre aber trotzdem ein sehr oberflächlicher Satz, alles, was irgendwie auf dem Globus passierte, zur Geschichte zu deklarieren, und noch abwegiger wäre, in ihm als der Summe alles Geschehens die „"Weltgeschichte" zu erblicken. Es gibt unendlich viel Beliebiges, das man sich durch genauso Beliebiges ersetzt denken könnte, ohne daß die Summe des Geschehens sich in der Bilanz veränderte. Zum geschichtlichen Weltbestand gehören soldie Einzelheiten nicht — der Historiker kann und darf nicht den göttlichen Verstand, vor dem alle Haare des geringsten Wesens gezählt sind, sich anmaßen —, und sie sind viel eher geeignet, einem drastisch klar zu machen, wann und inwiefern von einem solchen überhaupt gesprochen werden kann. Diese Frage steckt mit in dem Problem der Methode einer Weltgeschichte drin und ist für den Begriff einer „Weltgeschichte" konstitutiv. Trotzdem wird deshalb die besondere Überlegung nicht überflüssig, ob auch außerhalb der Weltgeschichte in diesem spezifischen, das heißt ausgegrenzten Sinn, noch irgendwelcher geschichtlicher Weltbestand angetroffen wird. Es scheint, daß man diese Frage zu bejahen hat und logisch auch die Möglichkeit hierzu erhält, sobald man zwischen Weltgeschichte als Gegenstand der Darstellung und zwischen dem Wissen, das zur Bewältigung jenes Gegenstandes mobilisiert werden
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muß, einen Unterschied macht. Daß sich Erkenntnis nie in dem erschöpft, was in der einzelnen Erkenntnis aktualisiert wird, daß das Denken immer über den jeweiligen „Gegenstand" einen oder mehrere Schritte hinauszugehen vermag, liegt im Wesen jeder Kognition beschlossen. Verschieden ist das Maß, in dem „Gewußtes" und „Erkanntes", sich jeweils weiter „entwickeln" läßt. Das größte Feld hierfür öffnet sich bekanntlich im Bereich der synthetischen Urteile a priori (nach Kant), also in erster Linie für die Mathematik. Es kann und muß hier auf sich beruhen, ob auch historischen Erkenntnisakten eine derartige Selbstentwicklung und gegebenenfalls inwiefern offentsteht. Es ist aber ebenso ausgemacht, daß es ein Wissen a posteriori gibt, welches die Erkenntnis irgendeines Gegenstandes fördert und aus einer beliebigen Erkenntnisintention zwar nicht expliziert wird (dies trifft nur für die kognitiven Operationen a priori zu), doch sich jederzeit in sie implizieren läßt und sogar impliziert werden muß. Daß dergleichen auch in der geschichtlichen Erkenntnis vorkommt, kann zwar von denjenigen Erkenntnistheorien, welche die historische Erkenntnis ausschließlidi auf die Erfassung des Einzelnen und Einmaligen festlegt, nicht zugegeben werden, hat aber trotzdem seine Richtigkeit, denn die ideographische Bestimmung der Geschichte ist zwar nicht falsch, aber gewiß auch nicht ausreichend. Das wäre eine sehr schlechte Gegenstandserfassung in der Geschichte, welche sich lediglich in der Fixierung auf den betreffenden Gegenstand erschöpfte und nicht in der Lage wäre, gewisse Assoziationen auszulösen und hinter dem Gegenstand eines differenzierten Hintergrundes gewahr zu werden. In die Sinnfälligkeit der Praxis übertragen würde dies bedeuten: es macht einen gewaltigen Unterschied aus, ob ein Stümper und Anfänger ein historisches Phänomen sich vorstellt, oder ob dies ein erfahrener Historiker tut. Methodik in der Geschichte kann niemals heißen, daß ein jeweils methodisch charakterisiertes Wissen von jedem anderen, d. h. kraft einer anderen Methode gewonnenen Wissen hermetisch abgeschlossen wird. Oder anders ausgedrückt: Das aktuelle Wissen wird von dem latenten Wissen nicht nur nicht abgeriegelt, sondern ist dazu berufen, mit ihm zu kommunizieren. 3
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Sofern es also eine Methode weltgeschichtlicher Gegenstandsbestimmung gibt, ist deshalb damit nicht gesagt, daß alles nicht „weltgeschichtlich" gewonnene Wissen aus dem Spiele käme, gleichsam vom Tisch weggewischt und vergessen sein müßte. Ein solcher scheinbarer Methodenpurismus wäre nicht die Negation eines unzulässigen Methodensynkretismus, sondern reine Absurdität. Keine Wissenschaft kommt ohne latentes Wissen aus und kann sich jeweils mit dem in actu Gewußten begnügen. „Weltgeschichtliche Methode" kann deshalb nicht heißen, daß, um das logische Kontrarium zu bemühen, ihm den Zugang zur totalgeschichtlichen Forschung versperrt wäre und ihm von dorther keine historischen Erkenntnisse und Erfahrungen zur Hilfe kommen dürften. H a t es aber damit seine Riditigkeit, dann ist die subsidiäre Verwendung von historischen Erkenntnissen, welche thematisch mit „Weltgeschichte" gar nichts zu tun haben und also eindeutig außerhalb des „welthistorischen" Feldes liegen, die selbstverständlichste Sache von der Welt. Es kann sogar spezifisch weltgeschichtliche Zusammenhänge geben, die in ausgezeichneter Weise auf dergleichen Sukkurs angewiesen sind. Wie kann man sich beispielsweise die paläolithischen und neolithischen Vorstufen der Weltgeschichte veranschaulichen, wenn man nicht, bei aller gebotenen Vorsicht, eine Anleihe bei der Information nähme, welche entsprechende moderne Naturvölker bieten. Für die Weltgeschichte ihrer Zeit sind die Hottentotten ziemlich gleichgültig, aber unter Umständen vermögen sie vielleicht eine ganz anderswo gelegene Stelle der Weltgeschichte zu beleuchten. Der Weltbestand ist gewiß nicht die Summe alles in der Zeit verlaufenden Geschehens, es ist überhaupt keine von vorneherein festgelegte Größe, aber was auf dem Globus geeignet ist, geschichtliches Wissen zu fördern, darf man ihm wohl zurechnen. Natürlich wäre das eine sehr unzulängliche Definition, insofern, als mit ihr nicht angegeben ist, was denn das Wissen „fördert", doch enthält sie immerhin einen vagen Hinweis auf Elemente im unendlichen Bereich alles historisch „Beliebigen", welche unter Umständen eine besondere Relevanz beanspruchen können. Wir rechnen sie nämlich zum „Weltbestand", nicht weil sie effektiv für
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die Gestaltung der geschichtlichen "Welt als einzelne Phänomene richtig wären, sondern sehen den „Weltbestand" in ihrem So-sein, in ihrer Struktur, wenn sie durch sie demonstrieren, daß die große Geschichte von ihrer Existenz zwar unberührt blieb und sie in dieser Richtung keine Faktizität jenseits der durch ihr bloßes Dasein Gegebenen gewannen, ihr zufälliges und randständiges Vorkommen jedoch die Fähigkeit der Welt beweist, sie hervorzubringen. „Welt" ist freilich ein ungenauer Begriff. Genauer müßte es heißen: das Menschengeschlecht, eben dieses Menschengeschlecht, das in der historischen Zeit im engeren Sinne im Hinblick auf diese Historizität seine Individualität verlor, das aber selbstverständlich deshalb nicht aufgehört hat, als genus humanuni weiter zu existieren. Wir können seiner zwar nur in seinen naturalen Qualitäten habhaft werden und müssen dessen Träger deshalb dann verlassen, sobald wir in die Geschichte im engeren Sinn eintreten. Dem geschichtlichen Sein des Menschen läßt sich das „Menschengeschlecht" nicht substituieren. Subjekt sind da immer nur konkrete Menschen. Auf der anderen Seite ist nicht zu bestreiten, daß „konkrete Menschen" „Menschen" sind und daß alle Menschen, jeweils nach ihrer Art (das heißt mitunter nur in minutiösem Umfang oder gar nicht) an der sogenannten Geschichtlichkeit teilhaben und ihnen dieselbe generell zukommt. Darin wird aber der bereits erörterte Tatbestand sichtbar, daß sich der Genusbegriff des Menschen genau bis zu der Grenze ausdehnen läßt, an der er in den konkreten Begriff jeweils historisch verschiedener Individuen (d. h. in Erscheinung tretender „historischer Einheiten") umschlägt. Als Genusbegriff löst er sich an dieser Stelle also gleichsam auf, und das kann dann nichts anderes heißen, als daß man ihn, sofern man ihn trotzdem noch bemüht, nur noch als eine fiktive Größe, als einen bloß gedachten und als solchen gesetzten Beziehungspunkt gelten läßt. Einem solchen genus humanum, das nur zum Zwecke der Veranschaulichung vorgestellt wird, kann man historische Phänomene nur so zuordnen, als ob sie seine Geschöpfe wären. Diese Konstruktion ist in bezug auf ihren Realitätsgehalt gewiß unzulässig — das betreffende Subjekt gibt es ja nicht und kann auch nicht als wirklich vorgestellt werden —, 3"
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führt man sie jedoch als reines Gedankengebilde ein, ist sie geeignet, empirische Daten zu ordnen und in bestimmter Weise zusammenzufassen, d. h. hier den Begriff eines „ Weltbestandes" zu bilden und die Gesamtheit aller historischer Erscheinungen in einer Weise zu begreifen, welche sich an ihrer Ubiquität nicht stößt, sondern sie allesamt „gelten" läßt, soweit sich in ihnen strukturelle und sonstige wichtige Figurationen zeigen. Gewiß können diese subtilen logisdien Zusammenhänge durch solche Bemerkungen mehr angedeutet als definiert werden und ebenso gewiß sind sie überhaupt ganz ungenügend anvisiert, aber hier ist nicht der Ort, von diesem Thema zu handeln (es ist dicht benachbart dem Problem des „Idealtypus", s. hierzu weiter unten S. 74 ff.), denn im Grunde spielt es für die weltgeschichtliche Begriffsbildung gar keine primäre Rolle. Im Gegenteil: Es kommt viel mehr darauf an zu betonen, daß eine historische Betrachtungsweise, welche da und dort oder auch „überall" wichtige Erscheinungen aufgreift, eben keine oder noch keine spezifisch weltgeschichtliche (in dem hier verstandenen besonderen Sinn) ist und infolgedessen auch nicht „Weltgeschichte" als Methode involviert. Will man sie irgendwie charakterisieren, müßte man sie wohl eher als geschichtlich-anthropologisch kennzeidinen und würde damit audi die Möglichkeit, um nidit zu sagen Notwendigkeit, welche sie einschließt, bewußt machen. Das Verfahren, um das es hier geht, ist nämlich ein durchaus reflektierendes und ist unter anderem darauf abgestellt, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Phänomenen wahrzunehmen, kurzum, komparativ vorzugehen. Der Begriff einer geschichtlichen Anthropologie beinhaltet ziemlich genau die Fiktion, die als Prämisse hier eingeführt wurde, nämlich die Annahme, der Mensch wäre auch als historisches Wesen ein Genuswesen und man könnte von ihm als solchen genau solche Aussagen machen wie wenn man sich auf seine Anatomie bezöge oder seine psydio-somatischen Eigenschaften bedächte. Das geht, wie gesagt, nicht oder nur so, daß dieser Begriff vom Menschen als Grenzbegriff (mit dem entsprechenden Einschlag zur Fiktivität) eingeführt wird. Man kann auch dann freilich lange noch nicht von ihm so sprechen wie im Zusammen-
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hang der naturalen oder philosophischen Anthropologie vom aufrechten Gang des homo sapiens (bzw. überhaupt des homo erectus) oder von der postuterinen Embryonalphase des Menschen, nämlich im Modus von schlechthin gültigen Bestimmungen, sondern hat höchstens das Recht, die an den geschichtlichen Menschen hier und dort gemachten Erfahrungen auf d e n Menschen allenfalls als „Möglichkeiten" zu beziehen, als „Möglichkeiten" des Menschseins überhaupt, wobei, wie leicht zu sehen ist, dieses „Menschsein überhaupt" nichts anderes ist als die Fiktion „des" Menschen. Geschichtliche Anthropologie heißt also sich der geschichtlichen Möglichkeiten d e s Menschen zu vergewissern, wo audi immer er anzutreffen ist. Sie entspricht einer gewissen Art denkenden Umgangs mit jeder Geschichte und ist deshalb thematisch nicht, oder gewiß nicht nur auf „Weltgeschichte" bezogen. Man kann davon audi als von dem Gran geschichtlicher Reflexion sprechen, das vielleicht jeder historischen Beschäftigung beigemischt sein sollte. Es beinhaltet jenen Schatz von latentem historischem Wissen, welches der Erkenntnis des einzelnen Phänomens erst Hintergrund und Plastizität verleiht. Aber dieser Inbegriff geschichtlichen Wissens und auch das Bemühen um ihn ist nun in ausgezeichneter Weise ein notwendiges Supplement der „weltgeschichtlichen Methode". Man kann vielleicht sogar sagen: keine Weltgeschichte ohne geschichtliche Anthropologie. Da paßt, gleichsam als Bestätigung, gut in diesen Zusammenhang, daß sowohl Jacob Burckhardt wie Max Weber sich „welthistorisch" ausdrücklich um die hier „geschichtliche Anthropologie" genannte Thematik bemühten. Burckhardt hat es als Verfasser der „Weltgeschichtlichen Betrachtungen" getan, bekanntlich die reife Frucht seiner weitreichenden, verständlicherweise immer auf Europa beschränkten und von ihm als „Kulturgeschichte" bezeichneten historischen Studien, welche stets auf etwas „Allgemeines" und hierbei besonders auf Abstraktion vom pragmatisch Zufälligen (was es objektiv durchaus nicht immer zu sein brauchte) ausgingen. Max Weber, der global Orientierte, tat seine Arbeit als „Soziologe", aber schlug mit gutem Grund den Weg über die Geschichte ein. Ähnlich wie Jacob Burkhardt schrieb er nie Geschichte
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im landläufigen Sinne, und nicht weniger als jenem war es ihm um ein „Allgemeines" zu tun. Er kam allerdings bei dessen Bewältigung begrifflich weiter als Burkhardt, nicht zuletzt durch die unendlidie Mühe, die er sich um den von ihm erfundenen „Idealtypus" machte. Wenn die „welthistorische" Methode mit der „anthropologischen" nicht identisch ist, so liegt das vor allem daran, daß diese nicht auf bestimmte historische Gegenstände fixiert ist, während jene gerade dazu dienen soll, aus der Fülle der historischen Phänomene bestimmte als „welthistorisch relevante" hervorzuheben. Die „welthistorische Methode" ist geradezu gezwungen, eine deutlich sichtbare Konturierung in dieser Richtung durchzuführen, denn sie hat es nicht nur mit disparaten Gegenständen zu tun, sondern muß mit ihrer Selektion auch eine Voraussetzung für historische Erzählung schaffen. Wenn man von Weltgeschichte spricht, meint man immer auch ein Erzählungssubstrat, und weil dies so ist, muß eine „welthistorische Methode" in der Lage sein, ein derartiges Substrat ausfindig zu machen in der Form eines erzählbaren Stoffes. Erzählbar ist ein geschichtlicher Stoff aber nur, wenn er das in Raum und Zeit verlaufende „Handeln" und „Leiden" eines geschichtlichen Subjektes enthält, wobei unter diesen beiden Begriffen auch jegliche Zuständlichkeit zu verstehen wäre. Der Begriff der „Weltgeschichte" ist logisch notwendig auf diese Relation abgestellt. Die „Weltgeschichte" ist nicht eine Summe „welthistorischer Erkenntnisse" (was auch immer man sich darunter denken mag), sondern betrifft eine Geschichte, in deren „Apperzeption" sich allenfalls „Erkenntnisse" niederschlagen. Hält man sich an diesen unabdingbaren Geschichtscharakter der Weltgeschichte, der durch keinerlei Surrogat zu ersetzen ist, auch durch keine noch so feine und tiefsinnige Reflexion, dann wird vielleicht plausibel, daß die erste Aufgabe weltgeschichtlicher Methode die eindeutige Fixierung bestimmter Geschichtsabläufe sein muß und sie hierzu eines durchsichtigen Verfahrens bedarf. Nichts wäre leichter und würde an dieser Stelle näher liegen, als sich bei diesem Vorhaben von subjektiven Vorurteilen, vielleicht von metaphysischen Wertungen oder irgendwelchen Traditionen (sie sind de facto das wirksamste Argument)
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leiten zu lassen. Demgegenüber muß der von uns zu Grunde gelegte Maßstab des räumlich und zeitlich maximal Ausgedehnten (s. oben S. 17) beinahe banal erscheinen und sich dadurch von vorneherein diskreditieren. Denn wird hierdurch nicht gerade die Gefahr provoziert, das Bedeutsamstes und Gewichtigstes unter denTisch fällt? Es ist leicht zu sehen, daß die Kategorie der „Welthaftigkeit" hier auf eindeutig quantifizierbare Größen gestellt wird und damit verhältnismäßig klare Entscheidungen ermöglicht werden. Ist deshalb weltgeschichtlicher Rang zum Derivat bloßer Quantität geworden, so wie wenn man den Fabrikationsausstoß von Roheisen für irgendein Land messen und danadi sein Produktionsvolumen und seine Produktionsmächtigkeit abschätzen würde? Der Vergleich bzw. die Analogie trifft, wie leicht zu sehen ist, nicht zu. Zwischen Warenerzeugung und Warenerzeuger besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Beides gehört begriffsmäßig zusammen: Der Warenerzeuger bedingt die Ware und umgekehrt setzt die Ware ihren Erzeuger voraus. Es wird also hier auf eine Tätigkeit (nämlich das Warenerzeugen) hingewiesen, die von vorneherein durch Meßbarkeit charakterisiert ist. Bringe ich eine Zivilisation mit Raum und Zeit zusammen, so ist zwar klar, daß sie in beiden existiert, ich kann aber unmöglich behaupten, daß hierin ihre spezifische Eigenart bestände. Sie teilt dieselbe vielmehr mit der Existenzweise vieler anderer Wesen (etwa mit einer Tierpopulation) und obendrein mit dem Sein der gesamten Dingwelt. Jedes Ding befindet sich an einem Ort und zu einer gewissen Zeit, das heißt hier, existiert eine gewisse Zeit lang. Es ist also die reine Banalität, von einer Zivilisation zu sagen, daß sie in Raum und Zeit lebt. Wenn man also auf diese Bestimmung im Sinne ihrer Meßbarkeit Wert legt, liegt der Verdacht nahe, daß dies nidit wegen der Selbstverständlichkeit geschieht, mit dem dem Subjekt die betreffende Meßbarkeit (von Zeit und Raum) zukommt, sondern daß ein ganz anderer Zweck verfolgt wird. In Wirklichkeit ist es denn audi so und interessiert denn hierbei auch nicht die Größe von Zeit und Raum an sich, sondern ich bemühe sie nur deshalb, um auf bequeme Weise an ihr etwas abzu-
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lesen, dessen ich auf anderem Wege nicht habhaft werden kann. Der Umfang von Raum und Zeit wird aus ganz bestimmtem Grund hier der Indikator der „Welthaftigkeit", nämlich deshalb, weil es sich um eine Hochkultur handelt und diese als solche sich durch ihren raum-zeitlichen Bezug besonders ausweist. Handelte es sich um Australneger, hätte die Rechnung wenig Sinn. Der Besitz des ganzen Kontinents durch viele Jahrtausende hindurch würde nicht das geringste für irgendwelche Welthaftigkeit beweisen. Aber eine Hochkultur muß über hervorragende Kräfte und ein überdurchschnittliches Leistungsniveau, über eine aus vielen Quellen gespeiste Lebensfähigkeit verfügen, um den Existenzkampf in Raum und Zeit zu bestehen. Sie muß gleichsam durch diese Bewährung ihre Fruchtbarkeit unter Beweis stellen. J e weiter in Raum und Zeit ihre Integrationskraft und ihre Impulse reichen, umso mehr erhärtet sie die Überlegenheit ihres Wesens. Man wird vielleicht einwenden, die großen geistigen Schöpfungen — sie sind immer Äußerungen von Hochkulturen — würden dadurch unter das Gesetz des Opportunismus gestellt und mit dem Verdikt bedroht, bei Ausfall des „Erfolges" abdanken zu müssen und umgekehrt sei es vielleicht die Aufgabe einer Weltgeschichte (d. h. einer weltgeschichtlichen Betrachtung), sie vor diesem Schicksal zu bewahren und da, wo die geschichtliche Wirklichkeit versagt, nachträglich für einen Ausgleich zu sorgen, gleichsam in Anwendung des Schiller'schen Satzes, daß die Weltgeschichte das Weltgericht sei. Doch diese hohe Bestimmung nimmt die wissenschaftliche Geschichtsschreibung für sich nicht in Anspruch. Sie mag sich freuen, wenn in einer Sternstunde ihr dieser Erfolg beschieden ist und sie selbst in die Reihe der geschichtlich wirksamen Mächte eintritt. Schematisch auf ein solches Ziel aus zu sein, wäre Vermessenheit und stände modernem Gelehrtentum schlecht an. Moderne Geschichtswissenschaft kann unmöglich sich an die Stelle der chinesischen Reichsannalistik setzen, und auch die Prätention mancher moderner Soziologen, welche sich für legitimiert halten, die Welt zu verändern, stände ihr schlecht an. Es gibt auch leider das blinde Walten des Geschickes, das keine menschliche K r a f t und damit auch
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nicht die des Historikers zu korrigieren vermag: Die vielen verlorenen Dramen des Aisschylos und Sophokles kann keine Macht der Erde ihrer Vernichtung entreißen, und wer zählt die unsterblichen Gedanken, die aus diesem oder jenem Grunde niemals „Wirklichkeit" erlangten, weil sie nicht einmal an das Licht einer nur beschränkten Wirklichkeit traten. Der Historiker hat weder göttliche Macht noch göttlichen Verstand. Er muß sich der Unbarmherzigkeit des Wirklichen beugen und darauf vertrauen, daß Großes sich realisiert und gerade dadurch seine Größe erweist. Auch der menschliche „Geist" ist auf Kommunikation angewiesen (bei dem praktisch Handelnden versteht sich das von selbst), und im Gegensatz zur Politik hat er seit Erfindung der Schrift die Chance für sich, eine verlorene Gegenwart gegen eine gewonnene Zukunft einzutauschen. Die Wirklichkeit des Geistes und damit auch seine geschichtliche Realität liegt in seiner Kommunizierbarkeit über die Jahrhunderte hinweg beschlossen, und im Grunde ist in dieser Sphäre niemand endgültig tot, bevor nicht das Ende aller Dinge gekommen ist. Auch das Ideelle ist wirklich, und wirklich ist es gewiß im Reflex seiner Idealität, denn wie könnte es ohne sie wirklich werden. Aber wirklich wird es eben nur durch den menschlichen Rapport, den es auslöst, und dieses letztere allein hat der Historiker zu registrieren. Für den tätigen und produktiven Umgang mit „dem Ideellen" besizt er kein Monopol — sollte ihm da eine Tat gelingen, umso besser — und er hat lediglich darauf zu achten, inwiefern geschichtliche Wirklichkeit in jenem Umgang Gestalt gewinnt. Ohne das Christentum wären die alttestamentlichen Propheten ein israelitisch-jüdisches Binnenphänomen, als solches allerdings auch noch gewaltig genug, denn auch ohne jenes wäre das Judentum eine weltgeschichtliche Potenz. Aber hätte die jüdische Geschichte mit der babylonischen Gefangenschaft ihr Ende gefunden, wie dies vier Generationen früher mit der israelitischen geschah, dann wären wir schon deshalb aller Skrupel über die weltgeschichtliche Bedeutung der Propheten enthoben, weil schwerlich von ihnen heute nodi jemand etwas wüßte. Doch auch den Fall gesetzt, durch eine wunderbare Fügung wäre uns trotz eines endgültigen katastrophalen
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Ausganges die Geschichte der Juden bis zum Exil so gut bekannt, wie sie uns heute auf Grund des alttestamentlichen Kanons ist, selbst dann könnte der Uni Versalhistoriker nur ein „interessantes" Randphänomen der Weltgeschichte registrieren, es sei denn, dieses Prophetentum wäre anderswo durch, einen Wiedererweckungsvorgang religionsgeschichtlich in säkularer Weise zum Tragen gekommen. Aber ohne solche Weiterungen könnte das Phänomen, abgesehen von seiner sachadäquaten Einordnung in den historischen Kontext, allenfalls kraft seiner Singularität einen Beitrag zur geschichtlichanthropologischen „Bildung" des Historikers leisten und auf Grund der sachlichen Relevanz dem historischen Erkenntnisorganon zu einer erhöhten Tiefenempfindlichkeit verhelfen, das heißt dazu beitragen, daß andere religionshistorische Phänomene der Weltgeschichte „besser" erkannt würden. Ginge man in dieser Richtung jedoch weiter und würde man sich allein auf das, was im historischen und weltgeschichtlichen Rahmen zur „Erkenntnisfähigkeit" dieser Art beitrüge, einstellen, hätte man wohl sehr bald die Grenzen geschichtlicher Betrachtung überschritten und geriete dann in den Bannkreis einer rein „idealen" Untersuchung, bei der es weniger auf den Grad historisdier Wirklichkeit ankäme als auf die sachlichen „Gehalte", d . h . „wesenhafteDenkbarkeiten" oder wie auch immer man die abstrakte Figuration religiöser Vorstellungen benennen mag und unter welcher Flagge auch immer sie segelt (sei es in diesem Falle unter der der Religionsphilosophie, der Religionstheorie, der Religionsphänomenologie oder einfach der Theologie). Im Prinzip ist auch an dieser Stelle niclit zu übersehen, daß die „Weltgeschichte" bei strenger methodischer Besinnung keineswegs eine Universalwissensdiaft ist und im Kosmos auch unserer Menschlichkeit sehr vieles sich befindet, für das sie keine primäre Zuständigkeit beanspruchen kann. Wie jede Wissenschaft hat sie nicht nur ihre Grenzen, sondern geht audi an den Kontakten, die sich an diesen Grenzen bilden, sofern sie richtig fruchtbar gemacht werden, in neue Formen der Erkenntnis über. Wenn die Methode der Weltgeschichte auf „Welthaftigkeit" abgestimmt ist und sie dieselbe im Bereich der Geschichte ans Licht zu
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bringen hat, dann nimmt sie diese Funktion allerdings nicht nur bei der Festlegung der großen weltgeschichtlichen Subjekte, das heißt der vier Weltzivilisationen, wahr, sondern hat sich die gleiche Aufgabe auch bei der Analyse und Disposition der einzelnen Geschichtszusammenhänge, also bei der gerade in Rede stehenden Zivilisation, zu stellen. Die Arbeit, die hier zu leisten ist, darf wahrscheinlich als das Zentralstück weltgeschichtlicher Forschung gelten und dürfte im Vergleich zu den anderen Geschäften, die diese Aufgabe mit sich bringt, den höchsten wissenschaftlichen Aufwand nötig machen. Hier ist es nicht mehr damit getan, daß von ein paar elementaren Tatsachen (wie dem Alter und der Ausdehnung der betreffenden Hochkulturen) einfach Notiz genommen wird. Vielmehr wird eine subtile und zugleich souveräne Kenntnis der Geschichte im einzelnen verlangt. An sich wäre die generelle Einstellung der welthistorischen Frage nicht einmal sehr schwierig. Sie ließe sich auf die einfädle Formel bringen: Was hat jeweils dem betreffenden Kulturkreis, d. h. der gesamten Geschichte, die er umfaßt, zu einer welthistorischen Bedeutung, genauer zu einer Expansion und Lebensfähigkeit, verholf en. Die Antwort hierauf bedeutet jedoch eine anspruchsvolle Aufgabe und ist nur zu geben, sofern einem die internen Verursachungen und Antriebe, wie sie sich längst aus dem klärenden Bemühen wissenschaftlicher Forschung ergeben, genau bekannt sind und man auf Grund eines solchen Wissens ungefähr anzugeben imstande ist, wo man innerhalb der bunten historischen Mannigfaltigkeit den Einstieg in das spezifisch welthistorische Problem zu suchen hat. Aber sofern man auch die betreffenden Stellen angeben kann und sie audi halbwegs zureichend in ihrer kausalen Bedeutung zu exponieren versteht, so hat man damit noch längst nicht dem Vorhaben genügt. Nur der Anfang der Untersuchung ist geleistet. Sie setzt sich jedoch fort in der Reflexion über alle die vielen sekundären Umstände, ohne welche die jeweiligen Brennpunkte gar nicht zugänglich wären. Der moderne Historiker, durch und durch mit geschichtlicher Anschauung durchtränkt, ist leicht geneigt zu vergessen, welchen umliegenden Wissens es bedarf, um nur ein einziges punktuelles Ereig-
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nis wie etwa die Schlacht bei Cannae halbwegs adäquat zu begreifen. Was ist die Schlacht bei Cannae ohne die Kenntnis der bis dahin verlaufenen römischen Geschichte und ihrer verschiedenen Phasen? Wie kann man von ihr sprechen, ohne audi die spätere historische Entwicklung zu kennen? Ohne Einblick in den Aufbau der römischen Herrschaft in Italien ist Cannae ein blinder Fleck, und blind ist er auch ohne die Vergegenwärtigung der ganzen karthagischen Geschichte und insbesondere der frühen römisch-karthagischen Beziehungen. Wenn dies nun schon so bei einem relativ bequem auffaßbaren Datum einer Schlacht ist, dann liegen naturgemäß die Verhältnisse bei komplexeren Phänomenen noch viel komplizierter. Die Schlacht von Cannae lehrt ferner, allerdings e contrario, daß zu den wichtigsten historischen und daher auch weltgeschichtlichen Einstiegen der plastische Zustand und die plastische Situation in der Geschichte gehören. In ihnen gerinnt auf der einen Seite durch energischen Zugriff eine feste sozial-politische Gestalt, welche mitunter nur unter den gegebenen Umständen entstehen kann, auf der anderen Seite, wenn es mehr auf das Pragmatische ankommt, etwa im Verhältnis mehrerer Staaten untereinander, werden Weichen gestellt, welche die Ordnungen ganzer weltgeschichtlicher Epochen bestimmen. Wenn Byzanz und Herakleios gegen die Perser nicht ausgehalten hätten, wäre gar nicht auszudenken, wie die Geschichte des ganzen östlichen Mittelmeeres im Mittelalter ausgesehen hätte. Es gibt Augenblicke, in denen die Geschichte und damit auch die Weltgeschichte sich in einem beinahe absoluten Maße individualisiert und Äonen auf des Messers Schneide stehen, eine Einsicht, der sich dogmatische Kultur- und Sozialhistoriker immer wieder versperren. Doch auch bei solchen „fruchtbaren" Momenten der Geschichte ist eine fundierte Aussage nur möglich, wenn man die Augen zugleich auf das größere Ganze richtet und innerhalb von ihm die Stellung jenes Momentes bestimmt. Es wäre sicher zu weit gegangen, in jedem historischen Ereignis einen Bezugspunkt für die gesamte Geschichte zu sehen, aber ganz gewiß sind die wirklich relevanten Fakten zwar nicht in einem pedantischen Sinn mit „allem"
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verknüpft, doch weisen sie auf jeden Fall weit über sich hinaus und können an entfernten Ecken zum Leben erweckt werden, da, wo der ahnungslose Blick auch nicht eine Andeutung erspäht. Gesetzt den Fall, wir wüßten bei einer Geschichte, worauf es „weltgeschichtlich" im einzelnen ankommt, dann wäre also mit diesem Wissen zusammen zum Zwecke der Exposition dieses Einzelnen und Wesentlichen zugleich die Notwendigkeit gegeben, nicht nur seine Kontaktstellen mit dem Gesamtvolumen der Geschichte zu bezeichnen, sondern diese Kontaktstellen selbst wiederum nach der ihnen unabhängig von dieser Lokalisation zukommenden Funktion im Rahmen der allgemeinen Geschichte zu bestimmen. Der weltgeschichtliche Durchblick stellt sich immer nur ein, wenn das betreffende Faktum zuerst einmal in seiner „natürlichen Ordnung" apperziert ist. Mit anderen Worten, um in der Geschichte eine spezifische Angabe zu machen, muß ich eben immer ein Vielfaches von ihr subsidiär heranziehen. Gewöhnlich wird man bei der wissenschaftlichen Routine diesen Sachverhalt gar nicht oder nur selten bemerken, weil man sich an ein Publikum wendet, mit dem man sich über die subsidiären Mitteilungen sehr schnell verständigt und angesichts dessen voraussetzbarer Unterrichtung man sich mit Andeutungen begnügen kann. Wer dagegen Geschichte erzählt und darstellt, wird viel eher zum Bewußtsein dieser geschichtslogischen Sachlage geführt und muß genau kalkulieren, welche Daten er alle benötigt, um dieses oder jenes klar zu machen und unter einem bestimmten Gesichtspunkt eine konkrete Vorstellung von einem Stück Geschichte zu vermitteln. Einer „Weltgeschichte" geht es hierbei nicht anders wie jeder anderen „Geschichte". Die Absicht, die weltgeschichtlichen Seiten einer geschichtlichen Einheit (sei es von Europa, der islamischen Welt usw.) herauszubringen und mitzuteilen, führt von selbst zur Evidenz aller der Fakten, die zur Erhellung der hier spezifischen Phänomene herangezogen werden müssen. Sie geben sich bei einiger Umsicht und vor allem, wie schon gesagt, bei souveräner Beherrschung des Stoffes mit Hilfe eines gezielten Nachdenkens an die Hand. Vor allem wird nur dann auch klar, was bei einer Weltgeschichte alles fortgelassen
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werden kann und fortgelassen werden muß. Das wäre eben Aufgabe einer besonderen „weltgeschichtlichen" Abstraktion. Eine "Weltgeschichte, welche sich von dem methodischen Bewußtsein, nur Weltgeschichte sein zu wollen, leiten läßt und auf jegliche enzyklopädische Rücksicht verzichtet bzw. zu verzichten sich erlauben darf (unsere gängigen Weltgeschichten genießen aus begreiflichen Gründen, da sie sich auch an gewissen konventionellen Erwartungen des Lesers orientieren müssen, diese Freiheit gewöhnlich nicht) darf in der anderen Richtung wieder vieles sich versagen, was beispielsweise für eine „Nationalgeschichte" unentbehrlich wäre. Solche scheinbaren Lücken dürfen ebenso wie die Hervorhebung besonders bedeutsamer Momente als Ausweis der eigenen wissenschaftlichen Dignität gelten. Man kann also sagen: Historische Erzählung enthält die Logik der Sadie (d. h. der Geschichte), und solange das „Erzählen" ein wenigstens praktisch gelöstes Problem ist, darf man darauf vertrauen, daß sich die Sachbezüge ihrer Notwendigkeit entsprechend ordnen. Die Methode einer „Weltgeschichte" darf deshalb als gesichert gelten, soweit sie imstande ist, bewährtem „Erzählungsmuster" zu folgen. Das ist zweifellos auch sehr oft der Fall. Aber es müssen bei der Weltgeschichte ebenso Situationen bedacht werden, in denen man nicht per analogiam verfahren kann. Schon die historische Darstellung einer polyzentrischen Einheit wie des antiken Griechenlands oder des mittelalterlichen und modernen Europa kann Schwierigkeiten bereiten. In der Antike kommen sie aus verschiedenen Gründen (u. a. weil wir über die Staaten außerhalb Athens und Spartas in archaisch und klassischer Zeit zu wenig wissen, als daß die einheitlichen Linien durch sie gestört werden könnten) nicht zum Zuge. Aber die einheitliche Konzeption etwa einer Geschichte Europas würde, wenn sie ernst genommen und von einem einzelnen Mann durchgeführt wird (wie etwa in Hans Delbrücks „Weltgeschichte") doch einiges Kopfzerbrechen verursachen, sobald man wirklich die Aufgabe aufs Korn nähme, keine zusammengeleimte Geschichte (die bekannte Buchbindersynthese durch Addition von Staatengeschichten) zu liefern, sondern
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ein integrales Ganze zu erzielen. Trotzdem würde die gemeinsame soziale und geistig-religiöse Basis Europas einerseits und die unzähligen Interferenzen zwischen den europäischen Staaten und Völkern andererseits wohl genug Material und Gesichtspunkte an die Hand geben, um in der Vielfalt die Einheit erkennen zu lassen und selbst die äußeren Aktionen einigermaßen für das Ganze plausibel zu zentrieren. Eine Geschichte Europas und entsprechend eine des Islams und Indien oder China dürften als a priori lösbare Aufgaben gelten, auch dann wenn sie es a posteriori noch nicht sein sollten. Wie sollte es aber zugehen, wenn alle vier geschichtlichen Weltabläufe zu einer einzigen zusammenträten? Hier fehlt der gemeinsame Hintergrund und hier sind die Interferenzen bekanntlich sehr spärlich. Das Gelände einer synoptischen Geschichtsschreibung ist in dieser Hinsicht noch gar nicht erforscht. Α priori vermag man nur ein mehr oder weniger abstraktes Postulat aufzustellen, und a posteriori fehlen alle Erfahrungen. Es wäre deshalb purer Dilettantismus, hier mit irgendwelchen gutgemeinten Ratschlägen aufzuwarten. Man muß vielmehr ehrlicherweise gestehen: Wenn auch die theoretische Möglichkeit einer Weltgeschichte noch so einleuchtend vorgestellt wird, in praxi stehen wir methodisch vor einem Experiment, das erst seiner Durchführung harrt. Mit Kant werden wir uns gewiß nicht durch die Disgression von Theorie und Praxis entmutigen und uns von der Verbindlichkeit der Theorie für die Praxis auch nidits abhandeln lassen. Aber theoretische Durchsichtigkeit impliziert noch nicht den praktischen Weg, und wenn auch theoretisch feststehen sollte, daß er sich finden lassen muß, die Bemühung, ihn zu finden, bleibt einem nicht erspart. Wenn irgendwo, dann führen hier wahrscheinlich verschiedene Wege nach Rom, zumindesten müßten verschiedene Wege ausprobiert werden. Aber das ist nun wirklich Sache der materiellen Forschung. Der „Weltgeschichte als Methode" entspricht, sofern es sie überhaupt gibt, daß sie in der Theorie einhellig zu sein hat, da nämlich, wo sie die Möglichkeit ihrer selbst klärt, es entspricht ihr jedoch ebenso, daß sie in praxi von den empirischen Einsichten des jeweiligen Sachgebietes
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abhängig ist. Diese in Bewegung zu setzen und in Richtung auf eine weltgeschichtliche Konzeption weiterzutreiben bedeutet nicht nur ein einziges, sondern viele Experimente, und jedes müßte jeweils sich einem eigenen Verfahren anvertrauen. Als verbindlich können beide, weltgesdiichtliche Theorie und Methode, nur solange gelten, als Welt und Geschichte an sich bedacht werden. Nur für dieses Stadium der Überlegung ist eine „Theorie der Weltgeschichte" zuständig.
3. Max Weber und das Problem der Universalgeschichte I. Soziologie und Geschichte — II. Die beiden Grundformen des historischen Wissens — III. Max Weber und der Historismus — IV. Der Idealtypus — V. Der Idealtypus und die Weltgeschichte — VI. Max Weber als Historiker.
I. Max Weber als Universalhistoriker zu begreifen ist gleichbedeutend damit, sich seine Bedeutung für die Geschichtswissenschaft überhaupt zu vergegenwärtigen. Sofern Max Weber sich mit Geschichte zu schaffen macht — und wo täte er dies nicht? —, ist ihm dieselbe niemals in die feste Gestalt gegossen, die einer bestimmten Tradition entspräche, sei dieselbe nun eine nationale oder auch, darüber hinausgehend, eine gesamteuropäische. Man kann auch nicht einmal sagen, daß seinem Geschichtsbegriff, und zwar schon alleine auf seinen äußeren Umfang hin besehen, der herkömmliche unserer sogenannten „Weltgeschichte" zu Grunde liegt. Läßt man einen solchen überhaupt noch gelten — dies ist bekanntlich keineswegs zweifelfrei — und bezöge man sich dann auf das geläufige Schema, wie es Hegel materiell aus der Aufklärungsgeschichtsschreibung herausentwickelt und an Ranke und die meisten anderen, die im 19. Jahrhundert noch „Weltgeschichte" schrieben, weitergegeben hat, dann hat Max Weber evidenterweise mit solcher Uberlieferung so gut wie nichts zu tun. Weltgeschichte, von vorneherein auf die Geschichte Europas festgelegt und lediglich mit der antiken und orien4
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talischen Geschichte als Vorspann ausgestattet, dürfte genau der Begriff sein, dem Max Weber jegliche Verbindlichkeit abgesprochen hätte. Wenn Max Weber hier via negationis eine sehr klare Stellung einnimmt, so fällt ihm dies dadurch verhältnismäßig leicht, daß er niemals beansprucht, „Historiker" im zünftigen Fachsinn zu sein. Max Weber verstand sich, spätestens seit seinem Rücktritt vom akademischen Lehramt, bekanntlich einem nationalökonomischen, als Soziologe, und wenn auch dieser Begriff zu seiner Zeit alles andere als eindeutig war (er ist es im Grunde ja heute auch noch nicht) und dies keiner besser als Max Weber selbst wußte, so war ihm doch völlig sicher, daß Soziologie keineswegs mit Geschichte zusammenfiel und im Gegenteil ihr gegenüber einen eigenen Ansatz beanspruchte. Umgekehrt war Max Weber erst recht davon überzeugt, daß Soziologie ohne Geschichte ganz undenkbar war. Es wäre ihm unvorstellbar gewesen, die Phänomene der Soziologie außerhalb der Geschichte, auf einem eigenen planen Feld, zu suchen und den Menschen im Zeichen der Soziologie aus einem Bezugssystem bestimmter Verhaltensweisen und Gruppen heraus zu definieren. Ein derartiger ahistorischer Formalismus lag ihm fern, wenn er auch subjektiv vielleicht ihn nicht einmal als Antipoden empfand (wie seine Hochschätzung Simmeis vermuten läßt). Aber Max Weber hätte auch nicht die naive Beschränkung des Gesichtsfeldes auf einen bestimmten aktuellen Gesellschaftsbegriff akzeptiert und Soziologie demjenigen Gesellschaftsbegriff ausschließlich zugeordnet, der sich im liberalen Rechtsstaat als eine besondere und in eigentümlicher Weise faßbare, das heißt von den objektiven Institutionen des Staates absetzbare Größe erkennen läßt. Nein: gerade darin, daß Max Weber die entweder theoretisch verfälschte oder pragmatisch motivierte Identifikation mit dem Gesellschaftszustand der Gegenwart nicht vollzieht, ist sein Zug zur Universalität innerhalb der Soziologie angelegt, und indem er hiermit die Beschränkung der Geschichte auf einen ihrer Ausschnitte sprengt und damit
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zwangsläufig den Prospekt auf ihr „Ganzes" freigibt, oder vielleicht genauer: sich auf den Standpunkt prinzipieller Offenheit gegenüber jedem auf der geschichtlichen Bühne auftretenden Phänomen stellt, statuiert er sowohl einen umfassenden Begriff von Soziologie, wie ebenso, als Voraussetzung von ihm, einen unbegrenzten Begriff von Geschichte. Indem Max Weber von vorneherein über die historisch bedingte „soziale" Sphäre, wie sie der liberale Rechtsstaat gleichsam ausgespart darbietet und sie sich dadurch als scheinbar selbständig konstituiert, hinausschreitet, stellt er sich nich nur auf die zeitweiligen statutarischen Prämissen eines solchen Zustandes ein, sondern ergreift zugleich jegliche, in der Geschichte vorkommende Ordnung des sozialen Lebens, auch wenn sie keine quasi „selbständige Gesellschaft" kennt, als mögliches und notwendiges Objekt soziologischer Betrachtung. Das heißt aber praktisch, das Material der Soziologie, wo und wann auch immer es sich darbietet, aufzusuchen und ihm damit den Charakter einer zeit- und räumlichen Ubiquität zu verleihen. Ein solches Unterfangen wiederum ist nur denkbar, wenn die notwendigen Phänomene historisch vermittelt werden, vermittelt in dem doppelten Sinn, daß sie einmal geschichtliche Realität beanspruchen können, andererseits historischer Apperzeption zugänglich sind. Max Webers universale Soziologie setzt also die grundsätzliche Verfügbarkeit der Geschichte, genauer jeglicher Geschichte, voraus. Dieser Umstand charakterisiert nun freilich seine Soziologie nicht weniger als die Geschichte, welche jene impliziert, und Max Weber zur Geschichte in Beziehung setzen beinhaltet deshalb zugleich einen bestimmten Begriff von Geschichte, der keineswegs selbstverständlich ist und den Max Weber sowohl dem Stand der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft entnahm als auch selbst, in ihren Zusammenhang sich einordnend, nachdrücklichst ausprägte. Es ist die Geschichte im Aggregatzustand absolut zu denkender Verfügbarkeit oder auch die Geschichte eines zu Ende gedachten „Historismus". 4·
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II. Als solche, das heißt in der eben angegebenen Weise, ist Geschichte weder genetisch, noch „logisch" ursprünglich gegeben. Geschichte wird vielmehr in ihrer „Urform" als kollektive Erinnerung erfahren. Wie Erinnerung ein reflexiver Vorgang ist und immer ein Subjekt fordert, das sich erinnert und in der Erinnerung zeitliche Daten auf sich selbst zurückwendet, das heißt dieselben im Verhältnis zum eigenen Selbst vergegenwärtigt und daher mit dem sogenannten „Gegenstand" der Geschichte, bzw. dem geschiditlidien „Gegenstand", immer audi zugleich sich seiner selbst vergewissert, so ist kollektive Erinnerung entsprechend stets auf ein Subjekt, das sie hat, bezogen und kann infolgedessen immer nur von solchen Dingen handeln, die dieses Subjekt angehen. Geschichte ist so eine Form der Vergewisserung des Menschen, nämlich der Vergewisserung seines in der Zeit verlaufenden und als solchen bewußten Seins, und bezogen auf diese, auch schon dem Individuum zukommende Bestimmung, soweit sie die überpersönlichen Einheiten mensehlidien Handelns und menschlicher Zuständigkeit betrifft. Im einzelnen nimmt Geschichte in diesem Sinne sehr verschiedene Formen an. Am bequemsten lassen sie sich mit der bekannten Einteilung Nietzsches in antiquarische, monumentale und kritische Geschichte exemplifizieren. Sie bezeichnen alle irgendeine Form des geschichtlichen Selbstbewußtseins. Geschichte als Erinnerung, akzentuiert und strukturiert durch die Erfahrungen eines kollektiven Bewußtseins und dadurch Wirklichkeit dem Strom des Vergessens entreißend, vermag freilich auch über den Kreis des ursprünglich Gewußten und Wißbaren hinauszugreifen, denn es verträgt sich nicht mit der Kontinuität der Erinnerung, daß dieselbe unterbrochen und mit weißen Flecken ausgefüllt wird. Die Erinnerung gibt audi als Wissen aus, was sie einmal aus occasionellen Gründen gar nicht wissen kann (wenn die Kunde etwa Lücken hat) und was andererseits ihr prinzipiell ver-
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borgen sein müßte, schon deshalb etwa, weil es zu der betreffenden Zeit Zeugen der Erinnerung noch gar nicht geben konnte. So ist zumeist jeder „Anfang", für das Gefüge des zu erinnernden Zusammenhangs ganz unentbehrlich, das Werk einer ein- oder anfügenden Konstruktion und hat, geprüft auf ihre Verifikation, den Charakter einer, wenn vielleicht auch notwendigen Ergänzung. In Wirklichkeit kann die Erinnerung von ihm nichts berichten, aber gestellt von dem Erinnerungsbedürfnis muß sie über ihn Auskunft geben, denn über kaum etwas bedarf der Mensch mehr Aufklärung als über seine Herkunft. Erinnerung geht deshalb ohne Naht an dieser Stelle in Offenbarung über und wird zur Künderin von Kosmogonien und Kulturentstehungsmythen. Je nach der geistigen Verfassung des Erinnerungsträgers kann solches Wissen religionsimmanent sein und gegebenenfalls, nämlich dann, wenn es in „heiligen Schriften" aufgefangen wird, theologischen Charakter und damit sanktionierte Verbindlichkeit erhalten. Die „Ursprünge" haben dann dogmatische Gewißheit, bequem abzulesen etwa der biblischen Fundierung jeglicher christlichen Universalgeschichte. Aber die Zurückführung der Geschichte auf „Offenbarung" vermag noch einen anderen „Vorteil" zu erbringen. Sie erhellt nicht nur das Dunkel der verdeckten Vergangenheit, sondern auch das der unerforschbaren Zukunft. Als deren Enthüllerin rückt sie leicht an die Seite der Prophetie, welcher diese Aufgabe anvertraut ist, und so vermag Erinnerung sich mit Elementen aufzuladen, welche ihrem logischen Wesen im Grunde fremd sind, und damit sich unter Umständen zu einem Wissen über den ganzen Menschen zu erheben, jedenfalls wenn man unter einem solchen die Auskunft darüber versteht, von woher er kommt und wohin er geht. „Erinnerung" weiß nun einmal mehr als sie wissen dürfte, und sie tut dies gewiß auch dann, wenn sie nicht gerade von einer Offenbarungsreligion eingefangen wird. Sie hat eine Affinität zur Dichtung, vor allem zur dichterischen Erfindung, und es ist kein Zufall, daß die epischen Sänger die ersten „Historiker" waren und auch später das Finden der geschichtlichen Wahrheit sich gerne in der Form eines imaginativen Auffindens abspielt (man denke an die
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meisten Traditionen der Frühzeit). Die Geschichte des Abendlandes ist bekanntlich von recht heterogener Kunde gespeist worden, aber ungeachtet ihrer Unterschiede stimmen die verschiedenen Ströme doch darin überein, daß sie den Stempel solcher urtümlicher Erinnerungsbildung allesamt nicht verleugnen und bis ins 18. Jahrhundert auch unbedenklich bewahren. Selbst die Ablösung der diristlichen Weltgeschichtsschematik durch eine profane, aufgeklärte konnte bekanntlich audi nicht stattfinden, ohne daß sie sich in einem Säkularisationsvorgang vollzog und wesentliche Ingredienzien des christlichen Geschichtsglaubens in das weltliche Wissen übernahm. Die Geschichte im Zustand der Erinnerung wird nun durch die moderne Geschichtswissenschaft seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts einer gründlichen Modifikation unterzogen, welche in ihren Konsequenzen sie zwar nicht gerade beseitigte, aber sie doch in ihrem Wahrheitsanspruch prinzipiell in Frage stellte. Hierzu haben die neuen Methoden heuristischer Kritik und überhaupt die skeptische Einstellung zu jeglicher bloßen, nidxt durch Urkunden abgestützten Überlieferung mit beigetragen. Entscheidend wurde jedoch die am eigenen Leib gemachte Erfahrung, daß der Mensch von der Geschichte mehr zu fassen bekommt als er für seine Vitalbedürfnisse benötigt. Das geschichtliche Organon, in seiner Fruchtbarkeit bislang unerkannt, produziert nun auf einmal mehr geschichtliche Vorstellungen und gelangt zu profunderen Einblicken als die zweieinhalb Jahrtausende abendländischer Geschichtsschreibung zuvor. Die Geschichte, der man noch im 18. Jahrhundert (im akademischen Unterricht) abverlangte, daß sie systematisch betrieben würde, wird jetzt offen und damit beliebig, ungeschützt gegenüber jeder Erkenntnis, die sich methodisch rechtfertigen kann. In ihrer Mannigfaltigkeit und Unberechenbarkeit springt sie auf, wo und wann der menschliche Geist sie berührt. Wo es so zugeht — dies ist beileibe nicht überall, das heißt bei jeder Materie, der Fall — und wo der Zauberstab einer ausgreifenden Imagination bisher Unverstandenes und Totes zum Leben erweckt, da ist die Geschichte aus der Erinnerung entlassen und büßt demzufolge ihren reflexiven Charakter ein. Sie existiert nicht mehr aus der Erinnerung und gehorcht ihr
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infolgedessen nicht mehr. Andere Götter sind an ihre Stelle getreten. Es ist nicht leicht, sie zu bezeichnen. Jedenfalls befindet sich unter ihnen die forschende Neugier und diese ist nicht wie die Erinnerung an die Position eines bestimmten Subjekts gebunden, wenigstens nicht essentiell. Sie läßt sich zwar, und dies gar nicht selten, durch ein Erinnerungsimpuls in Gang setzen, aber sie gehorcht ihm dann nicht bzw. hält ein solches Gehorchen für illegitim. Geschichte als spontanes Wissen kann letztlich nicht auf konkrete Subjekte und Situationen fixiert sein, sondern muß den Anspruch erheben, überall verstanden zu werden. Gerade daß sie als solche überall aufgehen kann, ganz gleichgültig, wo und wie, verschafft ihr allgemeine Zugänglichkeit. Umgekehrt wird die Erfahrung dieser Zugänglichkeit zum Ansporn für das geschichtliche Wissen, indem es zum Suchen genötigt wird, wo kein Auftraggeber den Befehl erteilt. Die hierbei sich einstellende Heterogenität und Pluralität der geschichtlichen Erscheinungen fordern einen weiten Prospekt. Die Weltgeschichte als geschlossener Sinnzusammenhang bietet ihn nicht mehr und muß deshalb weichen. Sofern sie unter diesem Namen noch auftritt, bedeutet das kaum mehr als ein traditionelles Aushängeschild, gewiß aber keinen echten Anspruch. Anspruch ist allein der Erkenntnisanspruch gegenüber jedem historischen Objekt und „möglich" ist jedes beliebige historische Phänomen. Diese Souveränität besitzt selbstverständlich die Erinnerung nicht. Sie kann sich ihre „Gegenstände" nicht einfach wählen. Vielmehr ist sie auf sie abgestimmt, oder besser umgekehrt: dieselben existieren überhaupt nur, sofern sie einer vorausgehenden Einstellung der Erinnerung entsprechen. Erinnertes und Erinnerung sind reziprok aufeinander bezogen, keines kann ohne das andere sein. Nun gilt dies gewiß nicht weniger von der Erkenntnis und ihrem Objekt, aber da ist das Verhältnis ein reflektierendes, d. h. nur in der Reflexion zutage tretendes, während es sich in der Erinnerung als phänomenal ausweist und in der Erinnerungsintention deshalb notwendig auffindbar ist. Dagegen ist phänomenal die Erkenntnis durch das gerade Gegenteil charakterisiert: jegliches Objekt wird als subjektunabhängig, als „reines Faktum", als „bloße
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Erscheinung" erfahren. Die Geschichte als Objekt der Erkenntnis erhält keine Verbindlichkeit aus irgendwelchen Subjektspositionen, sondern wenn sie eine enthält, ist es die Verbindlichkeit der Realität und des durch sie legitimierten Erkenntnisaktes (andernfalls wäre es keine „Erkenntnis"). Bei dem Ubergang von der Geschichte als Erinnerung zur Geschichte als Objekt wird jene in ihrer Eigenschaft, personales und konkretes Inventar konkreter Bedürfnisse zu sein, transzendiert und verwandelt sich dabei zum „Sein", oder besser zum „Gewesenen". Mit diesen Andeutungen soll die Uberführung des geschichtlichen Wissens in das Stadium des reinen Historismus charakterisiert sein, dies allerdings weniger in seinem faktischen Verlauf, als der in seinem Hintergrund stehenden logischen Entwicklung nach. Der Historismus reißt die geschichtliche Welt zu einem weiten, beinahe unendlichen Horizont auf und befreit den Menschen von dem Zwange jeglicher Notwendigkeit, mitunter auch einer metaphysischen, wie sie durch die feste Struktur der kollektiven Erinnerung über ihn verhängt wird. Auf der anderen Seite stößt der Historismus gewiß ins Leere und entzieht dem Menschen die Stütze einer als Lebensorientierung dienenden Erinnerung, überläßt ihn somit allein seiner eigenen Verantwortung. Die nicht geschlossene historische Zeit erfüllt sich durch ihre Öffnung mit unendlicher Vielfalt und bricht auseinander in einen Pluralismus von autonomen Wesenheiten. Die geschichtliche Welt wird so anscheinend zu einem Reich der Anarchie und des bloßen Zufalls und bietet das Bild eines Chaos.
III. Max Weber tritt genau zu dem Zeitpunkt auf den Plan, als der so verstandene Historismus in seinen Zenith zu stehen kommt, in dem zu Ende gehenden neunzehnten Jahrhundert und den wenigen Jahren des zwanzigsten vor dem Ersten Weltkrieg. Die geschichtliche Forschung konnte sich damals, in einer Phase neu ausbrechenden Fruchtbarkeit, voll bestätigt sehen, und mußte trotzdem die Erfah-
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rung verzeichnen, daß ihre wissenschaftliche Erkenntnisdignität durch die Erfolge der Naturwissenschaften in Frage gestellt wurden. Selbstbewußtsein und Unsicherheit trieb sie so in einem hervor, und der Höhepunkt geschichtlicher Studien verknüpfte sich unmittelbar mit ihrer Krise. Dies führte zu den sehr entgegengesetzten Reaktionen eines Einbruchs des philosophischen Positivismus in die Geschichtswissenschaft (in Deutschland vor allem in der Gestalt von Karl Lamprecht), das heißt dem (vergeblichen) Versuch, die geschichtliche Erkenntnis den Kategorien naturwissenschaftlicher Gesetzlichkeit zu unterwerfen, und auf der anderen Seite, teilweise in Reaktion auf diese Tendenz, zu einer methodischen Besinnung der Geschichte in einer Rückwendung zu sich selbst (im südwestdeutschen Neukantianismus und in der Person Wilhelm Diltheys). Es darf nun wohl als für Max Weber charakteristisch gelten, daß ungeachtet der nahen Verwandtschaft, welche zwischen dem Positivismus als Ursprung der europäischen Soziologie und jenem historischen Ableger in der Nomothetisierung der Geschichte bestand, er sich nicht nur dieser positivistischen Tendenz versagte, sondern sich ausdrücklich auf die Gegenseite stellte und neben Rickert und Windelband Posten faßte. Bekanntlich läßt sich Max Weber ohne Mühe unter die Neukantianer einordnen und hat er in dieser Figuration auch schon mehr als eine Behandlung erfahren. Für seine wissenschaftsgeschichtliche Beurteilung ist freilich das Faktum seiner darin zum Ausdruck kommenden persönlichen Entscheidung bedeutsamer als die Interna seiner Ubereinstimmung mit dem und seiner Abweichung vom Neukantianismus. Max Weber war seiner ganzen geistigen Herkunft nach in solchem Maße Historiker, daß ihm die Option für eine positivistisch-soziologische Theorie der Geschichte wahrscheinlich von vorneherein absurd erschienen wäre und sich ihm schon aus diesem Grund die Parteinahme für Rickert beinahe von selbst anbot, zumal er auf diesem erkenntnistheoretischen Gebiet niemals für sich irgendwelche Eigenständigkeit beanspruchte und seine Aufgabe im Grunde nur darin sah, in den vorgegebenen neukantianischen Rahmen seine eigenen methodologischen Einsichten einzuordnen.
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Wahrscheinlich ist das nicht immer zu ihrem Nutzen ausgeschlagen, und gewiß hat Max Weber durch sein Bemühen, den Anschluß an die neukantische Erkenntnistheorie durchzuhalten, in manchem seine eigene wissenschaftstheoretische Stellung mehr verdunkelt als erhellt. Obendrein haben es reiche Naturen meistens mit der Erkenntnis ihrer selbst nicht leicht, und gelingt es den anderen aus einem gewissen Abstand besser, ihr Koordinatennetz zu bestimmen. In unserem Zusammenhang ist jedenfalls zu betonen, daß, wenn man Max Weber als Gesamterscheinung ins Auge faßt, er in einer Hinsicht absolut eindeutig ist: er stellt sich radikal auf den Boden des Historismus und weicht vor seinen Konsequenzen nicht nur nicht zurück, sondern zieht sie ganz bewußt bis ins Extrem aus. Dieses Extrem wird am sichtbarsten bezeichnet durch Max Webers Grundsatz von der „Wertfreiheit" jeglicher historischer Erkenntnis. Niemand hatte bislang den Mut und die Unvoreingenommenheit besessen, diese Wahrheit, welche an sich längst expliziert oder wenigstens in diese oder jene Grundsätze impliziert war (etwa in den der historischen „Objektivität"), so nackt auszusprechen. Max Weber kann sich diese Unverblümtheit gestatten, weil er damit nicht einem platten Naturalismus das Wort spricht. „Wertfreiheit" im Sinne Max Webers soll keineswegs heißen, daß es in der geschichtlichen Wirklichkeit keine Werte gäbe. Ganz im Gegenteil. Sie ist ja voll von ihnen besetzt, und Max Weber hätte blind gegen historische Realität sein müssen, wenn er dies bestritten hätte. Was er dagegen energisch bestreitet, ist die absolute Geltung der Werte, mit denen der Historiker umgeht. Sie werden wohl als Realität in der historischen Wirklichkeit angetroffen, sind dann aber nichts anderes als die auch sonst dort auffindbaren Erscheinungen, nämlich ein reines Faktum. Als solche sind sie mit den anderen Fakten dem geschichtlichen Wechsel unterworfen und damit wie vieles andere veränderlich und auswechselbar. Schon deshalb ist es für den Erkenntnisakt ausgeschlossen, daß er anders als von einem Objekt von irgendwelchem Wert Notiz nimmt, und ganz unmöglich muß es dann auch sein, daß sich das Erkenntnissubjekt mit einem Wert identifiziert und ihn zur Grundlage seines sachlichen, das heißt auf
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die historische Realität als Erkenntnisobjekt bezogenen Urteils macht. Max Weber hat bekanntlich diesem Standpunkt zur höchsten Aktualität verholfen, als er den Kategorien des Geschichtlichen auch die Gegenwart unterwarf. Die Verlängerung der Geschichte in die Gegenwart hinein war dabei logisch durdiaus konsequent, denn wenn man einmal die Vergangenheit zum Gewesenen transzendiert und auf die Ebene des schlechthin Zeitlichen projiziert, gibt es keinen vernünftigen Grund, das Zeitliche auch dann, wenn es uns nahe ist, nicht zu objektivieren und es nicht in erkennender Distanz zu apperzipieren. Es gehört im Gegenteil zu der kopernikanischen Wendung, die sich im Historismus vollzieht, die Gegenwart nicht minder als die Vergangenheit unter den gleichen Begriffen und mit der gleichen Anschaulichkeit sich zu vergegenwärtigen. Das moderne geschichtliche Bewußtsein hält sich täglich an diese Praxis und schöpft seine Elemente und seine Argumente aus Konzeptionen von geschichtlichem Geschehen, in denen Vergangenheit und Gegenwart zu einem Wesen von gleicher formaler Struktur verschmolzen sind. Als Max Weber diesen zentralen Wesenszug des Historismus sich und anderen zum Bewußtsein brachte, war es ihm freilich nur um ein Teilproblem zu tun, das ihm bei einem praktischen Anlaß, nämlich anläßlich der Auseinandersetzung mit der herrschenden historischen Schule der Nationalökonomie inklusive ihren kathedersozialistischen Ablegern, entgegentrat. Er löste bekanntlich mit seiner Parole von der „Wertfreiheit in den Sozialwissenschaften" einen erbitterten Kampf aus und attackierte die Selbstverständlichkeit, mit der seit Jahrzehnten in Deutschland von akademischen Kahedern herab höchst persönliche Werurteile als wissenschaftliche Erkenntnis verkündet wurden. Max Weber bestritt keineswegs das Recht zu Werturteilen und kann deshalb nicht im mindesten dahin mißverstanden werden, daß er die zeitgenössische Aktualität „wertfrei" gewünscht hätte. Aber unmöglich waren ihm das Fehlen des Bewußtseins, daß es sich hierbei immer um auf besondere Wertpositionen zurückzuführende Stellungnahmen handelt, und der Verzicht darauf, dieselben in einer Analyse von anderen, „wertfreien"
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Aussagen zu trennen. Für Max Weber ist es methodisch unerläßlich, alle diejenigen Elemente zu isolieren, welche sich noch „wertfrei" verstehen lassen bzw. welche, einmal kraft eines „Wertes" angesetzt, ihre eigene Logik entfalten. Er rührt hier an die Folgerichtigkeit jeglichen Handels von bestimmten Ansätzen aus, kurz an „die Logik des Handelns", und wäre der letzte, welcher die Vorgabe des Ansatzes als eines Wertes nicht erkannt hätte. Gerade aber um dieses Wertes gewahr zu werden bedarf es einer Zergliederung. Nur in möglichst reiner Abstraktion vermag man überhaupt seiner habhaft zu werden. Es gehört nicht nur zur sachgerechten Erkenntnis der Wirklichkeit, so zu verfahren, sondern auch die Selbstkontrolle des wissenschaftlichen Prozesses fordert jeweils eine Reflexion auf die Prämisse des eigenen und fremden Standpunktes. Ohne jenen wissen wir einfach über diesen nicht genug. Erst wenn wir in solch radikaler Form mit den im einzelnen Fall zu Grunde liegenden Werten konfrontiert werden, vermögen wir uns mit ihnen gegebenenfalls zu identifizieren, das heißt sie anzuerkennen oder sind imstande, sie abzulehnen. Diese Vergewisserung wird letztlich zur Aufgabe eines existenziellen Aktes, welcher nur in kritischer Weltprüfung erfolgen kann und um welchen sich herumzudrücken gewiß nicht Max Webers Sache gewesen wäre. Max Weber hat damit erkannt, daß wenn einmal die Welt als geschichtliche aufgefaßt wird und aufgefaßt werden muß, es bei der Analyse des Faktischen, mag es nun vergangen oder gegenwärtig sein, keine naive Wertvergewisserung geben kann, wie überhaupt jeder naiven Einsicht der Weg versperrt ist. Sowohl für Vergangenheit wie Gegenwart gilt sein Satz: „Die spezifische Funktion der Wissenschaft scheint mir gerade (umgekehrt), daß hier das konventionell Selbstverständliche zum Problem wird." Man hat hier wie so oft auch sonst den ganzen Max Weber zu bedenken und vor allem seine verschiedenen Äußerungen nach ihrem Gewicht, die sie für sein Wesen besitzen, miteinander zu verrechnen. Kein Zweifel, daß dann der Handelnde, das heißt der durch Erkenntnis Handelnde in der Gesamtheit seines Tuns, also in erster Linie bei seinen materialen Studien, wie schließlich bei sei-
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nen praktischen wissenschaftlichen Stellungnahmen, etwa beim Methodenstreit in der Nationalökonomie, im Vorrang unsere Aufmerksamkeit verdient und die akzessorischen Reflexionen, die er zur Abstützung seiner Erkenntnisabsichten anstellte, gesondert betrachtet werden müssen unter Einkalkulierung ihrer „ideengeschichtlichen" Abhängigkeit. Das geschieht im allgemeinen heute zu wenig und gerne wird daher die von Max Weber selbst vorgenommene Objektivierung seiner Wissensdiaft in der sogenannten „Wissenschaftslehre" 1 als die einzig relevante Bestimmung seiner wissenschaftsgeschichtlichen Position betrachtet. Zu Unrecht: Man verwechselt wohl hierbei (theoretische) scheinbare Zugänglichkeit mit sachlichem Gewicht und vergißt, daß eine ungebrochene Mitteilung von Max Webers geistiger Wirklichkeit nur aus dem Conspectus seines gesamten geistigen Wirkens zu gewinnen ist und eine ausschließliche Orientierung an den reflektierten Äußerungen der „Wissenschaftslehre" zwangsläufig die Dogmatisierung des Neukantianismus für Max Webers empirische Forschertätigkeit bedeuten würde, ein Verhältnis, welches bekanntlich die Dinge sowohl biographisch wie logisch auf den Kopf stellte. Natürlich kann und soll man Max Webers Aufsätze zur Wissenschaftslehre nicht ausklammern, aber für die Erkenntnis seiner wissenschaftlichen Methode wäre gewiß wichtiger, in ihnen den Spuren seines originalen Denkens nachzugehen und dieses weniger in der Verzahnung mit dem Neukantianismus zu sehen als, soweit es irgendwie geht, Max Weber von ihr zu befreien. In der „Wertlehre" liegen die Dinge nun so, daß in Max Webers Theorie ständig zwei ganz verschiedene Begriffe durcheinander geworfen werden, einmal der erkenntnistheoretische von Windelband/ Rickert, bei dem „Wert" so etwas wie Bezugspunkt geisteswissenschaftlich-historischer Erkenntnis zum Zwecke einer inneren Ordnung der Phänomene ist, zum anderen ein existenzieller Wertbegriff, der die praktische Stellungnahme des Menschen provoziert 1
Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Wissensdiaftslehre, Tübingen 1922, hinfort abgekürzt WL.
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und infolgedessen als materiales Element nicht nur im geschichtlichen Urteil über die Geschichte, sondern auch in ihr selbst als erfahrbarer Gegenstand erscheint. Es ist klar, daß der Max Weber der „Wertfreiheit", der sich leidenschaftlich für eine saubere Exposition des „Wertes" einsetzt, und sich ebenso leidenschaftlich gegen jede logische Konfusion von ihm mit den „wertfreien" Phänomenen wendet, allein auf den „Wert" der zweiten Art festzulegen ist. Gerade das aber kommt in der „Wissenschaftslehre" nicht in der wünschenswerten Klarheit heraus. Der Historismus als Ausgangspunkt Max Webers ist noch in anderer Richtung sichtbar. Erfahrbar, das heißt auch soziologisch erkennbar sind für Max Weber soziale Phänomene nur, wenn sie in ihrem konkreten, nach Zeit und Raum fixierten Dasein aufgefaßt werden. Es hat für Max Weber wenig Sinn, von Gruppen und Beziehungen an sich, in einer Allgemeinheit, welche von allen Umständen ihres Auftretens, wie denen ihrer inneren Konsistenz abstrahiert, zu sprechen. Max Weber hat richtig empfunden, daß auf diese Art gesellschaftliche Phänomene nicht nur aus ihrem realen Kontext herausgelöst, sondern zugleich entleert werden. Es ist vielmehr für ihn eine ausgemachte Sache, daß jede soziale Erscheinung so apperzipiert werden muß wie sie „ist", und daß dieses „Sein" sich wiederum nach dem ihr immanenten Sinn richtet und infolgedessen jegliches Gewahrwerden einer sozialen Erscheinung identisch ist mit dem „Verstehen" seines Sinnes. „Verstehen" und „Sinnhaftigkeit" sind also aufeinander bezogen, eines ist nicht ohne das andere denkbar, eine fundamentale Einsicht, die am Anfang auch jeder Historik zu stehen verdiente und die Max Weber zwar nicht deswegen zugänglich wurde, weil er sie dort gefunden hätte, sondern weil sie ihm im langen Umgang mit der Geschichte entgegengetreten war. Das historische Studium geht immer von dem konkret Einzelnen oder dem Individuellen (das keineswegs immer mit dem Personalen zusammenfällt) aus, und die Möglichkeit, sich von hier aus in Gang zu setzen, gewinnt es aus dem Verstehen dieses Einzelnen. In dieser Hinsicht kongruiert Max Weber mit Wilhelm Dilthey, ohne daß er von ihm nachweisbar beeinflußt wäre. Auch dieser läßt Psychologie
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für seine Bemühungen nur insoweit gelten, als sie den Sinn aus dem Seelenleben nicht entfernt und sich als „verstehende Psychologie" zur Verfügung stellt. Entsprechend muß für Max Weber Soziologie zur „verstehenden Soziologie" werden, um zur Erkenntnis fähig zu sein. Erkenntnis wird damit an den Gebrauch desjenigen Organons geknüpft, das vor allem dem Historiker zukommt und dessen Eigenart eben darin besteht, zu „verstehen" und damit die intelligible Welt sich aufzuschließen. Mit Nachdruck sagt deshalb Max Weber im ersten Satz von „Wirtschaft und Gesellschaft": „Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen will." Mit „verstehender Soziologie" formuliert Max Weber innerhalb der Soziologie einen besonderen Standpunkt. Er ist am bequemsten dahin definiert, daß von ihm aus der soziologischen Erkenntnis der Weg zur Geschichte gewiesen wird. Implizit wird aber damit auch von Max Weber eine Stellung innerhalb der Geschichte bzw. der geschichtlichen Theorie bezogen. Wenn Max Weber die sozialen Phänomene gegen den Verlust ihrer geschichtlichen Phänomenalität gegenüber der Soziologie in Schutz nimmt, so gilt dieses Patronat selbstverständlich auch dann, wenn innerhalb geschichtlicher Spekulation diese Phänomenalität bedroht wird. Es kann gar nicht anders sein, daß Max Weber sidi darin gegen jede naturalistische Depravierung der Geschichte ausspricht und damit gegen ihre Unterwerfung unter äußere Regelhaftigkeit und überhaupt gegen ihre heteronome Steuerung Front macht. Er mag in erster Linie an positivistische Fortschrittsvorstellungen und andere Muster dieser Herkunft gedacht haben, aber konsequenterweise muß seine Position sich auch gegen geschichtsphilosophische Konstruktion ganz anderer Art wenden. Zwischen der romantisch-organologischen Konzeption Spenglers etwa und Max Weber ist kaum eine Vermittlung denkbar, und im Grunde wäre auch Toynbee nur schwer in Max Webers Prospekt der Geschichte unterzubringen, allein schon deshalb, weil für Max Weber die Geschichte grundsätzlich offen ist und selbst die sparsame Begrenzung Toynbees auf bestimmte elementare Größen wohl kaum von ihm zugelassen wer-
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den könnte. Er, der von äußerstem Argwohn gegen die Gefahr jeder Hypostasierung erfüllt ist und nicht einmal die „Nation" als reales Agens gelten läßt, müßte von vorneherein „Kulturseele" oder gar „Rasse" für eine begriffliche Unmöglichkeit halten und würde vielleicht sogar schon in den Toynbee'schen Zivilisationsgesellschaften (civilizations) — freilidi zu Unrecht — eine unmotivierte Verfestigung einzelner Daten sehen. Max Weber ist auf diesem Gebiet besonders skeptisch, weil er auf seine Weise alles dransetzt, es bei dem Verstehen des Einzelphänomens nicht zu belassen. Dessen Konstatierung ist für ihn erst ein Anfang. Im Fortschreiten von ihm wird die Türe zu weiteren Prozeduren geöffnet. In vager Allgemeinheit charakterisiert bestehen sie im Aufeinanderbeziehen verstehbarer Daten zum Zwecke gegenseitiger Erhellung. Sind sie einmal „verstanden", dann müssen sie zugleich begriffen oder wie Max Weber sagt „erklärt" werden in ihrer Verursachung. Bekanntlich ist Max Weber ein Genie in der hierzu notwendigen präzisen Kombinatorik und in der Kunst, soziale Phänomene in ihrem Sinne, d. h. als tatsächliche historische Erscheinungen, transparent zu machen und ihnen, soweit es überhaupt geht, auf den Grund zu schauen. Eines der wichtigsten Vehikel in seinem Verfahren ist bekanntlich der „Idealtypus".
IV. Das Verständnis dieses auch für den „Historiker" Max Weber grundlegenden Begriffs hat er selbst leider erschwert durch die erkenntnistheoretischen-methodologischen Erörterungen, die er ihm widmet. Bei ihnen gefährdet Max Weber vor allem jede Klarheit durch die Vielfalt, in der er den Begriff des Idealtypus auftreten läßt. Diese nimmt ihm nicht nur jede Eindeutigkeit und Präzision, sondern verdunkelt dadurch unvermeidlich auch die Gestalt desjenigen Idealtypus, der für Max Webers Forschung wichtig und fruchtbar ist. Als keine echten Idealtypen müssen zum Beispiel durch histo-
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rische Synthesis gebildete geschichtliche Aktions- und Lebenseinheiten gelten, wie die christlichen Sekten (gemeint sind natürlich die für Max Weber so wichtigen protestantischen) (WL S. 190; 194), ebensowenig ein konkreter Begriff wie das Christentum des Mittelalters (WL S. 197). Etwas ganz anderes ist dann wiederum der von Max Weber in diesem Zusammenhang bemühte Begriff „Wesen des Christentums" (WL S. 197). Er ist ein ausgesprochener Normbegriff (was übrigens Max Weber keineswegs verkennt), bei dem stets zwischen den Konfessionen strittig sein wird, auf Grund welches historischen Materials die Norm legitimerweise gebildet wird. Ein normativer Begriff ist ferner die Schriftsprache, die bei Max Weber audi als denkbarer Idealtypus figuriert (WL S. 206), denn eine Schriftsprache ist immer Setzung und niemals Resultante sämtlicher Dialekte. Sogar die Marx'sche Gesellschaftstheorie läßt Max Weber als Idealtypus gelten (WL S. 203), obgleich sie nun wirklich einer ganz anderen Sphäre angehört und ihrem Realitätsgehalt, der allein sie hier rechtfertigen könnte, doch gerade Max Weber den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Und schließlich bildet er sogar den Begriff einer „idealtypischen Entwicklung", von der er selbst gar nicht überzeugt ist (WL S. 203). Die beiden letzten Beispiele zeigen, wie Max Weber zu der promiskuen Anwendung des Idealtypusbegriffes gelangt. Er läßt sich von seinem künstlichen, manipulatorischen Wesen dazu verleiten, sozusagen alles, was beim Umgang mit der Geschichte auf eine Art von Gedankenexperiment deutet, unter ihn zu subsumieren, selbst den ungezwungenen Gebrauch von relativ harmlosen Begriffen wie „Individualismus", „Imperialismus" oder gar das auch der Umgangssprache angehörende Wort „konventionell" (WL S. 393). Max Weber ist an dieser Seite des Idealtypusbegriffes außerordentlich stark interessiert, mit Recht, denn nichts wäre in der Tat verkehrter, als ihm eine sinnfällige Realität zuzuweisen. Nur ist es ein Irrtum, überall da, wo der Historiker sich nicht auf bloßes Erzählen und Beschreiben beschränkt, sondern mit den Tatsachen fragend und überlegend umgeht, nur deshalb, weil solches Verfahren auch beim Idealtypus eine Rolle spielt, ihn da als existent anzusetzen. 5
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Mit einer bestimmten Frage an eine „historische Entwicklung" herangehen, wie dies bei der Überlegung geschieht, ob die Kapitalakkumulation aus der Grundrente sich ergab, was unter einer bestimmten Voraussetzung, nämlich der Fixierung der Handwerksverfassung auf bloße Nahrungsfürsorge, zu erwarten war, und dann bei Nichteintreten dieser Erwartung die Prämisse zu korrigieren, bedeutet wohl die Zuhilfenahme einer Hypothese, aber keineswegs eines Idealtyps (WL S. 203). Dagegen hat Max Weber scharf gesehen, daß der Idealtyp, etwa der des Feudalismus, ganz anders gebaut ist, als der Gattungsbegriff. Unter diesen werden Erscheinungen subsumiert und gehen damit vollkommen in ihn ein. Setze ich eine Klasse weißer Hühner an, dann gehören eben alle weißen Hühner zu ihr, oder definiere ich Neger als schwarzhäutig, dann dürfte es nicht schwer fallen, die entsprechenden Exemplare unter diesem Kennzeichen zu vereinigen. Linne hat nun gezeigt, daß die Zoologie sich in einem erheblichen Maße solchem Ordungsschema anpaßt. Max Weber ist auch nicht entgangen, daß ebenfalls in der human-geschichtlichen Welt ihm ein gewisser Raum gegönnt wird (wenn er auch fälschlich zu meinen scheint, es müsse sich dann zumeist um Rechtsphänomene handeln) (WL S. 176; 194). Doch der Idealtyp ist ganz und gar nicht ein Korb, in den die Phänomene hineinfallen und dadurch eindeutig bestimmt sind. Worin der Unterschied tatsächlich liegt, ist allerdings nicht leicht zu sagen und kommt auch bei den Reflexionen Max Webers nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit heraus. Er spricht zwar von einem „Gedankenbild", welches nicht die historische Wirklichkeit oder gar die „eigentliche" Wirklichkeit ist, welches noch viel weniger dazu da ist, als ein Schema zu dienen, in welches die Wirklichkeit eingeordnet werden sollte", und hält damit den eben angedeuteten Tatbestand ungefähr fest, aber mit der Fortsetzung seiner Darlegungen kommt man im Verständnis nicht weiter: „Sondern welches die Bedeutung eines rein idealen Grenzbegriffes hat, an welchem die Wirklichkeit zur Verdeutlichung bedeutsamer Bestandteile ihres empirischen Gehaltes gemessen, mit dem sie verglichen
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wird" (WL S. 194), als ob Messen und Vergleich nicht auch bei der logischen Subsumtion zutage treten und als ob die formal logische Prozedur, wenn man es darauf anlegte, nicht ebenso beim Idealtyp möglich wäre. Man sieht an solchen Äußerungen deutlich, daß der Rückbezug auf Verfahrensweisen allein für die logische Distinktion allein nicht ausreicht und daß es wohl viel eher auf den Unterschied der Gegenstände selbst ankommt, andererseits man weniger danadi zu fragen hat, ob eine Prozedur möglich bzw. unmöglich, als danadi ob sie sinnvoll oder sinnlos ist. Der Gattungsbegriff hat die Eigenart an sich, das „Merkmal", nach dem er mehrere Exemplare vereinigt, in sehr einfacher und sinnvoller Weise exponieren zu können, ohne mit sich in Widerspruch zu geraten. Es wäre formal durchaus zulässig, wennn vielleicht audi aus Gründen der Erkenntnisökonomie und der Erkenntnisfruchtbarkeit nicht sehr zweckmäßig, etwa sämtliche Brillenträger oder Plattfüßige unter einen Klassenbegriff zu subsumieren und innerhalb des Genus Mensch also diese betreffende Spezies anzunehmen, wobei zwischen diesem Verfahren und der Ordnung des homo sapiens nach Hautfarben logisch kaum ein Unterschied bestände (die sachliche Differenz könnte auf sich beruhen). Der Idealtyp wird im Gegensatz hierzu nicht auf ein einzelnes Merkmal abgestellt. Mit Abstraktion wird zwar bei ihm nicht weniger als beim Gattungsbegriff gearbeitet, indem in dem einen wie in dem anderen Fall von einer Menge Bestimmungen, deren Berücksichtigung bei der begrifflichen Zuordnung an sich denkbar wäre, abgesehen wird. Also darin, wie jeweils beim Idealtyp und beim Gattungsbegriff die Zuordnung vonstatten geht, liegt der tiefgreifende Unterschied. Der Idealtyp wird niemals durch ein einzelnes Merkmal konstituiert, sondern stets durch eine Figuration mehrerer Daten. Man bedenke zum Beispiel einmal nur, was alles zu dem Idealtyp „Feudalismus" gehört. Nicht nur die (privatrechtliche) Rechtsvorstellung von Leihe und geteiltem Eigentum mit allen möglichen Variationen der Widerruflichkeit bzw. ihrer Negation. Ebenso die Auffächerung der mannigfachen Gegenleistungen des Beliehenen, sondern ebenso und vor allem müßte sowohl der Begriff bestimmter 5a Heuß, Weltgeschichte
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Hoheitsrechte als vor allem die Möglichkeit ihrer Isolierung und Aufspaltung und in ganz anderer Richtung die Möglichkeit ihrer Übertragbarkeit in einem nach dem Modell des Privatrechts geprägtem öffentlichen Verfahren hinzugenommen werden. Dabei wären die ethischen Bindungen zwischen Vasallen und Herren noch gar nicht in Anschlag gebracht, von den Unterschieden der Macht und der Herrschaft innerhalb der „Lehenspyramide" ganz zu schweigen. Es handelt sich beim Idealtyp stets um keine einfache, sondern komplexe Größe, um ein Ineinandergreifen mehrerer Ordnungselemente, kurz um so etwas wie eine Struktur. Diese Struktur besitzt bei aller Komplexität oder: gerade weil sie komplex ist und sich aus verschiedenen Teilen zusammensetzt eine bestimmte Ratio. Wie beim Feudalismus könnte man sie vielleidit als Distribution öffentlicher Macht und von Grund und Boden nach der einen Richtung, als persönliche Appropriationstendenz in bezug auf sie in der anderen Richtung bezeichnen. Man vermag solchen Grundsatz oder solche Grundsätze in die denkende Vorstellung aufzunehmen und von hier aus geradlinig zu explizieren, in konsequenter Verfolgung des zu Grunde liegenden Prinzips. Ähnlich ließe sich etwa auch der „totale Staat" in einen Idealtyp erheben und dann etwa nach dem Muster von Orwells 1984 ausführen. Der Idealtyp beruht deshalb auf einer produktiven, in bestimmter Weise geleiteten Phantasie. Er ist stets Konstruktion und deshalb in der Wirklichkeit niemals aufzufinden wie die Zugehörigkeit irgendeines Exemplars zu irgendeiner Gattung, respektive wie eben diese Gattung selbst. Er wird als Gedankengebilde und niemals als Abbild im Denken hervorgebracht, oder anders: man nimmt seiner in der Apperzeption nicht unmittelbar wahr, sondern muß ihn zusätzlich hervorbringen. Auf Grund dieser seiner hervorstehendsten Eigenschaft charakterisiert Max Weber ihn als „genetische Definition" (WL S. 194) oder „genetischen Begriff" (WL S. 191) oder spricht auch von einer „genetischen Klassifikation" (WL S. 204), eine Bezeichnung, die völlig unverständlich wäre ohne das wichtige konstruktive Moment im Idealtypus. Für Konstruk-
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tion ließe sich auch „Erzeugung" oder „Entwicklung" sagen und für konstruieren „entwickeln", womit man wohl dem Wortsinn von „genetisch" am nächsten käme. Wahrscheinlich hat Max Weber den merkwürdigen Ausdruck der Puchta'sehen Theorie des römischen Rechtes, das heißt der durch ihn und Savigny begründeten Pandektistik, entliehen. Deren vom Juristen hervorzubringende Begriffe wurden von Puchta zu Geschöpfen eines schaffenden Intellektualprozesses erklärt. Wenn man den Begriff des Idealtypus ernst nimmt, dann kann man ihn unmöglich beliebig ansetzen. Er ist auf den Bereich des sozialen-politischen Handelns beschränkt und hat in der Sphäre des „idealen" Seins keinen Ort. Mathematische Idealtypen wären ein Unsinn. In der Mathematik geht es ohnehin „ideal" zu. Idealtypen sind immer soziale-politische Gestalten. Ihre weiteste Möglichkeit finden sie heute in der Wirtschaftstheorie. Niegends läßt sich im Raum der menschlichen Vergesellschaftung aus bestimmten wenigen Prämissen besser rational deduzieren als da, wo es um den Vollzug des Wirtschaftens geht. Die sogenannten „ökonomischen Gesetze" beweisen es in einem solchen Maße, daß sie nahezu des Kant'schen Synthesis a priori gleichzukommen scheinen (und dies wahrscheinlich auch wirklich tun). Schon per definitionem haben solche Konstruktionen kein Spiegelbild. Sie lassen sich deshalb von der Empirie alleine her nie verifizieren. Man kann deshalb sinnvollerweise unter sie keine Subsumtion vornehmen, denn niemals könnten bei ihnen wie beim Gattungsbegriff empirische Daten mit dem Begriff zur Deckung kommen. Begriff und Wirklichkeit vermögen sich allenfalls zu berühren, und gerade auf die Breite soldier Berührungen kommt es an. Sie ist nie einheitlich und immer von Fall zu Fall verschieden. Stets aber ist sie partiell und dazu jeweils in ganz verschiedenem Umfang. Sieht man die Dinge so an, dann erhält Max Webers Begriff des „Abmessens und Vergleichens" einen spezifischen und unter dieser Voraussetzung vollen und berechtigten Sinn. Der Begriff des Idealtypus ist nie in toto in der Empirie verwirklicht. Er findet 5a'
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sich jeweils in verschiedenner Stärke und stets mit anderen idealtypischen Begriffen vermischt. Ein berühmter und sehr bewährter Idealtypus Max Webers ist etwa das charismatische Führertum. Es gibt aber keinen charismatischen Führer, der dies ausschließlich gewesen wäre. Ganz im Gegenteil ist diese seine Qualifikation sehr gerne mit der konträr entgegengesetzten der Disziplin verkoppelt. Zudem kommen auch nur reine Anflüge von charismatischer Führerschaft vor. Max Weber denkt hierbei an die zu seiner Zeit eindrucksvolle Person Eduards VII., der als englischer König wenig Macht, aber dafür, wenigstens in den Augen des deutschen Publikums, atmosphärische Ausstrahlung und entsprechend auch Einfluß besaß. Der Idealtyp charismatischen Führertums beinhaltet eine Skala weiter Disparität, auf der Mohammed und Alexander d. Gr., Cromwell und Napoleon und schließlich audi die modernen Diktatoren Platz fänden. Die Teilhabe der wirklichen Phänomene am Idealtyp ist eben sehr verschieden. Jedes hat etwas von ihm, aber keines ihn ganz. Mit den ökonomischen Gesetzen steht es nicht anders, nur gibt es dort, schon aus Gründen der statistischen Frequenz (wirtschaftende Individuen gibt es eben mehr als Politiker und konkrete Sozialstrukturen), häufigere und nähere Konvergenzen. Das Grenznutzengesetz „gilt" für die Mehrzahl der Menschen, weil die meisten Menschen irgendwie rechnen und Präferenzen ihrer Bedürfnisse festlegen müssen. Trotzdem ist eine Form grandseigneuralen Wirtschaftens denkbar (und hat es oft genug gegeben), das sich von ihm frei hält und eine völlig blinde Ausgabenpolitik betreibt, innerhalb gewisser Grenzen sogar ohne Gefahr des Bankrotts. Glücklicherweise erlebt auch der moderne homo oeconomicus dann und wann grandseigneurale Augenblicke, in denen das Gesetz außer Kraft gesetzt wird. Das bedeutet keinen „Widerspruch" zu ihm und damit zum Ideal typ, sondern solche „Ausnahmen" sind ihm begriffsmäßig von Anfang an imputiert. Der Ideal typ ist kein echtes Gesetz „mit Herrschaftsansprüchen". Zu seiner Wahrheit gehört nidit einmal wie beim Gattungsbegriff, daß eine Mindestzahl von empirischen Zuordnungen durch ihn
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möglich wird und stattfindet. Der Idealtypus wird keiner „Anzahl von Fällen" abgelesen, sondern kann auf dem Wege der inneren Vergegenwärtigung seiner wesentlichen Bestimmungen, also durch das, was seine „Konstruktion" ausmacht, durchaus aus einem einmaligen empirischen Ansatz entwickelt werden. Entscheidend ist lediglich, daß das „Prinzip" an einem empirischen Phänomen erkannt wird. Die bequemste Illustration bieten auch hier die ökonomischen Verhältnisse. Um das Gesetz von „Angebot und Nachfrage" zu verstehen bzw. zu entdecken, bedarf es keiner vielfältigen über den ganzen Globus sich erstreckenden Beobachtung. Das Studium einer einzigen wirtschaftlichen Sozietät, das heißt der dort gewonnene Eindruck, einfacher und zutreffender ausgedrückt, die naive Lebenserfahrung eines beliebigen Zufallsindividuums, reicht als Basis aus, um das Gesetz als „wahr" und „überzeugend" demonstrieren zu können. Diese Wahrheit ist keine, welche durch eine Summe äußerer Daten nachweisbar wäre, sondern wird „errechnet" und muß sich kraft der Einsicht innerer Anschauung erweisen. Das wäre audi dann noch der Fall, wenn sich zeigte, daß aus besonderen aufzeigbaren Gründen eine bestimmte Gesellschaft sich in dieser Hinsicht einmal nicht erwartungsgemäß verhält und vielleicht nur eine geringe Minorität von ihr den positiven Test leistet.
V. Trotzdem wäre es falsch, den Idealtypus als eine fiktive Größe zu definieren und ihn auschließlich unter das Zeichen seiner Abweichung von der Wirklichkeit zu stellen. Freilich verrät Max Weber selbst hierfür eine deutliche Neigung. Er nennt den Idealtypus ein „Gedankenbild, welches nicht die historische Wirklichkeit oder gar die eigentliche Wirklichkeit" ist (WL S. 194), und warnt ausdrücklich vor dem Wirklichkeitsgehalt des Idealtypus und davor, daß man gar die „Ideen" als eine hinter der Flucht der Erscheinungen stehende „eigentliche" Wirklichkeit, als reale „Kräfte" hypostasiert
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(WL S. 195). Er möchte die Idealtypen nur als Instrumentarium „zum Zweck der geistigen Beherrschung des empirisch Gegebenen" im Gefolge von Kant gelten lassen (WL S. 208) und erkennt sie nur in Hinsicht auf ihre Funktion an und bestimmt diese ausschließlich als rein methodische, relative und überholbare Funktion (WL S. 207). Aber man kann in der Erkenntnis des Wirklichen nur etwas ausrichten, wenn das Erkenntnismittel ihm angepaßt ist. Ein Zusammenhang zwischen beiden muß bestehen, wenn nicht die Funktion von vorneherein Gefahr laufen soll, sich zu erledigen, und dies ist ja auch der Fall, denn ins Blaue hinein wird der Idealtyp nicht erdacht. Das meint schließlich auch Max Weber nicht, und wenn er bemerkt, daß der Idealtyp wie alle historischen Begriffe notwendig wandelbar sei (WL S. 209), so teilt der Idealtyp dieses Schicksal mit aller menschlichen Erkenntnis, die deswegen, weil sie jederzeit durch eine bessere annulliert werden kann, denn doch nicht aufhört, auf Wirklichkeit und Wahrheit gerichtet zu sein. Der Idealtypus ist das Zurechtdenken des Wirklichen, soweit er von diesem Wirklichen ausgeht, indem er es festhält als Ansatz, oder anders ausgedrückt: indem er durch Abstraktion einen gewissen Ausschnitt des Wirklichen als Ansatz gewinnt, vermag er einen ungeschmälerten Wirklichkeitsgehalt zu beanspruchen. Und wenn so die Wirklidikeit von hier aus in ihm weitergedacht wird, dann bezeichnen diese Gedanken im Bezug auf die Wirklichkeit nichts anderes als Anlagen, die in der Phänomenalität anzutreffen sind und nun in der Vorstellung weiterverfolgt und da fortgesetzt werden, wo die Wirklidikeit hinter der vorhandenen Möglichkeit zurückbleibt. Von „Möglichkeit" könnte in diesem Sinne auch dann schon gesprochen werden, wenn de facto die Wirklichkeit nur ein einziges Vorkommen des idealtypischen Ansatzes darböte. Nun zeigt jedoch die Erfahrung, daß dem im allgemeinen nicht so ist und der Idealtypus völlig unabhängig in Raum und Zeit, da und dort, seine Kontakte mit der Wirklichkeit findet und infolgedessen an den verschiedensten Punkten seine Leuchtkraft entfaltet. Die Figuration von Ideal typ und Empirie ist da selbstverständlich niemals gleich:
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einmal tritt dieses seiner Elemente mehr hervor, das andere Mal jenes, hier fehlt das eine, dort das andere, aber immer wieder gerät er an den verschiedensten Stellen irgendwie in Schwingungen. Der Idealtypus wird so zum Indikator einer höchst bemerkenswerten Eigenschaft unserer vielfältigen und schier unübersehbaren geschichtlichen Welt. Er verrät eine gewisse Vergleichbarkeit ihrer Phänomene, denn überall, wo diese, jedes auf seine Weise, durch den gemeinsamen Idealtypus erhellt werden, erhellen sie sich auch gegenseitig und beweisen dadurch, daß sie kommensurabel sind. Es ist die große wissenschaftliche Tat Max Webers, gezeigt zu haben, daß es sich so in einem bis dahin nicht geahnten Ausmaße verhält und die wenigen großen idealtypischen Begriffe, auf die er seine universale Soziologie gründet (wie Feudalismus, Bürokratie und Patrimonialismus usw.) eine Ubiquität in Zeit und Raum beanspruchen können, von der vorher kaum jemand sich ein richtiges Bild gemacht hatte. Was bedeutet diese Tatsache für die Weltgeschichte? Nichts anderes, als daß ihre vielen Einzelphänomene der Struktur nach doch nicht so isoliert sind, daß sie nicht zusammengehalten werden könnten und sich zwischen diesen und jenen von ihnen Konvergenzen ergäben. Die disparate Menge der weltgeschichtlichen Phänomene rückt wie durch einen Zauberstab berührt näher zusammen und deckt über alle räumlichen und zeitlichen Trennungen hinweg den geheimen Rapport struktureller Nähe und Ferne auf. Die vielen Erscheinungen lassen sich — durchaus elastisch — um bestimmte Idealtypen zentrieren. Gewisse Ansätze und Anlagen wiederholen sich in den sozialen Formen offenbar immer wieder, zwar niemals so, daß völlig gleichartige Phänomene herauskämen, aber dodi immerhin darauf hinweisend, daß anscheinend das Repertoire der historischen Menschheit an Grundformen politisch-sozialer Organisation überschaubar und begrenzt ist und die sich aufdrängende Vielfalt der geschichtlichen Ersdieinungswelt wohl in erster Linie in der unendlichen Variabilität ihrer Grundelemente beruht. Nimmt man diesen aus den Max Weber'schen Studien sich ergebenden Eindruck ernst, dann ist die Vermutung unabweisbar,
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daß wir es mit einem gewissen Weltbestand an primären historischen Formmöglichkeiten auf dem Globus zu tun haben und daß dieser Weltbestand in seinen großen Einheiten auffaßbar ist. Auffaßbar heißt aber nicht nur, daß er lediglich zu registrieren wäre, sondern meint ebenso die Forderung nach seiner Repräsentanz auch bei der Betrachtung des einzelnen Phänomens. Die Kommensurabilität der geschichtlichen Erscheinungen, die durch den Max Weber'schen Idealtyp zur Gewißheit berufen ist, schließt die Verpflichtung ein, historische Phänomene nicht einfach hinzunehmen, sondern sie auf jenem weltweiten Hintergrund zu sehen, welcher durch den Idealtyp bzw. die Idealtypen erhellt wird. Vergleichen ist dann audi kein müßiger Luxus, sondern die Methode, durch Festlegung von Gleichem und Ungleichem, Identität und Differenz die Tiefendimension des Individuellen auszumachen und gleichsam im Wassertropfen die Welt mit ihrem Regenbogen einzufangen. Max Weber hat sich über diese Perspektive des Idealtypus nicht geäußert, bei seiner etwas einseitigen rein methodologischen erkenntniskritisdien Einstellung begreiflicherweise. Aber der hier vorgetragene Gedanke ist ihm nicht unbekannt geblieben. An zwei Stellen macht er darauf aufmerksam, daß die Kenntnis geschichtlicher Verhältnisse, auch wenn man sie in die Universalgeschichte gar nicht als integrierenden Bestandteil einbezieht, mittelbar für die Behandlung der thematischen Gegenstände wichtig werden könne, nämlich dann, wenn positiv ein Idealtypus, d. h. die Bestimmungen eines Idealtypus, eine Bereicherung erfahren (es handelt sich an der betreffenden Stelle um den Feudalismus des präkolumbischen Amerika), und negativ, wenn dadurch ein Kontrastbild zur europäischen Geschichte mit ihrem „gegen jene (d. h. die Verhältnisse Amerikas) heterogenen Kulturinhalte" gewonnen wird (WL S. 258; vgl. auch S. 234 in bezug auf eine Feststellung von Breysig) und man „nur im Wege der Vergleichung die historische Eigenart der europäischen Kulturentwicklung genetisch schärfer zu fassen" kriegt. Max Weber sieht ganz klar, daß die Geschichte der Irokesen (auf die Breysig hinweist) unmöglich zum Ereignisablauf der Welt-
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geschickte gehören kann und bemüht sich, ihre andere Figuration im Verhältnis zu ihr zu kennzeichnen. Sie ziehe durch eine eigentümliche Form der Staatsbildung (nach Breysig) das historische Interesse auf sich. Darin bedeute jedoch nämlich diese Staatsbildung kein reales Element der Weltgeschichte und gehe in ihren Ablauf auch nicht als „historischer Realgrund" ein, vielmehr bezeichne es einen „möglichen Erkenntnisgrund" (WL S. 235). Max Weber rührt damit an einen wichtigen Sachverhalt, wenn er sich veranlaßt sieht, das in Rede stehende Verhältnis zwischen zwei historischen Phänomenen nicht in einer realen Objektbeziehung zu sehen, sondern zu seiner Charakterisierung auf die subjektive Erkenntnisseite zurückgreift, denn offenbar hält er doch wohl den Gegensatz „Realgrund — Erkenntnisgrund" für einen wesentlichen und nicht lediglich unter einem gewissen Gesichtspunkt möggichen, und will damit zum Ausdruck bringen, die hier zur Diskussion stehende Relation könne alleine auf dem Umweg über das Subjekt definiert werden. Nun trifft gewiß zu: die herangezogenen Irokesen gehören nicht zur thematischen Geschichte, und wenn sie in ihr auftaudien, dann nur zu dem Zweck, damit innerhalb der thematischen Geschichte ein besserer Begriff gewonnen wird, keineswegs um die Irokesen selbst in ihren Rahmen hineinzustellen. Trotzdem kann man sich bei dieser Feststellung nicht endgültig beruhigen. Die Irokesen, die angeblich nur „Erkenntnisgrund" sein sollen, gibt es ja wirklich. Sie sind keine Konstruktion, sondern wahrhaftige Realität. Nur gehören sie nicht zur Weltgeschichte. Max Weber ist danach, genau wie es dem Gedanken unserer ersten Betrachtung zugrundeliegt, der Ansicht, daß die Weltgeschichte nicht mit dem ubiquen Geschehen auf dem ganzen Globus identisch ist (wobei es im Augenblick auf die divergierende, Eduard Meyer entlehnte Begründung nicht ankommt), sondern einen Ausschnitt von ihm bildet. Was berechtigt nun aber, auf einmal über diesen Ausschnitt hinauszugreifen, was wird eigentlich im Verhältnis zur Weltgeschichte in dem hier verstandenen Sinn zur Kenntnis gebracht? Lediglich die Vorstellungsmöglichkeit von etwas, was außerhalb
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des Gegenstandes liegt und mit ihm auf dem Wege einer Assoziation verknüpft werden kann? Dann handelt es sich also um eine Interferenz von einem Stück der außerhalb der Weltgeschichte liegenden Ubiquität in diese selbst? Die Antwort träfe vielleicht zu, wenn nun wirklich der irokesische Staat mit allem Zubehör „eingeblendet" würde, so wie wenn Joyce oder Faulkner erzählen. Doch die Geschichte ist nicht die Selbstdarstellung eines fingierten Erzählers, und was dem Dichter erlaubt ist und seinen „legitimen Gegenstand" bildet, ist dem Historiker versagt. Vor allem aber soll in Wirklichkeit bei der Geschichte kein fremdes Stück eingeschoben werden. Keineswegs ist daran gedacht, zur gerade in Rede stehenden Geschichte ein historisches Konkretum hinzutreten zu lassen. Das Vorstellungsfeld soll vielmehr nur um ein Abstraktum, nämlich den besonderen Zug „irokesischer Staatlichkeit" bereichert werden. Und der Grund hierfür? Er liegt einzig in der Absicht, zu zeigen, was im Vergleich zu dem „weltgeschichtlich" zu behandelnden Phänomen noch „möglich" wäre. „Möglich" nun allerdings auch nicht in dem Sinne, daß eine reelle Chance bestanden hätte, an die Stelle des Phänomens zu treten. An dergleichen wäre allenfalls in besonderen Ausnahmefällen zu denken. Es würde dann um „objektive Möglichkeiten" gehen, ein Fall, den Max Weber auch sehr richtig in sein Recht eingesetzt hat (WL S. 194). Nein, die „Möglichkeit", welche hier ins Spiel kommt, ist von anderer Art und keine Substituierbarkeit als denkbares reales Phänomen. Sie bedeutet nicht die Möglichkeit, sich das weltgeschichtliche Phänomen durch das irokesische Staatsprinzip ersetzt vorzustellen, sondern gemeint ist die Möglichkeit, jenes mit ihm zu vergleichen, oder vielleicht zurückhaltender formuliert: das welthistorische Phänomen mit dem Wissen vom irokesischen Staatsprinzip vorzustellen. Es handelt sich also um so etwas wie einen hintergründigen Modus des historischen Erkennens, der hier ermöglicht wird, eine immanente Komparation mit irgendeinem anderen historischen Phänomen, das sich nur dadurch ausweist, daß es ebenfalls die Organisation öffentlicher Macht betrifft und zum geschichtlichen Weltbestand im allgemeinsten Sinn (also über die eigentliche Weltge-
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schichte hinausgehend) gehört. Wenn man so will, bewirkt diese Komparation also eine Verknüpfung des einzelnen Phänomens mit diesem „Weltbestand" und besteht der reale Grund für diese Art von Denkmöglichkeit erstens in der Existenz eines Weltbestandes überhaupt, und zweitens in der Tatsache, daß in sinnvoller Weise dieser Westbestand herangezogen werden kann. Gesetzt den Fall, dieser Weltbestand würde nur aus individuellen Erscheinungen in dem Sinne bestehen, daß jede absolut „originell" wäre, das heißt völlig einmalig, dann wäre die Folge, daß wohl Vergleiche stattfinden könnten, diese jedoch immer wieder nur eine Ungleichung ergäben und nidits Gemeinsames festzuhalten wäre. Ferner wäre man gezwungen, das Verfahren ad infinitum fortzusetzen in der Erwartung, noch einmal auf die Gelegenheit zu einem positiven Vergleich zu stoßen. Eine Unendlichkeit totaler Imparitäten wäre erkenntnisblind. Α posteriori stellt sich jedoch heraus, daß dem keineswegs so ist und sich stets Ungleichheit mit Gleichheit paart, und nicht nur dies, daß es typische Gruppierungen der gleichen und ungleichen Elemente gibt. Eben dies ist der Idealtyp, wie ihn Max Weber in praxi verstanden hat, und wenn er von der Bedeutung der irokesischen Staatsentstehimg spricht, so kann er dies im Grunde nur tun, wenn er sie implizite auch als Bestandteil eines Idealtypus versteht (man müßte wohl an den des Staates oder an einer der Herrschaftsformen denken). Der Idealtyp garantiert also die Fruchtbarkeit der Komparation, indem er die positive Kommensurabilität historischer Erscheinungen durch die Effizienz seiner Konstruierbarkeit bestätigt. Umgekehrt ist der echte Idealtyp (nicht die fälschlich von Max Weber audi so genannte individuelle Wesensgestalt, s. o. S. 65) im sozialen-politischen Bereich (weniger im ökonomischen) auf Vergleiche angewiesen. Aber man kann möglicherweise noch einen Schritt weiter gehen und zwischen der Durchführbarkeit sinnvoller und die Erkenntnis fördernder Vergleiche und der Existenz eines sie vermittelnden Idealtyps ein Junctim ansetzen. Dies verdient hervorgehoben zu werden, einmal angesichts der Kompliziertheit (infolge relativ hoher Ansprüche an die Abstraktion) des jeweils anzuwendenden Verfahrens, andererseits in
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bezug auf die Tatsache, daß es spezielle Kulturbereiche gibt, in denen sich Vergleiche leichter anbieten und die deshalb auch ohne Idealtyp auskommen können (etwa bei der Religion, dem Recht, wie der entwickelte Stand einer vergleichenden Religions- oder Rechtswissenschaft verrät). Der Idealtyp ist also in gewisser Weise eine Art von Kondensierung der mannigfaltigen Erscheinungen des sozialen-politischen Feldes zum Zwecke ihrer Vergleichbarkeit und rückt dieselben begrifflich näher zusammen, nicht indem er geschlossene Gruppen bildet, sondern durch ein vielfältiges und variables Beziehungsmuster. Er selbst ist so etwas wie eine flexible Gestalt mit austauschbaren Gliedern und Gelenken. Seine Geltung, das heißt die Möglichkeit seines Auftretens erstreckt sich auf den gesamten Bereich der irgendwann und irgendwo auf dem Globus auftretenden geschichtlidien Erscheinungen. Sie hat also Ubiquität, und der Geschichte in ihrer ubiquen Mannigfaltigkeit ist er audi zugeordnet, geht also in seiner Zuständigkeit über die „Weltgeschichte" in dem hier angenommenen profilierten Zuschnitt hinaus. Diese eigenartige Stellung des Idealtyps bzw. der Idealtypen hat zwei wichtige weltgeschichtliche Konsequenzen. Erstens einmal bringt die Existenz des Idealtyps die in der intelligiblen Entfaltung des Menschen verlorengegangene Gattungseinheit des Menschen als geschichtlichen Wesens in momentanen Einblicken zu einer partiellen Evidenz. Der Idealtyp gründet sich ja nicht auf die anthropologische Gattungseigenschaft des Menschen, sondern ausdrücklich auf bestimmte Elemente seiner historischen Individualisierung. Aber dadurch, daß er gerade in diesem Bereich seine Möglichkeit erweist, zeigt sich das genus humanum auch in seiner historischen Dimension mitunter strukturell, das heißt über Zeit und Raum hinweg, verknüpft und gewinnt insofern unter dem Blickwinkel idealtypischer Kontakte den Schein einer gewissen, freilich sehr reduzierten Realität und in ihr den Schatten einer entsprechend verkürzten „Einheit". Diese gewiß sehr problematische „Einheit", ein ausgesprochener Grenzbegriff, der sich als einheitlicher weder vorstellen noch zu Ende denken läßt, reicht gewiß nicht aus, das Menschengeschlecht in der
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geschichtlichen Zeit zu einem realen Subjekt zu erheben. Sie ist viel zu abstrakt, besteht nur in dem sekundären Reflex einzelner abstrahierter Vorstellungen und entbehrt aller Konkretheit und Anschaulichkeit. Wir müssen uns daher audi weiterhin mit der relativen Einheit der Weltgesdiidite bzw. des Subjektes der Weltgeschichte begnügen, uns auf deren engeren Kreis beschränken und die Dinge der historischen Ubiquität als Gegenstand welthistorischer Darstellung draußen lassen. Doch soweit diese vom Idealtyp aufzufangen sind — das kann nur in abstrahierten Strukturen und Ausschnitten geschehen — können sie die Erzählung der Weltgeschichte zwar nicht als Gegenstand bereichern, vermögen doch aber das ihr vorgelagerte Wissen zu durdidringen. Der Idealtyp ist also gewiß ein höchst unvollkommenes Mittel, die ubique Geschichte mit der artikulierten Weltgesdiidite zu verknüpfen. Er vermag jene in ihrer Beliebigkeit zwar nicht in die Weltgeschichte aufzunehmen, aber er hält sie als „Möglichkeit" im Bewußtsein präsent und rekurriert damit auf das genus humanuni, das in der Weltgesdiidite unter den Horizont getaucht ist. Die Weltgeschichte hat guten Grund, den Idealtypus bei seiner Idealität zu ergreifen und sich darauf einzustellen, daß er der Notwendigkeit enthoben ist, die Dinge in ihrer Sinnfälligkeit zu beschreiben. Der Idealtypus vermag statt dessen die außerhalb der Weltgeschichte liegende Realität in optischer Brechung in sie hereinsdieinen zu lassen, nicht als Gesamtheit, sondern in der Reduktion ihrer Beliebigkeit, audi nicht als Gegenstand, sondern nur als denkbarer Bezugspunkt für das, was tatsächlich Gegenstand der Weltgeschichte ist. Der Idealtypus wird damit also auch zu einem Mittel, indirekt den beschränkten Realitätsgehalt der Weltgeschichte zu erhöhen und das, was sie nicht als materiales Objekt gewinnen kann, reflektiert durdi das von ihm dargestellte Organon wenigstens in der Modalität des Begreifens sich anzueignen. VI. Sofern man Idealtypus und welthistorischen Vergleich in ein wesenhaftes Verhältnis zueinander setzt, kommt jener aber auch noch zusätzlich in die Nähe des Zentrums von Max Webers sozio-
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logischen und universalhistorisdien Studien. Von einem bestimmten Zeitpunkt in Max Webers Biographie an gelten bekanntlich alle seine historischen Arbeiten dem Ziel, die besondere Stellung des modernen europäischen Kapitalismus und in Verbindung damit die eigentümliche Rationalität europäischer Technik und Wissenschaft und schließlich auch von Politik und Staat zu bestimmen. Max Webers Absicht war, zu zeigen, wie die Dinge anderswo anders verliefen, um damit der Besonderheit der europäischen Verhältnisse richtig gewahr zu werden. Ihre Eigenart sollte auf dem Hintergrund der gesamten Weltgeschichte sichtbar sein. Aber dazu war nötig, dieselbe nicht lediglich nur pragmatisch zu verstehen, sondern durch Idealtypen strukturell aufzuschließen. Damit wird der Idealtypus indirekt zum Vehikel einer gewaltigen historischen Erkenntnisaufgabe, man muß schon sagen, der Lösung eines der zentralsten Probleme, die die Weltgeschichte kennt. Max Webers bekannte Antwort ist sicher nicht erschöpfend und mag sogar nicht einmal in allem richtig sein. Davon bleibt unberührt, daß niemand vor und nach ihm erstens die Frage klarer gestellt hat und zweitens ihr umsichtiger auf den Leib gerückt ist. Max Webers Religionssoziologie, die in erster Linie in diesem Umkreis anzusetzen wäre, ist noch immer der wichtigste Beitrag zu diesem Problem. Sie ist aber audi deshalb grundlegend, weil sie mit ihrer Spannweite einen überzeugenden Eindruck von der notwendigen Breite einer modernen Weltgeschichte vermittelt. Man kann ruhig so weit gehen, zu sagen, daß seit Max Weber eine Vorstellung davon möglich ist, was in einer Universalgeschichte als unentbehrlicher Bestand drinstehen müßte und wo dem äußeren Umfang nach Universalität Verkürzungen verträgt. Max Weber ist selbstverständlich nicht der Ansicht, daß der gesamte Globus in einer Weltgeschichte zu Wort kommen kann. Die sonderbare Helmolt'sche Weltgeschichte, die die Weltgeschichte in geographischer Sukzession den Gegenden des gesamten Globus abliest, erfährt verständlicherweise seine schärfste Ablehnung (WL S. 274). Es ist für ihn eine Binsenwahrheit, daß eine Weltgeschichte unmöglich vollständig sein kann, und insofern ist Max Weber ein konsequenter Vertreter der
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hier geäußerten Theorie, daß geschichtliche Ubiquität und Weltgeschichte als prägnanter Begriff nicht zusamenfallen. Expressis verbis äußert sich Max Weber zwar hierüber nicht. Was er explizit formuliert, ist eine Abwehr gegen eine zu enge Formulierung der Weltgeschichte durch Eduard Meyer (WL S. 254 ff.). Aber das ist kein positives Urteil, doch ist die Negation von Eduard Meyer an dieser Stelle so unverfänglich (Abwehr von dessen Effektivtheorie: historisch wäre nur, was bis auf den heutigen Tag nachwirkt, und der richtige Hinweis Max Webers darauf, daß Eduard Meyer selbst in hohem Maße gegen seinen eigenen Grundsatz verstößt), daß immerhin ein weiterer Horizont der Weltgeschichte für Max Weber sichtbar wird. Aber diesem Umstand läßt sich keine konkrete Vorstellung entnehmen, wie sich Max Weber die Gliederung und den Umfang der Weltgeschichte vorgestellt hat. In der Unbeantwortbarkeit dieser Frage kommt wohl deutlich zum Ausdruck, daß Max Weber kein Historiker im engeren Sinne war und auch nicht sein wollte und deshalb sich auch das uneingeschränkte Recht vindizieren konnte, sich von vielen Problemen, die für den Historiker wichtig sind und über die er nicht hinweggehen kann, zu dispensieren. Das tut seiner immensen Bedeutung für die Gesdhichtswissenschaft gar keinen Abbruch, denn es besagt keineswegs, daß solche Fragen für Max Weber keine Erkenntnisdignität besessen hätten, sondern bestätigt umgekehrt vielmehr, daß Geschichte für Max Weber ein selbstverständliches Medium seiner Gedanken war und er sich deshalb frei fühlte, nur diejenigen ihrer Phänomene und Probleme aufzugreifen, die ihn „interessierten". Ein Historiker verfährt im Prinzip nicht anders, jedenfalls soweit er eigenen Studien nachgeht, nur ist er kraft Profession gezwungen, eine Menge außerdem zu bedenken. Wenn er jedoch Geschichte betreibt und vorstellt, steht er unter einem Gesetz, das ihm den Spielraum seiner Stoff- und Problemauswahl nicht ins völlig freie Ermessen gibt. Geschichte besteht aus mannigfaltigen und sehr verschiedenen Elementen. Die sozialen-politischen Strukturen sind nur ein, wenn auch sehr zentraler Bereich unter ihnen. Einem historisch
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so eminent gebildeten Mann wie Max Weber brauchte man das nicht erst zu sagen. Es verstand sich für ihn von selbst. Er wäre der letzte gewesen, der bestritten hätte, daß er selbst bei seinen Studien die Geschidite immer unter einem bestimmten Aspekt untersuchte und daß er aus ihrem Ganzen besondere Bestandteile herauslöste. Diese für die Geschidite schlechthin auszugeben lag ihm völlig fern, und insofern ist es ganz unangebracht, seinen historisch-soziologischen Spezialstudien einen prägnanten Begriff von Geschichte, den er als für sich verbindlich betrachtet hätte, abzulesen. Er dachte nicht im entferntesten daran, Geschichte im Sinne eines solchen Begriffes in Struktur zu verwandeln, wie man ihm ganz zu Unrecht zur Last gelegt hat. Auf dem Forum des Historikers begegnet Max Weber durchgängig als Spezialforscher, wobei beide Glieder des Wortes jeweils ernst zu nehmen sind. Max Weber widmet sich immer speziellen Fragen, die aus einem historischen Kontext herausgenommen und streng für sich exponiert sind, und was den „Forscher" betrifft, so ist dies Max Weber derart ausschließlich, daß alles, was er schreibt, sich als der Fluß einer glühenden Lava, die gerade aus dem Krater seines vulkanischen Geistes hervorstößt, darstellt. Da ist alles immer noch echter Vorstellungs- und Gedankenprozeß, unmittelbarer Ausdruck des im Gange befindlichen Erkennens, es ist deshalb stets mit innerer Spannung geladen und ohne jede Rücksicht auf den Leser vorgetragen. Max Weber gibt infolgedessen nie eine „Darstellung" von Ergebnissen, auch nicht da, wo man es den Umständen nach erwarten sollte, wie in „Wirtschaft und Gesellschaft". Daraus ergibt sich: Max Weber als „Historiker" (und entsprechend auch als „Welthistoriker") ist nicht wörtlich zu nehmen. Genauer müßte es heißen: Max Weber als historischer Forscher. Der „Historiker" Max Weber wäre erst durch ein Umsetzen von Max Webers Geschichtsschreibung zu gewinnen. Inwieweit dies schon geschehen ist, kann hier auf sich beruhen. Außer Zweifel steht jedoch, daß in dieser Richtung noch nicht allzuviel passiert ist und möglicherweise die Hauptsache noch zu leisten wäre. Würde man dabei Max Weber in Riditung auf eine Universalgeschichte weiter zu ent-
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wickeln suchen, könnte die Erfahrung kaum ausbleiben, daß auf der einen Seite der von ihm zu empfangende Impuls sehr nachhaltig ist, auf der anderen Seite zwangsläufig manche Fragen noch unbeantwortet bleiben. Max Weber bedeutet also eine immense Erhellung des universalhistorischen Horizontes, ist aber auch Anstoß und Aufforderung, weiteres Licht zu beschaffen und hierbei vor allem die Konturierung des Horizontes auszumachen, das heißt diejenigen Regionen zu beleuchten, die Max Weber seinem ganzen Ansatz nach im Dunkel lassen mußte und von deren Bearbeitung ihn andererseits sein jäh abgebrochenes Leben abschnitt.
GESCHICHTSSCHREIBUNG. 3 Text- und 3 Anmerkungsbände von Kurt von Fritz. Groß-Oktav. Ganzleinen. I: Von den Anfängen bis Thukydides. Textband: X I I , 823 Seiten. Anmerkungsband: IV, 423 Seiten. 1967. DM 148,—
D I E GRIECHISCHE
PHILOSOPHENHERRSCHAFT von Kurt 139 Seiten. 1968. Ganzleinen etwa
P L A T O N IN SIZILIEN UND DAS P R O B L E M DER
von Fritz. Oktav. VII, DM 14,—. Im Druck
Beiträge zum Verständnis der Einheit des Geschichtswerkes von Hans-Friedrich Bornitz. Oktav. X , 241 Seiten. 1968. Pappband DM 38,—
HERODOT-STUDIEN.
CICERO —
Adit Vorträge zu einem geistesgeschichtlichen Phänomen herausgegeben von Gerhard Radke. Oktav. VI, 259 Seiten. Mit 4 Tafeln. 1968. Broschiert DM 28,—
EIN M E N S C H SEINER Z E I T .
G E G E N W A R T herausgeOktav. VIII, 149 Seiten. 1964.
H I S T O R I S C H E T H E O R I E UND GESCHICHTSFORSCHUNG DER
geben von Richard DM 9,80
PREUSSEN.
Dietrich.
Epochen und Probleme seiner Geschichte herausgegeben von Richard Dietrich. Oktav. VII, 200 Seiten. 1964. DM 12,— Deutsche Geschidite seit 1871 von Johannes Bühler. Groß-Oktav. X I V , 1027 Seiten. 1960. Ganzleinen DM 36,— (Erscheint gleichzeitig mit anderem Titelblatt als Band 6 der Deutschen Geschichte)
V O M B I S M A R C K - R E I C H ZUM GETEILTEN DEUTSCHLAND.
von Johannes Bühler. 6 Bände. 1950/1960. Groß-Oktav. Rund 3400 Seiten. Mit 66 Tafeln. Zusammen DM 159,—
DEUTSCHE GESCHICHTE
GERMANY
1815—1945. Deutsche Geschichte in britischer Sicht von E. ]. Passant und W. O. Henderson. Oktav. VIII, 269 Seiten. 1962. Ganzleinen DM 14,— (Die kleinen de-Gruyter-Bände 2) Wege und Irrwege eines Begriffs von Gerhard Bauer. Oktav. X I I , 208 Seiten. 1963. Kartoniert DM 18,— (Die kleinen de-Gruyter-Bände 3)
GESCHICHTLICHKEIT.
Beiträge zum Verständnis der Griechen und Römer und ihres Nachlebens herausgegeben von Ulrich Fleischer, Alfred Heuss, Ernst Homann-Wedeking, Bruno Snell, Emil Staiger, Jan Hendrik Waszink. Jährlich 2 Hefte, etwa 190 Seiten einschl. Bildtafeln. DM 48,—. Band X I I . 1966. — Band X I I I . 1967. — Band XIV. 1968. — Noch lieferbar: Band I — X I I (1945—1962) (Aus dem Marion vom Schroeder Verlag übernommen)
A N T I K E UND ABENDLAND.
Walter de Gruyter & Co • Berlin 30