Zur strukturellen Korrespondenz zwischen den gesetzlichen Ablehnungsgründen nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag: Eine Analyse der neueren Revisionsrechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung des Merkmals der Konnexität [1 ed.] 9783428510429, 9783428110421

Miriam Tenorth-Sperschneider befaßt sich mit der neueren Entwicklung in der Rechtsprechung des BGH zur Abgrenzung von Be

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German Pages 221 Year 2004

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Zur strukturellen Korrespondenz zwischen den gesetzlichen Ablehnungsgründen nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag: Eine Analyse der neueren Revisionsrechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung des Merkmals der Konnexität [1 ed.]
 9783428510429, 9783428110421

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Schriften zum Prozessrecht Band 182

Zur strukturellen Korrespondenz zwischen den gesetzlichen Ablehnungsgründen nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag

Von Miriam Tenorth-Sperschneider

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MIRIAM TENORTH-SPERSCHNEIDER

Zur strukturellen Korrespondenz zwischen den gesetzlichen Ablehnungsgründen nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag

Schriften zum Prozessrecht Band 182

Zur strukturellen Korrespondenz zwischen den gesetzlichen Ablehnungsgründen nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag Eine Analyse der neueren Revisionsrechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung des Merkmals der Konnexität

Von Miriam Tenorth-Sperschneider

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-11042-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2002 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis einschließlich Mai 2002 berücksichtigt. Die Untersuchung von Frau Dr. Johanna Schulenburg – „Das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung im Strafprozeß“ – war zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Einreichung der Arbeit beim Fachbereich noch nicht erschienen und ist daher in die Endfassung des Manuskriptes nicht mehr eingearbeitet worden. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Heinz Giehring, gilt mein besonderer Dank. Er gab nicht nur den Hinweis auf die interessante Thematik, sondern hat die Arbeit mit persönlichem Interesse, Engagement und Geduld betreut und stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Gerhard Fezer, der in sehr kurzer Zeit das Zweitgutachten gefertigt und dessen Seminar zum Beweisantragsrecht mir weitere konstruktive Anregungen gegeben hat. Meinem Frankfurter Lehrer, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Naucke, danke ich dafür, daß er das Interesse für Straf- und Strafprozeßrecht geweckt und mich ermutigt hat, über das alltägliche Studium hinaus, eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Nicht zuletzt hat das Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes die notwendige Ruhe zur Erstellung und damit den erfolgreichen Abschluß dieser Arbeit ermöglicht. Sorgfalt und Mühe von Frau Bettina Eweleit haben schließlich dazu beigetragen, daß aus einem Dissertationsmanuskript eine gut redigierte Druckvorlage geworden ist. Gedankt sei an dieser Stelle aber auch meinen lieben Freunden, Dr. Sabine Siebert und Denis Basak, die mir in unzähligen Telefonaten neue Energie gegeben haben, sowie meinem netten Kollegen Dr. Frank Meyer, der diese Arbeit mit viel Kaffee und ständiger Diskussionsbereitschaft gefördert hat. Berlin, im Dezember 2002

Miriam Tenorth-Sperschneider

Inhaltsverzeichnis Einleitung: Beschreibung und Einordnung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1. Teil

Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz

26

1. Kapitel Beweisrechtliche Grundlagen

26

A. Abstrakte Betrachtung der Beziehung zwischen der Struktur des Beweisantrags und den gerichtlichen Ablehnungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

I. Die Struktur des Beweisantrages und die Stellung der Beweisbehauptung im Beweisgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1. Objektiver Erklärungsgehalt der Beweisbehauptung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

(a) Die Prognose des Beweisergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

(b) Die Prognose des Beweiswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

(c) Die Beweisbehauptung im engeren Sinn / die Beweistatsache . . . . . . . . . .

29

(d) Das Beweisziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

2. Subjektive Einschätzung des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

II. An die Struktur des Beweisantrags anknüpfende theoretische Ablehnungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

1. Gerichtliche Zurückweisung der Prognosebehauptung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

(a) Gerichtliche Verneinung der Beweisergebnisprognose . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

(b) Gerichtliche Verneinung der Beweiswertprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

2. Ablehnung der Beweisbehauptung wegen Überflüssigkeit der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

3. Gerichtliche Ablehnung des Beweisantrags wegen subjektiver Überzeugung des Antragstellers von der Aussichtslosigkeit seines Beweisbegehrens

34

8

Inhaltsverzeichnis III. Beweisrechtliche Ablehnungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Strukturelle Schwäche des Inquisitionsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

2. Das Verbot der Beweisantizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

(a) Beweisantizipationsverbot und gerichtliche Ablehnung der Prognosebehauptung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

(b) Beweisantizipationsverbot und gerichtliche Ablehnung der Beweisbehauptung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

(c) Beweisantizipationsverbot und gerichtliche Ablehnung wegen subjektiver Überzeugung des Antragstellers von der Aussichtslosigkeit des begehrten Beweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

B. Möglicher Zusammenhang zwischen beschränkten Ablehnungsbefugnissen und antragsrechtlichen Darlegungslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

I. Begrenzte Ablehnungsmöglichkeiten auf der Ebene rein prospektiver Beweiswürdigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

II. Verbot rein retrospektiver Beweiswürdigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

III. Fehlende Informationsgrundlage für prozeßrechtskonforme Ablehnungsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

IV. Übertragung der Last der Informationsgewinnung und -darlegung auf den Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

2. Kapitel Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz

53

A. Beschränkte Ablehnungsmöglichkeiten nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO . . . . . . . . . . . .

53

B. Anwendungsvoraussetzungen der einzelnen Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

I. Der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels . . . . . . . . .

57

1. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

(a) Praktischer Anwendungsbereich des Ablehnungsgrundes . . . . . . . . . . . . . .

62

(b) Plausibilität des begründeten Ablehnungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

3. Mit den Anwendungsvoraussetzungen korrespondierende Substantiierungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

Inhaltsverzeichnis

9

II. Der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache . . . . . . . . . . .

66

1. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

(a) Zulässigkeit retrospektiver Zwischenbeweiswürdigungen . . . . . . . . . . . . . .

69

(b) Unzulässigkeit retrospektiver Zwischenbeweiswürdigungen . . . . . . . . . . .

70

(c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

(aa) Praktischer Anwendungsbreich des Ablehnungsgrundes . . . . . . . . . .

73

(bb) Plausibilität des begründeten Ablehnungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . .

75

2. Mit den Anwendungsvoraussetzungen korrespondierende Substantiierungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

III. Der Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

1. Anwendungsvorausetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

2. Mit den Anwendungsvoraussetzungen korrespondierende Substantiierungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

C. Begriff der Substantiierungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

I. Bedeutung des Begriffs in der Zivilrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

II. Übertragbarkeit auf den Strafprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

D. Substantiierungslast als Begriffsmerkmal des Beweisantrags – Abgrenzung zum Beweisermittlungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

I. Prozessuale Behandlung des Beweisermittlungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

1. Inhaltliche Anforderungen nach § 244 Abs. 3 – 5 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. Formale Anforderung nach § 244 Abs. 6 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

(a) Informationsfunktion der begründeten Ablehnung eines unsubstantiierten Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

(b) Kontrollfunktion der begründeten Ablehnung eines unsubstantiierten Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

II. Präzisierung der beweisantragsrechtlichen Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

1. Konturlosigkeit der Figur des Beweisermittlungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

2. Prozessuale Wertkategorien der Zulässigkeit und der Begründetheit des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

3. Trennung von Formvoraussetzungen und Wertungsaspekten . . . . . . . . . . . . . . .

99

4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

10

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Unterschiedliche Möglichkeiten der Einschätzung erweiterter Darlegungslasten im Beweisantragsrecht

100

A. Grundsätzliche Ablehnung erweiterter Substantiierungslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. Kriterien einer eigenen wertenden Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

2. Teil

Die einzelnen Anwendungsbereiche des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz – Darstellung und Bewertung der neueren Rechtsprechung

108

1. Kapitel Anforderungen an die Substantiierung des Antrags unter dem Aspekt der Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit

109

A. Entwicklung der neueren Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Darstellung der einzelnen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Die Entscheidung BGHSt 37, 162 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Die Entscheidung BGHSt 39, 251 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Die Entscheidung BGHSt 40, 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Die Entscheidung BGH NStZ 1998, 97 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Konnexität (im engeren Sinn) als Ausdruck der Relativierung des Beweistatsachenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Strukturelle Notwendigkeit der Konnexität im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Konnexität im engeren Sinn als Prüfungsvoraussetzung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit des Beweismittels . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Inhaltsverzeichnis

11

B. Bewertung des Merkmals der Konnexität (im engeren Sinn) in der Literatur und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Vereinbarkeit der Konnexität (im engeren Sinn) mit dem Beweisantizipationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Relativierung des Definitionsmerkmals der Beweistatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Begrenzte Substantiierungsmöglichkeiten des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 IV. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

2. Kapitel Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags unter dem Aspekt der Prüfung der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels

142

A. Entwicklung der neueren Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Darstellung der einzelnen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Die Entscheidung BGHSt 43, 321 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Die Entscheidung BGH NStZ 2000, 437 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Die Entscheidungen BGH NStZ 1999, 522 und NStZ – RR 2001, 43 . . . . . . . 146 II. Konnexität im engeren und weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Strukturelle Notwendigkeit der Konnexität im weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels . . . . . . . . . . 151 2. Ablehnungsgrund der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Vergleich des Konnexitätserfordernisses mit der sog. Vermutungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B. Bewertung der Konnexität (im weiteren Sinn) in der Literatur und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Aufhebung des eigenständigen Charakters des Beweisantragsrechts . . . . . . . . . . . 165 1. Konnexität als Darlegung des Naheliegens einer weiteren Beweisaufnahme

165

2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (a) Konnexität als Darlegung der Grundplausibilität des Antrags . . . . . . . . . . 168 (b) Differenz der Beweiserhebungspflichten nach § 244 Abs. 2 und Abs. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

12

Inhaltsverzeichnis II. Begrenzte Substantiierungsmöglichkeiten des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Gerichtliche Hinweis- und Fürsorgepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Hinweis- und Fürsorgepflicht im Fall des Hilfsbeweisantrages . . . . . . . . . . . . . 177 III. Zusammenfassende Stellungnahme zur Konnexität (im weiteren Sinn) . . . . . . . . 179

3. Kapitel Antragskonstellationen, die typischerweise einen Konnexitätsvortrag erforderlich machen – Vergleich mit traditionellen Substantiierungsanforderungen

181

A. Konnexitätstypische Antragskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I. Gemeinsames Strukturelement der Konnexitätsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . 182 II. Problematik des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 B. Einzelne Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. Behauptung einer Negativtatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Konnexität und Negativtatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Gefahr der formalistischen Handhabung des Konnexitätskriteriums . . . . . . . . 185 (a) Anforderungen an die konkrete Antragsformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (b) Beachtung der gerichtlichen Auslegungs- und Hinweispflicht. . . . . . . . . . 188 3. Traditionelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. In einer Wertung zusammengefaßtes Beweisthema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Konnexität und wertende / zusammenfassende Beweisbehauptungen . . . . . . . 193 2. Gefahr der formalistischen Handhabung des Konnexitätskriteriums . . . . . . . . 193 3. Traditionelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (a) Einfache Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (b) Der Tatsachenkern wird in der Beweiserhebung deutlich . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Angabe einer Zeugenmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Substantiierungsanforderungen im Bereich von Zeugenmehrheiten . . . . . . . . 199 2. Konnexität und Zeugenmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Inhaltsverzeichnis

13

4. Kapitel Prozessuale Folgeaspekte erweiterter Substantiierungslasten

201

Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Einleitung: Beschreibung und Einordnung des Themas Im deutschen Strafverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Nach § 244 Abs. 2 StPO ist das Gericht zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet und hat zu diesem Zweck „die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind“. Der Umfang der gerichtlichen Beweiserhebungspflicht wird aber nicht nur durch den in § 244 Abs. 2 StPO normierten Amtsaufklärungsgrundsatz, sondern auch durch Beweisanträge der Verfahrensbeteiligten 1 bestimmt, denen das Gericht in den Grenzen des § 244 Abs. 3 – 6 StPO zu entsprechen hat. Aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 244 Abs. 2 StPO einerseits und des § 244 Abs. 3 – 6 StPO andererseits konzentriert sich die Erörterung der Funktion des Beweisantragsrechts im Kern auf dessen Verhältnis zur richterlichen Wahrheitserforschungspflicht. Nach der in Literatur und Rechtsprechung überwiegenden und der nachfolgenden Arbeit zugrunde liegenden Ansicht findet das Nebeneinander von Amtsaufklärung und Beweisantragsrecht seine Begründung in einer sachlichen Differenz der gerichtlichen Beweiserhebungspflicht. Das Beweisantragsrecht ermöglicht den Verfahrensbeteiligten und damit vor allem dem Angeklagten und der Verteidigung die Durchsetzung von Beweiserhebungen, die das Gericht selbst bei Ausübung seiner Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO nicht für notwendig erachtet. Daß ein Antrag im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO das Gericht zu einem „Mehr“ an Sachaufklärung verpflichten kann2, wird zum einen inhaltlich durch den abschließenden Katalog des § 244 Abs. 3 – 5 StPO gewährleistet, der eine gerichtliche Zurückweisung nur bei Vorliegen der strengen gesetzlichen Ablehnungsvoraussetzungen erlaubt, zum anderen verfahrensmäßig durch die Regelung des § 244 Abs. 6 StPO abgesichert, nach der die Ablehnung eines Beweisantrags eines Beschlusses bedarf. Dagegen ist die gerichtliche Einschätzung potentieller Beweise im Rahmen der Amtsaufklärung nicht dem inhaltlich strengen Ablehnungskatalog des § 244 Abs. 3 StPO unterworfen. Hier darf von einer weite1 Antragsberechtigt sind neben dem Angeklagten und seiner Verteidigung auch die Staatsanwaltschaft, der Neben- und der Privatkläger. LR – Gollwitzer, Rn. 96 zu § 244. 2 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 29 ff.; 65, 73, 88, 371, 412, 868; Simader, S. 24 ff.; Stützel, S. 2 ff.; Schmidt, LK II, Rn. 22 ff., Vorbem. zu §§ 244 – 256; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 12 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 42 zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97 (99); LR – Gollwitzer, Rn. 59, 119; SK – Schlüchter, Rn. 52 zu § 244; Grünwald, Beweisrecht, S. 106 f., HK – Julius, Rn. 2 zu § 244; Julius, MDR 1989, 116 (118); Sarstedt, DAR 1964, 307 (308); Nierwetberg, Jura 1984, 631 (637).

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ren (möglichen) Beweiserhebung bereits dann abgesehen werden, wenn nach (der revisionsrechtlich überprüfbaren) verständigen Würdigung des Tatrichters3 keine „begründeten Zweifel“ an der Richtigkeit der bereits festgestellten Tatsachen mehr bestehen. Bestimmend für das Ausmaß der gerichtlichen Ermittlungspflicht ist danach, ob sich aus Sicht des Tatrichters eine weitere Beweisaufnahme aufdrängt oder naheliegt.4 Das Bestehen einer sachlichen Differenz zwischen dem rechtlich geforderten Umfang der Beweisaufnahme aufgrund der Amtsaufklärungspflicht und aufgrund eines Beweisantrages wird indirekt durch den Gesetzgeber bestätigt. Soweit in den § 77 Abs. 2 Nr. 1 OwiG; § 384 Abs. 3 StPO und der inhaltlich entsprechenden Regelung des § 420 Abs. 4 StPO der Umfang der Beweisaufnahme ausdrücklich am Aufklärungsgebot des § 244 Abs. 2 StPO ausgerichtet wird, verlöre die damit zum Ausdruck gebrachte Befreiung des Tatrichters vom Ablehnungskatalog des § 244 Abs. 3 – 6 StPO ihren Sinn, wenn man annähme, daß der Gesetzgeber den durch die Amtsermittlung und das Beweisantragsrecht ausgelösten Beweisumfang als identisch betrachte.5 Die dagegen in der Literatur zum Teil vertretene Mindermeinung, nach der das Beweisantragsrecht und die Aufklärungspflicht das Gericht zu identischen Aufklärungsbemühungen verpflichten6, mag theoretisch plausibel begründbar sein, da eine strenge Anbindung der Amtsaufklärungspflicht an das Beweisantizipationsverbot die Vollständigkeit und Richtigkeit der gerichtlichen Sachverhaltsfeststellung absichert.7 Die Annahme eines identischen Aufklärungsmaßstabs im Rahmen des § 244 StPO wird jedoch der geübten Rechtspraxis8 nicht gerecht. Neben den 3 BGH NJW 1951, 283 Nr. 22; BGH NStZ 1994, 247 (248); Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 12 zu § 244; Fezer in Festgabe BGH, 847 (857); Widmaier, NStZ 1984, 248 (249 f.); Herdegen, NStZ 1984, 97 (98). 4 Zu diesem Maßstab siehe BGHSt 3, 169 (175); 10, 116 (119); 36, 159 (165, 166); BGH NStZ 1990, 384; NStZ 1994, 247 (248); BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge Nr. 3, 4, 6, 7; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 20; Dahs / Dahs, Rn. 247; LR – Gollwitzer, Rn. 46, 339, 342, 345 f. zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 36, 177 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 37 zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97 f.; Widmaier, NStZ 1994, 248 (249); 414 (418). 5 KK – Pelchen, Rn. 3 zu § 384; KK – OwiG – Senge, Rn. 3 zu § 77 OWiG; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 13, 14 zu § 384 und Rn. 10 zu § 420. 6 Vertreter der sog. Identitätslehre: Engels, Diss., S. 12 f.; 21 ff.; 66 ff.; 162; Wessels, JuS 1969, 1 (3 f.); Bergmann, S. 136 ff.; Köhler, S. 27. 7 Vor allem nach Ansicht Engels ist eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung im Hinblick auf die Wahrheitserforschungspflicht immer fehlerhaft, unabhängig davon, ob Beweisanträge gestellt werden oder nicht: Engels, Diss., S. 54, 64, 66 ff.; 73; 162; ders., GA 1981, 21 (26, 30, 36). Einschränkend Wessels, JuS 1969, 1 (5 Fn. 47). Darstellend vgl. Schatz, S. 215 ff. 8 Der Behauptung der Identität des Umfangs der Beweiserhebungsverpflichtung nach § 244 Abs. 2 und Abs. 3 StPO werden von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur vor allem Praktikabilitätserwägungen entgegengehalten. Eine strenge Bindung der nach § 244 Abs. 2 StPO bestehenden Pflicht an das Beweisantizipationsverbot würde das konkrete Strafverfahren zu einer endlosen Veranstaltung ausufern lassen und für die Strafrechtspflege in ihrer Gesamtheit die Gefahr begründen, daß ihre – nicht unbegrenzt vermehr-

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bereits beschriebenen gesetzlichen Stellungnahmen für die sog. Heterogenitätslehre geht auch die Rechtsprechung davon aus, daß das Beweisantragsrecht gerade dazu bestimmt sei, das Gericht zu nötigen, über das von ihm zur Sachaufklärung für erforderlich Gehaltene hinauszugehen.9 Mit der Analyse der neueren Revisionsrechtsprechung zum Beweisantragsrecht konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf diese Rechtspraxis. Im übrigen würde die auf eine Detailanalyse beschränkte Fragestellung, ob konkrete formale Anforderungen der neueren Rechtsprechung mit der beweisantragsrechtlichen Systematik vereinbar sind, ihren Sinn verlieren, wenn der Rechtsprechung der grundlegendere, von den formalen Anforderungen losgelöste Vorwurf einer fehlerhaften Interpretation des Verhältnisses von Amtsaufklärungspflicht und Beweisantragsrecht gemacht werden sollte. Daher wird im Rahmen dieser Arbeit auf eine grundsätzliche Erörterung der Kontroverse zwischen der vorherrschenden Heterogenitätsund der sog. Identitätslehre verzichtet.10 Die vorliegende Untersuchung geht davon aus, daß § 244 Abs. 2 StPO einerseits und § 244 Abs. 3 – 6 StPO andererseits unterschiedliche Maßstäbe für die Beweiserhebungspflicht des Tatgerichts festlegen. Während die Verpflichtung des Gerichts zur Amtsermittlung in der aktuellen Diskussion praktisch nicht in Frage gestellt wird11, steht das strafprozessuale Beweisantragsrecht zunehmend im Zentrum rechtspolitischer Kontroversen. Die geltende Regelung des Beweisantragsrechts wird vor allem von Justizpraktikern und ihren Berufsverbänden immer häufiger als eine der Hauptursachen für die Krise des deutschen Strafverfahrens verantwortlich gemacht.12 Eine zunehmend konbaren – finanziellen und personellen Ressourcen letztlich überfordert würden. Die Vertreter der Heterogenitätslehre halten es daher sowohl aus Gründen der Praktikabilität als auch zur Absicherung des rechtsstaatlichen Gebots der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege für erforderlich, den Beweisumfang auf das Maß einer geordneten und effektiven Beweiserhebung zu begrenzen. BGHSt 21, 118 (121 f.); BGH NStZ 1990, 350; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 29 ff.; Herdegen, NStZ 1984, 97 (98, 99); darstellend ter Veen mit weiteren Nachweisen S. 68 ff.; 203 ff.; 210 ff.; Julius, S. 90 mit Fn. 181; Schatz, S. 229. 9 BGHSt 21, 118 (124); BGH NStZ 1989, 334 (335); BGH NStZ 1997, 503 (504). So daß das Gericht, soweit nicht mittels der Konkretisierung von Beweisverlangen durch die Verfahrensbeteiligten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung begründet werden, berechtigt ist, seine Einschätzungsprärogative der Bestimmung des Beweiserhebungsumfangs zugrunde zu legen: BGHSt 30, 131 (140); BGH NStZ 1994, 247 (248) = StV 1994, 169 (170); ter Veen, S. 66; Perron, S. 217; ders., JZ 1994, 823 (829); Hamm, Einführung, S. 16, 17; Schmidt-Hieber, JuS 1985, 293 f.; Frister, ZStW 105 (1993), 340 (343 f.). 10 Es soll also nicht erörtert werden, ob die Entstehungsgeschichte des Beweisantragsrechts oder teleologische Überlegungen die Identitätslehre stützen könnten (zusammenfassend: Schatz, S. 215 – 243). Eine Auseinandersetzung mit der Position Engels findet aber bzgl. der Interpretation der einzelnen Ablehnungsgründe statt. Siehe dazu unten Teil 1 Kapitel 2 B. 11 Frister, ZStW 105 (1993), 340 (341). 12 Beschluß der Bundesversammlung des Deutschen Richterbundes vom 8. bis 10. 12. 1994, in: DRiZ 1994, 70; Kintzi, DRiZ 1994, 325 (327); Kunkis, DRiZ 1993, 185 (188 f.); Gössel, Gutachten 60. DJT S. C 64 ff.; Bassewitz, DRiZ 1982, 458 (461): „Das Be2 Tenorth-Sperschneider

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fliktbedachte Verteidigung13 konfrontiere den Tatrichter insbesondere in Verfahren bestimmter Kriminalitätsbereiche, so v. a. in Wirtschaftsstrafsachen und Verfahren terroristischer oder sonstiger organisierter Kriminalität, mit einer Flut von Beweisanträgen, die mit dem Instrumentarium des geltenden Rechts nicht mehr zu bewältigen sei.14 Da die praktische Handhabung der Ablehnungsgründe durch übertriebene Anforderungen der Revisionsgerichte weitgehend vereitelt würde, sei es für die Verteidiger ein leichtes Spiel, durch exzessive bis mißbräuchliche Ausübung der Beschuldigtenrechte (des Beweisantragsrechts) sachlich ungerechtfertigten Einfluß auf den Umfang der Beweisaufnahme auszuüben.15 Die Opposition der Tatrichter gegen das Beweisantragsrecht sei daher vor allem auf die Verteidigungstaktik zurückzuführen, eine Vielzahl praktisch nicht ablehnbarer Beweisanträge gezielt als Mittel der Verfahrensverzögerung, der Verfahrenssabotage und zum Aushandeln von Prozeßlagen und Prozeßergebnissen einzusetzen.16 Die Instrumentalisierung des Beweisantrags zu Zwecken, die jenseits des berechtigten Verteidigungsinteresses liegen, und die (tatsächliche oder vermeintliche) Unzulänglichkeit des Reaktionspotentials lasse das Beweisantragsrecht als ein die Effektivität der Strafrechtspflege gefährdendes Element erscheinen.17 Die Forderungen nach Auflockerung der durch das Antragsrecht ausgelösten strengen Beweiserhebungspflicht und der Einführung effektiverer Maßnahmen zur Abwehr mißbräuchlichen Parteiverhaltens haben zu unterschiedlichen Reformbestrebungen Anlaß gegeben. So sind sowohl die bereits erwähnte Befreiung des Strafrichters von den Einschränkungen des § 244 Abs. 3 – 5 StPO im beschleunigten Verfahren (§§ 411 Abs. 2 Satz 2; 420 Abs. 4 StPO) als auch die in § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO neu eingefügte erleichterte Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen Ausdruck einer Gesetzgebung, die sich dem Wunsch der Justiz nach Entlastung und Vereinfachung der Strafrechtspflege verpflichtet fühlt.18 In die gleiche Richtung weisen Versuche, das mit der „Filigrandogmatik“19 der Ablehnungsdogmatik verbundene Risiko fehlerhafter tatrichterlicher Ablehnungsbeweisantragsrecht nach § 244 StPO ist das Grundübel des deutschen Strafprozesses“, und Schrader, NStZ 1991, 224 (225) beschreibt es als „Daumenschraube für die Tatgerichte“. Zusammenfassende Darstellungen bei Schatz, S. 279 ff. und ter Veen, S. 6 ff. 13 Zur sog. Konfliktverteidigung: Hanack, StV 1987, 500 (501); Fezer, StV 1995, 263; Basdorf, StV 1995, 310 (311); Gatzweiler, StV 1985, 248 f.; Frister, StV 1994, 445 (453). 14 Fezer, StV 1995, 263; Bertram, NJW 1994, 2186 ff.; Krumsiek, ZRP 1995, 175; Ostendorf, DRiZ 1993, 197; Perron, ZStW 108 (1996); 128 f.; ter Veen, StV 1997, 374 (380 ff.). 15 Zusammenfassende Darstellung bei Schatz, S. 289. 16 Herdegen in GS für Meyer, 187; Perron, S. 23; Basdorf, StV 1995, 310 (311). 17 Herdegen in GS für Meyer, 187, 188. 18 Vorschläge der 52. Justizministerkonferenz in StV 1982, 325 ff.; Gesetzesentwürfe zum Rechtspflegeentlastungsgesetz (BT-Drks. 12 / 1217); Gesetzesentwürfe zu einem Verbrechensbvekämpfungsgesetz (BT-Drks. 12 / 6855); Gesetzesentwürfe oder -anträge der Freien und Hansestadt Hamburg vom 31. 03. 1994 (BR-Drks. 290 / 94) und des Freistaates Bayern (BR-Drks. 331 / 94). 19 Ostendorf, DRiZ 1993, 197.

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gründungen durch die Reduktion der revisionsrechtlichen Kontrollbefugnisse zu verringern.20 Neben der verfahrensmäßigen Ausweitung der Ablehnungsmöglichkeiten wird auch auf der Ebene der inhaltlichen Interpretation der Ablehnungsgründe der starke Einfluß der Verfahrensbeteiligten auf den Umfang der Beweisaufnahme zu beschränken versucht. So ist hinsichtlich der Auslegung der einzelnen Zurückweisungsgründe umstritten, ob im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO Ausnahmen vom Grundsatz des Beweisantizipationsverbotes zulässig sein sollten und wenn ja, inwieweit es dem Gericht möglich sein sollte, die Erfolgsaussichten einer begehrten Beweiserhebung bzw. deren Relevanz für die Sachverhaltsfeststellung einzuschätzen.21 Im Zentrum der aktuelleren Reformbestrebungen steht aber vor allem der Versuch, die Verteidigungsrechte durch Verschärfung der Anforderungen an einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag einzuschränken. Akteur dieser Restriktionsbemühungen ist die (höchstrichterliche) Rechtsprechung, da die Strafprozeßordnung selbst keine Definition des Begriffs des Beweisantrags enthält. Der Begriff des Beweisantrags wird im allgemeinen definiert als das ernsthafte Verlangen eines Prozeßbeteiligten, mit einem bestimmten (nach der StPO zulässigen) Beweismittel über eine bestimmte (die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffende) Tatsachenbehauptung Beweis zu erheben.22 Diese – formale – Definition läßt aber eine entscheidende Frage unbeantwortet. Nach der gegebenen Begriffsbestimmung bleibt offen, nach welchen Kriterien das Gericht entscheidet, ob das doppelte Bestimmtheitserfordernis erfüllt ist; wann also der Antragsteller hinsichtlich Beweistatsache und Beweismittel so hinreichend konkrete Angaben gemacht hat, daß seinem Beweisbegehren der Beweisantragscharakter zuerkannt wird. Erst die Anerkennung der Beweisantragsqualität verpflichtet aber das Gericht, entweder die beantragte Beweiserhebung durchzuführen oder diese nach den strengen Maßstäben des § 244 Abs. 3 – 5 StPO abzulehnen. Damit ermöglicht das Beweisantragsrecht nicht nur im Fall einer antragsgemäßen Beweiserhebung eine aktive Einflußnahme der Verfahrensbeteiligten auf den Umfang der Beweisaufnahme, denn mit der gerichtlichen Pflicht zur begründeten Ablehnungsentscheidung sind für den Antragsteller wichtige Informations- und Kontrollfunktionen verbunden.23 Zum anderen ist die revisionsrechtliche Überprüfung des ablehnenden Bescheides v. a. für die Angeklagtenseite von größter Bedeutung: Wegen der Bindung des Gerichts an die gesetzlichen Ablehnungsgründe und das grundsätzliche Verbot einer Vorwegwürdigung des Beweisergebnisses sind die Erfolgsaussichten einer Revisionsrüge, die 20

Siehe unten zum Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppungsabsicht Teil 1 Kapitel 2 B

III. Darstellend: ter Veen, Kap. IV. BGHSt 1, 29 (31); 6, 128 (129); BGH StV 1982, 55 (56); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 36 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 23 Siehe unten Teil 1 Kapitel 2 D I 2 (a), (b). 21 22

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sich auf die rechtsfehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags stützt, in der Regel erheblich größer, als etwa bei der Rüge, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO verletzt.24 Der in Rechtsprechung und Literatur betonten sachlichen Differenz zwischen dem rechtlich geforderten Umfang der Beweisaufnahme nach § 244 Abs. 3 – 6 StPO einerseits und § 244 Abs. 2 StPO andererseits entspricht auf der begrifflichen Ebene die Unterscheidung von Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag. Dem Beweisermittlungsantrag fehlt es entweder an der bestimmten Bezeichnung der Beweisbehauptung oder an der Angabe eines bestimmten Beweismittels.25 Mit der Einstufung einer Prozeßhandlung als Beweisantrag oder Beweisermittlungsantrag wird bereits auf der Ebene der formellen Abgrenzung entschieden, zu welchem Umfang der Beweiserhebung das Gericht von den Verfahrensbeteiligten gezwungen werden kann.26 Die Literatur vermutet daher hinter der formalen Qualifizierung von Beweisbegehren als Ermittlungsantrag den prozeßökonomisch motivierten Versuch, „in der Sache aussichtslose, marginale oder im Verhältnis zum potentiellen Ertrag zu aufwendige Beweisbegehren aus dem Beweisantragsrecht herauszudefinieren, um sie – überhaupt oder jedenfalls leichter – ablehnen zu können“.27 Neben diesen, insbesondere den tatgerichtlichen Beweisumfang begrenzenden Effekten werden speziell revisionsrechtliche Präzisierungen der Obergerichte kritisch beschrieben. Die umfangreiche und in ihren Fallgruppen zum Teil als unübersichtliches çase law“28 ausgestaltete Abgrenzungsrechtsprechung vermittelt nach Ansicht der Literatur bisweilen den „Eindruck“, daß es den Revisionsgerichten weniger um die Erarbeitung klarer Abgrenzungskriterien als vielmehr um Frage gehe, „ob im vorliegenden Fall das angefochtene Urteil (allein) wegen der fehlerhaften Behandlung eines auf der Grenze zum Beweisermittlungsantrag stehenden Beweisantrags aufgehoben werden soll“, wenn die Urteilsaufhebung in der Sache kein anderes Ergebnis erwarten lasse.29 Diese in der Literatur als „Herabstufung“30 beschriebene Praxis dient vor allem dazu, das nach Ansicht der Kritiker des Beweisantragsrechts bestehende Mißverhältnis zwischen den geringen formalen Anforderungen, die gemeinhin an einen Beweisantrag gestellt werden, und den durch einen Antrag ausgelösten strengen 24

Perron, S. 140 mit Fn. 148, S. 383; Gutmann, JuS 1962, 369 (377); Gollwitzer, JR 1991,

472. 25 BGHSt 6, 128; 30, 131 (142); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 65 ff.; 76, 77 (mit weiteren Nachweisen); Schwenn, StV 1981, 631 ff.; Schulz, GA 1981, 301 ff. 26 ter Veen, S. 80 mit Fn. 71. 27 Perron, S. 196. 28 Bergmann, MDR 1976, 888 (889); Perron, S. 197; HK – Julius, Rn. 18 zu § 244. 29 Perron, S. 197; Gollwitzer, JR 1991, 472; Julius, StV 1999, 86 Anmerkung zu OLG Köln StV 1999, 82. 30 Zur Kritik an diesem Begriff, der die Meinungsverschiedenheiten zwischen Tatgericht und Revisionsgericht auf einen Kunstgriff zur „Heilung“ tatrichterlicher Ablehnungsfehler reduziert, siehe unten Teil 2 Kapitel 4.

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Beweiserhebungspflichten auszugleichen. Da nach der allgemeinen Definition des Beweisantrags – Begriffs neben der Angabe einer bestimmten Tatsache und eines bestimmten Beweismittels keine weitere Begründung des Antrags erforderlich ist, der Antragsteller also weder die Relevanz der behaupteten Tatsache noch seine Kenntnis von dem Beweismittel mitzuteilen verpflichtet ist und auch nicht darlegen muß, worauf er seine Annahme stützt, daß das Beweismittel die behauptete Tatsache bestätigen wird, können mit minimalem Antragsaufwand umfangreiche Beweiserhebungen erzwungen werden.31 Um hier ein Gleichgewicht herzustellen, soll sich der Antragsteller nach den auf der formalen Ebene des Beweisantragsrechts ansetzenden Restriktionsbemühungen die starke Stellung des Beweisantrags bzw. die strenge Inpflichtnahme des Gerichts nach Maßgabe des § 244 Abs. 3 – 6 StPO durch erweiterte Substantiierungslasten erkaufen. Ein praktisch relevanter Versuch, auf der definitorischen Ebene des Beweisantrags die gerichtliche Kontrolle des Beweiserhebungsumfangs zu erweitern, kann in der formalen Anforderung gesehen werden, die Wirksamkeit eines Beweisbegehrens der Verfahrensbeteiligten von der Erfüllung einer (primären oder sekundären) Begründungslast abhängig zu machen.32 Dieser in den 80er Jahren insbesondere vom 3. Strafsenat des BGH verfolgte Ansatz zur formalen Beschränkung des Beweisantragsrechts hat unter dem Stichwort der sog. „Vermutungsrechtsprechung“ zu der viel diskutierten Frage geführt, ob bereits die Beweisantragsqualität einer Prozeßhandlung zu verneinen ist, wenn der Antragsteller eine Tatsache ohne tatsächliche Anhaltspunkte aufs „Geratewohl“, „ins Blaue hinein“ behauptet, bzw. wie weit es dem Antragsteller gestattet sein soll, die Bestätigung der Beweistatsache durch das angegebene Beweismittel zu vermuten, insbesondere wenn „keinerlei Verknüpfung des Beweisthemas mit dem genannten Beweismittel nach Aktenlage und bisherigem Beweisergebnis erkennbar ist“.33 Die in der Revisionsrechtsprechung in neuerer Zeit zu beobachtende Tendenz der formalen Beschränkung setzt an den Erfordernissen hinsichtlich der Bestimmtheit des Beweisantrags unter dem Blickwinkel der im Zeugenbeweisantrag zwischen Beweismittel und Beweistatsache bestehenden Relation an. Nach der Rechtsprechung des 1., 3., und 5. Strafsenats des BGH liegt ein Beweisantrag „nicht vor, wenn ein Konnex zwischen Beweistatsache und Beweismittel“ fehlt, da der Antrag insbesondere nicht erkennen läßt, „weshalb etwa der benannte Zeuge überhaupt etwas zum Beweisthema bekunden kann“.34 Der dahinterstehende methodische Begründungsansatz der Rechtsprechung lautet, daß dem Gericht durch den Beweisantrag die Möglichkeit gegeben werden muß, die Ablehnungsgründe zu überDazu Julius, S. 245 ff. und darstellend Schatz, S. 353 ff. Perron, S. 93 ff.; Schatz, S. 354 ff.; ter Veen, S. 76 ff. 33 Dahs / Dahs, Rn. 320. Zu dem Problemkreis siehe Alsberg / Nüse / Meyer, S. 44, 45; Bergmann, S. 56 ff.; Schwenn, StV 1981, 631; ter Veen, S. 81, 82 mit Fn. 77, 78. Ausführlich dazu unten Teil 2 Kapitel 2 A IV. 34 BGHSt 40, 3 (6); BGH NStZ 1998, 97; BGH NStZ 1999, 522. 31 32

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prüfen.35 Aus dieser „strukturell notwendigen Korrespondenz“36 von Ablehnungskatalog und Beweisantragssubstantiierung folge, wie bestimmt eine Beweistatsache und ein Beweismittel bezeichnet werden müssen. Neben (recht vorsichtiger) Zustimmung sind die Ansätze formaler Restriktionen des Beweisantrags auf scharfe Kritik gestoßen. Auch die neuere Revisionsrechtsprechung ist dem Vorwurf ausgesetzt, das „Konnexitäts“-Erfordernis knüpfe an die Versuche der Vermutungs- und Plausibilitäts-Judikatur an, den strengen numerus clausus der Ablehnungsgründe zu durchbrechen. Im Zentrum dieser Arbeit stehen die Darstellung und Analyse der neueren Revisionsrechtsprechung, die aus den Prüfungsanforderungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erhöhte Substantiierungslasten des Antragstellers ableitet. Den Rahmen der nachfolgenden Untersuchung bildet der Versuch, die neueren Tendenzen der Rechtsprechung in die Entwicklung der bisherigen formalen Restriktionsbemühungen einzuordnen und insbesondere der Frage nachzugehen, ob mit dem methodischen Ansatz der „strukturellen Korrespondenz“ von Ablehnungskatalog und Beweisantragssubstantiierung unter dem Stichwort der „Konnexität“ an die Inhalte der als überholt geltenden Vermutungsrechtsprechung angeknüpft wird. Bei der kritischen Auseinandersetzung mit der neueren Rechtsprechung unter Einbeziehung der vorliegenden Stellungnahmen des Schrifttums geht es um folgende Fragen: Wird durch die einzelne Präzisierung der begrifflichen Voraussetzungen des (Zeugen-) Beweisantrags eine sachgerechte Abstufung der Beweiserhebungsverpflichtung des Gerichts erreicht oder werden berechtigte Interessen insbesondere des Angeklagten und der Verteidigung zu Unrecht verfahrensökonomischen Belangen untergeordnet? Soweit man die Notwendigkeit einer begrenzten Zulassung von Beweisen nicht von vornherein verneint, ist die Beantwortung dieser Frage mit einer schwierigen Abwägung verbunden, da die gerichtliche Auswahl der sich anbietenden oder von dem Prozeßbeteiligten angetragenen Beweise auf der Grundlage seiner bisherigen Kenntnis vom Sachverhalt und der Beweislage das einzige Instrument zur Begrenzung der Beweisaufnahme darstellt, gleichzeitig aber eine umfassende Berechtigung des Gerichts zu antizipierender Würdigung des im Antrag begehrten Beweises nach vorherrschender Meinung eine Kollision mit dem grundrechtlich abgesicherten Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf Feststellung des wahren Sachverhalts sowie auf Gewährleistung ihrer Selbstbehauptung im Verfahren bedeutet.37 Die Suche nach einer vernünftigen Begrenzung der gerichtlichen Beweiserhebungspflicht wird durch die beiderseits absoluten Forderungen noch erschwert: Den Reformbefürwortern, die für eine Einschränkung oder gar Abschaffung des Beweisantragsrechts plädieren, steht eine geschlossene Ab35 BGHSt 40, 3 (6); BGH NStZ 1998, 97; BGH NStZ 1999, 522; so auch schon BGHSt 37, 162 (165) und 39, 251 (254), wenn auch nicht unter Verwendung des Konnexitäts-Begriffes. 36 Dieser Begriff wurde geprägt von Schulz, NStZ 1991, 449. 37 Perron, JZ 1994, 823 (829).

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wehrfront von Strafverteidigern gegenüber, die jede Bestrebung, das Strafverfahren mittels einer Begrenzung der Beschuldigtenrechte zu beschleunigen, als Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens interpretiert.38 Unabhängig von der Frage, ob die revisionsgerichtlichen Ansätze zu einer sachgerechten Verteilung der Verhandlungsmacht39 führen, ist die sog. Einstufung eines unsubstantiierten Beweisbegehrens als Beweisermittlungsantrags auch in systematischer Hinsicht zu überprüfen. Zweifel daran, daß die Tendenzen in der neueren Rechtsprechung systematisch überzeugen, könnten sich aus folgender Überlegung ergeben: Wenn die bereits zitierte Vermutung zutreffend sein soll, daß die neuere Rechtsprechungstendenz von dem Bestreben motiviert wird, in der Sache als aussichtslos eingestufte oder im Verhältnis zum potentiellen Ertrag als zu aufwendig bewertete Beweisbegehren aus dem Beweisantragsrecht herauszufiltern, dann erscheint fraglich, ob dieses Ziel mit den richtigen Mitteln verfolgt wird. Kann eine derartige Filterung durch das Aufstellen von begrifflichen Voraussetzungen, die in ihrer abstrakt-generellen Form unabhängig von den genannten Bewertungskriterien gelten sollen, erreicht werden? Zu prüfen ist, ob es bei dem Begründungsansatz der strukturellen Korrespondenz um eine allgemeingültige Festlegung der Grenze zwischen Beweiserfordernissen kraft Beweisantrag und kraft Amtsaufklärung oder um eine Erweiterung des revisionsrechtlichen Instrumentariums geht, mit dem man in geeigneten Fällen den Umstand kompensieren kann, daß Beweisanträge nicht einfach wegen Mißbrauchs40 abgelehnt werden können. Mit dieser 38 Siehe dazu einerseits Beschluß der 52. Justizministerkonferenz StV 1982, 325 (327, 331 f.) und Bundesratsentwurf zum Rechtspflegeentlastungsgesetz 1993, BT-Drks. 12 / 1217, S. 7, 36 f. und andererseits Herzog, StV 1994, 166 f.; 1995, 375; Wächtler, StV 1994, 159 (160). 39 Frister, StV 1994, 453 mit Fn. 105; Weigend, Referat zum 60. DJT M 13.; darstellend Schatz, S. 290. 40 In der jüngeren Rechtsprechung des BGH ist allerdings die exzessive Ausübung des Beweisantragsrechts unter Berufung auf ein übergesetzliches Mißbrauchsverbot zurückgewiesen worden: BGHSt 38, 111 = BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 „Mißbrauch 1“ = JR 1993, 169 mit Anmerkung Scheffler = NJW 1992, 1245 = NStZ 1992, 140. Siehe zur exzessiven Antragstellung auch LG Wiesbaden DRiZ 1994, 466 = NJW 1995, 409 = StV 1995, 239. 11 (112). Vgl. dazu auch die Begründung von OLG Hamburg NJW 1998, 621 (622) = NStZ 1998, 586 (587). In der Literatur ist die Entscheidung BGHSt 38, 111 als eine im Ergebnis zutreffende, methodisch aber nicht haltbare Lösung eines extremen Einzelfalls bewertet worden. Dabei richtet sich die Kritik sowohl gegen die Legitimität als auch die Praktikabilität der angebotenen Begründung. Insbesondere wird die dogmatische Unsicherheit bemängelt, mit der das allgemeine Mißbrauchsverbot hergeleitet wird. So weist z. B. Anders, S. 47 darauf hin, daß auch Weber (GA 1975, 289 [299]), der den Begriff des institutionellen Mißbrauchs begründete, daraus nicht eine übergesetzliche Eingriffsermächtigung folgert. Auch nach Rüping / Dornseifer, JZ 1977, 417 (418 f.) legitimiert das Mißbrauchsverbot nur Einzelpositivierungen. Wird unter Berufung auf das Mißbrauchsverbot eine Abweichung vom positiven Recht durchgesetzt, ohne dies zu begründen, so reduziert sich das sog. Mißbrauchsverbot auf die Beschreibung eines anderweitig für richtig befundenen Ergebnisses: Naucke in FS für H. Mayer, 565 (573 f.). Zu diesem Problemkreis siehe weiterhin: Rüping, JZ 1997, 865; Weber, GA 1975, 289; die ablehnende Anmerkung zu BGH NStZ 1986, 371 von Metzger in

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Einleitung

Vermutung wäre der Umstand vereinbar, daß die Rechtsprechung der einzelnen Senate hinsichtlich der begrifflichen Anforderungen an den Beweisantrag nicht einheitlich ist. Bei der kritischen Auseinandersetzung mit den einzelnen Urteilen ist daher besonders darauf zu achten, ob die jeweils aufgestellten begrifflichen Anforderungen geeignet sind, eine Differenzierung im Umfang der Beweiserhebungspflicht sachlich zu tragen oder ob sie nur eine ad-hoc-Konstruktion zur Lösung eines Einzelfalls darstellen. Schließlich bestimmt der von der Rechtsprechung gewählte Ansatz für eine Verschärfung der Anforderungen an einen Beweisantrag sowohl den Gegenstand als auch die Gliederung der nachfolgenden Untersuchung. Mit der Orientierung an den zu analysierenden Entscheidungen ist eine Beschränkung auf den in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag des Angeklagten und seiner Verteidigung auf Herbeischaffung und Vernehmung eines Zeugen verbunden.41 Der Aufbau der folgenden Kapitel orientiert sich am Begründungsansatz der strukturellen Korrespondenz. Die Arbeit beginnt mit der Darstellung derjenigen beweisrechtlichen Grundlagen, deren Kenntnis für das Verständnis der Ablehnungsgründe und der daraus möglicherweise ableitbaren Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag erforderlich ist. Dabei wird sich ergeben, daß im vorliegenden Zusammenhang nur die Ablehnungsgründe der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels und der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache einschlägig sind. Die dann folgende Analyse der Rechtsprechung konzentriert sich unter besonderer Berücksichtigung des mittlerweile etablierten Begriffs der „Konnexität“ auf diejenigen Darlegungslasten des Antragstellers, die das Verhältnis von Beweismittel (hier: dem Zeugen) und Beweistatsache betreffen.42 Nach Ansicht der neueren Rechtsprechung begründet gerade die Präzisierung der Relation der Beweisantragselemente zueinander die Bescheidungsfähigkeit des Antrags nach § 244 Abs. 3 Satz 2 (2. und 4. Var.) StPO. Durch die vorliegende Rechtsprechungsanalyse soll damit an dem abgegrenzten Problemkreis der formalen Beweisantragsvoraussetzungen die Bedeutung der Verfahrensökonomie für die Gestaltung des Beweisantragsrechts erörtert werden. Dieser Untersuchungsgegenstand betrifft eine zentrale Frage der rechtspolitischen und rechtsdogmatischen Diskussionen zum Strafverfahrensrecht der letzten Jahre.43 Jung / Müller-Dietz, 96 (98, 99); weiterhin: Niemöller, StV 1996, 501; Kempf, StV 1996, 507; Kudlich, JuS 1997, 507; Kröpil, ZRP 1997, 9; Weiss, AnwBl. 1981, 323; Herdegen, NStZ 2000, 1. Siehe dazu auch die Arbeiten von Kudlich, Spiekermann und Eschenhagen. 41 Insbesondere bleibt die Vorschrift des § 245 StPO, den die Strafprozeßordnung für präsente Beweismittel vorsieht, außer Betracht. 42 Die allein auf die Präzisierung des Beweismittels reduzierte, wenn auch im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des Ablehnungsgrundes der Unerreichbarkeit stehende Forderung des 3. Senats, einen Zeugen mit vollständigem Namen und ladungsfähiger Anschrift zu bezeichnen, wird nicht erläutert. Siehe dazu BGHSt 40, 3 (6, 7) = NJW 1994, 1294 und die ablehnenden Anmerkungen von Widmaier, NStZ 1994, 248; Wohlers, JR 1994, 288; Strate, StV 1994, 171; Rose, JR 1999, 432.

Einleitung

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Die zunehmende Beschränkung der personellen und sachlichen Ressourcen des Justizsystems bei steigender Arbeitsbelastung fördert die Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten insbesondere der Verteidigung, die bis vor einigen Jahren noch als gesicherter Bestand eines rechtsstaatlichen Verfahrens verstanden wurden. Die sich an den darstellenden Teil der Arbeit anschließende Wertung soll beantworten, wieweit solche Entscheidungen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen sachlich vertretbar sind.

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Vgl. dazu insbesondere die einleitenden Anmerkungen in der Arbeit von ter Veen.

1. Teil

Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz Die auch als „Herdegen‘sche Formel“1 beschriebene Anbindung des Beweisantragsbegriffs an die inhaltliche Prüfung der Ablehnungsgründe bildet den methodischen Begründungsansatz der im Rahmen dieser Arbeit zu analysierenden Revisionsentscheidungen.2 Eine Beschreibung und Bewertung der genannten Entscheidungen setzt eine genauere Betrachtung der Wechselwirkung von Ablehnungskatalog und Beweisantragsbegriff voraus, denn der methodische Begründungsansatz der strukturellen Korrespondenz formuliert die beweisantragsrechtlichen Substantiierungsanforderungen aus der Perspektive der gerichtlichen Prüfung der Ablehnungsgründe. 1. Kapitel

Beweisrechtliche Grundlagen Das Maß der geforderten Substantiierung und damit die Grenze zwischen bestimmten und unbestimmten Anträgen festzulegen, verlangt eine Systematisierung der Prüfungsanforderungen der einzelnen Ablehnungsgründe. Diese soll zunächst – in Umkehrung der Perspektive der strukturellen Korrespondenz – von den einzelnen Beweisantragselementen aus erfolgen, um die Gegenstände zu präzisieren, auf die sich die gerichtliche Ablehnungsentscheidung beziehen kann.

A. Abstrakte Betrachtung der Beziehung zwischen der Struktur des Beweisantrags und den gerichtlichen Ablehnungsmöglichkeiten Nach der bereits in der Einleitung zitierten Definition liegt ein Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO vor, wenn ein Prozeßbeteiligter in der HauptverhandWidmaier, NStZ 1993, 602. So erstmals BGHSt 37, 162 (165). Im Anschluß daran BGHSt 39, 251 (254); 40, 3 (6); 43, 321 (329 ff.). 1 2

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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lung eine konkrete Tatsache behauptet und verlangt, mittels eines bestimmten bezeichneten Beweismittels darüber Beweis zu erheben. Während mit den Definitionsmerkmalen der Beweistatsache und des Beweismittels die für den konkreten Akt der Erhebung eines Beweises im Verfahren notwendigen Voraussetzungen bezeichnet werden, bezieht sich die Anforderung der Beweisbehauptung auf die sprachliche Gestaltung der Antragstellung. Die Forderung der hier zu analysierenden Rechtsprechung, die Substantiierung des Beweisantrags solle dem Gericht die tatsächliche und rechtliche Bewertung des gestellten Antrags ermöglichen, knüpft an die Bestimmtheit der Beweisbehauptung und damit an die sprachliche Präzisierung der Antragsformulierung an. Dabei verlangt der Substantiierungsmaßstab der Anwendbarkeit der gesetzlichen Ablehnungsgründe nach der neueren Rechtsprechung nicht nur, daß der Antragsteller einen Sachverhalt als feststehend deklariert.1 Insbesondere im Fall eines Antrags auf Herbeiziehung und Vernehmung eines Zeugen folge aus der Korrespondenzbeziehung zwischen substantiiertem Antrag und der Anwendungsmöglichkeit des § 244 Abs. 3 StPO, daß die im Antrag aufgestellte Behauptung, daß eine bestimmte Tatsache durch den Zeugen in der Hauptverhandlung bestätigt wird, durch Informationen über die Relation von Beweismittel und Beweistatsache präzisiert wird.2 Soweit die formale Kontrolle der Revisionsrechtsprechung an der Beziehung der Beweisantragselemente zueinander ansetzt, erscheint die herkömmliche, zweigeteilte Darstellung der Beweisantragselemente, nach der Beweistatsache und Beweismittel als isolierte Bausteine eines Beweisbegehrens betrachtet werden3, nicht sachgerecht. Die Elemente des Beweisantrags sollen deshalb in der „prozessualen Verknüpfung“4 dargestellt werden, die ein Antragsteller wählt, wenn er in der Hauptverhandlung eine Beweisbehauptung aufstellt. Dadurch soll die Struktur eines Beweisantrags soweit erläutert werden, daß die theoretischen Anknüpfungspunkte einer gerichtlichen Überprüfung des Beweisantrags verdeutlicht werden. Die nachfolgenden Differenzierungen dienen daher der Systematisierung der inhaltlichen Prüfungsvoraussetzungen der Ablehnungsgründe.5

1 Nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 7 StPO kann das Gericht einen Beweisantrag ablehnen, wenn „eine erhebliche Behauptung ( . . . ) so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr“. Herdegen, StV 1990, 518 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß diese sprachliche Anforderung an die Formulierung eines Antrags, der als wahr unterstellt werden kann, für alle Beweisanträge gilt. So auch BGH NJW 1995, 1501 (1503 a. E.); BGH NJW 1999, 2683 (2684). 2 Siehe Teil 1 Kapitel 2 und Teil 2 Kapitel 1 und 2. 3 Vgl. statt vieler die Beschreibung der Antragselemente bei Alsberg / Nüse / Meyer, S. 37 f.; 39, 43, 55. 4 Sarstedt / Hamm, Rn. 589. 5 Kühl (1987), S. 27 ff.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

I. Die Struktur des Beweisantrages und die Stellung der Beweisbehauptung im Beweisgefüge Mit der Formulierung eines Beweisantrags werden verschiedene Behauptungen aufgestellt. Dabei ist zur genaueren Beschreibung der Struktur eines Beweisantrags hinsichtlich des Inhaltes einer Beweisbehauptung zwischen der Prognosebehauptung einerseits und der Beweisbehauptung im engeren Sinn – der Beweistatsache – andererseits zu unterscheiden. Gleichzeitig kann eine Differenz zwischen dem objektiven Erklärungsgehalt der Beweisbehauptung und der subjektiven Einschätzung des Antragstellers bestehen.

1. Objektiver Erklärungsgehalt der Beweisbehauptung Die verschiedenen Inhalte einer Beweisbehauptung sollen an dem von Kühl gewählten Beispiel eines Beweisantrages verdeutlicht werden: Es wird beantragt, den Zeugen Z. zu vernehmen. Der Zeuge Z. wird aussagen, daß X. der Fall war.6 (a) Die Prognose des Beweisergebnisses Mit dem Antrag, den Zeugen Z. zum Beweis, daß X. der Fall war, zu vernehmen, wird eine Prognose formuliert: Die Annahme, daß der Zeuge bekunden wird, daß X. der Fall war. Der als Beispiel gewählte Antrag enthält die unausgesprochene Annahme des Beweisgelingens, und damit auch die Prognose, daß der Zeuge nicht bekunden wird, daß Y. der Fall war, oder daß er nicht schweigen wird. Der Antragsteller prognostiziert (stillschweigend) ein bestimmtes Beweisergebnis.7 (b) Die Prognose des Beweiswertes Der Antragsteller macht mit seinem Antrag implizit geltend, daß die Aussage des Zeugen Z. geeignet sein wird, die Behauptung, daß X. der Fall war, zu stützen. Das bedeutet, daß der Antrag neben der Prognose, daß der Zeuge einen bestimmten Sachverhalt auch tatsächlich bekunden wird, auch die Hypothese enthält, daß der Zeuge dies auf eine Weise tun wird, die seine Bekundung aus der Perspektive des Gerichts als akzeptabel erscheinen läßt und damit als Grundlage oder (Teil-) Element der gerichtlichen Sachverhaltsrekonstruktion heranzuziehen ist. Die beantragte Beweisaufnahme hat – so Kühl – nicht den primären Zweck, feststellen zu können, ob die Beweisprognose im Sinne der tatsächlichen Übermittlung einer Sachverhaltsinformation8 gelingt oder scheitert. Vorrangiger Zweck der Beweis6 Kühl (1987), S. 27; vgl. dazu auch die z. T. abweichende Übernahme der Differenzierung von Kühl bei Kruse, S. 130 ff. 7 Kühl (1987), S. 27, 82. 8 Siehe dazu Anders, S. 28, der ebenfalls an der Differenzierung Kühls anknüpft.

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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aufnahme ist die Beeinflussung der gerichtlichen Entscheidung über die Berechtigung der Behauptung, daß X. der Fall war; das heißt, es geht dem Antragsteller vor allem darum, das Gericht von der Wahrheit seiner Behauptung zu überzeugen.9 Der Antragsteller macht daher mit dem Beweisantrag implizit geltend, daß die Bekundung des Zeugen Z. „ein guter Grund sein wird, die Behauptung, daß X. der Fall war, zu akzeptieren“. Der Antragsteller prognostiziert daher implizit einen bestimmten Beweiswert, die Beweiseignung des Beweismittels. (c) Die Beweisbehauptung im engeren Sinn / die Beweistatsache Auf der Grundlage des als Beispiel gewählten Antrags ist die Beweisbehauptung, daß X. der Fall war, von der Prognose, daß der Zeuge Z. diesen Sachverhalt tatsächlich und glaubhaft übermitteln wird, zu unterscheiden. Während die so verstandene Beweisbehauptung (X. war der Fall) den Informationsgehalt des Beweises im objektiven Sinn, somit den Gegenstand der Informationsmitteilung durch das Beweismittel beschreibt, bezieht sich die implizit behauptete Beweisprognose auf das Gelingen der tatsächlichen Informationsübermittlung und den positiven Beweiswert des Beweismittels.10 In Gegenüberstellung zu der rein auf den tatsächlichen Informationsgehalt des begehrten Beweises beschränkten Beweistatsache, lassen sich die beiden zuvor genannten Elemente zu einer Prognoseebene zusammenfassen. Danach sind zwei Behauptungsinhalte zu unterscheiden: Die Beweisbehauptung im engeren Sinn der Bezeichnung eines Gegenstandes der Informationsübermittlung (Beweistatsache) und eine Prognosebehauptung, bezogen auf die Behauptung eines bestimmten Beweisergebnisses (Beweisergebnisprognose) und einer bestimmten Beweiseignung (Beweiswertprognose).11 Dabei ergibt sich aus der Differenzierung zwischen Beweisbehauptung und Prognosebehauptung, daß letztere nicht nur theoretisch umfassender ist, da sie die Beweisbehauptung notwendig voraussetzt, sondern auch in der Praxis der Beweisantragstellung ist die Beweisbehauptung „gleichsam in die Beweisprognose eingefügt“.12 Die Beweisantragsinhalte der Beweis- und der Prognosebehauptung betreffen dabei die objektive Ebene der Antragstellung als sprachliche Ausgestaltung der Prozeßhandlung, d. h. die Äußerung eines prozeßbeteiligten Antragsberechtigten, der in der Hauptverhandlung begehrt, den „Zeugen Z. zu hören, der bekunden wird, daß X. der Fall war“.

Kühl (1987), S. 27. Kühl (1987), S. 27, 28; Anders, S. 28. 11 Kühl (1987), S. 82. 12 Kühl (1987), S. 28, 82. 9

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

(d) Das Beweisziel Von der Beweistatsache im engeren Sinn und der Prognosebehauptung ist schließlich das Beweisziel des Antragstellers zu unterscheiden.13 Das Beweisziel ist der Schluß, den das Gericht nach der Intention des Antragstellers aus der Beweisbehauptung ziehen soll. Während es dem Antragsteller im Fall des unmittelbaren Beweises allein darauf ankommt, daß das Gericht nach der Beweisaufnahme von der Richtigkeit der im Beweisantrag formulierten Sachverhaltshypothese überzeugt ist, richtet sich in dem praktisch viel bedeutsameren Fall14 einer unter Beweis gestellten Indiztatsache das Interesse darauf, daß das Gericht einen bestimmten, von der bestätigten Beweistatsache über einen gedanklichen Zwischenschritt verbundenen Schluß zieht. Da der Antrag, der eine Indiztatsache behauptet, in der Regel seinerseits keine Angabe darüber enthält, über welche Verbindung die mittelbar beweiserhebliche Tatsache für das Beweisziel des Antragstellers bedeutungsvoll wird, setzt eine sinngemäße Interpretation des Antrags voraus, das Begehren über das ausdrücklich Behauptete hinaus „inhaltlich anzureichern“.15 Eine Interpretation der Antragsformulierung entsprechend der Intention des Antragstellers in der konkreten Prozeßsituation (d. h. im Fall des Verteidigungsantrags entsprechend dem Entlastungsziel des Angeklagten) verbindet die ausdrückliche Behauptung der Beweistatsache mit einer implizit behaupteten Schlußregel, die nach Ansicht des Antragstellers (ggf. über weitere Zwischenglieder) einen Schluß von der mittelbaren auf die unmittelbare Tatsache zuläßt.16 Da im Rahmen eines mittelbaren Beweises die Bestätigung der Indiztatsache und das Beweisziel des Antragstellers auseinanderfallen, nimmt hier die Beweisbehauptung in der Prozeßstrategie des Antragstellers den Status eines Arguments ein, „auf das das Gericht sich stützen soll, um zu dem Beweisziel zu gelangen, das der Antragsteller intendiert“.17

2. Subjektive Einschätzung des Antragstellers Von dieser objektiven Inhaltsebene zu unterscheiden ist die subjektive Einstellung des Antragstellers zu seinem Antrag. Diese kann sich wiederum auf die Beweistatsache und auf den Prognoseinhalt beziehen. So kann der Antragsteller von der Wahrheit der Beweisbehauptung überzeugt sein und dennoch die Wahrscheinlichkeit einer Bestätigung seiner Beweisbehaup13 14 15 16 17

Andere Ansicht Kruse, S. 133 ff. Fezer in Festgabe BGH, 847 (862, 863); ter Veen, S. 99. Thole, S. 86; Kühl (1987), S. 65 f. Kühl (1987), S. 66; Köhler, S. 31; Thole, S. 86; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 588 mit Fn. 82. Kühl (1987), S. 29; Anders, S. 29.

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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tung als gering einschätzen, entweder weil er nicht (sicher) weiß, ob der Zeuge bekunden kann, daß X. der Fall war, oder weil er trotz der zu erwartenden Bestätigung der Beweistatsache durch den Zeugen vermutet, daß das Gericht ihm nicht glauben wird. Umgekehrt kann der Antragsteller die Beweisbehauptung für falsch halten, aber zugleich eine Bestätigung der Beweisprognose und damit eine falsche Aussage erwarten (etwa, weil der Zeuge dafür bezahlt wurde). Schließlich kann der Antragsteller sich einer Stellungnahme zur Beweisbehauptung enthalten, sie also weder für wahr noch für falsch halten. Mit dieser Einstellung dürfte oft die Einschätzung einhergehen, die Bestätigung der Prognose sei so gut möglich wie ihr Scheitern.18 Nach der in Rechtsprechung und Literatur überwiegenden Ansicht19 läßt das Bewußtsein des Antragstellers, daß die von ihm aufgestellte Beweisbehauptung nicht zu beweisen ist, die Beweisantragsqualität seines Beweisbegehrens unberührt. Die Behauptung der Wahrheit der Beweistatsache ist daher nicht zugleich als die Versicherung eigenen Wissen zu verstehen.20 Hinsichtlich der Beweisprognose bedeutet das: Auch wenn der Antragsteller eine nur schwache Informationsbasis besitzt, also die Wahrscheinlichkeit, daß die Prognose bestätigt wird, vom Antragsteller als gering eingeschätzt wird, handelt es sich um einen Beweisantrag. Die „institutionelle Gestalt des Beweisantrags (die in ihm aufgestellte Beweisbehauptung und Prognose)“ wird also von der subjektiven Beurteilung des Antragstellers „begrifflich und praktisch abgekoppelt“21, so daß das Gericht einen Antrag nicht mit dem Argument, der Antragsteller sei von der Beweisbehauptung nicht überzeugt, als Beweisermittlungsantrag einstufen darf.22

II. An die Struktur des Beweisantrags anknüpfende theoretische Ablehnungsmöglichkeiten Entsprechend der vorangehenden Differenzierung der Struktur eines Beweisantrags ergeben sich für das Gericht unterschiedliche Ablehnungsmöglichkeiten. Diese sind zunächst abstrakt, d. h. ohne Berücksichtigung der positiven Voraussetzungen des gesetzlichen Ablehnungskataloges nach § 244 Abs. 3 – 5 StPO, zu beSiehe zur „epistemischen Einstellung“ des Antragstellers Kühl (1987), S. 82 mit Fn. 32. BGH NJW 1983, 126; BGH NStZ 1994, 592; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 44 ff.; LR – Gollwitzer, Rn. 104 zu § 244 jeweils mit weiteren Nachweisen. Zur abweichenden Interpretation der Antrasgvoraussetzungen durch die sog. Vermutungsrechtsprechung siehe unten. 20 Herdegen, StV 1990, 518: Der Begriff der Beweistatsache ist deshalb ein beweistechnischer Begriff, denn es soll erst bewiesen werden, ob das, was als Tatsache behauptet wird, wahr ist. 21 Kühl, S. 82, 83; Anders, S. 29; KK – Herdegen, Rn. 44 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 104 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 376 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 46; Bergmann, S. 56 ff.; ders., MDR 1976, 888 (890); Schwenn, StV 1981, 631 ff. Zur abweichenden sog. „Vermutungsrechtsprechung“ siehe unten Teil 2 Kapitel 2 A IV. 22 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 44. 18 19

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

schreiben.23 Diese abstrakte Differenzierung soll die Darstellung der Zusammenhänge zwischen der Beweismaxime des Antizipationsverbotes und der inhaltlichen Reichweite des gesetzlichen Ablehnungskataloges vorbereiten.24

1. Gerichtliche Zurückweisung der Prognosebehauptung Die gerichtliche Ablehnung der Prognosebehauptung kann sich sowohl auf das behauptete Beweisergebnis als auch auf den unterstellten Beweiswert des Beweismittels beziehen. (a) Gerichtliche Verneinung der Beweisergebnisprognose Das Gericht kann einen Antrag auf Beweiserhebung theoretisch mit der Begründung ablehnen, daß die im Antrag enthaltene Beweisprognose scheitern, die Beweisaufnahme also nicht das implizit behauptete Beweisergebnis erbringen wird, weil (aus gerichtlicher Perspektive) zu erwarten ist, daß das Beweismittel (im Beispiel der Zeuge) eine andere als die behauptete oder keine tatsächliche Information übermitteln wird.25 (b) Gerichtliche Verneinung der Beweiswertprognose Die gerichtliche Ablehnung des Beweisantrags kann sich auf die implizit behauptete Beweiseignung des Beweismittels beziehen und damit auf der in der Ablehnung ausgedrückten Annahme beruhen, daß die Beweisaufnahme zwar zu dem behaupteten Beweisergebnis führen wird, die Bestätigung der im Antrag formulierten Sachverhaltshypothese durch das Beweismittel aber keinen Grund oder kein Argument liefere, um die Beweisbehauptung zu akzeptieren, etwa weil der Zeuge unglaubwürdig sein werde.26 Die Ablehnung der durch den Antrag prognostizierten Beweiseignung setzt voraus, daß das Gericht das Gelingen einer tatsächlichen Informationsübermittlung durch das Beweismittel annimmt, so daß die Verneinung der Beweiseignung überhaupt nur in Betracht kommt, wenn das prognostizierte Beweisergebnis unterstellt wird.27 Für die Dogmatik der Ablehnungsgründe entscheidend ist dabei die Frage nach dem Bezugspunkt der gerichtlichen Ablehnungsentscheidung. Die in der Ablehnungsbegründung formulierte präsumtive Beweiswürdigung kann sowohl retrospektiv als auch prospektiv erfolgen. Um eine retrospektive Beweiswürdigung han23 24 25 26 27

Siehe zur entsprechenden Darstellung Kühl (1987), S. 27. Siehe dazu unten Teil 1 Kapitel 2. Kühl (1987), S. 28; Anders, S. 28. Kühl (1987), S. 28. Kühl (1987), S. 28, 63; Anders, S. 28.

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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delt es sich, wenn das Gericht das Beweisergebnis oder den Beweiswert negativ vorwegnimmt, weil es die Berechtigung der Beweisprognose aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme verneint. Charakteristisch für die prospektive Beweiswürdigung ist dagegen, daß das Gericht für die Bildung seiner zur Ablehnung des Beweisantrags führenden Überzeugung nicht auf Informationen aus der bisherigen Beweisaufnahme zurückgreift, sondern die Berechtigung der Prognosebehauptung verneint, weil es den Aussageinhalt bzw. die Aussagekraft des Beweismittels in Relation zur Beweisbehauptung setzt.28 In Fällen, in denen die gerichtliche Ablehnungsbegründung somit an den Elementen der Prognosebehauptung ansetzt, bewertet es prospektiv oder retrospektiv das Ergebnis eines nicht erhobenen Beweises, indem es entgegen der implizit positiven Prognose des Antragstellers eine negative Einschätzung der Chance des vorhergesagten Ablaufs des tatsächlichen Aussagevorgangs oder der Glaubhaftigkeit der Beweismittelaussage vornimmt.29

2. Ablehnung der Beweisbehauptung wegen Überflüssigkeit der Beweisaufnahme Das Gericht kann schließlich die beantragte Beweisaufnahme mit der Begründung ablehnen, daß die Beweisbehauptung keines Beweises bedarf. Eine entsprechende gerichtliche Ablehnungsbegründung könnte dahingehend lauten, daß es im konkreten Fall irrelevant sei, zu wissen, ob die behauptete Tatsache wahr ist oder nicht, daß die Beweistatsache schon erwiesen oder offenkundig ist oder als wahr unterstellt werden kann.30 Sieht das Gericht von einer beantragten Beweiserhebung ab, weil es die Beweistatsache für offenkundig hält, als bereits erwiesen ansieht oder als wahr unterstellt, liegt darin nicht die Zurückweisung der Beweisbehauptung des Antragstellers, sondern vielmehr deren Bestätigung. Lediglich die weitere Beweiserhebung und somit die Beweisbedürftigkeit der Beweisbehauptung wird verneint.31 Dagegen widerspricht das Gericht der (stillschweigenden) Argumentation des Antragstellers, wenn es die begehrte Beweisaufnahme als irrelevant für die gerichtliche Überzeugungsbildung bewertet. Im Zusammenhang mit der Funktion des Beweisantragsrechts, den Verfahrensbeteiligten das Recht auf einen 28 Kühl (1987), S. 63: In concreto können auch retrospektive Würdigungselemente eine Rolle spielen. So dürfte sich ein Gericht in der Verneinung der Prognose-Behauptung bestätigt fühlen, wenn die Beweisbehauptung außerdem dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme widerspricht. Siehe auch ter Veen, S. 58 ff.; Perron, S. 217, 218; Herdegen, NStZ 1998, 444 (448). 29 Anders, S. 29. 30 Kühl (1987), S. 28. 31 HK – Julius, Rn. 23 zu § 244: In diesen Ablehnungsgründen liegt keine Benachteiligung des Antragstellers. Zur inhaltlichen Ausdehnung der Ablehnungsgründe siehe die kritische Darstellung von ter Veen, S. 88 ff.

3 Tenorth-Sperschneider

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Gegenbeweis einzuräumen32, erscheint daher gerade die Zurückweisung wegen Irrelevanz der Beweisbehauptung problematisch, so daß sich sowohl die weitere abstrakte als auch die daran anschließende konkrete Darstellung auf diese beweistatsachenbezogene Ablehnungsbegründung beschränken sollen. Im Fall des unmittelbaren Beweises wird durch die gerichtliche Ablehnung zugleich die Erheblichkeit des Beweisziels verneint. Im Fall des Indizienbeweises, in dem die Bestätigung der mittelbaren Beweistatsache allein noch nicht mit der Bestätigung des Beweisziels gleichgesetzt werden kann, ist nicht die mittelbare Indiztatsache, sondern der die Indiztatsache mit dem Beweisziel verbindenden Erfahrungssatz unter Relevanzaspekten zu würdigen Das Erheblichkeitsurteil setzt daher beim Indizienbeweis am generellen Erfahrungssatz und damit mittelbar am Beweisziel an. Mit der an dem Strukturelement der Beweisbehauptung anknüpfenden Ablehnung verneint das Gericht im Fall des unmittelbaren Beweises die rechtliche, im Fall des mittelbaren Beweises die faktische Relevanz der behaupteten Tatsache.33 Der Ablehnung der Beweisbehauptung kommt nur insoweit ein eigenständiger, allein auf die Beweistatsache bezogener Anwendungsbereich zu, als sie der Unterstellung der Bestätigung der Prognosebehauptung (hinsichtlich Beweisergebnis und Beweiswert) in der Beweisaufnahme nachgeschaltet 34 bzw. unabhängig von der Frage nach der Bestätigung der Prognosebehauptung beurteilt wird. Im Rahmen der beweisthemenbezogenen Ablehnungsgründe zeigt sich die Eigenständigkeit des Strukturelements der Beweistatsache. Lehnt das Gericht einen Antrag ab, weil die Beweisbehauptung unerheblich, offenkundig, schon erwiesen oder als wahr zu unterstellen ist, nimmt das Gericht zu der Frage, ob die Beweisergebnisund Beweiswertprognose in der Beweisaufnahme bestätigt oder widerlegt werden wird, gar nicht Stellung.35

3. Gerichtliche Ablehnung des Beweisantrags wegen subjektiver Überzeugung des Antragstellers von der Aussichtslosigkeit seines Beweisbegehrens Das Gericht kann seine Ablehnungsentscheidung schließlich theoretisch auf die subjektive Einstellung des Antragstellers hinsichtlich seiner im Beweisantrag aufgestellten Behauptungen stützen. Das Gericht würde danach den begehrten Beweis entweder mit der Begründung ablehnen, daß der Antragsteller vom Nichtvorliegen der Beweistatsache überzeugt ist oder daß er von der Aussichtslosigkeit des begehrten Beweises ausgeht, da er Alsberg / Nüse / Meyer, S. 411. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 580 ff.; 586 ff. 34 Kühl (1987), S. 28, 63, 64, 82. 35 Kühl (1987), S. 82. Das Gericht darf dazu auch zum Schutz des Beweiserhebungsanspruchs des Antragstellers gar nicht Stellung nehmen, siehe dazu unten Teil 1 Kapitel 2 B II. 32 33

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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glaubt, daß das Beweismittel die Beweistatsache nicht oder in einer das Gericht nicht überzeugenden Weise bekunden wird. Die Zurückweisung eines Antrags mit der Begründung, daß der Antragsteller von der Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung überzeugt ist, ist mit der Schwierigkeit verbunden, daß der objektive Erklärungsgehalt des Beweisantrags keine unmittelbaren Schlüsse auf die subjektive Einschätzung des Antragstellers zuläßt. Soweit sich außerhalb der Erklärung des Antragstellers für das Gericht keine hinreichenden Indizien ergeben, setzt eine entsprechende Ablehnung daher voraus, daß der Antragsteller selbst mitteilt, daß er sich von der Beweiserhebung keine für ihn günstige Beeinflussung des Beweisverfahrens verspricht, was dieser nicht tun wird, da er sich damit in Widerspruch zu seiner eigenen Prozeßhandlung bzw. Prozeßtaktik setzen würde. Das Gericht ist zur Begründung seiner Ablehnungsentscheidung damit auf die Möglichkeit verwiesen, entweder aus dem objektiven Erklärungsgehalt des Antrags Rückschlüsse auf die subjektive Einschätzung des Antragstellers zu ziehen oder den Antragsteller aufzufordern, den Verdacht seiner Überzeugung von der Sinnlosigkeit einer weiteren Beweiserhebung durch Anhaltspunkte für seine positive Erfolgserwartung zu entkräften.

III. Beweisrechtliche Ablehnungsbeschränkungen Die theoretisch denkbaren Ablehnungsgründe sind im geltenden Recht nicht ausgeschöpft. Wenn auch das strafprozessuale Beweisantragsrecht den Prozeßbeteiligten keinen uneingeschränkten Anspruch auf Erweiterung der Beweisaufnahme einräumt, so sind doch die Möglichkeiten des Gerichts, einen Beweisantrag zurückzuweisen, in der gesetzlichen Regelung so eng gefaßt, daß der Katalog des § 244 Abs. 3 StPO eher als Ablehnungsbeschränkung36 denn als Ablehnungsermächtigung zu verstehen ist. Die inhaltlich starke Eingrenzung der gerichtlichen Ablehnungsbefugnisse dient nach vorherrschender Ansicht der Kompensation der mit dem Inquisitionsprozeß verbundenen Gefahren für eine möglichst objektive und vollständige Wahrheitsermittlung.37

1. Strukturelle Schwäche des Inquisitionsprozesses Der Umstand, daß in der Person des Tatrichters sowohl die Aufgabe der Tatsachenermittlung (§ 244 Abs. 2 StPO) als auch die der Tatsachenbewertung (§ 261 StPO) funktionell miteinander verknüpft sind, begründet eine „systemspezifische Fehlurteilsgefahr“38 und wird daher allgemein als strukturelle Schwäche des in der SK – Paeffgen, Rn. 10 zu § 420; im Anschluß daran KK – Herdegen, Rn. 64 zu § 244. Siehe dazu Wißgott, S. 258 ff.; Schulz, StV 1991, 354 (359 ff.); KK – Herdegen, Rn. 66 ff. zu § 244. 38 Perron, JZ 1994, 823 (830 mit Fn. 72). 36 37

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

deutschen Strafprozeßordnung anerkannten Instruktionsprinzips gewertet.39 Beantragen die Parteien eine weitere Beweiserhebung bei dem Gericht, das seinerseits die Entscheidung, ob es die Beweisaufnahme entsprechend erweitern oder den Antrag ablehnen soll, von einem präsumtiven Erheblichkeitsurteil zu einer hypothetischen Beweistatsache und einem vorauswürdigenden Urteil über die Geeignetheit eines Beweismittels abhängig macht, liegt die Vermutung nahe, daß die bereits vorgenommene Beweisaufnahme die Einschätzung des voraussichtlichen Ergebnisses der noch möglichen Beweiserhebungen und damit die tatrichterliche Rekonstruktion des Sachverhaltes beeinflussen wird.40 Den beschriebenen strukturellen Schwachpunkt des strafprozessualen Instruktionsprinzips bildet nach der überwiegenden Ansicht demnach die personelle Identität von Beweiserhebung und Beweiswürdigung, die die Gefahr einer lückenhaften, unvollständigen oder einseitigen Beweisaufnahme und damit einer fehlerhaften gerichtlichen Überzeugungsbildung begründet.41 Die Berechtigung des Tatrichters, eine prognostische und zugleich abschließende Entscheidung über den Umfang der Beweiserhebung zu treffen und damit einen aus gerichtlicher Perspektive als gesichert angesehenen Sachverhalt festzuschreiben, erscheint nicht nur vor dem Hintergrund eines zwangsläufig begrenzten menschlichen Erkenntnisvermögens42 und der allgemeinen Unsicherheit des Beweisens43 bedenklich. Nach dem Ergebnis zahlreicher empirischer Studien bildet sich die richterliche Überzeugung von der Gültigkeit einer bestimmten Sachverhaltsrekonstruktion nicht erst nach Abschluß der Beweisaufnahme, sondern besteht bereits als vorgefaßte Meinung oder entwickelt sich im Prozeß mit dem Fortlauf der Hauptverhandlung.44 Der Grundsatz der Amtsermittlung, der dem Gericht u. a. die Pflicht aufer-

39 Kunert, GA 1979, 401 (410); Herdegen, NStZ 1984, 97; Schulz, StV 1991, 354 (360, 361); Perron, JZ 1994, 823 (830 mit Fn. 72). 40 Kunert, GA 1979, 401; Herdegen, NStZ 1984, 97; ders. in GS für Meyer, 187 (188, 189). 41 Kunert, GA 1979, 401 ff.; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 22; Perron, S. 45 ff. 42 Gutmann, JuS 1962, 369 (373): Die Instruktionstätigkeit des § 244 Abs. 2 StPO hat trotz aller Aufklärungsmöglichkeiten und der Pflicht zur allseitigen Kognition eine natürliche Grenze. 43 Perron, S. 45 ff. Diese ergibt sich unter anderem daraus, daß auch die Informationen, die aus den Beweismitteln gewonnen werden können, nicht immer zuverlässig sind. Dies gilt insbesondere für den Zeugenbeweis: Neben dem Risiko, daß der Zeuge bewußt die Unwahrheit sagt, ist nach den Ergebnissen empirischer Untersuchungen auch die Bekundung eines redlichen Zeugen mit einem so hohen Grad an Unzuverlässigkeit verbunden, daß eine völlig fehlerfreie Aussage vor Gericht eher die Ausnahme als die Regel ist: Bender / Nack, Bd. 1, Rn. 2 ff.; Schünemann in FS für Meyer-Goßner, 385 ff.; Eisenberg, Rn. 1374 ff.; 1383 ff.; siehe auch Kühne, NStZ 1985, 252. 44 Peters, Fehlerquellen, S. 232 ff.; ders., Gutachten C für den 52. DJT 1978, C 48; Bandilla (1986), S. 47 ff.; Bandilla / Hassemer, StV 1989, 551 ff.; Schünemann, GA 1978, 161 (171); ders., StV 2000, 159 ff.; siehe dazu auch Perron, JZ 1994, 823 (830 mit Fn. 72); Frister, StV 1997, 150 (157).

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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legt, sich anhand des Studiums der Ermittlungsakten auf die notwendige Sachverhaltsaufklärung in der Hauptverhandlung vorzubereiten, begründet – insbesondere in Fällen mit kritischer Beweislage – das Risiko, daß die richterliche Wahrnehmung und Verarbeitung der in der Hauptverhandlung gewonnenen Informationen durch die aus der Aktenkenntnis gewonnene Überzeugung beeinflußt wird.45 Nach dem Ergebnis der genannten Untersuchungen hält der Richter tendenziell an dem Tatbild fest, das er aus den Ermittlungsakten übernommen hat. Diese richterliche Vor-Einschätzung der Beweislage kann zur Verzerrung der Beweisaufnahmeergebnisse etwa in der Weise führen, daß abweichende Informationen ignoriert oder in ihrer Aussagekraft der bisherigen Überzeugung untergeordnet werden, so daß die Gefahr besteht, Fehler des allein aus polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Perspektive gestalteten Ermittlungsverfahrens zu perpetuieren.46 Die Annahme, die strukturelle Besonderheit, daß sowohl Tatsachenermittlung als auch Tatsachenbewertung in der Hand des Tatrichters liegen47, lasse noch Raum für einen „streng objektiven“, „völlig würdigungsunabhängigen Maßstab für den notwendigen Umfang der Beweisaufnahme“48, basiert auf der Fiktion des unfehlbaren Richters.49 Das Risiko subjektiver Verzerrungen des Sachverhalts von Seiten eines Tatrichters zu bestreiten, käme daher einer „Selbstüberschätzung gleich“.50 Denn auch „bei höchster Kultivierung“51 kann die Relativität und Subjektivität der tatrichterlichen Erkenntnis nicht verhindert werden. Dabei gilt es zu beachten, daß nicht „nur der im schlechten Sinn vorurteilsvolle Richter solchen Wahrnehmungsverzerrungen unterliegt“.52 Gerade der pflichtbewußte Richter, der sich durch umfangreiches Aktenstudium auf die seines Erachtens nach sachdienlichen Beweiserhebungen vorbereitet hat und der nach seiner eigenen Einschätzung dem Anliegen der Prozeßbeteiligten nach umfassender Sachverhaltsaufklärung zu genügen bereit ist, wird Anträge auf weitergehende Beweiserhebung „immer als unnötige Beeinträchtigung der Effektivität richterlicher Tätigkeit erleben“.53 Je mehr das Gericht auf der Grundlage vorbereitenden Aktenstudiums oder durch bereits erhobene Beweise eine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten gewonnen hat, desto eher wird es geneigt sein, das weitere Beweisverfahren aufgrund eben dieser Überzeugung abzubrechen, weil ihm eine weitere Beweiserhebung zur Wahrheitserforschung überflüssig erscheint.54 Im Fall einer (intensiven) richterli-

Siehe die Nachweise in FN 46. Perron, JZ 1994, 823 (829, 830); Schünemann, StV 2000, 159 (163). 47 Kunert, GA 1979, 401 (410); Schulz StV 1991, 354 (360); Herdegen, NStZ 1984, 97; ter Veen, S. 38 ff. 48 Fezer, Festgabe BGH, 847 (856). 49 Schatz, S. 223. 50 Basdorf, StV 1995, 310 (312). 51 Herdegen, NStZ 1984, 97. 52 Schulz, StV 1991, 354 (360); Frister, StV 1997, 150 (157). 53 Frister, StV 1997, 150 (157). 45 46

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

chen Vorbereitung der Beweisaufnahme „wird die Durchsetzung von Verfahrensrechten ( . . . ) immer erst dann praktisch“, wenn aus Sicht des Richters das Begehren eines Prozeßbeteiligten nach weiterer Sachverhaltsaufklärung den Prozeß unnötig verschleppt.55 Die Aufstellung einer von der bisherigen Beweisaufnahme abweichenden Beweisprognose erscheint dann als „frontaler Angriff“ auf die bisherige tatrichterliche Sachverhaltseinschätzung. 56 Die der Natur der Sache nach subjektive richterliche Beurteilung der Erforderlichkeit weiterer prozessualer Aufklärung des Sachverhalts ist damit häufige Ursache für tatsächlich fehlerhafte Entscheidungen auf der Grundlage einer unsachgemäßen Verkürzung der Beweisaufnahme.57 Dem Gericht eine uneingeschränkte Ablehnungsbefugnis einzuräumen, in dem man dem Gericht die Ausschöpfung aller abstrakt denkbaren Anknüpfungen an den Beweisvortrag58 erlauben würde, ist daher mit dem Ziel möglichst umfassender Wahrheitsermittlung nicht vereinbar. Um den Verfahrensbeteiligten die Chance einzuräumen, das richterlich subjektive Sachverhaltsbild zu korrigieren, müssen pauschale Ablehnungsentscheidungen wie etwa die Zurückweisung eines Antrags mit der Begründung, daß das Gericht bereits vom Gegenteil der behaupteten Tatsache überzeugt ist oder daß es eine Beweisbehauptung für so unwahrscheinlich halte, daß sich eine Beweiserhebung nicht lohne, ausgeschlossen sein.59 Die beweisrechtlichen Ablehnungsbeschränkungen zielen daher darauf ab, strukturell unvermeidliche Verzerrungen in der richterlichen Sachverhaltsfeststellung und damit Vorurteilsbildungen zu verhindern.60

2. Das Verbot der Beweisantizipation Die Einsicht, daß eine Verknüpfung der tatrichterlichen Entscheidung über das Ob der Erhebung weiterer Beweise mit der aus dem bisherigen Beweisergebnis gewonnenen Überzeugung das strafprozessuale Ziel zuverlässiger Wahrheitsermittlung gefährde, ist Ausgangspunkt der Entwicklung des Verbotes der vorweggenommenen Beweiswürdigung. Methodische Grundlage dieser ungeschriebenen Maxime des Beweisrechts ist die prinzipielle Trennung zwischen den Phasen der Beweiserhebung und der Beweiswürdigung.61 Damit trägt das Beweisantizipationsverbot dem „Wechselspiel der Beweisprinzipien“62 Rechnung. Die richterliche 54 55 56 57 58 59 60 61

ter Veen, S. 49. Frister, StV 1997, 150 (157). Schatz, S. 257. Frister, ZStW 105 (1993), 340 (350, 351); ter Veen, S. 51. Siehe oben Teil 1 Kapitel 1 A II. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 412 ff.; LR – Gollwitzer, Rn. 182 ff. zu § 244. Perron, S. 218 mit ausführlichen Nachweisen. ter Veen, S. 52; Herdegen in GS für Meyer, 187 ( 190).

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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Pflicht zur Erforschung der Wahrheit (§ 244 Abs. 2 StPO) und die Befugnis zur freien Beweiswürdigung sind zwar aufeinander bezogen; aber nicht in dem Sinn, daß die Befugnis die Pflicht bemessen darf. Die Befugnis zur freien Beweiswürdigung setzt vielmehr die vollständige Erfüllung der Pflicht, die materielle Wahrheit zu erforschen voraus, so daß die Ausübung der Befugnis dort nicht gebilligt werden kann, wo sie zu einem Vorurteil führt.63 Das Verbot einer negativen Vorauswürdigung des beantragten Beweises ist in der allgemeinen Lebenserfahrung begründet, daß sich das Ergebnis einer Beweisaufnahme in der Regel nicht sicher voraussagen läßt und daß eine als sicher erscheinende Überzeugung deshalb wider Erwarten durch die Erhebung des begehrten Beweises umgestoßen werden kann.64 Die Verteidigung65 werde, so bereits das Reichsgericht, in der Regel unzulässig eingeschränkt, wenn das Tatgericht den Antrag des Angeklagten auf Vernehmung eines Entlastungszeugen mit der Begründung ablehnt, daß es von der Aussage des vernommenen Belastungszeugen bereits überzeugt sei, bzw. nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu erwarten sei, daß die weitere Beweiserhebung ein abweichendes Ergebnis hervorbringe, da die aufzuklärende Tatsache nicht erweislich oder das zu benutzende Beweismittel nicht tauglich sein werde.66 Die tatrichterliche Befugnis, im Rahmen der Aufklärung des Sachverhaltes von weiteren (beantragten) Beweiserhebungen abzusehen, wird durch das Beweisantizipationsverbot insoweit beschränkt, als es eine negative Vorwegnahme des Ergebnisses eines (nicht von vornherein aussichtslosen) Beweises untersagt. Der Tatrichter soll dem erhobenen Beweis und der daraus erwachsenden Überzeugung keine Priorität vor dem noch nicht erhobenen oder beantragten Gegenbeweis einräumen.67 Das Beweisantizipationsverbot entrückt das Gelingen einer Beweiserhebung, den Inhalt einer Beweisaussage und ihren Zuverlässigkeitswert einer negativen Vorbeurteilung.68 Zur genaueren Beschreibung des Inhalts des Beweisantizipationsverbotes ist zwischen der gerichtlichen prospektiven Würdigung einerseits und der gerichtliKunert, GA 1979, 401. Herdegen in GS für Meyer, 187 (188). 64 BGHSt 23, 176 (188); Engels, GA 1981, 21 (25); LR – Gollwitzer, Rn. 182 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 125 zu § 244. 65 Die Anknüpfung der Verletzung des Beweisantragsrechts an den Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO stützt nach Ansicht der Heterogenitätslehre die These, daß das Beweisantragsrecht nicht aus der Amtsaufklärungspflicht entwickelt wurde: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 23 f.; Wißgott, S. 252; Schatz, S. 224; Schulz, StV 1991, 354 (360) jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts. 66 RGSt 1, 189 (190); s. a.: RGSt 1, 51; 5, 312; 21, 225 (227); 39, 363 (364); 44, 294 (298); 47, 100 (105). 67 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 412 ff.; Herdegen in GS für Meyer, 187 (189 ff.). 68 ter Veen, S. 56; Alsberg (1930), S. 58, 62; Alsberg, JW 1922, 258; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 411 ff.; Engels, GA 1981, 21 ff.; KK – Herdegen, Rn. 65 zu § 244; Herdegen in FS für Boujong, S. 777 ff. 62 63

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

chen Bezugnahme auf das bisherige Beweisergebnis andererseits, der sog. retrospektiven Würdigung, zu unterscheiden: Da das Beweisantizipationsverbot der Absicherung einer umfassenden und objektiven Wahrheitsermittlung dient, will es subjektiv-pauschale, aus dem möglicherweise fehlerhaften Vorverständnis des Richters erwachsende Verkürzungen der Beweisaufnahme verhindern. Den Antragsteller schützt diese Beweismaxime daher in erster Linie gegen retrospektive Würdigungen des beantragten Beweises, d. h. gegen Ablehnungsentscheidungen, deren Begründung sich allein auf das Aktenstudium und das bisherige (belastende) Beweisergebnis stützt. Der Schutz des Beweisantizipationsverbotes vor prospektiven Würdigungen folgt aus dem Erfahrungssatz, daß die gerichtliche Rekonstruktion eines Lebenssachverhaltes mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist.69 Da der Richter die angeklagte Tat nicht selbst wahrgenommen hat, muß er versuchen, mittels der Befragung und Untersuchung von Beweismitteln einen der vergangenen Wirklichkeit entsprechenden Vorstellungsinhalt zu gewinnen. Die Gewißheit, daß ein für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage relevantes Geschehen sich tatsächlich so abgespielt hat, wie es in der dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhaltsfeststellung beschrieben wird, ist schwierig zu erlangen, denn für die Informationsgewinnung und -verabeitung stehen dem Richter in der Regel keine abgesicherten Erfahrungssätze zur Verfügung, so daß er auf Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung zurückgreifen muß, die auf (unsicheren) Wahrscheinlichkeitsannahmen beruhen.70 Die prinzipielle Unsicherheit des Beweisens wird zum einen durch die natürliche Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens, zum anderen dadurch verschärft, daß dem Richter häufig nur ein Teil der potentiell verfügbaren Beweismittel zur Verfügung steht und daß darüber hinaus auch die tatsächlich gewonnenen Informationen nicht immer zuverlässig sind. Insbesondere der Zeugenbeweis ist aufgrund seines höchstpersönlichen Charakters mit der Gefahr mangelhafter Wahrnehmung und Bekundung von Tatsachen verbunden.71 Das Risiko einer unsachgerechten Verkürzung der Beweisaufnahme besteht daher nicht nur, wenn der Richter seine Ablehnungsentscheidung allein auf die bisherige Beweislage stützt, sondern auch dann, wenn er zu Lasten des Antragstellers rein prospektiv das Ergebnis der beantragten Beweisaufnahme als unergiebig präsumiert, denn eine sichere Einschätzung ist erst nach der Beweiserhebung möglich. Eine Vereinbarkeit der prospektiven Würdigung mit dem Beweisantizipationsverbot ist nur dort möglich, wo die Prognose der Leistungsfähigkeit und Überzeugungskraft des begehrten Beweises auf der Grundlage eines nicht widerlegbaren Erfahrungssatzes prognostiziert werden kann, wenn also das Mißlingen mit absoluter Sicherheit bereits zuvor feststeht; z. B. wenn der Beweisantrag einen blinden Zeuge für die Bekundung optischer Wahrnehmungen benennt.72

69 Engels, GA 1981, 21 ff.; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 411 ff.; ter Veen, S. 53; LR – Gollwitzer, Rn. 182 zu § 244. 70 Perron, S. 46 ff. 71 Perron, S. 47, 48 mit Hinweis auf Peters, Fehlerquellen, S. 5 – 194.

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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Von praktischer Relevanz ist vor allem das Verbot retrospektiver Beweiswürdigung, denn wenn durch einen Beweisantrag ein Gegenbeweis erhoben werden und der Beweisantrag sich also als eigenständiges Verfahrensrecht bewähren soll, wird eine isoliert prospektive Bewertung der begehrten Beweisaufnahme nicht der Realität der gerichtlichen Würdigung entsprechen. Widersprechen die im Beweisantrag aufgestellten Behauptungen dem bisherigen Beweisergebnis, wird das Gericht den beantragten Beweis nicht abstrakt von seiner bisherigen Überzeugung würdigen, sondern die im Antrag formulierten Beweisprognosen in sein bisheriges Bild des beweiserheblichen Sachverhalts einfügen.73 So daß die Gefahr besteht, daß das Gericht auch im Rahmen einer „prospektiven“ Würdigung der zu erwartenden Beweiseignung des Beweismittels und einer Einschätzung der Beweiskraft, die dem angebotenen Beweismittel in Relation zur Beweistatsache zukommt, die feststehende Überzeugung von einer gegenteiligen Sachverhaltsrekonstruktion mit einfließen läßt und die im Beweisantrag formulierten Beweisprognosen allein aufgrund ihres Widerspruchs zum bisherigen Beweisergebnis zurückweist. Überträgt man diese inhaltlichen Differenzierungen auf die vorangehende Darstellung der Struktur eines Beweisantrages und der daran anknüpfenden theoretischen Ablehnungsmöglichkeiten, so kommt dem Beweisantizipationsverbot hinsichtlich der Ablehnung der Prognosebehauptung und der Zurückweisung der Beweisbehauptung unterschiedliche Bedeutung zu. (a) Beweisantizipationsverbot und gerichtliche Ablehnung der Prognosebehauptung Der Anwendungsbereich des Verbots der Beweisantizipation 74 betrifft im Kern die gerichtliche Beurteilung der in der Prognosebehauptung ausgedrückten Erwartung des Antragstellers hinsichtlich des Beweisgelingens und des positiven Beweiswertes des Beweismittels.75 Der eigenständige Charakter des Beweisantragsrechts besteht gerade in der Berechtigung des Antragstellers, seine Einschätzung, daß eine thematisch relevante Behauptung „überhaupt oder jedenfalls mit dem konkreten Beweismittel zu beweisen ist“, gegen eine negative Prognose des Gerichts durchzusetzen.76 Deshalb wird die Möglichkeit der Prozeßbeteiligten, das 72 So die Forderung von Engels, GA 1981, 21 (27, 28); kritisch Alsberg / Nüse / Meyer, S. 603; zur unterschiedlichen Auslegung der einzelnen Ablehnungsgründe siehe unten Teil 1 Kapitel 2 A, B. 73 Perron, S. 217, 218 mit Fn. 230. 74 Frister, ZStW 105 (1993), 340 (342, 347 ff.) differenziert zwischen einer Antizipation des Beweisergebnisses und einer antizipierenden Würdigung des Beweisergebnisses. Siehe auch Grünwald (1993), S. 105 ff. Kritisch Widmaier, NStZ 1994, 414 (416 mit Fn. 26); Perron, S. 217, 218. 75 Zum Inhalt des Verbotes: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 413 ff. 76 Widmaier, NStZ 1994, 414 (416). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 411 ff.; 589; ter Veen, S. 55 ff. Nach Wißgott (S. 257) kommt damit dem Beweisantragsrecht vor allem in den Fällen

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Gericht zu einer Beweiserhebung zu zwingen, zu der es nach § 244 Abs. 2 StPO nicht verpflichtet wäre, auch als „Prognosekompetenz“77 der Beweisantragsberechtigten beschrieben. Daß das Gericht dagegen im Rahmen des § 244 Abs. 2 StPO berechtigt ist, anhand verständiger Würdigung zu beurteilen, ob im konkreten Einzelfall objektive Anhaltspunkte es nahelegen oder sich aufdrängen, daß durch die Verwendung eines bestimmten Beweismittels etwas anderes bewiesen wird als das, wovon das Gericht bereits überzeugt ist78, zeigt bereits ein Vergleich des Wortlauts des § 244 Abs. 2 StPO mit dem nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO beschriebenen Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache.79 Die „unterschiedlichen Bezugspunkte“ der Würdigungsfreiheit des Gerichts im Rahmen dieser Vorschriften beschreibt das zwischen Amtsaufklärung und Beweisantragsrecht bestehende Stufenverhältnis80, denn in diesen Vorschriften wird die Berechtigung des Richters, die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung zu verneinen, an unterschiedliche Maßstäbe81 geknüpft: Die Ermittlung von Amts wegen erfordert zunächst eine Auswahl potentieller Beweismittel. Um überhaupt ein Verfahren durchführen zu können, bedarf es notwendigerweise der Reduzierung der zur Hauptverhandlung hinzuzuziehenden Beweismittel auf solche mit „thematischer Relevanz“.82 Insoweit besteht aber noch keine Differenz zu dem nach § 244 Abs. 3 StPO gebotenen Beweiserhebungsumfang, denn auch nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO ist das Gericht berechtigt, einen Beweisantrag abzulehnen, der eine Tatsache behauptet, die mit dem Gegenstand der Urteilsfindung nicht wenigstens einen entfernten Zusammenhang aufweist.83 Daß § 244 Abs. 2 StPO das Gericht unter Umständen zu einer Begrenzung der Beweisaufnahme ermächeigenständige Bedeutung zum, „in denen der Richter wegen seines Informationsdefizites gar nicht anders konnte“, als die inhaltliche Relevanz eines Beweismittels abzusprechen. Schatz (S. 236) sieht dagegen die besondere Bedeutung des Beweisantragsrechts nicht in seiner Funktion als „Informationsträger“; es sei vielmehr darauf abzustellen, daß das Beweisantragsrecht im Bereich „neutraler Kandidaten“ deren Bewertung angesichts der prinzipiellen Unsicherheit des Beweises eines objektiven Maßstabs entbehrt, die Eigenständigkeit dieses Prozeßinstituts gerade darin besteht, in diesem „unvermeidbar subjektiv-dezisionistischen Restbereich“ gerichtlicher Prognose die „subjektive Gegenthese“ der Verfahrensbeteiligten zu formulieren und „entsprechende Verifizierungsbemühungen zu erzwingen“ (Hervorhebung d. Verf.). 77 Frister, ZStW 105 (1993), 340 (351); Wißgott, S. 257; Schatz S. 223 ff.; 232 ff.; 236 ff.; 305 ff.; Werle, JZ 1991, 792; Müller, Referat 60. DJT M, 66. 78 Herdegen in GS für Meyer, 187 (193 – 197). 79 Widmaier, NStZ 1994, 414 (416) mit ausdrücklicher Ablehnung des gegenteiligen Standpunkts von Gössel, Gutachten 60. DJT S. C 47; s. a. Wißgott, S. 254, 256 – 259. 80 Widmaier, NStZ 1994, 414 (416). 81 Wißgott, S. 256; zu den Maßstäben siehe Herdegen in GS für Meyer, 187 (193); KK – Herdegen, Rn. 21 zu § 244 (mit weiteren Nachweisen); LR – Gollwitzer, Rn. 46, 46 a zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 12 zu § 244. 82 Wißgott, S. 254; Widmaier, NStZ 1994, 414 (416); ter Veen, S. 44.

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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tigt, wo § 244 Abs. 3 StPO den Tatrichter dagegen zur Erhebung eines Beweises verpflichtet, zeigt die unterschiedlich zu behandelnde Frage nach der voraussichtlichen „Aussage- und Überzeugungskraft des Beweismittels“.84 Während § 244 Abs. 2 StPO von Tatsachen und Beweismitteln spricht, die der Tatrichter auf ihre Bedeutung für die Entscheidung hin würdigen kann, weist das Beweisantragsrecht dem Antragsteller die Kompetenz zur Bewertung des zu erwartenden Beweisergebnisses und des Beweiswertes des Beweismittels zu.85 Um eine eigenständige Prognosekompetenz des Antragstellers zu gewährleisten, verbietet das Beweisantizipationsverbot daher grundsätzlich die gerichtliche Zurückweisung der Prognosebehauptung, die damit begründet wird, daß aufgrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme davon auszugehen ist, daß der begehrte Beweis mit dem benannten Beweismittel nicht erbracht werden kann. Eine gerichtliche Ablehnung soll dagegen möglich sein, wenn der Eintritt des behaupteten Beweisergebnisses bzw. der Beweiswert des Beweismittels mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann.86 (b) Beweisantizipationsverbot und gerichtliche Ablehnung der Beweisbehauptung Nach der vorherrschenden Interpretation bedeutet das Beweisantizipationsverbot nicht, daß dem Richter untersagt ist, im voraus die Bedeutung des zu erhebenden Beweises für die Sachentscheidung abzuschätzen und die Beweiserhebung wegen Bedeutungslosigkeit abzulehnen, wenn die Prüfung ergibt, daß die Beweistatsache für die Entscheidung unerheblich ist.87 Dieser Bewertung ist insoweit zuzustimmen, als das Beweisantizipationsverbot im technischen Sinne nicht verletzt wird, wenn das Gericht die Beweisbehauptung unabhängig von der gleichzeitig im Antrag formulierten Prognosebehauptung bewertet, indem es trotz der Unterstellung, daß das benannte Beweismittel die Beweisbehauptung mit vollem Beweiswert bestätigen wird, die Relevanz der Beweistatsache für seine Überzeugungsbildung verneint.

83 Zum Problem der Geltung des Beweisantizipationsverbotes im Rahmen der Zwischenbeweiswürdigung zur Feststellung faktischer Bedeutungslosigkeit einer Indiztatsache siehe unten Teil 1 Kapitel 2 B II 1. 84 Widmaier, NStZ 1994, 414 (416): Die Frage nach dem voraussichtlichen „Beweisertrag“ als der voraussichtlichen „Aussage- und Überzeugungskraft des Beweismittels“ bildet die gesetzliche „Grundlage dafür, daß der Tatrichter im Rahmen der Aufklärungspflicht in gewissem Umfang zur Beweisantizipation berechtigt (und verpflichtet) ist“. Wißgott, S. 255 mit Hinweis auf Frister, ZStW 105 (1993), 340 (357) und Grünwald (1993), S. 106 f. 85 Widmaier, NStZ 1994, 414 (416); Wißgott, S. 257. 86 Dazu unten Teil 1 Kapitel 2 B I 1. 87 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 412, 574 ff.; 589; Frister, ZStW 105 (1993), 340 (347); einschränkend Herdegen in FS für Boujong, 777 (779).

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Daß trotz der formalen Vereinbarkeit der gerichtlichen Zurückweisung der Beweisbehauptung mit dem Beweisantizipationsverbot insbesondere die Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit einer Indiztatsache mit dem Ziel einer umfassenden und objektiven Wahrheitsermittlung kollidieren kann, ist im Zusammenhang mit den konkreten Ablehnungsvoraussetzungen der gesetzlichen Ablehnungsgründe näher auszuführen.88 (c) Beweisantizipationsverbot und gerichtliche Ablehnung wegen subjektiver Überzeugung des Antragstellers von der Aussichtslosigkeit des begehrten Beweises Die bisherigen Ausführungen zum Verhältnis von Beweisantragsstruktur und gerichtlichen Ablehnungsmöglichkeiten zeigen, daß der entscheidende sachliche Schutz des Beweisantizipationsverbotes darin besteht, dem Antragsteller die Kompetenz zuzuweisen, seine im Beweisantrag formulierte Prognose über den (voraussichtlichen) Erfolg einer weiteren Beweiserhebung gegen eine negative Beweiserwartung des Gerichts durchzusetzen. Die gerichtliche Ablehnung eines Beweisbegehrens mit der Begründung, daß der Antragsteller selbst von der Erfolglosigkeit der beantragten Beweisaufnahme überzeugt ist, begründet keine Verletzung dieser Kompetenzzuweisung.89 Denn mit der isolierten Feststellung, daß beim Antragsteller keine anerkannten, verfahrenskonformen Beweiserwartungen vorliegen, verneint das Gericht weder das im Beweisantrag prognostizierte Beweisergebnis noch den behaupteten Beweiswert des Beweismittels. Hinsichtlich der Schwierigkeiten des Gerichts, eine entsprechende subjektive Einschätzung des Antragstellers nachzuweisen, soll wiederum auf die konkreten Ausführungen zu den Anwendungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verwiesen werden.90

B. Möglicher Zusammenhang zwischen beschränkten Ablehnungsbefugnissen und antragsrechtlichen Darlegungslasten Die beweisrechtliche Maxime des Antizipationsverbotes soll die Gefahr einer sachwidrigen Verkürzung des Beweiserhebungsumfangs begrenzen und den tatrichterlichen Erkenntnisprozeß an objektiven Kriterien ausrichten.91 88 Zum Ablehnungsgrund der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit siehe unten Teil 1 Kapitel 2 B II. 89 Frister, ZStW 105 (1993), 340 (353 mit Fn. 32); ders., StV 1989, 381. 90 Zum Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppungsabsicht siehe unten Teil 1 Kapitel 2 B III. 91 LR – Gollwitzer, Rn. 182 zu § 244; HK – Julius, Rn. 2 zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97; ders. in FS für Boujong, S. 777 ff.

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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Mit dem subjektiven Aufklärungsmaßstab der „verständigen Würdigung der Sachlage“ wird im Bereich des § 244 Abs. 2 StPO das Beweisantizipationsverbot insoweit eingeschränkt, daß dem Tatrichter die Befugnis zur gerichtlichen Beweisprognose und -auswahl zugestanden wird.92 Angesichts der begrenzten Erledigungskapazität der Organe der Strafrechtspflege überzeugt die in der Praxis für den Umfang der Amtsaufklärungspflicht getroffene Entscheidung für eine Abwägung zwischen den Belangen der Wahrheitsermittlung und dem Gebot der Konzentrationsmaxime. Zu „ausufernder Aufklärung“93 wird der Tatrichter dort nicht verpflichtet, wo nach der Lebenserfahrung und mangels besonderer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, daß eine weitere Beweiserhebung keinen Sachaufklärungsbeitrag leisten kann.94 Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob die tatrichterliche Berechtigung und Verpflichtung, im Rahmen des § 244 Abs. 2 StPO einen nicht erhobenen Beweis verständig zu würdigen, nur anzuerkennen sein kann, wenn die damit verbundene Subjektivität der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung durch eine nahezu unbegrenzte Prognosekompetenz der Verfahrensbeteiligten ausgeglichen wird. Die Gefahren für die Wahrheitsermittlung, die jeder Beweisantizipation immanent sind, scheinen dafür zu sprechen, daß zumindest in der Beweisantragssituation jeder nicht von vornherein aussichtslose Beweis erhoben werden sollte. Auf die Ebene der gerichtlichen Ablehnungsmöglichkeiten übertragen, bedeutet das, daß es dem Gericht danach grundsätzlich verwehrt sein sollte, die im Antrag formulierte Prognosebehauptung unter Berufung auf eine aus der bisherigen Beweisaufnahme gewonnene Überzeugung abzulehnen. Eine umfassende Absicherung der Zuverlässigkeit der Wahrheitsermittlung in der Beweisantragssituation führt damit zwangsläufig zu der Konsequenz, die amtliche Beweiserhebungspflicht auf jedes erdenkliche Beweismittel auszudehnen, von dem nicht von vornherein auszuschließen ist, daß es zur Sachaufklärung beitragen kann.95 Die vorangehenden Ausführungen zum Zusammenhang zwischen gerichtlichen Ablehnungsmöglichkeiten und dem Verbot der Beweisantizipation haben gezeigt, daß eine strikte Beachtung des Verbotes zwar die Ablehnungsentscheidung gegen jedes Fehlurteilsrisiko absichern würde, gleichzeitig aber dem Gericht jede praktisch handhabbare Begrenzungsmöglichkeit nehmen würde. Denn ein Festhalten an dem uneingeschränkten Verbot einer Antizipation des begehrten Beweises zu Fezer in Festgabe BGH, 847 (854 ff.). BGHSt 30, 131 (140); BGH NStZ 1994, 247 (248) = StV 1994, 169 (170). Dazu auch Fezer, Festgabe BGH, 847 (857, 858). 94 BGHSt 36, 159 (164, 165); BGH NStZ 1984, 134; NStZ 1992, 450 (451); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 32; LR – Gollwitzer, Rn. 46, 46 a zu § 244. 95 BGHSt 21, 118 (124); 36, 159 (165); BGH NStZ 1983, 86; 1985, 324 (325); BGH StV 1984, 1 (3); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 30, 412; ter Veen, S. 66; Frister, ZStW 105 (1993), 340 (344); KK – Herdegen, Rn. 22, 42 zu § 244; Herdegen in GS für Meyer, 187 (195); Liemersdorf, StV 1987, 175 (176). 92 93

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Lasten des Antragstellers würde nur dort zur Ablehnung berechtigen, wo der negative Beweiswert des Beweismittels mit absoluter Sicherheit feststeht. Diese inhaltliche Beschränkungen ließen aber die gerichtlichen Ablehnungsbefugnisse de facto leerlaufen.96 Ein Strafverfolgungssystem, das mit begrenzten finanziellen und personellen Mitteln auskommen muß, gerät aber auch dann an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit, wenn es „nur“ jeden beantragten und nicht von vornherein aussichtslosen Beweis erhebt. Auch in der Beweisantragssituation führt der einzig gangbare Weg, den Prozeßstoff in einem überschaubaren Rahmen zu halten, über Beweisantizipationen. Zutreffend hat Perron97 in diesem Zusammenhang festgestellt, daß sich ohne eine gerichtliche Prognose, zu welchem Ergebnis die beantragte Beweisaufnahme führen und welche Bedeutung dieses Ergebnis für die Entscheidung über Schuld und Strafe haben könnte, eine sachliche Begrenzung der Beweisaufnahme gar nicht durchführen läßt, und daß sich deshalb nicht die Frage eröffnet, ob Beweisantizipationen im Rahmen des Beweisantragsrecht zulässig sein sollen, sondern in welchem Maße sie noch tolerabel erscheinen.

I. Begrenzte Ablehnungsmöglichkeiten auf der Ebene rein prospektiver Beweiswürdigungen Die möglichen Erweiterungen der gerichtlicher Antizipationsbefugnisse sollen im Zusammenhang mit der gerichtlichen Zurückweisung der Prognosebehauptung98 dargestellt werden. Im Hinblick auf die systembedingte Voreingenommenheit des Berufsrichters durch die Ermittlungsakten erscheint eine prospektive Würdigung des beantragten Beweises weit weniger problematisch als ein Rückgriff auf das bisherige Beweisergebnis. Das Beweisantizipationsverbot beschränkt die Befugnis des Gerichts zur prospektiven Zurückweisung der Prognosebehauptung auf die Fälle, in denen der fehlende Beweiswert des Beweismittels bzw. das Ausbleiben des behaupteten Beweisergebnisses mit absoluter Sicherheit feststeht.99

Alsberg / Nüse / Meyer, S. 603 mit Fn. 7; Herdegen in FS für Boujong, 777 (788). Perron, S. 217. 98 Auf die Problematik im Rahmen einer retrospektiven Zwischenbeweiswürdigung ist unten näher einzugehen. Siehe Teil 1 Kapitel 2 B II 1. 99 Siehe dazu zur erweiternden Auslegung des Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit Teil 1 Kapitel 2 B I. 96 97

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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In der Behauptung des Antragstellers, der ein Beweismittel (z. B.: einen Zeugen) zur Bekundung einer bestimmten Beweistatsache benennt, liegt die implizite Mitbehauptung, daß dieses geeignet ist, die Beweistatsache glaubhaft zu bekunden. Ist dem Gericht im Hinblick auf die begehrte Beweiserhebung nicht mehr bekannt, als die Behauptung des Antragstellers, daß der Zeuge die Beweistatsache (glaubhaft) bekunden wird, so kann es die Bestätigung der Prognosebehauptung in der Beweisaufnahme unterstellen und den Beweis erheben. Will es dagegen den Antrag zurückweisen, weil es Zweifel an der Bestätigung der Prognosebehauptung in der Beweisaufnahme hat, so verlangt das Beweisantizipationsverbot, daß das Gericht begründet darzulegen vermag, daß die Bestätigung der Prognosebehauptung in der Beweisaufnahme mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Auf der Grundlage einer gerichtlichen Vorwegbeurteilung des beantragten Beweises, die sich allein auf eine Bewertung des Aussageinhaltes bzw. der Aussagekraft des Zeugen relativ zur Beweisbehauptung bezieht, wird sich eine solche Ablehnungsentscheidung in der Regel nicht begründen lassen. Eine völlige Untauglichkeit des Beweismittels wird sich nur sehr selten aus dem Antrag selbst ergeben. Die Anwendung eines allgemeinen Erfahrungssatzes, nach dem mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß sich die Prognosebehauptung bestätigen oder daß sie scheitern wird, erfordert Informationen über die Eignung des Beweismittels, die Beweistatsache glaubhaft zu bekunden und damit über das Verhältnis der Antragselemente zueinander. Die Behauptung allein, daß ein Beweismittel eine bestimmte Beweistatsache bekunden wird, enthält jedoch keinen Hinweis auf die Beziehung des Beweismittels zur Beweistatsache. Erfährt das Gericht über die Beziehung des Beweismittels zur behaupteten Beweistatsache nicht mehr als die (implizite Mit-) Behauptung des Antragstellers, daß das Beweismittel geeignet ist, wird es eine zuverlässige Prognose, ob das Beweismittel die Beweisbehauptung auch tatsächlich in der Beweisaufnahme bekunden wird, nicht abgeben können. Gerade dann, wenn der Beweisantrag selbst keine hinreichende Informationsgrundlage für eine isoliert-prospektive Bewertung des beantragten Beweises liefert, ist ein Rückgriff auf das bisherige Beweisergebnis für das Gericht die einzige Möglichkeit, seine Zweifel an der Sachdienlichkeit der beantragten Beweiserhebung zu begründen.100

II. Verbot rein retrospektiver Beweiswürdigungen Damit verlagert sich die Problematik der Erweiterung der Ausgestaltung praktisch umsetzbarer gerichtlicher Ablehnungsbefugnisse auf die Frage, in welchem Ausmaß retrospektive Beweiswürdigungen toleriert werden können. 100

Perron, S. 218 mit Fn. 232; ter Veen, S. 101.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Räumt man aber dem Gericht aus der Notwendigkeit verfahrensökonomischer Begrenzung der Beweisaufnahme das Recht ein, den beantragten Beweis aufgrund seiner bisherigen Kenntnis vom Sachverhalt und der Beweislage abzuschätzen, und entsprechend seiner potentiellen Bedeutung für die zu treffende Entscheidung auszuwählen, gerät die gerichtliche Ablehnungsbefugnis in Konflikt mit dem Ziel des Beweisantragsrechts, subjektiv bedingte richterliche Fehlentscheidungen zu korrigieren.101 Daß die mit der vorherrschenden und anschließend102 zu erläuternden Interpretation des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verbundene Einschränkung des Antizipationsverbotes nur in engen Grenzen verläuft, zeigt sich vor allem daran, daß ein retrospektiver Rückgriff auf das bisherige Beweisergebnis jedenfalls als alleinige Grundlage der Beweisprognose ausgeschlossen sein soll.103 Vielmehr wird das Tatgericht verpflichtet, seinen Ablehnungsbeschluß an „objektiv einigermaßen zuverlässig“ bestimmten Maßstäben auszurichten.104 So daß auch bei Zulassung negativer gerichtlicher Beweisprognosen verlangt wird, daß das Gericht in „rationaler“, auf „intersubjektiv-anerkannte Gründe gestützter Argumentation“ darlegt, weshalb im konkreten Fall ein Beweisgelingen „in hohem Maße unwahrscheinlich ist“.105 Ist dem Gericht demnach verwehrt, die Ablehnung eines Antrag allein mit der subjektiven Überzeugung, die es aus der (vermeintlichen) Sicherheit des bisherigen Beweisergebnisses gewonnen hat, zu begründen, setzt jede prozeßrechtskonforme106, d. h. das Beweisantizipationsverbot beachtende, argumentative Auseinandersetzung mit dem Beweisantrag voraus, daß dem Gericht Informationen zugänglich sind, die eine von der bisherigen Überzeugung ganz unabhängige Beurteilung der Sachdienlichkeit des begehrten Beweises ermöglichen.

III. Fehlende Informationsgrundlage für prozeßrechtskonforme Ablehnungsbegründung Als unzureichend wird das Gericht die gesetzlichen Ablehnungsmöglichkeiten vor allem dann empfinden, wenn es erhebliche Zweifel am Erfolg des beantragten Beweises hat, diese Zweifel aber nicht in einer mit dem Beweisantizipationsverbot zu vereinbarenden Weise zum Ausdruck bringen kann, weil ihm ein Rückgriff auf Perron, JZ 1994, 823 (829). Siehe unten Teil 1 Kapitel 2. 103 Schatz, S. 225 mit Hinweis auf Kühl (1987), 63 f.; LR – Gollwitzer, Rn. 279 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 77, 78 zu § 244; Herdegen in FS für Boujong, 777 (789); Basdorf, StV 1995, 310 (313) in der Gegenüberstellung der nach § 244 Abs. 3 und Abs. 5 StPO möglichen Antizipationen. 104 Perron, S. 80; ders., JZ 1994, 823 (829). 105 Herdegen in FS für Boujong, 777 (789). 106 Schulz, StV 1991, 449. 101 102

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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das bisherige Beweisergebnis verwehrt ist und weil auf der Grundlage derjenigen Informationen, die sich aus der Prognosebehauptung hinsichtlich der Relation zwischen Beweismittel und Beweistatsache ergeben, eine sichere Prognose des zu erwartenden Beweisergebnisses bzw. des zu erwartenden Beweiswertes des Beweismittels nicht möglich ist. Doch gerade darin liegt in der Praxis das „Hauptproblem des Beweisantragsrechts“: In der Regel fällt es der Verteidigung leicht, „Beweisanträge zu formulieren, die weit jenseits des Bereichs der gesetzlichen Ablehnungsgründe liegen und allein aufgrund einer allgemeinen Beweisantizipation als nebensächlich qualifiziert und demzufolge abgelehnt werden könnten“.107 Die Rechtspraxis sieht sich angesichts der strengen Geltung des Beweisantizipationsverbotes im Beweisantragsrecht häufig gezwungen, Beweisanträgen zu entsprechen, obwohl eine Beweiserhebung höchstwahrscheinlich unergiebig sein wird. Zum Teil wird eine voraussichtlich überflüssige Beweisaufnahme auch bewußt in Kauf genommen: Die strenge Revisionskontrolle der tatgerichtlichen Ablehnungsbegründung führt zu der unter einigen Tatrichtern verbreiteten Reaktion, einer beantragten Beweiserhebung (allzu schnell) stattzugeben, um dem Risiko einer späteren Urteilsaufhebung aufgrund eines Verfahrensfehlers zu entgehen.108 Die Erhebung eines Beweises, der aus gerichtlicher Perspektive höchstwahrscheinlich unergiebig sein wird, ist aber nicht die einzig denkbare prozessuale Reaktion auf eine Antragstellung, die eine zuverlässige Einschätzung des Erfolgs der begehrten Beweisaufnahme unmöglich macht. Kann das Gericht auf der Grundlage des Beweisantrags nicht auf die notwendigen Informationen zur Überprüfung der Erfolgsaussichten des begehrten Beweises zurückgreifen, so ist es gleichwohl nicht gezwungen, den Beweis zu erheben. Die Frage etwa, ob tatsächliche Umstände vorliegen, die auf die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels schließen lassen, kann das Gericht im Wege des Freibeweises klären. So kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung zur Ermittlung der prozessual erheblichen Voraussetzungen für die Ablehnung eines Beweisantrages den Akteninhalt heranziehen oder weitere Erkundigungen einholen.109 Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die im freien Beweisverfahren durchgeführten Beweiserhebungen mit einem ähnlichen Verfahrensaufwand verbunden sind, wie die Durchführung der begehrten Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung. Denn die Freistellung von den Regeln des Strengbeweises berechtigt das Gericht nicht, von einer sorgfältigen, der Amtsaufklärungspflicht entsprechenden Feststellung der Perron, JZ 1994, 823 (829) mit Fn. 61. Basdorf, StV 1995, 310 (311); Perron, S. 197 mit Rechtsprechungsnachweisen. 109 BGHSt 14, 339 (342); BGH MDR 1981, 338; BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1985, 14; BGH NStZ 1988, 373; NStZ 1998, 375; BGH NStZ – RR 1998, 178; BGH StV 1997, 511; KG StV 1993, 120; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 117 ff.; LR – Gollwitzer, Rn. 3, 277 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 90 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 7, 58 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 11, 100 zu § 244; Basdorf, StV 1995, 310 (314). 107 108

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

völligen Untauglichkeit des Beweismittels abzusehen oder Vorschriften110 unberücksichtigt zu lassen, die dem Schutz des Angeklagten oder der Zeugen und Sachverständigen dienen.111

IV. Übertragung der Last der Informationsgewinnung und -darlegung auf den Antragsteller Durch das strenge Verbot rein retrospektiver Beweiswürdigungen ist die praktische Anwendbarkeit der gerichtlichen Ablehnungsbefugnisse nur gegeben, wenn das Gericht über Informationen verfügt, die eine vom bisherigen Beweisergebnis unabhängige Beurteilung ermöglichen. Ist das Gericht seinerseits von der Überflüssigkeit der begehrten Beweisaufnahme überzeugt, wird es jedoch die freibeweisliche Ermittlung derjenigen tatsächlichen Umstände, die eine prozeßrechtskonforme112 Ablehnung des Beweisantrages ermöglichen, dann nicht als eine akzeptable Lösung zur effektiven Begrenzung des Verfahrensaufwandes empfinden, wenn die Beschaffung der Voraussetzungen der gesetzlichen Ablehnungsmöglichkeiten letztlich mit ebenso großem oder vergleichbarem Aufwand verbunden ist, wie die Erhebung des begehrten Strengbeweises. Nach dem traditionellen Verständnis der beweisantragsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen liegt die Nichtanwendbarkeit der Ablehnungsgründe aber grundsätzlich im Risikobereich des Gerichts. Denn trotz der zum Teil in der Literatur anzutreffenden Formulierung, daß der Beweisantrag stets so hinreichend zu präzisieren ist, daß er die Anwendbarkeit der gesetzlichen Ablehnungsgründe ermöglicht113, wird zugleich hervorgehoben, daß die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Antrag jedoch nicht überspannt werden dürfen.114 Nach dem traditionellen Begriffsverständnis in Rechtsprechung und Literatur genügt der Antragsteller in der Regel seiner Substantiierungslast, wenn er im Rahmen eines Zeugenbeweisantrages Tatsachen vorträgt, die es dem Gericht ermöglichen, die Beweisperson zu identifizieren und zu ermitteln,115 und seine Be-

110 Die in den Bestimmungen der §§ 52, 53, 53 a, 54, 55, 60, 63, 136 Abs. 1 Satz 2, 136 a und § 252 StPO getroffenen Regelungen gelten auch im Freibeweisverfahren. 111 BVerfG NJW 1986, 767 (768); BGHSt 21, 85 (87); 26, 281 (284); KG StV 1993, 120; OLG Frankfurt NJW 1983, 1208. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 151; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 9 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 12 zu § 244: „Das Freibeweisverfahren ist kein Verfahren nach Gutdünken“. 112 Schulz, NStZ 1991, 449. 113 Schulz, NStZ 1991, 449; ders., StV 1985, 312; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 39 f., 47 f.; ter Veen, S. 77; Thole, S. 49 ff.; Schatz, S. 353; Widmaier, NStZ 1993, 602; ders., NStZ 1994, 248; Julius, MDR 1989, 116 (117); Hanack, JZ 1971, 561. So erstmals in der Rechtsprechung BGHSt 37, 162 (165) im Anschluß an KK – Herdegen (2. A), Rn. 45 zu § 244. 114 BGH NJW 1983, 126; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 44 ff.; LR – Gollwitzer, Rn. 105 zu § 244 mit weiteren Nachweisen.

1. Kap.: Beweisrechtliche Grundlagen

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weisbehauptung so weit konkretisiert, daß die Beweistatsache zumindest in Umrissen erkennbar ist.116 Der Antrag soll das Gericht in die Lage versetzen, in einer der „fairen Verfahrensgestaltung verpflichteten Würdigung“ aller in der „Hauptverhandlung zutage getretenen Umstände“ und der sonstigen Vorbringen des Antragstellers „zu beurteilen, ob genügend erkennbar ist, welche tatsächlichen Vorkommnisse unter Beweis gestellt werden sollen“.117 Eine weitere Erläuterung seines Antrags wird von ihm nicht gefordert. Der Antragsteller hat nach den traditionellen Substantiierungsanforderungen insbesondere nicht darzulegen, auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte er seine Annahme stützt, daß der benannte Zeuge die behauptete Beweistatsache auch tatsächlich bekunden wird118, bzw. inwiefern der Zeuge in der Lage sein wird, die Beweisbehauptung durch konkrete Einzelheiten zu bestätigen.119 Daß der Antragsteller damit prinzipiell in der Lage ist, durch die Erfüllung minimaler Konkretisierungsanforderungen sehr aufwendige (streng- oder freibeweisliche) Bemühungen des Gerichts auszulösen, erscheint Kritikern des Beweisantragsrechts als „auffälliges Mißverhältnis“.120 Eine prozessuale Möglichkeit, ein Gleichgewicht zwischen den beweisantragsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen und den gerichtlichen Beweiserhebungspflichten herzustellen, könnte nun darin liegen, dem Antragsteller die Last der Gewinnung und Darlegung der für die prozeßrechtskonforme Anwendbarkeit der Ablehnungsgründe tatsächlich erforderlichen Informationen zu übertragen. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, zu beantworten, ob die Ausrichtung der formalen Beweisantragsvoraussetzungen an der Bescheidungsfähigkeit des Antrags nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO mit der Systematik des Beweisantragsrechts zu vereinen ist. Für die Zulässigkeit entsprechender Substantiierungslasten spricht die bereits zitierte ganz selbstverständliche Verknüpfung der beweisantragsrechtlichen Be115 BGH MDR 1960, 329; BGH bei Dallinger, MDR 1971, 547; BGH bei Holtz, MDR 1977, 984; BGH NStZ 1981, 309; BGH NStZ 1995, 246; BGH StV 1996, 581; KG StV 1993, 349; OLG Köln StV 1996, 368. 116 BGH NStZ 1996, 562; BGH StV 1981, 167; StV 1981, 330; BGH bei Holtz, MDR 1976, 815; OLG Köln StV 1990, 256; OLG Köln VRS 64, 279 (281); RG JW 1903, 93; RG JW 1932, 1750 mit Anm. Kleefisch; Bergmann, S. 73; Berkholz, S. 43, 62; Alsberg in FS für Heinitz, S. 416 (430); Alsberg, GA Bd. 67 (1919), S. 261 (270); Schlosky, JW 1930, 2505 (2509). 117 LR – Gollwitzer, Rn. 105 zu § 244. 118 Zusammenfassend Schatz, S. 353. Zu den geringen Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrags siehe: BGH StV 1981, 167; KG StV 1983, 95; KK – Herdegen, Rn. 44 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 56 zu § 244; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 55; AK – Schöch, Rn. 46 zu § 244. 119 BGH StV 1981, 167; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 42, 43. 120 Schatz, S. 353 mit Hinweis auf Julius, S. 247.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

stimmtheitsanforderungen mit den Anwendungsvoraussetzungen der Ablehnungsgründe in der Literatur.121 Der strenge numerus clausus der gesetzlichen Ablehnungsgründe könnte ein Argument dafür liefern, daß die Begrenzung der gerichtlichen Ablehnungsmöglichkeiten zumindest deren Anwendbarkeit impliziert. Eine prinzipielle Übertragung entsprechender Darlegungslasten auf den Antragsteller könnte aber mit dem gleichermaßen selbstverständlich erhobenen Einwand kollidieren, daß die Anforderungen an die formalen Voraussetzungen des Antrags nicht überspannt werden dürfen.122 Grenzen einer entsprechenden Darlegungslast des Antragstellers könnten sich sowohl aus dogmatischen als auch aus tatsächlichen Erwägungen ergeben: Soll sich der eigenständige Charakter des Beweisantragsrechts gerade in der Kompetenz der Verfahrensbeteiligten ausdrücken, durch die Erhebung eines Gegenbeweises in eine sich verfestigende gerichtliche Überzeugungsbildung korrigierend einzugreifen, dann würde die Last der Darlegung tatsächlicher Anhaltspunkte für den Erfolg der begehrten Beweiserhebung gerade die besondere Beweiserwirkungsfunktion des Antragsrechts aufheben. Mit entsprechenden Substantiierungslasten ist daher stets die Gefahr verbunden, daß das Gericht nur einen aus seiner Sicht zu aufwendigen oder gar überflüssigen Beweis vermeiden will. Im Hinblick darauf, daß zum einen die freibeweisliche Beschaffung der tatsächlichen Prüfungsvoraussetzungen der Ablehnungsgründe mit einem hohen Verfahrensaufwand, zum anderen auch eine zulässige Vorabeinschätzung des begehrten Beweises mit hohen Begründungsanforderungen verbunden sind, ist zu vermuten, daß der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz vorrangig auf die effektivere Begrenzung der gerichtlichen Beweiserhebungspflichten abzielt. Die formale Anforderung, daß der Antragsteller die Anwendungsvoraussetzungen der gesetzlichen Ablehnungsgründe darlegt, ist aber nur dann mit dem eigenständigen Charakter des Beweisantragsrechts vereinbar, wenn der Antragsteller trotz dieser Substantiierungsanforderung die Chance behält, das Gericht zu einer Beweiserhebung zu zwingen, zu der es sich nach § 244 Abs. 2 StPO nicht verpflichtet sieht. Gegen eine entsprechende Darlegungslast könnte schließlich der Umstand sprechen, daß der Antragsteller tatsächlich nicht in der Lage ist, die geforderten Substantiierungen zu erbringen. Die Forderung, daß die Voraussetzungen an einen ordnungsgemäßen Beweisantrag nicht überspannt werden dürfen, wird in der Literatur vor allem mit dem Hinweis begründet, daß der Antragsteller, insbesondere der Angeklagte und sein Verteidiger123 selten in der Lage sind, Ermittlungen anzustellen.

Alsberg / Nüse / Meyer, S. 46. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 40 stellen ausdrücklich diese Begrenzung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz heraus. 121 122

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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Diesem Umstand müsse durch eine gewisse Lockerung der Antragserfordernisse Rechnung getragen werden.124 Die entsprechende Bewertung der neueren Revisionsrechtsprechung, die dem Antragsteller unter Bezugnahme auf das Erfordernis der Anwendbarkeit des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO bestimmte Darlegungen abverlangt, setzt zunächst eine genaue Beschreibung der Prüfungsvoraussetzungen der einzelnen Ablehnungsgründe und der damit korrespondierenden Substantiierungen voraus.

2. Kapitel

Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz A. Beschränkte Ablehnungsmöglichkeiten nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO Der Ablehnungskatalog des § 244 Abs. 3 StPO formuliert die Voraussetzungen, unter denen das Gericht berechtigt ist, den Wert eines Beweismittels und den Inhalt der Beweisaussage zu überprüfen. Daß das Reichsgericht die einzelnen Zurückweisungsgründe sachlich zum Zweck der Gewährleistung möglichst umfassender Wahrheitsermittlung bei gleichzeitiger Konzentration des Beweisverfahrens entwickelt hat, ist unumstritten.1 Uneinigkeit herrscht in der Literatur allerdings bzgl. der Frage, welcher Stellenwert verfahrensökonomischen Belangen des Strafverfahrens im Rahmen des numerus clausus der Ablehnungsgründe sinnvollerweise eingeräumt werden soll. Insbesondere ist bislang nicht abschließend geklärt, ob § 244 Abs. 3 StPO eine Konzentration des Verfahrens nur insoweit herzustellen ermächtigt, wie es eine Anwendung der Ablehnungsgründe bei uneingeschränkter Geltung des Beweisantizipationsverbotes zuläßt, oder ob das Gericht in engen Grenzen befugt sein soll, den Wert eines Beweismittels und die Relevanz einer Beweisaussage auch unter Bezugnahme auf das bisherige Beweisergebnis zu verneinen. Die in Rechtsprechung und Literatur vorherrschende Position sieht im Antizipationsverbot eine Beweismaxime, der prinzipielle Wirkung zukommt, die aber 123 Diese Begrenzung der Darlegungslast könnte auch für die ebenfalls antragsberechtigten Neben- und Privatkläger (LR – Gollwitzer, Rn. 96 zu § 244) relevant werden, diese Alternative soll im Folgenden aber sprachlich nicht mitgeführt werden. 124 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 40, 44. Dazu ausführlich unten Teil 2 Kapitel 1 B III und Teil 2 Kapitel 2 B II. 1 Engels, Diss., S. 13; ders., GA 1981, 21 (22); Herdegen in GS für Meyer, 187 (189).

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

durch eine Abwägung mit anderen Verfahrenszielen, insbesondere aus Gründen eines geordneten Verfahrens, nicht nur im Rahmen des Amtsaufklärungsgrundsatzes, sondern auch im Bereich des Antragsrechts Beschränkungen erfährt.2 Werde der Grundsatz des Verbotes der Beweisantizipation „ausnahmslos angewendet“, werde „das Verfahren bis zum Stillstand verzögert und damit der Gerechtigkeit Abbruch getan“3, denn eine „uferlose“ Beweiserhebung wäre der „Strafrechtspflege nicht minder abträglich als eine unzulängliche Sachverhaltsklärung“.4 Der Grundsatz, daß sich ein sicheres Urteil über das Ergebnis der Beweisaufnahme immer erst nach ihrer Durchführung treffen lasse, könne in der Praxis keine uneingeschränkte Geltung zukommen, da dies praktisch darauf hinausliefe, jedem vorgeschlagenen Beweis nachzugehen.5 Da aber ohne eine Vorauswahl der verfahrenserheblichen Beweise eine sachliche Begrenzung der Beweisaufnahme nicht möglich sei, könne es nicht die Intention des § 244 Abs. 3 StPO sein, das Beweisantizipationsverbot als absolute Beweismaxime auszugestalten.6 Vielmehr widerspreche die von der Gegenansicht erhobene Forderung der uneingeschränkten Geltung des Beweisantizipationsverbotes im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO sowohl der Systematik des Ablehnungskataloges als auch legitimen verfahrensökonomischen Interessen. Unabhängig von den offensichtlichen Fällen des § 244 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 2 StPO, würden nahezu alle Ablehnungsgründe „in engen Grenzen“ gewisse Vorwegbeurteilungen erforderlich machen.7 So setze § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO v. a. bei der Beurteilung der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels eine Prognose über das zu erwartende Beweisergebnis voraus.8 Die mit der 2 BGHSt 21, 118 (124); BGH NStZ 1983, 86; BGH bei Spiegel, DAR 1981, 185 (199 Nr. 6); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 30; ter Veen, S. 64 ff., 74 ff.; SK – Schlüchter, Rn. 82 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 29 zu § 244; Julius, NStZ 1986, 61 (63); Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); ders. in FS für Boujong, 777 (786 ff.). Dabei berufen sich die Vertreter der sog. Heterogenitätslehre auch auf die Entstehungsgeschichte des Beweisantragsrechts: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 413, 418, 419; Keller, ZStW 101 (1989), 381 (386 ff.); Herdegen in GS für Meyer, 187 (189: bereits in RGSt 1, 189 [190] sei die Rede von den Ausnahmen des Beweisantizipationsverbotes gewesen); Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); LR – Gollwitzer, Rn. 182 (a. E.) zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 56 zu § 244. 3 Gutmann, JuS 1962, 369 (376). 4 Wessels, JuS 1969, 1 (6, 7); Bergmann, S. 118, 119. Andere Ansicht: Engels, Diss., S. 77, 78. 5 Das Verbot ist daher in letzter Konsequenz nicht durchführbar: ter Veen, S. 75; Perron, S. 217; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 418, 419. 6 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 419; AK – Schöch, Rn. 76 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 182 zu § 244; Keller, ZStW 101 (1989), 381 (387 ff.). 7 BGHSt 14, 339 (342); 21, 118 (121); 38, 111 (115); BGH bei Holtz, MDR 1976, 815; OLG HH JR 1980, 32 (34); NStZ 1990, 350; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 30, 418, 637, 641, 642; ter Veen, S. 68 ff., 75, 76; LR – Gollwitzer, Rn. 182 (a. E. ) zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 92, 96, 99, 100, 113, 119, 124, 137 zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); Keller, ZStW 101 (1989), 388 ff. Andere Ansicht: Engels, GA 1981, 21 (26 ff.). 8 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 602; 610; Eisenberg, Rn. 215; LR – Gollwitzer, Rn. 278 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 66 zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); zur normativen Öff-

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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Annahme von Offenkundigkeit der Beweisbehauptung verbundene negative Beweisprognose wird als „logische Konsequenz“ des Ablehnungsgrundes beschrieben. Diese Feststellung beinhalte notwendig die (antizipierende) Negation der ihr widerstreitenden Behauptung.9 Die wichtigste und vor allem im Zusammenhang mit dem dargestellten Meinungsstreit relevante Ausnahme von diesem Verbot bestehe bei dem Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht.10 Die unter anderem mit dieser Zurückweisung eines Beweisbegehrens verbundene Voraussetzung des gerichtlichen Nachweises der Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung, lasse sich ohne Würdigung des Wertes dieser Beweisaufnahme vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses nicht erbringen.11 Insbesondere der Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppung zeige, daß das Verbot präsumtiver Würdigung der Beweise dort eine Ausnahme erfahre, wo nachgewiesen sei, daß der Antrag eine aussichtslose Beweiserhebung begehrt, so daß von einer Verletzung dieses Verbotes nur dann die Rede sein könne, „wenn ein Antrag von gewissem Gewicht gestellt“ werde.12 Dagegen gilt nach einer – insbesondere von Engels vertretenen – Mindermeinung das Verbot präsumtiver Beweiswürdigung (soweit ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen oder Verlesung einer Urkunde gestellt ist) im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO uneingeschränkt.13 Der Einfluß verfahrensökonomischer Aspekte beschränkt sich danach im Beweisantragsrecht auf die bei uneingeschränkter Geltung des Beweisantizipationsverbotes mögliche Begrenzung des Beweiserhebungsumfangs.14 Da somit Maßstab der gerichtlichen Ablehnungsentscheidung der Erfahrungssatz ist, daß sich ein sicheres Urteil über das Ergebnis einer Beweisaufnahme erst nach ihrer Durchführung begründen läßt, erlaube § 244 Abs. 3 StPO in der Regel nur gerichtliche Prognosen zugunsten des Antragstellers und reduziere den Fall einer der Antragstellung widersprechenden Begrenzung der Beweisaufnahme auf die Fälle, in denen die Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung mit absoluter Sicherheit von vornherein ausgeschlossen werden könne. Eine weitergehende, den Angeklagten belastende Relativierung des Verbotes präsumtiver Beweiswürdigung mittels der Bestimmung des Beweisumfangs nach den Kriterien der Verhältnismäßigkeit der Mittel, v. a. im Hinblick auf die Bedeutung der Strafsache, würde nach Ansicht Engels nicht nur den Grundsätzen der Strafprozeßordnung im allgemeinen15 widersprechen, sondern auch der „Genese der Abnung des Ablehnungsgrundes siehe ders. in FS für Boujong, 777 (788, 789). Ablehnend: Engels, GA 1981, 21 (27). 9 Herdegen, NStZ 1984, 97 (98). 10 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 29, 30. 11 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 30; Herdegen, NStZ 1984, 97 (98). 12 Gutmann, JuS 1962, 369 (376). 13 Engels, Diss., S. 54; ders., GA 1981, 21 (24, 26; 36). 14 Engels, Diss., S. 36; 53; 77 – 79. 15 Engels, Diss., S. 53, 77 – 79. Siehe v. a. auch S. 78 zur Unzulässigkeit des Grundsatzes: „Für die geringere strafrechtliche Wirkung der geringere prozeßrechtliche Apparat“.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

lehnungsgründe“ im besonderen und verkehre damit sowohl die historischen als auch die sachlichen Zusammenhänge zwischen § 244 Abs. 2 und Abs. 3 StPO.16 Während die insbesondere von Engels vertretene Mindermeinung dem Ziel der Wahrheitsermittlung einen absoluten Vorrang im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO einräumt, nimmt die von der herrschenden Meinung befürwortete Relativierung der Beweismaxime ein Restrisiko subjektiver Fehleinschätzung des Tatrichters und damit einer tatsächlich fehlerhaften Entscheidung aus Gründen der Konzentration des Verfahrens in Kauf.17 Die Differenz der hier beschriebenen Positionen betrifft im Kern die Frage, welchen Beurteilungsmaßstab das Gericht seiner Ablehnungsentscheidung zugrunde legen soll, wenn es anläßlich eines Beweisantrages die Frage der Erforderlichkeit einer weiteren Beweisaufnahme zu beantworten hat. Während die beschriebene Mindermeinung mit dem absoluten Geltungsanspruch des Beweisantizipationsverbotes einen eindeutigen Bewertungsmaßstab bezeichnet, beschränkt sich die herrschende Meinung auf die Feststellung, daß jenseits der absoluten Schlußsicherheit „in engen Grenzen“18 eine Ablehnungsberechtigung zugestanden werden müsse. Wie diese Grenzen zulässiger Antizipation zu bestimmen sind, wird dabei nicht generell, sondern auf dem Weg über eine ausgesprochen filigrane Anwendungsdogmatik19 des jeweiligen Ablehnungsgrundes beantwortet. Im Hinblick auf den methodischen Begründungsansatz der strukturellen Korrespondenz hat der hier beschriebene Streit eine folgenreiche Bedeutung: Die Ableitung konkreter Substantiierungsanforderungen für den einzelnen Beweisantrag hängt unmittelbar von der Vorentscheidung ab, auf der Grundlage welcher der hier genannten und im folgenden zu präzisierenden Positionen die inhaltliche Reichweite und die daraus folgenden inhaltlichen Prüfungsanforderungen eines Ablehnungsgrundes zu bestimmen sind. Die unterschiedlich strengen Beschränkungen der gerichtlichen Ablehnungsberechtigung soll im Folgenden an den Ablehnungsgründen der (faktischen) Bedeutungslosigkeit, der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels und der Prozeßverschleppungsabsicht dargestellt werden. Die Auswahl dieser drei Ablehnungsgründe aus dem Katalog des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist nicht zufällig: Während der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels die Kollision der gerichtlichen Verneinung der Prognosebehauptung mit dem Beweisantizipationsverbot betrifft, spiegelt sich in der Anwendungsdogmatik der Ablehnungsgründe der (faktischen) Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache und der Verschleppungsabsicht das Problem wider, daß gerade die Bewertung der Relevanz einer Beweisbehauptung bzw. die gerichtliche Feststellung einer Engels, Diss., S. 46, 47. ter Veen, S. 68 ff.; am Beispiel des Ablehnungsgrundes der Bedeutungslosigkeit ter Veen, S. 101, 109. 18 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 413, 418; LR – Gollwitzer, Rn. 178, 182 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 66 zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97 (98). 19 Ostendorf, DRiZ 1993, 197. 16 17

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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negativen Erfolgserwartung des Antragstellers mit dem Risiko verbunden sind, daß sich das Gericht bei der Entscheidung über eine weitere Beweisaufnahme allein von dem bisherigen Beweisergebnis leiten läßt.

B. Anwendungsvoraussetzungen der einzelnen Ablehnungsgründe Aus dem Postulat der Überprüfbarkeit der Ablehnungsgründe ergeben sich vor dem Hintergrund des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO unterschiedliche Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags. Wann ein Antrag hinreichend substantiiert und damit bescheidungsfähig ist, ergibt sich aus dem Inhalt der einzelnen Ablehnungsgründe. Der methodische Ansatz der neueren Rechtsprechung impliziert, daß vom Antragsteller nicht mehr an Informationen gefordert werden kann, als die inhaltliche Prüfung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO im einzelnen gebietet. Am Beispiel der oben genannten Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO sollen die mit den Anwendungsvoraussetzungen korrespondierenden Substantiierungslasten des Antragstellers erläutert werden. Dabei ist zu zeigen, daß nicht nur die Zurückweisung der Prognosebehauptung und damit der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels, sondern auch die erweiterte Auslegung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und damit der Bereich der Zurückweisung der Beweisbehauptung beweisantragsrechtliche Substantiierungen erforderlich machen kann. Dagegen lassen sich die Schwierigkeiten, die mit dem Nachweis der Verschleppungsabsicht verbunden sind, nicht über erweiterte Darlegungslasten ausgleichen.

I. Der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels Nach der 4. Variante des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO soll dem Richter die Erhebung zweckloser Beweise nicht zugemutet werden.20 Den Anspruch auf Beeinflussung der Beweisaufnahme durch die Prozeßbeteiligten begrenzt dieser Ablehnungsgrund in Fällen, in denen das bezeichnete Beweismittel unter keinem sachlichen Gesichtspunkt geeignet erscheint, die Wahrheitsfindung zu fördern, so daß die Verwendung eines solchen Beweismittels objektiv auf eine Prozeßverschleppung hinausliefe.21 Angesichts des beweisrechtlichen Erfahrungssatzes, daß über 20 RGSt 31, 137 (139): Die Beweiserhebung würde sich dann in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen. RGSt 46, 383 (385); 63, 329 (331); 54, 181 (182); BGHSt 14, 339 (342); BGH NStZ 1989, 219 Nr. 11 = StV 1989, 238 (239); BGH bei Spiegel, DAR 1976, 85 (95 Nr. 5); DAR 1978, 146 (155 Nr. 10); BGH NStZ-RR 1997, 304; BGH NStZ 2000, 156 (157). Alsberg / Nüse / Meyer S. 601; Sarstedt / Hamm, Rn. 648.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

den Wert eines Beweismittels erst nach der Beweiserhebung befunden werden kann, ist die Anwendung des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels, der es dem Gericht erlaubt, schon in der Hauptverhandlung die Tauglichkeit eines Zeugen und die Folgen seiner Aussage für das Beweisergebnis einzuschätzen22, „zwangsläufig“23 mit einer Durchbrechung des Beweisantizipationsverbotes verbunden. Mit dem Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit räumt § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO dem Gericht die Möglichkeit ein, die Begründetheit der im Antrag formulierten Prognosebehauptung hinsichtlich der Elemente der Beweisergebnis- und der Beweiswertprognose zu verneinen. In Rechtsprechung und Literatur besteht aber insoweit Einigkeit, daß dem Gericht diese Kompetenz nur auf der Grundlage einer prospektiven Würdigung zugewiesen wird. Bezugspunkt der gerichtlichen Ablehnungsentscheidung nach § 244 Abs. 3 Satz 2, 4. Variante StPO ist das Beweismittel, das hinsichtlich seiner Aussage- und Überzeugungskraft in Relation zur Beweistatsache gesetzt wird. Dagegen soll es, um die mit der Feststellung „präsumtiver Wertlosigkeit“ des Beweismittels verbundenen Gefahren zu begrenzen, unzulässig sein, die völlige Ungeeignetheit allein aus dem Ergebnis der schon durchgeführten Beweisaufnahme herzuleiten24: Wollte man einen „solchen Schluß zulassen, so würde man den legitimen Versuch eines Prozeßbeteiligten behindern, die aus dem gebrauchten Beweismitteln erwachsenen Vorstellungen von den zu untersuchenden Ereignissen oder Zuständen durch einen Gegenbeweis auszuräumen“.25 Die Ungeeignetheit müsse vielmehr „aus dem Beweismittel selbst heraus“26 beurteilt werden.

21 RGSt 63, 329 (331); BGHSt 14, 339 (342); BGH NStZ 1984, 546; 1993, 395 (396); StV 1993, 508; 1996, 368; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 16; KG StV 1993, 120. 22 BGH StV 1989, 238 (239); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 602; ter Veen, S. 136 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; AK – Schöch, Rn. 91 zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); Keller, ZStW 101 (1989), 381 (390). 23 BGH bei Miebach, NStZ 1989, 219 Nr. 11 = StV 1989, 238 (239) = BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 4; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 602; KK – Herdegen, Rn. 78 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 91 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 100 zu § 244; Fezer in Festgabe BGH, 847 (863). 24 BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1983, 211; 1985, 494 (Nr. 11); 1989, 219; 1990, 227 (Nr. 10); 1995, 45; BGH StV 1990, 7; 1993, 340 (341); KG StV 1993, 120. Anders aber BGH NStZ 1997, 503, wo u. a. erwogen wird, die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels aus der besonderen Sicherheit des bisherigen Beweisergebnisses herzuleiten. Kritisch dazu Herdegen, NStZ 1997, 505 und Wohlers, StV 1997, 570 (571). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 602; AK – Schöch, Rn. 91; LR – Gollwitzer, Rn. 278, 279 zu § 244. 25 RG HRR 1932 Nr. 79; RG HRR 1934 Nr. 1426; BGH StV 1993, 508; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 12; LR – Gollwitzer, Rn. 279 zu § 244. 26 BGH bei Spiegel, DAR 1977, 174; 1978, 155; 1979, 155 (Nr. 10); bei Holtz, MDR 1977, 108; MDR 1978, 281; BGH StV 1993, 232 (233); BGH NStZ-RR 1997, 304; SK – Schlüchter, Rn. 100 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 125 zu § 244; Fezer, StPO Fall 12 Rn. 70.

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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Unter welchen Voraussetzungen sich die Ablehnung eines Beweismittels als begründet erweist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.

1. Anwendungsvoraussetzungen Nach einem „traditionell sehr strengen“27 Maßstab wird in Rechtsprechung und Literatur der Begriff der völligen Ungeeignetheit dahingehend konkretisiert, daß ein Beweismittel nur dann nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 4 StPO zurückgewiesen werden kann, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisherige Beweisergebnis feststellen kann, daß sich das im Antrag in Aussicht gestellte Beweisergebnis nach sicherer Lebenserfahrung28 nicht erzielen lasse. Wie sich bereits aus der Bedeutung des in der genannten Vorschrift verwandten Begriffs „völlig ungeeignet“ ergebe, müsse es sich um ein Beweismittel handeln, dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich nutzlos wäre, so daß sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müßte.29 Eine nur mögliche, relative oder schlichte Nichteignung berechtige dagegen nicht zur Ablehnung.30 Vielmehr liege schon dann ein geeignetes Beweismittel vor, wenn seine Benutzung zwar keine sicheren und eindeutigen Schlüsse zulasse, aber dennoch die unter Beweis gestellte Behauptung mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lasse und somit Einfluß auf die Überzeugungsbildung des Gerichts haben könne.31 Ein Teil der Literatur hält den Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit nur dann mit dem Grundsatz der verbotenen Beweisantizipation für vereinbar, wenn der Tatrichter sich bei der Prognose, daß das bezeichnete Beweismittel das behauptete Beweisergebnis nicht erbringen werde, auf einen allgemeinen Erfahrungssatz berufen kann, der unter keinen denkbaren Umständen falsifiziert werden kann.32

Fezer, Festgabe BGH, 847 (863). RGSt 65, 134 (135); BGHSt 14, 339 (342); BGH StV 1989, 238 (239); BGH bei Miebach, NStZ 1989, 219 Nr. 11; BGH StV 1993, 508; BGH StV 1995, 5 = NStZ 1995, 45; KG StV 1993, 120. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 602; Sarstedt, DAR 1964, 307 (313); Eisenberg, Rn. 215. 29 BGH NStZ 1984, 564 = GA 1985, 189; bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1984, 210 Nr. 11 = StV 1984, 231 (232); StV 1991, 405; BGH NStZ-RR 1997, 304; Engels, Diss., S. 41 ff.; ders., GA 1981, 21 (27 f.); LR – Gollwitzer, Rn. 292, 293 zu § 244. 30 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 611 mit weiteren Nachweisen. 31 BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1985, 14 (Nr. 10), 1985, 494 Nr. 12; bei Miebach, NStZ 1990, 227 (Nr. 9); 227 (Nr. 10); BGH NStZ-RR 1997, 304; BGH StV 1981, 113; 1981, 167; 1982, 101; 1985, 508. 32 Kühne, Rn. 782; Frister, ZStW 105 (1993), 340 (355 f.); Engels, Diss., S. 41 (42); ders., GA 1981, 21 (27). Ablehnend: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 603 mit Fn. 7; Herdegen in FS für Boujong, 777 (788). 27 28

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Über diesen sehr restriktiven Bereich der absoluten Ungeeignetheit hinaus ist nach Ansicht der herrschenden Meinung „eine vorsichtige Ausdehnung der völligen Ungeeignetheit“ Voraussetzung für die praktische Anwendbarkeit des Ablehnungsgrundes.33 Da sich eine völlige bzw. absolute Untauglichkeit des Beweismittels nur selten aus der Natur des Beweismittels selbst ergebe, da es in der Regel an allgemeinen Kennzeichen für die zweifelsfreie Feststellung der Untauglichkeit fehlt34, hat die Rechtsprechung in einzelnen – dogmatisch nicht klar abgrenzbaren – Fällen eine Ablehnung nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 4 StPO auch dann anerkannt, wenn sich das gerichtliche Unwerturteil zwar nicht auf eine sichere Erfahrung berufen kann, in denen aber nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller besonderen Umstände des Einzelfalles eine Möglichkeit des Beweisgelingens mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.35 Neben den Fällen der absoluten Untauglichkeit des Beweismittels ist insbesondere für den Zeugenbeweis36 eine Ablehnung wegen mangelnden Beweiswertes der zu erwartenden Aussage unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bei fehlender Wahrnehmungs- und Aussagefähigkeit37 des Zeugen, bei zu verneinender Erinnerungsfähigkeit38, bei mangelndem Aussagewillen39 und bei Glaubwürdigkeitszweifeln40 anerkannt worden.

Perron, S. 243; Fezer in Festgabe BGH, 847 (863). Darstellend: ter Veen, S. 139. 35 Zum Bereich des relativ untauglichen Beweismittels siehe BGHSt 14, 339 (342); BGH NStZ 1982, 141; BGH bei Dallinger, MDR 1973, 372; BGH bei Pfeiffer, NStZ 1981, 96; BGH NStZ 1982, 126 (127); NStZ 1993, 295 (296); BGH StV 1982, 339 (341); 1991, 507; KG StV 1993, 120; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 1, 11; 18; BGH NStZ 1984, 42 (43); 1992, 126 (127); 1993, 295 (296). Ausführliche Nachweise auch bei Engels, GA 1981, 21 (28 mit Fn. 38); Perron, S. 243; Fezer in Festgabe BGH, 847 (863, 864). 36 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 602; ter Veen, S. 135. 37 BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 1 (Zeuge für innere Tatsachen); RG JW 19194, 434 (Alter des Zeugen). Zur Einteilung der Fallgruppen siehe mit jeweils weiteren Nachweisen: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 603 f.; Engels, Diss., S. 43 mit Fn. 118; ders., GA 1981, 21 (27 ff.); Fezer, Festgabe BGH, 847 (863, 864). 38 Verlust des Erinnerungsvermögens bei Bezeugung lange zurückliegender Vorgänge: RGSt 54, 181 (182); BGH NStZ 1993, 295 (296); BGH NStZ 2000, 156 (157); BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 11. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 615 ff.; ter Veen, S. 142 ff. 39 Zur Aussageverweigerung: BGHSt 21, 12 (definitive Mitteilung der Zeugnisverweigerung); BGH NStZ 1982, 41; NStZ 1992, 126 (127); BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 18; HK – Julius, Rn. 29 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 94 zu § 244; für eine weitere normative Öffnung Herdegen in FS für Boujong, 777 (788). 40 Der Zeuge ist wegen besonderer Umstände ganz und gar unglaubwürdig: BGH bei Holtz, MDR 1978, 281; BGH NStZ 1984, 42 (43); KG JR 1983, 479 (Verurteilung nach §§ 153 ff. StGB); BGH NStZ 1997, 503 = BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 17: der „naheliegend parteiliche oder sonst in seiner Glaubwürdigkeit von vornherein erkennbar zweifelhafte Zeuge“ (II 4 c der Urteilsgründe); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 611 ff. 33 34

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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Auch in der Literatur wird das Bedürfnis nach Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls gesehen: Insbesondere eine Begrenzung des Ablehnungsgrundes auf Mängel des Beweismittels, die aufgrund nicht falsifizierbarer Erfahrungssätze feststehe, und damit verbunden eine Beschränkung auf Fälle objektiver Unmöglichkeit des Beweisgelingens, nähme dem Zurückweisungsgrund jede Bedeutung.41 Dennoch dürfe auch die „konkret- individuelle Würdigung“, die in Verbindung mit den besonderen Umständen des Einzelfalls den Schluß rechtfertigen soll, daß die Eignung des Beweismittels in hohem Maße unwahrscheinlich ist, das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme nicht zur alleinigen argumentativen Grundlage der Ablehnungsentscheidung machen.42 Am Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels zeigt sich das bereits angesprochene Problem, daß auch eine prospektive Beweiswürdigung nur dann mit dem Verbot der Beweisantizipation vereinbar ist, wenn die zu erwartenden Beweisergebnisse mit absoluter Sicherheit prognostiziert werden können. So daß der strenge Maßstab der insbesondere von Engels vertretenen Mindermeinung dazu führt, den Anwendungsbereich der völligen Ungeeignetheit auf praktische nicht auftretende Beweisbegehren zu reduzieren. Obwohl die Rechtsprechung ihre Entscheidungskriterien nicht unmittelbar offenlegt43, ist davon auszugehen, daß die von der herrschenden Meinung vertretene Position, auch jenseits „intersubjektiver Schlußsicherheit“ eine gerichtliche Ablehnungsberechtigung anzuerkennen, (unausgesprochene) prozeßökonomische Hintergründe hat.44 Die Literatur beschränkt sich daher auf die Vermutung, daß die mit der erweiterten Auslegung der Ablehnungsgründe zum Ausdruck gebrachte Berücksichtigung verfahrensökonomischer Belange das Ergebnis einer Abwägung darstellen, bei der die Bedeutung der Sache in ein Verhältnis zu dem zu erwartenden Ertrag der Beweismittelverwertung gesetzt werden, wobei dessen Wert durch Umstände des Einzelfalls weiter herabgemindert werden kann.45 2. Stellungnahme Hinsichtlich des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels überzeugen die Gründe für eine Erweiterung der gerichtlichen Möglichkeit, den Beweiswert des Beweismittels am konkreten Einzelfall zu überprüfen. 41 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 603 mit Fn. 7; KK – Herdegen, Rn. 78 a. E. zu § 244; Herdegen in FS für Boujong, 777 (788); zur älteren Literatur, die das prozeßökonomische Interesse an der Ablehnung wegen Ungeeignetheit betonte: ter Veen, S. 135 mit Fn. 341, der im Ergebnis der Relativierung des Ablehnungsgrundes sehr kritisch gegenüber steht. 42 Herdegen in FS für Boujong, 777 (789); SK – Schlüchter, Rn. 101, 102 zu § 244. 43 ter Veen, S. 154, 155; ders., StV 1990, 569 (574): kritisiert, daß diese Abwägungskriterien bei der Entscheidungsbegründung verdeckt werden. Zu den Aspekten, die nach Ansicht ter Veens im Rahmen einer solchen Abwägung zu berücksichtigen sind, siehe ter Veen, S. 233. 44 Fezer, Festgabe BGH, 847 (869); ter Veen, S. 154, 155. 45 ter Veen, S. 154, 155; Perron, S. 279.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

(a) Praktischer Anwendungsbereich des Ablehnungsgrundes Die Beschränkung des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit auf Fälle, in denen die Untauglichkeit eines Beweismittels aufgrund eines „nicht falsifizierbaren Erfahrungssatzes“ feststeht, nähme dem Ablehnungsgrund jede Bedeutung.46 Wenn eine Vorwegwürdigung der negativen Beweiswertqualität nur dann als begründet angesehen wird, wenn die objektive Unmöglichkeit des Beweisgelingens von vornherein feststeht, führt dies zu einem zu weitreichenden, praktisch nicht handhabbaren Beweiserhebungszwang.47 Die notwendigerweise mit einer erweiterten Auslegung verbundene Durchbrechung des Beweisantizipationsverbotes darf nicht zur generellen Unzulässigkeit dieser erweiterten Auslegung und zu einem absoluten Vorrang der Wahrheitserforschungspflicht führen. Vielmehr ist die (vorsichtige) Relativierung des Beweisantizipationsverbotes zulässig, soweit durch Einhaltung strenger Begründungspflichten im Rahmen des § 244 Abs. 6 StPO das Risiko sachlich verfehlter Ablehnungsentscheidungen begrenzt werden kann. (b) Plausibilität des begründeten Ablehnungsbeschlusses Die Öffnung des Ablehnungsgrundes hat „zwei Voraussetzungen“: Zum einen darf die völlige Ungeeignetheit des benannten Beweismittels für den Nachweis des die Beweisthematik bildenden Sachverhalts nicht aus den schon erhobenen Beweisen und schon paraten Beweisgründen gefolgert werden, weil es möglich sein muß, gegen die „aus den schon gebrauchten Beweismitteln erwachsenen Vorstellungen anzugehen“.48 Zum anderen muß die „konkret-individuelle Würdigung von Eigenschaften, Verhältnissen oder Beziehungen, die in Verbindung mit besonderen Umständen des Einzelfalls den Schluß tragen soll, daß ein benannter Zeuge ein völlig ungeeignetes Beweismittel ist, ( . . . ) wiederum die Qualität aufweisen, die das Beweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit verlangt: In rationaler, auf intersubjektiv anerkannte Gründe gestützter Argumentation muß dargelegt werden, daß ein Beweisgründe erbringender Beweis in hohem Maße unwahrscheinlich ist“.49 Eine in hohem Maße plausible Argumentation, warum im Einzelfall das Gelingen des Beweises ausgeschlossen werden kann, verlangt eine besonders eingehende Darstellung der tatsächlichen Umstände, die für die Entscheidung maßgebend waren.50 Eine rein „schablonenhafte Begründung“51 kann hier nicht genügen. 46 KK – Herdegen, Rn. 78 zu § 244; Herdegen in FS für Boujong, 777 (788): Die Position der sog. „Logiker“ sei daher abzulehnen; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 603 mit Fn. 7. 47 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 603 mit Fn. 7; ter Veen, (S. 138, 136) führt aus, daß der Umstand, daß sich die Ungeeignetheit nur selten aus der Natur des Beweismittels selbst ergebe, weil es an allgemeinen Kennzeichen für die Untauglichkeit fehle, für die Erweiterung des Ablehnungsgrundes im Sinne der Zulässigkeit einer Einzelfallentscheidung die bestimmende Ursache sei. 48 RG HRR 1932, 79. 49 Herdegen in FS für Boujong, 777 (789).

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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Einzelne Indizien, die Zweifel am Beweiswert des Beweismittels begründen, können allein eine Ablehnung wegen völliger Ungeeignetheit nicht rechtfertigen. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Beweisantizipationsverbotes stellt es in der Regel keine ausreichende Begründung dar, wenn die Vernehmung eines Zeugen ohne Hinzutreten weiterer Umstände52 lediglich mit dem Hinweis auf verwandtschaftliche Beziehungen zum Angeklagten oder aufgrund des Verdachts der Tatbeteiligung abgelehnt wird.53 Auch der Umstand, daß der Zeuge nach § 55 StPO die Auskunft verweigern darf, genügt als solcher nicht, um seine völlige Ungeeignetheit anzunehmen.54 Die Gefahr, daß der Beweisantrag nur unter Berufung auf das bisherige Beweisergebnis abgelehnt wird und das damit verbundene Risiko „vorschneller und einseitiger Akte prospektiver Beweiswürdigung“55 soll durch die Darlegung kumulativer Gründe vermieden werden. Eine Erörterung der besonderen Umstände des Einzelfalls muß plausibel begründen, warum es schon vor der Beweisaufnahme gerechtfertigt sein soll, den gänzlichen Unwert des Beweismittels abschließend zu beurteilen. Zwar kann auch eine entsprechend hohe Anforderung an die argumentativ abgesicherte Ablehnungsbegründung den Vorwurf der fehlenden Schlußsicherheit nicht entkräften, den die Mindermeinung der Ablehnung wegen relativer Ungeeignetheit entgegenhält56, aber sie soll gewährleisten, den Ablehnungsgrund auf Ausnahmefälle „objektiver Evidenz“57 zu beschränken. Da die Revisionsrechtsprechung auch bzgl. der relativen Ungeeignetheit sehr strenge Anforderungen stellt, „so daß es einem Tatgericht nur selten gelingt“, einen Beweisantrag auf der Grundlage der konkret zu benennenden besonderen Umstände revisionssicher abzulehnen, erscheint der durch die Relativierung eingeräumte Vorrang prozeßökonomischer Interessen 50 RGSt 63, 329 (332); BGH JR 1954, 310; BGH GA 1956, 384 (385); BGH bei Spiegel, DAR 1977, 169 (174 Nr. 7); BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1989, 219 (Nr. 11); BGH StV 1993, 508; BGH NStZ-RR 1997, 304; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 4 mit weiteren Nachweisen; BayObLG MDR 1981, 388. Siehe auch BGHSt 44, 308 (313 ff.) zur Beschreibung der Funktionsweise eines „Lügendetektors“ und der anschließend auf die ausführliche Beschreibung der tatsächlichen Umstände gestütztes Ablehnung nach § 244 Abs. 3 Satz 2 (s. BGHSt 44, 308 (319 ff.). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 761, 762; Eisenberg Rn. 215; Perron, S. 244; Thole, S. 97; LR – Gollwitzer, Rn. 294 zu § 244; Alsberg, JW 1922, 258 (259). 51 ter Veen, S. 153. 52 Kühne, Rn. 782. 53 BGH bei Spiegel, DAR 1977, 169, (174 Nr. 7); BGH bei Holtz, MDR 1978, 281 (mit weiteren Nachweisen) BGH StV 1990, 394; OLG Hamburg NJW 1953, 917; BayObLG MDR 1981, 338; SK – Schlüchter, Rn. 102 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 94 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 126, 127 zu § 244. 54 Herdegen in FS für Boujong, 777 (788) ist aber für eine weitere „normative Öffnung“. 55 ter Veen, S. 151. 56 Köhler, S. 35, 36; Engels, Diss., S. 42; Born, S. 131; Grünwald (1993), S. 98; Kühne, Rn. 782. 57 Roxin, § 43 Rn. 16; AK – Schöch, Rn. 91 zu § 244; HK – Julius, Rn. 29 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 78 (a. E.) zu § 244.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

gegenüber dem Sachaufklärungsverlangen des Antragstellers sehr gering. Die strenge Argumentationslast, die das Tatgericht im Rahmen der Ablehnungsbegründung trifft und der Umstand, daß die Revisionsrechtsprechung zwar grundsätzlich Fallgruppen relativer Ungeeignetheit anerkennt58, in der Regel aber entsprechende Ablehnungsversuche im Ergebnis als rechtsfehlerhaft einstuft, sprechen gegen einen weiten Ermessensspielraum59 der Gerichte im Rahmen des § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 4 StPO . Weitere Öffnungsversuche sind aber strikt abzulehnen. Die Erwägungen des 5. Senats in seinem Urteil vom 12. 6. 1997, eine Ablehnung wegen völliger Ungeeignetheit in besonders gelagerten Fällen bereits zu gestatten, „wenn der Tatrichter aus der besonderen Sicherheit des bisher gewonnenen Beweisergebnisses (zum Beispiel einer Mehrzahl übereinstimmender neutraler Zeugen) oder aus einer besonderen Schwäche des im Beweisantrag benannten Beweismittels ( . . . ) oder aus einer Kombination beider Elemente die sichere Beurteilung begründen und verantworten kann, daß das erstrebte Beweisergebnis mit dem benannten Beweismittel nicht zu erreichen ist“60, widerspricht den vorangehend zitierten Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Ablehnungsbegründung stellt61, und ist daher zu Recht als unzulässige Beweisantizipation abgelehnt worden.62

3. Mit den Anwendungsvoraussetzungen korrespondierende Substantiierungslast Bei der Ablehnung eines Beweisantrages mit der Begründung, das Beweismittel sei völlig ungeeignet, muß das Gericht, weil es sich um eine (wenn auch gesetzlich zugelassene) Ausnahme von dem Verbot der Beweisantizipation handelt, besonders eingehend alle tatsächlichen Umstände darlegen, die eine Verneinung der im Beweisantrag formulierten Prognosebehauptung rechtfertigen.63 Die Ablehnung des Antrags mit einer prozeßrechtskonformen Begründung zu bescheiden, setzt voraus, daß dem Gericht Informationen zur Verfügung stehen, die es erlauben, die Wahrscheinlichkeit, daß der behauptete Aussagevorgang dem tatsächlichen Aussagevorgang hinsichtlich Aussageinhalt und Aussagekraft entsprechen wird, unabhängig vom dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme zu prognostizieren. Der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit eröffnet dem Gericht zwei Zurück58 Siehe die Rechtsprechungsnachweise der vorangehenden Fußnoten und die entsprechende Einschätzung des Verhältnisses von abstrakter Voraussetzung und konkreter Beurteilung tatrichterlicher Ablehnungsentscheidungen bei Grünwald (1993), S. 99. 59 Perron, S. 243, 244; ter Veen, S. 136, 144, 153, 154, jeweils mit weiteren Nachweisen. 60 BGH NStZ 1997, 503 = BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 17. 61 BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1989, 219 (Nr. 11); BGH StV 1993, 508. 62 Herdegen, NStZ 1997, 505; Wohlers, StV 1997, 570 (571); Roxin, § 43 Rn. 16 mit Fn. 6. 63 BGHSt 14, 339 (342); BGH StV 1990, 7; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 761; LR – Gollwitzer, Rn. 278 ff. zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 77 und 90 zu § 244.

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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weisungsmöglichkeiten, denn es kann entweder das Mißlingen einer tatsächlichen Informationsübermittlung und damit das im Antrag behauptete Beweisergebnis verneinen oder seine Ablehnung damit begründen, daß es der prognostizierten Eignung des Beweismittels widerspricht. Die Möglichkeiten, mittels weiterer Präzisierung des Tatsachenvortrags des Antragstellers die Prüfung der völligen Ungeeignetheit zu aktivieren, sind jedenfalls im Rahmen des Zeugenbeweisantrages begrenzt. Für die gerichtliche Prognose des zu erwartenden Beweisergebnisses kann auch eine erweiterte Substantiierung des Beweisantrags keine Prüfungsvoraussetzungen schaffen. Daß ein Zeuge eine bestimmte Beweisbehauptung in der Hauptverhandlung nicht bekunden wird, läßt sich aufgrund eines gesicherten Erfahrungssatzes niemals ausschließen. Insbesondere der Umstand, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Zeuge bewußt die Unwahrheit bekunden wird, macht es unmöglich, dem Gericht durch die Antragsformulierung eine zuverlässige Bewertungsgrundlage zu verschaffen. So daß der Bezugspunkt erweiterter Konkretisierungslasten nur die gerichtliche Ablehnung der Beweiseignung des Beweismittels sein kann. Damit führt der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz im Rahmen des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels zu der formalen Anforderung, dem Gericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob das benannte Beweismittel mit Sicherheit keinerlei Beweiswert haben wird. Eine plausible Ablehnungsbegründung setzt daher Informationen über die Faktoren voraus, die für den Beweiswert des Beweismittels bestimmend sind. Der Beweiswert folgt aus der Funktion, die dem Beweismittel in der Prozeßordnung zugewiesen wird. Der Beweiswert einer Zeugenaussage hängt davon ab, ob der Zeuge einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang, für dessen Bekundung er im Beweisantrag bezeichnet wurde, tatsächlich wahrgenommen haben kann, ob er diesen gespeichert hat und inwieweit er zur Übermittlung des Erinnerten in der Lage oder bereit sein wird.64 Ob eine Beweisperson die entsprechende Zeugnisfähigkeit65 besitzt, kann nur beurteilt werden, wenn der Beweisantrag Informationen über den Wahrnehmungsvorgang und die Aussagekompetenz und -bereitschaft des Zeugen mitteilt. Der Regelfall des Beweisantrags weist jedoch entsprechende Angaben nicht auf. Wird beantragt, den Zeugen X. zu vernehmen, der aus eigener Wahrnehmung bekunden wird, daß der Angeklagte am Tag Y. in Z. den Zeugen O. mit einem Messer in die Brust gestochen hat, so enthält dieser Antrag lediglich Informationen, die der Identifizierung des Beweismittels dienen, aber keinen Hinweis darauf, welcher Wahrnehmungsvorgang (welche Art und welche Möglichkeiten der Wahrnehmung) den Zeugen mit dem Gegenstand der Beweisbehauptung verbindet. Da es sich weiterhin bei dem beweiserheblichen Sachverhalt um einen tatsächlichen Vorgang handelt, der der Wahrnehmung durch einen anderen grundsätzlich zugänglich ist, scheidet auf der Grundlage dieser Informationsbasis eine 64 65

Alsberg / Nüse / Meyer, S. 603 ff.; Kühne, NStZ 1985, 252 ff. LR – Dahs, Rn. 2 – 5, 23 vor § 48.

5 Tenorth-Sperschneider

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Ablehnung wegen völliger Ungeeignetheit aus. In dieser Prozeßsituation ist das Gericht darauf angewiesen, durch weitere Befragung der Verfahrensbeteiligten oder aus den Umständen der Antragstellung und dem bisherigen Beweisergebnis Informationen über die Beweiseignung des Beweismittels zu gewinnen. Die gewonnenen Informationen bilden die Randbedingungen für Erfahrungssätze, die es ermöglichen, im konkreten Einzelfall auf die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels zu schließen und eine Ablehnungsbegründung entsprechend plausibel zu begründen. Verfügt das Gericht bspw. über die zuverlässige Information, daß der oben genannte Zeuge X. am Tage Y. nicht am Tatort Z. war, so ergibt sich aus dem allgemeingültigen, jedem Alibi-Beweis zugrundeliegenden Erfahrungssatz, daß niemand zugleich an zwei verschiedenen Orten sein kann, daß der Zeuge X. für die Bekundung einer eigenen Wahrnehmung am Ort Z. völlig ungeeignet ist. Ist dem Gericht bekannt, daß der benannte Zeuge X. das behauptete Geschehen selbst unmittelbar beobachtet hat, kurz danach aber einen schweren Schlaganfall erlitten hat, der das Sprachzentrum erheblich verletzt hat, so erlaubt die allgemeine Lebenserfahrung dem Gericht, die Überzeugung zu gewinnen, daß der Zeuge X. zu einer sinnvollen Kommunikation in der Hauptverhandlung nicht in der Lage sein wird. Das Gericht kann von der Bestätigung dieser Wahrscheinlichkeitsregel und damit von der tatsächlichen Aussageunfähigkeit der Beweisperson ausgehen, soweit im konkreten Fall keine Anhaltspunkte für einen regelwidrigen Verlauf der Geschehnisse erkennbar sind. Gleichzeitig schließt der Vortrag eines Indizes, das dem Beweismittel auch nur einen geringen Beweiswert verleiht, die Ablehnung wegen völliger Ungeeignetheit aus.

II. Der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache Der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache steht im Kontext der Ablehnungsgründe, die eine Zurückweisung eines Prozeßbegehrens wegen Überflüssigkeit der Beweisaufnahme66 zulassen. Mit der Bezeichnung dieses Ablehungsgrundes stellt § 244 Abs. 3, Satz 2 Var. 2 StPO klar, daß die Prozeßbeteiligten die Erhebung eines nicht präsenten Beweises nur verlangen können, wenn die zu beweisende Tatsache für die Entscheidung von Bedeutung ist.67 66 ter Veen, S. 96 ff. Zur Einteilung der Bedeutungslosigkeit als eigenständige Fallgruppe der Unerheblichkeit: Fezer, StPO Fall 12 Rn. 58, 61. Zum Begriff der negativen Beweisbedürftigkeit: Kühne, Rn. 770 (780). 67 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 575; ter Veen, S. 96 / 97; Fezer, StPO Fall 12 Rn. 61; Kühne, Rn. 780: Daß für eine Beweiserhebung, die „außer allem Zusammenhang mit dem Gegenstand der inkriminierten Handlung“ steht, und daher statt die Wahrheitsfindung zu fördern, nur das Verfahren verzögern würde, im Strafverfahren kein Anlaß besteht, erscheint „ebenso selbstverständlich wie unproblematisch“. Letztlich formuliere das Gesetz nur einen negativen Schluß aus der positiven Formulierung des § 244 Abs. 2 StPO, der das Gericht verpflichtet, die Sachverhaltserforschung auf alle Tatsachen von Bedeutung zu erstrecken.

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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1. Anwendungsvoraussetzungen Die Bedeutungslosigkeit kann sich aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen ergeben: Eine Tatsache ist dann aus rechtlichen Gründen für die Entscheidung des Gerichts ohne Bedeutung, wenn die Beweisbehauptung zu den gesetzlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen oder Rechtsfolgenbestimmungen, um deren Anwendung es nach der Prozeßlage möglicherweise geht, nicht in einem Subsumtionsverhältnis steht.68 Die rechtliche Bedeutungslosigkeit ist auch dann gegeben, wenn eine Verurteilung aus anderen (bereits erwiesenen) Gründen ausgeschlossen ist, etwa weil Prozeßhindernisse, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe vorliegen.69 Neben der Ablehnung von Tatsachen, auf die es angesichts der (konkreten) Rechtslage nicht ankommt, erlaubt die 2. Variante des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auch eine Zurückweisung von Prozeßbegehren, die in keinem Zusammenhang mit dem Urteilsgegenstand70 stehen oder eine Indiztatsache behaupten, die die Beweiswürdigung des Gerichts nicht zu beeinflussen vermag.71 Während die Anwendungsfälle der rechtlichen Unerheblichkeit und des fehlenden Sachbezugs72, dessen Umschreibung sich in § 245 Abs. 2 Satz 3 Var. 3 StPO findet73, in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen, bildet der gesetzlich nicht definierten Fall der faktischen Unerheblichkeit einer Indiztatsache den eigentlichen Problemschwerpunkt dieser Ablehnungsvariante.74

68 Dann handelt es sich nicht um unmittelbar erhebliche Tatsachen bzw. Haupttatsachen: KK – Herdegen, Rn. 4; 74 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 17, 85, 86 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 54, 55 zu § 244. Zu den einzelnen Fallgruppen rechtlicher Unerheblichkeit: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 580 mit einzelnen Fallgruppen zur rechtlichen Unerheblichkeit. Holzapfel, S. 37 ff.; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 56 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 74 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 86 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 220 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 114 zu § 244; Schweckendieck, NStZ 1997, 257. 69 AK – Schöch, Rn. 86 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 56 zu § 244. 70 Zur Bestimmung des Prozeßgegenstandes siehe Kühl (1987), S. 32 ff. 71 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 587 ff.; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 56 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 222 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 95 zu § 244; Fezer in Festgabe BGH, 847 (862, 863). Die Ablehnungsbegründung muß daher erkennen lassen, ob Bedeutungslosigkeit aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen vorliegt: BGHSt 2, 284 (286); BGH NStZ 1982, 126; NStZ 1985, 516; 1993, 144; BGH wistra 1995, 31; Eisenberg, Rn. 213. 72 KK – Herdegen, Rn. 74 zu § 244 ordnet den Fall der fehlenden Sachbezogenheit sog. Haupttatsachen als Fall der rechtlichen Bedeutungslosigkeit ein, ebenso KMR – Paulus, Rn. 121 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 87 zu § 244; Perron, S. 225. 73 Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 56 zu § 244; Rn. 25 zu § 245. Zur Neufassung des § 245 siehe ausführlich Kühl (1987), S. 60 ff.; zu Funktion und Geschichte des § 245 Köhler, S. 9 – 25 und S. 51 ff. 74 Zur Häufigkeit dieser Fallgruppe siehe BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 2, 3, 4, 5, 7, 8, 10, 13, 16, 23 und den Verweis von Perron, S. 225 mit Fn. 265 auf entsprechende Ergebnisse eigener empirischer Untersuchungen.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Im Fall der unmittelbaren Beweistatsache wird ein prognostisches Erheblichkeitsurteil übereinstimmend als zulässig angesehen75, denn weder die Beweisbarkeit der Beweisbehauptung noch die materielle Beweiskraft des Beweismittels werden in Fällen der Ablehnung wegen Unerheblichkeit von Haupttatsachen in Abrede gestellt. Eine nicht unproblematische76 Vorwegwürdigung des beantragten Beweises erlaubt dagegen die gerichtliche Erheblichkeitsprüfung von mittelbar erheblichen Tatsachen (Indiztatsache oder Hilfstatsache).77 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf das Gericht die Ablehnung einer beantragten Beweisaufnahme mit der Begründung ablehnen, daß die behauptete mittelbare Tatsache trotz ihrer indiziellen Bedeutung für eine andere Tatsache im Einzelfall unerheblich ist, weil die Beweistatsache selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnte, da sie nur einen möglichen, nicht aber einen zwingenden Schluß auf den Gegenstand der Urteilsfindung zuläßt und das Gericht den Möglichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsschluß auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer unmittelbar erheblichen Tatsache (oder auch nur einer in der Beweiskette78 übergeordneten Indiztatsache) nicht ziehen will.79 Über die Geltung des Erfahrungssatzes, der einen erfolgreichen Schluß von der behaupteten Indiztatsache (Hilfstatsache) auf das Beweisziel des Antragstellers ermöglicht, entscheidet das Gericht in freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO).80 Sowohl in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch in der Literatur besteht Uneinigkeit, ob bei diesem Akt der (Zwischen-) Beweiswürdigung der vom Antragsteller angebotenen Schlußregel auch das bisherige Beweisergebnis Berücksichtigung finden darf.

75 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 412; darstellend: ter Veen, S. 58, 59 und Herdegen in FS für Boujong, 777 (779). 76 ter Veen, S. 99; Kühne, Rn. 781; Nierwetberg, Jura 1984, 630 (635). 77 Zur Differenzierung zwischen Indiz- und Hilfstatsachen siehe BGH NJW 1961, 2069 (2070); BGHSt 12, 311 (313 f.); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 577, 578; Alsberg in FS für Heinitz, S. 416 (444); Simader, S. 120; LR – Gollwitzer, Rn. 219 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 4 zu § 244; Nack, MDR 1986, 366 (367). Fezer, StPO Fall 12 Rn. 8, bevorzugt den Begriff der „Beweismitteltatsache“ an Stelle von „Hilfstatsache“. 78 Zur Differenz zwischen Beweiskette und Beweisring siehe unten Teil 1 Kapitel 2 B II 1 (c) (aa). 79 Erstmals ausdrücklich in BGH GA 1964, 77; angedeutet bereits in BGH NJW 1953, 35 (36). Weiterhin: BGHR StPO § 244 Abs. 3, S. 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 2, 3, 4, 5, 7, 8, 10, 13, 16, 23. BGH NStZ 1982, 126; 1983 bei Pfeiffer / Miebach, 210 (211); 1985, 516 (517); 1992, 551; 1999, 308 (309); BGH DAR 1980, 209; BGH MDR bei Holtz, 1993, 722. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 588, 589; ter Veen, S. 99 (mit zahlreichen weiteren Nachweisen); Schweckendieck, NStZ 1997, 257. 80 BGH GA 1964, 77; BGH NJW 1988, 501 (502); BGH NStZ 1984, 42; BGH StV 1990, 340. KK – Herdegen, Rn. 74 zu § 244; ders. in FS für Boujong, 777 (783): „Gesamtwürdigung en miniature“.

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(a) Zulässigkeit retrospektiver Zwischenbeweiswürdigungen Nach der in der Rechtsprechung und der richterlich dominierten Kommentarliteratur81 vorherrschenden Meinung, muß das Gericht, um die Frage beantworten zu können, ob es aus der behaupteten Indiztatsache82 im Einzelfall irgendwelche Schlußfolgerungen ziehen möchte, „das bisherige Beweisergebnis würdigen und in einer Zwischenberatung prüfen, ob die neu unter Beweis gestellte Tatsache, wenn sie bewiesen würde, zu einem bestimmten Ergebnis führen könnte“.83 Die herrschende Meinung geht davon aus, daß das Tatgericht auch bei der Ablehnung wegen faktischer Bedeutungslosigkeit einer mittelbaren Tatsache ohne Beweisantizipation auskomme, wenn es zu prüfen habe, ob aus der „ohne jede Einschränkung als erwiesen zu behandelnden Tatsache ( . . . ) die Folgerung zu ziehen sei, auf die der Beweisführer abzielt“.84 Der in vielen Entscheidungen und Kommentierungen enthaltene Satz, daß die faktische Bedeutungslosigkeit nicht allein aus dem bisherigen Beweisergebnis abgeleitet werden dürfe, sei mißverständlich.85 Die Berücksichtigung des Beweisergebnisses selbst sei nicht untersagt, vielmehr müsse hier differenziert werden: Eine Ablehnung wegen Unerheblichkeit sei nur dann ein unzulässiger Verstoß gegen das Beweisantizipationsverbot und damit rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht die Bedeutungslosigkeit mit Hinblick auf das gegenteilige bisherige Beweisergebnis präsumiere.86 Davon zu unterscheiden sei aber eine Zwischenbeweiswürdigung, in deren Rahmen aus der Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses nicht 81 BGH NStZ 1984, 42, 43; BGH bei Holtz, MDR 1988, 279; BGH bei Miebach, NStZ 1988, 211 Nr. 10; BGH NStZ 1992, 507. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 588 ff.; LR – Gollwitzer, Rn. 222 f. zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 74 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 56 zu § 244. Dazu auch Anders, S. 63, 64 m. w. N. 82 Born, S. 132: Diese Prozeßsituation setzt natürlich voraus, daß es um die Würdigung sich im Verlauf der Hauptverhandlung ergebender Indiztatsachen geht. Unmittelbar erhebliche und anfängliche Indiztatsachen bedürfen keiner Würdigung des bisherigen Beweisergebnisses. 83 Aus der Rechtsprechung: BGH GA 1964, 77; BGHR StPO § 244 Abs. 3, S. 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 2, 5, 7, 11, 16, 23; BGH StV 1983, 90 (91); BGH NStZ 1981, 309 (310 Nr. 25); NStZ 1984, 42; NStZ 1988 bei Pfeiffer / Miebach, 211 Nr. 11 („ständige Rechtsprechung“); BGH wistra 1993, 29 (30). Aus der Literatur: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 589; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 56 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 87 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 222 zu § 244; HK – Julius, Rn. 27 zu § 244; Eisenberg, Rn. 212. 84 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 589; LR – Gollwitzer, Rn. 222 zu § 244. Aus der Rechtsprechung: BGH GA 1964, 77; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 2, 7, 19, 23; BGH NStZ 1982, 126; NStZ 1983 bei Pfeiffer / Miebach, 210 (211); NStZ 1985 516 (517 m. w. N.); NStZ 1999, 308 (309); BGH DAR 1980, 209. Anders dagegen SK – Schlüchter, Rn. 96 zu § 244; Keller, ZStW 101 (1989), 381 (389): Die Feststellung der Bedeutungslosigkeit verlangt eine Vorwegwürdigung des bisherigen Beweisergebnisses und stellt eine unvermeidbare Einschränkung des Verbotes der Beweisantizipation dar. 85 BGH GA 1956, 384; BGH MDR 1970, 778; BGH StV 1981, 271. Zur jeweils „mißverständlichen“ Ablehnungsbegründung siehe Alsberg / Nüse / Meyer, S. 589 mit Fn. 91. 86 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 589 (a. E.); Herdegen in FS für Boujong, 777 (778, 779).

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automatisch eine Relativierung der behaupteten Indiztatsache zu Lasten des Antragstellers folgere.87 Gemeint sei eine Gesamtwürdigung, die das hypothetische Erwiesensein des Indizes ernst nehme.88 Nach Ansicht Kühls liegt in dieser Form der Zwischenbeweiswürdigung deshalb kein Verstoß gegen das Beweisantizipationsverbot, weil die Ablehnung wegen faktischer Bedeutungslosigkeit nicht die zu beweisende Tatsache, sondern die Berechtigung des Erfahrungssatzes, der für einen erfolgreichen Schluß von der Beweisbehauptung auf das Beweisziel erforderlich ist, betreffe.89 Verneine das Gericht im konkreten Fall die „Triftigkeit der vom Antragsteller beanspruchten Schlußregel“, so präsumiere es mit der Zurückweisung des Beweisantrags nicht das Ergebnis der Beweisaufnahme, da diese allein über den Beweiswert des Beweismittels, nicht aber über die Geltung des Erfahrungssatzes Aufschluß bringen werde.90 Da in Fällen der „prognostizierten Unerheblichkeit“ weder die Beweisbarkeit der Beweisbehauptung noch die materielle Beweiskraft des Beweismittels in Frage gestellt, sondern nur die Erheblichkeit, d. h. die Eignung einer Indiztatsache für die „vom Antragsteller erstrebten Folgerungen“ überprüft werde, sei die Fallgruppe der faktischen Bedeutungslosigkeit aus dem „Antizipationsproblem auszuscheiden“.91 (b) Unzulässigkeit retrospektiver Zwischenbeweiswürdigungen Nach der Gegenansicht stellt sich der Vorgang der gerichtlichen Überzeugung von der Irrelevanz einer Indiztatsache dagegen als überaus antizipationsanfällig dar. Das Gericht erhalte über diese Ablehnungsmodalität die „Möglichkeit, Bewei87 BGHR StPO § 244 Abs. 3, S. 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 23; BGH wistra 1983, 33; BGH NStZ 1984, 42 (43). AK – Schöch, Rn. 87 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 74 zu § 244; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 589, 590. Kritischer ter Veen, S. 100, der davon spricht, daß das Antizipationsverbot hier auf einen „Programmsatz“ reduziert werde. 88 Die Beweistatsache ist ohne jede Einschränkung als erwiesen zu behandeln, d. h. das Gericht darf das Beweisthema weder umdeuten noch einengen oder verkürzen: BGH StV 1983, 90 (91); 1994, 62; 1996, 441. 89 Kühl (1987), S. 68; Keller, ZStW 101 (1989), 381 (389) sieht auch darin eine Einschränkung dieser Beweismaxime. 90 Kühl (1987), S. 68: zur Schwierigkeit der Bestimmung des Beweisantizipationsverbotes beim Indizienbeweis: BGH GA 1964, 77 weise daraufhin, daß das Verbot der Vorwegnahme des weiteren Beweisergebnisses nicht verletzt sei. Fraglich sei nach Kühl ([1987], S. 68, 69) aber nicht, ob das Verbot prospektiver Beweiswürdigung verletzt wurde, sondern, ob das Gericht verbotenerweise eine retrospektive Beweiswürdigung vorgenommen hat. 91 Siehe Herdegen, wenn auch im Ergebnis für eine Einbeziehung, in FS für Boujong, 777 (783); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 589 mit Fn. 89 und Rechtsprechungsnachweisen; Eisenberg, Rn. 212; Frister, ZStW 105 (1993), 340 (347). Auch Engels, der die uneingeschränkte Geltung des Antizipationsverbotes im Rahmen des § 244 Abs. 3 fordert, sieht in der Fallgruppe der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit keinen Verstoß gegen diese Beweismaxime: Diss., S. 40 und GA 1981, 21 (35 mit Fn. 68). Siehe dazu auch schon die abstrakten Ausführungen oben Teil 1 Kapitel 1 A III 2 (b).

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se, denen – zumindest ex ante – ein Beweiswert nicht abgesprochen werden kann, allein aufgrund subjektiven Ermessens auszuschließen“.92 Ein Teil der Rechtsprechung93 und der Literatur94 sieht daher in der gerichtlichen Überzeugungsbildung in Form einer retrospektiven Zwischenbeweiswürdigung eine unzulässige Verbindung der Ebenen gebundener Beweiserhebung und freier Beweiswürdigung. Die Gegenposition stützt sich dabei nicht auf das formale Argument, daß das Gericht etwas präsumiere, was erst die Beweiserhebung ergeben kann, sondern vielmehr auf das Argument, daß der Ablehnung wegen faktischer Bedeutungslosigkeit genau jene Gefahr gerichtlicher Vorurteilsbildung innewohne, gegen die das Beweisantizipationsverbot die Beweisaufnahme absichern wolle. Auch wenn das Erwiesensein der behaupteten Indiztatsache unterstellt werde, könne damit nicht das Risiko ausgeschlossen werden, daß bei der Würdigung des beantragten (und als wahr unterstellten) Gegenbeweises der bisher gewonnenen subjektiven Überzeugung allein aus dem Bedürfnis der Begrenzung des Beweisverfahrens heraus der Vorrang eingeräumt werde.95 Die als Argument für die Zulässigkeit der Zwischenbeweiswürdigung angeführte Chancengleichheit von als wahr unterstellter Indiztatsache und dem bisherigen Beweisergebnis sei nur eine scheinbare: Gegen die tatsächliche Gleichrangigkeit der Beweise spreche zunächst, daß das unterstellte Erwiesensein keinen Ersatz für die Beweiserhebung darstelle. Auch wenn ein Gericht erkläre, daß die behauptete Tatsache so zu behandeln wäre, als wäre sie erwiesen, könne es sich letztlich nicht wirklich „davon frei machen, daß es diese Gewißheit nicht gewonnen hat“.96 So hätte die lediglich in abstracto unterstellte Indiztatsache gegenüber dem tatsächlich erbrachten Nachweis wesentlich weniger Gewicht und könne daher insbesondere nicht auf den emotionalen Bereich der richterlichen Beweiswürdigung einwirken.97 Da die Bedeutung eines Indizes aber nur in der Relation zu anderen, in die gleiche oder eine gegenläufige Richtung weisender Indizien bewertet werden könne, sei der Vorgang der Beweiswürdigung fragwürdig, der die „unmittelbare Anschauung“ des Gegenteils verweigere.98 Diese „gleichsam hinkende Beweiswürdigung“99 leide vor allem an dem Umstand, daß der Indizwert einer Tatsache keine quantitativ feststellbare Größe sei und er von den jeweiligen Umständen abhänge. Deshalb läge in der abstrakten Würdigung der Indiztatsache eine große Gefahr der Perron, S. 226, 227. BGH StV 1994, 62 (63); weitere Nachweise siehe ter Veen, S. 100. 94 Grünwald in FS für Honig, S. 53 (58 ff.); im Anschluß daran Köhler, S. 33 f. und Anders, S. 63, 64. Siehe auch Perron, S. 227; ter Veen, S. 59, 60, 104 ff.; Kühl (1987), S. 71 ff. 95 ter Veen, S. 60. 96 Grünwald in FS für Honig, 53 (63) im Zusammenhang mit der Wahrunterstellung von Indiztatsachen; so auch Grünwald (1993), S. 96. 97 Grünwald in FS für Honig, 53 (58 ff.); Engels, Diss. S. 48; ders.,GA 1981, 21 (30); Tenckhoff, S. 120 f. 98 Grünwald in FS für Honig, 53 (63); ders. (1993), S. 90; Köhler, S. 33, 34. 99 Köhler, S. 33. 92 93

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Verkennung der „Diskrepanz zwischen subjektiver Gewißheit“100 und objektiver Wahrheitsermittlung. Zur Vermeidung erheblicher Nachteile101 für die Verteidigung habe das Gericht die Frage der Relevanz der behaupteten Indiztasache „grundsätzlich ohne Rücksicht auf die bisherigen ( . . . ) Beweisverfahrensergebnisse“ „allein aus dem Beweismittel für sich selbst gesehen“ zu beantworten.102 Die Unerheblichkeit der Indiztatsache hänge davon ab, ob „die behauptete Tatsache überhaupt abstrakt den Schluß auf die Indiztatsache zulassen“ könne.103 Um der Gefahr einer unsachgemäßen Verkürzung der Beweisaufnahme wirksam zu begegnen, postuliert die Gegenansicht daher einen Beweiserhebungszwang hinsichtlich all jener Indiztatsachen, deren Beweiswert nicht von vornherein allgemein zu verneinen ist.104 (c) Stellungnahme Die Bedenken der Gegenansicht, daß (trotz Betonung der Chancengleichheit von neu unter Beweis gestellter Indiztatsache und bisherigem Beweisverfahrensergebnis) der Gefahr der Voreingenommenheit des Gerichts nur durch eine Beweiserhebung wirksam begegnet werden kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Die beschriebenen Gefahren einer Zwischenbeweiswürdigung leuchten unmittelbar ein, so daß die Vermutung naheliegt, daß die vorherrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht deshalb an der Zulässigkeit einer Erheblichkeitsbeurteilung unter Einbeziehung des bisherigen Beweisergebnisses festhält, weil sie die aufgezeigten Probleme der Relevanzkontrolle verkennt. Das tragende Argument für die Zulässigkeit einer gerichtlichen Zwischenbeweiswürdigung ist somit nicht der Einwand, daß das Verbot der Beweisantizipation nicht verletzt wird, sondern vielmehr die Überlegung, daß ein gerichtlicher Beweiserhebungszwang, der für alle Indiztatsachen besteht, „deren Beweiswert nicht von vornherein allgemein zu verneinen ist, ein praktisch unannehmbares Ergebnis“ bedeutet.105 Der Einwand 100 Grünwald (1993), S. 89, 90. Ausführliche Darstellung der gegen die Zwischenbeweiswürdigung vorgebrachten Argumente: Kühl (1987), S. 72 ff. 101 Perron, S. 227, 228: Insbesondere das Recht des Beschuldigten, seinen Beweisantrag nach der Ablehnung mit veränderten Tatsachenbehauptungen wieder vorzubringen, gleiche die beschriebenen Gefahren nicht aus. Anders, S. 64, 143. 102 KMR – Paulus, Rn. 120, 125 zu § 244; Thole, S. 86, 87. Zur Rechtsprechung: RG JW 1936, 2102; BGH JR 1954, 310; BGH VRS 47, 19; BGH bei Holtz, MDR 1977, 108 und MDR 1978, 281; BGH bei Spiegel, DAR 1977, 174; 1978, 155; BGH StV 1981, 271; StV 1982, 58; BGH wistra 1983, 33; OLG Düsseldorf VRS 1957, 290. 103 Thole, S. 86, 87. 104 Grünwald in FS für Honig, 53 (61, 62). 105 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 592 Fn. 109. Diese Entscheidung für eine verfahrensökonomisch motivierte Interpretation des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit wird nicht immer deutlich ausgesprochen; vgl. die Darstellung bei ter Veen, S. 100 („Programmsatz des Beweisantizipationsverbotes“). Eine Ausnahme stellt damit die Formulierung bei Kühne, Rn. 781 und zu Dohna, DJZ 1911, Sp. 305 (307) dar. Letzteres auch zitiert bei Kühl (1984), S. 73.

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der Literatur, daß eine entsprechende Zwischenbeweiswürdigung zwar terminologisch eine Beweisantizipation darstelle, diese aber durch § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO „geboten“106 sei, besagt im Ergebnis nur, daß man eine Einschränkung des Ablehnungsgrundes auf Fälle, in denen der Tatsache abstrakt jeder Beweiswert abgesprochen werden kann, als mit dem Gebot der Konzentrationsmaxime unvereinbare Norminterpretation ansieht.107 Im Ergebnis sprechen dennoch die besseren Gründe für die Interpretation, die § 244 Abs. 3 Satz 2, Var. 2 durch die in Rechtsprechung und Literatur vorherrschende Ansicht erfährt. (aa) Praktischer Anwendungsbereich des Ablehnungsgrundes Die Zurückweisungsmöglichkeit des Gerichts auf den Fall zu beschränken, in dem sich die Erheblichkeit eines Indizes für die letztlich relevante Haupttatsache bereits abstrakt verneinen läßt und damit dem Gericht grundsätzlich die Befugnis abzusprechen, ein nicht von vornherein bedeutungsloses Indiz den bereits erhobenen gegenläufigen Indizien gegenüberzustellen, erscheint unter dem Aspekt der sachlichen Begrenzung der Beweisaufnahme nicht sinnvoll. Führt man sich vor Augen, welche Entscheidungsalternativen ein Indizienbeweis dem Gericht eröffnen kann, wird die Begrenzung des Ablehungsgrundes durch die Interpretation der Mindermeinung deutlich: Wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß Indizien gestaffelt sein können (Figur der sogenannten Beweiskette)108 und in der Regel mit anderen Indizien zusammentreffen, die (in einem Beweisring)109 gleichgerichtet oder gegenläufig sind, dann sind im Fall des nicht zwingenden Indizes verschiedene Varianten der Überzeugungsbildung denkbar. Die eindeutigste Konstellation, aus der das Gericht auf die faktische Bedeutungslosigkeit der Indiztatsache folgern dürfte, liegt vor, wenn der implizit behauptete (statistische)110 Erfahrungssatz überhaupt nicht besteht, so daß von der Indiztatsache gar nicht auf das Beweisziel geschlossen werden kann. Die Vielfalt der Entscheidungsalternativen zeigt sich aber im beweisantraglichen Regelfall, in dem der behauptete Erfahrungssatz an sich einen Möglichkeitsschluß auf das Beweisziel des Antragstellers zuläßt. Läßt der stillschweigend behauptete Erfahrungssatz einen Schluß auf die Haupttatsache des Beweises zu, sind die (im Verhältnis zur Beweistatsache im Beweis106 SK – Schlüchter, Rn. 96 zu § 244; HK – Julius, Rn. 23 zu § 244; StPO – Pfeiffer, Rn. 28 zu § 244; Holzapfel, S. 180 ff. 107 Ausdrücklich dagegen Kühne, Rn. 781; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 589 Fn. 109. 108 Nack, MDR 1986, 366 (369). 109 Nack, MDR 1986, 366 (368). 110 Zur Differenz zwischen allgemeingültigen, zwingenden Erfahrungssätzen und solchen, die nur Wahrscheinlichkeitsaussagen enthalten: Bender / Nack, Bd. I, Rn. 370 ff.; 445: Die mit einer Wahrscheinlichkeitsaussage verbundenen Erfahrungssätze geben ein „Plausibilitätsniveau“ an, das in der Regel aber nicht „statistisch“ abgesichert ist (ebd., Rn. 371). KK – Herdegen, Rn. 5 zu § 244 differenziert zwischen Erfahrungsgesetzen, Erfahrungsgrundsätzen, einfachen Erfahrungssätzen und Vorurteilen.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

ring angeordneten) gegenläufigen Indizien aber so stark, daß sie die Überzeugungsbildung des Gerichts determinieren, so wird das Gericht den gewünschten Schluß nicht ziehen. Läßt der stillschweigend behauptete Erfahrungssatz einen möglichen Schluß auf eine im Zusammenhang einer Beweiskette übergeordnete Indiztatsache zu, so kann das Gericht entweder diesen Schluß nicht ziehen, da die gegenläufigen Indizien wiederum stärker sind, oder es zieht den entsprechenden Schluß, womit es wieder vor die Alternative gestellt ist, ob es den Schluß von dieser Indiztatsache auf die Haupttatsache zieht oder nicht. Reduziert man nun mit der Mindermeinung den Anwendungsbereich der Ablehnung wegen tatsächlicher Unerheblichkeit auf die Prüfung, ob der angebotene Erfahrungssatz einen abstrakten denkbaren Schluß auf die Haupttatsache111 ermöglicht, so zeigt sich, daß sich die Berechtigung des Gericht, einen Beweis nicht zu erheben auf die erste, als eindeutig beschriebene Sachverhaltskonstellation beschränkt. Da alle anderen Alternativen der Überzeugungsbildung voraussetzen, daß dem Gericht zugestanden wird, gegenläufige (bereits erhobenen) Indizien in seine Erwägung mit einzustellen, sind diese Möglichkeiten der Einordnung des Beweises in ein Gesamtbeweisgefüge für das Gericht verwehrt. Eine zutreffende Einschätzung von dem nach Ansicht der Mindermeinung verbleibenden Anwendungsbereich des Ablehungsgrundes ist aber vor allem dann zu gewinnen, wenn man berücksichtigt, daß der Fall, daß von der Indiztatsache kein abstrakt denkbarer Schluß auf die Haupttatsache gezogen werden kann, im Alltag der Antragstellung nicht vorkommt. Entsprechend konstruiert wirken Beispiele für diese Fallgruppe: Zum Beweis der Tatsache, daß A. den B. nicht mit einem Messer niedergestochen hat, wird beantragt, den Zeugen C. zu vernehmen, der bekunden wird, daß es am Tattag geregnet hat.112 Daher ist eine Norminterpretation im Sinn der Mindermeinung, die bzgl. jeder Indiztatsache, die mit der Haupttatsache über einen überzufälligen Erfahrungssatz verbunden werden kann, eine Durchführung der Beweisaufnahme fordert und im Ergebnis den Anwendungsbereich des Ablehungsgrundes substanzlos werden läßt, indem sie ihn auf die Ablehnung unmittelbar erheblicher Beweistatsachen reduziert113, abzulehnen. Das Gericht sollte berechtigt sein, bei der Entscheidung über den Beweisantrag in einer Zwischenbeweiswürdigung unter Einbeziehung gegenläufiger Beweisergebnisse zu beraten, ob es der Indiztatsache Einfluß auf das Beweisergebnis einräumen will.114 Wichtiger aber als die Entscheidung für eine grundsätzliche Zulässigkeit einer sachlichen Begrenzung des Beweiserhebungsanspruchs der Verfahrensbeteiligten (des Angeklagten) ist die Frage „in welchem Ausmaß“ eine präsumtive Erheblichkeitsprüfung „tolerabel erscheint“.115 Aus der 111 112 113 114

Thole, S. 86, 87. ter Veen, S. 59. Vgl. die Beschreibung der Konsequenzen der Mindermeinung bei ter Veen, S. 105. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 593.

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Einsicht in die mit der Zwischenbeweiswürdigung verbundenen Gefahren sollte daher nicht die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Relevanzkontrolle, sondern vielmehr die Notwendigkeit einer Kontrolle des Beweiswürdigungsaktes gefolgert werden. Denn gerade, wenn sich bei verfahrensökonomisch begründeter Interpretation des Ablehnungsgrundes die Phasen der Beweiserhebung und der Beweiswürdigung nicht strikt trennen lassen, kommt es darauf an, die ablehnende Entscheidung darauf hin zu überprüfen, ob sie ihre Begründung allein im bisherigen Beweisergebnis findet oder die Bedeutungslosigkeit des beantragten Beweises auf sachlich nachvollziehbare Gründe zu stützen vermag. (bb) Plausibilität des begründeten Ablehnungsbeschlusses Im Zusammenhang mit der Kontrollierbarkeit der gerichtlichen Entscheidung sind der revisionsrechtlichen Überprüfung nach Ansicht der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Meinung jedoch Grenzen gesetzt: Während das Revisionsgericht (bei entsprechender Rüge) uneingeschränkt überprüfen kann, ob das Tatgericht rechtsfehlerfrei eine unter Beweis gestellte Behauptung aus rechtlichen Gründen für unerheblich erklärt hat, soll die Frage, ob der Tatrichter die faktische Relevanz einer behaupteten Indiztatsache im Ergebnis zutreffend verneint hat, der Prüfung des Gerichts entzogen sein.116 Aus der Befugnis, aus einer unter Beweis gestellten Indiztatsache in freier Beweiswürdigung den nicht zwingenden, dem Begehr des Antragstellers widersprechenden Schluß zu ziehen, folge in der Konsequenz, daß das Revisionsgericht seine eigene Überzeugung nicht an die Stelle der tatrichterlichen setzen dürfe.117 Wenn also die Gefahren einer verkürzten Sachverhaltsermittlung, die in der Relevanzprüfung in Form der Zwischenbeweiswürdigung angelegt sind, nicht in der Weise kompensiert werden können, daß eine Revision mit dem Vorbringen gehört werden kann, „daß die Tatsachen entgegen der Ansicht des Tatrichters doch von wesentlicher Bedeutung“ seien118, so verbleibt dem Revisionsgericht nur die Prüfung, ob die Überzeugung von der Unerheblichkeit einer Indiztatsache innerhalb der anerkannten Grenzen freier Beweiswürdigung gebildet wurde.119 Denn es ist 115 Zum parallelem Problem der Geltung des Beweisantizipationsverbotes im Rahmen des § 244 Abs. 2 StPO siehe Perron, S. 217; Frister, ZStW 105 (1993), 340 (351). 116 RGSt 29, 368 (369); 39, 363 (364); 63, 329 (330); RG JW 1927, 2466 (2467); BGH GA 1964, 77; BGH bei Spiegel, DAR 1978, 146 (161 Nr. 13). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 899; KK – Herdegen, Rn. 75 zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); LR – Gollwitzer, Rn. 226 zu § 244; Köhler, S. 32. Zu den von § 244 Abs. 3 unabhängigen Grenzen der Revisibilität der tatrichterlichen Überzeugungsbildung: SK – Schlüchter, Rn. 106 zu § 261. 117 BGH GA 1964, 77; BGHSt 10, 208 (210); BGHSt 29, 18 (20); BGHR StPO § 244 Abs. 3, Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 2; 4; 5; 11; 20; BGH NStZ 1984, 42 (43); 1985, 516; 1988, 211 (Nr. 11) bei Pfeiffer / Miebach; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 899; ter Veen, S. 107; Herdegen in FS für Kleinknecht, 173 (176). 118 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 899. 119 ter Veen, S. 107; Köhler, S. 32, 33.

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allgemein anerkannt, daß die in freier Würdigung gewonnene subjektive Gewißheit des Tatrichters – und damit auch die im Rahmen einer Zwischenbeweiswürdigung als „Gesamtwürdigung en miniature“120 gewonnene Überzeugung – nicht als frei in dem Sinn zu verstehen ist, daß das Gericht von der Last einer rationalen Argumentation entbunden wäre.121 Unter der Voraussetzung einer „intersubjektiv nachvollziehbaren“ 122 Grundlage ist die nach §§ 244 Abs. 6, 34 StPO zu begründende Ablehnung des Gerichts nicht auf ihre informatorische Funktion für den Antragsteller zu reduzieren, der sich auf die im Ablehnungsbeschluß vermittelte Einschätzung der Beweislage einstellen kann.123 Darüber hinaus läßt sich der Ablehnungsbegründung entnehmen, ob das Gericht im Rahmen der Zwischenbeweiswürdigung das Gebot der Chancengleichheit zwischen beantragten und bereits erhobenen Beweisen ausreichend berücksichtigt hat.124 Das Tatgericht trifft eine Argumentationslast in der Weise, daß es Gründe für die Unerheblichkeit der Indiztatsache darlegen muß, die es in hohem Maße plausibel erscheinen lassen, weshalb auch im Fall des Gelingens des beantragten Beweises die Beweiskraft der bereits erhobenen Beweise nicht einmal in Frage zu stellen wäre.125 Eine Ablehnungsbegründung verliert diese geforderte Plausibilität, wenn sie eine (naheliegende) Möglichkeit der Entlastung des Angeklagten oder eine dem (einzigen oder zentralen) belastenden Umstand widersprechende Tatsache unter Berufung auf die bisher gewonnene Überzeugung als bedeutungslos bewertet. So hat der BGH in einer Reihe von Fällen, in denen der Antragsteller Hilfstatsachen behauptete hatte, die die Glaubwürdigkeit eines (Haupt-) Belastungszeugen betrafen, die Ablehnung des Beweisantrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit aufgrund fehlender oder unzureichender Begründung als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen126: Zwar sei zu beachten, daß die „Ablehnung eines auf die Unglaubwürdigkeit eines Zeugen zielenden Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit sich von anderen Fällen dieser Ablehnungsalternative dadurch unterscheidet, Herdegen in FS für Boujong, 777 (783); Fezer in Festgabe BGH, 847 (856). BGHR StPO § 244 Abs. 3, Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 7, 9; KG StV 1988, 380 f.; LR – Gollwitzer, Rn. 179 zu § 261; Rieß, GA 1978, 257 (259 ff. ); Schlüchter, Strafverfahren, Rn. 567 (mit weiteren Nachweisen) 694, 1 ff. (695); Herdegen in FS für Kleinknecht, 173, 175 ff. 122 Rieß, GA 1978, 257 (265, 271); Herdegen in FS für Kleinknecht, 173 (174); LR – Gollwitzer, Rn. 179 zu § 261. 123 BGHSt 2, 284 (286); BGH NStZ 1981, 309 (310) = StV 1981, 166; NStZ 1982, 213; BGH StV 1984, 451; BGH StV 1990, 246; AK – Schöch, Rn. 88 zu § 244; Schweckendieck, NStZ 1997, 257 (258). 124 Herdegen in FS für Boujong, 777 (783, 784); ders., NStZ 1998, 444 (446). 125 Herdegen in FS für Boujong, 777 (779); ders., NStZ 1998, 444 (446). 126 BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 1, 6, 9, 11; BGH NStZ 1981, 309 (310); 1984, 42 (43); 1997, 28; BGH StV 1990, 340; 1997, 338; 1999, 88. Zur Rechtsprechung der Obergerichte vgl.: KG StV 1988, 380; OLG Saarbrücken wistra 1993, 153 (159); OLG Köln VRS 84 (1993), 101 (103); OLG Frankfurt StV 1995, 346; OLG Düsseldorf VRS 89 (1995), 43 (44). 120 121

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daß die Glaubwürdigkeit eines Zeugen in besonderer Weise der Beurteilung des Tatrichters anheimgegeben“ sei. Dennoch sei auch in diesem Fall, insbesondere dann, „wenn eine Mehrzahl von Umständen gegen die Glaubwürdigkeit eines Zeugen“ spreche, „auch im Wege einer über die einzelne Beweistatsache hinausgreifenden Gesamtwürdigung“ zu begründen, „warum die zu beweisende Tatsache das Gericht auch im Fall ihres Nachweises unbeeinflußt ließe“.127 Weise das Gericht den Beweisantrag trotz der mit der Indiztatsache verbundenen Möglichkeit der Widerlegung belastender Sachverhaltsumstände (hier: der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen) als unerheblich zurück, so liege darin keine plausible Begründung der Irrelevanz der Beweistatsache, sondern eine unzulässige Vorwegnahme des Ergebnisses der beantragten Beweiserhebung.128 Ebenso hat der BGH Ablehnungen als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen, in denen das Tatgericht Angaben des Angeklagten, die denen eines Belastungszeugen widersprachen, als für die Entscheidung unerheblich erklärt hat.129 In diesen Fällen könne eine rational nachvollziehbare, rechtsfehlerfreie Würdigung der Beweislage, die die Beweistatsache hypothetisch als wahr unterstellt, nur zu dem Ergebnis kommen, daß die Beweistatsache geeignet sein kann, die Überzeugung des Gerichts zu beeinflussen.130 Auch eine bei verständiger Interpretation der Beweistatsache nicht mehr plausibel erscheinende Umdeutung des Beweisthemas lasse befürchten, daß das Gericht als einzige argumentative Stütze für die Relativierung der Beweisbehauptung die aus dem bisherigen Beweisergebnis gewonnene Überzeugung anführen könne.131 Der mit der Zwischenbeweiswürdigung verbundenen Gefahr der unsachgemäßen Begrenzung der Beweisaufnahme versucht auch der 2. Senat unter Berufung auf § 244 Abs. 2 StPO zu begegnen.132 Bei einer widersprüchlichen Beweislage verlange in der Regel schon die Aufklärungspflicht alle verfügbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen: Die Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit dürfe nicht dazu führen, daß aufklärbare (oder unwiderlegbare) zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden. Dabei sei auch zu beachten, daß mehrere Indizien, die einzeln betrachtet keinen Zweifel an der Richtigkeit einer belastenden Aussage begründen, in ihrer Gesamtheit durchaus Anlaß zu Zweifeln geben könnten.133

BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 11. Hervorhebung d. Verf. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 6; BGH NStZ 1984, 42 (43). 129 BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 7, 15. Großzügiger dagegen BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 19 130 BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 7, 15. 131 BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 17, 20; BGH NStZ 1982, 126; BGH StV 1983, 90 (91). 132 BGH StV 1990, 291 (292) Sachverständiger erstellt Glaubwürdigkeitsgutachten; BGH StV 1990, 292 (293). 133 BGH StV 1990, 292 (293). Siehe auch Perron, S. 228 „Notbremse der Amtsaufklärung“; LR – Gollwitzer, Rn. 222 mit Fn. 815 und Rn. 223 zu § 244. 127 128

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Die Rationalität eines Ablehnungsbeschlusses ist damit nicht nur im Hinblick auf die zwischen entlastender Beweisbehauptung und belastendem Sachverhaltsmoment bestehende Relevanz hin zu überprüfen, sondern auch bzgl. der Relativität mehrerer gleich- und gegenläufiger Indizien zu überprüfen. Die als Ausdruck rationaler Argumentation geforderte hohe Plausibilität der Ablehnungsbegründung sichert damit die sachliche Begrenzung der Zwischenbeweiswürdigung durch das Beweisantizipationsverbot ab134 und verringert135 so in Fällen, in denen die Relevanz der Indiztatsache auf der Hand liegt136, die Gefahr des Vorrangs des erhobenen vor dem zu erhebenden Beweis.

2. Mit den Anwendungsvoraussetzungen korrespondierende Substantiierungslast Die Ablehnung einer Beweistatsache aufgrund faktischer Bedeutungslosigkeit setzt voraus, daß das Gericht im Rahmen seines Ablehnungsbeschlusses plausibel begründen kann, warum es die Beweistatsache trotz der Annahme, daß das benannte Beweismittel die Beweisbehauptung mit vollem Beweiswert betätigen wird, als irrelevant bewertet. Soweit sich die Überzeugung des Gerichts von der (Un-) Erheblichkeit einer im Verlauf der Hauptverhandlung aufgestellten Beweisbehauptung im Wege einer retrospektiven Zwischenbeweiswürdigung bildet, läßt sich die inhaltliche Prüfung des Ablehnungsgrundes folgendermaßen beschreiben: Die vom Antragsteller angebotene Beweistatsache und der mit ihr verbundene Erfahrungssatz, der für einen erfolgreichen Schluß von der Beweisbehauptung auf das Beweisziel des Antragstellers erforderlich ist, treten „in Konkurrenz zu anderen gegen sie sprechenden (indiziellen) Tatsachen und Beweisgründen“.137 Die Beurteilung der Frage, inwieweit die neu unter Beweis gestellte und als erwiesen zu behandelnde Tatsache die gerichtliche Sachverhaltsrekonstruktion beeinflussen oder gar korrigieren kann, setzt eine Einordnung der Beweistatsache in den Zusammenhang der bislang erhobenen Beweise voraus. Ob die behauptete Tatsache in der Konkurrenz mit anderen (Pro- und Kontra-) Indizien obsiegt oder unterliegt138, ob also der die Indiztatsache mit dem Beweisziel verbindende Schluß mehr oder Herdegen, NStZ 1998, 444 (446); ders. in FS für Boujong, 777 (779). Perron, S. 228: Es ist für das Revisionsgericht nicht immer möglich, eine vorschnelle Ablehnung zu erkennen, „denn es kann sich bei seiner Prüfung neben dem Beweisantrag selbst lediglich auf die vom Tatgericht in Ablehnungsbeschluß und Urteil aus dessen subjektiver Sicht dargelegten Gründe stützen, nicht aber auf den objektiven Inhalt der Beweisaufnahme. Dem Tatgericht verbleibt deshalb ein unüberprüfbarer Ermessensspielraum zur Ablehnung objektiv durchaus relevanter Beweisanträge“. 136 Die Bedeutungslosigkeit liegt dagegen praktisch nie auf der Hand: AK – Schöch, Rn. 88 zu § 244. Nicht unproblematisch daher BGH NStZ 1982, 170 (171); BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 14. 137 KK – Herdegen, Rn. 74 zu § 244. 138 Ebd. 134 135

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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weniger plausibel erscheint, hängt davon ab, welchen Stellenwert die neu unter Beweis gestellte Tatsache im Gesamtbeweisgefüge einnimmt. Soll durch die Präzisierung des Tatsachenvortrags des Antragstellers die Bestimmung des Stellenwertes des beantragten Beweises und seine Einordnung im bisherigen Beweisgefüge ermöglicht werden, muß der Antrag daher erkennen lassen, welcher konkrete Informationsgehalt durch das angegebene Beweismittel zu gewinnen ist. Der voraussichtliche Ertrag einer Beweiserhebung, d. h. der voraussichtliche Gegenstand der Informationsübermittlung durch das Beweismittel, wird dabei auch durch die Beweisfunktion bestimmt, die dem Beweismittel durch die Prozeßordnung zugewiesen wird. So erfährt der Zeugenbeweisantrag aufgrund des höchstpersönlichen Charakters des Beweismittels Einschränkungen hinsichtlich der diesem Beweismittel zugänglichen Tatsachen. Da ein Zeuge nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden kann, können nur Umstände oder Geschehnisse, die mit dem Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen, Gegenstand des Zeugenbeweises sein.139 Um einen Zeugenbeweisantrag so hinreichend bestimmt zu bezeichnen, daß er die Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit ermöglicht, muß der Antragsteller den voraussichtlichen Inhalt der beantragten Zeugenvernehmung so genau beschreiben, daß für das Gericht erkennbar wird, was der Zeuge als Gegenstand eigener Wahrnehmung bekunden kann.

III. Der Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppungsabsicht Der Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 6 StPO steht selbständig neben den übrigen Ablehnungsgründen des § 244 Abs. 3 StPO.140 Denn zum einen bezieht sich die gerichtliche Prüfung, ob ein Beweisantrag zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellt ist, auf erhebliche Beweisthemen.141 Zum anderen ist die Ablehnung nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 6 StPO nicht bereits dann zulässig, wenn das Gericht aufgrund seiner Prognose zu der Überzeugung von der Erfolglosigkeit der Beweisaufnahme gelangt. Über die gerichtliche Verneinung der Prognosebehauptung hinaus, ist für eine begründete Ablehnung erforderlich, daß das Gericht den Nachweis erbringt, daß auch der Antragsteller keinerlei sachlichen Erfolg der Beweisaufnahme erwartet.142 139 BGHSt 39, 251; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 190; KK – Senge, Rn. 1 vor § 48; Herdegen in FS für Boujong, 777 (786). 140 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 636, 637; Anders, S. 75. 141 BGHSt 21, 118 (121,122); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 636, 637. 142 Der Nachweis bezieht sich darauf, daß der Antragsteller zum einen eine zeitliche Verzögerung beabsichtigt und sich darüber hinaus der Aussichtslosigkeit der begehrten Beweiserhebung bewußt ist: BGHSt 21, 118 (121); 29, 149 (151); BGH NStZ 1984, 230; BGH StV 1989, 234 (235); StV 1998, 4; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 30, 642 (mit weiteren Nachweisen); Schatz, S. 234; Anders, S. 77; Herdegen, NStZ 1984, 97 (98, 99).

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Die Feststellung der Selbständigkeit der Verschleppungsabsicht beschreibt nicht nur das Verhältnis der Ablehnungsgründe zueinander, sondern liefert gleichzeitig ein zentrales Argument für die von der herrschenden Meinung vertretene Position, daß die subjektive Einstellung des Antragstellers zu den im Antrag formulierten Behauptungen den Beweisantragscharakter seines Beweisbegehrens nicht berührt.143 Selbst wenn der Antragsteller von der Aussichtslosigkeit der begehrten Beweiserhebung überzeugt ist, handelt es sich bei seinem Beweisbegehren um einen Beweisantrag, den das Gericht nur durch einen nach §§ 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 6; 34 StPO begründeten Beschluß ablehnen kann.144 1. Anwendungsvoraussetzungen Nach den von der Rechtsprechung formulierten Begründungsanforderungen, die für den tatgerichtlichen Ablehnungsbeschluß einen hohen argumentativen Aufwand145 bedeuten, setzt eine Ablehnung wegen Prozeßverschleppungsabsicht voraus, daß die Erhebung des beantragten Beweises zu einer objektiven Verfahrensverzögerung146 führt, daß die begehrte Beweiserhebung objektiv aussichtslos ist und daß drittens der Antragsteller ausschließlich eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses bezweckt, weshalb das Gericht nachweisen muß, daß sich der Antragsteller der Unmöglichkeit bewußt ist, durch die beantragte Beweiserhebung eine für ihn günstige Wendung des Verfahrens herbeizuführen.147 Diese formalen Voraussetzungen weisen die 6. Variante des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO als einen Ablehnungsgrund aus, dessen Anwendung typischerweise eine gerichtliche Einschätzung des zu erwartenden Verlaufs der Beweisaufnahme fordert.148 Insbesondere die Überzeugung des Tatgerichts, daß die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches erbringen wird, bildet sich auf der Grundlage einer 143 Siehe dazu bereits die Darstellung zur Struktur des Beweisantrages oben Teil 1 Kapitel 1 A I 2. 144 Thole, S. 64; KK – Herdegen, Rn. 67 a zu § 244; Eb. Schmidt, LK II, Rn. 31 zu § 244; Schulz, StV 1985, 312; Welp, JR 1988, 388. A. A.: Simader, S. 42; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 636. 145 Der ablehnende Beschluß muß die maßgeblichen Gründe umfassend darlegen: BGHSt 21, 118 (123); BGH NJW 1969, 281 (282); BGH MDR 1980, 241 (242); BGH NStZ 1990, 350; BGHSt 38, 111 (115). KK – Herdegen, Rn. 86 zu § 244; Fezer in Festgabe BGH, 847 (866). 146 BGH StV 1990, 391; StV 1992, 501 (502); LR – Gollwitzer, Rn. 212 zu § 244. Zum Maßstab, der an die Verzögerung anzulegen ist: BGHSt 21, 118 (121): „auf unbestimmte Zeit erfolgende Verzögerung“; BGH NStZ 1989, 291 (292): „erhebliche Verzögerung“; BGH StV 1989, 234 (235): „wesentliche Verzögerung“. 147 BGHSt 21, 118 ff.; BGHSt 29, 149 ff.; BGHSt 38, 111 (115); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 639; Thole, S. 126 ff.; KK – Herdegen, Rn. 87 ff. zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 209 ff. zu § 244 (jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). 148 BGHSt 21, 118 (121 f.); BGH NStZ 1990, 350; BGHSt 38, 11 (115); Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); ter Veen, S. 190; Fezer, Festgabe BGH, 847 (866).

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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vorweggenommen Beweiswürdigung149: Denn wenn das Gericht vorweg beurteilen darf und muß150, ob die beantragte Beweiserhebung etwas zugunsten des Antragstellers ergeben kann, muß ihm notwendigerweise die Beurteilung der Frage gestattet werden, ob seine aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme gewonnene Überzeugung von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der nunmehr vom Antragsteller behaupteten Tatsache durch die weitere Beweiserhebung erschüttert werden könnte.151 Eine Reduzierung des Ablehnungsgrundes auf die Voraussetzungen der gerichtlichen Prognose (einer erheblichen Verzögerung und) einer fehlenden Sachdienlichkeit würde zu einer prinzipiell unbegrenzten und daher mit einem hohen Fehlurteilsrisiko behafteten Ablehnungsbefugnis führen. Gleichzeitig wird die zur Verhinderung sachwidriger Begrenzungen der Wahrheitsermittlung aufgestellte Verpflichtung des Gerichts, die Verschleppungsabsicht aus der Perspektive des Antragstellers zu begründen, in der Regel dafür verantwortlich gemacht, daß dem Ablehnungsgrund keine große praktische Bedeutung zukommt.152 Da es sich bei der Absicht des Antragstellers um eine innere (fremdpsychologische) Tatsache153 handelt, kann ihr Nachweis nur aufgrund äußerer Beweisanzeichen erbracht werden. Die Rechtsprechung des BGH unterwirft den tatrichterlichen Indizienbeweis strengen Regeln: Das Gericht ist gezwungen, in revisionsrechtlich überprüfbarer Weise objektive Indizien dafür anzuführen, daß es aus der Perspektive des Antragstellers ausgeschlossen erscheint, daß dieser mit der beantragten Beweiserhebung einen anderen Einfluß auf das Verfahren als den der Verschleppung intendiert.154 Schon das Reichsgericht hat darauf hingewiesen, daß die Perron, S. 252 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen. Denn bereits der Aufklärungsgrundsatz des § 244 Abs. 2 StPO verpflichtet das Gericht zur Erhebung sachdienlicher Beweise. 151 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 642. A. A. Engels, Diss., S. 49 ff., der eine solche Beweisantizipation auch bei der Ablehnung wegen Prozeßverschleppung für unzulässig hält, weshalb dieser Ablehnungsgrund gegenüber den anderen Ablehnungsgründen überhaupt keine eigenständige Bedeutung gewinnen könne. 152 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 643; Gollwitzer, JR 1980, 34 f.; Julius, S. 224, 233; Thole, S. 161, 194 findet diese Begründung „überraschend, weil die strafrichterliche Praxis den Nachweis subjektiver Kenntnisse und Absichten aus dem Bereich des materiellen Strafrechts immer wieder erforderlich macht“. 153 BGHSt 21, 118 (121); BGH NStZ 1989, 36 (37); KK – Herdegen, Rn. 88 und 89 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 67, 68 zu § 244; Gollwitzer, JR 1980, 34 (35). 154 BGHSt 21, 118 (121); 29, 149 (151); BGH NStZ 1990, 350; LR – Gollwitzer, Rn. 213 zu § 244; Thole, S. 154 ff.; 160 ff.; Perron, S. 254. Die Schwierigkeit der prozeßrechtskonformen Prüfung eines solchen Indizienbeweises ergibt sich insbesondere daraus, daß alle auf der Grundlage der jeweiligen Beweis- und Prozeßsituation für und gegen die Verschleppungsabsicht sprechenden Umstände gewürdigt werden müssen. Der gerichtliche Nachweis ist nicht bereits dann erbracht, wenn nur ein Indiz isoliert betrachtet und diesem für die Begründung der Verschleppungsabsicht vorschnell Beweiskraft zuerkannt wird. So sollen bspw. der Zeitpunkt der Antragstellung oder die Summe der gestellten Anträge für sich betrachtet keine hinreichenden Indizien für die Verschleppungsabsicht des Antragstellers sein. Auch der ge149 150

6 Tenorth-Sperschneider

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Entscheidung des Tatrichters wegen der Schwierigkeit, die maßgebenden Beweggründe des Angeklagten nachzuweisen, stets die sorgfältigste und gewissenhafteste Erwägung erfordert, damit nicht durch den unterstellten Schein der Verschleppung die ernstlich gemeinte Verteidigung zu Schaden komme.155 Diese hohen inhaltlichen Anforderungen haben vor allem unter Tatrichtern zu dem Vorwurf Anlaß gegeben, daß die Revisionsgerichte die Prozeßverschleppungsabsicht bis zur praktischen Unbrauchbarkeit verformt hätten.156 Vor allem überspannten die Revisionsgerichte ihre Überprüfungsbefugnis, wenn sie die tatrichterliche Überzeugung, daß der Antragsteller den Beweis allein zum Zweck der Prozeßverschleppung beantragt habe, auch in tatsächlicher Hinsicht überprüfen würden.157 Um den Ablehnungsgrund praktikabler zu machen, müsse dem Tatgericht bei der Würdigung der für eine Verschleppungsabsicht sprechenden Indizien ein Beurteilungsspielraum zustehen. Ziel wiederholter aber bislang erfolgloser Reformbemühungen war es daher, den Normtext des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO um eine Formulierung zu erweitern, nach der die Verschleppungsabsicht „nach der freien Würdigung des Gerichts“ festzustellen wäre.158 Die Literatur steht solchen Reformvorschlägen kritisch gegenüber.159 Bereits nach der geltenden Rechtslage beschränke sich die revisionsgerichtliche Überprüfung der tatrichterlichen Ablehnungsentscheidung nur auf eine „Vertretbarkeitsprüfung“.160 Habe das Tatgericht richtliche Nachweis einer zum bisherigen Prozeßverhalten im Widerspruch stehenden Antragstellung läßt nach der Rechtsprechung des BGH keinen sicheren Rückschluß auf eine reine Verzögerungsintention zu. Aus dem Zeitpunkt der Antragstellung könne allenfalls auf die zeitliche Komponente der Verschleppungsabsicht, eine Verzögerung herbeizuführen, nicht aber auf das kumulativ zu fordernde Bewußtsein des Antragstellers, durch die beantragte Beweiserhebung keine günstige Wendung des Verfahrens herbeiführen zu können, geschlossen werden. Der Indizwert der Nichtvereinbarkeit des Beweisantragsinhaltes mit dem bisherigen Vorbringen des Antragstellers sei dadurch eingeschränkt, daß die von den Prozeßbeteiligten verfolgte Prozeßstrategie der gerichtlichen Kontrolle entzogen bleiben soll. Daher könne nur dann ein indiziell verwertbarer Widerspruch angenommen werden, wenn durch das Gericht genügend weitere äußere Anhaltspunkte festgestellt werden, die ein so umfassendes Bild von der Sichtweise des Antragstellers vermitteln, daß auf der Grundlage dieser Sichtweise die Stellung des Beweisantrags nicht nachvollziehbar erscheint. 155 RGSt 20, 202 (207); 22, 335 (337); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 643 mit weiteren Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung; Anders, S. 81. 156 Schrader, NStZ 1991, 224 (225) dehnt diesen Vorwurf auf den gesamten Ablehnungskatalog des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO aus. Dazu auch Fezer in Festgabe BGH, 847 (872, 873). 157 Huber, NStZ 1996, 530 (532); Fischer, NStZ 1997, 212 (217); darstellend mit ausführlichen Nachweisen: Schatz, S. 363, 364. 158 52. Justizministerkonferenz 1981: „Maßnahmen zur Entlastung der Gerichte und der Staatsanwaltschaften“ abgedruckt in: StV 1982, 325 ff. (331), „Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege“ (BR-Drucks. 314 / 91, S. 102; BT-Drucks. 12 / 2117, S. 36); „Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege (strafrechtlicher Bereich)“ (BT-Drucks. 13 / 4541), dazu Frister, StV 1997, 151 (158). 159 Schatz, S. 363, 364; Frister, StV 1997, 151 (153); Fezer, StV 1995, 263 (267). 160 AK – StPO – Maiwald, § 337 Rn. 10. Vgl. BGH NJW 1982, 2201; BGH NStZ 1984, 466; BGH NstZ 1990, 350; NStZ 1992, 551; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 998 f.; Fezer, StV

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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die für eine Verschleppungsabsicht sprechenden Indizien widerspruchsfrei und lückenlos festgestellt, brauche der daraus gezogene Schluß auf die mißbräuchliche Intention des Antragstellers nicht zwingend, sondern nur möglich zu sein. Eine größere Effektivität des Ablehnungsgrundes könne mit einer gesetzlichen Erweiterung des § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 6 StPO im Sinne der Reformbestrebungen nur dann erreicht werden, wenn der Zusatz „nach der freien Würdigung des Gerichts“ als Befugnis der Tatgerichte zu interpretieren wäre, die Überzeugung von der Verschleppungsabsicht des Antragstellers auf eine weniger fundierte Indiziengrundlage zu stellen. Darin läge im Ergebnis eine versteckte Aufforderung an die Revisionsgerichte, den verstärkten Rückgriff der Tatgerichte durch Gewährung eines größeren inhaltlichen Ablehnungsspielraums praktikabel zu machen.161 Der Kritik der Literatur, daß der Verzicht auf eine ausführliche, die gesamten Umstände des Einzelfalls würdigende Ablehnungsbegründung mit einem eigenständigen Beweiserhebungsanspruch der Verfahrensbeteiligten nicht zu vereinbaren ist, ist zuzustimmen. Eine sachliche Erweiterung des Ablehnungsgrundes in der Weise, daß das Gericht ermächtigt wird, aufgrund seiner negativen Beweisprognose auf die Verschleppungsabsicht des Antragstellers zu schließen, würde den Verfahrensbeteiligten jede Möglichkeit nehmen, durch die Beantragung eines Gegenbeweises in eine bereits gefestigte gerichtliche Sachverhaltseinschätzung korrigierend einzugreifen. 2. Mit den Anwendungsvoraussetzungen korrespondierende Substantiierungslast Durch erhöhte Anforderungen an den Tatsachenvortrag des Antragstellers lassen sich keine Prüfungsvoraussetzungen für das Kriterium der Verschleppungsabsicht gewinnen. Denn die sprachliche Gehalt eines Prozeßbegehrens ermöglicht keinen sicheren Schluß auf die subjektive Einstellung des Antragstellers. Die (prozeßrechtskonforme) Feststellung der inneren Tatsache der Verschleppungsabsicht gestaltet sich im Prozeßrecht vor allem deshalb schwieriger als die Prüfung der subjektiven Unrechtsmerkmale des materiellen Strafrechts, da der in der Hauptverhandlung formulierte Beweisantrags selbst – anders als das objektiv tatbestandsmäßige Verhalten – eine neutrale Prozeßhandlung darstellt, die den Mangel subjektiver Sachaufklärungserwartung nicht erkennen läßt.162 Da aber eine 1995, 263 (267): Entgegen der noch in BGHSt 21, 118 (123) vertretenen Position geht die neuere Rechtsprechung des BGH davon aus, daß das Revisionsgericht bei der Nachprüfung der Verschleppungsabsicht keine eigene Tatsachenwürdigung vorzunehmen hat. So auch Frister, StV 1997, 151 (153); zusammenfassend: Schatz, S. 364, 365. 161 Fezer, StV 1995, 263 (267): „In Wirklichkeit will der Gesetzgeber die Revisionsgerichte dazu bringen, dem Tatrichter in der sachlichen Behandlung des Ablehnungsgrundes mehr Spielraum zu geben, damit es letztlich doch zu einer (vom Revisionsgericht dann nicht mehr zu steuernden) vermehrten Anwendung dieses Ablehnungsgrundes kommt“. 162 Schatz, S. 229 mit Fn. 139; a.A. Thole, S. 161, 194. 6*

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

prozeßrechtskonforme Prüfung der Verschleppungsabsicht voraussetzt, daß es dem Gericht verwehrt sein muß, aus einem Beweisantrag, dessen Inhalt von dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme abweicht, auf eine verfahrenswidrige Einstellung des Antragstellers zu schließen, muß die gerichtliche Ablehnungsbegründung auf weitere Indizien gestützt werden, die sich gerade nicht aus der Antragsformulierung gewinnen lassen.

IV. Zwischenergebnis Die inhaltlichen Anforderungen der o. g. Ablehnungsgründe machen deutlich, daß eine auf Bescheidungsfähigkeit des Antrags ausgerichtete Substantiierungslast nur die Anwendbarkeit der Ablehnungsgründe der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels aktivieren und damit effektivieren kann. Da sich eine Reduzierung der revisionsrechtlichen Anforderungen an die Prozeßverschleppungsabsicht nicht abzeichnet163, zum anderen der abschließende Charakter des Ablehnungskataloges eine Zurückweisung von Beweisbegehren allein wegen ihrer großen Zahl, wegen der Aufwendigkeit der Beweisaufnahme164 oder dem späten Zeitpunkt165 der Antragstellung nicht gestattet, reduzieren sich die gesetzlichen Möglichkeiten, den Umfang der Beweisaufnahme zu begrenzen, auf die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels. Damit stehen vor dem Hintergrund einer erweiterten Darlegungslast die Ablehnungsgründe der (tatsächlichen) Bedeutungslosigkeit und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels für das Gericht im Vordergrund. Die Anwendungsvoraussetzungen dieser Ablehnungsgründe verlangen im Kern Angaben zur Relation zwischen Beweismittel und Beweistatsache.

163 Zwar beobachtet KK – Herdegen, Rn. 86 zu § 244 eine Aufwertung dieses Ablehnungsgrundes, so z. B. in der Entscheidung des 2. Senats in BGH NStZ 36 (37); eine die tatrichterliche Skepsis gegenüber diesem Ablehnungsgrund ausräumende Effektivierung liegt darin aber vermutlich nicht, denn zum einen hebt der 2. Senat hervor, daß es sich um einen „außergewöhnlichen Fall“ gehandelt habe, zum anderen sind auch nach dieser Entscheidung die Anforderungen an eine Ablehnungsbegründung und damit an die Darlegung der für die Verschleppungsabsicht sprechenden Indizien hoch. 164 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 387, 388; 635; BGH JR 1980, 218 mit Anmerkung Meyer; Schulz, GA 1981, 301 (317); Fezer, StV 1995, 263, 264. 165 Die Antragstellung ist gemäß § 246 Abs. 1 StPO während der Dauer der gesamten Hauptverhandlung bis zum Beginn der Urteilsverkündung zulässig. Zur fehlerhaften Ablehnung wegen verspäteter Antragstellung: BGHSt 16, 389 (391); 21, 118 (124).

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C. Begriff der Substantiierungslast Die Forderung der Rechtsprechung an den Antragsteller, die Beweisbehauptung so hinreichend präzise zu formulieren, daß eine Prüfung der Ablehnungsgründe ermöglicht wird, wird in der neueren Rechtsprechung und der Literatur zum Teil ausdrücklich als Substantiierungsanforderung oder auch als Darlegungslast beschrieben.166 Dabei wird die Verwendung dieser Begriffe nicht weiter begründet. Das erstaunt insoweit, als es sich zum einen nicht um strafprozessuale, sondern um Begriffe des Zivilprozeßrechts handelt und zum anderen, da in der strafprozessualen Literatur überwiegend die Position vertreten wird, daß den angeklagten Antragsteller keine irgendwie gearteten Darlegungs- oder Beweislasten treffen.167 Die Klärung dieses Begriffes dient vor allem der Erläuterung der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Terminologie.

I. Bedeutung des Begriffs in der Zivilrechtsdogmatik Nach den in der Zivilrechtsdogmatik üblichen Differenzierungen unterscheidet man Beweislasten und Behauptungslasten.168 Während man von Beweislasten spricht, wenn es zu bestimmen gilt, welche Partei im Verfahren Beweismittel anzugeben und zu beschaffen hat und damit u. a. regelt, zu wessen Nachteil es ausschlägt, wenn eine Tatsachenbehauptung endgültig unbewiesen bleibt169, beschreibt der Begriff der Behauptungslast die Obliegenheit einer Partei, bestimmte entscheidungserhebliche Tatsachen in den Prozeß einzuführen, deren Subsumtion die Zuerkennung der begehrten Rechtsfolge rechtfertigt.170 Weiterhin wird zwischen objektiven und subjektiven Lasten unterschieden, wobei abstrakte von konkreten subjektiven Lasten zu trennen sind.171 Der Begriff der Substantiierungslast 166 BGHSt 43, 321 (331); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 37 ff.; ter Veen, S. 76 ff.; Anders, S. 35; Hamm / Hassemer / Pauly, Rn. 114 „Darlegungslast“; Julius, S. 247 im Zusammenhang mit allgemeineren Begründungsanforderungen an den Beweisantrag. 167 OLG Koblenz VRS 73, 301; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 3 zu § 155, Rn. 23 zu § 261; KK – Hürxthal, Rn. 39 zu § 261; Eb. Schmidt, LK I, Rn. 366 ff., 379; LR – Schäfer (24. Aufl.), Einleitung Kap. 13, Rn. 48; LR – Rieß (25. Aufl.), Einleitung Abschnitt H, Rn. 34 und 45. 168 Prütting, S. 5 ff.; 44 ff.; Musielak, S. 33 ff.; 50 ff.; zusammenfassende Darstellung: Hansen, JuS 1991, 588. 169 Prütting, S. 14 – 30: Eine Beweislastentscheidung nach dem Grundsätzen der objektiven Beweislast, ergeht immer dann und nur dann, wenn der Richter zu einem non liquet in der Tatfrage gelangt. Die subjektive Beweislast ist die den Parteien obliegende echte Last, durch eigenes Tätigwerden den Beweis der streitigen Tatsache zu führen. 170 Hansen, JuS 1991, 588. 171 Während objektive Lasten immer abstrakt und damit vom konkreten Prozeßgeschehen unabhängig sind, können subjektive Lasten abstrakt oder konkret sein, je nachdem, ob die

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

ist der Kategorie der (subjektiven) konkreten Behauptungslast zuzuordnen.172 Kennzeichnend für eine konkrete Behauptungslast ist, wie auch für eine konkret (subjektive) Beweislast, daß die entsprechende Last nicht von Anfang an, unabhängig von einem Einzelprozeß feststeht, sondern jede Partei je nach dem bisherigen Sachvortrag der Gegenpartei zwingt, genauere oder neue Tatsachen vorzutragen. Es handelt sich um die Frage, wer in einem konkreten Prozeß, in dem der Richter schon gewisse Sachinformationen besitzt, in der jeweiligen Situation zu einem Beweisantritt aufgerufen ist, also insbesondere einen Gegenbeweis führen muß. Subjektive konkrete Lasten werden daher nicht rechtssatzmäßig festgelegt, sondern hängen von der jeweiligen Beweiswürdigung und damit von Tatfragen ab, weshalb sie im Grunde nur eine unselbständige Folgerung aus dem jeweiligen Stand der richterlichen Sachverhaltseinschätzung sind.173 Die konkrete Behauptungslast bzw. Substantiierungslast trifft demnach diejenige Partei, die in einer konkreten Prozeßsituation eine von der vorläufigen richterlichen Überzeugung abweichenden Sachverhalt festgestellt wissen will. Sie ist, will sie die Entstehung einer für sie unerwünschten Prozeßlage vermeiden, im eigenen Interesse dazu aufgerufen, eine von der bisherigen vorläufigen richterlichen Überzeugung abweichende Behauptung aufzustellen.174

II. Übertragbarkeit auf den Strafprozeß Die zum Teil in der strafprozessualen Literatur anzutreffende Feststellung, daß es in Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz keine Beweislasten gibt, betrifft zunächst die hier relevante Frage nach etwaigen Substantiierungslasten nicht, da diese Aussage in der Regel nicht auf die Kategorie der Behauptungslasten, sondern auf die Kategorie der objektiven Beweislast bezogen ist.175 Frage der Lastenverteilung vor Beginn oder im Verlauf eines Prozesses gestellt wird: Prütting, S. 5 – 8; Hansen, JuS 1991, 588, 589. 172 Die subjektiv abstrakte Behauptungslast beschreibt im Zivilprozeß die von Anfang an feststehende und gleichbleibende Last des Anspruchstellers, die klagebegründenden Tatsachen zu behaupten und die korrespondierende Last des Anspruchsgegners, alle in Frage kommenden Einwendungen vorzutragen: Prütting, S. 44 ff.; Hansen, JuS 1991, 588, 589. 173 Prütting, S. 44 ff.; zur subjektiven Beweisführungslast siehe ebd., S. 8, 9, 10, 29. 174 Zum Begriff der Last in Abgrenzung zur Pflicht: Goldschmidt, S. 76 ff.; 335 ff.; Niese, S. 52 ff.; 63 ff.; Eb. Schmidt, LK I, Rn. 74 (mit ausführlicher Anmerkung zur Entwicklung dieser prozessualen Begriffe in Fn. 135 ): Der Begriff der Last beschreibt einen „Motivationszwang“. 175 LR – Schäfer (24. Auflage), Einleitung Kapitel 13, Rn. 48; LR – Gollwitzer, Rn. 107 zu § 261; Gössel, Strafverfahrensrecht, S. 39. Die – besonders nachdrücklich von Eb. Schmidt, LK I, Rn. 366 ff. vertretene – Auffassung, daß es im Strafverfahren keine Beweislast gebe, ist aber zu relativieren, da es sich hierbei vor allem um eine terminologische Streitfrage handelt. Daß auch im Strafverfahren Regeln für den Fall der Nichterweislichkeit eines Sachverhaltes erforderlich sind, wird selbstverständlich auch in der strafprozessualen Literatur berücksichtigt. Ob die Vorgehensweise für den Fall eines non liquet aber als eine Frage

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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Soweit aber eine entsprechende Differenzierung zwischen Beweis- und Behauptungslasten vorgenommen wird, ist überwiegend anerkannt, daß solche „Pflichten der Prozeßbeteiligten gegen sich selbst“ in Verfahren, in denen Beweiserhebungen von Amts wegen stattfinden, ausscheiden müssen.176 Die gegenteilige Ansicht, die eine Ausdehnung subjektiver Beweisführungs- und Behauptungslasten auf den Strafprozeß damit begründet, daß auch in Verfahren mit Untersuchungsmaxime die Parteien Beweisanträge stellen und sich dazu insbesondere dann aufgerufen fühlen, wenn ihnen anderenfalls der Prozeßverlust droht177, wird von der vorherrschenden Meinung unter Berufung auf den Begriff der Last abgelehnt: Erforderlich für das Vorliegen einer echten prozessualen Last sei nicht nur – in Abgrenzung zur prozessualen Pflicht – daß die Partei zur Abwendung von Nachteilen im eigenen Interesse zu einer Beweisführung motiviert werde. Der Begriff der Last als Beschreibung eines Verhaltens der Prozeßbeteiligten, deren Tätigkeit nicht erzwungen wird, aber an deren Untätigbleiben sich Nachteile knüpfen, verliert nach Ansicht der vorherrschenden Meinung alle Konturen, wenn nicht zugleich verlangt werde, daß diese Nachteile eine unabwendbare Folge der Untätigkeit seien. Gerade daran zeige sich, warum in Verfahren mit Untersuchungsmaxime echte Lasten ausgeschlossen seien, denn aufgrund der gerichtlichen Pflicht zur Erforschung des Sachverhaltes nach § 244 Abs. 2 StPO seien an die Passivität der Verfahrensbeteiligten insbesondere des Angeklagten und seines Verteidigers nicht zwingende Nachteile geknüpft.178 Nach dieser vorrangig zivilprozessualen Differenzierung stellen die strafprozessuale Möglichkeit, bestimmte Beweiserhebungen zu beantragen, bzw. die Erfüllung der formalen Anforderung, eine Beweisbehauptung so bestimmt zu formulieren, daß die Beweisantragsqualität anerkannt wird, allenfalls ein tatsächliches Interesse aber keine Lasten der Verfahrensbeteiligten dar. Dennoch soll gerade für der Beweislastverteilung (so Prütting, S. 37, 38 für Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz) verstanden wird, oder ob es sich bei dem Grundsatz des „in dubio pro reo“ um eine Entscheidungsregel handelt, (so LR – Rieß, Einleitung Abschnitt H, Rn. 34 und 45 mit Verweis auf Eb. Schmidt, LK I, Rn. 366, 379; KK – Pfeiffer, Einleitung, Rn. 19 und Kleinknecht / MeyerGoßner, Rn. 26 zu § 261), kann im Rahmen dieser Arbeit dahinstehen. 176 Eb. Schmidt, LK I, Rn. 366 ff.; LR – Rieß, Einleitung Abschnitt H, Rn. 34; Prütting, S. 24, 25, 34, 36, 47. 177 Musielak (S. 39) hat das mit der Begründung bejaht, daß es keinen Unterschied machen kann, ob in einem Zivilprozeß die beweisbelastete Partei trotz Aufforderung nach § 139 ZPO keinen Beweis antritt und deshalb unterliegt, oder ob in einem Verfahren mit Untersuchungsmaxime dem Gericht keine Beweise zur Verfügung stehen und es nunmehr ebenso gegen die objektiv beweisbelastete Partei entscheidet. 178 Prütting, S. 24, 25, 47; Eb. Schmidt, LK I, Rn. 379; LR – Rieß, Einleitung Abschnitt H, Rn. 34: „Aus dem Amtsaufklärungsgrundsatz folgt u. a., daß ( . . . ) das Nichtbestreiten von Tatsachen eine Überprüfung ihres Wahrheitsgehaltes nicht entbehrlich macht (und) daß die Strafverfolgungsbehörden, insbesondere die Gerichte, falls hierfür Anhaltspunkte ersichtlich sind, auch solchen Umständen nachzugehen haben, auf die sich der Begünstigte (insbesondere der Beschuldigte) nicht beruft, selbst wenn er ihr Vorhandensein in Abrede stellt, und daß es infolgedessen eine Behauptungslast nicht gibt“ (Hervorhebung i. O.).

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

den Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz im Rahmen dieser Arbeit am Begriff der Substantiierungs-Last festgehalten werden. Das gegen die dogmatische Einordnung einer strafprozessualen Substantiierungsanforderung als Last angeführte Argument, aufgrund des Prinzips der Amtsermittlung könnten den Verfahrensbeteiligten hinsichtlich der Aufklärung des wahren Sachverhaltes keine zwingenden Nachteile entstehen, vermag nicht zu überzeugen. Bei der Frage, welche prozessualen Verschlechterungen mit der Zurückweisung des Antrags als unsubstantiiert verbunden sind, ist auch das unterschiedliche Ausmaß der gerichtlichen Beweiserhebungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO einerseits und § 244 Abs. 3 – 6 StPO andererseits zu berücksichtigen. Wenn nach den Anforderungen der strukturellen Korrespondenz die fehlende Bescheidungsfähigkeit des Antrags zur Folge hat, daß der Antrag als Ermittlungsantrag eingestuft wird, kann das Gericht den Antrag mit der Begründung zurückweisen, daß es sich nach § 244 Abs. 2 StPO zu einer weiteren Beweistätigkeit nicht gedrängt sieht. Soweit die Praxis der formalen Einstufung eines unsubstantiierten Beweisantrags als Ermittlungsantrag gerade darauf abzielt, den gerichtlichen Beweiserhebungsaufwand zu begrenzen, ist eine unbestimmte Tatsachenbehauptung, wenn auch nicht mit dem „Prozeßverlust“, so doch zumindest zwingend mit dem Verlust der begehrten Beweiserhebung verbunden. Unabhängig davon, ob die vorangehenden Erwägungen die Bestimmtheitsanforderungen im Sinne der strukturellen Korrespondenz eher als faktische179 oder als echte Last auszeichnen, soll an dem Begriff der Substantiierungslast festgehalten werden. In Abweichung von der zivilprozessualen Dogmatik180 werden die Begriffe der Darlegungs- und der Konkretisierungslast synonym verwendet.

D. Substantiierungslast als Begriffsmerkmal des Beweisantrags – Abgrenzung zum Beweisermittlungsantrag Der von der neueren Rechtsprechung aus der sog. strukturellen Korrespondenz gezogene Schluß der Einstufung des Antrags als Ermittlungsantrag181 soll näher untersucht werden. Ausgangspunkt der sich anschließenden Ausführungen ist dabei die Überlegung, daß die Anbindung einer beweisantragsrechtlichen Darlegungslast an den Ablehnungskatalog des § 244 Abs. 3 StPO nicht notwendig zu einer Gleichsetzung der entsprechenden Substantiierung mit den Begriffsanforderungen des Beweisantrags führen muß. Die Fragestellung, ob die Darlegung der Bescheidungsfähigkeit des Antrags über die formale Qualität des Beweisbegehrens Zum Begriff siehe Musielak, S. 39 mit Fn. 262. Der Begriff der Darlegungslast beschreibt in der zivilprozessualen Terminologie die abstrakte Behauptungslast, siehe Hansen, JuS 1991, 588, 589. 181 BGHSt 37, 162 (165, 167, 168); 39, 251 (255); 40, 3 (6); 43, 321 (329); BGH NStZ 1998, 97; 1999, 522; 2000, 437. 179 180

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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als Beweisantrag entscheiden soll, rechtfertigt sich zum einen aus der Möglichkeit, daß mit der Einstufung des unsubstantiierten Beweisbegehrens als Beweisermittlungsantrag formelle Nachteile für den Antragsteller verbunden sein könnten, die aus einer prozessual anderen Behandlung des Ermittlungsantrags resultieren. Zum andern könnte der unbestimmte Begriff des Beweisermittlungsantrags Anlaß zur einer terminologischen Präzisierung geben. I. Prozessuale Behandlung des Beweisermittlungsantrags Die Literatur sieht in der unterschiedlichen prozessualen Behandlung von Beweisanträgen einerseits und Beweisermittlungsanträgen andererseits den entscheidenden Grund für die Entwicklung der Figur des Ermittlungsantrags. Eine eigenständige Kategorie von Beweisbegehren, denen die formale Qualität als Beweisantrag abzusprechen ist, sei durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts u. a. deshalb geschaffen worden, um den Tatrichter in bestimmten Antragskonstellationen von den formalen Anforderungen des § 244 Abs. 3 – 5 StPO und § 244 Abs. 6 StPO freizustellen. 182 Die Figur des Ermittlungsantrags wird daher als „Hilfskonstruktion“ interpretiert, „mit der ein aus prozeßökonomischen Gründen notwendiges oder gewolltes Ergebnis dogmatisch ableitbar gemacht wird“.183 1. Inhaltliche Anforderungen nach § 244 Abs. 3 – 5 StPO Mit der Einstufung eines Beweisbegehrens als Ermittlungsantrag richtet sich die Entscheidung darüber, ob und inwieweit ihm stattzugeben ist, allein nach dem Aufklärungsmaßstab des § 244 Abs. 2 StPO.184 Es erscheint fraglich, ob die Einstufung eines nicht bescheidungsfähigen Antrags als Ermittlungsantrag Resultat einer verfahrensökonomischen Abwägungsentscheidung sein kann. Das Ziel, den Tatrichter vom argumentativen Aufwand einer Ablehnungsbegründung nach § 244 Abs. 3 – 5 StPO zu befreien, ist ja bereits durch die mangelnde Substantiierung des Beweisbegehrens erreicht. Der prozessuale Nachteil des Antragstellers, daß die gerichtliche Ablehnungsentscheidung nicht an die strengen Anforderungen des § 244 Abs. 3 – 5 StPO gebunden ist, beruht auf der fehlenden Präzisierung des Antrags und nicht auf der formalen Einordnung des Beweisbegehrens als Ermittlungsantrag.185 182 Schulz, GA 1981, 310 (318); Berkholz, S. 150 f.; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 88 mit weiteren Nachweisen; LR – Gollwitzer, Rn. 119 zu § 244. BGH VRS 41 (1971), 203 (206); BGHSt 30, 131 (142). 183 Schulz, GA 1981, 310 (316 a. E.) mit Hinweis auf Berkholz, S. 149, 152. 184 BGHSt 31, 131 (142); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 76; 87 f.; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 23 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 55 f. zu § 244. 185 Hier sollen nur die prozessualen Konsequenzen bzw. verfahrensökonomischen Interessen erläutert werden, die an die formale Behandlung als Ermittlungsantrag geknüpft sind.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

Eine echte Befreiung des Tatrichters von den inhaltlichen Begründungsanforderungen des § 244 Abs. 3 – 5 StPO könnte über die Ablehnung des formalen ordnungsgemäßen Charakters des Antrags dagegen dann erreicht werden, wenn der Hinweis auf die fehlende Bescheidungsfähigkeit nur als argumentativer Vorwand zur Ablehnung solcher Anträgen verwendet würde, deren Erhebung aus der Perspektive des Gerichts überflüssig erscheint. Der prozeßökonomische Effekt einer nur vorgeschobenen Ablehnungsbegründung setzt aber voraus, daß dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt wird, die fehlende Bescheidungsfähigkeit des Antrags ohne weiteres zu behaupten, um auf diesem Wege eine aufwendigere Ablehnungsbegründung zu umgehen. Ein entsprechender Beschleunigungseffekt kann somit nur dann eintreten, wenn die gerichtliche Ablehnung eines unsubstantiierten Beweisbegehrens ihrerseits keiner inhaltlichen Prüfung unterzogen werden könnte. Die prozeßdogmatische Einordnung einer Darlegungslast als Begriffsmerkmal könnte deshalb vor allem dann für den Antragsteller bedeutsam sein, wenn es von ihr abhinge, ob der Antrag durch einen förmlichen Gerichtsbeschluß nach § 244 Abs. 6 StPO beschieden werden muß.

2. Formale Anforderung nach § 244 Abs. 6 StPO In Rechtsprechung und Literatur hat sich die Überzeugung durchgesetzt, daß das Gericht einen Antrag, den es aufgrund mangelhafter Substantiierung als Ermittlungsantrag einstuft, nicht einfach übergehen darf.186 Auch wenn der Beweisermittlungsantrag seinem „Wesen nach nur eine Anregung an das Gericht“ ist, die Notwendigkeit weiterer Beweiserhebungen im Rahmen des § 244 Abs. 2 StPO zu prüfen, handelt es sich bei einem solchen Beweisersuchen um einen echten Antrag im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO, der im Sitzungsprotokoll zu beurkunden ist.187 Wird dem Begehren des Antragstellers nicht entsprochen, gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht, die ablehnende Entscheidung in der Hauptverhandlung formell und mit Gründen bekanntzumachen. 188 Umstritten ist allein die Frage, ob die Auf das prozeßökonomische Interesse des Tatgerichtes, die Anwendungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht ermitteln zu müssen, ist hier nicht einzugehen, denn dieses Interesse kann auch dann umgesetzt werden, wenn das Gericht den Beweisantragscharakter eines nicht bescheidungsfähigen Antrags bejaht: Zu einer vom Beweisantragsbegriff unabhängigen Darlegungslast siehe unten Teil 1 Kapitel 2 C. Zu den revisionsgerichtlichen Versuchen, einen tatrichterlichen Ablehnungsfehler durch Rückgriff auf strengere Formanforderungen zu „heilen“ siehe unten Teil 2 Kapitel 4. 186 LR – Gollwitzer, Rn. 121 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 55 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 68, 69 zu § 244; Perron, S. 213; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 87, 89 mit Hinweisen auf die früher vertretene Gegenmeinung, nach der der Ermittlungsantrag nicht als echter Antrag galt: so etwa BGHSt 6, 128 f. Zu der Ansicht, daß der Ermittlungsantrag als prozessuales „Mittel minderen Ranges“ eingestuft wurde: Schulz, GA 1981, 301. 187 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 88, 89; Schulz, GA 1981, 301 (318 f.); Bergmann, S. 174; ders., MDR 1976, 888 (892); Berkholz, S. 130; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 27 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 58 zu § 244. OLG Nürnberg MDR 1984, 74.

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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Ablehnung durch eine begründete Verfügung (§§ 34, 35 StPO) des Vorsitzenden erfolgen kann189, gegen die der Rechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO zulässig ist190, oder ob die zurückweisende Begründung durch einen Beschluß des gesamten Gerichts191 bekanntzugeben ist. Nach der wohl mittlerweile einhelligen Meinung ist die Einstufung eines unsubstantiierten Antrags als Ermittlungsantrag jedenfalls nicht mit dem Verlust einer begründeten Ablehnungsentscheidung verbunden. Die weitgehend formale Gleichstellung von Beweisantrag einerseits und Beweisermittlungsantrag andererseits wird unter anderem dadurch herbeigeführt, daß nach Ansicht von Rechtsprechung und Literatur eine Bescheidung nach § 244 Abs. 6 StPO jedenfalls immer dann erforderlich ist, wenn der Beweisermittlungsantrag als Beweisantrag gestellt worden ist.192 Letztlich erscheint aber die Frage, ob man für die Ablehnung eines Ermittlungsantrages einen Gerichtsbeschluß fordert, oder ob man eine Verfügung des Vorsitzenden, gegen die nach § 238 Abs. 2 StPO das Gericht angerufen werden kann, ausreichen läßt, sekundär.193 Entscheidend ist die Pflicht zur begründeten Ablehnung (§ 34 StPO), die zum einen dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnet, auf die Zurückweisung seines Beweisbegehrens noch in der Hauptverhandlung zu reagieren, zum anderen die inhaltliche Begründung einer revisionsrechtliche Kontrolle zugänglich macht. Die Funktionen einer begründeten Ablehnungsentscheidung und die inhaltlichen Anforderungen, die an eine solche Entscheidung im Fall einer Verneinung der Beweisantragsqualität wegen fehlender Bescheidungsfähigkeit zu stellen sind, sollen kurz erläutert werden. 188 So das OLG Frankfurt StV 1988, 243, das eine entsprechende Begründungspflicht vor der Urteilsverkündung auch für einen Beweisermittlungsantrag aus der gerichtlichen Hinweis- und Fürsorgepflicht ableitet. Zustimmend: Michalke, StV 1988, 244; siehe auch LR – Gollwitzer, Rn. 121 zu § 244. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 90: Der Antragsteller, der die Beweiserhebung nicht lediglich hilfsweise beantragt, hat Anspruch darauf, vor der Urteilsverkündung zu erfahren, weshalb seinem Beweisermittlungsantrag nicht stattgegeben wird. Zum Hilfsbeweisantrag siehe unten Teil 2 Kapitel 2 B II 2. 189 KK – Herdegen, Rn. 55 zu § 244; ders. in GS für Meyer, 187 (196); LR – Gollwitzer, Rn. 121 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 58 zu § 244; den Meinungsstreit darstellend: Michalke, StV 1988, 244. 190 SK – Schlüchter, Rn. 69 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 58 zu § 244; Kleinknecht / MeyerGoßner, Rn. 27 zu § 244; Perron, S. 213. Dagegen allerdings Alsberg / Nüse / Meyer, S. 90 mit dem Argument, daß dann der Wortlaut des § 244 Abs. 6 StPO umgangen würde, wenn über den Umweg des § 238 Abs. 2 StPO ein Gerichtsbeschluß erlangt werden könnte, obwohl kein Beweisantrag vorliegt. 191 Schulz, GA 1981, 301 (319); Gössel, § 29 C II a 2, der einen unsubstantiierten Antrag als unzulässigen Beweisantrag einstuft, dazu im Anschluß unten Teil 1 Kapitel 2 C und D. 192 BGH StV 1994, 172 (173); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 754; LR – Gollwitzer, Rn. 121 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 55 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 58 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 69 zu § 244. 193 Herdegen in GS für Meyer, 187 (196).

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

(a) Informationsfunktion der begründeten Ablehnung eines unsubstantiierten Antrags Teilt die ablehnende Entscheidung des Vorsitzenden oder des Gerichts dem Antragsteller mit, weshalb sein Beweisbegehren als unsubstantiiert und daher als Ermittlungsantrag einzustufen ist194, erhält er die Möglichkeit, auf die Ablehnung durch weitere Anträge oder andere Formen der Verteidigung zu reagieren.195 Wird dem Antragsteller vor dem in § 258 Abs. 1 StPO bezeichneten Schluß der Beweisaufnahme196 mitgeteilt, welche Erwägungen die Entscheidung tragen, daß die aufgestellte Behauptung die Anwendbarkeit eines Ablehnungsgrundes ausschließt, kann er – soweit er dazu in der Lage ist – den Antrag entweder durch weitere Substantiierungen vervollständigen oder eine mißverständliche Beweisbehauptung korrigieren. Die Pflicht, den inhaltlichen Mangel des Antrags in der Ablehnungsbegründung aufzuzeigen, dient damit auch der Absicherung der gerichtlichen Hinweispflicht und des Gebots der fairen Verfahrensgestaltung.197 Denn Substantiierungsmängel rechtfertigen in der Regel nicht ohne weiteres die Ablehnung eines Antrags.198 Vielmehr hat das Gericht auf eine Vervollständigung oder Klarstellung des Antrags hinzuwirken.199 Die Pflicht des Gerichts, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, gebietet es, alle Erklärungen des Angeklagten, des Verteidigers und der übrigen Prozeßbeteiligten darauf zu prüfen, inwieweit sie der Sachaufklärung dienen können. Diese generelle Aufklärungspflicht konkretisiert sich im Fall eines Beweisantrags zur Hinweis- und Rückfragepflicht gegenüber dem Angeklagten und der Verteidigung200, wenn ein Antrag unvollständig201 ist, die Beweistatsache nicht hinreichend präzise angegeben202 ist oder das Beweisziel203 nicht erkennbar ist. 194 Daneben hat die einen Ermittlungsantrag ablehnende Entscheidung mitzuteilen, weshalb das Gericht keinen Anlaß zur Beweistätigkeit sieht: KK – Herdegen, Rn. 55 (a. E.) zu § 244. 195 OLG Frankfurt StV 1988, 243; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 756. Siehe auch Schatz, S. 252 ff. 196 Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses nach § 244 Abs. 6 StPO: BGHSt 19, 24 (26); Sarstedt, DAR 1964, 307 (310). 197 KK – Pfeiffer, Einleitung, Rn. 28, dazu unten Teil 2 Kapitel 1 B III. 198 Zunächst ist der Antrag auszulegen: BGHSt 1, 137 (138). Siehe auch: BGHSt 19, 24 (26); 37, 162 (166); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 393 ff.; LR – Gollwitzer, Rn. 110 – 114 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 35 zu § 244; Burgard / Fresemann, wistra 2000, 88 (90). 199 BGHSt 1, 137 (138); 22, 118 (122); BGH bei Dallinger, MDR 1951, 659; BGH StV 1981, 330; BGH NStZ 1995, 356; OLG Köln VRS 64, 279 (281); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 393 ff.; LR – Gollwitzer, Rn. 113 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 35 zu § 244; Eisenberg, Rn. 180. 200 BGHSt 22, 118 (122); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 398, 399 (mit weiteren Nachweisen): Das Gericht hat in erster Linie Fürsorgepflichten gegenüber dem rechtsunkundigen Angeklagten, dem kein Verteidiger zur Seite steht. Fürsorgepflichten bestehen aber auch gegenüber dem Verteidiger und der Staatsanwaltschaft. 201 BGH NStZ 1985, 205.

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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(b) Kontrollfunktion der begründeten Ablehnung eines unsubstantiierten Antrags Darüber hinaus begrenzt die Verpflichtung zur begründeten Ablehnung eines unsubstantiierten Beweisantrags die mit dieser Ablehnungsmöglichkeit verbundene Antizipationsgefahr.204 Gerade wenn die mangelnde Bestimmtheit des Antrags mit den Prüfungsanforderungen einer Erheblichkeits- oder Eignungsprüfung begründet wird, besteht die Gefahr, daß das Gericht im Rahmen der Ablehnungsbegründung Umstände berücksichtigt, die wegen des Verbots der Beweisantizipation bei der Würdigung des Antragsvorbringens keine Rolle spielen dürfen. Allzu leicht könnte das Gericht dazu verleitet werden, die Feststellung der Unmöglichkeit der Erheblichkeits- oder Eignungsprüfung nicht aus der inhaltlichen Ausgestaltung des Antrags heraus zu begründen, sondern die fehlende Prüfungsmöglichkeit aus der aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme gewonnenen Überzeugung von der Unerheblichkeit des Beweisthemas oder der bisher fehlenden Anhaltspunkte für die Eignung des Beweismittels herzuleiten.205 Eine begründete Ablehnungsentscheidung, in der in jedem auf einen entsprechenden Substantiierungsmangel gestützten Ablehnungsfall die rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen darzulegen sind, die das Gericht zu der Feststellung bewegten, daß der jeweilige Antrag die Prüfung eines konkreten Ablehnungsgrundes ausschließt, reduziert durch die geforderte Plausibilität der Ablehnungsbegründung die Antizipationsgefahr206, und macht im übrigen Verstöße gegen das Verbot präsumtiver Beweiswürdigung revisionsrechtlich überprüfbar.

II. Präzisierung der beweisantragsrechtlichen Terminologie Angesichts der Konturlosigkeit der begrifflichen Abgrenzung zwischen Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag und entsprechend dem Zweck der Substantiierungslast ist es aus terminologischen Gründen möglicherweise sachgerechter, die Forderung der Bescheidungsfähigkeit des Antrags als eine von den begrifflichen Merkmalen unabhängige Sachentscheidungsvoraussetzung eines Ablehnungsbeschlusses nach § 244 Abs. 6 StPO zu interpretieren.

BGHSt 19, 24 (25). BGH NJW 1959, 396. 204 Zu dieser Funktion des Ablehnungsbeschlusses: BGHSt 1, 29 (32); 2, 284 (286); BGH NStZ 1983, 568; BGH StV 1990, 500; KK – Herdegen, Rn. 58 zu § 244. Siehe auch Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 4 zu § 34. 205 Julius, Anmerkung zu OLG Köln OLGStPO Nr. 10 zu § 244 in OLGStPO Nr. 10, S. 8 (9), beschreibt diese Gefahr am Beispiel des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit, den er für besonders „antizipationsanfällig“ hält, und belegt diese Einschätzung anhand der antizipatorischen Begründung des kommentierten Urteils. 206 Herdegen in FS für Boujong, S. 777 ff. 202 203

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

1. Konturlosigkeit der Figur des Beweisermittlungsantrags Während der Begriff des Beweisantrages zumindest hinsichtlich seiner konstitutiven Elemente in der auf die Hauptverhandlung übertragbaren207 Regelung des § 219 Abs. 1 Satz 1 StPO umschrieben wird, ist die Ausbildung des Begriffs des Beweisermittlungsantrages ausschließlich eine Konstruktion der Rechtsprechung.208 Daß dieser Begriff trotz zahlreicher Definitionsansätze in Rechsprechung und Literatur nicht zu einer eindeutigen Klärung seiner konstitutiven Merkmale führte209, kann nicht überraschen.210 Da sich der Beweisermittlungsantrag von einem Beweisantrag vor allem durch den „Grad an Präzisierung“211 unterscheidet, muß jeder Versuch, dem „Wesen des Beweisermittlungsantrags im Wege der Definition näherzukommen, ( . . . ) scheitern“, da „eine prozessuale Erklärung, deren wesentliches Merkmal ihre Unbestimmtheit ist, sich einer abstrakten Begriffsbestimmung notwendig entzieht“.212 So sind in der Literatur auch wiederholt Zweifel an den herkömmlichen Abgrenzungskriterien vorgebracht worden: Das für den Beweisermittlungsantrag als kennzeichnend hervorgehobene Merkmal der mangelnden Bestimmtheit sei ein zu vages Kriterium, da der Bestimmtheitsmangel völlig unterschiedliche Ursachen213 haben könne und daher das Maß der notwendigen Substantiierung nur von Fall zu Fall bestimmt werden könne214, so daß es als klare Abgrenzung zwischen Beweisermitlungs- und Beweisanträgen nicht tauge; die Grenzen zwischen diesen Antragsformen vielmehr fließend seien.215 Deutlicher Ausdruck der „Konturlosigkeit“216 der Figur des Beweisermittlungsantrags ist der Umstand, daß sich auch die höchstrichterliche Rechtsprechung der Festlegung auf eine Begriffsbestimmung entzieht und zwischen dem „klassischen“ und anderen Beweisermittlungsanträgen unterscheidet, wobei die Gruppe der übri-

207 RGSt 13, 316 (318); 40, 48 (50); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 37; Simader, S. 30; Stützel, S. 16; Thole, S. 47; Gutmann, JuS 1962, 369 (374). Der Beweisantrag nach § 219 StPO unterscheidet sich nur nach Zeitpunkt der Antragstellung von dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag. 208 Grundlegend aber ohne Definition der Merkmale des Ermittlungsantrags: RGSt 24, 422. Siehe auch Alsberg, GA Bd. 67 (1919), 261 ff.; Berkholz, S. 10 ff. 209 KK – Herdegen, Rn. 53 zu § 244. 210 Schwenn, StV 1981, 631 (632). 211 Schulz, AnwBl. 1983, 492 (493). 212 Schwenn, StV 1981, 631 (632). 213 Ebd. 214 Berkholz, S. 24, 65, 66: „Die aufgrund der gebotenen Berücksichtigung des Einzelfalls entstehenden Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag nach dem Grade der Bestimmtheit der Beweistatsache ließen es geraten erscheinen, Anträge mit ungenügend substantiierter Beweistatsachenangabe nicht als Beweisermittlungsanträge, sondern als Beweisanträge zu werten“. Einschränkend auch Bergmann, S. 58 ff. 215 Wessels, JuS 1969, 1 (3 mit Fn. 34); HK – Julius, Rn. 18 zu § 244. 216 Schulz, StV 1991, 449.

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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gen dieser Kategorie zufallenden Antragstypen nicht einmal im Ansatz näher umrissen wird.217 Zu Recht wird in der Literatur kritisch hervorgehoben, daß keine dogmatischen Gründe dafür vorgetragen werden, warum der Umstand, daß der Antragsteller „Ermittlung“ begehrt, bei der Definition des Beweisantrags eine Rolle spielen soll.218 Denn daß ein Antrag die nachforschende Tätigkeit des Gericht in eine bestimmte Richtung lenkt, liegt „ebenso in der Natur des Beweisantrags wie der des Beweisermittlungsantrags“.219 Verlangt die überwiegende Meinung in Rechsprechung und Literatur für den Beweisantrag nicht das sichere Wissen des Antragstellers, daß sich das Beweisthema in der Beweisaufnahme bestätigen wird, sondern soll es für einen förmlichen Beweisantrag genügen, daß er die Bestätigung der Beweistatsache lediglich für möglich hält220, so wohnt einem Beweisantrag „ohnehin ein Element des ,noch zu Ermittelnden‘“ inne.221 Neben den berechtigten Einwänden der Literatur, daß der Ermittlungsgedanke bei „Anträgen, die unmittelbar auf eine Beweiserhebung gerichtet sind“222, die formale Disqualifizierung eines Prozeßbegehrens nicht rechtfertigen kann, wird die Unbestimmtheit der Terminologie auch dadurch begründet, daß der Begriff des Beweisermittlungsantrages keinerlei Hinweis auf den Gegenstand der noch erforderlichen Ermittlungen enthält. Zur präziseren Einordnung eines Antrags, dessen Beweisbehauptung die Prüfung des § 244 Abs. 3 StPO ausschließt, sollte auf die strafprozessualen Kategorien der Zulässigkeit und der Begründetheit zurückgegriffen werden.223 BGHSt 30, 131 (142). Schulz, NStZ 1991, 449. 219 Schwenn, StV 1981, 631. 220 BGHSt 21, 118 (125); BGH NJW 1983, 126; 1987, 2384; StV 1989, 237 f.; KG StV 1983, 95; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 40 ff. (43 mit weiteren Nachweisen); LR – Gollwitzer, Rn. 104 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 53 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 20 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 45 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 55 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 385 zu § 244; Gollwitzer, JR 1991, 472 (473); Herdegen, StV 1990, 518. Zur Darstellung der sog. Vermutungsrechtsprechung siehe unten Teil 2 Kapitel 2 A IV. 221 Michalke, StV 1988, 244 (245), Anmerkung zu OLG Frankfurt StV 1988, 243. „Beweistheoretisch“ entspreche eher der Beweisermittlungsantrag der „inquisitorischen Struktur des Strafprozesses“ als der Beweisantrag, so daß an einer sachlichen Begründung dafür fehle, warum das berechtige Verlangen, daß in der Hauptverhandlung Beweise noch gesucht werden, eine qualitativ geringwertigere Zugriffsmöglichkeit der Verteidigung auf den Sachverhalt zur Folge haben sollte: Schulz GA 1981, 301 (320); Michalke, StV 1988, 244 (245). 222 Schulz, NStZ 1991, 449. Hervorhebung d. Verf. 223 Vor dem Hintergrund der begrifflichen Konturen des Ermittlungsantrags sollte zwischen dem Ziel der Beweiserhebung und dem Ziel der Bescheidungsfähigkeit unterscheiden werden. Unabhängig davon ist die Frage zu klären, ob dem Antragsteller zugemutet werden kann, daß die Gerichte den Substantiierungsmaßstab nicht allein am Zweck Beweiserhebung, sondern an der Bescheidungsfähigkeit des Antrags ausrichten, wenn eine Beweiserhebung aus der gerichtlichen Perspektive aussichtslos erscheint (siehe BGHSt 37, 162 [165]). Dazu, 217 218

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

2. Prozessuale Wertkategorien der Zulässigkeit und der Begründetheit des Antrags Der Beweisantrag stellt eine Prozeßhandlung224 eines Prozeßsubjekts dar, die – in Übernahme der Goldtschmidtschen Klassifizierung der Prozeßhandlungen – genauer als an das Gericht adressierte Erwirkungshandlung225 beschrieben wird. Eine Erwirkungshandlung ist eine Prozeßhandlung, durch die die Prozeßbeteiligten (in der Regel die Verteidigung) richterliche Entscheidungen zu erwirken versuchen.226 Charakteristisch für eine Erwirkungshandlung ist – in Abgrenzung zur alternativen Kategorie der Bewirkungshandlung227 – das Kriterium der Abhängigkeit des intendierten Rechtserfolgs (hier: Anordnung und Vornahme der Beweiserhebung) von der Eignung der Handlung zur Erreichung des tatsächlichen Erfolgs.228 Als Erwirkungshandlung finden auf den Beweisantrag die Wertungskategorien der Zulässigkeit und der Begründetheit Anwendung.229 „Zulässig ist eine Erwirkungshandlung, wenn sie als Mittel zu einer Rechtsverheißung“ durch den „Richter – formell – ,zugelassen‘, das heißt inhaltlich geprüft werden muß“. Die Bedingungen, von denen eine inhaltliche Prüfung der Prozeßhandlung abhängt, werden durch das Prozeßrecht formuliert und sind rein formaler Natur.230 Die Zulässigkeit beschreibt somit die formalen prozessualen Voraussetzungen für die Vornahme einer Prozeßhandlung.231 Erweisen sich Erwirkungshandlungen danach als zulässig, so ist ihr Inhalt Gegenstand einer richterlichen ob es den Antragsteller übermäßig belastet, wenn er mehr zu verantworten hat, als die Beweiserhebung zu ermöglichen, siehe unten Teil 2 Kapitel 1 B und Teil 2 Kapitel 2 B. 224 Prozeßhandlungen sind nach Goldschmidt, S. 363, 364 „solche Handlungen der Parteien (oder des Richters), welche die prozessuale Rechtslage gestalten, das heißt welche prozessualen Aussichten, Möglichkeiten, Lasten oder Befreiungen von Lasten begründen oder verändern“. Zum Begriff der Prozeßhandlung siehe auch: Eb. Schmidt, LK I, Rn. 181 ff.; Kühne, Rn. 670 ff.; Gössel, § 19 B; LR – Rieß, Einleitung Abschnitt J, Rn. 5 ff. 225 Goldschmidt, S. 364; Niese, S. 89 ff.; Eb. Schmidt, LK I, Rn. 191 f. unterteilt die Erwirkungshandlungen weiter in Anträge und Behauptungen; speziell zum Beweisantrag siehe auch ders., LK I, Rn. 69 und LK II, Rn. 31 zu § 244; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 34; Peters, S. 252; Anders, S. 26 ff.; Schatz, S. 206. 226 Goldtschmidt, S. 364; Eb. Schmidt, LK I, Rn. 191. 227 Goldtschmidt, S. 457 ff.; Eb. Schmidt, LK I, Rn. 194; 210, 211. 228 Goldtschmidt, S. 366; Anders, S. 26; Schatz, S. 206. 229 Nach Goldschmidt (S. 369) stellen die Begriffe der Zulässigkeit und der Begründetheit die „eigentümlichen ( . . . ) auf Erwirkungshandlungen anwendbaren Wertungen der prozessualen Betrachtungsweise“ dar und lassen sich auf das Gegensatzpaar von „Form“ und „Inhalt“ zurückführen. 230 Goldschmidt, S. 369; 394; Anders, S. 27; Schatz, S. 307 mit Fn. 191; Thole, S. 77; Gössel, § 19 B III b 1; § 29 C II. Enger als dieser rein formale Zulässigkeitsbegriff sind Definitionen, die stärker auf das rechtliche Dürfen der prozessualen Vornahme durch das Gericht abstellen: LR – Rieß, Einleitung Abschnitt J, Rn. 19; Eb. Schmidt, LK I, Rn. 204, (etwas weiter Rn. 205); ders., LK II, Rn. 31 zu § 244; LR – Schäfer, (24. Aufl.), Einleitung Kap. 10, Rn. 8. 231 Kühne, Rn. 674; Gössel § 29 C II; Thole, S. 77.

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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Prüfung. Das Ergebnis dieser richterlichen Prüfung kann entweder darin bestehen, den Richter zu der erstrebte Entscheidung zu motivieren232, oder darin, daß er es ablehnt, die angestrebte Handlung vorzunehmen: Der Eintritt der einen oder anderen Möglichkeit ist eine Frage der Begründetheit der Erwirkungshandlung.233 Begründet ist eine Erwirkungshandlung dann, „wenn sie inhaltlich geeignet erscheint, die Verwirklichung einer Rechtsverheißung auszulösen“.234 Die Begründetheitsprüfung betrifft damit die Frage, ob die Prozeßhandlung inhaltlich gerechtfertigt ist, ob sie also „nach den sachlichen Voraussetzungen des Prozeßrechts die mit ihr angestrebten Wirkungen entfalten kann“.235 Die inhaltliche Prüfung des Sachbezugs der zugrundeliegenden Erwirkungshandlung regelt im Rahmen des Beweisantragsrechts die Kodifizierung der materialen Ablehnungsgründe im Katalog des § 244 Abs. 3 – 5 StPO. Ob einer zulässigen Beweiserhebung stattgegeben werden muß, hängt damit im wesentlichen von der Beweiserheblichkeit und der Beweisbedeutung der Beweistatsache und der Brauchbarkeit des Beweismittels ab.236 Die mit dem Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz formulierte Anforderung, daß ein Beweisantrag so hinreichend substantiiert sein muß, daß er dem Gericht die Prüfung der Ablehnungsgründe ermöglicht, entspricht der prozessualen Kategorie der Zulässigkeit im Sinne einer formalen Voraussetzung zur Vornahme der Begründetheitsprüfung237 nach § 244 Abs. 3 – 5 StPO. Da mit einer entsprechenden Substantiierung das Gericht erst in die Lage versetzt wird, seine inhaltlich begrenzte Kontrollbefugnis238 auszuüben und das Ergebnis dieser Qualitäts-Einschätzung begründet zu bescheiden, kann der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz auch als Sachentscheidungsvoraussetzung239 beschrieben werden. Die Einordnung der Substantiierungsanforderung als Zulässigkeitsvoraussetzung ermöglicht eine präzise Beschreibung ihrer Funktion. Ob aber einem Antrag, der 232 KK – Herdegen, Rn. 57 zu § 244: Durch die Anordnung der Beweisaufnahme ist der Beweiserhebungsanspruch des Antragstellers anerkannt worden. 233 Eb. Schmidt, LK I, Rn. 207. 234 Goldschmidt, S. 369, 414 ff. 235 LR – Schäfer (24. Aufl.), Einleitung Kap. 10, Rn. 8; LR – Rieß, Einleitung Abschnitt J, Rn. 19. 236 Schatz, S. 251, 308, 309; ergänzend tritt der Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppung und die Ablehnung von Anträgen auf Zuziehung eines Sachverständigen und Einnahme des Augenscheins hinzu. Siehe zur Begründetheitsprüfung eines Beweisantrags nach § 244 Abs. 3 – 5: Kühne, Rn. 674; Gössel, § 29 C III a, b; Thole, S. 79; ter Veen, S. 85 f. Eb. Schmidt, LK II, Rn. 41 zu § 244 nimmt § 244 Abs. 3 Satz 1 von der Frage der Begründetheit aus. 237 Eb. Schmidt, LK I, Rn. 207 a. E.; Kühne, Rn. 674; Anders, S. 28; Schatz, S. 251. 238 Anders, S. 27; Eb. Schmidt, LK I, Rn. 207. 239 Anders, S. 27 spricht von „Sachurteilsvoraussetzung“. Zur Terminologie siehe Kleinknecht / Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 121; KK – Pfeiffer, Rn. 15, 16 zu § 260.

7 Tenorth-Sperschneider

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

die Prüfung der Ablehnungsgründe nicht ermöglicht, die Beweisantragsqualität abzusprechen ist, kann allein mit einem Rückgriff auf die beschriebenen Wertkategorien nicht beantwortet werden. Selbst dort, wo in der Literatur beweisantragsrechtliche Bestimmtheitsanforderungen ausdrücklich der Kategorie der Zulässigkeit des Antrags zugeordnet werden240, wird die Frage, ob die durch fehlende Substantiierung ausgelöste Unzulässigkeit den Beweisantrags-Charakter betrifft, unterschiedlich oder gar nicht beantwortet. Während nach Gössel jeder auf Sachverhaltsaufklärung gerichtete Antrag Beweisantrag ist und der unsubstantiierte Antrag einen unzulässigen Beweisantrag darstellt, der eine Bescheidungspflicht nach § 244 Abs. 6 StPO auslöst241, wird im übrigen die Zulässigkeitsfrage mit der Abgrenzung zum Beweisermittlungsantrag gleichgesetzt, mit der Konsequenz, daß ein unzulässiger Beweisantrag als eine nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandelnde Prozeßhandlung beschrieben wird.242 Die Konturlosigkeit des Begriffs des Ermittlungsantrags und die Mehrdeutigkeit der Zulässigkeitskategorie zeigen, daß sich die Bewertung eines Prozeßbegehrens als formal ordnungsgemäßer Beweisantrag nicht aus einer zwingenden Begrifflichkeit ableiten läßt. Gegen die Einstufung einer Substantiierungslast, die inhaltliche Voraussetzung einer Begründetheitsprüfung ist, als Begriffserfordernis, spricht, daß nicht das Definitionskriterium, sondern lediglich die Rechtsfolge der Verneinung der Beweisantragsqualität als formal bezeichnet werden kann.243

240 Thole, S. 77; Schatz, S. 308 mit Fn. 191. Speziell zu den Anforderungen im Sinne der strukturellen Korrespondenz siehe Anders, S. 33, 35. Die Unzulässigkeit einer als Beweisantrag bezeichneten Erwirkungshandlung kann nach den in der Literatur angeführten Fallgruppen unterschiedliche Ursachen haben. Die Unzulässigkeit kann sich danach bei Anträgen ergeben, die von Prozeßbeteiligten gestellt werden, die grundsätzlich oder für einen bestimmten Verfahrenskomplex nicht berechtigt sind, eine Beweiserhebung zu beantragen: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 425 mit Beispielen; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 48, 30 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 67 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 186, 206 zu § 244; Schatz, S. 308; Thole, S. 77. Als unzulässig werden weiterhin Anträge eingestuft, die keiner Beweisaufnahme zugänglich sind oder deren Sinn völlig unverständlich und auch nicht durch Rückfragen aufklärbar ist: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 425; LR – Gollwitzer, Rn. 186, 95 zu § 244; Schatz, S. 308. Die Unzulässigkeit von Hilfsbeweisanträgen soll sich auch aus einer sich logisch widersprechenden Konditionalverknüpfung ergeben: Schatz, S. 308 mit Fn. 199, siehe unten Teil 2 Kapitel 2 B II 2. 241 Gössel, § 29 C II a 2. 242 Schatz, S. 308 mit Fn. 191; Anders, S. 33 ff.; SK – Schlüchter, Rn. 83 zu § 244. Schließlich beschränken sich einige Darstellungen – entsprechend dem Zweck ihrer Abgrenzungsbemühungen – darauf, den unzulässigen Beweisantrag von der Fallgruppe der unzulässigen Beweiserhebung nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO zu unterscheiden, ohne auf die prozessuale Behandlung des unzulässigen Beweisantrags näher einzugehen: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 636. 243 Grundsätzlich zur Kritik, daß durch den formalen Begriff des Ermittlungsantrages prozeßökonomische Motive verdeckt werden: Thole, S. 70, 79; Anders, S. 54; ter Veen, StV 1990, 569 (574).

2. Kap.: Inhaltliche Konkretisierungen und dogmatische Einordnung

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3. Trennung von Formvoraussetzungen und Wertungsaspekten Eine Substantiierung, die im wesentlichen Anhaltspunkte für die Erheblichkeit der Beweistatsache und die Eignung des Beweismittels fordert244, sollte nicht als Begriffsmerkmal des Beweisantrags eingestuft werden. Zwar entspricht es der regelmäßigen Intention des Antragstellers, das Gericht von den im Beweisantrag behaupteten Sachverhalts-Umständen zu überzeugen, jedoch sollte bei genauerer Betrachtung der „Inhaltsstruktur“ des Beweisantrages die Ebene des Verlangens nach einem konkreten Beweiserhebungsakt unabhängig von der Ebene der präsumtiven Würdigung des Antrags betrachtet werden.245 Wenn auch eine Substantiierung des Antrags, die eine Begründetheitsprüfung erst ermöglichen soll, die somit formale Voraussetzung einer Sachentscheidung nach § 244 Abs. 6 StPO ist, nicht mit der inhaltlichen Prüfung des Antrags gleichgesetzt werden kann, vielmehr dieser nur vorgeschaltet ist, bewerten doch die Zulässigkeit im Sinne der Sachentscheidungsvoraussetzung und die Begründetheit im Sinne der Beweiswürdigung die „Gesamteignung des Antrags, die richterliche Entscheidungsfindung zu beeinflussen“.246 Die Substantiierung des Beweisantrags im Sinne einer Sachentscheidungsvoraussetzung für die Begründetheit des Antrags ist bereits Teil der Relevanzkontrolle des Antrags, da sie es ermöglicht, die auf die konkrete Verfahrenssituation bezogene (und auch auf diese beschränkte) Qualität des Beweisantrags zu bewerten.247 Wird der förmliche Beweisantragscharakter erst anerkennt, wenn die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit und der völligen Ungeeignetheit sinnvoll geprüft werden können, führt dies zu einer Vorverlagerung der Überprüfung und Anwendung der Ablehnungsgründe auf die formale Ebene.248 Der Begriff des Beweisantrages sollte jedoch von der durch die jeweilige Verfahrenssituation bedingten Eignung des Antrags, die Überzeugung des Gerichts zu beeinflussen, unabhängig sein. 244 Siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B I 3 und B II 2. Siehe auch unten zur Detailanalyse der neueren Rechtsprechung: Teil 2 Kapitel 1 und 2. 245 Siehe Anders, S. 23 zur Trennung von Beweisaufnahme im verfahrenstechnischen Sinn und der „Kognition des Urteilers“. Im Ergebnis zieht Anders aber den entgegengesetzten Schluß und bezieht auch die Ebene der Sachurteilsvoraussetzungen in den Begriff des Beweisantrags mit ein: S. 33 ff. 246 Goldtschmidt, S. 366; Anders, S. 27. 247 Gegen eine Vermischung von Begriffsvoraussetzungen und Relevanzkontrolle siehe auch Thole, S. 79 zur Frage der Abwehr sog. „Schein-Beweisanträge“ auf der Ebene der formalen Voraussetzungen. 248 Fezer in Festgabe BGH, 847 (871). Siehe auch die Anmerkung von Hamm, StV 1993, 455 (456, 458), der in der Substantiierungsanforderung nach BGHSt 39, 251 eine Vermischung von Antragsvoraussetzungen und Antragswürdigung sieht; vgl. dazu auch die Kommentierung des Konnexitätsmerkmals von Eisenberg, Rn. 146 (a. E.). Diese begriffliche Differenzierung ist nicht mit der Fragestellung zu vermengen, ob die neuere Rechtsprechung mit der Substantiierungslast der Bescheidungsfähigkeit des Antrags auch die inhaltliche Prüfung der Ablehnungsgründe bzw. den Nachweis des Nichtvorliegens der Ablehnungsgründe auf den Antragsteller überträgt. Dazu unten Teil 2 Kapitel 1 B und Kapitel 2 B.

7*

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

4. Zwischenergebnis Das aus dem inhaltlichen Prüfungsgegenstand des Ablehnungskataloges nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ableitbare Substantiierungserfordernis kann als eine im Rahmen der Antragstellung (notwendige)249 Darlegungslast verstanden werden, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen den Charakter der Erwirkungshandlung nicht berührt, aber als Sachentscheidungsvoraussetzung über die Zulässigkeit der Antragstellung entscheidet. Ein Prozeßbegehren, das ausreichend bestimmte Hinweise zur Vornahme eines konkreten Beweiserhebungsaktes enthält, aber die Prüfung der Ablehnungsgründe ausschließt, ist nach dieser Konstruktion nach § 244 Abs. 6 StPO zu bescheiden. Angesichts der eingangs beschriebenen Angleichung der prozessualen Behandlung von Beweisanträgen und Ermittlungsanträgen liegt die Bedeutung der hier vorgenommenen Abgrenzung zum Begriff des Ermittlungsantrags in einer Präzisierung der beweisantragsrechtlichen Terminologie. Das Drängen auf Begriffsklarheit hat nicht nur die praktische Funktion der Transparenz innerhalb des Verfahrens, sondern entspricht, wie Schwenn250 im Zusammenhang mit dem parallel gelagerten Abgrenzungsschwierigkeiten im Rahmen der sog. Vermutungsrechtsprechung251 betont, dem revisionsgerichtlichen Auftrag der Klärung unbestimmter Rechtsbegriffe. Die „Garantiefunktion“, die dem Beweisantrag bzgl. der strafprozessualen Zielbestimmung der Aufklärung des wahren Sachverhalts zukommt, sei jedoch nur erfüllbar, „wenn seine Konturen klar erkennbar bleiben“.252

3. Kapitel

Unterschiedliche Möglichkeiten der Einschätzung erweiterter Darlegungslasten im Beweisantragsrecht Die Bewertung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz konzentriert sich auf die Frage, ob es zulässig ist, das Risiko fehlender Bescheidungsfähigkeit des Beweisantrags auf den Antragsteller und damit im Regelfall auf den Angeklagten und seine Verteidigung zu übertragen. Zur Einführung in diese Problematik soll zunächst die überwiegend kritische Haltung der Literatur kurz referiert werden.

249 250 251 252

Siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B I und II. Schwenn, StV 1981, 631 (635). Siehe zu diesem Problemkreis unten Teil 2 Kapitel 2 A IV. Schwenn, StV 1981, 631 (635).

3. Kap.: Unterschiedliche Bewertungsansätze

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A. Grundsätzliche Ablehnung erweiterter Substantiierungslasten Der Forderung, daß ein Beweisantrag so beschaffen sein sollte, daß die Ablehnungsgründe „exakt und sinnvoll“1 angewendet werden können, wird in der Literatur nicht widersprochen. In der Anbindung der Antragssubstantiierung an die Prüfungsvoraussetzungen des Ablehnungskataloges wird der „methodisch einzig mögliche“ Weg zur Konkretisierung der Bestimmtheitsanforderungen gesehen.2 Diese grundsätzliche Übereinstimmung im Theoretischen deckt sich nicht mit der Bewertung der konkreten Substantiierungslasten, die die Rechtsprechung aus dem Maßstab der strukturellen Korrespondenz ableitet. Soweit die Literatur der neueren Rechtsprechung überhaupt zustimmt, ist sie sehr zurückhaltend. Auch dort, wo die Feststellung der Unbestimmtheit als berechtigt und die kommentierten Entscheidungen zumindest im Ergebnis als zutreffend beurteilt werden, wird eindringlich auf die durch das Beweisantizipationsverbot und die individuelle Leistungsfähigkeit des Angeklagten gezogenen Grenzen formaler Antragserfordernisse hingewiesen.3 Daneben finden sich Anmerkungen, die zwar die methodischen Anbindung der formalen Anforderungen an den Katalog des § 244 Abs. 3 StPO als zwingend ansehen, die der Konsequenz einer Einstufung eines entsprechend unsubstantiierten Antrags als Ermittlungsantrag kritisch gegenüber stehen.4 Diesen vorsichtigen Zustimmungen stehen Anmerkungen gegenüber, die in der Übertragung von Darlegungslasten auf den Antragsteller eine dem Strafprozeß fremde, die Angeklagtenseite belastende und damit höchst bedenkliche Modifikation des Beweisantragsrechts erblicken.5 Insbesondere die unter dem Begriff der „Konnexität“ erhobenen Formanforderungen führen nach Ansicht der Kritiker zu einer „völligen Verbiegung“ des Beweisantragsrechts.6 Zur Umgehung des mit erheblichem Argumentationsaufwand 1 So erstmals in der Rechtsprechung BGHSt 37, 162 (165) im Anschluß an KK – Herdegen, (2. A) Rn. 45 zu § 244. 2 Schulz, NStZ 1991, 449; ders., StV 1985, 312; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 39 f., 47 f.; ter Veen, S. 77; Thole, S. 49 ff.; Schatz, S. 353; Widmaier, NStZ 1993, 602; ders., NStZ 1994, 248; Julius, MDR 1989, 116 (117); Hanack, JZ 1971, 561. 3 Widmaier, NStZ 1993, 602 unter Bezugnahme auf Alsberg in FS für Heinitz, 416 (431); ders., NStZ 1994, 248; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 39, 40; Gollwitzer, JR 1991, 472 (473); Basdorf, StV 1995, 310 (316) warnt vor überspitztem Formalismus und betont die Bedeutung der richterlichen Fragepflicht. Julius, Anm. zu OLG Köln StV 1999, 86 (87) hält die Abgrenzungen der neueren Rechtsprechung für vertretbar. 4 Nach Schulz, NStZ 1991, 449 (450) kann darin eine unzulässige Relativierung der Beweistatsache liegen. Siehe dazu unten ausführlicher Teil 2 Kapitel 1 A II. 5 Hamm / Hassemer / Pauly, Rn. 111, 114; Beulke, Rn. 437. 6 Fezer in Festgabe BGH, 847 (872); Sarstedt / Hamm, Rn. 588 ff.; Hamm, StV 1993, 455 (458); Hamm / Hassemer / Pauly, Rn. 114; Herdegen, NStZ 1999, 176 (180, 181); KK – Herdegen, Rn. 48 zu § 244.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

verbundenen Ablehnungsgrundes der Prozeßverschleppungsabsicht würden dem Antragsteller Darlegungslasten auferlegt, die das Gesetz nicht vorsehe.7 Im Ergebnis werde so eine Begründungslast auf den Antragsteller übertragen, die unter Verletzung des eigenständigen Charakters des Beweisantragsrechts zu einer Angleichung des Beweiserhebungsanspruch der Verfahrensbeteiligten an den Maßstab des § 244 Abs. 2 StPO führe.8 Für einzelne antragstypische Fallkonstellationen bedeuteten die erweiterten Formanforderungen daher das „Ende des Beweisantragsrechts überhaupt“.9 Getragen wird diese ablehnende Haltung vor allem von der grundlegenden Überzeugung, daß ein umfassendes Beweisantragsrecht, das durch eine strenge Geltung des Beweisantizipationsverbotes abgesichert wird, ein zwingendes Gebot eines rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens ist. Der über Jahrzehnte in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des BGH unbestrittene Begriff des Beweisantrags und die damit verbundene formale Großzügigkeit gelten als unverzichtbare Voraussetzungen einer effektiven Verfahrensbeteiligung des Angeklagten.10 Damit spiegelt die strenge Kritik, die von Seiten der Strafverteidiger und der rechtswissenschaftlichen Literatur gegenüber formalen Restriktionstendenzen geübt wird, die in der allgemeinen Reformdiskussion verbreitete Haltung wider, jede den Angeklagten belastende Einschränkung von Verteidigungsrechten als rechtsstaatswidrig zu bewerten.11 Die kritische Rezeption der Rechtsprechung in der Literatur zeichnet sich durch eine den status quo der Beteiligtenrechte bewahrende12, an den Prinzipien der materiellen Wahrheitsfindung und dem grundsätzlichen Verbot der Beweisantizipation orientierte Argumentation aus, die gegenläufigen, die Konzentration und Beschleunigung des Strafverfahrens berücksichtigenden Aspekten mit großer Skepsis begegnet.13

B. Kriterien einer eigenen wertenden Stellungnahme Ausgangspunkt der im Rahmen dieser Arbeit vorzunehmenden eigenen wertenden Stellungnahme soll nicht die grundsätzliche Ablehnung beweisantragsrechtliHerdegen, NStZ 1999, 176 (181); Hamm / Hassemer / Pauly Rn. 114. Fezer in FS für Meyer-Goßner, S. 629 (636). 9 Hamm, StV 1993, 455 (458); nach Herdegen, NStZ 1999, 176 (181) wird „dem überkommenen Begriff des Beweisantrags und dem von den positivierten Ablehnungsgründen gewährleisteten Beweisantragsrecht ein Ende (ge)setzt“. 10 Hamm, StV 1993, 455 (456); zusammenfassend: Schatz, S. 289. 11 Bernsmann, ZRP 1994, 331; Bandisch, StV 1994, 158; Strate, StV 1990, 392; Berz, NJW 1982, 734; Herzog, StV 1994, 166 ff.; darstellend Basdorf, StV 1995, 310 und Schatz, S. 258 f. mit weiteren Nachweisen. 12 Jedenfalls für den Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung wird eine Verstärkung der Verteidigungsrechte nicht gefordert: Schatz S. 288. 13 Vgl. beschreibend ter Veen, S. 5, 6. 7 8

3. Kap.: Unterschiedliche Bewertungsansätze

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cher Darlegungslasten sein. Insbesondere sollte konkreten, prozeßökonomisch motivierten Restriktionen des Beweisantragsrechts nicht mit absoluten Forderungen begegnet werden. Die zum Teil gegenüber der Rechtsprechung eingenommene skeptische Haltung der Literatur, die jede Abweichung vom traditionellen Maßstab des beweisantragsrechtlichen Begriffsverständnisses als inakzeptable Einbuße an Verfahrensrechten interpretiert, versperrt den Blick auf konkrete Ausgestaltungen der Darlegungslasten durch die neuere Revisionsrechtsprechung. Die inhaltlich gewichtige Behauptung der Kritiker, daß eine Übertragung von erweiterten Substantiierungen auf den angeklagten Antragsteller und seine Verteidigung mit dem System des Beweisantragsrechtes nicht vereinbar sei, kann nicht allein mit dem Verlust einer jahrzehntelang als gesicherter Bestand des Beweisantragsrechts geltenden formalen Großzügigkeit begründet werden. Ob die Darlegungslasten, die die Rechtsprechung aus dem Postulat der Anwendbarkeit der Ablehnungsgründe ableitet, gegen das Beweisantizipationsverbot verstoßen und ob dadurch die zur Kompensation der Schwächen des inquisitorischen Prozeßmodells notwendige Differenz der Beweiserhebungspflichten nach § 244 Abs. 2 und Abs. 3 StPO aufgehoben wird, ist für jede einzelne der konkreten formalen Anforderungen zu beantworten. Soweit sich bei dieser – in Teil 2 der Arbeit vorzunehmenden – Detailanalyse herausstellt, daß die erhöhten formalen Anforderungen nicht zur Aufhebung eines eigenständigen Beweisantragsrechts, sondern nur zu einer Begrenzung der Partizipationsmöglichkeiten führen, ist zu fragen, ob die formale Einschränkung der Möglichkeiten der Verfahrensbeteiligten, auf den Umfang der Beweisaufnahme Einflußnahme zu nehmen, mit erheblichen Nachteilen für den Antragsteller verbunden ist. Ob durch die Beschränkung der Einflußnahmemöglichkeiten der Verfahrensbeteiligten das vorrangige Verfahrensziel der Wahrheitsfindung beeinträchtigt werden könnte, läßt sich theoretisch nicht beantworten. Die Tatsache, daß keine empirischen Untersuchungsergebnisse14 vorliegen, die den Nachweis erbringen, daß gerade die formale Großzügigkeit der traditionellen Rechtsprechung zu einer weiteren Sachaufklärung beigetragen hat und daß im Vergleich dazu die aus dem Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz entwickelten formalen Anforderungen zu einem Verlust an Wahrheitsermittlung führen, sollte auch Anlaß

14 Die fehlenden empirischen Nachweise können auch nicht durch eine Auswertung der veröffentlichten Entscheidungen und Anmerkungen ersetzt werden, denn diese lassen keine neutrale, verallgemeinerungsfähige Bewertung der Konsequenzen der veränderten Anforderungen aus Sicht der Justizpraktiker und der Rechtswissenschaft zu. Insbesondere bieten die veröffentlichten Anmerkungen keine zuverlässige Grundlage für eine Einschätzung der Folgen der neueren Rechtsprechung für das Beweisantragsrecht. Da es sich – dem Veröffentlichungsinteresse entsprechend – in der Regel um kritische Kommentierungen handelt, vermitteln diese möglicherweise ein Zerrbild der tatsächlichen Bewertung der Rechtsprechung, da das Ausmaß der in der Praxis der Strafverteidigung und der rechtswissenschaftlichen Literatur herrschenden (kritiklosen) Zustimmung nicht dokumentiert ist.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

sein, die Kritik an den erweiterten Substantiierungsanforderungen entsprechend zu relativieren. Für eine Begrenzung der Partizipationsmöglichkeiten könnte die Vermutung sprechen, daß die traditionell großzügige Handhabung der beweisantragsrechtlichen Formanforderungen faktisch weniger den Zugewinn an Wahrheitsermittlung fördert als vielmehr das Druck- und Verhandlungspotential der Verteidigung erweitert und damit der Absprachenpraxis15 zwischen den Parteien dient, was gerade unter dem Aspekt der möglichst umfassenden Ermittlung des wahren Sachverhaltes kritisch zu bewerten ist. Schließlich ist speziell im Hinblick auf den Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz zu bedenken, daß die methodische Begründung der erweiterten Darlegungslast auch die gesetzliche Regelung eines starken Beweisantragsrechts absichern kann. Die Begrenzung der gerichtlichen Ablehnungsbefugnisse durch inhaltlich strenge Anforderungen nach § 244 Abs. 3 StPO gewährleistet die Einflußnahmemöglichkeiten der Verfahrensbeteiligten, birgt aber auch die Gefahr der gerichtlichen Suche nach alternativen, flexibleren Ablehnungsmöglichkeiten. Ein Substantiierungsmaßstab, der auf Darlegung der Anwendungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ausgerichtet ist, macht das vorhandene Ablehnungsrepertoire praktisch anwendbar und reduziert damit möglicherweise das Bedürfnis der Gerichte, auf alternative Strategien zur effizienten Erledigung des Verfahrens zurückzugreifen, die mit intensiveren Eingriffen in die Verfahrensrechte verbunden sein könnten. Des weiteren vermag eine grundsätzliche Ablehnung verfahrensökonomisch motivierter Begrenzungen des beweisantragsrechlichen status quo nicht zu überzeugen. Eine solche Argumentation würde zum einen verkennen, daß die eigenständige Funktion des Beweisantragsrechtes neben der Amtsaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO und die Entwicklung des Beweisantizipationsverbotes in der Rechtsprechung des Reichsgerichts keine gesetzlich vorgegebenen Maßstäbe widerspiegeln, sondern ihrerseits Ergebnis einer Abwägung der gegenläufigen Ziele von Wahrheitsermittlung und Verfahrensökonomie sind. Die durch das Reichsgericht entwickelte Beweisantragssystematik und die über Jahrzehnte kultivierte formale Großzügigkeit der Rechtsprechung im Hinblick auf die beweisantragsrechtliche Bestimmtheit zum unverzichtbaren Bestand des § 244 Abs. 3 StPO zu erklären, verdeckt den Umstand, daß es sich bei diesen richterrechtlichen Konkretisierungen von Verfahrensrechten zunächst – wenn auch um lange tradierte – Abwägungsentscheidungen handelt. Den Höhepunkt einer Entwicklung als unverrückbaren Maßstab jeder weiteren beweisantragsrechtlichen Reform festzuschreiben, versperrt den Blick auf die berechtigte Frage, ob die dem tradierten verfahrensrechtlichen Bestand zugrundeliegenden Abwägungskriterien noch den 15 Herdegen in GS für Meyer, 187 (188). Zum Mißverhältnis zwischen Formvoraussetzungen und gerichtlichen Beweiserhebungspflichten siehe Schatz, S. 353.

3. Kap.: Unterschiedliche Bewertungsansätze

105

gegenwärtigen Bedingungen des Strafprozesses entsprechen. Die Bewertung der Reform des Beweisantragsrechts sollte aber auch den veränderten Umständen, unter denen Strafverfahren gegenwärtig durchgeführt werden und der daran anknüpfenden Legitimität verfahrensökonomischer Interessen Rechnung tragen. Auch in der Literatur wird nicht bestritten, daß sich Tatrichter „in einzelnen Verfahren ganz bestimmter Kriminalitätsbereiche – z. B. terroristischer Kriminalität, organisierte (vor allem Drogen-) Kriminalität und Wirtschaftskriminalität ( . . . ) häufig einer Flut von Beweisanträgen gegenüber sehen, die sie mit dem Instrumentarium des geltenden Rechts kaum mehr bewältigen können“.16 So räumen auch diejenigen, die die erwähnten Mißstände für Randerscheinungen halten, ein, daß in einzelnen Verfahren ein Verteidigungsverhalten zu beobachten ist, daß nur mit dem Begriff der „Sabotage“17 angemessen beschrieben werden kann. So sei der „Telefonbuchzeuge“ keine „böswillige Erfindung“ derer, die an einer Einschränkung des Beweisantragsrechts allein deshalb interessiert sind, weil sie eine „aktive Verteidigung“ verhindern wollten, sondern eine „forensische Erfahrung“.18 Der tatsächliche Umstand, daß in solchen einzelnen Verfahren das Beweisantragsrecht „in der Tat als Mitursache für lange Verfahrensdauer“19 und damit als Belastung der Strafrechtspflege angesehen werden muß, kann auch nicht entgegengehalten werden, daß diese Mißbrauchsfälle bezogen auf die Gesamtheit aller Verfahren nicht ins Gewicht fallen. Daß mehr als 90% aller Strafverfahren problemlos ablaufen20, vermag nicht zu begründen, warum es in den verbleibenden 8% oder 9% der strafprozessualen Verfahren hinzunehmen sein soll, daß Hauptverhandlungen „entweder überhaupt nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten mit einem Urteilsspruch abgeschlossen werden können“.21 Die Ansicht, daß eine Einstellung verfahrensökonomischer Belange in eine strafprozessuale Abwägungsentscheidung und damit ein Einschreiten gegen den Mißbrauch des Beweisantragsrechts erst dann zulässig sei, wenn dieser ein Ausmaß angenommen hat, daß das Funktionieren der Strafrechtspflege insgesamt in Gefahr geraten ist, geht daher zu weit. Bestrebungen nach Mißbrauchsabwehr und damit nach Absicherung der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege sind auch dann ein legitimes Ziel einer Begrenzung der Verfahrensbefugnisse, wenn in rechtsstaatlicher Hinsicht ein „Kollaps der Justiz“ nicht festzustellen ist.22

16 Fezer in Festgabe BGH, 847 (872); Kintzi, DRiZ 1994, 325; Ostendorf, DRiZ 1993, 197; ter Veen, StV 1997, 374 (380); Perron, ZStW 108 (1995), 128 f. 17 Dahs, NJW 1994, 909. 18 Schulz, StV 1991, 354 (361); Herdegen in GS für Meyer, 187 (187, 188, 205). 19 Fezer in Festgabe BGH, 847 (872). 20 Dahs, NJW 1994, 909. 21 Speziell zur Kritik an Dahs, NJW 1994, 909 siehe daher Berg, DRiZ 1994, 380 (381, 382). 22 Schatz, S. 293, 295; Kudlich, S. 170; ter Veen, S. 4, 5.

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1. Teil: Allgemeine Aspekte des Substantiierungsmaßstabs

An diese Feststellung muß sich allerdings die Frage anschließen, ob gerade die Erweiterung formaler Darlegungslasten zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen kann. Auch in diesem Zusammenhang ist auf den Umstand zu verweisen, daß der Entlastungseffekt beweisantragsrechtlicher Beschränkungen bislang nicht überzeugend nachgewiesen ist.23 Gewisse Beschleunigungseffekte sind aber zu vermuten: So ist zum einen anzunehmen, daß die mit einem erhöhten Substantiierungsmaßstab verbundene Einstufung eines Prozeßbegehrens als Beweisermittlungsantrag prozeßökonomisch motiviert ist, so daß jedenfalls aus Sicht der Gerichte eine tatsächliche Verfahrensbeschleunigung zu erwarten ist. Das Risiko einer überflüssigen, lediglich das Verfahren verschleppenden Beweisaufnahme kann durch den Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz verringert werden. Die formale Anforderung, den Antrag hinsichtlich der Relation der Beweisantragselemente zueinander zu präzisieren, erschwert die beliebige Verknüpfung von Beweismittel und Beweistatsache und begrenzt damit die Möglichkeiten, einen Antrag „ins Blaue hinein“ zu formulieren.24 Vermag der Antragsteller dagegen, die geforderte Substantiierung zu erbringen, kann der prozeßökonomische Vorteil darin gesehen werden, daß das Gericht nicht zur freibeweislichen Ermittlung der Prüfungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gezwungen ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die fehlende Substantiierung eines Beweisbegehrens nicht zwangsläufig auf eine verfahrensverzögernde Verteidigungstaktik zurückzuführen sein muß. Die Gewinnung und Darlegung derjenigen Informationen, die für die Anwendbarkeit der Ablehnungsgründe erforderlich sind, kann im Einzelfall auch dem redlichen Antragsteller unmöglich sein, etwa weil ihm Kenntnisse über das Beweismittel fehlen. In diesen Fällen darf das Interesse der Gerichte an einer möglichst effizienten Erledigung des Verfahrens nicht über erweiterte formale Anforderungen umgesetzt werden. Der Grundsatz des fairen Verfahrens25 kann daher den Darlegungslasten des Antragstellers Grenzen setzen und die Aufgabe der Gewinnung der erforderlichen Informationen an das Gericht zurückgeben. Entsprechend der hier erläuterten Bewertungskriterien soll die sachliche Auseinandersetzung mit den revisionsrechtlich geforderten Substantiierungen des Beweisantrags in folgenden Schritten vorgenommen werden: Die konkreten Revisionsentscheidungen sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit die Anforderungen der Rechtsprechung aus den Anwendungsvoraussetzungen der jeweiligen Ablehnungsgründe abgeleitet werden können und – soweit dies zu bejahen ist – ob sie mit der Systematik des Beweisantragsrechts resp. dem Verbot 23 HK – Julius, Rn. 3 zu § 244; Bernsmann, ZRP 1994, 331. Nach ter Veen, StV 1997, 381 besteht zwar ein Zusammenhang zwischen Verfahrensdauer und Beweisantragstellung, aber damit ist noch nicht der Nachweis erbracht, welcher konkrete Entlastungseffekt mit bestimmten formalen Anforderungen verbunden wäre. 24 Siehe unten Teil 2 Kapitel 1 B IV und Teil 2 Kapitel 2 B I, III. 25 Siehe dazu unten Teil 2 Kapitel 1 B III.

3. Kap.: Unterschiedliche Bewertungsansätze

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der Beweisantizipation zu vereinbaren sind. Schließlich ist zu prüfen, ob die unter den genannten Voraussetzungen methodisch notwendigen und mit der Dogmatik des Beweisantragsrechts zu vereinbarenden Darlegungslasten dem Antragsteller auch fairerweise zugemutet werden können.

2. Teil

Die einzelnen Anwendungsbereiche des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz – Darstellung und Bewertung der neueren Rechtsprechung Gegenstand der nachfolgenden Kapitel 1 und 2 ist die Beschreibung und Bewertung derjenigen Anforderungen, die nach Ansicht der neueren Rechtsprechung aus den Anwendungsvoraussetzungen der Ablehnungsgründe der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels abgeleitet werden können. In diesem Zusammenhang sind auch Bedeutung und Reichweite des Begriffs der Konnexität zu erläutern, der sich in der neueren Rechtsprechung als zusammenfassende Beschreibung der Voraussetzungen eines zulässigen Beweisantrages etabliert hat. Aus Gründen der besseren Rekonstruktion der hier zu beschreibenden Rechtsprechungsentwicklung beginnt die nachfolgende Darstellung mit den Anforderungen, die nach Ansicht der neueren Rechtsprechung aus dem Ablehnungsgrund der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgeleitet werden können. Am Beispiel einzelner Antragskonstellationen, die nach Auswertung der neueren Rechtsprechung typischerweise erweiterte Darlegungen des Antragstellers erfordern, soll in Kapitel 3 der Versuch unternommen werden, den mehrdeutigen Begriff der Konnexität auf ein einheitliches Kriterium zurückzuführen. Gleichzeitig soll anhand der als konnexitätstypisch zu beschreibenden Antragskonstellationen der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz den traditionellen Anforderungen an einen formal ordnungsgemäßen Beweisantrag gegenübergestellt werden. Schließlich ist in Kapitel 4 näher auf prozessuale Folgeaspekte einzugehen, die sich daraus ergeben können, daß die Verneinung der Beweisantragsqualität eines Beweisbegehrens erst durch das Revisionsgericht vorgenommen wird.

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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1. Kapitel

Anforderungen an die Substantiierung des Antrags unter dem Aspekt der Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit Die Bescheidungsfähigkeit des Beweisantrages macht unter dem Aspekt der Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit Angaben zur Relation zwischen Beweismittel und Beweistatsache erforderlich.1 Danach ist ein Antrag erst dann hinreichend präzisiert, wenn er eine Information darüber enthält, was Gegenstand der unmittelbaren Wahrnehmung des im Antrag bezeichneten Zeugen sein soll.2 Die besondere Hervorhebung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache entspricht sowohl der praktischen Relevanz3 als auch der besonderen Stellung dieses Ablehnungsgrundes in den Begründungen der nachfolgend zu erläuternden Entscheidungen. Die genauere Prüfung der Korrespondenz zwischen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den von der neueren Rechtsprechung geforderten Darlegungen wird ergeben, daß das Merkmal der Konnexität aber auch als Anwendungsvoraussetzung der Ablehnungsgründe der Wahrunterstellung und der Unerreichbarkeit des Beweismittels von Bedeutung sein kann.

A. Entwicklung der neueren Rechtsprechung Einer Reihe neuerer Entscheidungen des 3., 5. und zuletzt auch des 1. Senats des BGH4 läßt sich die Behauptung entnehmen, daß ein Prozeßbegehren sich nicht auf die Angabe eines (individualisierten) Beweismittels und einer bestimmten Beweisbehauptung beschränken darf, wenn es die Prädikation Beweisantrag für sich beanspruchen will. Vielmehr erfordere die sachgerechte Prüfung des Antrags anhand der gesetzlichen Ablehnungsgründe darüber hinausgehende Angaben zum inneren Zusammenhang, der zwischen dem bezeichneten Beweismittel und der in Rede stehenden Beweisthematik besteht. Gemeinsamer Ausgangspunkt der nachfolgenden Entscheidungen ist die Überlegung, daß die Substantiierung des Beweisantrags bzw. der Beweisbehauptung, nicht nur dazu dient, dem Gericht den Gegenstand der erstrebten Beweisaufnahme, Siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B I und II. Siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B II 2 und die nachfolgende Darstellung von BGHSt 37, 162 (165); 39, 251 (254). 3 Siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B II. 4 BGHSt 37, 162; 39, 251; 40, 3; BGH NStZ 1998, 97; BGHSt 43, 321; BGH NStZ 1999, 522. 1 2

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

d. h. das vom Antragsteller verfolgte Beweisziel zu bezeichnen. Im Hinblick auf den Substantiierungszweck der Bescheidungsfähigkeit des Antrag sei entscheidend, daß das Gericht anhand des Antrag beurteilen könne, ob das benannte Beweisthema zu den tauglichen Beweisgegenständen des angeführten Beweismittels gehört. Eine die Prüfung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO ermöglichende und damit hinreichend bestimmte Beweisbehauptung liegt nach dieser Rechtsprechung erst vor, wenn der Antrag tatsächliche Umstände bezeichnet, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen.5 Die nachfolgend referierten Entscheidungen übertragen unter Berufung auf die für die Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit6 erforderlichen Angaben die Last der Informationsgewinnung und -darlegung auf den Antragsteller und stufen Beweisbegehren, die nach dem Vortrag der Prozeßbeteiligten eine Einordnung des begehrten Beweises in das bisherige Beweisgefüge7 nicht erlauben, als Ermittlungsanträge ein, die allein dem Aufklärungsmaßstab des § 244 Abs. 2 StPO unterworfen sind. Die Darstellung der nachfolgenden Entscheidungen gilt nicht nur der Erörterung von Antragskonstellationen, die (typischerweise)8 die inhaltlichen Prüfungsvoraussetzungen des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit vermissen lassen, sondern dient zugleich der Nachzeichnung einer Entwicklung in der revisionsrechtlichen Argumentation: Der von Widmaier im Rahmen einer Anmerkung9 geprägte Begriff der Konnexität, den der 3. Strafsenat mit seiner Entscheidung in BGHSt 40, 3 zitierte, und der seitdem als Synonym für die Bescheidungsfähigkeit eines Beweisantrages auch von anderen Senaten verwendet wird, zeigt, daß sich der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz in der Rechtsprechung etabliert.

I. Darstellung der einzelnen Entscheidungen Unter ausdrücklicher Berufung auf den Konkretisierungsmaßstab des § 244 Abs. 3 StPO hat erstmals der 3. Strafsenat10 das traditionelle Substantiierungsverständnis einer „Nachprüfung“11 unterzogen. BGHSt 39, 251 (Leitsatz). Die (erweiterten) Substantiierungsanforderungen werden nicht allein aus diesem Ablehnungsgrund abgeleitet. Neben der Betonung anderer beweisthemenbezogener Ablehnungsgründe wie den der Wahrunterstellung wird auch regelmäßig auf die Prüfungsvoraussetzungen der völligen Ungeeignetheit Bezug genommen: BGHSt 37, 162 (165); 39, 251 (254); 40, 3 (6); NStZ 1998, 97. 7 Siehe oben zu den inhaltlichen Prüfungsvoraussetzungen des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit Teil 1 Kapitel 2 B II. 8 Siehe dazu unten Teil 2 Kapitel 3. 9 Widmaier, NStZ 1993, 602, Anmerkung zu BGH NStZ 1993, 550 = BGHSt 39, 251. 10 BGHSt 37, 162 = NStZ 1990, 602 mit Anmerkung Schulz, NStZ 1991, 449; = MDR 1991, 72; = JR 1991, 470 mit Anmerkung Gollwitzer, JR 1991, 472; = StV 1991, 2 = NJW 1991, 435 = wistra 1991, 66 = BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag Nr. 18. 5 6

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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1. Die Entscheidung BGHSt 37, 162 Im Zentrum der konkreten Abgrenzung von Beweis- und Ermittlungsantrag stand dabei die Prüfung, inwieweit das Beweisthema der Glaubwürdigkeit eines Zeugen den begrifflichen Merkmalen des Beweisantrags genügt. Der Entscheidung lag folgender durch das Landgericht als unzulässig abgelehnter Hilfsantrag zugrunde: Für den Fall einer Verurteilung wurde ein Hilfsantrag gestellt, mit dem die Unglaubwürdigkeit des Belastungszeugen H. bewiesen werden sollte. Dazu hatte der Antragsteller die Vernehmung von vier Zeugen beantragt. „Die Zeugen werden bekunden, daß der Zeuge H. schon des öfteren zu Unrecht jemanden belastet hat, und eigene Beobachtungen mitteilen, aus denen man entnehmen kann, daß der Zeuge H. es mit der Wahrheit auch schon früher nicht so genau genommen hat. Sie werden also bekunden können, daß der Zeuge H. nicht glaubwürdig ist“.12 Das Landgericht hatte seine Ablehnung des Hilfsantrags als unzulässig mit der vorangehenden Erklärung aller Verfahrensbeteiligten, auf Zeugenvernehmungen zu verzichten, begründet und führte weiter aus, daß der Antrag darüber hinaus keine Tatsachen angebe, „die dem Gericht als Erkenntnisquelle für die behauptete Unglaubwürdigkeit dienen können“.13 Nach Ansicht des 3. Strafsenats des BGH war die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts durch die landgerichtliche Ablehnung des Hilfsantrages unbegründet.14 Der 3. Senat sieht den konkreten Hilfsantrag, in dem mittels Zeugenbeweises die „Unglaubwürdigkeit“ eines anderen Zeugen unter Beweis gestellt werden soll, nicht als ordnungsgemäßen Beweisantrag an. Der Antragsteller habe keine „hinreichend konkrete Tatsache unter Beweis gestellt“.15 Bei den benannten Beweisthemen („glaubwürdig“, „fälschlicherweise belastet“) handle es sich nicht um „Tatsachen“, sondern letztlich um „Wertungen aus äußeren Umständen und Handlungen, die ihrerseits die einer Beweiserhebung zugänglichen Tatsachen sind“. Nicht die Bewertung, sondern die bewerteten Umstände und Handlungen, die die Beweisperson wahrgenommen habe, „müssen unter Beweis gestellt und im Beweis erkennbar gemacht werden“.16 Wenn aber ein Zeuge dafür benannt werde, daß er „zur Wertung, ein anderer Zeuge sei ,unglaubwürdig‘, Tatsachen anführen kann, dann werden gerade nicht diese Tatsachen unter Beweis gestellt; vielmehr sollen sie durch Befragen des Zeugen erst ermittelt werden“.17 Gollwitzer, JR 1991, 472. BGHSt 37, 162, 163. 13 Siehe das Zitat der Begründung bei BGHSt 37, 162 (163). 14 Ebd. 15 BGHSt 37, 162 (163). 16 BGHSt 37, 162 (164) mit Verweis auf BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 85, 205 f.; BGHR StPO § 244 Beweisantrag Nr. 4 und 13 (ähnlich). 17 BGHSt 37, 162 (165). 11 12

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

In Auseinandersetzung mit der älteren Rechtsprechung18 stellt der 3. Senat heraus, daß nach der Regelung des Beweisantragsrechts eine Beweisthemenangabe, die dem Gericht erlaube, „den Zeugen anhand der Behauptung sachgerecht zu vernehmen“, nicht ausreichend sei.19 Im Hinblick auf die „Beschränkung der Ablehnungsgründe in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO“ seien auf bestimmten Tatsachen beruhende Wertungen „zur Behandlung als Beweistatsache oft ungeeignet“. Zur Begründung dieser Präzisierungsanforderung führt der 3. Senat im Anschluß an Herdegen aus, daß auf „vage formulierte Beweisthemen die Ablehnungsgründe des § 244 StPO kaum exakt und sinnvoll angewendet werden“ können. Eine Wahrunterstellung der Bewertung des Zeugen als unglaubwürdig sei ebenso wenig möglich wie die Annahme, eine solche Wertung sei für die Entscheidung ohne Bedeutung, solange die zur gerichtlichen Würdigung erforderlichen Tatsachen fehlten.20

2. Die Entscheidung BGHSt 39, 251 Der 5. Strafsenat hat in einem Urteil vom 6. Juli 1993 ebenfalls den Ermittlungscharakter eines Antrags damit begründet, daß die im Prozeßbegehren enthaltenen Angaben für die sachgerechte Anwendung der gesetzlichen Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO unzureichend seien.21 Ausgangspunkt der Überlegungen des Gerichts ist auch hier die Feststellung, daß der Zeugenbeweisantrag aufgrund des persönlichen Charakters des Beweismittels eine Einschränkung hinsichtlich der diesem Beweismittel zugänglichen Tatsachen erfahre.22 Da ein Beweisantrag zum einen bestimmte Tatsachen bezeichnen müsse, zum anderen die Beweistatsachen dem Beweismittel zugänglich sein müßten, der Zeuge aber nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden könnte, „könnten Gegenstand des Zeugenbeweises nur solche Umstände oder Geschehnisse sein, die mit dem Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen“.23 Der Entscheidung lag die Rüge der prozessualen Behandlung zweier Beweisanträge zugrunde: Der Verteidiger hatte in der Hauptverhandlung beantragt, „zum Beweis der Tatsache, daß der Angeklagte mit den Mitangeklagten S. und P. am 18 BGHSt 37, 162 (164 / 165). Zur ausführlicheren Darstellung der traditionellen Anforderungen an die Bestimmtheit wertender Beweisthemenangaben siehe unten Teil 2 Kapitel 3 B II 3. 19 BGHSt 37, 162 (165). 20 BGHSt 37, 162 (165, 168); siehe KK – Herdegen, (2. A.) Rn. 45 zu § 244. 21 BGHSt 39, 251 = NJW 1993, 2881 = NStZ 1993, 505 mit zustimmender Anmerkung Widmaier, NStZ 1993, 602 = StV 1993, 454 mit kritischer Anmerkung Hamm = BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag Nr. 26. 22 BGHSt 39, 251 (253) mit Hinweis auf Alsberg / Nüse / Meyer, S. 190. Siehe auch BGHSt 22, 347 (348) und BGHGrSSt. 32, 115 (127); KK – Senge, Rn. 1 vor § 48; Herdegen in FS für Boujong, S. 777 (786 ff.). 23 BGHSt 39, 251 (253).

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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Abend des 29. 12. 1990 keine Absprachen in bezug auf die Begehung strafbarer Handlungen ( . . . ) getroffen hat, die Zeugen A., G. und Sch. zu hören“. Des weiteren hatte die Verteidigung „zum Beweis der Tatsache, daß sich der Angeklagte in der Nacht vom 29. auf den 30. 12. 1990 nicht in der Gaststätte ,F.‘ aufgehalten und dort die Mitangeklagten S. und P. getroffen hat“, die Zeugin W. benannt.24 Auf die Ablehnung dieser Anträge durch die Strafkammer mit der Begründung, daß die Zeugen A., G. und W. völlig ungeeignete Beweismittel seien, ging der 5. Senat nicht näher ein, da nach seiner Ansicht alle Anträge keine Beweisanträge, sondern nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandelnde Anträge auf weitere Beweiserhebung darstellten.25 Die Begründung des Urteils beschränkt sich im wesentlichen auf folgende Grundaussagen: Bezeichne der Antragsteller das Beweisthema in der Weise, daß er nur eine wertende Verkürzung eines Sachverhalts angebe – etwa in Form der Bezeichnung einer Sachverhaltsnegation –, so bezeichne er damit nicht die der Schlußfolgerung zugrundeliegenden Tatsachen, sondern nur sein Beweisziel. Werde die Negation einer Tatsache, d. h. die Nichtexistenz eines tatsächlichen Geschehens, unter Beweis gestellt, ohne daß gleichzeitig eine das Beweisziel belegende beweisfähige Tatsachenbasis angegeben werde, so sei das Beweisbegehren zu unbestimmt. Sei es im Hinblick auf den durch den begehrten Zeugenbeweis erhofften Beweisgewinn notwendig, „aus den Wahrnehmungen des Zeugen (Beweistatsache) auf ein bestimmtes weiteres Geschehen (Beweisziel)“ zu schließen, dann sei „nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises“.26 Während das Gericht die Schlüsse aus den Wahrnehmungen des Zeugen zu ziehen habe, die möglicherweise dem Beweisziel des Antragstellers entsprechen, habe der Antragsteller dem Gericht eine Tatsachenbasis mitzuteilen, die dem Gericht erlaube, einen Sachverhalt daraufhin zu untersuchen, ob die im Beweisziel formulierte, vom Antragsteller erhoffte Schlußfolgerung gerechtfertigt erscheint.27 Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergab nach Ansicht des 5. Senats, daß es sich in beiden Fällen nicht um Beweisanträge handle, da in keinem der Anträge angegeben werde, „was Gegenstand der Wahrnehmungen und Bekundungen der jeweiligen Zeugen sein soll“. Die Notwendigkeit einer solchen Trennung zwischen Beweistatsache im Sinne des Zeugenbeweisantrages und einer Beweiszielangabe, die nicht erkennen läßt, welche Tatsachen der Schlußfolgerung zugrunde liegen, ergebe sich aus dem Erfordernis, „daß die Beweisbehauptung einer exakten und sinnvollen Anwendung BGHSt 39, 251 (252). BGHSt 39, 251 (252, 253): Den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Sch. hatte auch die Strafkammer als Beweisermittlungsantrag behandelt. 26 BGHSt 39, 251 (253), Klammervermerke und Hervorhebungen sind im Urteilstext nicht enthalten. 27 BGHSt 39, 251 (253 / 254). 24 25

8 Tenorth-Sperschneider

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 zugänglich sein“ müsse.28 Die bereits in BGHSt 37,162 am Beispiel des Beweisthemas der Unglaubwürdigkeit des Zeugen herausgearbeitete Erkenntnis, daß mit Blick auf den Katalog des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO die Angabe einer schlußfolgernden Beweisbehauptung einen Hinweis auf die der Schlußfolgerung zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände nicht ersetzen könne, gelte „in besonderem Maße, wenn der Antragsteller behauptet, daß bestimmte Ereignisse nicht stattgefunden hätten“.29 Denn der Zeuge werde „nur selten die behauptete Negativtatsache bekunden können. Vielmehr wird der Zeuge meist nur angeben können, bestimmte Geschehnisse wahrgenommen oder nicht wahrgenommen zu haben, wobei erst diese Bekundungen auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses möglicherweise den Schluß erlauben, ob ein bestimmtes Ereignis stattgefunden oder nicht stattgefunden hat“.30

3. Die Entscheidung BGHSt 40, 3 Der 3. Senat knüpft in einem obiter dictum in seinem Urteil vom 8. Dezember 1993 ausdrücklich an die vorangehenden Entscheidungen an, indem er betont, daß Gegenstand einer hinreichend bestimmten Zeugenbeweisantrages nur solche Umstände oder Geschehnisse sein können, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen.31 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt und entsprechender Antrag zugrunde: Das Landgericht hatte die Angeklagten Fe. und Fa. G. wegen versuchten Totschlags zum Nachteil des Nebenklägers D. verurteilt. Der Nebenkläger D. erstrebte nun mit der Revision eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Die im Rahmen der Revisionsbegründung durch den Beschwerdeführer gerügte Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO betrachtete der Senat bereits als unzulässig. Die Rüge entsprach nicht den spezifisch revisionsrechtlichen Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, da sie die den Mangel enthaltenden Tatsachen nicht so vollständig und so genau angegeben habe, daß das Revisionsgericht hätte prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorgelegen habe.32 Der dritte Senat führt aus, daß die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers darüber hinaus auch als unbegründet anzusehen seien, da es sich bei dem vorgebrachten Prozeßbegehren „nicht um einen nach § 244 Abs. 3 StPO zu bescheidenden Beweisantrag“ gehandelt hätte.33 Da Gegenstand eines nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zu bescheidenden Beweisantrages auf Verneh-

BGHSt 39, 251 (254). BGHSt 39, 251 (254). 30 BGHSt 39, 251 (254). 31 BGHSt 40, 3 (6) = NJW 1994, 1294 = NStZ 1994, 248 mit Anmerkung Widmaier = StV 1994, 169 mit Anmerkung Strate = JR 1994, 288 mit Anmerkung Wohlers. 32 BGHSt 40, 3 (5) mit Verweis auf BGHSt 3, 213 (214). 33 BGHSt 40, 3 (6). 28 29

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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mung eines Zeugen nur solche Umstände oder Geschehnisse sein können, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen, handle es sich im konkreten Fall nur um einen Ermittlungsantrag: Der Antrag, der die drei Zeugen A. Y., C. B. und S. Y. dafür bezeichne, daß „die Familie G. ( . . . ) mindestens 10.000 DM von D. verlangt hat“, und zur Verhinderung, daß ein Mitglied der Familie D. umgebracht werde, „auch erhalten hat“, lasse zum einen nicht erkennen, „welche bestimmten Tatsachen welcher der drei Zeugen ( . . . ) selbst wahrgenommen hat, was also zum Nachweis über den versuchten Totschlag hinaus für die Verwirklichung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe konkret ( . . . ) unter Beweis gestellt sein soll“. Zum anderen lasse der Antrag des Nebenklägers offen, ob einer oder mehrere Zeugen „unmittelbar bei einem oder beiden Komplexen zugegen waren und dabei nicht näher gekennzeichnete Wahrnehmungen gemacht haben“ – somit also als Augenzeugen des zu beweisenden Geschehens bezeichnet seien –, oder ob die Zeugen „von dritter Seite“ als Zeugen vom Hörensagen „über einen oder beide Komplexe informiert wurden“. Diese fehlenden Angaben zur Relation zwischen Beweismittel und Beweistatsache schließe die Bescheidungsfähigkeit des Antrags aus. Denn ohne Angaben darüber, was durch die benannten Zeugen konkret bekundet werden solle, könne das Gericht nicht prüfen, ob die begehrte Beweiserhebung „für die Überzeugungsbildung von allenfalls geringerem Beweiswert“34 wäre. In Anlehnung an die (zustimmende) Kommentierung der zeitlich vorangehenden Entscheidung des 5. Senats durch Widmaier35 formuliert der 3. Senat: „Ein Beweisantrag liegt nicht vor, wenn ein Konnex zwischen Beweistatsache und Beweismitteln nicht erkennbar ist, so daß das Gericht die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels nicht sinnvoll zu prüfen vermag“.36

4. Die Entscheidung BGH NStZ 1998, 97 Auch das Urteil des 5. Senats vom 23. 10. 1997 ist der Gruppe jener Entscheidungen zuzuordnen, die aus den inhaltlichen Prüfungsanforderungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO eine Substantiierung des Zeugenbeweisantrages ableiten, die erkennen lassen muß, was der im Beweisantrag benannte Zeuge selbst unmittelbar wahrgenommen hat.37 BGHSt 40, 3 (6). Widmaier, NStZ 1993, 602 f.; Anmerkung zu BGH NStZ 1993, 550 = BGHSt 39, 251. Ausführlich zum Begriff der Konnexität siehe unten Teil 2 Kapitel 1 A II und Kapitel 2 A II. 36 BGHSt 40, 3 (6) (Hervorhebung d. Verf.). Widmaier hatte noch vorsichtiger formuliert: Der Entscheidung des 5. Strafsenats sei grundsätzlich darin zu folgen, „daß ein Beweisantrag nicht vorliegt, wenn keinerlei Konnex zwischen Beweistatsache und Beweismittel vorliegt, so daß das Gericht die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache oder der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels nicht einmal in Umrisse zu prüfen vermag.“ (Unterstreichung d. Verf.) 37 BGH NStZ 1998, 97 = StV 1998, 61. 34 35

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Der Angeklagte, den das Landgericht wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt hatte, rügt die prozeßrechtswidrige Behandlung eines Beweisantrages. Der Verteidiger hatte den Hilfsbeweisantrag gestellt, den Zeugen B. vom LKA Hamburg zum Beweis der Tatsachenbehauptung zu vernehmen, daß der Hauptbelastungszeuge E. „in der Zeit Dezember 1994, Januar, Februar 1995 Freigänger der JVA war“ und sich in dieser Zeit „der Polizei selbst als Zeuge angedient hat und man ihm nur dann Zusicherungen hinsichtlich der Aufhebung der Sicherungsverwahrung gegeben hat, wenn er ,Ermittlungserfolge‘ im Milieu“ erziele. Die Strafkammer des Landgerichts hatte den Hilfsbeweisantrag mit der Begründung abgelehnt, daß der Zeuge ein völlig ungeeignetes Beweismittel sei, da die „Entlassung aus der Sicherungsverwahrung nicht durch die Polizei erfolge und durch Ermittlungserfolge im Milieu nicht zu beeinflussen sei“.38 Zwar schließt sich der 5. Senat des BGH dieser Ablehnungsbegründung nicht an, da sie „in keinem sinnentsprechenden Zusammenhang mit dem Antrag“ stehe39, hält aber dennoch die Verfahrensrüge für unbegründet, da die Behandlung dieses Antrags durch das Landgericht den Bestand des Urteils letztlich nicht gefährde. Die sachlich nicht begründete Ablehnung durch das Landgericht sei im Hinblick auf eine fehlerhafte Behandlung des Hilfsbeweisantrages „unerheblich“, da es sich „bei dem als Hilfsbeweisantrag bezeichneten Antrag in Wirklichkeit nicht um einen Beweisantrag“ handle.40 Die Beweisantragsqualität sei dem Vorbringen des Verteidigers nach Ansicht des 5. Senats abzusprechen, da eine Darlegung des „spezifischen Beweismittel und Beweistatsache verbindenden Zusammenhangs“ fehle. Insbesondere sei nicht erkennbar, woher der benannte Zeuge sein Wissen beziehe: „Ob der Zeuge B. die behaupteten Zusagen selbst erteilt hat, ob er wahrgenommen hat, daß solche Zusagen erteilt worden sind oder ob er vom Hörensagen davon erfahren hat, ist nach dem Antrag schon offen“. Der Antrag lasse nicht erkennen, „weshalb“ der Zeuge „überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll“.41 Unter Bezugnahme auf den von Widmaier geprägten Begriff der Konnexität und die vorangegangene Entscheidung des 3. Senats42 formuliert der 5. Senat in verallgemeinernder Weise: „Ein Beweisantrag liegt deswegen nicht vor, weil nicht erkennbar ist, welcher Konnex zwischen Beweismittel und Beweistatsache besteht, so daß das Gericht den hier in Frage kommenden Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels nicht sinnvoll zu prüfen vermag“.43 Siehe die Wiedergabe der Ablehnungsbegründung bei BGH NStZ 1998, 97. Da Zusicherungen durch die Polizei behauptet wurden, die auch bei deren Unzuständigkeit für Zusicherungen der behaupteten Art den Belastungszeugen E. beeinflußt haben konnten, den Angeklagten durch Falschangaben zu belasten, um Aufklärungserfolge vorzutäuschen: BGH NStZ 1998, 97. 40 Zu dieser speziellen prozessualen Folgeproblematik siehe unten Teil 2 Kapitel 4. 41 BGH NStZ 1998, 97 mit Hinweis auf BGHSt 39, 251. 42 BGHSt 40, 3 (6) siehe oben. 38 39

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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II. Konnexität (im engeren Sinn) als Ausdruck der Relativierung des Beweistatsachenbegriffs Grundaussage der vorangehenden Entscheidungen ist die Feststellung, daß die (sinnvolle) Anwendung des Ablehnungskataloges des § 244 Abs. 3 StPO auf einen Zeugenbeweisantrag eine Substantiierung voraussetzt, die erkennen läßt, was der Zeuge selbst unmittelbar wahrgenommen hat. Damit führt die Anwendung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz (im Rahmen dieser Entscheidungen) zur Relativierung des Definitionsmerkmals der Beweistatsache.44 Hinreichend bestimmt ist eine Beweistatsache nach der referierten Rechtsprechung nur dann, wenn sie zu den tauglichen Beweisgegenständen des im Antrag bezeichneten Beweismittels gehört, so daß der Begriff der Beweistatsache von dem jeweils benannten Beweismittel abhängt. Ist die Beziehung zwischen den Beweisantragselementen so ausgestaltet, daß das im Antrag angegebene Beweismittel (hier: der Zeuge) die im Antrag bezeichnete Beweisbehauptung selbst unmittelbar wahrgenommen hat, dann ist diese Beweisbehauptung in Relation zu diesem Beweismittel, d. h. in Relation zu diesem Zeugen eine Beweistatsache im engeren Sinn, d. h. eine dem Zeugenbeweis zugängliche Beweistatsache.45 Diese Relativierung des Beweistatsachenbegriffs führt dazu, daß im Rahmen des Zeugenbeweisantrages reine Wertungen sowie die Behauptung der Nichtexistenz bestimmter Vorgänge den Anforderungen an die Bestimmtheit der Beweistatsache nicht genügen, da die Unglaubwürdigkeit eines Zeugen oder die Abwesenheit einer Person an einem bestimmten Ort nichts ist, was als solches Gegenstand einer unmittelbaren Wahrnehmung sein kann und daher dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist.46 Die Differenz zwischen einer Beweistatsache als Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen und unbestimmten Beweisbehauptungen wird in der Rechtsprechung begrifflich deutlich gemacht: So unterscheidet der 3. Senat in BGHSt 37, 162 zwischen den von der Beweisperson wahrgenommenen Tatsachen und Wertungen oder „schlagwortartige Verkürzungen“, bei denen es sich nicht um „Tatsachen“ im engeren Sinn, sondern nur um „vage formulierte Beweisthemen“ handle.47 Nach der Entscheidung des 5. Senats in BGHSt 39, 251 dient der Begriff des Beweisziels der Abgrenzung zu der im Sinn des Zeugenbeweisantrags hinreichend bestimmten Tatsache. Die Relativierung des Definitionsmerkmals der Beweistatsache dient aber nicht dazu, den bestimmten Zeugenbeweisantrag auf Beweisthemen zu beschränken, die 43 44

BGH NStZ 1998, 97. Schulz NStZ 1991, 449 (450) in der Anmerkung zu BGH NStZ 1990, 602 = BGHSt 37,

162. BGHSt 39, 251 (253). BGHSt 37, 162 (165) und BGHSt 39, 251 (255). Siehe dazu Schulz, NStZ 1991, 449 (450). Zur Kritik von Schulz an der Relativierung des Definitionsmerkmals der Beweistatsache siehe unten Teil 2 Kapitel 1 B II. 47 BGHSt 37, 162 (164, 165) (Hervorh. d. Verf.). 45 46

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

grundsätzlich einer unmittelbaren Wahrnehmung zugänglich sind, sondern zielt vielmehr auf die Information über den zu erwartenden Beweisgewinn ab, der sich aus der konkreten Relation der Beweisantragselemente zueinander ablesen läßt: Wird zum Beispiel zum Beweis der Tatsache, daß A. den B. mit einem Messer erstochen hat, der Zeuge C. benannt, der diesen Vorgang unmittelbar wahrgenommen hat, so ist im Rahmen dieses Beweisantrages der Stich mit dem Messer bzw. die Tötung des B. durch A. eine unmittelbare Wahrnehmung des C., und somit ist diese Beweisbehauptung im Verhältnis zum Zeugen C. eine Beweistatsache im Sinne des Zeugenbeweises. Ist die Beziehung zwischen dem im Antrag bezeichneten Zeugen und der im Antrag bezeichneten Beweisbehauptung dagegen so ausgestaltet, daß der Zeuge diese Tatsache nur mittelbar wahrgenommen hat, so ist diese Beweisbehauptung im Verhältnis zu diesem Zeugen keine Beweistatsache im engeren Sinn des Zeugenbeweisantrags. Wird also zum Beweis der Tatsache, daß A. den B. mit einem Messer erstochen hat, der Zeuge D. benannt, dem C. von diesem Vorgang erzählt hat, ist im Rahmen dieses konkreten Antrags die Tötung des B. durch A. in bezug auf den Zeugen D. keine unmittelbar wahrgenommene Tatsache, da D. nur durch die Erzählung des C. von der Tötung des B. Kenntnis erlangt hat, diese also nur mittelbar wahrgenommen hat. Im Verhältnis zum Zeugen D. ist die Tötung des B. somit nur eine Beweisbehauptung im weiteren Sinn, d. h die durch das Gericht zu ziehende Schlußfolgerung bzw. die Angabe des Beweisziels des Antragstellers. Im Verhältnis zum Zeugen D. ist die Erzählung des Zeugen C. eine Tatsache im engeren Sinne des Zeugenbeweisantrages, da er diese unmittelbar wahrgenommen, nämlich gehört hat. Diese unmittelbare Wahrnehmung des D. steht zu dem Beweisziel des Antragstellers, die Tötung des B. durch A. zu beweisen, im Verhältnis einer durch D. unmittelbar wahrgenommenen Indiztatsache. Daß die von D. unmittelbar wahrgenommene Tatsache im Hinblick auf das Beweisziel des Antragstellers nur ein Indiz liefert, muß dem Antrag, der eine Vernehmung des D. begehrt, zu entnehmen sein.48 Die durch den 3. und 5. Senat als Ermittlungsanträge eingestuften Beweisbegehren ließen eine solche Relation zwischen dem im Antrag bezeichneten Beweisziel und Beweismittel nicht erkennen. Aufgrund welcher von den Beweispersonen wahrgenommenen Umstände diese die Beurteilung des Zeugen als unglaubwürdig schlußfolgerten, war für den 3. Senat nicht zu erkennen.49 Ebensowenig ließ der Antrag, die Zeugin W. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, daß sich der Angeklagte nicht in der Gaststätte F. aufgehalten hat, erkennen, in welchem Verhältnis die Zeugin zu dem bezeichneten Beweisthema stand: Es blieb offen, ob die in das Wissen der Zeugin gestellte Abwesenheit des Angeklagten in der Gaststätte F. auf eine unmittelbare Wahrnehmung der Zeugin zurückzuführen war, etwa weil „der Angeklagte sich zur fraglichen Zeit mit ihr in der T-Bar aufgehalten“50 hat, oder 48 Widmaier, NStZ 1993, 602 (603): Der Antrag muß angeben, was der Zeuge unmittelbar wahrgenommen hat und darf nicht unter Weglassung eines schlußfolgernden Zwischenschritts den Zeugen unmittelbar für das Ergebnis einer Schlußfolgerung benennen. 49 BGHSt 37, 162 (164).

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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ob sie „zur fraglichen Zeit in der Diskothek ,F.‘ war und dort den ihr bekannten Angeklagten nicht gesehen hat“.51 Auch der zweite in Frage stehende Antrag „zum Beweis der Tatsache, daß der Angeklagte mit den Mitangeklagten S. und P. am Abend des 29. 12. 1990 in dem Imbiß ,R.‘ keine Absprachen in bezug auf die Begehung strafbarer Handlungen ( . . . ) getroffen hat, die Zeugen A., G. und Sch. zu hören“, ließ nicht erkennen, ob die Zeugen zu den im Antrag bezeichneten Beweisthema im Verhältnis einer unmittelbaren oder mittelbaren Wahrnehmung standen. Die Entscheidungsgründe der sich anschließenden Urteile des 3. und 5. Senats fassen diese Substantiierungsanforderungen unter dem Stichwort des zwischen Beweismittel und Beweistatsache bestehenden Konnexes zusammen. Die knappe Stellungnahme des obiter dictum des 3. Senats vom 8. 12. 1993 begründet die Unbestimmtheit der ihm vorliegenden Beweisbegehren damit, daß die Anträge nicht erkennen lassen, „welche bestimmten Tatsachen welcher der drei Zeugen ( . . . ) selbst wahrgenommen hat, was also konkret ( . . . ) unter Beweis gestellt sein soll“.52 Da es sowohl denkbar sei, daß die Zeugen „unmittelbar“ bei dem fraglichen Geschehen „zugegen waren und dabei nicht näher gekennzeichnete Wahrnehmungen gemacht haben“, als auch in Betracht komme, daß die Zeugen „von dritter Seite ( . . . ) informiert wurden“, sei ein „Konnex zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht erkennbar“.53 Damit verlangt der 3. Senat keine über die Bezeichnung der unmittelbaren Wahrnehmung hinausgehende Konkretisierung des Antrags. Auch die Begründung des 5. Senats vom 23. 10. 1997 läßt eine entsprechende Interpretation des Konnexitätskriteriums zu: Der Antrag, so das Gericht, werde dem Konnexitätserfordernis nicht gerecht, da er nicht angebe, in welcher Beziehung der benannte Zeuge B. zu den im Antrag behaupteten Zusicherungen steht. Da der Antrag offenläßt, ob B. diese Zusicherungen „selbst erteilt hat, ob er wahrgenommen hat, daß solche Zusagen erteilt worden sind oder ob er vom Hörensagen davon erfahren hat“, kann nicht beurteilt werden, ob diese Behauptung in Relation zum Zeugen B. eine Beweistatsache im engeren Sinn des Zeugenbeweisantrags ist, oder ob dieser Zeuge nur eine Indiztatsache für diese Zusicherungen bekunden wird. Der Antragszusatz, daß der Zeuge B. ein Mitarbeiter des LKA ist, könne auch bei einer Auslegung des Antrags keinen ausreichenden Hinweis darauf geben, was der Zeuge B. im Zusammenhang mit den fraglichen Zusicherungen selbst unmittelbar wahrgenommen habe.54 BGHSt 39, 251 (256). BGHSt 39, 251 (255). 52 BGHSt 40, 3 (6). Der 3. Senat verzichtet hier allerdings darauf, die bestimmte Beweistatsache im Sinne des Zeugenbeweisantrages begrifflich von einer unbestimmten Beweisbehauptung abzugrenzen. 53 BGHSt 40, 3 (6). 54 So auch BGH NStZ 1998, 97. 50 51

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Mißverständlich ist daher die ergänzende Formulierung des 5. Senats, wonach der Antrag zu unbestimmt ist, weil er nicht erkennen läßt „weshalb“ der Zeuge „überhaupt etwas zum Beweisthema bekunden können soll“.55 Mit dieser Begründung würde der 5. Senat über das hier dargelegte Substantiierungsverständnis hinausgehende Angaben verlangen, wenn diese Formulierung so zu verstehen wäre, daß der Antragsteller anzugeben habe, weshalb der Zeuge eine im Beweisantrag als Beweistatsache ausgewiesene unmittelbare Wahrnehmung machen konnte. Diese Interpretation wird aber weder den Entscheidungsgründen noch der konkreten Formulierung des 5. Senats gerecht: Zum einen vermißt der 5. Senat, wie bereits dargelegt, die Angabe, ob der „Zeuge B die behaupteten Zusagen selbst erteilt hat, ob er wahrgenommen hat, daß solche Zusagen erteilt worden sind oder ob er vom Hörensagen davon erfahren hat“, somit also Angaben darüber, ob der Zeuge die im Antrag behaupteten Zusicherungen selbst unmittelbar oder nur mittelbar wahrgenommen hat. Da die Relation zwischen dem Zeugen und den behaupteten Zusicherungen überhaupt nicht erkennbar ist, ist offen, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zum Beweisthema bekunden kann. Der Begriff des Beweisthemas bezieht sich hier auf die behaupteten Zusicherungen im allgemeinen und nicht auf die – dem 5. Senat ja gerade unbekannten – unmittelbaren Wahrnehmungen des Zeugen B. Wie bereits in der vorangehenden Entscheidung des 3. Senats56 dient der Begriff des Beweisthemas der Beschreibung vager formulierter Angaben des Antragstellers und somit der Abgrenzung zur bestimmten Beweistatsache (im Sinne des Zeugenbeweisantrages).57 In der Sache beschreibt das Konnexitätserfordernis damit eine auf das jeweilige Beweismittel hin konkretisierte Beweisbehauptung. Die dadurch bedingte Relativierung der Beweistatsache ist möglicherweise mit einem zwischen58 Beweistatsache und Beweismittel bestehenden Konnex ungenau beschrieben. Denn der Hinweis auf das Wahrnehmungsverhältnis zwischen Zeuge und Beweistatsache dient nicht als von diesen Begriffselementen unabhängiges formales Kriterium des Antrags im weiteren Sinn, sondern vielmehr der Konkretisierung der Beweistatsache als solcher. Indem der Antragsteller auf das Wahrnehmungsverhältnis hinweist, präzisiert er den Gegenstand seines Prozeßbegehrens.59 Erst die Information darüber, was der Zeuge im Kern bekunden soll, führt nach der Ansicht der hier zitierten Rechtsprechung zur hinreichenden Konkretisierung der Beweistatsache.60 Die BGH NStZ 1998, 97 (Hervorh. d. Verf.). BGHSt 37, 162 (165). 57 Weiterhin wird diese Auslegung des Urteils dadurch gestützt, daß sich der 5. Senat in seiner Begründung (NStZ 1998, 97) ausdrücklich auf die dieser Interpretation vergleichbaren Anforderungen des 3. Senats in BGHSt 40, 3 (6) bezieht. 58 Widmaier, NStZ 1993, 602; BGHSt 40, 3 (6); BGH NStZ 1998, 97. 59 BGHSt 39, 251 (254 a. E., 255): „In keinem der Anträge ist angegeben was Gegenstand der Wahrnehmung und der Behauptung der jeweiligen Zeugen sein soll“. 60 BGHSt 39, 251 diskutiert das Erfordernis der Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen unter der Frage nach den an die Konkretisierung der Beweistatsache zu stellen55 56

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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Begriffe der Wertung, der Schlußfolgerung, des Beweisziels und des Beweisthemas stehen hingegen für eine Beweisbehauptung, die den Gegenstand des Beweises nicht anzugeben vermag, da die Beziehung des Zeugen zur Beweisbehauptung offenbleibt.61 Der Begriff der Konnexität (oder des Konnexes) wird in den zitierten Entscheidungen als formelhafte Verkürzung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz verwendet. Damit steht der Begriff als Synonym für die Bescheidungsfähigkeit des Antrags, und zwar sowohl im Hinblick auf die Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit als auch der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels.62 Wie bereits im vorangehenden Kapitel ausgeführt63, setzt die inhaltliche Prüfung der faktischen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache aber einen anderen Informationsgehalt über die Relation zwischen Beweismittel und Beweistatsache voraus, als der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels. Ein Konnexitätsverständnis, das sich – wie hier ausgeführt – auf die Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung des im Antrag bezeichneten Beweisperson beschränkt und sich damit vor allem auf die Prüfbarkeit des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit bezieht, soll in der Folge als Konnexität im engeren Sinn64 bezeichnet werden.65

III. Strukturelle Notwendigkeit der Konnexität im engeren Sinn Die weitergehende Konkretisierung des Beweisantrags durch die Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung des im Antrag bezeichneten Zeugen (Konnexität im engeren Sinn) hat für das Gericht einen entscheidenden Gewinn: Diese Information über den Gegenstand des Beweises ermöglicht eine Einschätzung des zu erwartenden Ergebnisses der Beweisaufnahme und damit eine Bewertung des Stellenwertes der begehrten Beweiserhebung im Rahmen des bisherigen Beweisgefüges.

den Anforderungen. Siehe auch Widmaier, NStZ 1993, 602 (603) und ausdrücklich Beschluß des 4. Senats vom 18. 1. 1996 NStZ 1996, 27. 61 BGHSt 39, 251 (253, 254, 255). 62 BGHSt 37, 162 (165); 39, 251 (254); BGHSt 40, 3 (6). 63 Siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B II 2. 64 Zur begrifflichen Unterscheidung siehe Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (636). Diese Unterscheidung dient bei Fezer vor allem der differenzierten Beschreibung einer Rechtsprechungsentwicklung von der Konnexität im engeren Sinn hin zur Konnexität im weiteren Sinn. Eine Trennung im Hinblick auf die Bescheidungsfähigkeit unterschiedlicher Ablehnungsgründe nimmt Fezer nicht vor, da er sowohl der Konnexität im engeren als auch im weiteren Sinn eine strukturelle Korrespondenz abstreitet (S. 637 ebd.). 65 Zur Abgrenzung der beiden Konnexitätsbegriffe siehe auch unten Teil 2 Kapitel 2 A II.

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

1. Konnexität im engeren Sinn als Prüfungsvoraussetzung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit Soweit nach der vorherrschenden Interpretation des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO davon auszugehen ist, daß das Gericht berechtigt ist, seine Überzeugung von der Relevanz einer Indiztatsache auf der Grundlage einer retrospektiven Zwischenbeweiswürdigung zu bilden66, setzt die inhaltliche Prüfung dieses Zurückweisungsgrundes eine Einordnung des beantragten Beweises in den Zusammenhang der bislang erhobenen Beweise voraus.67 Wie Widmaier in seiner (zustimmenden) Anmerkung zur Entscheidung des 5. Senats im 39. Band zutreffend an zahlreichen Beispielen beschreibt, verschafft der Informationsgehalt der Konnexität im engeren Sinn dem Gericht Klarheit darüber, in welcher Beziehung die Beweisbehauptung zur letztlich erheblichen Haupttatsache steht.68 Als Voraussetzung einer sachgerechten Zwischenbeweiswürdigung ist die Konnexität im engeren Sinn damit für die Bescheidungsfähigkeit des Antrags strukturell notwendig: Klärt der Antrag das Gericht darüber auf, ob der Zeuge das im Antrag bezeichnete Beweisthema selbst oder nur ein schwaches Indiz für die Bestätigung des Beweisthemas unmittelbar wahrgenommen hat, wird das Gericht in die Lage versetzt, das (als sicher) zu erwartende Beweisergebnis vorab festzustellen und dessen Wert innerhalb des Gesamtbeweisgefüges einschätzen zu können.69 Nur die Kenntnis des zu erwartenden Beweisergebnisses erlaubt, die behauptete Zeugenbekundung innerhalb der hierarchischen Ordnung einer Beweiskette70 zutreffend zuzuordnen, bzw. die Beweiskraft der Zeugenaussage innerhalb eines Rings gleichgeordneter Indizien71 dahingehend zu bewerten, ob es zur Verstärkung andere entlastender oder zur Entkräftung gegenläufiger, d. h. belastender Beweisanzeichen führen kann.72 Bezeichnet der Antragsteller dagegen nur ein Beweisziel, ohne offenzulegen, über welche unmittelbare Wahrnehmung der Zeuge mit dem Beweisziel verbunden ist, kann der Stellenwert der begehrten Beweiserhebung nicht bewertet und somit nicht beurteilt Siehe dazu oben Teil 1 Kapitel 2 B II 1. Widmaier, NStZ 1993, 602, 603. 68 Widmaier, NStZ 1993, 602, 603. Dazu, daß Widmaier die Konnexität sowohl als Prüfungsvoraussetzung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit (Konnexität im engeren Sinn) als auch im Hinblick auf die Ablehnung des Antrags wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels behandelt (Konnexität im weiteren Sinn), siehe unten Teil 2 Kapitel 2 A III 1. 69 So ausdrücklich auch BGHSt 40, 3 (6); Widmaier, NStZ 1993, 602 (603). 70 Bender / Nack, Bd. I, Rn. 427; 432 f.; Nack, MDR 1986, 366 (369); Grünwald in FS für Honig, 53 (59); Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 25 zu § 261; KK – Engelhardt, Rn. 64 zu § 261; LR – Gollwitzer, Rn. 62 zu § 261. 71 Bender / Nack, Bd. I, Rn. 427, 428 ff.; Nack, MDR 1986, 366 (368 f.); Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 25 zu § 244; KK – Engelhardt, Rn. 64 zu § 261; KMR – Stuckenberg, Rn. 71 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 62 zu § 244. 72 Denn die hier angestellten Überlegungen gehen von der Prozeßsituation aus, daß der Angeklagte bzw. sein Verteidiger einen Entlastungsbeweis angetreten haben. 66 67

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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werden, „welche Rolle das im Beweisantrag umschriebene Sachverhaltsmoment als Teil des zu würdigenden Beweisstoffes für die Sachverhaltshypothese (die ,Feststellungen‘) des Tatgerichts und für den Urteilsspruch zu spielen vermag“.73 Lehnt man dagegen mit der – vor allem in der älteren Literatur und Rechtsprechung – vertretenen Mindermeinung74 die Zulässigkeit einer gerichtlichen Zwischenbeweiswürdigung zur Feststellung der faktischen Unerheblichkeit der Indiztatsache ab, so würde es einer Substantiierung des Antrags im Sinne des engen Konnexitätserfordernisses nicht bedürfen. Da nach dieser Position das Gericht die Frage der Relevanz der behaupteten Indiztatsache „grundsätzlich ohne Rücksicht auf die bisherigen (und gegebenenfalls noch zu erwartenden) Beweisverfahrensergebnisse zu beantworten“ hat75, spielt der Stellenwert, den die zu erwartende Beweisaussage im Gesamtbeweisgefüge einnimmt, keine Rolle. Daher ist die mit dem Konnexitätserfordernis im engeren Sinn verbundene Information, die eine Einschätzung der Beweiserheblichkeit der zu erwartenden Bekundung in Relation zu anderen (bereits erhobenen) Indizien erlaubt, für eine von der konkreten Antragssituation losgelösten Prüfung einer Beweistatsache überflüssig. Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, sprechen die besseren Argumente für die Zulässigkeit einer retrospektiven Zwischenbeweiswürdigung.76 Der Anwendungsbereich des Ablehnungsgrundes der faktischen Bedeutungslosigkeit würde leerlaufen, wenn sich die gerichtliche Würdigung der begehrten Beweiserhebung darauf beschränken müßte, losgelöst von der bisherigen Beweiserhebung zu prüfen, ob eine Erheblichkeit der Indiztatsache bereits deshalb anzunehmen ist, weil ein überzufälliger77 Erfahrungssatz die behauptete Indiztasache mit der Haupttat73 Zur Beschreibung der inhaltlichen Prüfung des Ablehnungsgrunds siehe Herdegen, NStZ 1997, 505, der sich aber gegenüber dem Kriterium der Konnexität sehr kritisch äußert (NStZ 1999, 176 [180, 181]), dazu unten Teil 2 Kapitel 2 B I. 74 Thole, S. 86, 87. Kritisch Kühl (1987), S. 148 ff.; siehe oben zu den beweisrechtlichen Grundlagen: Teil 1 Kapitel 2 B II 1 (b). 75 KMR – Paulus, Rn. 120 i. V. m. Rn. 125 zu § 244. Zur Rechtsprechung: RG JW 1936, 2102; BGH JR 1954, 310; BGH VRS 47, 19; BGH bei Holtz, MDR 1977, 108 und MDR 1978, 281; BGH bei Spiegel, DAR 1977, 174; 1978, 155; BGH StV 1981, 271; StV 1982, 58; BGH wistra 1983, 33; OLG Düsseldorf VRS 57, 290. Aus der Literatur: Seibert, NJW 1960, 19 (20); LR – Gollwitzer, (23. A.) Rn. 192, weiter aber (24. und 25. A.) Rn. 222 zu § 244; Fezer, StPO Fall 12 Rn. 61; Thole, S. 86: Die Bedeutungslosigkeit ist allein aus dem Beweismittel für sich selbst heraus zu prüfen: kritisch Kühl (1984), S. 71: Bei dieser Beschreibung der inhaltlichen Prüfung des Ablehnungsgrundes handle es sich um eine „irritierende Auskunft“, da der zu prüfende Erfahrungssatz aus dem angebotenen Beweismittel selbst gar nicht beurteilt werden könne. 76 Vorausgesetzt es werden entsprechend strenge Maßstäbe an die Plausibilität der Ablehnungsbegründung angelegt, siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B II 1 (c), (bb). 77 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 587: „Bei der Prüfung des Sachzusammenhangs muß aber außer Betracht bleiben, daß bei Annahme einer außergewöhnlichen Verkettung der Umstände irgendein Zusammenhang zwischen der Straftat und der Beweistatsache abstrakt immer denkbar sein mag.“ Fraglich ist vielmehr, ob ein Zusammenhang nach den „allgemeinen Regeln der menschlichen Erfahrung“ angenommen werden kann (ebd., mit weiteren Nachweisen).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

sache verbindet. Soweit aber die sachgerechte Anwendung des Ablehnungsgrundes eine gerichtliche Zwischenbeweiswürdigung des beantragten Beweises vor dem Hintergrund der bereits erhobenen Beweise mit einschließt, ist im Rahmen des Zeugenbeweisantrags die Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung der Beweisperson notwendige Voraussetzung, um die Bedeutungslosigkeit der begehrten Beweiserhebung begründet zu bescheiden.78 Neben der Beurteilung der tatsächlichen Unerheblichkeit verlangt auch die Prüfung des beweisthemenbezogenen Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung, die Einstufung des Beweismittels als unerreichbar und eine sachgerechte Anwendung des Ablehnungsgrundes der Prozeßverschleppungsabsicht eine Einschätzung des zu erwartenden Beweisergebnisses. Diese Ablehnungsgründe sollen nicht detailliert dargestellt und auch die mit ihnen verbundenen Auslegungsschwierigkeiten nicht explizit erläutert werden. Die folgende kurze Zusammenfassung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Zurückweisungsgründe soll nur der Feststellung dienen, daß das Kriterium der Konnexität im engeren, d. h. im Sinne der Konkretisierung des Gegenstandes der Zeugenwahrnehmung auf eine Eigenwahrnehmung über den Ablehnungsgrund der faktischen Bedeutungslosigkeit hinaus auch in anderen Varianten des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO eine methodische Herleitung finden kann, soweit diese (in engen Grenzen) Antizipationen zulassen.

2. Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung Nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 7 StPO darf das Gericht eine beantragte Beweiserhebung mit der Begründung ablehnen, daß es die unter Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt. Dieser Ablehnungsgrund enthebt nach der konsentierten Auslegung des Normtextes das Gericht von einer Pflicht zur Beweiserhebung, wenn es die behauptete Tatsache weder als erwiesen ansehen kann, noch von ihrem Gegenteil überzeugt ist und auch keine Möglichkeit ersichtlich ist, die Tatsache zu widerlegen oder ihr durch die Beweiserhebung die Glaubwürdigkeit abzusprechen.79 78 Nicht überzeugen kann daher die Position von Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (637), nach der es auf eine innere Verknüpfung der Beweistatsache mit dem Beweismittel für die Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit nicht ankomme, weil das Gericht die als wahr unterstellte Beweistatsache „in Würdigung ihre vollen Tragweite mit dem bisherigen Beweisergebnis in Bezug setzen“ müsse. Fraglich und damit Auslöser des Konnexitätskriterium ist ja in den hier beschriebenen und als unsubstantiiert bewerteten Antragskonstellationen gerade, welche unmittelbare Wahrnehmung des Zeugen in Bezug zum bisherigen Beweisergebnis zu setzten ist. Das die im Sinne der Konnexität als unmittelbare Wahrnehmung konkretisierte Beweistatsache als wahr zu unterstellen ist, wird nicht bestritten und ist im übrigen keine Frage der strukturellen Notwendigkeit der Konnexität im Hinblick auf den Ablehnungsgrund der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit, sondern betrifft die Frage, ob die Anforderung der Konnexität im engeren Sinn gegen das Beweisantizipationsverbot verstößt; siehe dazu unten Teil 2 Kapitel 1 B I. 79 BGH NStZ 1989, 129; StV 1990, 98; 291 (292); 292 (293). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 651, 653, 661; Tenckhoff, S. 114 f.; Fezer, StPO Fall 12 Rn. 65; ter Veen, S. 109; AK

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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Während die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO grundsätzlich fordert, noch widerlegbare, entscheidungserhebliche Entlastungstatsachen zu ermitteln, stelle eine Begrenzung des Beweiserhebungsumfangs durch Wahrunterstellung bei nicht widerlegbaren Tatsachen der Sache nach eine „Vorwegnahme des Grundsatzes in dubio pro reo“80 und damit eine zulässige Prozeßbeschleunigung dar, die die Verteidigungsinteressen des Angeklagten nicht gefährde, da die mit der Wahrunterstellung verbundene Fiktion der Nichtwiderlegbarkeit der verfahrensrechtlichen Lage des Antragstellers bei Erhebung des Beweises entspreche.81 Die in den Grenzen des in dubio pro reo-Grundsatzes allgemein anerkannte Ablehnung durch Wahrunterstellung setzt voraus, daß das Gericht in Würdigung der Beweislage zu dem Ergebnis kommt, daß eine weitere Beweisaufnahme auch gerade durch das im Antrag bezeichnete Beweismittel nicht zu einem Ergebnis führen wird, welches die als wahr unterstellte Behauptung zu widerlegen geeignet ist.82 Der von dem Zeugen konkret zu erwartende Beweisgewinn spielt daher für die sachgerechte Prüfung des Ablehnungsgrundes eine zentrale Rolle, da eine Wahrunterstellung zum einen nur bzgl. erheblicher Tatsachen83 in Betracht kommt, zum anderen das Gericht bei entsprechender Vorauswürdigung des Beweisantrags den Stellenwert der neu unter Beweis gestellten Tatsache im Gesamtbeweisgefüge einschätzen muß, um die (Nicht-) Widerlegbarkeit durch bereits erhobene (Gegen-) Beweise zu beurteilen. Die mit dem engen Konnexitätsbegriff verbundene Information über den Beweiswert im Sinne der Beweiserheblichkeit der zu erwartenden Aussage kann darüber hinaus für einen erweiterten Anwendungsbereich der Wahrunterstellung Prüfungsvoraussetzung sein: So vertritt ein Teil der Literatur und auch der Rechtsprechung die Ansicht, daß es im Interesse der Prozeßökonomie angebracht erscheint, die Grenze, die der Zweifelssatz dem Ablehnungsgrund zieht, zu überschreiten.84 – Schöch, Rn. 114, 116 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 70; KK – Herdegen, Rn. 91 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 237 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 123 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 442 zu § 244; Bringewat, MDR 1986, 353. 80 Zur Wahrunterstellung: RGSt 47, 417 (424); RGSt 65, 322 (330); BGH bei Holtz, MDR 1981, 452 (456). Zum Grundsatz in dubio pro reo: RGSt 73, 53 (58); BGHSt 19, 33 (36). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 662 f.; Tenckhoff, S. 118 f.; Köhler, S. 39; LR – Gollwitzer, Rn. 237 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 124 zu § 244. Kritisch bzgl. einer entsprechenden Funktionsbestimmung der Wahrunterstellung: Bringewat, MDR 1986, 353 (355, 356). 81 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 652, 653; Engels, Diss., S. 48; ter Veen, S. 111 f.; LR – Gollwitzer, Rn. 237 zu § 244. 82 LR – Gollwitzer, Rn. 237 zu § 244; Fezer, StPO Fall 12 Rn. 65. 83 BGH NJW 1961, 2069 (2070); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 655 ff.; 576; Tenckhoff, S. 35, 36; KK – Herdegen, Rn. 92 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 114, 118 zu § 244; Bringewat, MDR 1986, 353 (356 f.). Zum Begriff der „potentiell erheblichen“ Tatsache bzw. zum Problem der veränderten richterlichen Erheblichkeitsbeurteilung siehe auch RGSt 65, 322 (330); BGH NJW 1961, 2069 (2070), BGH GA 1972, 272, 273; OLG Hamm NStZ 1983, 522 (523). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 658 f.; Eisenberg, Rn. 243; Born, S. 193 ff.; Schweckendieck, NStZ 1997, 257 (259, 260).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Werde eine erhebliche aber nicht prozeßentscheidende Tatsache unter Beweis gestellt, so könne (ähnlich der Relativierung der Amtsaufklärungspflicht nach §§ 154, 154 a StPO) auf eine Beweisaufnahme verzichtet werden, wenn der Aufwand der Widerlegung im Verhältnis zur Erheblichkeit der Tatsache unverhältnismäßig erscheint.85

3. Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit des Beweismittels Die Prüfung des hauptsächlich den Zeugenbeweis86 betreffenden Ablehnungsgrundes der Unerreichbarkeit des Beweismittels setzt aufgrund der durch die herrschende Meinung zugestandene Antizipation87 ebenfalls eine Information über den Beweiswert der beantragten Beweismittelverwendung voraus. Ein Beweismittel, d. h. ein Zeuge kann nach der in Rechtsprechung und Literatur gängigen Bestimmung der Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 5 StPO als (faktisch)88 unerreichbar angesehen werden, wenn der im Beweisantrag benannte Zeuge überhaupt nicht zu ermitteln ist oder wenn trotz bekannten Aufenthalts der Beweisperson sonstige Hindernisse für ein Erscheinen in der Hauptverhandlung bestehen und eine kommissarische Beweiserhebung nicht in Betracht kommt.89 Nach der üblichen Auslegungsformel der Rechtsprechung ist der Tatrichter berechtigt, einen auf Zeugenvernehmung gerichteten Beweisantrag wegen (relativer)90 Unerreichbarkeit der Beweismittels abzulehnen, wenn das Gericht nach den Umständen des Einzel84 OLG Celle NStZ 1986, 91, 92; KK – Herdegen, Rn. 91 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 116 zu § 244; Eisenberg, Rn. 242. 85 Darstellend und im Ergebnis kritisch: ter Veen, S. 115 ff. 86 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 621; LR – Gollwitzer, Rn. 261 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 95 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 81 zu § 244; Perron, S. 245; ter Veen, S. 156. 87 Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); KK – Herdegen, Rn. 81 zu § 244; ders. in FS für Boujong, 777 (790); Fezer in Festgabe BGH, 847 (865, 866); differenzierend: Julius, GA 1994, 393 (394). Zu der durch das RPfl.Entl.G. vom 11. 1. 1993 eingeführten Durchbrechung des Beweisantizipationsverbotes durch § 244 Abs. 5 Satz 2 siehe Eisenberg, Rn. 267 f. 88 Zur Abgrenzung von rechtlicher und tatsächlicher Unerreichbarkeit siehe AK – Schöch, Rn. 101 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 456 f. und 458 ff. zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 270 zu § 244. Auf die mit der Unerreichbarkeit aus rechtlichen Gründen verbundenen Probleme wird nicht eingegangen. Nach Kühne, Rn. 783 und Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 66 zu § 244 muß die Unerreichbarkeit nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 5 stets eine tatsächliche sein; stünden juristische Gründe, etwa Beweismittelverbote der Erlangung eines Beweises entgegen, so handle es sich um einen unzulässigen Beweis im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1. Differenzierend: LR – Gollwitzer, Rn. 260 zu § 244. 89 LR – Gollwitzer, Rn. 259 zu § 244; KK – Herdegen, Rn. 81, 82 zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 62 a zu § 244; Eisenberg, Rn. 227; Fezer in Festgabe BGH, 847 (865). Bei der Bestimmung des Begriffs der Unerreichbarkeit stehen die Vorschriften § 244 Abs. 3 Satz 2 und § 251 Abs. 1, 2 in einem engen Zusammenhang: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 621, 261, 270; ter Veen, S. 156. 90 Zur absoluten Unerreichbarkeit: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 620 mit Fn. 5; LR – Gollwitzer, Rn. 260 zu § 244 und ter Veen, S. 159.

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

127

falls unter Beachtung der ihm nach § 244 Abs. 2 StPO obliegenden Aufklärungspflicht alle der Bedeutung der Sache und der Zeugenaussage entsprechenden Bemühungen zur Beibringung der Zeugen entfaltet hat und keine begründete Aussicht besteht, daß dieser in absehbarer Zeit beigebracht werden kann.91 Maßgebende Kriterien für den im Einzelfall angebrachten Ermittlungsumfang und die damit verbundene Intensität der Sachaufklärung sind in erster Linie die Bedeutung der Sache92 und der Beweiswert, der der zu erwartenden Aussage für die Entscheidung zukommt.93 Damit setzt eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Beweisrecht des Beschuldigten und dem öffentlichen Interesse an einer Beschleunigung des Verfahrens eine Prognose des voraussichtlichen Ergebnisses der beantragten Zeugenvernehmung voraus94: Während eine Beweisbehauptung, die im Falle ihres Beweisgelingens von wesentlicher Bedeutung für das Verfahrensergebnis sein kann, das Gericht zwingt, alle erkennbaren und nicht von vornherein aussichtslosen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und somit auch eine Verzögerung, Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung in Kauf zu nehmen, ist das Gericht andererseits bereits nach Routineermittlungen berechtigt, ein Beweismittel als unerreichbar einzustufen, wenn sein Stellenwert im Rahmen der gesamten Beweiskonstellation als gering zu veranschlagen ist.95 Gilt nach der vorherrschenden

91 BGHSt 13, 300 (302); BGHSt 22, 118 (120) zu § 251; BGHSt 32, 68 (73); BGH GA 1954, 374; BGH GA 1955, 123 (126); BGH GA 1965, 209; BGH GA 1975, 237; BGH StV 1981, 112; 220; 602; StV 1987, 45; BGH NStZ 1982, 127; 212; NStZ 1993, 294; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 621, 628; KK – Herdegen, Rn. 81, 82 zu § 244; KMR – Paulus, Rn. 455 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 262, 263 zu § 244; Julius, S. 63 mit weiteren Nachweisen. 92 Die „Bedeutung der Sache“ entspricht dem Kriterium der Schwere des Tatvorwurfs. Siehe dazu im Zusammenhang mit der Ablehnung wegen Unerreichbarkeit: BGHSt 22, 118 (120) zu § 251; BGH StV 1981, 602 (603); KG StV 1983, 95. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 622; Julius, S. 76, 77 mit weiteren Nachweisen. Nach Herdegen, NStZ 1984, 337 (338) ist die Schwere des Anklagevorwurfs ein zu unbestimmtes Kriterium. 93 BGH NStZ 1993, 349 (350); BGHR StPO § 251 Abs. 2 Unerreichbarkeit Nr. 3; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit Nr. 9. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 622; SK – Schlüchter, Rn. 107 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 97 zu § 244. Julius, S. 54 ff.; 61 (mit Rechtsprechungsnachweisen) sieht das Kriterium der „Wichtigkeit der Zeugenaussage“ als entscheidenden Faktor der Beeinflussung des Umfangs der richterlichen Anstrengungen. So auch Herdegen, NStZ 1984, 337 (338); ders., NStZ 1998, 444 (446) und KK – Herdegen, Rn. 81 zu § 244. 94 Umstritten ist aber, ob im Rahmen dieser Prognose das bisherige Beweisverfahrensergebnis berücksichtigt werden darf. Für eine Einbeziehung des bisherigen Beweisergebnisses: BGHSt 32, 68 (73) zu § 251; BGH bei Miebach, NStZ 1989, 14 Nr. 3; BGH NStZ 1993, 349 (350); BGH JZ 1988, 982 (983); BGHR StPO § 251 Abs. 2 Unerreichbarkeit Nr. 3; NStZ 1982, 127; KK – Herdegen, Rn. 81 zu § 244; ders., NStZ 1984, 97 (98); 337 (338); 1998, 444 (446); LR – Gollwitzer, Rn. 262 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 107 zu § 244; Fezer in Festgabe BGH, 847 (866); Gegen eine derartige Durchbrechung des Beweisantizipationsverbotes: Engels, GA 1981, 21 (27); Julius, S. 54, 66, 71. Kritisch gegenüber der fehlenden Präzisierung der Abgrenzungskriterien: ter Veen, S. 183 f. 95 BGHSt 22, 118 (120); BGHSt 32, 68 (73); BGH NStZ 1982, 78; 341; 1983, 180 (181); StV 1983, 496; 1984, 5; 1986, 418 (419); 1987, 45; BGH JZ 1988, 982. Alsberg / Nüse /

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Auslegung des § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 5 StPO die Aussagebedeutung der beantragten Zeugenbekundung als Kriterium für die Auflösung des Spannungsverhältnisses von Wahrheitsermittlung und Verfahrensökonomie96, so setzt die entsprechende Relativierung des Ablehnungsgrundes der Unerreichbarkeit als „echter Antizipationsfall“97 die Information des Gerichts über den zwischen Beweismittel und Beweistatsache bestehenden Zusammenhang im Sinne des engen Konnexitätsverständnisses voraus.

4. Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppungsabsicht Die inhaltliche Prüfung des Ablehnungsgrundes setzt in mehrfacher Hinsicht eine gerichtliche Einschätzung des Beweiswertes der beantragten Zeugenvernehmung voraus98: Eine erste Beurteilung der (abstrakten) Beweiserheblichkeit der behaupteten Tatsache ergibt sich aus der Subsidiarität der Ablehnung wegen Prozeßverschleppung gegenüber der Zurückweisung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit.99 Die zentrale Bedeutung der Einschätzung des zu erwartenden Beweisgewinns ergibt sich aber daraus, daß die Ablehnung wegen Prozeßverschleppung voraussetzt, daß das Gericht die Annahme begründet, daß sich der Antragsteller nichts Sachdienliches von der beantragten Beweisaufnahme verspricht, zum anderen begründen muß, warum es selbst von der Aussichtslosigkeit der Beweiserhebung überzeugt ist. Damit basiert die Ablehnungsbegründung nach §§ 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 6; Abs. 6 StPO auf zwei prognostischen Würdigungen, die zwangsläufig eine Kenntnis des zu erwartenden Beweisergebnisses und eine Bestimmung seines Stellenwertes im Gesamtbeweisgefüge (unter Einbeziehung des bisherigen Beweisergebnisses) voraussetzen. Da es dem Gericht aber verwehrt ist, von der eigenen Überzeugung der Irrelevanz des beantragten Beweises auf die Prozeßverschleppungsabsicht des Antragstellers zu schlußfolgern, ist das Kriterium der Konnexität (im engeren Sinn) kein effektives „Surrogat“100 für den schwer zu erbringenden Nachweis, daß der AntragMeyer, S. 622; KK – Herdegen, Rn. 81 zu § 244; ders., NStZ 1984, 97 (98); 337 (338); 1998, 444 (446); AK – Schöch, Rn. 96 zu § 244. 96 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 622; Julius, S. 66 ff.; Schlüchter, Strafverfahren, Rn. 551.3; Herdegen, NStZ 1984, 337 (338). 97 Herdegen in FS für Boujong, 777 (790). 98 BGHSt 21, 118 (121 f.); BGH NStZ 1990, 350; BGHSt 38, 111 (115); Herdegen, NStZ 1984, 97 (98); ter Veen S. 190. 99 Eine Zurückweisung wegen Prozeßverschleppung kommt nur in Betracht, soweit es sich um erhebliche Beweisthemen handelt: BGHSt 21, 118 (122). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 636, 637: Diese Subsidiarität gilt aber nicht gegenüber anderen Ablehnungsgründen nach § 244 Abs. 3 Satz 2. Da diese eine Beweisantizipation ausschließen würden, ergebe sich aus dem Verhältnis der Ablehnungsgründe zueinander die besondere „verfahrensrechtliche Bedeutung und das kennzeichnende Merkmal“ der Ablehnung wegen Prozeßverschleppung. 100 KK – Herdegen, Rn. 86 zu § 244.

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

129

steller seinerseits nichts Sachdienliches von der begehrten Beweiserhebung erwartet.101

IV. Zwischenergebnis Die Ausführungen zur strukturellen Notwendigkeit des engen Konnexitätskriterium zeigen, daß eine Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit ohne einen Hinweis auf den Gegenstand der unmittelbaren Wahrnehmung des benannten Zeugen ausgeschlossen ist. Die strukturelle Notwendigkeit des engen Konnexitätserfordernisses ergibt sich aus der von der herrschenden Meinung anerkannten Zulässigkeit einer retrospektiven Zwischenbeweiswürdigung zur Feststellung der faktischen Bedeutungslosigkeit einer Indiztatsache. Daraus folgt zum einen, daß die traditionellen Bestimmtheitsanforderungen, nach denen ein Antrag nur ein individualisiertes Beweismittel und ein Beweisthema bezeichnen muß, ohne weitere Angaben zur Relation zwischen den Beweisantragselementen keine Einschätzung des Stellenwertes des zu beantragten Beweises im bisherigen Gesamtbeweisgefüge ermöglichen. Zum anderen kann festgestellt werden, daß das Merkmal der Konnexität im engeren Sinn kein Ausdruck der inhaltlichen Erweiterung der gerichtlichen Ablehnungsbefugnisse ist. Daß die Rechtsprechung nun die Last zur Darlegung einer Information, die seit Anerkennung der o. g. Zwischenbeweiswürdigung zur Bescheidung des Antrags erforderlich ist102, auf den Antragsteller überträgt, ist vielmehr Ausdruck einer Verschiebung der prozessualen Machtverhältnisse. Der Antragsteller soll das Gericht nicht durch die beliebige Verknüpfung eines Beweismittels mit einem Beweisthema ohne weiteres zwingen können, entweder die Unanwendbarkeit der Ablehnungsgründe hinzunehmen und den Beweis zu erheben, oder die Prüfungsvoraussetzungen der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit im Freibeweis zu ermitteln.

B. Bewertung des Merkmals der Konnexität (im engeren Sinn) in der Literatur und eigene Stellungnahme Der vorangehend geführte Nachweis, daß das Merkmal der Konnexität im engeren Sinn eine direkte strukturelle Korrespondenz zum Anwendungsbereich der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit aufweist und in einem mittelbaren Bezug zur Prüfung derjenigen Ablehnungsgründe steht, die nach der vorherrschenden InterpretaSo schon oben Teil 1 Kapitel 2 B III 2. Nach Ansicht Fezers in FS für Meyer-Goßner, 629 (636, 637) konnten die Gerichte offensichtlich „jahrzehntelang diese Ablehnungsgründe auf der Grundlage der herkömmlichen (,klassischen‘) Elemente des Beweisantrags ( . . . ) ohne weiteres prüfen“. 101 102

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

tion des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO eine antizipatorische Würdigung der Beweislage in Form der Einschätzung des Stellenwertes des beantragten Beweises im Gesamtbeweisgefüge voraussetzen, belegt zunächst nur die Notwendigkeit eines bestimmten Informationsgehaltes für die Bescheidungsfähigkeit eines Antrags nach § 244 Abs. 3 Satz 2; Abs. 6 StPO. Für die Bewertung des Merkmals der Konnexität im engeren Sinn ist darüber hinaus entscheidend, ob die Last der Gewinnung und Darlegung der für die Bescheidungsfähigkeit des Antrags notwendigen Informationen dem Gericht oder dem Antragsteller auferlegt werden sollte. Überträgt man das Risiko eines Informationsdefizits auf das Gericht, so bedeutet das, daß das Gericht entweder gezwungen ist, einen (Streng-)Beweis ohne Rücksicht auf seine mangelnde Bescheidungsfähigkeit zu erheben, soweit der Antrag einen konkreten Beweiserhebungsakt ermöglicht, oder freibeweislich diejenigen tatsächlichen Informationen zu ermitteln, die erforderlich sind, um über die Bedeutung des begehrten Beweises zu entscheiden und auf der Basis dieser Informationsgrundlage den begehrten Beweis durch begründeten Bescheid abzulehnen. Nach Ansicht der hier referierten Entscheidungen trägt der Antragsteller das Risiko, daß sein Prozeßbegehren die Prüfung der Ablehnungsgründe nicht ermöglicht und das Gericht deshalb die begehrte Beweiserhebung nur vornimmt, soweit es sich durch den gestellten Ermittlungsantrag dazu nach § 244 Abs. 2 StPO gedrängt sieht. Der 3. Senat stellt in der eingangs zitierten Entscheidung aus dem 37. Band ausdrücklich klar, daß es dem Angeklagten „zuzumuten ist“ die Beweistatsache so „so genau und substantiiert darzulegen“, daß „das Gericht die Bedeutung dieser (Hilfs-)Tatsachen, auf die es ankommen soll, prüfen und gegebenenfalls auch als wahr unterstellte Tatsachen in seine Beweiswürdigung einbeziehen kann, ohne zeitaufwendige Beweiserhebungen durchzuführen“.103 Mit Ausnahme der zustimmenden Anmerkungen Widmaiers zu den Entscheidungen des 5. und 3. Senats im 39. und 40. Band104 führt das Kriterium der Konnexität nach Ansicht der Literatur zu einer dem Beweisantragsrecht fremden Darlegungslast des Angeklagten und ist für den Antragsteller mit unzumutbaren Konsequenzen verbunden.105 Die Auswertung dieser Stellungnahmen gestaltet sich problematisch, soweit die Kritik pauschal gegen das Kriterium der Konnexität gerichtet ist und zwischen den für die Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und den für die Anwendbarkeit des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit106 erforderlichen Angaben nicht unterschieden wird. Im Folgenden wird daher (vor allem) auf die Ein103 BGHSt 37, 162 (166) Hervorhebungen und Klammervermerk d. Verf. Zu der gleichzeitig vom 3. Senat betonten Pflicht des Gerichts, im Rahmen seiner Aufklärungspflicht auf Darlegung und Substantiierung hinzuwirken (ebd.) siehe unten Teil 2 Kapitel 1 B III. 104 Widmaier, NStZ 1993, 602; ders., NStZ 1994, 248. Siehe oben Teil 2 Kapitel 1 A II. 105 Hamm / Hassemer / Pauly, Rn. 111, 114; HK – Julius, Rn. 19 zu § 244; Beulke, Rn. 437; Herdegen, NStZ 1999, 176 (180, 181); Fezer in Festgabe BGH, 847 (872); ders. in FS für Meyer-Goßner, 629 ff.; Rose, NStZ 1998, 633 (634). 106 Dazu unten Teil 2 Kapitel 2 A III 1.

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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wände Bezug genommen, die die Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung des im Antrag benannten Zeugen als unzumutbare Einschränkung des Beweisantragsrechts bewerten.107

I. Vereinbarkeit der Konnexität (im engeren Sinn) mit dem Beweisantizipationsverbot Der Vorwurf, daß das Kriterium der Konnexität im engeren Sinn mit dem Verbot der Beweisantizipation nicht zu vereinbaren sei und daher den eigenständigen Charakter des Beweisantragsrechts verletze108, kann nicht zugestimmt werden. Verneint das Gericht die Bescheidungsfähigkeit des Beweisantrag mit dem Hinweis, daß der Antrag nicht erkennen lasse, welche unmittelbare Wahrnehmung den im Antrag benannten Zeugen mit dem bezeichneten Beweisthema verbinde, so wird das Beweisantizipationsverbot (im technischen Sinn) nicht verletzt, denn in dieser Begründung liegt weder eine unzulässige negative Präsumtion des Beweiserhebungsergebnisses noch des zu erwartenden Beweiswertes.109 Soll der Antragsteller nur angeben, was der Zeuge unmittelbar selbst wahrgenommen hat, beschränkt sich seine Darlegungslast auf den Hinweis, daß der Zeuge die im Antrag angegebene Beweisbehauptung selbst unmittelbar wahrgenommen hat, oder daß er in Bezug zu dieser Beweisbehauptung nur ein Indiz bekunden wird. Der Antragsteller trägt dagegen nicht die Last, die Leistungsfähigkeit des Beweismittels im Hinblick auf die überzeugende Bekundung des vom Antragsteller gewünschten Beweisergebnisses darzulegen. Weder in dem Fall, in dem der Zeuge den im Beweisantrag bezeichnete Sachverhalt selbst unmittelbar wahrgenommen hat, noch in dem Fall, in dem der Zeuge nach den konkretisierten Angaben nur ein schwaches Indiz für das Beweisziel des Antragstellers bekunden soll, wird dem Beweismittel die Kompetenz abgesprochen, den jeweiligen Gegenstand seiner unmittelbaren Wahrnehmung zuverlässig zu bekunden. Durch das Kriterium der Konnexität im engeren Sinn wird die Validität des Beweismittels im Hinblick auf die Bestätigung der Tatsache 107 Die zentral gegen das Kriterium der Konnexität erhobenen Einwände betreffen vor allem die Konnexität im weiteren Sinn, siehe dazu unten Teil 2 Kapitel 2 A, B. Eine Auseinandersetzung mit der Konnexität im engeren Sinn bzw. eine Differenzierung zwischen einem engen und einem weiten Konnexitätsverständnis findet möglicherweise deshalb nicht statt, weil die formelhafte Umschreibung, daß der Antrag angeben soll, „weshalb der Zeuge überhaupt etwas zum Beweisthema bekunden können soll“ (so erstmals BGH NStZ 1998, 97), als allgemeine Begründungslast (über)interpretiert wird (so etwa bei Herdegen, NStZ 1999, 176 [180, 181] und Rose, NStZ 1998, 633 [634]) und eine Anbindung an die Prüfungsvoraussetzungen der einzelnen Ablehnungsgründe nicht stattfindet. Auch Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (636, 639 ff.), der zwischen zwei Konnexitätsbegriffen differenziert, kritisiert wiederum „die Konnexität“ als Aufhebung eines eigenständigen Beweisantragsrechts. 108 Dieser Vorwurf wird pauschal gegenüber dem Kriterium der Konnexität erhoben; siehe dazu vor allem die vorangehenden Nachweise der kritischen Stellungnahmen von Herdegen und Fezer. 109 Siehe dazu oben beweisrechtliche Grundlagen Teil 1 Kapitel 1 A III 2 (b).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

im engeren Sinn des Zeugenbeweisantrags gerade nicht zur Voraussetzung des ordnungsgemäßen Beweisantrags.110 Allerdings ergibt sich aus der Information darüber, was der Zeuge unmittelbar wahrgenommen hat, natürlich auch die Bedeutung der beantragten Beweiserhebung im Gesamtbeweisgefüge. Dieser Beweiswert (die Konnexität im engeren Sinn) beschreibt die Beweiserheblichkeit der Zeugenaussage im Gesamtbeweisgefüge, nicht aber ihre Zuverlässigkeit. Die als unmittelbare Wahrnehmung des Zeugen hinreichend substantiierte und als wahr unterstellte Tatsache ist sodann in ihrer ganzen Tragweite in das bisherige Beweisgefüge einzustellen und in ihrer Relevanz für die gerichtliche Sachverhaltsrekonstruktion zu würdigen.111 Die Substantiierung des Beweisantrages im Sinne des engen Konnexitätsverständnisses ersetzt damit nicht den gerichtlichen Argumentationsaufwand, der nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO erforderlich ist, um zu begründen, weshalb die als unmittelbare Wahrnehmung unterstellte Beweistatsache für die gerichtliche Überzeugung ohne Bedeutung ist. Trägt der Antragsteller vor, was Gegenstand der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeuge sein soll, hat er damit einen zulässigen Beweisantrag formuliert, der die gerichtliche Pflicht zur Beweiserhebung oder Bescheidung des Antrags nach §§ 244 Abs. 3 – 6 StPO auslöst.

II. Relativierung des Definitionsmerkmals der Beweistatsache Nach einer Anmerkung von Schulz nimmt die Entscheidung des 3. Senats im 37. Band eine Relativierung des Definitionsmerkmals der Beweistatsache vor, für die weder ein praktisches Bedürfnis noch ein dogmatischer Grund bestehe.112 In der Beschränkung eines Zeugenbeweisantrages auf Beweisthemen, die zu den tauglichen Beweisgegenständen des angeführten Beweismittels zählen, liege ein unzulässiger Versuch des Gerichts, den durch § 244 Abs. 3 StPO geforderten Begründungsaufwand zu umgehen. Aufgrund der zwischen einem substantiierten Antrag und der Anwendungsmöglichkeit der materialen Ablehnungsgründe bestehenden Korrespondenzbeziehung solle einer Prozeßhandlung nur dann die Beweisantragsqualität abgesprochen werden, wenn innerhalb des Beweisantragsrechts keine Reaktionsmöglichkeit bestehe. Da das Beweisantragsrecht mit dem Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels aber ein Reaktionsmittel zur Verfügung stelle, das es dem Gericht erlaube, festzustellen, daß mit dem Zeugenbeweisantrag etwas unter Beweis gestellt werden solle, was dem Zeugenbeweisantrag nicht unterliege, werde der Begriff des Beweisantrages ohne Not zu eng gefaßt.113 110 Dies wäre auch im Rahmen der Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit unzulässig: BGH NStZ 1997, 503 (504) mit Anmerkung Herdegen, NStZ 1997, 505 f. Dazu unten Teil 2 Kapitel 2 A III 2. 111 Vgl. dazu oben Teil 1 Kapitel 2 B II 1. 112 Schulz, NStZ 1991, 449 (450).

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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Der Kritik von Schulz ist dahingehend zuzustimmen, daß die Anwendung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz nicht zu einer Umgehung des numerus clausus der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO führen darf. Die Zulässigkeit der (erweiterten) Darlegungslast des Antragstellers setzt selbstverständlich voraus, daß die von dem Antragsteller geforderte Information in der konkreten Antrags- und Verfahrenssituation für die Bescheidungsfähigkeit des Antrags notwendig ist. Das von Schulz gegen eine Relativierung des Begriffsmerkmals der Beweistatsache angeführte Argument der Umgehung des Ablehnungskataloges setzt voraus, daß dem Tatgericht genügend Informationen zur Verfügung stehen, um auf die Relation zwischen den Beweisantragselementen auf der Ebene der Ablehnungsgründe zu reagieren.114 Eine unzulässige Umgehung des Ablehnungskataloges kann also vor allem dann vorliegen, wenn das Gericht die mangelnde Prüfbarkeit des § 244 Abs. 3 StPO entgegen der konkreten Prozeßlage einfach behauptet, um die begehrte und aus gerichtlicher Perspektive überflüssige Beweiserhebung zu vermeiden. In der durch die neuere Rechtsprechung erstmals in der Entscheidung des 3. Senats aufgestellten Forderung, der Zeugenbeweisantrag müsse erkennen lassen, was der Zeuge selbst unmittelbar wahrgenommen hat, liegt aber keine grundsätzlich unzulässige Umgehung des Reaktionspotentials des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. Nicht immer läßt sich die fehlende Information über die Relation zwischen Beweismittel und Beweisthema durch den Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit auffangen.115 In Fällen, in denen ein Zeuge nicht für den Beweis einer wertenden Folgerung, sondern zur Bekundung eines grundsätzlich der unmittelbaren Wahrnehmung zugänglichen Beweisthemas benannt wird116, dem Antrag aber kein Hinweis darauf zu entnehmen ist, in welchem Wahrnehmungsverhältnis der Zeuge zu diesem Beweisthema steht, ist dem Gericht auch die Möglichkeit verwehrt, diese fehlende Substantiierung über den Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit zum Ausdruck zu bringen.117 Ebd. So zutreffend Anders, S. 38. Allerdings reduziert Anders seine Bewertung auf die Frage, ob Zulässigkeitsanforderungen „überspannt“ werden, wenn der Ablehnungskatalog eine alternative Reaktion bereithält. 115 Siehe auch Anders, S. 39. 116 Ob in diesem Fall eine Relativierung des Definitionsmerkmals der Beweistatsache zulässig sein soll, beantwortet die Anmerkung von Schulz, NStZ 1991, 449 (450) nicht ausdrücklich. 117 Zu den Anforderungen des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B I und unten zum Merkmal der Konnexität im weiteren Sinn Teil 2 Kapitel 2 A III 1. Vgl. dazu auch das Beispiel von Widmaier, NStZ 1993, 602 (603): „Geht es um die Beweisfrage, ob der Angekl. sich im vergangenen Jahr an einem bestimmten Abend kurz in einem bestimmten Bierzelt des Münchner Oktoberfestes aufgehalten hat, so ist das Beweismittel ersichtlich geeignet, wenn der Zeuge den Angekl. laut Beweisvortrag dabei selbst begleitet habe, und es ist völlig ungeeignet, wenn eine in diesem Bierzelt tätige Bedienung benannt wird. ( . . . ) Ein Antrag, der hierüber hinweggeht“, ermöglicht dem „Gericht eine Prüfung nicht einmal im Ansatz“. 113 114

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Das berechtigte Interesse des Antragstellers, nur dann mit einer erweiterten Substantiierung belastet zu werden, wenn diese in der konkreten Antragssituation erforderlich ist, und davor geschützt zu sein, daß sich das Gericht unter dem Vorwand der mangelnden Bescheidungsfähigkeit eines aus seiner Sicht lästigen und unerheblichen Beweisbegehrens entledigt, ohne dem Begründungsaufwand des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO unterworfen zu sein, sollte prozessual abgesichert werden. Eine Form verfahrensrechtlicher Absicherung liegt in der Beachtung der gerichtlichen Hinweis- und Fürsorgepflicht118: Der 3. Senat weist in seiner Entscheidung im 37. Band darauf hin, daß das Gericht im Fall einer unbestimmten Beweisbehauptung „durch Befragung des Antragstellers auf Darlegung und Substantiierung der zugrundeliegenden Tatsachen hinwirken“ müsse.119 Im übrigen hat das Gericht nach §§ 244 Abs. 6; 34 StPO in revisionsrechtlich überprüfbarer Weise darzulegen, warum der konkrete Antrag bei Berücksichtigung aller konkreten prozessualen Umstände die Prüfung eines Ablehnungsgrundes nach § 244 Abs. 3 StPO ausschließt. Ein solcher Ablehnungsbeschluß reduziert durch die geforderte Plausibilität der Ablehnungsbegründung die Gefahr, daß das Gericht die eigene Einschätzung von der Aussichtslosigkeit des begehrten Beweises durch den Vorwand mangelnder Bescheidungsfähigkeit verdeckt. Ein Beweisantrag kann nicht allein mit einem formelhaften Hinweis auf das Merkmal der Konnexität als Ermittlungsantrag eingestuft werden, ohne daß die mangelnde Bescheidungsfähigkeit des Antrags im Einzelfall dargelegt wäre.120 Daneben sichert der vor dem Schluß der Beweisaufnahme zu begründende Beschluß die gerichtliche Hinweis- und Fürsorgepflicht und damit die Nachbesserungsmöglichkeiten des Antragstellers ab.121 Die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommene Einordnung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz als Zulässigkeitsvoraussetzung kommt der Kritik von Schulz auch terminologisch entgegen: Werden die für die Anwendbarkeit der Ablehnungsgründe notwendigen Informationen als Sachentscheidungsvoraussetzungen eines nach § 244 Abs. 6 StPO zu begründenden Beschlusses interpretiert, kann das Begriffsmerkmal der Beweistatsache unabhängig von dem im konkreten Antrag benannten Beweismittel definiert werden.

118 LR – Gollwitzer, Rn. 105, 111 – 113 zu § 244 mit weiteren Nachweisen; HK – Julius, Rn. 18 und 24 zu § 244. 119 BGHSt 37, 162 (165). 120 So zum Beispiel der Vortrag des Beschwerdeführers in BGHSt 43, 321 (326); dazu unten Teil 2 Kapitel 2 A I 1. 121 Denn natürlich besteht immer das Risiko, daß das Gericht gerade zur Vermeidung der Nachbesserung nicht auf die weitere Substantiierung des Beweisbegehrens drängt.

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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III. Begrenzte Substantiierungsmöglichkeiten des Antragstellers Unabhängig von diesen dogmatischen Erwägungen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit dem Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht oder zum Zweck der Wahrung berechtigter Verteidigungsinteressen Substantiierungsgrenzen gesetzt sind. Die Option, in eine sich verfestigende gerichtliche Überzeugung korrigierend einzugreifen, bedarf nicht nur einer rechtlichen Ausgestaltung, sondern muß für den Antragsteller und damit in der Regel den Angeklagten und seine Verteidigung122 auch praktizierbar sein. Der Grundsatz des fairen Verfahrens123, den das Bundesverfassungsgericht inhaltlich vor allem als ein „Recht auf wirksame Verteidigung“124 konkretisiert hat, gebietet es zum einen, dem Angeklagten möglichst effektive prozessuale Handlungsmöglichkeiten125 einzuräumen, zum anderen zu gewährleisten, daß der Entlastungsbeweis nicht strengeren Voraussetzungen unterworfen wird, als der Belastungsbeweis.126 Ein Teil der Literatur stützt daher seine Kritik auf die tatsächlichen Schwierigkeiten des Antragstellers, die im Einzelfall eine Substantiierung des Antrags im Sinne des engen Konnexitätsverständnisses unmöglich machen oder unzumutbar erscheinen lassen.127 Die Übertragung der für die Bescheidungsfähigkeit notwendigen Informationen auf den Antragsteller ist nach Ansicht Gollwitzers nur unter der Voraussetzung unbedenklich, daß der Antragsteller „nur Tatsachen unter Beweis stellen“ darf, „von denen er glaubt, sichere Kenntnis zu haben“; denn dann „wäre es kein unbilliges Verlangen von ihm stets ins Detail gehende Tatsachenangaben zu fordern“.128 Das von der herrschenden Meinung spätestens seit der Kor122 Daß diese Substantiierungsanforderungen in gleicher Weise auch den Nebenkläger treffen können, soll im Folgenden sprachlich nicht als Alternative mitgeführt werden. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den faktisch vorrangigen Fall der Stellung eines Beweisantrages durch den Angeklagten bzw. seinen Verteidiger. 123 BVerfGE 57, 250 (275); 63, 45 (61); 70, 297 (308); BVerfG StV 1997, 1 (2); Steiner, S. 35 ff.; 166 f.; Schatz, S. 270 ff.; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Einleitung Rn. 19; Basdorf, StV 1995, 310 (313). 124 So die Interpretation bei Degenhart, § 76 Rn. 29, 36 ff.; 39; vgl. auch die Zusammenfassung bei Schatz, S. 271. 125 BVerfGE 57, 250 (275, 279 f.); 63, 45 (68); BVerfG StV 1997, 1 (2). 126 Zum Prinzip der sog. „Waffengleichheit“ siehe: BVerfGE 38, 105 (111); 63, 45 (61); Perron, S. 61 ff. Damit ist nicht eine formale Gleichstellung gemeint, die angesichts der inquisitorischen Struktur des Strafprozesses nicht durchführbar ist, sonder das Ziel der Herstellung eines Prozeßgleichgewichts durch Abbau sachlich nicht gerechtfertigter Benachteiligungen des Angeklagten. Diesem Ziel dient die kompensatorische Funktion des Beweisantragsrechts: Schulz, StV 1991, 354 (359 ff.); Strate, StV 1990, 392; Bernsmann, ZRP 1994, 331; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Einleitung Rn. 88; Beulke, Rn. 37 ff. 127 Eisenberg, Rn. 146; LR – Gollwitzer, Rn. 105, 105 a, 107, 113 zu § 244; Gollwitzer, JR 1991, 472 (473); Hamm / Hassemer / Pauly, Rn. 114. Der Einwand, daß das Merkmal der Konnexität die konkrete Antragsformulierung unmöglich macht (Hamm, StV 1993, 455; Sarstedt / Hamm, Rn. 586 ff.) wird unten im Rahmen der Darstellung typischer Fallkonstellationen behandelt: siehe Teil 2 Kapitel 3 B I 2 (a).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

rektur der sogenannten „Vermutungs“-Rechtsprechung wieder anerkannte und auch von der hier referierten Rechtsprechung nicht bestrittene129 Recht des Antragstellers, auch nur vermutete Tatsachen in Form einer bestimmten Behauptung unter Beweis zu stellen, muß auch vor dem Hintergrund der strukturellen Korrespondenzbeziehung von Ablehnungskatalog und Beweisantragsrecht als Grenze der Konkretisierungsmöglichkeit des Antragstellers berücksichtigt werden.130 Diese Einwände werden in der Literatur zu Recht erhoben: Die Konkretisierung eines Beweisantrags durch Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung der zu befragenden Beweisperson setzt voraus, daß sich der Antragsteller Informationen über den Kenntnisstand des Zeugen verschafft, was die Ermittlung und Befragung der Beweisperson auf Seiten des Antragstellers und die Aussage- bzw. Informationsbereitschaft auf Seiten des Zeugen voraussetzt. Damit setzt das enge Konnexitätskriterium Kenntnisse über die Beweisperson voraus, die dem Antragsteller wohl nicht immer zur Verfügung stehen und die er auch de lege lata nicht ermitteln muß bzw. unter zumutbaren Bedingungen nicht immer ermitteln kann. In der Praxis der Strafverteidigung, so Hamm, lasse sich über eigene Ermittlungen oder durch Informationen eines Mandanten oft nicht mehr herausfinden, als die Behauptung, daß ein Zeuge ein bestimmtes Wissen habe.131 Nicht zuletzt aufgrund der tatsächlichen Unmöglichkeit der Verteidigung, zur Antragsvorbereitung auf einen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeit entsprechenden Apparat von Zwangsmaßnahmen zurückzugreifen, die es ermöglichten, den Zeugen zu veranlassen, weitergehende Fragen nach den Wahrnehmungsquellen seines Wissens zu beantworten, würde eine ausnahmslose Übertragung der Last der Informationsgewinnung und -darlegung den angeklagten Antragsteller unangemessen benachteiligen. 132 Es muß genügen, daß der Antragsteller die Beweistatsache so genau und vollständig bezeichnet, wie das nach den Umständen des Einzelfalls billigerweise von ihm verlangt werden kann, so daß das Gericht die begrenzten Substantiierungsmöglichkeiten der Verteidigung in die Entscheidung über die begehrte Beweisaufnahme mit einstellen muß.133 Die Position, daß die Darlegung der notwendigen Prüfungsvorausssetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auch zuzumuten134 ist, erscheint zu pauschal. Um eine allzu formalistische135 Handhabung der hier erläuterten Darlegungslast zu vermeiden, müssen Ausnahmefälle anerkannt werden.

Gollwitzer, JR 1991, 472 (473) = Anmerkung zu BGH JR 1991, 470 = BGHSt 37, 162. BGHSt 37, 162 (165, 166); siehe auch Gollwitzer, JR 1991, 472 (473) = Anmerkungen zu BGH JR 1991, 470 = BGHSt 37, 162. 130 Gollwitzer, JR 1991, 472 (473) = Anmerkungen zu BGH JR 1991, 470 = BGHSt 37, 162. 131 Hamm, StV 1993, 454 (458). Siehe auch Jungfer, StV 1981, 100. 132 Hamm, StV 1993, 454 (458). Widmaier, NStZ 1993, 602 mit Zitat von Alsberg in FS für Heinitz, 416 (431); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 44 ff. 133 LR – Gollwitzer, Rn. 104 zu § 244. 134 BGHSt 37, 162 (166). 128 129

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es, dem Antragsteller keine Substantiierung abzuverlangen, deren Darlegung für ihn objektiv unmöglich ist. Daher sind die Anforderungen, die an den Antragsteller hinsichtlich der Beschaffung von Informationen zu stellen sind, im Einzelfall zu überprüfen. Sicher würde der Vortrag des Antragstellers, daß ihm Einzelheiten bzgl. der Wahrnehmung der konkreten Beweisperson nicht bekannt sind, nicht genügen. Ein plausibler Vortrag, der den Antragsteller von der Last zur Darlegung der Konnexität befreien könnte, wäre aber zum Beispiel ein Hinweis darauf, daß sich der Zeuge in Untersuchungshaft befand und der Antragsteller keine Besuchserlaubnis erhalten hat. Ausreichend zur Entlastung wäre sicherlich auch der Vortrag, daß der Zeuge sich geweigert hat, seine Informationen über das verfahrensgegenständliche Geschehen gegenüber dem Antragsteller zu präzisieren. Ebenso müßte sich das Gericht wohl mit einer Erklärung begnügen, aus der hervorgeht, daß der Zeuge unerreichbar war oder daß eine Verständigung zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers ausgeschlossen ist. Auch die zeitliche Unmöglichkeit der weiteren Substantiierung des Antrags, die immer dann gegeben sein kann, wenn der Antragsteller erst im Verlauf der Hauptverhandlung von der Möglichkeit einer weiteren Zeugenvernehmung erfährt, würde hier die Zulässigkeit des Antrags begründen. Eine unzumutbare Belastung könnte sich auch daraus ergeben, daß der Antragsteller zur weiteren Substantiierung seines Beweisbegehrens über Informationen zu organisatorischen Strukturen einer bestimmten Institution verfügen müßte, die für ihn nicht ohne weiteres zu gewinnen sind. Soll der Zeuge zum Beispiel über einen bestimmten Vorgang innerhalb des Landeskriminalamtes (LKA) aussagen und ist der Antragsteller weder mit der Organisation des LKA noch mit der Funktion und den Aufgaben des Zeugen innerhalb dieser Organisation vertraut und werden ihm diese Informationen nicht ohne weiters zur Verfügung gestellt, so kann die fehlende Präzisierung des Antrags nicht zu seinen Lasten ausfallen.136 Kann der Antragsteller im Sinne der hier beispielhaft angeführten Fallgruppen plausibel darlegen, daß es ihm unmöglich bzw. unzumutbar war, den konkreten Wahrnehmungsvorgang, der den Zeugen mit der Beweisbehauptung verbindet, zu ermitteln, kann er sich von der Last der Darlegung des Konnexitätserfordernisses befreien. Sowohl der 3. Senat als auch der 5. Senat verkennen nicht, daß der Antragsteller die zu bezeichnende „Tatsache nicht immer kennt und daß er möglicherweise nicht immer in der Lage ist, selbst Ermittlungen vorzunehmen“.137 Diese Erkenntnis führt aber nicht zu einer Lockerung der formalen Anforderungen im Einzelfall. Die Ausführungen der hier referierten Rechtsprechung beschränken sich vielmehr 135 Widmaier, NStZ 1993, 602, 603; Eisenberg, Rn. 146; LR – Gollwitzer, Rn. 105, 105 a, 107, 113 zu § 244. 136 Ob und wenn ja inwieweit diese Umstände im Rahmen der Entscheidung BGH NStZ 1998, 97 berücksichtigt wurden, kann den Entscheidungsgründen nicht entnommen werden. 137 BGHSt 37, 162 (165 f.). So auch andeutungsweise BGH NStZ 1998, 97 (98).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

darauf festzustellen, daß in den zu entscheidenden Antragskonstellationen kein Anlaß bestand, davon auszugehen, daß dem Antragsteller die konkreten Substantiierungen nicht zugemutet werden konnten. Auf welcher tatsächlichen Grundlage diese Feststellung getroffen wurde oder wie sie fairerweise getroffen werden sollte, lassen die Entscheidungen offen.138 Wird das Nichtvorliegen eines Ausnahmefalls einfach unterstellt, ist aber für den Schutz der berechtigten Verteidigungsinteressen nichts gewonnen. Daher bedarf es einer verfahrensrechtlichen Absicherung des Antragstellers, damit nicht die faktische Unmöglichkeit einer entsprechenden Vorbereitung des Antrags die Korrektur einer fehlerhaften gerichtlichen Sachverhaltshypothese verhindert, indem der Antragsteller wegen mangelnder Substantiierung des Antrags auf das Beweiserhebungsniveau des § 244 Abs. 2 StPO zurückgeworfen wird.139 Um zu verhindern, daß das Gericht nicht nur dem zur Konkretisierung unwilligen, sondern auch dem verfahrenskonform handelnden, aber zu weiterer Darlegung unfähigen Antragsteller die begehrte Beweiserhebung verwehrt, ist es in besonderem Maße dazu verpflichtet, durch sorgfältige Hinweise den Grund der mangelnden Bescheidungsfähigkeit des Antrags darzulegen und den Antragsteller zu weiteren Darlegungen aufzufordern und damit dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, seine Unvermögen zu weiterer Substantiierung für den Fall der konkreten Antragstellung plausibel darzulegen. Vermag der Antragsteller in diesem Wechselspiel von Frage und Antwort einen plausiblen Grund zu benennen, der ihm eine weitere Substantiierung unmöglich macht, ist ausnahmsweise trotz mangelnder Bescheidungsfähigkeit des Prozeßbegehrens von einer zulässigen Beweisantragstellung auszugehen. Ergibt also die gerichtliche Überprüfung der Plausibilität der im Einzelfall vorgetragenen Gründe, daß der Nachweis der Konnexität (im engeren Sinn) unmöglich oder mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden ist, so hat das Gericht dem Antrag der Verfahrensbeteiligten durch eine Beweiserhebung zu entsprechen oder die Prüfungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 StPO im Freibeweisverfahren zu ermitteln. In diesen Fällen gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht, bei der Realisierung des Beweiserhebungsanspruch des Antragstellers Hilfestellung zu leisten. Die gerichtliche Kontrolle, ob der Antragsteller einen Ausnahmefall fehlender Konkretisierungsmöglichkeit plausibel darlegt, ist mit den Grundsätzen eines eigenständigen Beweisantragsrechts vereinbar. Denn das Gericht beschränkt sich auf die vom Gelingen der begehrten Beweiserhebung unabhängige Überprüfung, ob zum Beispiel nachvollziehbare Gründe dafür vorliegen, daß dem Antragsteller die Befragung eines Zeugen vor der Antragstellung unmöglich war, etwa weil der Zeuge zu einer Erklärung gegenüber dem Antragsteller nicht bereit ist oder ob 138 BGHSt 37, 162 (166); BGH NStZ 1998, 97 (98): „Es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß hier ein Ausnahmefall gegeben sein könnte, bei dem der Bf. zu den erforderlichen konkreten Angaben etwa außerstande gewesen wäre“. 139 Gollwitzer, JR 1991, 472 (473); Perron, S. 93 ff.

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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andere Gründe der Unmöglichkeit weiterer Substantiierung plausibel vorgetragen wurden. Die Anerkennung entsprechender Ausnahmefälle ist auch mit dem Bedürfnis begrifflicher Klarheit und der Beachtung des Gebotes der Rechtssicherheit vereinbar. Zum einen betreffen diese Ausnahmefälle nach der hier favorisierten Lösung nicht den Begriff des Beweisantrags, sondern nur die am Einzelfall vorzunehmende Zulässigkeitsprüfung. Zum anderen kann eine in der Rechtsprechung zu entwickelnde Bildung vergleichbarer Fallgruppen dafür sorgen, daß für den Antragsteller die Chancen einer konkreten Beweiserhebung und das Ausmaß der von ihm zu erbringenden Darlegungslast vorhersehbar werden und die Ablehnungsbegründung des Gerichts einen einheitlichen Überprüfungsmaßstab erhält. In der Literatur wird darüber hinaus zu bedenken gegeben, daß die Verteidigung ein legitimes Interesse daran haben könne, ihre Informationsquellen nicht offenzulegen.140 Die mit der Konnexität im engeren Sinn statuierte Darlegungslast könne mit Vertraulichkeitszusagen und dem Schweigerecht des Angeklagten in Konflikt geraten. Wolle ein Angeklagter, der sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache einlasse, durch einen Beweisantrag die Gestaltung der Beweisaufnahme beeinflussen, werde er nach der neueren Rechtsprechung gezwungen, seine Kenntnisse über das Wissen eines bestimmten Zeugen preiszugeben oder auf den beantragten Beweis zu verzichten, wenn er z. B. gerichtliche Rückschlüsse auf seine Tatbeteiligung verhindern wolle.141 Der Einwand, daß Vertraulichkeitszusagen des Antragstellers oder der Verteidigung eine Substantiierung im Sinne der Konnexität unzumutbar erscheinen lassen, kann dagegen nicht überzeugen. Ist der Antragsteller bestrebt, diejenigen Tatsachen geheimzuhalten, aus denen sich der konkrete Wahrnehmungsvorgang ergibt, der den Zeugen mit der Beweistatsache verbindet, verbietet sich gerade, einen Antrag auf Vernehmung der Beweisperson zu stellen, denn spätestens in der Beweisaufnahme würden die Tatsachen offenbart.142 Auch der Schutz eines Informanten kann nicht in Betracht kommen. Ist der Zeuge selbst der Informant, so läge bereits in seiner Benennung die Aufdeckung der Quelle, bezieht der Zeuge dagegen seine Informationen von einer dritten Person, so müßte die Substantiierung des Antrags, die angibt, was Gegenstand der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen ist, diese Quelle seiner Informationen nicht offenlegen.

Schulz, StV 1985, 312 (314). Hamm / Hassmer / Pauly, Rn. 114; Hamm, StV 1993, 454 (458); im Anschluß daran Strate, StV 1994, 171 (172); zur insoweit parallelen Kritik an weitergehenden Darlegungslasten im Rahmen der sog. Vermutungsrechtsprechung: Schulz, StV 1985, 312 (314); Julius, MDR 1989, 116 (118, 119); Gollwitzer, StV 1990, 420 (424); Frister, StV 1989, 380 (382). 142 Es sei denn, das Geheimhaltungsinteresse bezöge sich ausschließlich darauf, daß bestimmte Tatsachen in der Zeit zwischen Antragstellung und Beweiserhebung nicht bekannt werden. 140 141

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

IV. Zusammenfassende Stellungnahme Der unter dem Stichwort der Konnexität (im engeren Sinn) zusammengefaßte Informationsgehalt ist für die sachgerechte inhaltliche Prüfung der beweisthemenbezogenen Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO eine notwendige Voraussetzung. Die Last der Gewinnung und Darlegung dieser notwendigen Information kann unter Einhaltung gewisser prozessualer Schutzvorkehrungen und bei Beachtung der im Einzelfall bestehenden Grenzen des Möglichen und Zumutbaren auf den Antragsteller übertragen werden. Soweit eine allzu formalistische Handhabung der Substantiierungsanforderungen vermieden wird, wird nach dem Ergebnis der hier vorgenommenen Bewertung der eigenständige Charakter des Beweisantragsrechts dadurch nicht verletzt. Der pauschale Vorwurf, das Kriterium der Konnexität verletze das Beweisantizipationsverbot143, ist jedenfalls im Hinblick auf das Kriterium der Konnexität im engeren Sinn unbegründet. Der methodische Ansatzpunkt des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz im allgemeinen und des Kriteriums der Konnexität läßt sich auch nicht auf das Bedürfnis vereinfachter Ablehnung eines Beweisantrags reduzieren.144 Die gerichtliche Forderung, der Antrag müsse seine Bescheidung nach §§ 244 Abs. 3; Abs. 6 StPO ermöglichen, folgt zunächst aus der Notwendigkeit, den inhaltlichen Anforderungen einer prozeßrechtskonformen Prüfung der Ablehnungsgründe gerecht zu werden, die dem Gericht abverlangen, die Beziehung zwischen den Beweisantragselementen nicht allein auf der Grundlage des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme zu bewerten. Zu Recht heben der 3. Senat145 und die daran anschließende Anmerkung von Schulz146 hervor, daß ein erweiterter Informationsbedarf aus der „Beschränkung der Ablehnungsgründe in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO“ heraus entsteht. Der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz dient daher auch der Absicherung der strengen inhaltlichen Anforderungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO; eine permanente Unanwendbarkeit des Ablehnungskataloges aus Gründen der sprachlichen Gestaltung der Antragstellung birgt die Gefahr der Aufweichung der strengen inhaltlichen Begründungsanforderungen und könnte damit einen weitaus intensiveren Eingriff in die Mitwirkungsbefugnisse der Prozeßbeteiligten zur Folge haben.147 Die von der Literatur vorgetragene Kritik am Merkmal der Konnexität (im engeren Sinn) läßt keinen vernünftigen Grund erkennen, warum einem Antragsteller die Darlegung für das Gericht notwendiger und die verfahrensrechtliche Stellung des Antragstellers schützender Informationen nicht auferlegt werden sollte, wenn 143 144 145 146 147

Fezer in Festgabe BGH, 847 (871, 872); Herdegen, NStZ 1999, 176 (181). Fezer in Festgabe BGH, 847 (871); Herdgen, NStZ 1999, 176 (181). BGHSt 37, 162 (165). Schulz, NStZ 1991, 449. Ebd.

1. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Antrags

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ihm die weitere Konkretisierung seines Beweisbegehrens möglich und zumutbar ist. Eine ausnahmslose Belastung der Gerichte mit den für die Bescheidungsfähigkeit des Antrags notwendigen Ermittlungen führt zu einer einseitigen Begünstigung der Verhandlungsmacht der Verteidigung. Es ist Ausdruck eines legitimen prozeßökonomischen Interesses des Gerichts gerade bei Anträgen, die keinerlei Konnex zwischen Beweismittel und Beweistatsache erkennen lassen, den Zweifel an der Erheblichkeit der begehrten Beweiserhebung zum Ausdruck zu bringen. Ein Antrag, der nicht erkennen läßt, was der benannte Zeuge im Kern bekunden soll, begründet aus gerichtlicher Perspektive den nachvollziehbaren Verdacht, daß die Erwartung des Antragstellers, daß die Beweisbehauptung durch benannten Zeugen bestätigt wird, auf extrem schwacher indizieller Basis steht oder ohne tatsächliche Anhaltspunkte aufgestellt wurde.148 Das Merkmal der Konnexität im engeren Sinn ermöglicht den Gerichten Antragskonstellationen, die von Widmaier mit dem Stichwort der „aufgeblähten Beweisbehauptung“149 bezeichnet werden, zu begegnen: Das Risiko einer Ablehnung wegen faktischer Bedeutungslosigkeit einer Beweistatsache soll der Antragsteller nicht dadurch umgehen können, „daß er anstelle der vom Zeugen wahrgenommenen Indiztatsache kurzerhand das von ihm daraus gefolgerte Geschehen vorträgt und den Zeugen – unter Weglassung des schlußfolgernden Zwischenschritts – unmittelbar hier für diese Tatsache benennt“.150 Damit dient das Kriterium der Konnexität dem berechtigten Interesse der Gerichte, der Möglichkeit einer beliebigen Verknüpfung von Beweismittel und Beweisthema zu begegnen, und es sichert dieses Interesse effektiver ab als eine Substantiierungsanforderung, die sich allein mit einer „prozessualen Verknüpfung“ der Beweisantragselemente begnügt.151 Der gegenüber dem Kriterium der Konnexität erhobene Vorwurf der Begrenzung berechtigter Verteidigungsinteressen ist auch deshalb zu relativieren, weil es sich letztlich nur um eine Formulierungslast152 handelt, die der versierte Verteidiger leicht erbringen kann. Eine „Substantiierung ins Blaue“153 wird nicht ausgeschlossen. Das Risiko, daß der Antragsteller einfach fabuliert, kann nicht wirksam verhindert werden. Denn natürlich wird es – soweit der behauptete Sachverhalt einer unmittelbaren Wahrnehmung zugänglich ist154 – unschwer möglich sein, diese BGHSt 37, 162; 39, 251; Widmaier, NStZ 1993, 602 (603); Julius, StV 1999, 86 (87). Widmaier, NStZ 1993, 602, 603 (Hervorh. im Origial). 150 Widmaier, NStZ 1993, 602 (603). 151 Anders Sarstedt / Hamm, Rn. 589: Dem Erfordernis der Konnexität werde bereits Genüge getan, wenn der Antragsteller eine prozessuale Verknüpfung zwischen der Benennung des Zeugen und dessen sachbezogenen Wissen mit der Formulierung „zum Beweis der Tatsache, daß . . .“ oder „durch die Vernehmung wird bewiesen werden, daß . . .“ kenntlich gemacht hat. 152 Siehe dazu auch Anders, S. 39, 44. 153 Vgl. zu diesem Ausdruck im Zusammenhang mit weitreichenderen Begründungszwängen des Beweisantragstellers Schatz, S. 356 (m. w. N.). 148 149

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Wahrnehmung für den im Antrag benannten Zeugen auch ohne jeden Anhaltspunkt oder wider besseren Wissen zu behaupten. Ebenso kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch der Vortrag der mangelnden Konkretisierungsmöglichkeiten erdichtet ist. In diesen Fällen reduziert sich die Forderung der weiteren Substantiierung auf einen mißachteten Appell an die Einhaltung redlichen prozessualen Verhaltens.155 Der mangelnden Effizienz zur Verhinderung mißbräuchlicher Antragstellung als Konsequenz einer Substantiierung, die sich im Ergebnis als Formulierungslast darstellt, begegnet auch die dem Begriff der Konnexität eigene Dynamik. Die von Schulz als Relativierung156 der Beweistatsache beschriebene Verknüpfung von Zeugenwahrnehmung und Beweisbehauptung verselbständigt sich in der Rechtsprechung des BGH zu einem von der Substantiierung der Beweistatsache unabhängigen dritten formalen Element157: Nach dem weiteren Konnexitätsverständnis wird der Antragsteller seiner Konkretisierungspflicht nicht bereits gerecht, wenn er die Beweistatsache als eigene Wahrnehmung des Zeugen behauptet. Nun hat der Antragsteller darzulegen „weshalb“ der Zeuge überhaupt eine bestimmte Wahrnehmung gemacht haben konnte.

2. Kapitel

Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags unter dem Aspekt der Prüfung der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels Soll dem Gericht durch einen Beweisantrags die Anwendbarkeit des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels ermöglicht werden, so sind Angaben erforderlich, die die begründete Annahme, daß das Beweismittel mit Sicherheit keinerlei Beweiswert haben wird, stützen oder ausschließen.1

154 Anders im Fall der wertenden Beweisbehauptung oder bei Angabe einer Sachverhaltsnegation, siehe dazu unten Teil 2 Kapitel 3 B I, II. 155 Widmaier, NStZ 1993, 602 (603) beklagt die fehlende Professionalität einer Antragstellung, die jedes Konnexvortrages entbehrt. Zur Führung eines fairen Dialogs in der Beweisantragssituation siehe auch Sarstedt / Hamm, Rn. 576, 584; Hamm / Hassemer / Pauly, Rn. 114 (a. E.). 156 Schulz, NStZ 1991, 449 (450). 157 Vergleiche die Substantiierungsanforderungen nach BGHSt 39, 251(254) und BGHSt 43, 321 (329, 330). Siehe dazu unten Teil 2 Kapitel 2 A II. 1 Siehe dazu oben Teil 1 Kapitel 2 B I 3.

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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A. Entwicklung der neueren Rechtsprechung Damit ein Beweisantrag die Bescheidungspflicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auslösen kann, verlangen neuere Entscheidungen des 1. und der 3. Strafsenats, daß der Antragsteller den inneren Zusammenhang zwischen Beweismittel und Beweistatsache soweit präzisiert, daß erkennbar wird, „weshalb der Zeuge seine Wahrnehmungen machen konnte“. Auch diese formale Anforderung wird mit dem Stichwort der Konnexität gekennzeichnet.2

I. Darstellung der einzelnen Entscheidungen Im Urteil des 3. Senats vom 28. November 1997 taucht das Merkmal der Konnexität als formelhafte Beschreibung der Bescheidungsfähigkeit eines Zeugenbeweisantrages bereits im amtlichen Leitsatz der Entscheidung auf.

1. Die Entscheidung BGHSt 43, 321 Der 3. Senat nimmt im Rahmen eines obiter dictum ausführlich Stellung zu den in formaler Hinsicht für einen Beweisantrag notwendigen Konkretisierungen.3 Er geht dabei insbesondere auf die Frage ein, inwieweit ein Beweisantrag den Nachweis verlangt, daß der im Antrag bezeichnete Zeuge die behauptete Tatsache wahrnehmen konnte. Dem Urteil lag folgender – auch als „Fall Wienand“4 bekannter – Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte W., den das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für die DDR gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt hatte, stützte seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts und auf Verfahrensrügen. Die Revision blieb ohne Erfolg. Dabei waren nach Ansicht des 3. Senats die Verfahrensrügen, mit denen „der Angeklagte die rechtliche Behandlung eines Beweisantrages sowie von acht der insgesamt 84 gestellten Hilfsbeweisanträge durch das Landgericht“ beanstandete, unbegründet.5

BGHSt 43, 321 (329, 330); BGH NStZ 2000, 437 (438). Urteil des 3. Senats veröffentlicht in: BGHSt 43, 321 = StV 1998, 195 = NJW 1998, 1723 = BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag Nr. 33 „Konnexität“. Siehe auch die Anmerkung von Schlüchter / Duttge, NStZ 1998, 618. 4 So der Titel in NJW 1998, 1723 und NStZ 1998, 618. 5 BGHSt 43, 321 (325). 2 3

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

In Zusammenhang mit dieser Arbeit soll allein der mit der Nummer 16 gekennzeichnete Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Zeugen Stu. näher erläutert werden6: Die Verteidigung hatte für den Fall der Verurteilung des Angeklagten den Zeugen Stu. zu den drei folgenden Beweisthemen benannt: Beweisthema 1: Der Angeklagte habe weder von dem Mitangeklagten und Nichtrevidenten V. (der nach den Feststellungen des Urteils als Offizier im besonderen Einsatz für die Leitung der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) tätig war), noch von einer anderen Person, die mit dem MfS der ehemaligen DDR in Verbindung zu bringen sei, unmittelbar oder mittelbar irgendwelche finanziellen Zuwendungen erhalten.7 Beweisthema 2: Der Zeuge Stu. sei seit 1959 Mitarbeiter der HVA gewesen und habe bis 1984 als operativer Mitarbeiter der Abteilung I Referat 6 – und damit für das Referat, das für die Organisation der dem Angeklagten vorgeworfenen Tätigkeit zuständig war – gearbeitet.8 Beweisthema 3: Die Legende V.‘s habe sich als sehr stabil erwiesen und eine nachrichtendienstliche Werbung des Angeklagten sei nicht geplant gewesen, da dies den Gesprächskontakt beendet hätte.9

Das Revisionsvorbringen, mit dem die Verteidigung des Angeklagten rügt, daß das Oberlandesgericht die beantragte Vernehmung der Zeugen „durch formelhaftschematische Anwendung des sog. Konnexitätserfordernisses zwischen Beweisthema und Beweismittel zu Unrecht abgelehnt und dadurch gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen“ habe, ist nach Ansicht des 3. Senats unbegründet.10 Die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Stu., die sich zu den Beweisthemen (1) und (3) vornehmlich darauf stütze, daß die Anträge keine konkreten Tatsachen, sondern lediglich die Beweisziele des Antragstellers benennen würden und daher nicht als Beweisanträge zu behandeln seien, sei vor dem Hintergrund der Entscheidungen BGHSt 37, 162 und BGHSt 39, 251 nicht zu beanstanden.11 In den weiteren Ausführungen des Urteils liefert der 3. Senat eine Zusammenfassung der drei formalen Kriterien, die ein Zeugenbeweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO notwendig voraussetze: An erster Stelle stehe das Erfordernis 6 Vgl. die Auflistung der einzelnen Anträge BGHSt 43, 321 (326). Im Zusammenhang mit dem hier interessierenden Merkmal der Konnexität werden die Hilfsbeweisanträge 13, 16 und 55 benannt. In denen die Vernehmung der Zeugen S., Stu. und G. beantragt wurde. Da bzgl. des Hilfsbeweisantrages Nr. 55 (Zeuge G.) keine weiteren Erläuterungen zur Konnexität erfolgen (S. 332, 333) und die Behandlung des Antrags Nr. 13 (Zeuge S.) insoweit auf den Hilfsbeweisantrag Nr. 16 (Zeuge Stu.) verweist (S. 327), konzentrieren sich die folgenden Ausführungen aus Gründen der Übersichtlichkeit allein auf Hilfsbeweisantrag Nr. 16. 7 BGHSt 43, 321 (322, 327). 8 BGHSt 43, 321 (322, 327). 9 BGHSt 43, 321 (327). 10 BGHSt 43, 321 (326). 11 BGHSt 43, 321 (327, 328).

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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einer konkreten und bestimmten Tatsachenbehauptung. Als weitere Anforderung an einen auf Zeugenvernehmung gerichteten Beweisantrag komme hinzu, „daß der Zeuge die behauptete Tatsache aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden“ könne. Dies müsse „– wenn auch nur im Wege der Auslegung – aus dem Antrag hervorgehen“. Seien diese beiden Voraussetzungen gegeben, könne „u. U. noch eine dritte hinzutreten, die sogenannte Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung, die im Falle des Zeugenbeweises nur bedeutet, daß der Antrag erkennen lassen muß, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll“.12 Dieser Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel, der sich aus den Hinweisen ergeben kann, wie denen, daß der Zeuge „am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw.“, wird sich zwar „in vielen Fällen von selbst verstehen; jedoch sind Fälle denkbar, in denen ( . . . ) zwar konkrete und bestimmte Behauptungen aufgestellt werden, ( . . . ) der Antrag jedoch nicht erkennen läßt, weshalb der Zeuge seine Wahrnehmung machen konnte. In diesen Fällen bedarf es der näheren Darlegung der erforderlichen Zusammenhangs, der Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel“.13

2. Die Entscheidung BGH NStZ 2000, 437 Das Konnexitätsverständnis des 3. Senats wird durch den Beschluß des 1. Senats vom 29. 02. 2000 bestätigt. Zusätzlich zu der Behauptung, daß die Beweisperson die Beweistatsache selbst unmittelbar wahrgenommen habe, müsse der auf Vernehmung eines Zeugen gerichtete Beweisantrag erkennen lassen, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll. Die Revision, die mit der Verfahrensrüge Erfolg hat, wendet sich gegen die Ablehnung eines Beweisantrages der Verteidigung, der mit dem Ziel gestellt worden war, die Glaubwürdigkeit einer Aussage des Mitangeklagten zu widerlegen.14 Im Zusammenhang mit der Feststellung des 1. Senats, daß die Strafkammer den Beweisantrag zu Unrecht mit der Begründung ablehnte, daß die Verteidigung die Beweistatsachen „aufs Geratewohl behauptet“ hatte, während eine Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Hilfstatsachen hätte begründet werden können, führt der erste Senat aus, daß der auf die Vernehmung eines Zeugen gerichtete Antrag hinreichend bestimmt war. Ein entsprechendes Beweisbegehren verlange „sowohl die Behauptung einer konkreten Tatsache als auch die Behauptung, daß der Zeuge diese Tatsache aus eigener Wahrnehmung bekunden kann“. „Darüber hinaus“ müsse „erkennbar sein, ( . . . ), weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll. In Fällen, in denen sich dieser Zusammen12 BGHSt 43, 321 (329) stützt dies Voraussetzung auf BGH StV 1998, 61 (62) = Urteil vom 23. 10. 1997; BGHSt 40, 3 (6); und die Anmerkung Widmaiers zu BGHSt 39, 251 in NStZ 1993, 602 f. (Hervorhebung im Zitat d. Verf.). 13 BGHSt 43, 321 (330) (Hervorhebungen d. Verf.). 14 Vgl. die Auslegung des Antrags durch den 1. Senat NStZ 2000, 437 (438).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

hang nicht von selbst versteht, ist die ,Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel‘ näher darzulegen“.15 Im konkreten Fall ergab sich dieser Zusammenhang nach Ansicht des 1. Strafsenats „nach den dargelegten Erläuterungen“ des Antrags.16 Der Beschluß des 1. Senats ist nach der Entscheidung des 5. Senats in NStZ 1997, 98 und dem Urteil des 3. Senats in BGHSt 43, 321 die dritte Entscheidung, die zur Definition des Konnexitätserfordernisses auf die Formulierung zurückgreift, daß der Antrag erkennen lassen muß, „weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll“. Wie bereits im Zusammenhang mit der oben referierten Entscheidung des 5. Senats17 ausgeführt, bezeichnet diese Formulierung den Gegenstand der Substantiierung nicht eindeutig: Möglich ist zum einen, daß mit dieser Formulierung – wie in der Entscheidung des 5. Senats aus dem Jahre 1997 – nur verlangt wird, anzugeben, ob der Zeuge das Beweisthema selbst unmittelbar wahrgenommen hat, oder daß entsprechend der Entscheidung des 3. Senats angegeben werden soll, weshalb der Zeuge eine unmittelbare Wahrnehmung machen konnte. Der 1. Senat schließt sich der Interpretation des 3. Senats an und verlangt über die Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung hinausgehende Informationen.

3. Die Entscheidungen BGH NStZ 1999, 522 und NStZ – RR 2001, 43 In zwei weiteren Entscheidungen heben der 1. Senat und der 3. Senat ebenfalls das Merkmal der Konnexität als formale Voraussetzung eines ordnungsgemäßen Beweisantrags hervor. Welche konkreten Substantiierungen unter Bezug auf diesen Begriff gefordert werden, läßt sich den Entscheidungen jedoch nicht entnehmen, da jeweils auf die mehrdeutige Definition des Konnexitätskriterium zurückgegriffen wird. Der Beschluß des 1. Senats vom 22. 6. 1999 führt aus, daß das Landgericht den in der Hauptverhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag drei „Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, daß der Hauptbelastungszeuge das Grundstück des Angeklagten zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht kannte“, zu Recht als Beweisermittlungsantrag behandelt hat. Da nicht erkennbar war, „ob zwischen Beweismittel und Beweistatsache Konnexität besteht, d. h. weshalb die Zeugen überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können“, konnte das Gericht „die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels nicht sinnvoll prüfen“.18

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Unter Hinweis auf BGHSt 43, 321 (329 f.): BGH NStZ 2000, 437 (438). BGH NStZ 2000, 437 (438). Siehe oben Teil 2 Kapitel 1 A I 4. BGH NStZ 1999, 522.

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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Soweit sich der Hilfsbeweisantrag auf den im Beschluß des 1. Senats wörtlich zitierten Informationsgehalt beschränkte, bezog er sich auf die Behauptung einer Negativtatsache19, mit der ein innerer, nicht beobachtbarer Vorgang bezeichnet wurde. Der Antrag ließ daher weder erkennen, auf welche unmittelbare Wahrnehmung welcher der Zeugen die Erkenntnis stützt, daß der Hauptbelastungszeuge das Grundstück des Angeklagten zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht kannte, noch enthält er Angaben darüber, weshalb die Zeugen solche unmittelbar eigenen Wahrnehmungen machen konnten. Die Ausführungen des 1. Senats können sich daher auf beide Aspekte der Konnexität beziehen. Für diese Interpretation des Beschlusses spricht zum einen, daß der 1. Senat für seine Ansicht sowohl auf die Entscheidung in BGHSt 39, 251 als auch auf das Urteil des 3. Senats in BGHSt 43, 321 Bezug nimmt, und zum anderen, daß der 1. Senat zur Begründung des Ermittlungscharakters des Beweisbegehrens darauf hinweist, daß dieser Antrag weder die Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache noch die Anwendung des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels erlaube.20 Der Beschluß des 3. Senats vom 02. 08. 2000 differenziert ebenfalls nicht zwischen unterschiedlichen Konnexitätsaspekten: „Die erforderliche Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung“ bedeute „für den Fall des Zeugenbeweisantrages nur, dass der Antrag erkennen lassen muß, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll“.21 Weitere Ausführungen waren im konkreten Fall auch nicht erforderlich: Die Verteidigung hatte beantragt, die Dolmetscherin T., die die Aussage der Zeugin M. bei der polizeilichen Vernehmung übersetzt hatte, zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, daß die „Zeugin M. spontan, sicher und ohne jeden Zweifel ausgesagt habe“, daß die Übergabe einer Halskette im Zusammenhang mit Forderungen der Angeklagten gestanden hätte. Nach Ansicht des 3. Senats hätte dieser Beweisantrag nicht wegen fehlender Konnexität abgelehnt werden dürfen. Denn es lag auf der Hand, „dass die Dolmetscherin etwas zur Sachaufklärung hätte beitragen können“. Deshalb verstand sich der „Zusammenhang“ zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung „hier von selbst“.22 II. Konnexität im engeren und weiteren Sinn Eine Gegenüberstellung der im vorangehenden Kapitel referierten und der zuletzt dargestellten Entscheidungen zeigt, daß mit dem von Widmaier geprägten und von der Rechtsprechung übernommenen Begriff der Konnexität kein einheitlicher Konkretisierungsmaßstab umschrieben wird.23 19 20 21 22

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Siehe unten Teil 2 Kapitel 3 B I. BGH NStZ 1999, 522. BGH NStZ – RR 2001, 43 (44). BGH NStZ – RR 2001, 43 (44).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Das Urteil des 3. Senats vom 28. November 1997 knüpft ausdrücklich an die bisherige Konnexitätsrechtsprechung an.24 Die Begründungen, mit denen der 3. Senat eine rechtsfehlerhafte Behandlung der Beweisthemen (1) und (3) verneint, beziehen sich auf das Kriterium der Konnexität im engeren Sinn, denn der 3. Senat vermißt die Angabe konkreter Tatsachenbehauptungen, die die Zeugen aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden sollten.25 Begriffliche Unsicherheiten entstehen aber aus dem Umstand, daß der 3. Senat die Substantiierungen, die die zeitlich vorangehenden Entscheidungen unter dem Stichwort der Konnexität (im engeren Sinn) forderten26, vom Begriff der Konnexität löst und diesem Begriff im Anschluß einen weiteren Gehalt zuweist, ohne sich terminologisch von den bisherigen Entscheidungen zu differenzieren: Nach den ausführlichen Darlegungen des 3. Senats setzt ein Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO als erstes Erfordernis eine konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus27, als weitere Voraussetzung eines Zeugenbeweisantrages komme hinzu, daß der Zeuge die behauptete Tatsache aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden könne.28 Seien diese beiden Voraussetzungen erfüllt, könne unter Umständen eine dritte, die sogenannte Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung hinzutreten, die im Fall des Zeugenbeweisantrages nur bedeutet, daß der Antrag erkennen lassen muß, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll.29 Die im Rahmen des Zeugenbeweisantrages zu fordernde Behauptung, daß der Zeuge die Beweistatsache aus eigener Wahrnehmung bekunden kann, wird in der Entscheidung des 3. Senats, entgegen der begrifflichen Verwendung in den Entscheidungen BGHSt 40, 3 (6) und BGH NStZ 1998, 97, vom Stichwort der Konnexität gelöst. Mit Blick auf diese Differenz kann die Zitierweise des 3. Strafsenats des BGH irreführen, wenn die Erweiterung des Konnexitätskriteriums durch Zitate der vorangehenden Entscheidungen belegt wird.30 23 Dazu, daß auch bei Widmaier (NStZ 1993, 602, 603) schon beide Aspekte der Konnexität angelegt sind, siehe unten Teil 2 Kapitel 2 A III 1. 24 BGHSt 43, 321 (2. Leitsatz); 329, 330. 25 BGHSt 43, 321 (328 f.). Zum Problem einer wertenden Zusammenfassung des Beweisthemas und der Behauptung einer Negativtatsache siehe unten Teil 2 Kapitel 3 B. 26 BGHSt 40, 3 (6) und BGH NStZ 1998, 97. 27 BGHSt 43, 321 (329 mit Bezugnahme auf BGHSt 37, 162). 28 BGHSt 43, 321 (329 mit Bezugnahme auf BGHSt 39, 251). 29 BGHSt 43, 321 (329 mit Bezugnahme auf BGHSt 40, 3 [6]). 30 Eine irreführende Zitierweise liegt vor allem darin, daß der 3. Senat sein erweitertes Konnexitätsverständnis mit dem Konnexitätsbegriff aus BGHSt 40, 3 (6) gleichsetzt: BGHSt 43, 321 (329, 330). Siehe dazu auch Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (631 mit Fn. 22), der vor allem den Leitsatz der Entscheidung als „unklar“ kommentiert. Der 2. Leitsatz des 3. Senats, wonach die Ausführungen zur „Bedeutung des Merkmals der Konnexität für einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen“ eine „Fortführung von BGHSt 37, 162; 39, 251“ darstellen, könnte allerdings auch im Sinne einer Weiterentwicklung zu verstehen sein. Im

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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Problematischer als eine (vermeintliche) Kontinuität belegende Zitierweise ist für die Klärung des Begriffs der Konnexität aber, daß sich in der Rechtsprechung eine Definition des Konnexitätsbegriffs etabliert hat, die beide Aspekte dieser Darlegungslast mit umfaßt. Werden in der Entscheidung des 3. Senats in BGHSt 43, 321 an die Forderung, daß der Antrag angeben soll, „weshalb der Zeuge überhaupt etwas zum Beweisthema bekunden können soll“, weitere Darlegungen geknüpft, als dies – unter Verwendung derselben Definition – in der vorangehenden Entscheidung des 5. Senats in BGH NStZ 1998, 97 der Fall war, wäre eine Klarstellung erforderlich gewesen. Möglicherweise zielen die Ausführungen des 3. Senats im 43. Band darauf ab, für den Fall des Zeugenbeweisantrages klarzustellen, daß sich die Voraussetzung, daß der Zeuge die behauptete Tatsache aus eigener Wahrnehmung bekunden kann, von selbst versteht, denn „Gegenstand des Zeugenbeweises können nur solche Umstände und Geschehnisse sein, die mit dem Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen“.31 Da sich diese formale Voraussetzung aus der Beweisfunktion des Beweismittels selbst ergibt, kann es sich bei der Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen nicht um eine weitere formale Anforderung, die zusätzlich zur Angabe eines Beweismittels und einer Beweistatsache hinzutritt, sondern nur um die Konkretisierung der dem Beweismittel zugänglichen Beweisthemen, somit also nur um die Beweistatsache im engeren Sinn des Zeugenbeweisantrages handeln.32 Diese Klarstellung hätte jedoch in deutlicherer Abgrenzung von der Verwendung des Begriffs der Konnexität in den vorangehenden Entscheidung in BGHSt 40, 3 (6) und BGH NStZ 1998, 97 und den formalen Anforderungen der Entscheidungen BGHSt 39, 251, die nach den Ausführungen des 3. Senats ja gerade nicht im Zusammenhang mit dem Kriterium der Konnexität stehen, erfolgen müssen.33 Da eine solche begriffliche Klarstellung ausgeblieben ist, läßt der Hinweis auf das Konnexitätskriterium allein (ohne detaillierte Analyse der einzelnen Entscheidung) nicht mehr erkennen, welche konkrete Substantiierung gefordert wird. Diese Ungenauigkeit in der Terminologie trägt zu erheblichen Unsicherheiten im Umgang mit dem Konnexitätsbegriff bei.34 Werden die Grenzen der Substantiierung übrigen lehnt der 3. Senat in BGHSt 43, 321 (330 f.) den Beweisantragscharakter der Hilfsbeweisanträge im Ergebnis wegen fehlender Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung der zum Beweis einer Negativtatsache benannten Zeugen ab. Insofern ist auch eine Fortführung, verstanden als kontinuierliche Anwendung von Substantiierungsanforderungen im Sinne des engen Konnexitätsverständnisses, gegeben. 31 BGHSt 43, 321 (329). 32 Dies wurde bereits im Zusammenhang mit der Konnexität im engeren Sinn angedeutet, siehe oben Teil 2 Kapitel 1 A II. 33 Daher ist der 2. Leitsatz der Entscheidung BGHSt 43, 321 vor allem im Hinblick auf die Ausführungen auf den Seiten 329, 330 derselben Entscheidung irreführend. 34 Das belegen auch die sehr unterschiedlichen Interpretationsansätze der Literatur: Während Widmaier (NStZ 1993, 602 ff.) und Schulz (NStZ 1991, 449 f.) den engen Zusammen-

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

nicht deutlich, wird damit einer formelhaften und undifferenzierten Verwendung dieses Kriteriums Vorschub geleistet.35 Problematisch ist der ungenaue Umgang mit der Terminologie vor allem im Hinblick auf den Begründungszusammenhang der erweiterten Darlegungslasten. Insbesondere kann der Hinweis auf das Kriterium der Konnexität den Nachweis, aus welchem Grund die konkreten Angaben des Antragstellers die Bescheidungsfähigkeit des Antrags ausschließen, nicht ersetzen. Denn solange das Kriterium der Konnexität pauschal als Voraussetzung der Prüfbarkeit der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zitiert wird36, wird damit der Umstand verdeckt, daß die Ablehnung eines Antrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache und die Anwendbarkeit des Zurückweisungsgrundes der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels ganz unterschiedliche Anforderungen an die Substantiierung des Antrags stellen.37 Erst durch den Nachweis dieses strukturellen Zusammenhangs ist aber das Gericht berechtigt, weitere Darlegungslasten auf den Antragsteller zu übertragen. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die unterschiedlichen Darlegungslasten, die sich in der neueren Revisionsrechtsprechung unter dem Stichwort der Konnexität finden, aus unterschiedlichen Prüfungsanforderungen nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ableiten lassen, wird im Rahmen dieser Arbeit trotz der begrifflichen Abweichung in der Entscheidung des 3. Senats in BGHSt 43, 321 weiterhin zwischen der Konnexität im engeren Sinn (als Substantiierung des Beweisgegenstandes) und der Konnexität im weiteren Sinn (als Hinweis auf die Eignung des Beweismittels zur Bestätigung der im Antrag bezeichneten unmittelbaren Wahrnehmung) unterschieden.38

hang zwischen den Ablehnungsgründen und den erweiterten Substantiierungsanforderungen als prinzipiell notwendig erachten, sieht der überwiegende Teil der Kommentierungen darin eine pauschale Begründungslast des Antragstellers, die mit der Systematik des Beweisantragsrechts nicht vereinbar sei: so z. B. Herdegen, NStZ 1999, 176 (180 f.) und Rose, NStZ 1998, 633 (634), die den strukturellen Zusammenhang der Konnexität gar nicht thematisieren. 35 Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß der 3. Senat in der zuletzt zitierten Entscheidung in NStZ – RR 2001, 43 (44) eine zu formalistische Anwendung des Konnexitätskriterium durch das Tatgericht feststellen und darauf hinweisen mußte, daß der geforderte Zusammenhang auf der Hand lag. 36 BGHSt 43, 321 (330): Erst „die strengen Anforderungen an die Voraussetzungen eines förmlichen Beweisantrags“ lösen „die Bescheidungspflicht nach § 244 Abs. 3 – 5 StPO“ aus (Hervorhebung d. Verf.). Siehe dazu auch unten Teil 2 Kapitel 2 A III 2 zum Verhältnis des weiten Konnexitätserfordernisses zum Ablehnungsgrund der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit. 37 Siehe nachfolgend: Teil 2 Kapitel 2 A III. 38 Zu dieser Begriffsdifferenzierung siehe auch Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (636).

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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III. Strukturelle Notwendigkeit der Konnexität im weiteren Sinn Ein struktureller Zusammenhang zwischen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und der Konnexität im weiteren Sinn besteht nur im Hinblick auf den Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels.

1. Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels Für die Beantwortung der Frage, ob es völlig ausgeschlossen scheint, daß das Beweismittel die im Antrag behauptete Beweistatsache bestätigen wird, ist eine prospektive Bewertung des zu erwartenden Aussageinhalts und der Aussagekraft des Beweismittels erforderlich.39 Da es dem Gericht sowohl nach der engeren als auch nach der vorherrschenden, den Ablehnungsgrund vorsichtig erweiternden, Auslegung40 des § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 4 StPO verwehrt ist, die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels allein aus dem Ergebnis der schon durchgeführten Beweisaufnahme herzuleiten41, kann die (völlige Un-) Geeignetheit des Beweismittels, die als Beweistatsache substantiierte unmittelbare Wahrnehmung zu bekunden, nur durch die Würdigung der zwischen Beweismittel und Beweistatsache bestehenden Relation42 beurteilt werden. Daher liegt die Kongruenz der inhaltlichen Prüfung dieses Ablehnungsgrundes mit dem weiten Konnexitätserfordernis auf der 39 BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1989, 219 = StV 1989, 238 (239); = BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 4; BGH StV 1993, 232 (233); BGH StV 1993, 508; BGH NStZ – RR 1997, 304; Kühl (1987), S. 63. 40 Siehe oben zu den unterschiedlichen Interpretationen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und speziell zur Wechselwirkung mit den Beweisantragsvoraussetzungen: Teil 1 Kapitel 2 B I und II. 41 BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1983, 211; 1985, 494 (Nr. 11); 1989, 219; 1990, 227 (Nr. 10); 1995, 45; BGH StV 1990, 7; 1993, 340 (341); KG StV 1993, 120. Anders aber BGH NStZ 1997, 503, wo u. a. erwogen wird, die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels aus der besonderen Sicherheit des bisherigen Beweisergebnisses herzuleiten. Kritisch dazu Herdegen, NStZ 1997, 505 und Wohlers, StV 1997, 570 (571). Gegen eine rein retrospektive Würdigung auch: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 602; AK – Schöch, Rn. 91; LR – Gollwitzer, Rn. 278, 279 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 100 zu § 244; Thole, S. 100; Kühl (1987), S. 63; Sarstedt / Hamm, Rn. 648; KK – Herdegen, Rn. 78 zu § 244; HK – Julius, Rn. 29. 42 SK – Schlüchter, Rn. 100 zu § 244: “Wenn gefordert wird, daß sich die mangelnde Eignung zur Sachaufklärung aus dem Beweismittel selbst ergeben soll, so ist diese Abstraktion keine vollständige“, da sie sich nur auf das bisherige Beweisergebnis beziehe, nicht aber auf das Verhältnis von Beweismittel und Beweistatsache. Wie auch im Zusammenhang mit dem von der Mindermeinung vertretenen Modell der Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit, ist wiederum der Hinweis, daß das Beweismittel „aus sich selbst heraus“ zu würdigen ist, eine „irritierende Auskunft“ (Kühl [1984], S. 71). Durch diese Beschreibung der Prüfung des Ablehnungsgrundes wird der Umstand verdeckt, daß es nicht nur „gestattet“, sondern „erforderlich“ ist, die „Eignung zum Beleg für die Beweisbehauptung zu prognostizieren“ (Schlüchter, Rn. 100 zu § 244).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Hand43: Liefert der Antrag einen Hinweis darauf, warum der Zeuge eine bestimmte unmittelbare Wahrnehmung machen konnte, ist für das Gericht die Prüfung der Beweiseignung, d. h. des Beweiswertes im Sinne der Aussagekraft des Beweismittels44, eröffnet. Die strukturelle Korrespondenz zwischen der inhaltlichen Prüfung des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit und dem Merkmal der Konnexität (im weiteren Sinn) wird bei Widmaier beispielhaft verdeutlicht: „Geht es um die Beweisfrage, ob der Angekl. sich im vergangenen Jahr an einem bestimmten Abend kurz in einem Bierzelt des Münchner Oktoberfestes aufgehalten hat, so ist das Beweismittel ersichtlich geeignet, wenn der Zeuge den Angekl. laut Beweisvortrag dabei begleitet habe, und es ist völlig ungeeignet, wenn eine in diesem Bierzelt tätige Bedienung benannt wird, (sofern nicht ausgesprochene Besonderheiten im Raum stehen: wie etwa die persönliche Bekanntschaft des Angeklagten mit jener Bedienung oder ein ungewöhnlicher Vorfall, aufgrund dessen sich ihr die Person des Angekl. im Gedächtnis hätte einprägen müssen)“.45 Wie im Rahmen der Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit einer Indiztatsache zeigt sich auch bzgl. der völligen Ungeeignetheit, daß die inhaltliche Notwendigkeit des Konnexitätskriteriums erst dann ein tragendes Argument für die erweiterte Substantiierung des Beweisantrages darstellt, wenn man antizipierende Würdigungen des beantragten Beweises in engen Grenzen bei der Anwendung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO für zulässig erachtet. Geht man davon aus, daß der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit eine Zurückweisung des Beweismittels nur dann erlaubt, wenn die Bestätigung der Beweistatsache durch den Zeugen von vornherein abstrakt ausgeschlossen ist, dann wäre ein Konnexitätsvortrag (im weiteren Sinn) reiner Formalismus. Denn wird ein hinreichend individualisierter Zeuge für die Bekundung einer optischen Wahrnehmung benannt und in der Beweisbehauptung ein tatsächlicher Vorgang bezeichnet, der optisch wahrnehmbar ist, so versteht sich der Vortrag, daß der Zeuge nicht blind ist, von selbst. Die abstrakte Möglichkeit der Bekundung durch die Beweisperson ergibt sich durch die „prozessuale Verknüpfung des Beweismittels mit der Beweistatsache“.46 Während sich die Plausibilität des Nichtvorliegens einer absoluten Ungeeignetheit 43 Widmaier, NStZ 1993, 602 f. Siehe dazu auch Burgard / Fresemann, wistra 2000, 88 (89). A. A. Kruse, S. 132 mit Fn. 70; 133 ff. 44 Auch durch weitergehende Substantiierungen des Antrags kann eine sichere Einschätzung des zu erwartenden konkreten Aussageergebnisses nicht ermöglicht werden; siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B I 3. 45 Widmaier, NStZ 1993, 602 (603). Die Ausführungen Widmaiers zeigen, daß zwar nicht begrifflich, wohl aber inhaltlich zwischen einem Konnexitätsvortrag, der die Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit ermöglicht, und den Prüfungsvoraussetzungen des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit unterschieden wird. In der Anmerkung Widmaiers sind daher bereits beide Konnexitätsaspekte enthalten. A. A. Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (635 mit Fn. 20). 46 Sarstedt / Hamm, Rn. 589.

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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des Beweismittels als (normal vorauszusetzende) implizite Mitbehauptung aus dem Antrag selbst ergibt, entsteht das Bedürfnis nach Darlegung der im konkreten Fall bestehenden Möglichkeit der Wahrnehmung vor allem durch die Öffnung des Ablehnungsgrundes. So ist nach der vorzugswürdigen47 vorherrschenden Auslegung in besonders gelagerten Fällen eine Ablehnung auch dann begründet, wenn zwar der Beweiswert des benannten Beweismittels nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, wenn aber nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Möglichkeit des Beweisgelingens als in hohem Grade unwahrscheinlich bewertet werden kann.48 Als Umstände des Einzelfalls, die eine Beurteilung des Beweiswertes des Zeugen ermöglichen sollen, „kommen insbesondere in Betracht der Gegenstand der Beweisbehauptung“, und die „Beziehung“ des Zeugen „zu dem unter Beweis gestellten Vorgang“.49 Das Kriterium der Konnexität (im weiteren Sinn) liefert eben diese Anhaltspunkte, die als Randbedingung von Erfahrungssätzen50 dem Gericht die Einzelfallbewertung der Beweiseignung des Zeugen ermöglichen. Aber es muß im Zusammenhang mit der strukturellen Korrespondenz zwischen den Anwendungsvoraussetzungen des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit und dem Kriterium der Konnexität zwischen der Zulässigkeit und der Begründetheit eines Antrags unterschieden werden. Das Gericht kann einen Beweisantrag als unbegründet zurückweisen, wenn aufgrund der dem Gericht bekannten Tatsachen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht zu erwarten ist, daß ein benannter Zeuge eine bestimmte Wahrnehmung gemacht haben kann. Steht zum Beispiel fest, daß der Zeuge nicht am Tatort war und daher aus eigener Wahrnehmung nichts zum Tatablauf aussagen kann, so wäre dieser Zeuge insoweit ein völlig ungeeignetes Beweismittel; der Beweisantrag könnte als unbegründet zurückgewiesen werden. Nun ist es möglich, daß der Antragsteller sein Beweisbegehren durch die Darlegung weiterer Anhaltspunkte begründet. Wird zum Beispiel ein Zeuge zur Bekundung eines Sacherhaltes benannt, der sich vor 40 Jahren ereignet hat, so wäre das Gericht nach Ansicht der Rechtsprechung berechtigt, den Zeugenbeweisantrag wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels zurückzuweisen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls „unmöglich erscheint“, daß der Zeuge die behauptete Beweistatsache noch „zuverlässig in seinem Gedächtnis behalten haben kann“.51 Allerdings hat der Antragsteller die Möglichkeit, die

Siehe oben Teil 1 Kapitel 2 B I 2. BGHSt 14, 339 (342); BGH NStZ 1982, 141; BGH bei Dallinger, MDR 1973, 372; BGH bei Pfeiffer, NStZ 1981, 96; BGH NStZ 1982, 126 (127); NStZ 1993, 295 (296); BGH StV 1982, 339 (341); 1991, 507; KG StV 1993, 120; BGHR Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 11, 18. 49 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 616. 50 Siehe dazu oben Teil 1 Kapitel 2 B I 3. 47 48

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

regelmäßige Annahme, daß sich eine Person an ein zeitlich so weit zurückliegendes Ereignis nicht erinnern kann, durch besondere Umstände des konkreten Falles zu widerlegen.52 Die Anhaltspunkte für das Vorliegen eines von der Regel des Erfahrungssatzes abweichenden Ausnahmefalles, die der Antragsteller in diesen Fällen darlegt, machen das Beweisbegehren zu einem begründeten Antrag. Es wäre aber nicht zutreffend, diese Anhaltspunkte als Zulässigkeitsvoraussetzungen der Prüfbarkeit des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit zu bezeichnen. Denn die Anwendbarkeit des Ablehnungsgrundes ergibt sich in dem genannten Beispiel bereits aus dem der gerichtlichen Bewertung zugrundeliegenden Erfahrungssatz, „daß das menschliche Erinnerungsvermögen nicht unbegrenzt ist und daß belanglose Dinge schnell aus dem Gedächtnis schwinden, wenn sie nicht im Zusammenhang mit wichtigen Ereignissen stehen“.53 Als Zulässigkeitsvoraussetzung gewinnt die Konnexität (im weiteren Sinn) daher erst in den Fällen an Bedeutung, in denen die Anwendbarkeit des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit nach den Umständen der Antragstellung ausgeschlossen ist, weil sich das Gericht zur Beurteilung der Eignung des Zeugen nicht auf einen allgemein anerkannten Erfahrungssatz beziehen kann. Wird – so wiederum ein Beispiel von Widmaier54 – ein „Zeuge, von dem nur sein im Antrag aufgeführter Name bekannt ist, in einer Verkehrsunfallsache zum Beweis dessen benannt, der Angekl. sei unmittelbar vor dem Unfallgeschehen mit höchstens 80 km / h gefahren, und ist der Ast. auch auf Frage des Gerichts nicht in der Lage mehr vorzutragen, als daß der Zeuge eben dies – woher auch immer wisse – so ist“ auf der Basis einer solchen Informationsgrundlage unmöglich, die Eignung des Zeugen zur Bekundung der behaupteten Beweistatsache zu bewerten. Nun könnte der Behauptung der Relevanz eines erweiterten Konnexvortrages entgegengehalten werden, daß der Antrag, der die Vernehmung eines Zeugen 51 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 615, 616. Zum Verlust des Erinnerungsvermögens bei Bezeugung lange zurückliegender Vorgänge: RGSt 54, 181 (182); BGH NStZ 1993, 295 (296); BGH NStZ 2000, 156 (157); BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit Nr. 11. Dazu auch ter Veen, S. 142 ff. 52 BGH NStZ – RR 1997, 331: (LS der Redaktion) „Widerspricht es der Lebenserfahrung, daß der Zeuge die in sein Wissen gestellte Tatsache wahrgenommen hat, und werden Anhaltspunkte dafür, der Zeuge habe dessen ungeachtet die behauptete Wahrnehmung dennoch gemacht, vom Antragsteller nicht vorgetragen, darf sein Beweisantrag mit der Begründung ,völlig ungeeignetes Beweismittel‘ abgelehnt werden“. Siehe auch Alsberg / Nüse / Meyer, S. 616, 617; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 60 zu § 244. OLG Köln StV 1995, 293 (295): Wenn nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich erscheint, daß die Zeugen die Ereignisse zuverlässig im Gedächtnis behalten haben; sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Zeuge sich noch erinnert, darf der Antrag nicht abgelehnt werden. Siehe auch Alsberg / Nüse / Meyer, S. 616, 617; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 60 zu § 244. 53 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 615. 54 Widmaier, NStZ 1993, 602 (603).

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begehrt, zugleich die implizite Behauptung der Eignung des Zeugen enthält. Ein Antrag, der erkennen läßt, was der Zeuge aus eigener Wahrnehmung bekunden soll, gleichzeitig aber offenläßt, weshalb der Zeuge eine entsprechende Wahrnehmung machen konnte, läßt sich inhaltlich um die implizite Mitbehauptung erweitern, daß der benannte Zeuge die bezeichnete Beweistatsache auch wahrgenommen haben konnte, etwa weil er sich am Ort des Geschehens aufgehalten hat. Das Gericht kann nun diese implizite Mitbehauptung der Möglichkeit der Wahrnehmung der Beweistatsache durch den Zeugen als begründet unterstellen und den Beweis erheben. Das Gericht verzichtet in diesem Fall auf die Prognose des Beweiswertes des benannten Beweismittels und stellt die Eignung des Zeugen im Rahmen der Beweisaufnahme fest. Nach der traditionellen Rechtsprechung gehörten Darlegungen zu der Frage, weshalb der Zeuge die im Antrag behauptete Tatsache tatsächlich wahrnehmen konnte, nicht zu den konstitutiven Elementen eines Beweisantrages. Der Antragsteller genügte im Rahmen eines Zeugenbeweisantrags seinen Konkretisierungslasten bereits dann, wenn er die Beweisperson so hinreichend individualisierte, daß sie zur Hauptverhandlung geladen werden konnte und ein Beweisthema bezeichnete, so daß der Antrag eine sinnvolle Zeugenvernehmung ermöglichte.55 Weitergehende Informationen wurden vor allem dann als überflüssig angesehen, wenn als Beweisthema eine Tatsache angegeben wurde, die grundsätzlich der unmittelbaren Wahrnehmung durch einen Menschen zugänglich ist.56 Die formale Großzügigkeit der früheren Rechtsprechung könnte ihre Ursache in dem gerichtlichen Vertrauen auf die Sachdienlichkeit der Antragstellung haben. Da aufgrund der Annahme einer prozeßrechtskonformen Antragstellung unterstellt wird, daß der im Antrag bezeichnete Zeuge die grundsätzlich wahrnehmbare Beweistatsache auch unmittelbar wahrnehmen konnte, besteht aus der gerichtlichen Perspektive kein Anlaß für ein weitergehendes Substantiierungserfordernis. Der Verdacht, daß ein Antrag, der nicht erkennen läßt, weshalb ein Zeuge eine unmittelbare Wahrnehmung machen konnte, Indiz für eine prozeßwidrige Verteidigungstaktik ist, verstärkt dagegen das Bedürfnis nach weiterer Erläuterung des Beweisbegehrens. Das Gericht wird insbesondere dann Vorbehalte gegenüber einer weiteren Beweisaufnahme haben, wenn sich aufgrund des Antrags oder aus dem sonstigen Prozeßstoff Zweifel an der Richtigkeit der impliziten Behauptung der Möglichkeit der Wahrnehmung der Beweistatsache durch den Zeugen ergeben. Dies ist der Fall, wenn die Behauptung der Bestätigung der Beweistatsache durch das Beweismittel durch keinerlei tatsächliche Grundlage gestützt wird, weil sich zum einen aus dem Antrag keine spezifische Verknüpfung des Beweisthemas mit Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 20 zu § 244 mit weiteren Nachweisen. Dagegen hat auch die als großzügig bewertete Rechtsprechung eine Beweisbehauptung, die als solche der unmittelbaren Wahrnehmung durch einen Zeugen nicht zugänglich ist, nicht ohne weiteres als hinreichend substantiiert angesehen Siehe dazu unten Teil 2 Kapitel 3 zu den Fallkonstellationen der Behauptung einer Negativtatsache und der Angabe einer wertenden Beweisthemenbezeichnung. 55 56

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

dem Beweismittel ergibt und zum anderen das Beweisthema dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme widerspricht. Wird zum Beispiel ein Zeuge zum Beweis der Tatsache benannt, daß die Blutprobe des Angeklagten in einem rechtsmedizinischen Institut verwechselt wurde, die Ausführungen des Beweisantrags aber keinerlei Hinweis darauf enthalten, woher der benannte Zeuge diese Erkenntnis gewonnen haben sollte und im übrigen das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme gegen eine derartige Verwechslung spricht, liegt aus gerichtlicher Perspektive die Annahme nahe, daß der Antrag nur eine aus der Luft gegriffene Tatsachenbehauptung aufstellt. Denn die benannte Beweistatsache – die Verwechslung der Probe – betrifft ein mehraktiges und komplexes Geschehen.57 Die Möglichkeit, daß der Zeuge, die Verwechslung der Probe selbst unmittelbar wahrgenommen haben kann, versteht sich daher nicht von selbst.58 Das Gericht hat daher Anlaß, die implizite Mitbehauptung der Möglichkeit der Wahrnehmung durch den Zeugen in Frage zu stellen. Aus der gerichtlichen Perspektive besteht der begründete Verdacht, daß die vagen Angaben zum Beweisthema ein Indiz dafür sind, daß auch der Antragsteller wenig oder keine Anhaltspunkte für die Bestätigung der Beweistatsache hat.59 Dieser Verdacht allein berechtigt das Gericht aber nicht bereits zur Ablehnung des Antrags wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels. Ist es dem Gericht nicht möglich, aufgrund der gegebenen Umstände die Annahme zu begründen, daß das Beweismittel völlig ungeeignet ist, oder daß der Antragsteller die weitere Beweiserhebung allein zum Zweck der Verschleppung des Verfahrens beantragt hat, bleibt ihm die Möglichkeit, die Sachdienlichkeit der begehrten Zeugenvernehmung entweder durch die Erhebung des beantragten Strengbeweises oder durch freibeweisliche Ermittlung des Verhältnisses des benannten Zeugen zur behaupteten Beweistatsache aufklären. Mit dem Kriterium der Konnexität bringt das Gericht dagegen zum Ausdruck, daß es nicht bereit ist, einem Antrag, der keinerlei Hinweis darauf enthält, weshalb mit dem begehrten Beweismittel überhaupt etwas zur Beweistatsache ermittelt werden kann, durch aufwendige streng- oder freibeweisliche Bemühungen zu entsprechen, sondern daß es vielmehr Aufgabe des Antragstellers ist, die Relation zwischen Beweismittel und Beweistatsache zu präzisieren. Damit begrenzt diese Darlegungslast die Chance des Antragstellers, das Gericht zu einer Beweiserhebung zu zwingen, von der es sich selbst keinerlei Erfolg verspricht.

57

Vgl. dazu die Ausführungen zu den typischen Antragskonstellationen unten Teil 2 Kapi-

tel 3. 58 59

Vgl. dazu: BGHSt 39, 251 (254); 43, 321 (330). Zu einem vglb. Fall OLG Köln StV 1999, 82 ff. mit Anmerkung Julius, StV 1999, 86.

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2. Ablehnungsgrund der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit Auf die Darlegung des Kriteriums der Konnexität im weiteren Sinn kann es für die inhaltliche Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit dagegen nicht ankommen. Für die Bewertung der Relevanz einer Indiztatsache ist allein der Stellenwert der als erwiesen zu behandelnden Tatsache im bisherigen Gesamtbeweisgefüge entscheidend.60 Wird aber eine Beweistatsache als bedeutungslos eingestuft, weil sie selbst für den Fall, daß das behauptete Indiz durch den benannten Zeugen glaubhaft bekundet wird, die gerichtliche Überzeugungsbildung nicht im Sinne des Beweisziels des Antragstellers zu beeinflussen vermag, ist die Information, weshalb der Zeuge diese Indiztatsache selbst unmittelbar wahrnehmen konnte, gerade keine Prüfungsvoraussetzung. Zu Recht führt daher der 5. Senat des BGH im Zusammenhang mit der Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit aus, daß die „Validität“ des Beweismittels, also etwa die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit des Zeugen, „kein Element der zu bezeichnenden Beweistatsache“, sondern ein solches des Beweismittels ist. Die Eignung des Zeugen, die als unmittelbare Wahrnehmung beschriebene Tatsachenbehauptung zu bestätigen, kann daher „in keinem Zusammenhang mit dem Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit“ stehen.61 Legt man der Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit die aus der konsentierten Geltung des Beweisantizipationsverbotes folgende Beschränkung auf, daß die uneingeschränkte Bestätigung der Beweistatsache durch das angegebene Beweismittel zu unterstellen ist62, so darf die Beurteilung der Zeugenqualität „nicht durch einen erweiterten Gebrauch des Ablehnungsgrundes der Bedeutungslosigkeit vorweggenommen werden“.63 Insofern ist Herdegen zuzustimmen, wenn er anmerkt, daß man bei „einem Zeugen mit vollem Beweiswert ( . . . ) schwerlich behaupten“ könne, daß die „Weshalb-Frage“ der Beantwortung bedürfe.64 Vor dem Hintergrund der bislang unbestrittenen Begrenzung der Ablehnung wegen faktischer Bedeutungslosigkeit durch das Beweisantizipationsverbot65 ist daher das Kriterium der Konnexität im weite60 Herdegen, NStZ 1997, 505. Kühl (1987), S. 77: „Relevanz“ ist „ein Prädikat von Beweisbehauptungen und nicht anderer Elemente des Beweisantrags“. 61 BGH NStZ 1997, 503 mit Anmerkung Herdegen = BGHR StPO § 244 Abs. 3, S. 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 23, S. 3 = BGH StV 1997, 567 mit Anmerkung Wohlers. 62 KK – Herdegen, Rn. 74 zu § 244; Herdegen, NStZ 1997, 505; ders. in FS für Boujong, 777 (779 und 783); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 589; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 56 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 96 zu § 244. 63 BGH NStZ 1997, 503 (504) (Hervorhebung der Verf.). 64 Herdegen, NStZ 1999, 176 (181). Allerdings ist Herdegens Einschätzung zu widersprechen, daß sich eine derartige formale Voraussetzung bereits in BGHSt 40, 3 (6) findet. Siehe dazu oben Teil 2 Kapitel 1 A I 3. 65 Siehe dazu zum einen die allgemeinen Ausführungen oben Teil 1 Kapitel 2 B II 1 (a) – (c). Daß „in dem weitreichenden Verbot der Beweisantizipation, wie es aus § 244 Abs. 3, Satz 2 StPO abgeleitet wird, kein unumstößliches Dogma liegen muß“, siehe Basdorf, StV 1995, 310 (317).

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ren Sinn keine strukturell notwendige Voraussetzung der Prüfung eines Antrags nach § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO. Keine der hier referierten Entscheidungen stellt eine direkte Verbindung zwischen der Anwendbarkeit des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und dem Merkmal der Konnexität im weiteren Sinn her.66 Diejenigen Entscheidungen, die sich ausdrücklich auf die Prüfungsvoraussetzung der Bedeutungslosigkeit beziehen, rügen zugleich, daß der Antrag, den sie als Ermittlungsantrag bewerten, keine Angaben dazu enthalte, was der Zeuge selbst unmittelbar wahrgenommen habe.67 Gleichzeitig kann man aber der hier dargestellten Rechtsprechung den Vorwurf machen, daß der fehlende inhaltliche und dogmatische Zusammenhang zwischen der Konnexität im weiteren Sinn und der Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit nicht hinreichend klar hervorgehoben wird. Zwar geht es hier um Einzelfallentscheidungen und nicht um lehrbuchartige Ausführungen68 zur Konnexität, aber mit Blick auf den unbestimmten Begriff des Beweisantrags ergibt sich aus der Konzentration der Revisionsrechtsprechung auf die rechtliche Kontrolle einer tatgerichtlichen Entscheidung die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die verfahrensrechtlichen Vorschriften einheitlich gehandhabt werden und auch Meinungsverschiedenheiten bei der Anwendung vermieden werden.69 Wird in den Entscheidungen des 1., 3. und 5. Strafsenats die Konnexität mit der zweideutigen Formel definiert, daß der Antrag erkennen lassen muß, „weshalb der Zeuge überhaupt etwas zum Beweisthema bekunden können soll“70, und soll dieses Weshalb einmal durch die Bezeichnung der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen und ein anderes Mal durch Angaben zur Wahrnehmungskompetenz des Zeu66 Insbesondere trifft das nicht auf die von Herdegen (NStZ 1999, 176 [181]) zum Nachweis des Gegenteils angeführte Entscheidung in BGHSt 40, 3 (6) zu; siehe oben Teil 2 Kapitel 1 A I 3. 67 BGHSt 37, 162 (165); 39, 251 (254 f.); 40, 3 (6); BGH NStZ 1999, 522. Daß die Entscheidung des 5. Senats in BGH NStZ 1998, 97 das enge Konnexitätsmerkmal mit dem Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit verknüpft, ist dagegen unschädlich, denn die Information, was der Zeuge unmittelbar wahrgenommen hat, ist notwendige, aber nicht hinreichende Prüfungsvoraussetzung für die Beurteilung des Beweiswertes des Beweismittels. 68 Obwohl das obiter dictum des 3. Senats (BGHSt 43, 321 [329 ff.]) bereits eine ausführliche Kommentierung zum Konnexitätsbegriff enthält, wird der systematische Zusammenhang zu den Prüfungsvoraussetzungen der einzelnen Ablehnungsgründe nicht ausreichend klargestellt. 69 Dahs / Dahs, Rn. 2; KK – Kuckein, Rn. 2, 6 vor § 333: Das gilt grundsätzlich für alle Revisionsgerichte, aber dem BGH fällt eine besondere Funktion zu, nicht nur in seinem Bereich auf eine einheitliche Rechtsauffassung hinzuwirken, sondern auch in den Fällen der Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu koordinieren. Zur Funktion der Revision siehe auch: Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 4 vor § 333; LR – Hanack, Rn. 7 vor § 333. 70 BGH NStZ 1998, 97; BGHSt 43, 321 (329); BGH NStZ 2000, 437 (438) (Hervorh. d. Verf.).

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gen beantwortet werden, wobei gleichzeitig die Darlegungslast des Antragstellers pauschal damit begründet wird, daß ein „Beweisantrag nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO“ oder die „Bescheidungspflicht des Antrags nach § 244 Abs. 3 – 5 StPO“ den Nachweis „der Konnexität“ erforderlich mache71, so liegt die Gefahr der (bewußten oder zufälligen) fehlerhaften Verknüpfung der Prüfungsanforderungen der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit mit der Frage, „weshalb“ ein Zeuge eine unmittelbare Wahrnehmung machen konnte, auf der Hand. Die veröffentlichten Entscheidungsgründe ermöglichen keine eindeutige Beantwortung der Frage, ob die hier zitierten Senate über den Umweg der Darlegungslast der Konnexität im weiteren Sinn die gerichtlichen Antizipationsbefugnisse im Rahmen des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und damit die gerichtlichen Möglichkeiten der Begrenzung der Beweisaufnahme erweitern wollen.72 Wäre diese Erweiterung intendiert, so wäre eine solchermaßen versteckte Vorgehensweise entschieden abzulehnen. Denn mit der Behauptung, die Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache erfordere die Einschätzung der Art und der Möglichkeit der Wahrnehmung der Indiztatsache durch die Beweisperson wird das Gericht berechtigt, über die Relevanzprüfung hinaus, die Eignung des Beweismittels zur Bestätigung der Tatsache in Zweifel zu ziehen. Damit würden der Anwendungsbereich der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und die Ablehnungsbefugnis wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittel einander angeglichen. Diese inhaltliche Erweiterung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit wäre mit erheblichen Nachteilen des Antragstellers verbunden. Denn gerade die Pflicht des Gerichts im Rahmen des § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO die behauptete Beweistatsache als erwiesen zu unterstellen, schützt die Einwirkungsmöglichkeiten des Antragstellers, indem sie die Chance wahrt, ein Beweismittel in die Hauptverhandlung einzubringen, das der Beweisaufnahme eine unerwartete Wendung geben kann, „wenn es gelingen sollte, nicht nur eine inhaltliche Bestätigung der Beweisbehauptung durch das Beweismittel zu erreichen, sondern darüber hinaus auch eine unerwartet hohe Validität des Beweismittels zu belegen“.73 Im Hinblick auf den Ablehnungsgrund der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit besteht daher die Möglichkeit, daß mit dem Kriterium der Konnexität im weiteren Sinn nicht nur eine Verlagerung von Informationsbeschaffungs- und Darlegungslasten, sondern auch eine inhaltliche Erweiterung der Ablehnungsbefugnisse des Gerichts verbunden ist. Eine entsprechende Intention unterstellt, wäre der Kritik von Fezer74 zuzustimmen, daß sich die Rechtsprechung auf die Notwendigkeit von InBGHSt 43, 321 (329, 330, 331). Die Annahme, daß mit dem Merkmal der Konnexität die inhaltlichen Prüfungsvoraussetzungen des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit erweitert werden sollen, findet sich in der Kritik von Herdgen, NStZ 1999, 176 (181) und Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (637). 73 BGH NStZ 1997, 503 (504). 74 Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (636, 637). 71 72

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formationen berufen würde, derer sie in jahrzehntelanger Prüfung des Ablehnungsgrundes der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit nicht bedurfte. Aber selbst wenn (zugunsten) der Rechtsprechung eine entsprechende Intention nicht unterstellt wird, liegt die erhebliche Gefahr des Konnexitätsbegriffs darin, daß eine undifferenzierte und pauschale Handhabung dieses Kriteriums dazu verleiten kann, die strukturelle Notwendigkeit einer weiteren Darlegung des Antragstellers nicht nachzuweisen, was im Einzelfall zu einer unsachgerechten Verkürzung des Umfangs der Beweiserhebung führen kann. In der dogmatischen Konstruktion des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz liegt dann die Gefahr begründet, daß eine Ausdehnung der Antizipationsbefugnisse des Gerichts unter der Hand eingeführt werden kann. Dieser Gefahr begegnet wiederum die Pflicht des Gerichts, die Ablehnung eines Antrags wegen fehlender Bescheidungsfähigkeit nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zu begründen, indem es in einem inhaltlich plausiblen Beschluß darlegt (§§ 244 Abs. 6; 34 StPO), warum der konkrete Antrag die Anwendbarkeit eines konkreten Ablehnungsgrundes unmöglich macht.

IV. Vergleich des Konnexitätserfordernisses mit der sog. Vermutungsrechtsprechung Ein Vergleich der hier dargestellten Entscheidungen zum Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz mit der sog. Vermutungsrechtsprechung rechtfertigt sich zum einen daraus, daß die sog. Konnexitätsrechtsprechung ausdrücklich an die Abgrenzungsbemühungen derjenigen Entscheidungen anknüpft75, nach denen der Beweisantragscharakter eines Beweisbegehrens ausgeschlossen sein soll, wenn die Beweisbehauptung völlig „aus der Luft gegriffen“ ist, zum anderen aus der kritischen Kommentierung der Literatur, die der neueren Rechtsprechung vorwirft, „nur eine sprachliche Variante“ jener Vermutungsrechtsprechung zu sein.76 Gemeinsam ist beiden Rechtsprechungsentwicklungen, daß der Ansatz zur Begrenzung des gerichtlichen Beweiserhebungsaufwandes auf der Ebene der formalen Beweisantragsvoraussetzungen gesucht wird. In ganz unterschiedliche Richtungen scheinen dagegen die inhaltlichen Abgrenzungskriterien zu deuten: Während die Bezeichnung der älteren Entscheidungen unter dem Stichwort der „Vermutungsrechtsprechung“ die Annahme begründet, daß die Abgrenzung zwischen Beweisantrag und Ermittlungsantrag anhand der subjektiven Einstellung des Antragstellers zur Wahrheit des behaupteten Beweiserhebungsergebnisses vorzunehmen ist77, ist der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz an 75 76 77

BGHSt 43, 321 (330); StV 1999, 303 (304) im Anschluß an BGHSt 39, 251. HK – Julius, Rn. 18 zu § 244; Herdegen, NStZ 1999, 176 (181). So Schulz, StV 1985, 312.

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den objektiven, von der Intention des Antragstellers unabhängigen Prüfungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ausgerichtet. Allerdings ergeben sich aus der inhaltlichen Präzisierung, die die sog. Vermutungsrechtsprechung durch die Rechtsprechung vor allem des 2. und 3. Senats des BGH erfahren hat, deutlichere Bezüge zur Konnexität: Unter Berufung auf die für eine Tatsachenbehauptung zu fordernde Bestimmtheit haben einzelne Strafsenate des BGH erstmals 1973, wiederholt zu Beginn der 80er Jahre erklärt, daß auf Vermutungen gestützte Beweisanträge auch dann, wenn sie die äußere Form einer fest umrissenen Tatsachenbehauptung wahren, den formalen Beweisantragsvoraussetzungen nicht genügen und daher als Ermittlungsantrag anzusehen sind.78 Angesichts der erheblichen Einwände, die dieser – als Vermutungsrechtsprechung etikettierten79 – Neudefinition des Beweisantragsbegriffs entgegengebracht wurden80, haben der 2., 3. und 5. Senat des BGH die Voraussetzungen der formalen Behandlung eines Antrags als Ermittlungsantrag nunmehr präzisiert und enger gefaßt: Insbesondere haben der 2. und 3. Senat eine Klarstellung81 dahingehend vorgenommen, daß die sichere Kenntnis des Antragstellers von der behaupteten Tatsache kein konstitutives Beweisantragselement sei.82 Die Einstufung als Beweis78 Mit dem unveröffentlichten Urteil vom 17. 10. 1973 (3 StR 248 / 71) hat der 3. Senat des BGH die bereits für den Sonderfall eines Beweisantrags auf Untersuchung des Geisteszustands des Angeklagten beschränkten erhöhten Anforderungen an die Tatsachenbehauptung auf alle Arten von Beweisanträgen ausgedehnt: Julius, MDR 1989, 116 (117), Thole, S. 57. Zur Entwicklung der weitgehend unveröffentlichten sog. Vermutungsrechtsprechung siehe: Schwenn, StV 1981, 631 (634 f.); Gollwitzer, StV 1990, 420 (421 ff.); Herdegen in GS für Meyer, 187 (201 ff.). 79 Julius, S. 242; ders., MDR 1989, 116 (117). 80 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 42 ff.; Thole, S. 63 ff.; Bergmann, S. 57 f.; Schwenn, StV 1981, 631 (634 f.); Schwenn, StV 1988, 370 (371); Schulz, StV 1985, 312 ff.; Welp, JR 1988, 388; Krekeler, DAV 1991, 144 ff.; zusammenfassend ter Veen, S. 82 mit Fn. 78 mit weiteren Nachweisen. 81 Siehe Gollwitzer, StV 1990, 420: Danach sind die Unterschiede zwischen den Rechtsauffassungen der Senate, die im Rahmen der Vermutungsrechtsprechung angeführt werden, nicht so gravierend, wie sie bei oberflächlicher Betrachtung nur der den Entscheidungen vorangestellten Leitsätze oder Schlagworte erscheinen mögen. Insbesondere das Schlagwort der Vermutung habe einige Tatgerichte entgegen der Intention der höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu verleitet, darin zu weitreichende Anforderungen an die Bestimmtheit von Beweisbehauptungen zu stellen. Bereits das Urteil BGH 3 StR 248 / 71 enthielt den erläuternden Hinweis, daß es sich bei der in Form einer Behauptung gekleideten Annahme „ersichtlich um eine bloße Vermutung einer – im übrigen recht entfernt liegenden – Möglichkeit“ handle (Hervorhebung d. Verf.): siehe Gollwitzer, StV 1990, 420 (421). Nach Herdegen, StV 1990, 518 (519) begründet sich die Mißverständlichkeit dieser Rechtsprechung vor allem in einem unsorgfältigen Umgang mit dem Begriff der „Vermutung“, der sich nicht zur Disqualifizierung von Beweisbehauptungen eigne. 82 BGH NStZ 1989, 334 (335) mit Verweis auf BGHSt 21, 118 (121, 125) und BGH NStZ 1983, 126; siehe auch BGH JR 1988, 387 mit Anmerkung Welp. Der Beweisantrag gehöre zu den Vorstellungsäußerungen und erfordere wie jede prozessuale Behauptung nicht die Erklärung eigenen Wissens: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 43 und Welp, JR 1988, 387 (388).

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ermittlungsantrag sei nur dann gerechtfertigt, wenn es sich bei der Beweisbehauptung um „haltlose“, aufs „Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ geäußerte Vermutungen handle.83 Zur Vermeidung antizipierender Ablehnungsbegründungen setzt die Annahme einer haltlosen Vermutung nach Ansicht des 3. Senats voraus, daß das Tatgericht detailliert und nachvollziehbar darlegen kann, daß objektive Anhaltspunkte für den Erfolg der begehrten Beweiserhebung fehlten.84 Schließlich hat der 5. Senat diese Voraussetzungen um eine gerichtliche Fragepflicht erweitert: Vor Qualifizierung eines Beweisbegehrens sei dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, den gerichtlichen Verdacht, daß sich die Beweisbehauptung auf eine haltlose Vermutung stützt, zu entkräften. Erst wenn der Antragsteller auf Nachfrage eine plausible Auskunft über seine Wissensquellen und die Hintergründe seiner Vermutung schuldig bleibe, könne das Gericht seinen Antrag entweder als Beweisermittlungsantrag behandeln oder wegen Prozeßverschleppungsabsicht ablehnen.85 Fraglich ist daher, ob das gemeinsame, die beiden Rechtsprechungsentwicklungen verbindende Element darin gesehen werden kann, daß dann von einer haltlosen, ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte aufgestellten Behauptung ausgegangen werden kann, wenn die Behauptung der Bestätigung der Beweistatsache durch das Beweismittel durch keinerlei tatsächliche Grundlage gestützt wird, weil weder dem Antrag, noch dem bisherigen Beweisergebnis ein Hinweis auf die Relation zwischen Beweismittel und Beweistatsache zu entnehmen ist. Ein direkter Verglich zwischen dem Substantiierungsmaßstab der Konnexität und der Frage, wann ein Antrag ins Blaue hinein formuliert ist, wird dadurch erschwert, daß in der Mehrzahl der unter dem Stichwort der Vermutungsrechtsprechung ausgewerteten Entscheidungen der Beweisantragscharakter des Beweisbegehrens bejaht wurde und daß in den anderen Fällen der Wortlaut des als bloße Vermutung eingestuften Antrags und die Umstände der Antragstellung nicht so weit mitgeteilt werden, daß beurteilt werden könnte, ob der Antrag deshalb als haltlose Vermutung eingestuft wurde, weil er nicht erkennen ließ, was Gegenstand der unmittelbaren Wahrnehmung eines Zeugen sein sollte, bzw. weshalb der Zeuge eine unmittelbare Wahrnehmung gemacht haben konnte.86 Eine entsprechende Konkretisierung des Maß83 BGH StV 1989, 287 (288) = NStZ 1989, 334 (335); BGH StV 1989, 378 (379); NStZ 1992, 397 (398); NStZ 1993, 143 (144); 247 (248); NJW 1993, 866; NStZ 1994, 592; StV 1997, 567 (568, 569). Ebenso Alsberg / Nüse / Meyer, S. 45 f.; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 20 zu § 244. 84 BGH NStZ 1989, 334 (335). 85 BGH StV 1985, 311 mit Anmerkung Schulz. Diese Abgrenzung des 5. Senats geht auf Meyer zurück, siehe Alsberg / Nüse / Meyer, S. 45 ff. Siehe dazu auch das Urteil des 2. Senats in BGH StV 1989, 234 mit Anmerkung Michalke und Herdegen, StV 1990, 518 (519). Der 2. Senat interpretiert die Befragung des Antragsteller als Gewährung rechtlichen Gehörs. Zum Teil wird in der Entscheidung des 5. Senats keine Weiterentwicklung der sog. Vermutungsrechtsprechung gesehen, sondern diese von der sog. Plausibilitätsrechtsprechung des 5. Senats abgegrenzt, so etwa Anders, S. 42. 86 Siehe dazu die Auswertung der Entscheidungen bei Gollwitzer, StV 1990, 420 und Herdegen in GS für Meyer, 187 (196).

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stabs der „haltlosen Vermutung“ wird aber durch die neuere Konnexitätsrechtsprechung vorgenommen. So führt der 3. Senat87 in seiner Entscheidung im 43. Band aus, daß sich der – für einen zulässigen Beweisantrag erforderliche – Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel in vielen Fällen von selbst versteht, daß aber auch Antragskonstellationen denkbar seien, in „denen, vergleichbar den früher in der Rechtsprechung unter den Begriffen der aufs Geratewohl aufgestellten, aus der Luft gegriffenen Behauptung abgehandelten Fällen ( . . . ) zwar konkrete und bestimmte Behauptungen aufgestellt werden, denen eigene Wahrnehmungen des Zeugen zugrundeliegen sollen, der Antrag jedoch nicht erkennen läßt, weshalb der Zeuge seine Wahrnehmungen machen konnte“. In seinem Beschluß vom 9. 3. 1999, der im Zusammenhang mit der gesondert zu beurteilenden Antragskonstellation der Behauptung einer Negativtatsache noch eingehender zu besprechen sein wird88, führt der 1. Senat aus, daß zu der Annahme, der Zeuge sei „zu völlig aus der Luft gegriffenen Tatsachenbehauptungen ( . . . ) benannt worden“, kein Anlaß bestehe, denn der Zeuge kam „grundsätzlich als Augenzeuge des verfahrensgegenständlichen Vorfalles in Betracht“.89 Sowohl nach den Abgrenzungen der sog. Vermutungsrechtsprechung als auch nach den Substantiierungsanforderungen der Konnexität (im weiteren Sinn) ist das Gericht nicht verpflichtet, eine begehrte Beweiserhebung vorzunehmen, wenn weder aus dem Antrag noch aus den sonst erkennbaren Prozeßstoff ein Hinweis darauf enthalten ist, weshalb mit dem benannten Beweismittel überhaupt etwas zur Beweistatsache ermittelt werden kann. Der Vergleich der Konnexitätskriteriums mit der älteren Vermutungsrechtsprechung ist bereits deshalb interessant, weil die zusammenfassenden Darstellungen zur Vermutungsrechtsprechung gelegentlich der Hinweis enthalten, daß offen sei, in welche Richtung sich die „Vermutungsrechtsprechung“ weiterentwickeln werde.90 Möglicherweise ist die Entwicklung des (weiten) Konnexitätsmerkmals ein Versuch, mit einer weniger offensichtlichen Terminologie, an die Abgrenzungsbemühungen der älteren Rechtsprechung anzuknüpfen. Die aus der Klarstellung der Vermutungsrechtsprechung hervorgegangene Abgrenzung, nach der nur „völlig aus der Luft gegriffene“, „ins Blaue hinein“ aufgestellte Vermutungen, die ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte aufs „Gratewohl“ geäußert werden91, bringt deutlich zum Ausdruck, daß die Verneinung der

BGHSt 43, 321 (330) (Hervorhebung d. Verf.). Siehe unten Teil 2 Kapitel 3 B I. 89 BGH StV 1999, 303 (304) (Hervorhebung d. Verf.). Siehe dazu auch OLG Köln StV 1999, 82 ff. Das Gericht bezieht sich sprachlich auf die sog. Vermutungsrechtsprechung. Nach der Anmerkung von Julius (StV 1999, 86, 87) fehlte es am Merkmal der Konnexität (im engeren Sinn). 90 Welp, JR 1988, 387; Gollwitzer, StV 1990, 420 (423); Perron, S. 204, 205; Schatz, S. 314. 87 88

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Beweisantragsqualität aus der Annahme dysfunktionaler Antragstellung gerechtfertigt wird. Der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz begründet die Abgrenzung zwischen Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag dagegen mit der methodisch ableitbaren und damit weitgehend neutralen92 Abhängigkeit, die zwischen dem Ablehnungskatalog des § 244 Abs. 3 StPO und der Konkretisierung der Beweisbehauptung besteht. Die Betonung der strukturellen Notwendigkeit93 deutet darauf hin, daß hier ein allgemeingültiger und somit auch jedes verfahrenskonforme Beweisbegehren betreffender Bestimmtheitsmaßstab formuliert wird. Damit legt die offene Forderung der Vermutungsrechtsprechung, daß der Antragsteller neben der Angabe einer bestimmten Tatsache und eines bestimmten Beweismittels auch ein gewisses Mindestmaß an Plausibilität darzulegen habe, den Vorwurf des Verstoßes gegen das Beweisantizipationsverbot nahe. Die Ablehnung einer Substantiierungslast, die auf die Bescheidungsfähigkeit des Antrags abzielt, ist dagegen mit weitaus höherem Begründungsaufwand verbunden, da sie zunächst eine sachliche Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Anforderungen der einzelnen Ablehnungsgründe voraussetzt. Unabhängig von diesen Vermutungen zur Konnexitätsrechtsprechung zwingt die prinzipielle Vergleichbarkeit des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz mit der sog. Vermutungsrechtsprechung dazu, im Rahmen der sich anschließenden Bewertung des (weiten) Konnexitätsmerkmals auch die gegen die Vermutungsrechtsprechung erhobenen Einwände zu berücksichtigen.94

91 BGH StV 1989, 287 (288); StV 1989, 378 (379); NStZ 1992, 397 (398); NStZ 1994, 592; StV 1997, 567 (568); Alsberg / Nüse / Meyer, S. 45 f.; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 20 zu § 244. 92 Nach Schulz, NStZ 1991, 449 haben die aus dem Konkretisierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz folgenden begrifflichen Fixierungen nicht eine leichtere Ablehnung von Beweisanträgen zum Ziel, sondern folgen aus der Beschränkung des numerus clausus der Ablehnungsgründe. Anders dagegen Fezer in Festgabe BGH, 847 (871, 872). 93 Die Prüfung der beweisthemenbezogenen Ablehnungsgründe fordert, daß die Beweistatsache so hinreichend bestimmt sein muß, daß das Gericht beurteilen kann, ob die beantragte Beweiserhebung angeordnet werden muß, oder ob sie abgelehnt werden kann, weil die behauptete Tatsache offenkundig, für die Sachaufklärung ohne Bedeutung, als erwiesen anzusehen ist oder als wahr unterstellt werden kann. Die Prüfung der das Beweismittel betreffenden Ablehnungsgründe verlangt dagegen Angaben, die das Beweismittel so genau konkretisieren, daß das Gericht dessen völlige Ungeeignetheit oder seine Unerreichbarkeit nach § 244 Abs. 6 StPO begründet bescheiden kann. BGHSt 37, 162 (165); KK – Herdegen, (2. A.) Rn. 45 zu § 244; Schulz, NStZ 1991, 449. 94 Auf den Vorwurf, daß die Rechtsprechung mit der Tradition des Beweisantragsbegriffs breche (Schwenn, StV 1981, 631 [635]; Strate, StV 1981, 261 [264], Herdegen in GS für Meyer, 187 [199 ff.]), wird nicht noch einmal eingegangen. Ebenso wenig auf die Frage, ob die Einstufung als Beweisermittlungsantrag berechtigt ist (Schulz, StV 1985, 312 [314], Kühl, S. 85 f.; Thole, S. 62, 64, 65; Julius, S. 243, ders., MDR 1989, 116 [119]; Welp, JR 1988, 387 [388]). Dies ist bereits entschieden, siehe oben Teil 1 Kapitel 2 D.

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B. Bewertung der Konnexität (im weiteren Sinn) in der Literatur und eigene Stellungnahme Die Literatur, die sich kritisch mit der Rechtsprechungsformel auseinandersetzt, daß der Beweisantrag angeben müsse, „weshalb der Zeuge überhaupt etwas zum Beweisthema bekunden können soll“, richtet sich inhaltlich vor allem gegen das Kriterium der Konnexität im weiteren Sinn.95 Die von der neueren Rechtsprechung formulierte Darlegungslast wird als tiefgreifende und die Rechte des (angeklagten) Antragstellers erheblich gefährdende Veränderung des Verhältnisses von Amtsaufklärungspflicht und Beweisantragsrecht bewertet.

I. Aufhebung des eigenständigen Charakters des Beweisantragsrechts Nach Ansicht Herdegens muß der sog. „Konnexitätstheorie“ das Prädikat çontra legem“ zugesprochen werden. Das Merkmal der Konnexität durchbreche in generalklauselartiger Weite die gesetzlichen Ablehnungsbeschränkungen des § 244 Abs. 3 StPO, indem es den Gerichten bei der Zurückweisung von Beweisbegehren einen weiten, kaum begrenzbaren Spielraum einräume. Als sprachliche Variante der „Vermutungs“- und der „Plausibilitätsjudikatur“ setzte „die Berechtigung zur Weshalbfrage und zur Konstatierung ihrer Nichtbeantwortung dem überkommenen Begriff des Beweisantrags und dem von den positivierten Ablehnungsgründen gewährleisteten Beweisantragsrecht ein Ende“.96 Auch nach der Meinung von Fezer führt das Konnexitätskriterium dazu, die „strukturell notwendige Abstufung zwischen Beweisantragsrecht und Amtsaufklärungsgrundsatz einzuebnen“.97

1. Konnexität als Darlegung des Naheliegens einer weiteren Beweisaufnahme Die neuere Rechtsprechung, so die kritische Deutung der Reichweite des Konnexitätsmerkmals durch Fezer, fordere unter Hinweis auf die Bescheidungsfähigkeit des Antrags Darlegungen zur Beweiseignung und zur Beweisbedeutung, die den inhaltlichen Anforderungen einer Aufklärungsrüge entsprächen. Folge dieser sog. „Maßstabsidentität“ sei, daß es praktisch ausgeschlossen werde, „daß mit Hil95 Herdegen, NStZ 1999, 176 (180, 181); Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 ff.; Hamm / Hassemer / Pauly, Rn. 114; Rose, NStZ 1998, 633 (634); Beulke, Rn. 437; Deckers, S. 24 ff. 96 Herdegen, NStZ 1999, 176 (180, 181); siehe auch HK – Julius, Rn. 18, 19 zu § 244 „sprachliche Variante der Vermutungsrechtsprechung“. 97 Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (638).

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fe eines Beweisantrags noch eine Beweiserhebung durchgesetzt werden kann, zu der sich das Tatgericht aus seiner Sicht gerade nicht verpflichtet gesehen hat“.98 Die mit dem Konnexitätsmerkmal verbundene „Maßstabsidentität“ zwischen § 244 Abs. 2 StPO und § 244 Abs. 3 StPO läßt sich nach Ansicht Fezers durch die Wiedergabe einzelner BGH – Entscheidungen verdeutlichen, die sich auf die inhaltlichen Anforderungen der Aufklärungsrüge beziehen. Auf eine dieser ausgewählten und den Zeugenbeweisantrag betreffenden Entscheidungen soll hier – in Übernahme der Zusammenfassung der Entscheidungsgründe durch Fezer99 – kurz eingegangen werden: Im Fall der „Wiedererkennungszeugin“ hatte die Staatsanwaltschaft mit der Aufklärungsrüge beanstandet, daß die Zeugin K. nicht vernommen worden sei. Diese Zeugin sei nach dem Ermittlungsergebnis die einzige am Tatort anwesende Person, die die Täter kurz ohne Maske gesehen hätte; sie habe auch einen der Angeklagten anläßlich einer Lichtbildvorlage als Täter identifiziert. Der BGH vermißt die Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für die Beurteilung der Frage von Bedeutung sein könnten, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung „aufdrängen“ mußte, d. h. er vermißt konkret die inhaltliche Wiedergabe der im Ermittlungsverfahren erfolgten Vernehmung der Zeugin einschließlich der behaupteten Lichtbildvorlage. Solche Darlegungen seien für die „Beweiseignung und -bedeutung“ zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung wichtig. Zum Beleg dafür, daß durch das Konnexitätsmerkmal die Anforderungen an den Inhalt eines Beweisantrages und an eine zulässige Aufklärungsrüge zur Deckung kommen, überträgt Fezer nun dieses Rechtsprechungsbeispiel auf die Beweisantragssituation: „Würde im Fall der ,Wiedererkennungszeugin‘ in der Hauptverhandlung der Antrag auf Vernehmung der Zeugin K. gestellt, so müßte die frühere Vernehmung einschließlich aller Umstände des damaligen Wiedererkennens (Lichtbildvorlage) mitgeteilt werden, sonst wäre nicht erkennbar, ,weshalb‘ die Zeugin etwas zur Identifizierung des Angeklagten beitragen könnte“.100

2. Stellungnahme Die Auseinandersetzung mit der Position Fezers wird dadurch erschwert, daß sich seine kritische Deutung der Reichweite der neueren Rechtsprechung auf einen beispielhaft formulierten Beweisantrag stützt, der die Annahme eines bestimmten Konkretisierungsumfangs veranschaulichen soll, dessen konkrete Substantiierun-

Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (630 mit Fn. 3; 637, 638). Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (631 f.): Zusammenfassende Darstellung von BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2, Aufklärungsrüge 6. 100 Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (638). Herdegen (NStZ 1999, 176 [180, 181]) interpretiert die geforderten Darlegungen als Ersatz der gerichtlichen Ablehnungsbegründung, dazu unten Teil 2 Kapitel 2 B I 2 (b). 98 99

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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gen aber nicht unmittelbar aus der sog. Konnexitätsrechtsprechung abgeleitet werden können.101 Der von Fezer aufgestellten Behauptung kann an dieser Stelle nur die (zu begründende) Annahme entgegengesetzt werden, daß die in dem hier gewählten Beispiel formulierten Substantiierungsanforderungen das Maß an Konkretisierung überschreiten würden, das die bisher veröffentlichten Entscheidungen unter dem Stichwort der Konnexität gefordert haben.102 Die bisher veröffentlichen Konnexitätsentscheidungen erlauben die Schlußfolgerung, daß ein Antrag, der angibt, daß die zur Wiedererkennung benannte Zeugin K. die einzige Person am Tatort war, die die Täter kurze Zeit ohne Maske gesehen hat, einen zulässigen Beweisantrag darstellt, da er zum einen erkennen läßt, was die Zeugin selbst unmittelbar wahrgenommen hat und zum anderen erläutert, weshalb die Zeugin diese unmittelbare Wahrnehmung machen konnte. Nach dem hier beispielhaft formulierten Zeugenbeweisantrag liegen sowohl die Konnexität im engeren als auch im weiteren Sinn auf der Hand: Zur Konnexität im engeren Sinn ist die Angabe, daß die Zeugin selbst das Gesicht der Täter wahrgenommen hat, ausreichend.103 Zum anderen enthält der Antrag durch den Hinweis darauf, daß die Zeugin am Tatort war, genau jene Konkretisierung zur Art und zur Möglichkeit der Wahrnehmung, die nach dem weiteren Konnexitätsverständnis in der Entscheidung des 3. Senats im 43. Band gefordert wurde.104 Diese Deutung der Reichweite der neueren Rechtsprechung setzt voraus, daß man unterstellt, daß der Antragsteller seiner Darlegungslast im Sinne der Konnexität bereits gerecht wird, wenn er eine Möglichkeit der Wahrnehmung der Beweistatsache durch das Beweismittel behauptet. Das Merkmal der Konnexität (im weiteren Sinn) entsprechend der kritischen Deutung Fezers zu interpretieren, würde bedeuten, die Rechtsprechungsformel, daß der Antragsteller darlegen muß, weshalb der Zeuge etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll, nicht als Last der Darlegung einer Wahrnehmungsmöglichkeit, sondern als eine Last zu interpretieren, die den Verfahrensbeteiligten auferlegt, nachzuweisen, weshalb es naheliegt, daß der benannte Zeuge die im Antrag behauptete Tatsache wahrgenommen hat. Legt man dem Konnexitätsmerkmal eine 101 Im Hinblick auf diese Art der Beweisführung ist fraglich, weshalb ein so weitreichender Vortrag, wie Fezer ihn aufgrund des Konnexitätserfordernisses für notwendig hält, am Beispiel eines erdachten Beweisantrages einfach behauptet wird. Hätten zum Nachweis der „Maßstabsidentität“ nicht die vorliegenden Konnexitätsentscheidungen herangezogen werden müssen, um zu belegen, daß der BGH im einzelnen forderte, daß der Antragsteller darlege, weshalb sich der Beweis aufdränge? 102 Diese Bewertung ist zunächst nur auf den hier erläuterten Zeugenbeweisantrag beschränkt. Da sich der BGH bislang im Zusammenhang mit anderen Beweismitteln des Strengbeweises nicht zur Konnexität geäußert hat, ist nur zu vermuten, daß die Angaben, die nach Fezer (in FS für Meyer-Goßner, 629 [632; 638, 639]) im Zusammenhang mit den anderen Beispielen zum Urkunds- und Sachverständigenbeweis zu fordern wären, ebenfalls das Merkmal der Konnexität überspannen. 103 BGHSt 39, 251 (254). 104 BGHSt 43, 321 (330).

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entsprechende Deutung zugrunde, dann wäre das Gericht berechtigt, einen Antrag zurückzuweisen, weil es die behauptete Möglichkeit der Wahrnehmung der Beweistatsache durch den Zeugen schlicht als fernliegend oder unwahrscheinlich bewertet. Eine solche Reichweite der Substantiierungslast würde in der Tat den eigenständigen Charakter des Beweisantragsrechts in Frage stellen. Fraglich ist daher, ob die bislang referierte Konnexitätsrechtsprechung einen Antrag, der die Behauptung enthält, daß die benannte Beweisperson den Angeklagten als Augenzeugin am Tatort unmittelbar selbst wahrgenommen hat, als hinreichend substantiiert einstufen würde, oder ob sie den Antragsteller auffordern würde, nachzuweisen, daß der Zeuge auch grundsätzlich in der Lage war, aufgrund seiner Anwesenheit am Ort des Geschehens und seiner individuellen Fähigkeiten die Beweistatsache wahrzunehmen. (a) Konnexität als Darlegung der Grundplausibilität des Antrags Die bislang veröffentlichte Konnexitätsrechtsprechung weist keine Entscheidung auf, die einen Antrag zurückweist, weil nicht erkennbar ist, weshalb der Zeuge eine unmittelbar eigene Wahrnehmung machen konnte.105 Die hier zitierten Entscheidungen betreffen nur Beweisbehauptungen, die entweder als unsubstantiiert bewertet wurden, weil es bereits am Vortrag der Konnexität im engeren Sinn fehlte106, oder die eine Zurückweisung fehlender Konnexität nicht rechtfertigen, weil nach Ansicht des Revisionsgerichtes der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweismittel und Beweistatsache auf der Hand lag.107 Insbesondere kann nicht auf eine Entscheidung Bezug genommen werden, die einen Antrag mit der Begründung zurückweist, daß die erkennbare Möglichkeit der Wahrnehmung der Beweistatsache durch den Zeugen als fernliegend zu bewerten und daher der Antrag als Ermittlungsantrag einzustufen sei. Allerdings lassen sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe der hier zitierten Rechtsprechung und aus der Übernahme des von Widmaier gebildeten Begriffs der Konnexität Hinweise entnehmen, daß vom Antragsteller nicht mehr gefordert würde, als die Darlegung der Möglichkeit, daß der Zeuge die Beweistatsache entweder unmittelbar bekunden kann oder daß dieser zumindest in der Lage ist, Tatsachen mitzuteilen, aus denen auf die Beweisbehauptung geschlossen werden kann. Anlaß zu einer einschränkenden Interpretation des Konnexitätsmerkmals gibt zum einen der Wortlaut der Entscheidung des 3. Senats im 43. Band. Danach bedeutet die formale Beweisantragsvoraussetzung der Konnexität „nur“, daß der 105 Die Ausführungen des 3. Senats in BGHSt 43, 321 (329 ff.) zur Konnexität im weiteren Sinn sind nur Teil des obiter dictum. Siehe oben Teil 2 Kapitel 2 A I 1. 106 BGHSt 39, 251 (254 ff.); BGHSt 40, 3 (6); BGHSt 43, 321 (329 ff.); BGH NStZ 1998, 97. 107 BGH NStZ 2000, 437 (438); BGH NStZ – RR 2001, 43 (44).

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Antrag erkennen lassen muß, „weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll“.108 Als antragsstützende Fakten, aus denen sich ergeben soll, weshalb der Zeuge eine auf das Beweisthema bezogene Wahrnehmung machen konnte, benennt der 3. Senat ausdrücklich die Umstände, daß die Beweisperson „am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat“.109 Daß der 3. Senat unter Bezugnahme auf das Konnexitätsmerkmal darüber hinaus Angaben fordert, nach denen es naheliegt, daß der Zeuge am Tatort, in der Nachbarschaft oder anläßlich der Lektüre einer Urkunde zuverlässige Wahrnehmungen gemacht hat, kann den Ausführungen des Urteils nicht entnommen werden. Bereits die hier zitierten Fallgruppen sprechen gegen die Annahme, daß über die Bezeichnung der Möglichkeit einer Wahrnehmung hinaus detaillierte Angaben zur individuellen Leistungsfähigkeit des Beweismittels gefordert werden sollen. Daß der Zeuge am Tatort war, läßt eine sachdienliche Bekundung zwar als möglich, nicht aber bereits als naheliegend erscheinen; der Hinweis, daß der Zeuge in der Nachbarschaft wohnt, stellt eine noch vagere Beziehung zu dem zu bekundenden Geschehen her. Die Annahme, daß der 3. Senat mit der beispielhaften Beschreibung eines ausreichenden Konnexvortrages nur die Darlegung der Möglichkeit der Wahrnehmung durch die bezeichnete Beweisperson fordert, wird weiterhin dadurch gestützt, daß der fehlende Konnexvortrag mit einer „aus der Luft gegriffenen Behauptung“ gleichsetzt wird.110 Die entscheidende Frage scheint daher nicht zu sein, ob der Antragsteller Umstände darlegt, nach denen sich die Erhebung eines weiteren Beweises aufdrängt, sondern ob der Antrag überhaupt objektive Anhaltspunkte111 für die Wahrnehmung der behaupteten Beweistatsache durch den benannten Zeugen enthält. Nach den Begründungen der Entscheidungen, die den Beweisantragscharakter unter Berufung auf das Merkmal der Konnexität verneinen, fehlte es bei den Antragsformulierungen an jedwedem behaupteten oder sonst erkennbaren Hinweis auf die Beziehung zwischen Beweismittel und Beweistatsache. So hat der 5. Senat in BGHSt 39, 251 zu Recht beanstandet, daß der Beweisantrag, der die Zeugin W. zum Beweis der Tatsache, daß sich der „Angekl. nicht in der Gaststätte ,F.‘ aufgehalten ( . . . ) hat“, benennt, überhaupt nicht erkennen läßt, auf welche unmittelbare

BGHSt 43, 321 (329 a. E.) (Hervorhebung d. Verf.). BGHSt 43, 321 (329 / 330) (Hervorhebung d. Verf.). 110 BGHSt 43, 321 (330). 111 Vgl. zur Präzisierung der sog, Vermutungsrechtsprechung oben Teil 2 Kapitel 2 A IV. Nach Ansicht des bereits zitierten Beschlusses des 1. Senats vom 9. 3. 1999 (StV 1999, 303 [304]) ist die Annahme, ein Antrag sei aus der Luft gegriffen, bereits ausgeschlossen, wenn der Zeuge zwar nicht als Augenzeuge am Tatort war, sich aber in der Nähe des Tatort aufgehalten und seine Vorstellung vom verfahrensgegenständlichen Geschehens auf Schlüssen beruht. 108 109

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Wahrnehmung sich die von der Zeugin zu bekundende Schlußfolgerung der Abwesenheit des Angeklagten an jenem Ort bezieht.112 Die Beschreibung eines Zeugen mit der Formulierung „Zeuge B., LKA Hamburg“ ermöglicht keinerlei Rückschlüsse darauf, ob dieser Zeuge konkrete Zusicherungen wahrgenommen hat, die die Polizei dem Angeklagten gegenüber gemacht haben soll.113 Und auch der Antrag der Verteidigung, daß der Zeuge Stu. bekunden werde, daß der „Angekl. weder von V., noch von einer anderen Person, die mit dem MfS der ehemaligen DDR in Verbindung zu bringen sei, unmittelbar oder mittelbar irgendwelche finanziellen Zuwendungen erhalten habe“114, läßt irgendeinen Anhaltspunkt dafür erkennen, welche unmittelbare Wahrnehmung den Zeugen mit diesem Beweisthema verbindet und weshalb der Zeuge gegebenenfalls vorliegende unmittelbare Wahrnehmungen machen konnte. Da sich die fehlenden Informationen nach den Ausführungen der Senate auch nicht durch Auslegung des Beweisbegehrens oder aus den Umständen der Antragstellung erschlossen115, war eben nicht erkennbar, weshalb der Zeuge „überhaupt“116 etwas bekunden können soll, so daß eine Prüfung der Ablehnungsgründe nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht einmal „in Umrissen“117 möglich war. Daß die hier dargestellten Entscheidungen unter Bezugnahme auf das Merkmal der Konnexität vor allem an der Darlegung der Grundplausibilität118 des Antrags interessiert waren, und somit eine hinreichende Substantiierung anzunehmen ist, wenn der Antragsteller wenigstens eine Möglichkeit der Wahrnehmung durch den Zeugen behaupten kann, belegen auch die Ausführungen des 5. Senats in BGHSt 39, 251, wonach gerade keine Einzelheiten zur Beziehung zwischen der Zeugin W. und dem Beweisthema der Abwesenheit des Angeklagten in der Gasstätte F. vorgetragen werden sollten: Um den Antrag „zum Beweisantrag zu machen“, hätte es genügt, darzulegen, daß die Zeugin W. zur fraglichen Zeit in der Gaststätte F. war und dort den ihr bekannten Angeklagten nicht gesehen hat, „obwohl nach den von der Zeugin zu bekundenden Umständen ihr die Anwesenheit des Angeklagten nicht entgehen konnte“.119 Nach diesen Beschreibungen eines ausreichenden Konnexvortrages wäre es für einen zulässigen Beweisantrag nicht erforderlich, daß der Antragsteller über die Behauptung der Anwesenheit der Zeugin in der Gasstätte hinaus den Nachweis erbringt, daß die Zeugin aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten zum einen an dem fraglichen Abend in der Lage gewesen wäre, die Anwesenheit des Angeklagten zu registrieren, zum anderen, daß sie bei der beantragten 112 113 114 115 116 117 118 119

BGHSt 39, 251 (254, 255, 256). BGH NStZ 1998, 97. BGHSt 43, 321 (327 f.; 330, 331). BGHSt 39, 251 (254, 256); BGH NStZ 1998, 97; BGHSt 43, 321 (329 ff.). BGH NStZ 1998, 97; BGHSt 43, 321 (329). Widmaier, NStZ 1993, 602, 603; ders., NStZ 1994, 248. Widmaier, NStZ 1993, 602, 603; ders., NStZ 1994, 248. BGHSt 39, 251 (255) (Hervorhebung d. Verf.).

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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Vernehmung in der Hauptverhandlung dazu noch zuverlässige Bekundungen machen kann. Aufgrund dieser Beschreibungen eines ausreichenden Konnexitätsvortrages hätte der Antrag daher nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden können, daß sich allein aufgrund der behaupteten Anwesenheit der Zeugin in der Gasstätte die Wahrnehmung des Angeklagten durch die Zeugin noch nicht aufdränge und daß das Gericht daher keinen Anlaß zu einer weiteren Beweiserhebung sehe. Diese Beschränkung der Konnexität (im engeren und im weiteren Sinn) auf den Nachweis der Grundplausibilität des Antrags wird auf der anderen Seite durch neuere Entscheidungen bestätigt, die weitergehende Substantiierungsanforderungen der Tatgerichte als unbegründet zurückweisen, da der Zusammenhang zwischen Beweismittel und Beweistatsache „auf der Hand“ liege bzw. nach „sinngerechtem Verständnis“ des Vorbringens des Antragstellers erkennbar war.120 Bei dem Versuch, die Reichweite der Konkretisierungen zu deuten, die die Rechtsprechung unter Hinweis auf die Konnexität von dem Antragsteller verlangt, darf auch nicht die den Begriff prägende und erläuternde Anmerkung Widmaiers121 vernachlässigt werden. Nach der Definition Widmaiers zeichnet sich das Konnexitätserfordernis durch eine Negativdefinition aus. Ein Beweisantrag liegt danach dann nicht vor, „wenn keinerlei Konnex zwischen Beweistatsache und Beweismittel vorliegt, so daß das Gericht die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels nicht in Umrissen zu prüfen vermag.“ Ziel der Substantiierung ist eine sinnvolle Anwendung und nicht die exakte Nachprüfbarkeit der Ablehnungsgründe. Dagegen wäre es, so Widmaier, mit dem „Verbot der Beweisantizipation“ nicht vereinbar, vom Antragsteller zu verlangen, daß er das „Nichtvorliegen eines (möglicherweise in Betracht kommenden) Ablehnungsgrundes in allen Einzelheiten vorzutragen“ habe.122 Daß diese restriktive Bestimmung des Konnexitätsbegriffs Beachtung in der Rechtsprechung findet, zeigt die im Anschluß an die Anmerkung Widmaiers ergangene Entscheidung des 3. Senats, die die weitreichendere Forderung Herdegens, daß der Antrag die „exakte“ Anwendung der Ablehnungsgründe ermöglichen müsse123, auf die Forderungen nach einer sinnvollen Prüfung beschränkt.124 Den bislang erörterten Entscheidungen lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz fordern würde, daß der Antragsteller darlegt, weshalb es naheliegt oder sich aufBGH NStZ 2000, 437 (438); BGH NStZ – RR 2001, 43 (44). NStZ 1993, 602 ff.; NStZ 1994, 248. 122 Widmaier, NStZ 1993, 602; Alsberg in FS für Heinitz, 416 (431), der die Grenze des Substantiierungsumfangs aus den begrenzten Ermittlungsmöglichkeiten des Angeklagten ableitet, dazu unten Teil 2 Kapitel 2 B II. 123 KK – Herdegen, (2. A.) Rn. 45 zu § 244: „exakte und sinnvolle Prüfung“. 124 BGHSt 40, 3 (6) und Widmaier, NStZ 1994, 248. 120 121

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

drängt, daß die von ihm bezeichnete Beweisperson die Beweisbehauptung bekunden wird. Der Behauptung, daß mit dem Kriterium der Konnexität Darlegungslasten übertragen würden, die inhaltlich den spezifischen revisionsrechtlichen Anforderungen einer Aufklärungsrüge nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechen, kann daher nicht gefolgt werden.125 (b) Differenz der Beweiserhebungspflichten nach § 244 Abs. 2 und Abs. 3 StPO Wird der Antragsteller dem geforderten Konnexvortrag bereits gerecht, wenn er zumindest die Möglichkeit der Wahrnehmung der Beweistatsache durch das Beweismittel darzulegen vermag, so wird durch das Kriterium der Konnexität der eigenständige Charakter des Beweisantragsrechts nicht aufgehoben. Sind die Verfahrensbeteiligten in der Lage eine auch nur entfernte Möglichkeit einer einschlägigen Bekundung des Beweisthemas durch das Beweismittel plausibel darzulegen, ist ein zulässiger Beweisantrag gestellt, dem das Gericht durch die begehrte Beweiserhebung entsprechen muß, auch wenn es sich selbst zu der konkreten Zeugenvernehmung nicht gedrängt sieht. Bei entsprechend eingeschränkter Darlegungslast der Verfahrensbeteiligten wird durch das Kriterium der Konnexität die strukturell notwendige Abstufung zwischen Beweisantragsrecht und Amtsaufklärungspflicht nicht eingeebnet. Im Zusammenhang mit der parallelen Problematik der Vermutungsrechtsprechung ist dagegen der Vorwurf erhoben worden, daß auch die gerichtliche Feststellung, daß die Beweisbehauptung des Antragstellers auf keinerlei objektive Anhaltspunkte gestützt sei, bzw. die damit korrespondierende Last der Verfahrensbeteiligten, ihren Antrag plausibel zu begründen, zu einer Durchbrechung des Beweisantizipationsverbotes und damit zu einer Schwächung der besonderen Beweiserwirkungsfunktion des Beweisantragsrechts führe.126 Die Beweiserhebung werde damit im Ergebnis von der gerichtlichen Einschätzung des begehrten Beweisbegehrens abhängig gemacht: Verspreche sich das Gericht selbst nichts von der beantragten Beweiserhebung, werde es kaum imstande sein, die abweichende Begründung des Antragstellers gleichwohl für plausibel zu halten.127 Diese Bedenken sind jedoch vor dem Hintergrund der gerichtlichen Pflicht, den Antrag begründet zu bescheiden, zu relativieren. Das Gericht kann die im Antrag oder nach Rückfrage angebotene Möglichkeit, der Wahrnehmung der Beweistatsache durch den Zeugen nicht mit einem knappen Hinweis auf das bisherige Beweisergebnis als fernliegend ablehnen. Bereits eine jüngere Entscheidung zur sog. Vermutungsrechtsprechung hat hervorgehoben, daß die Frage, ob eine BeweisbeSo auch ausdrücklich Widmaier, NStZ 1993, 602 (603 a. E.). Thole, S. 66 ff.; Schulz, StV 1985, 312 (314); Peters, NStZ 1993, 293, Anmerkung zu BGH NStZ 1992, 397; Schatz, S. 312. 127 Frister, StV 1989, 380 (381) und Schatz, S. 357. 125 126

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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hauptung nur aus der Luft gegriffen sei, „aus Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen“ beurteilt werden müsse.128 Die Bewertung der Behauptung einer (möglicherweise nur entfernten) Möglichkeit und damit die Entscheidung über eine weitere Beweiserhebung darf selbstverständlich nicht „davon abhängig gemacht werden, ob der Tatrichter die beantragte Beweiserhebung nach dem Ergebnis der Vorermittlungen und der bisherigen Hauptverhandlung für aussichtsreich erachtet“.129 Bei der Beachtung entsprechender Ablehnungsvoraussetzungen ist der eigenständige Beweiserwirkungsfunktion des Beweisantragsrechts nicht aufgehoben. Ist Ausgangspunkt der Bewertung der Konnexität die Annahme, daß der Antragsteller seinen Darlegungslasten bereits dann gerecht wird, wenn er einen Zeugen individualisiert und ein Beweisthema benennt und daß es nicht erforderlich ist, die Relation zwischen den Antragselementen in irgendeiner Weise zu präzisieren, wird mit dem Kriterium der Konnexität die Differenz zwischen dem durch § 244 Abs. 3 StPO ausgelösten und dem nach § 244 Abs. 2 StPO zu leistenden Beweiserhebungsaufwand allerdings verkleinert. Umfangreiche (streng- oder freibeweisliche) Bemühungen des Gerichts werden nach Ansicht der neueren Rechtsprechung erst dann ausgelöst, wenn der Antragsteller ein gewisses Mindestmaß an Erfolgsaussichten plausibel machen kann. Eine überzeugende Begründung, weshalb aber der Antragsteller das uneingeschränkte Recht haben sollte, die Frage nach der Plausibilität seines Begehrens, durch das er das Gericht zu aufwendigen Beweiserhebungen zwingen kann, auch dann nicht zu beantworten, wenn sich diese Plausibilität aus der Sache selbst nicht ergibt, ist der Kritik der Literatur nicht zu entnehmen.130 Auch wenn damit der von Fezer vorgenommenen Deutung widersprochen wird, zeigen die Abgrenzungsunsicherheiten, die hinsichtlich der Frage nach der Reichweite der geforderten Substantiierungen bestehen, daß der pauschale Begriff der Konnexität mit erheblichen Risiken für die eigenständige Mitgestaltung und Beeinflussung der Beweisaufnahme durch den Antragsteller verbunden sein kann. Die auf sämtliche Umstände der konkreten Antragstellung zu beziehende Frage, wann der Zusammenhang zwischen Beweismittel und Beweistatsache auf der Hand liegt und wann die Bescheidungsfähigkeit des Antrags weitere Substantiierungen erfordert, läßt sich abstrakt schwer beantworten. Daher ist auch die Begrenzung der Konnexität auf die Darlegung einer Grundplausibilität mit der Schwierigkeit der Abgrenzung zu weitergehenden Darlegungen verbunden. Die Frage, wann der Antragsteller sein Begehren ausreichend begründet hat, läßt sich, wie Herdegen zutreffend anmerkt, nicht in Form eines rechtlichen Obersatzes beantworten: BGH NStZ 1989, 334 (335). BGH NStZ 1989, 334 (335). 130 Für die Last der Darlegung einer Grundplausibilität im Ergebnis auch: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 45, 46; Perron, S. 205; speziell zum Merkmal der Konnexität: Senge, NStZ 2002, 225 (231). 128 129

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

„Man wird im Einzelfall die sachlich gestützte Möglichkeit, daß es für die Beweisbehauptung eine argumentativ vertretbare Prämisse gibt, als ausreichend ansehen müssen“.131 Angesichts dieser Abgrenzungsproblematik würde es eine formalistische Überspitzung132 bedeuten, wenn sich die Gerichte allein am Wortlaut des Antrags orientieren würden. Vor einer Ablehnung des Antrags als unsubstantiiert müssen die Gerichte daher um eine sinngerechte Auslegung des gesamten Antragsvorbringens unter Berücksichtigung aller bekannten weiteren Umstände der Antragstellung bemühen.133 Vor einer Zurückweisung des Beweisbegehrens wegen fehlender Konnexität ist dem Antragsteller weiterhin der Substantiierungsmangel zu erläutern, und Gelegenheit zu weiteren Konkretisierungen einzuräumen. Schließlich muß gewährleistet sein, daß die strukturelle Notwendigkeit des Konnexitätsvortrags eine erweiterte Darlegungslast rechtfertigt. Der Gefahr, daß die Gerichte das Kriterium der Konnexität nach „Gutdünken“134 an die Stelle einer aufwendigen Beweiserhebung oder einer argumentativ aufwendigen Ablehnungsbegründung setzen, muß mit entsprechend hohen Anforderungen an die inhaltlichen Begründung der Ablehnungsentscheidung begegnet werden. Damit besteht für den Tatrichter, der einen Beweisantrag wegen fehlender Konnexität verneint, stets das Risiko, daß das Revisionsgericht seiner Bewertung des Antrags nicht zustimmt, weil es aus seiner Perspektive der Verknüpfung von Beweismittel und Beweistatsache eine gewisse Grundplausibilität nicht absprechen will.135 Solange sich keine begrifflich exakteren Kriterien und typischen Fallgruppen136 herausgebildet haben, ist zu erwarten, daß es zwischen der tatgerichtlichen und der revisionsrechtlichen Bewertung der Konnexität zu Meinungsverschiedenheiten137 kommen kann.

131 Herdegen, StV 1990, 518 (519) im Zusammenhang mit der parallelen Problematik der Ablehnung einer sog. Pseudobehauptung; siehe dazu auch die kritische Anmerkung von Peters, NStZ 1993, 293. 132 Widmaier, NStZ 1993, 602. 133 Nach Widmaier, NStZ 1993, 602 (603, 604) liegt hierin u. a. die Differenz zu den formalen Anforderungen der Aufklärungsrüge. 134 Herdegen, NStZ 1999, 176 (181). 135 Vgl. Herdegen, StV 1990, 518 (520) und Perron, S. 204 zur parallel gelagerten Bewertung der Ablehnung eines Antrags mit der Begründung, die Beweisbehauptung sei „ins Blaue hinein“ gestellt. Siehe dazu BGH NStZ 2000, 437 (438); BGH NStZ – RR 2001, 43 (44). 136 Siehe unten Sonderkonstellationen Teil 2 Kapitel 3. 137 Zu den prozessualen Folgeaspekten dieser Meinungsverschiedenheiten siehe unten Teil 2 Kapitel 4.

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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II. Begrenzte Substantiierungsmöglichkeiten des Antragstellers War es vor der Entdeckung des Konnexitätskriteriums vorrangig Aufgabe des Gerichts, eventuell fehlende Informationen für die Bescheidungsfähigkeit des Antrags zu ermitteln, werden nun entsprechende Informationslasten auf den Antragsteller übertragen. Eine sachgerechte Bewertung des Kriteriums der Konnexität sollte nicht von der prinzipiellen Fragestellung ausgehen, ob entweder das Gericht oder der Antragsteller das Risiko eines Informationsdefizits und damit verbunden der Nichtanwendbarkeit der Ablehnungsgründe tragen sollen, sondern in welchem Maße die Übertragung von Darlegungslasten dem Antragsteller fairerweise zugemutet werden kann. Dabei sind vor allem die begrenzten Ermittlungsmöglichkeiten des Antragstellers zu beachten.138 Die Forderung, der Antragsteller möge darlegen, weshalb der Zeuge eine unmittelbare Wahrnehmung machen konnte, verlangt von den Verfahrensbeteiligten Kenntnisse über die Umstände eines konkreten Wahrnehmungsvorgangs. Vor allem der antragstellenden Verteidigung wird eine solche Konkretisierung mangels eigener Aufklärungsmöglichkeiten häufig gar nicht möglich sein.139 Daß der angeklagte Antragsteller nur beschränkte Vorermittlungsmöglichkeiten hat, da diese in der StPO nicht vorgesehen und in der „Praxis von den Strafverfolgungsbehörden auch gar nicht gewünscht“ würden140, kann daher vor allem im Zusammenhang des erweiterten Konnexitätserfordernisses Anlaß zur Anerkennung von Ausnahmefällen geben. Hinsichtlich der möglichen Ausgestaltung dieser Ausnahmefälle ist auf die entsprechenden Ausführungen zur Konnexität im engeren Sinn zu verweisen.141

1. Gerichtliche Hinweis- und Fürsorgepflicht Die Beachtung der gerichtlichen Hinweis- und Fragepflicht dient nicht nur der Nachbesserung des Antrags, sondern soll dem Antragsteller auch die Möglichkeit einräumen, den Umstand begrenzter Substantiierungsmöglichkeiten plausibel darzulegen.142 Kann der Antragsteller aber (auf Nachfrage oder im Rahmen der Antragsformulierung) mit einer nachvollziehbaren Argumentation darlegen, weshalb 138 Dieser Punkt wurde auch im Zusammenhang mit der sog. Vermutungsrechtsprechung als problematisch angesehen: zusammenfassend Perron, S. 203. 139 Hamm, StV 1993, 454 (458); Widmaier, NStZ 1993, 602, 603; Julius, StV 1999, 86 (87), Anmerkung zu OLG Köln StV 1999, 82, der – wie Widmaier – die Abgrenzung der Konnexitätsrechtsprechung im Ergebnis für vertretbar hält. 140 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 40, 41; Eisenberg, Rn. 146; Perron, S. 199; Strate, StV 1994, 171 f. 141 Siehe oben Teil 2 Kapitel 1 B III . 142 Vgl. dazu Teil 2 Kapitel 1 B III.

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

es ihm unmöglich ist, den Antrag in einer bescheidungsfähigen Weise zu konkretisieren, dann gebietet es der Grundsatz des fairen Verfahrens, den begehrten Beweis zu erheben oder die Prüfungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO von Amts wegen im Freibeweis zu ermitteln. Andernfalls, wenn also das Gericht keine plausible Erklärung für das Fehlen des Konnexvortrag festzustellen vermag, ist dies in einer revisionsrechtlich überprüfbaren Weise darzulegen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, daß die Ausübung der gerichtlichen Hinweis- und Fürsorgepflicht daran geknüpft werden könnte, daß das Gericht den Antragsteller für schutzbedürftig hält. So wird zum Teil in Rechtsprechung und Literatur die Position vertreten, daß das Gericht nur dann dazu angehalten werden kann, auf eine Klarstellung oder Vervollständigung eines unsubstantiierten Antrags hinzuwirken, wenn der „Sachverhalt die Vermutung nahelegt, daß der Antragsteller aus Ungeschick, ungenügender Überlegung oder aus ähnlichen Gründen den Antrag nicht so genau und so vollständig gefaßt hat, wie er dazu an sich in der Lage sein würde“.143 Geht das Gericht dagegen davon aus, daß er Antragsteller seine Behauptung ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte aufgestellt hat, so könnte es einen Hinweis als sinnlose Formalität interpretieren und von einer Nachfrage absehen.144 Interpretiert also das Gericht einen Antrag, der keinerlei Konnex zwischen Beweismittel und Beweistatsache erkennen läßt, als reine Prozeßtaktik der Verteidigung, wird es sich aufgrund dieser Vermutung nicht verpflichtet sehen, auf eine Ergänzung des mangelhaft gefaßten Antrags hinzuwirken, weil es bereits annimmt (unterstellt), daß dem Antragsteller eine konkretere Bezeichnung des (aus der Luft gegriffenen) Antrags unmöglich ist. Weiterhin ist denkbar, daß das Gericht auf eine Nachfrage verzichtet, weil es weitere Konkretisierungen und damit die Bescheidungsfähigkeit des Antrags vermeiden will. Soll der Hinweis auf die fehlende Konnexität eine aufwendige Ablehnungsbegründung ersetzen, dann ist die Frage nach weiteren Konkretisierungen des Antrags, die ihn bescheidungsfähig machen, aus der Perspektive des Gerichts mit einem „Nachbesserungsrisiko“145 verbunden.

143 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 396 (mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der älteren Literatur); im Anschluß daran BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1985, 205 (206); BGH NStZ 1995, 356; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 35 zu § 244; Eisenberg, Rn. 180. 144 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 396: „. . . wenn eine Befragung des Antragstellers zwecklos erscheint, darf das Gericht davon absehen, auf eine zweckdienliche Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken“. 145 Basdorf (StV 1995, 310 [316]) spricht zwar vom von diesem Risiko, hält es aber für sachgerecht, daß der Antragsteller nachbessert, denn erst auf der Grundlage einer regelrechten Beweisbehauptung könne der Tatrichter beurteilen, ob darüber Beweis zu erheben ist oder ob die behauptete Tatsache als wahr unterstellt werden kann oder ob vielleicht der angegebene Zeuge als völlig ungeeignetes Beweismittel anzusehen ist. In der Praxis werde allerdings nur in den seltensten Fällen nachgebessert.

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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In diesen Fällen reduziert allein die gerichtliche Verpflichtung zur Begründung der Ablehnungsentscheidung nach §§ 244 Abs. 6; 34 StPO die Gefahr, daß das Gericht das Merkmal der Konnexität auf ein flexibleres Instrument zur Zurückweisung von unliebsamen und als lästig empfundenen Anträgen mißbraucht, indem sie die Chance zur Erläuterung und Korrektur der Antragstellung absichert.146

2. Hinweis- und Fürsorgepflicht im Fall des Hilfsbeweisantrages Die Ansicht des 3. Senats, daß der Antragsteller, der für sein Beweisbegehren „nur die Form des Hilfsbeweisantrags wählt“, sich der „Möglichkeit, seinen Antrag ,nachzubessern‘, begibt“, da er auf eine „Bescheidung des Antrags vor der Urteilsverkündung verzichtet“147 habe, vermag nicht zu überzeugen.148 Diese Argumentation steht in keinem sinnvollen Zusammenhang zu den Gründen, die es nach Ansicht der h. M. rechtfertigen, einen Hilfsbeweisantrag erst in den Urteilsgründen zu bescheiden. Nach der in Literatur und Rechtsprechung überwiegenden Ansicht liegt in der Stellung eines Hilfsbeweisantrages etwa in der Weise, daß ein Beweis nur für den Fall begehrt wird, daß das Gericht nicht auf Freispruch erkennen wird, und damit in der Kopplung von Hauptantrag und Hilfsantrag die (konkludente) Erklärung des Verzichts auf eine der Urteilsverkündung vorausgehende Ablehnung des Hilfsbeweisantrages durch Beschluß.149 Der Angeklagte verzichte damit auf die Möglichkeit, noch im Rahmen der Hauptverhandlung auf die inhaltliche Ablehnung des Hilfsbeweisantrages zu reagieren. Dieser Verzicht des Antragstellers betrifft damit die Informationsfunktion des ablehnenden Beschlusses bezogen auf die inhaltliche Würdigung des Hilfsbeweisantrags nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO durch das Tatgericht.150 Eine Bescheidung des Hilfsbeweisantrages vor der Urteilsverkündung kann nach Ansicht der herrschenden Meinung auch nicht durch eine sog. Beschei146 Zu der Problematik, daß erst das Revisionsgericht die formale Beweisantragsqualität verneint, siehe unten Teil 2 Kapitel 4. 147 BGHSt 43, 321 (331) (Hervorhebung d. Verf.). 148 Kritisch auch Herdegen, NStZ 1999, 176 (181), der anmerkt, daß bei weiterer Etablierung des Konnexitätserfordernisses die prozessuale Behandlung des Hilfsbeweisantrages zu überdenken ist. 149 RGSt 62, 76; BGHSt 32, 10 (13) = NJW 1983, 2396 = BGH NStZ 1984, 372 mit Anm. Schlüchter; BGH NStZ 1982, 477; 1989, 191; 1991, 547 (548); BGH StV 1990, 149 mit Anm. Michalke StV 1990, 184; BGHR StPO § 244 Abs. 6 Hilfsbeweisantrag Nr. 5; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 61 mit weiteren Nachweisen auch zu gegenteiligen Ansicht; KK – Herdegen, Rn. 50 a zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 22 a, 35 zu § 244; LR – Gollwitzer, Rn. 161 a, 164 zu § 244; SK – Schlüchter, Rn. 66 zu § 244. 150 Schlüchter, NStZ 1984, 373 (= Anmerkung zu BGHSt 32, 10); so auch Widmaier in FS für Salger, 421 (430 ff.): Auf die Möglichkeit der Überprüfung der Ablehnungsentscheidung durch das Revisionsgericht (Kontrollfunktion der Ablehnungsbegründung) verzichtet der Antragsteller dagegen nicht.

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

dungsklausel151 erreicht werden. Wäre die (ausdrückliche) Erklärung des Antragstellers, daß er auf eine Bescheidung seines Antrags vor der Urteilsverkündung nicht verzichte, beachtlich, so könnte sich der Antragsteller durch diese Bescheidungsklausel zusätzliche Informationen beschaffen, die er durch die Stellung eines unbedingten Beweisantrages nicht erhalten könnte. Werde ein unbedingter Beweisantrag „in die Urteilsberatung hinein“ gestellt, den das Gericht ablehne, erfahre der Antragsteller lediglich die Gründe der Ablehnung des Beweisbegehrens nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO; er erlange aber keine Kenntnis über das Ergebnis der bisherigen Beratung. Es wäre ein innerer Widerspruch, wenn derjenige, der einen Hilfsantrag mit Bescheidungsklausel stelle, die Informationsfunktion des ablehnenden Beschlusses erweitern könnte, indem er sich Kenntnis vom Bedingungseintritt, also von einem Teilresultat der Urteilsberatung verschaffen könnte.152 Der Kern dieser (überzeugenden) Argumentation liegt demnach darin, daß der Antragsteller an seinem Verzicht auf den Informationsgehalt einer Bescheidung nach § 244 Abs. 6 StPO, der sich auf die inhaltliche Würdigung des Hilfsbeweisantrags nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO bezieht, festgehalten werden soll und daß auch eine Bescheidungsklausel keinen Anspruch auf eine (partielle) Urteilseröffnung vor der Urteilsverkündung gewähren soll.153 Der Hinweis auf diese Argumentation vermag nun aber nicht zu begründen, warum der Angeklagte durch die Stellung eines Hilfsbeweisantrages auch auf die Möglichkeit der Nachbesserung eines unsubstantiierten Antrags verzichtet haben soll. Dem Antragsteller die Gelegenheit zur Nachbesserung eines unsubstantiierten Antrags einzuräumen, folgt aus der gerichtlichen Hinweis- und Fürsorgepflicht.154 Auf die Ausübung dieser Pflicht hat der Antragsteller auch mit der Stellung eines Hilfsbeweisantrages nicht verzichtet; es ist bereits sehr zweifelhaft, ob diese amtliche Pflicht, zu deren Beachtung das Gericht nach § 244 Abs. 2 StPO verpflichtet ist155, überhaupt zur Disposition des Angeklagten stehen kann. Läßt ein Hilfsbeweisantrag aus der Perspektive 151 Zum Hilfsbeweisantrag mit „Bescheidungsklausel“ siehe: Schlothauer, StV 1988, 542 ff.; ders. StV 1991, 350; Scheffler, NStZ 1989, 158; Niemöller, JZ 1992, 884 ff.; Widmaier in FS für Salger, 421 ff. 152 Widmaier in FS für Salger, 421 (430 ff.); Niemöller, JZ 1992, 884 (889, 891); zusammenfassende Darstellung siehe KK – Herdegen, Rn. 50 a, b zu § 244. 153 Siehe vorhergehende Fußnote 152. 154 Speziell für den Fall des Hilfsbeweisantrages: BGH StV 1981, 330; BGH NStE § 244 StPO Nr. 84; OLG Schleswig bei Ernesti / Jürgensen, SchlHA 1976, 170; Dahs / Dahs, Rn. 323; LR – Gollwitzer, Rn. 164, 112 ff. zu § 244; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 35 zu § 244; Sarstedt / Hamm, Rn. 617; Schlothauer, StV 1988, 542 (543); Burgard / Fresemann, wistra 2000, 88 (91). Nach Widmaier (in FS für Salger, 421 [433]) und KK – Herdegen (Rn. 50 a zu § 244) kann die Beachtung der gerichtlichen Fürsorgepflicht zu dem Hinweis verpflichten, daß die Bescheidungsklausel unbeachtlich ist, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, den Antrag als unbedingten zu stellen. 155 BGHSt 1, 137 (138); BGHSt 22, 118 (122); BGH StV 1981, 330, BGH NStZ 1994, 483 („faire Verfahrensgestaltung“). Alsberg / Nüse / Meyer, S. 393, 394; LR – Gollwitzer, Rn. 112 mit Fn. 406; AK – Schöch, Rn. 48 zu § 244; Sarstedt / Hamm, Rn. 617. Siehe oben Teil 2 Kapitel 1 B III.

2. Kap.: Anforderungen an die Substantiierung des Beweisantrags

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des Gerichts keinerlei Konnex zwischen Beweismittel und Beweistatsache (im engeren oder im weiteren Sinn) erkennen, so ist es aus den oben genannten Grundsätzen dazu verpflichtet, den Angeklagten auf diesen Substantiierungsmangel hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, diesen Mangel durch einen erweiterten Vortrag zu beheben oder zu erklären, weshalb eine weitere Konkretisierung unmöglich oder unzumutbar ist. Ein solcher Hinweis des Gerichts entspricht weder dem Informationsgehalt einer inhaltlichen Würdigung des Antrags nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, noch gibt das Gericht damit ein Teilresultat seiner Urteilsberatung preis. Auch die gerichtliche Vermutung, daß die (vor allem gegen Ende der Hauptverhandlung) formulierten Hilfsbeweisanträge keine weitere Sachaufklärung bezwecken156, sondern Ausdruck einer unseriösen Verteidigungstaktik sind, mit der das Gericht zu einem Handel157 motiviert werden soll, rechtfertigt keine andere Bewertung.158 Soweit nicht der Hilfsbeweisantrag selbst in widersprüchlicher und damit mißbräuchlicher Weise mit dem Hauptantrag gekoppelt159 ist, ist dem Antragsteller Gelegenheit zur weiteren Konkretisierung des Antrags zu geben.

III. Zusammenfassende Stellungnahme zur Konnexität (im weiteren Sinn) Die Erweiterung der formalen Anforderungen des Beweisantrags um diese Darlegungslast zielt darauf ab, die Gerichte von dem Druck zu befreien, einem Antrag, der keinerlei Hinweis auf die Möglichkeit enthält, mit dem benannten Beweismittel eine bestimmt behauptete Tatsache zu beweisen, durch (aufwendige) Beweiserhebung oder freibeweisliche Ermittlung der Anwendungsvoraussetzungen des Ablehnungsgrundes der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels zu entsprechen. Soweit mit der Konnexität das legitime Interesse der Gerichte, nicht ins Blaue hinein zu ermitteln160, prozessual umgesetzt werden soll, ist dies nicht mit erhebli156 Die Strenge des 3. Senats resultiert möglicherweise aus dem Umstand, daß er das Verteidigungsinteresse des Angeklagten, der die rechtliche Behandlung eines Beweisantrages sowie von acht der insgesamt 84 (!) gestellten Hilfsbeweisanträge rügte, nicht für schützenswert erachtete. 157 Je später der Beweisantrag gestellt wird, um so eher wird ein auf Verfahrensabkürzung bedachtes Gericht geneigt sein, „nicht vom Eintritt der vom Verteidiger bekämpften Bedingung auszugehen“. Dazu: Schrader NStZ 1991, 224 mit Hinweis auf Schlothauer StV 1988, 542. Siehe auch KK – Herdegen, Rn. 50 b zu § 244; Sarstedt / Hamm, Rn. 602. 158 Vgl. Eisenberg, Rn. 165. 159 BGHSt 40, 287 (= NStZ 1995, 144 mit Anmerkung Herdegen, NStZ 1995, 202) lag ein Hilfsbeweisantrag zugrunde, nachdem für den Fall, daß die vom Gericht beabsichtigte Strafe ein bestimmtes Maß überschreitet, bewiesen werden sollte, daß der Angeklagte die Tat nicht begangen hatte. Ein solcher „Deal“, bei dem entweder ein Fehlurteil billigend in Kauf genommen wird, oder die Beweisbehauptung durch ihre eigene Bedingung widerlegt wird, ist durch den 2. Senat des BGH zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden: Sarstedt / Hamm, Rn. 601; KK – Herdegen, Rn. 50 b zu § 244. 160 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 45, 46 ; Perron, S. 205.

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

chen Nachteilen für den Antragsteller verbunden. Die Bewertung des erweiterten Konnexitätsverständnisses hat gezeigt, daß vor allem der – auch gegen die sog. Vermutungsrechtsprechung erhobene – Einwand der Verletzung des eigenständigen Charakters des Beweisantragsrechts unbegründet ist. Beschränkt sich die Konnexität im weiteren Sinn im Ergebnis auf die Last der Darlegung einer Möglichkeit, daß die behauptete Tatsache mit benannten Beweismittel bewiesen werden kann, dann kann der Antragsteller bereits durch die Aufstellung einer tatsächlichen Behauptung seinen Beweiserhebungs – oder Bescheidungsanspruch nach § 244 Abs. 3 – 6 StPO durchsetzen. Eine unzulässige Übertragung gerichtlicher Argumentationspflichten auf den Antragsteller ist damit nicht verbunden. Ist der Antragsteller seiner Substantiierungslast im Sinne des weiten Konnexitätserfordernisses gerecht geworden, ist es die Pflicht des Gerichts, sich mit der behaupteten Möglichkeit der Wahrnehmung der Beweistatsache durch das benannte Beweismittel argumentativ auseinanderzusetzen. Hält es das Beweismittel weiterhin für völlig ungeeignet, oder hegt es den Verdacht, daß der Antragsteller die behauptete Möglichkeit ins Blaue hinein oder zum Zweck der Prozeßverschleppung aufgestellt habe, so muß es diese Überzeugung in revisionsrechtlich zu überprüfender Weise darlegen. Der Antragsteller, der wiederum den Konnexvortrag ohne tatsächliche Anhaltspunkte behauptet, riskiert allenfalls den Verlust an Seriosität, der durch eine Widerlegung seiner Behauptung in der Beweisaufnahme eintreten kann. Er verliert aber nicht den – vor dem Hintergrund der hier zu diskutierenden Systematik allein relevanten – Anspruch auf eine weitere Beweiserhebung. Bedenken bestehen allerdings hinsichtlich der ungenauen Verwendung des Begriffs der Konnexität durch die Rechtsprechung. Es bedarf einer begrifflichen Präzisierung und differenzierten Handhabung des Konnexitätsmerkmals.161 Der Begründungszusammenhang zwischen den Anwendungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den erweiterten Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag darf nicht nur formelhaft umschrieben werden, sondern ist im Hinblick auf die Anwendungsvoraussetzungen des Ablehnungsgründe der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels zu konkretisieren. Um die Begrenzung der Konnexität auf die Last der Darlegung einer Grundplausibilität zu gewährleisten, sind darüber hinaus Antragskonstellationen zu bezeichnen, die den Vortrag der Konnexität typischerweise erforderlich machen.

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Herdegen, NStZ 1999, 176 (181).

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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3. Kapitel

Antragskonstellationen, die typischerweise einen Konnexitätsvortrag erforderlich machen – Vergleich mit traditionellen Substantiierungsanforderungen Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bedarf das Substantiierungserfordernis der Konnexität einer weiteren inhaltlichen Differenzierung.1 Die Trennung zwischen einer Konnexität im engeren und im weiteren Sinn, die im Rahmen dieser Untersuchung vorgenommen wurde2, ist zwar vor dem Hintergrund der analysierten Entscheidungen hilfreich, um die strukturelle Korrespondenz zu den einzelnen Ablehnungsentscheidungen darzulegen und um eine Rechtsprechungsentwicklung nachzuzeichnen, führt aber nicht zu einer ausreichenden begrifflichen Ausgestaltung. Die zusätzliche Qualifikation der Konnexität als eng oder weit kennzeichnet nicht den methodischen Zusammenhang zwischen dem Ablehnungskatalog des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und einer Substantiierung des Beweisantrags. Um diesen methodischen Zusammenhang und damit die Rechtfertigung des Konnexitätserfordernisses nicht aus den Augen zu verlieren, müßte die Unterscheidung zwischen einem engen und einem weiten Konnexitätsbegriff in der gerichtlichen Ablehnungsentscheidung durch das Erfordernis der Darlegung der Prüfungsanforderungen des Ablehnungsgrundes der faktischen Irrelevanz der Beweistatsache einerseits und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels andererseits abgelöst werden. Eine solche – die methodische Begründung bezeichnende – Beschreibung der Substantiierungsanforderungen ist aber umständlich und zeitaufwendig und hat daher vermutlich wenig Chancen, sich gegenüber dem knappen und flexiblen3 Begriff der Konnexität durchzusetzen. Wenn auch der hier referierten Rechtsprechung nicht der Vorwurf gemacht werden kann, unter dem Stichwort der Konnexität durch die Anwendungsvoraussetzungen der Ablehnungsgründe nicht gerechtfertigte Darlegungen verlangt zu haben, sollte an diesem unbestimmten Begriff nicht festgehalten werden, ohne gleichzeitig Fallgruppen herauszuarbeiten, die typischerweise eine weitere Substantiierung des Antrags erforderlich machen, um so das Risiko einer sachwidrigen Verselbständigung des Konnexitätsbegriffs zu begrenzen.4 Der bisherigen RechtHerdegen, NStZ 1999, 176 (181). Siehe oben Teil 2 Kapitel 1 A II und Kapitel 2 A II. 3 Auch wenn dies nicht von der referierten Rechtsprechung intendiert sein sollte, ermöglicht der unbestimmte Begriff der Konnexität eine inhaltliche Erweiterung der Ablehnungsgründe zu kaschieren und damit zu einer flexibleren und effektiveren Ablehnung zu verhelfen; siehe oben Teil 2 Kapitel 2 A III 2. 4 Die Ausbildung von Fallgruppen kann natürlich die gerichtliche Hinweispflicht und / oder die begründete Ablehnung eines unsubstantiierten Antrags nicht ersetzen. 1 2

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

sprechung liegen Antragskonstellationen zugrunde, die einen Zeugenbeweisantrag generell anfällig für den gerichtlichen Vorwurf des fehlenden Konnexvortrages machen. Die Darstellung dieser Fallgruppen soll zugleich die Frage beantworten, ob und wenn ja inwieweit das Merkmal der Konnexität die traditionellen Anforderungen an die Substantiierung der Beweisbehauptung verschärft hat.

A. Konnexitätstypische Antragskonstellationen I. Gemeinsames Strukturelement der Konnexitätsentscheidungen Die Mehrzahl der Beweisbehauptungen, die den vorangehend analysierten Entscheidungen zugrundelagen, weisen die Gemeinsamkeit auf, daß sie sich auf komplexe Beweisthemen5 beziehen, die die Beziehung des Beweismittels zur Beweisbehauptung nicht ohne weiteres erkennen lassen. Hervorzuheben sind dabei vor allem die anschließend näher darzulegenden Fallgruppen der Behauptung einer Negativtatsache und der Bezeichnung eines Beweisthemas, das in einer Wertung besteht. In diesen Fällen ist die im Antrag benannte Beweisbehauptung selbst nicht Gegenstand einer unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen, weil die Negation eines Sachverhaltes (in der Regel)6 nicht unmittelbar wahrgenommen, und auch eine Bewertung eines tatsächlichen Vorgangs nur aufgrund einer Reihe von Beobachtungen erschlossen werden kann.7 Wird im Fall eines solchen Antrags für das Gericht nicht wenigstens in Umrissen erkennbar, welche Tatsachen der benannte Zeuge aus unmittelbarer Wahrnehmung bekunden soll, ist für das Gericht nicht abschätzbar, ob überhaupt und wenn ja mit welcher Relevanz für die gerichtliche Überzeugungsbildung Schlüsse von der Zeugenaussage auf das als Beweisziel benannte Beweisthema gezogen werden können. Aus der Perspektive des Gerichts legt ein solcher Antrag den Verdacht nahe, daß der Antragsteller das Beweisthema bewußt vage formuliert, weil er nur schwache oder keine Anhaltspunkte dafür hat, daß der benannte Zeuge die Beweisbehauptung bestätigen kann. Ein Antrag, den das Gericht seinerseits als überflüssig erachtet und der die Annahme begründet, daß der Antragsteller durch die Erhebung des begehrten Beweises erst herausfinden will, ob der Zeuge überhaupt ein sachdienliches Beweismittel ist, bezweckt aus der gerichtlichen Perspektive nur die Verschleppung des Verfahrens. Gleichzeitig ist ein solcher Antrag aber für das Gericht mit dem Problem verbunden, daß sich aufgrund der vagen Umschreibungen der Beweisbehauptung nicht abschätzen läßt, wie groß das Risiko einer überflüssigen 5 Vgl. BGHSt 37, 162: „Unglaubwürdig“; BGH NStZ 1998, 97: „. . . im LKA wurden Zusicherungen gemacht“; BGHSt 43, 321: „Die Legende war stabil“; „Der Angeklagte hat zu keiner Zeit Zahlungen erhalten“. 6 BGHSt 39, 251 (254). 7 BGHSt 37, 162 (165).

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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Beweisaufnahme ist; ob also die durch Erhebung des Beweises erforderlichen Bemühungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem zu erwartenden Beweisgewinn stehen, so daß das Gericht seinen Verdacht der Überflüssigkeit der Beweisaufnahme nicht mit einer nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO anerkannten Begründung zum Ausdruck bringen kann. Der Substantiierungsmaßstab der strukturellen Korrespondenz ist Ausdruck des gerichtlichen Bemühens, im Antrag eine möglichst zuverlässige Informationsgrundlage für die Prognose des zu erwartenden Beweisgewinns zu erhalten und so das Risiko einer überflüssigen Beweisaufnahme nach den Maßstäben des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zu begrenzen.

II. Problematik des Vergleichs Die Frage, ob mit dem Substantiierungsmaßstab der strukturellen Konnexität gegenüber den traditionellen Anforderungen erhebliche Verschärfungen der Darlegungslasten des Antragstellers verbunden sind, ist nicht einfach zu beantworten. Der Umstand, daß die „klassischen“ Bestimmtheitsanforderungen vor allem negativ gegen übertriebene Forderungen der Gerichte abgegrenzt wurden8, erschwert einen Vergleich mit dem positiven Substantiierungsmaßstab des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. Aber auch die hier geäußerte Vermutung, daß die frühere formale Großzügigkeit mit einem größeren Vertrauen in die Sachdienlichkeit der beantragten Beweiserhebung verbunden sein könnte9, macht den Vergleich mit der früheren Rechtsprechung sehr schwierig. Denn der Blick des Gerichts auf den jeweiligen Antrag, das Vertrauen des Gerichts in die Sachdienlichkeit der begehrten Beweiserhebung und die daraus folgende Bereitschaft, das Risiko einer (überflüssigen) Beweisaufnahme einzugehen, kommen in der Beschreibung der notwendigen Antragsvoraussetzungen nicht unmittelbar zum Ausdruck, sondern begründen sich aus den Gesamtumständen der Antragstellung. Umgekehrt wird die nachlassende Bereitschaft, das Risiko einer überflüssigen Beweisaufnahme einzugehen, durch veränderte äußere Bedingungen, unter denen Strafverfahren stattfinden, also einen veränderten allgemeinen Ressourcendruck10 ausgelöst. Diese Ursachen einer gerichtlichen Motivation, auf eine Beweisantragstellung strenger in oder prozessual anderer Weise zu reagieren, lassen sich nur hinter einer Rechtsprechungsentwicklung vermuten, nicht aber in Einzelentscheidungen zu den formalen Voraussetzungen ablesen.

8 Anders als die ausdrückliche Bezugnahme auf die Prüfungsanforderungen des § 244 Abs. 3 StPO beschränkte sich die Umschreibung der notwendigen Substantiierungen auf die Feststellung, daß die Anforderungen „nicht überspannt“ werden dürfen: ANM S. 40; LR – Gollwitzer, Rn. 105 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 45 zu § 244. Dazu oben Teil 1 Kapitel 1 B III und IV. 9 Siehe oben Teil 2 Kapitel 2 A III 1. 10 Beschreibend Benda, DRiZ 1979, 357; ter Veen, S. 5 ff.; Fezer in Festgabe BGH, 847 (872).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

B. Einzelne Fallgruppen Die Fallgruppen der Behauptung einer Negativtatsache und der wertenden Zusammenfassung eines Beweisthemas sind typische Anwendungsfälle der Konnexität. Die Bezeichnung einer Zeugenmehrheit steht dagegen nicht im strukturellen Zusammenhang mit dieser Darlegungslast.

I. Behauptung einer Negativtatsache Einer Reihe der Entscheidungen zur Konnexität liegen Anträge zugrunde, die das Beweisthema in Form einer Negativtatsache behaupten.11

1. Konnexität und Negativtatsachen Bei Beweisanträgen, die das Beweisthema in der Weise bezeichnen, daß eine „negative Tatsache“12 in das Wissen des Zeugen gestellt wird, der Zeuge also über die Existenz eines tatsächlichen Sachverhalts bejahend oder verneinend aussagen soll13, wird das Beweisthema in der Regel in Form einer schlußfolgernden Verkürzung eines (wahrgenommenen) Tatsachenkomplexes mitgeteilt. 14 Daß ein Antrag, der eine Negativtatsache thematisiert, eine Ausgangskonstellation aufweist, die die Notwendigkeit weitere Substantiierung im Sinne des Konnexitätserfordernisses notwendig macht, liegt an den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten15, die mit derartigen Anträgen verbunden sind: Die Behauptung, daß eine Person (in der Regel der Angeklagte) nicht anwesend war, oder etwas bestimmtes nicht getan hat etc., ist zum einen mit dem Problem verbunden, daß ein Zeuge diesen Sachverhaltsumstand bzw. dieses Beweisziel nur dann sinnvoll bekunden kann, wenn er Wahrnehmungen über einen (längeren) Zeitraum hinweg gemacht hat. Zum anderen kann wiederum diese (über einen Zeitraum hinweg gemachte) Wahrnehmung nicht unmittelbar das Beweisziel des Antragstellers zum Gegenstand gehabt haben, denn eine Sachverhaltsnegation muß bzw. kann nur durch das Gericht aus den zeugenschaftlichen Bekundungen geschlossen werden. Damit können bei einem AnBGHSt 39, 251; BGHSt 43, 321; BGH StV 1999, 522. So etwa: Eine Person sei nicht an einem bestimmten Ort gewesen; ein Gespräch bestimmten Inhalts habe nicht stattgefunden (BGHSt 39, 251 [252]), oder der Angeklagte haben keinem der Zeugen Geld angeboten, damit diese eine für den Angeklagten günstige Aussage machen (RG JW 1930, 70). Burgard / Fresemann, wistra 2000, 88 ff. 13 KMR – Paulus, Rn. 20 Vorb. zu § 48 lehnt den Begriff der „negativen Tatsache“ als „contradictio in adiecto“ ab. Vielmehr solle der Zeuge über die Existenz von Tatsachen bejahend oder verneinend aussagen. 14 Eisenberg, Rn. 147. 15 Burgard / Fresemann, wistra 2000, S. 88; 90. 11 12

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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trag, der eine Sachverhaltsnegation in das Wissen eines Zeugen stellt, typischerweise beide Aspekte der Konnexität fraglich sein. Der Antrag kann offen lassen, ob der Zeuge überhaupt eine Eigenwahrnehmung gemacht hat. Da man die Nichtexistenz eines Sachverhaltes in der Regel nicht als solche wahrnimmt, sondern nur aus existenten Sachverhalten folgert, läßt eine reine Negativtatsache nicht erkennen, was der Zeuge im Kern bekunden soll. Eine reine Beweiszielangabe, die keine Behauptung einer Eigenwahrnehmung erkennen läßt, ist mit der Gefahr verbunden, daß das Gericht hinter dieser vagen Antragsformulierung die Motivation vermutet, daß die Beweiszielangabe bewußt an Stelle einer Eigenwahrnehmung mit nur sehr schwacher indizieller Wirkung für den Schluß auf das Beweisziel behauptet wurde.16 Zum anderen kann nach der Antragsformulierung offen sein, weshalb eine Wahrnehmung des Zeugen gemacht werden konnte, da die Bezeichnung einer Sachverhaltsnegation durch die Behauptung des Beweisthemas in Form einer Schlußfolgerung, die nicht angibt, auf welchen tatsächlichen Grundlagen diese Schlußfolgerung beruht, dem Gericht den Blick auf die Eignung des Zeugen zur Bekundung des Beweisthemas versperrt. Auch diese Antragskonstellation ist aus der Sicht des Gerichts mit einem nicht einzuschätzenden Beweiserhebungsrisko verbunden. Das Bedürfnis, einer sachwidrigen Antragstellung nicht ausgeliefert zu sein, und der Unwille, einem Beweisantrag, der keinerlei Hinweise auf den zu erwartenden Gewinn an Sachverhaltsaufklärung enthält, durch eine aufwendige Beweiserhebung oder freibeweisliche Ermittlung der Ablehnungsvoraussetzungen zu entsprechen, führt zu weiteren Substantiierungsanforderungen.

2. Gefahr der formalistischen Handhabung des Konnexitätskriteriums Insbesondere die Formulierung des 5. Senats im 39. Band, daß Gegenstand eines Zeugenbeweisantrages nur sein kann, was der Zeuge selbst unmittelbar wahrgenommen hat, begründet die Gefahr der formalistischen Handhabung des Konnexitätsmerkmals im Bereich der Negativtatsachen. Ein allzu wörtliches Verständnis dieser Grundaussage des 5. Senats könnte dazu verleiten, pauschal jede negativ umschriebene Beweisbehauptung als zu unbestimmt abzulehnen, und damit auch eine sinnvolle und (möglicherweise) notwendige zusammenfassende Beschreibung eines Beweisthemas aus dem Beweisantragsrecht auszuschließen. (a) Anforderungen an die konkrete Antragsformulierung Sachverhaltsnegationen vollständig aus dem Kreis zulässiger Beweisbehauptungen herauszunehmen, würde das Antragsrecht sehr verkürzen und im übrigen der 16

Widmaier, NStZ 1993, 602 (603).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Intention der sog. Konnexitätsrechtsprechung auch nicht gerecht werden. Wichtig ist daher, in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß mit dem formalen Kriterium der Konnexität dem Antragsteller nicht die Befugnis zur Thematisierung von Negativtatsachen generell abgesprochen werden soll.17 Insbesondere kann es nicht Ziel einer (sinnvollen) Erweiterung der Konkretisierungsanforderungen sein, vom Antragsteller zu verlangen, daß er statt der Sachverhaltsnegation die Summe der positiven Wahrnehmungen benennt, aus denen der Zeuge den Schluß auf das Nichtvorliegen eines Sachverhalts gezogen hat. Ausgangspunkt der Kritik an der durch den 5. Senat formulierten Substantiierungslast ist daher auch die Ablehnung einer Substantiierungslast, die vom Antragsteller verlangt, die Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen im Antragstext selbst vorzunehmen.18 Hamm hat an einem Beispiel vorgeführt, daß die Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen in dem Sinne, daß der Antrag die vollständige Wiedergabe aller unmittelbar sinnlichen Eindrücke der Beweisperson beinhalten müsse, „höchst ungewöhnlich und gekünstelt wirken muß“.19 Daher stelle sich mit Blick auf die sprachliche Formulierung eines Beweisbegehrens die Frage, ob die Angabe einer unter Umständen beweiserheblichen und beweisbedürftigen Sachverhaltsnegation vor dem Hintergrund einer fairen Verfahrensgestaltung mit der Begründung abgelehnt werden kann, daß der Antrag keine unmittelbare Wahrnehmung angebe, oder ob nicht viel eher darauf zu verweisen sei, daß durch die Angabe eines Beweisziels die sinnvolle Formulierung des Beweisthemas, daß ein Ereignis nicht stattgefunden habe, erst ermöglicht wird.20 Da die Zeugin W. laut dem der Entscheidung des 5. Senats zugrundeliegenden Antrags nun einmal nicht gesehen haben könne, daß der Angeklagte nicht in der Gaststätte war, sei der Antragsteller darauf angewiesen, eine Schlußfolgerung der Beweisperson als Beweisthema zu formulieren. Die Trennung zwischen „unmittelbar vom Zeugen wahrgenommenen Tatsachen“ und den erst im Wege der „Schlußfolgerung“ gewonnenen Erkenntnissen widerspreche „elementarsten Grundwissen über die Psychologie des Zeugenbeweises“21, da die Aussage eines Zeugen über seine Wahrnehmung als Resultat von „Reizaufnahme und -verarbeitung“ immer auch ein Resultat „subjektiver Klassifikationen“ und damit Schlußfolgerungen darstelle.22 Vor allem sei es dem Zeugen unmöglich, beim „Vorgang

17 Siehe dazu oben Teil 2 Kapitel 1 A II. Zur Notwendigkeit der sorgfältigen Auslegung eines Beweisantrags, der eine Negativtatsache thematisiert: Burgard / Fresemann, wistra 2000, 88 f. 18 Hamm, NStZ 1998, 455 (457); Sarstedt / Hamm, Rn. 587 ff.; im Anschluß daran Deckers, S. 21, 22. 19 Sarstedt / Hamm, Rn. 587, 588. 20 Hamm, StV 93, 455 (456); Sarstedt / Hamm, Rn. 587, 588. 21 Hamm, StV 1993, 455 (457) mit weiteren Nachweisen siehe S. 457 mit Fußnote 15. 22 Herdegen, NStZ 1999, 176 (179); kritisch auch: KK – Herdegen, Rn. 46 zu § 244; Stein, JW 1923, S. 15.

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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des Sich-Erinnerns die reine Sinneswahrnehmung von der gleichzeitig oder später abgelaufenen gedanklichen und unbewußten Verarbeitung zu trennen“.23 Dem Vorwurf, eine Angabe der unmittelbaren Wahrnehmung sei – wie das Beispiel einer Sachverhaltsnegation belege – schon aus sprachlichen Gründen nicht mit dem Grundsatz einer fairen Verfahrensgestaltung vereinbar und überdies mit den grundlegenden Erkenntnissen über die Psychologie des Zeugenbeweisantrages nicht vereinbar, kann sowohl mit einem Hinweis auf den Wortlaut der Entscheidung als auch mit der zutreffenden Anmerkung Widmaiers begegnet werden. Die Kritik von Hamm und Herdegen beschreibt die Grundaussage der Entscheidung des 5. Senats so, als würde der Umstand, daß Tatsache im engeren Sinne des Zeugenbeweises nur sein kann, was der Zeuge unmittelbar wahrgenommen hat, bedeuten, daß diese unmittelbare Wahrnehmung als solche im Beweisantragstext dokumentiert werden muß. Daraus folgert die Kritik, daß eine Beweisbehauptung generell nicht in Form einer Schlußfolgerung oder eben in Form der Angabe einer Sachverhaltsnegation formuliert werden könnte. Diese Interpretation wird dem Wortlaut der Entscheidung nicht gerecht. Der 5. Senat lehnt die Beweisantragsqualität des vorliegenden Antrags nicht mit der Begründung ab, daß eine Beweisbehauptung in Form einer Schlußfolgerung und hier spezieller in Form einer Sachverhaltsnegation per se den Antrag zum Beweisermittlungsantrag macht. Das Gericht weist ausdrücklich auf unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen hin: auf einfache Sachverhalte, die der schlußfolgernden Beweisbehauptung zugrundeliegende Tatsachen ohne weiteres erkennen läßt, und Sachverhalten, die eine Folgerung voraussetzten, die nicht ohne weiteres auf der Hand liegt.24 Eine schlußfolgernde Beweisbehauptung bzw. eine Beweiszielangabe soll nur im letzteren Fall unzureichend konkretisiert sein, wenn aus dem Antrag nicht erkennbar ist, welche unmittelbaren Wahrnehmungen welches Zeugen dieser Folgerung zugrunde liegen. Es lassen sich zwei Fälle dieser unzureichenden Konkretisierung denken: Zum einen kann der Beweisantrag eine Behauptung aufstellen, die bereits erkennen läßt, daß hier überhaupt keine unmittelbare Behauptung vorliegen kann, etwa bei fremdpsychischen Tatsachen und Werturteilen.25 Zum anderen sind Behauptungen denkbar, die als solche Gegenstand der unmittelbaren Wahrnehmung sein können, aber aus den Umständen des Antrags nicht ersichtlich ist, ob sie als solche des benannten Zeugen behauptet werden. Dieser zweiten Konstellation sind die Anträge zuzuschreiben, die der 5. Senat zu beurteilen hatte. Die Anwesenheit bzw. Abwesenheit des Angeklagten in der besagten Gaststätte, die der Schlußfolgerung „A. war nicht da.“ zugrunde liegt, ist als solche eine der unmittelbaren Wahrnehmung zugängliche Tatsache. Fraglich war aber hier, ob die Anwesenheit oder Abwesenheit des Angeklagten auf die unmittelbare Wahrnehmung der Zeugin W. zurückgeführt werden konnte, etwa weil sie den Angeklagten nicht in 23 24 25

Hamm, StV 1993, 455 (457). BGHSt 39, 251 (253). Vergleiche den Hinweis von BGHSt 39, 251 (254) auf BGHSt 37, 162 (165).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

der Gaststätte F. gesehen hat, obwohl seine Anwesenheit ihr den Umständen nach nicht hätte entgehen können26, oder weil sie mit dem Angeklagten zur fraglichen Zeit an einem andern Ort war.27 Es ist also nach den vom 5. Senat geforderten Konkretisierungen nicht ausgeschlossen, eine Schlußfolgerung in Form einer Sachverhaltsnegation zum Gegenstand einer Beweisbehauptung zu machen, solange der Antrag plausibel darzulegen vermag, ob die Schlußfolgerung als solche auf eine unmittelbare Wahrnehmung des Zeugen zurückgeführt werden kann. Daher weist das Gericht zu Recht darauf hin, daß im Fall von Sachverhaltsnegationen der Zeuge selten unmittelbar das beweiserhebliche Geschehen bekunden wird.28 Daraus folgt, daß bei Angabe einer Behauptung in Form einer Sachverhaltsnegation in der Regel die der Schlußfolgerung zugrundeliegende Wahrnehmung nicht auf der Hand liegt und daher die Beziehung des Zeugen zur schlußfolgernden Beweiszielangabe näher konkretisiert werden muß. Daher muß dem Antrag zu entnehmen sein, was der Zeuge im Kern bekunden wird. Ob der Zeuge dann im Verhältnis zu der Beweiszielangabe eine unmittelbare Wahrnehmung bekunden wird, wodurch die Beweiszielangabe eine Beweistatsache im engeren Sinn wird (Zeugin W. war mit dem Angeklagten in der Gaststätte X., so daß seine Abwesenheit in der Gaststätte F. auf eine unmittelbare Wahrnehmung der Zeugin W. zurückzuführen ist), oder ob sich aus der unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen nur ein Indiz für das im Antrag formulierte Beweisziel ergibt (Die Zeugin W. hat den Angeklagten in der Gaststätte F. nicht bemerkt), ermöglicht die sinnvolle Prüfung der Ablehnungsgründe der faktischen Bedeutungslosigkeit oder der völligen Ungeeignetheit im konkreten Fall. Die Formulierung, dem Antrag müsse zu entnehmen sein, was der Zeuge bekunden wird, ist daher im Sinne der Mitteilung zu verstehen, ob er ein Indiz für diese Beweisbehauptung oder sogar die eigene Wahrnehmung dieser bekunden wird. Die Substantiierungsanforderung ist dagegen nicht so zu verstehen, daß der Antrag die Summe der sensorischen Daten des Zeugen benennen soll oder eine abstrakte Trennung zwischen den sensorischen Daten und der daraus durch den Zeugen oder den Antragsteller gezogenen Folgerung vornehmen soll. Widmaier betont zu Recht, daß eine Aufspaltung der „Zeugenaussage nach Wahrnehmungs- und Schlußfolgerungsbestandteilen“ nicht sinnvollerweise gemeint sein kann.29 (b) Beachtung der gerichtlichen Auslegungs- und Hinweispflicht Die relative Häufigkeit dieser Sachverhaltskonstellation in der Reihe der Konnexitäts-Entscheidungen zeigt, daß der Antragsteller hier besonderes Augenmerk auf die weitergehenden Behauptung von Umständen legen sollte, die eine Wahrneh26 27 28 29

BGHSt 39, 251 (255). BGHSt 39, 251 (256). BGHSt 39, 251 (254). Widmaier, NStZ 1993, 602 (603).

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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mung des Zeugen plausibel erscheinen lassen.30 Denn mit dieser typischen Fallkonstellation ist für den Antragsteller die Gefahr verbunden, daß das Gericht unter formelhaften Hinweis auf eine der Konnexitätsentscheidungen den Antrag als zu unbestimmt zurückweist, ohne den Antrag daraufhin zu prüfen, ob sich dem gesamten Vorbringen des Antragstellers oder den Umstände der Antragstellung Hinweise auf eine Grundplausibilität des Beweisbegehrens entnehmen lassen, so daß eine sachgerechte Auslegung des Antrags31 möglich wäre. Die formalen Anforderungen an einen Antrag werden daher überspannt, wenn für die Bewertung des Antrags allein der Wortlaut der Beweisbehauptung entscheidend sein soll. Es genügt, daß die Auslegung des Antrags oder die in der Hauptverhandlung zutage getretenen Umstände oder der Akteninhalt einen Hinweis auf die Verbindung des Beweismittels zur bezeichneten Tatsache in der Weise herstellen, daß eine unmittelbare Wahrnehmung dieser Tatsache plausibel wird.32 Daß bei entsprechend plausibler Behauptung einer Eigenwahrnehmung der Antrag auch bei Thematisierung einer Sachverhaltsnegation als hinreichend bestimmt angesehen wird, belegen zwei, die Entscheidung des 5. Senats jeweils zitierende Beschlüsse des 4. und des 1. Senats des BGH.33 So liegt nach Ansicht beider Entscheidungen aufgrund der Notwendigkeit der Trennung zwischen Beweistatsache und Beweisziel die Annahme einer bloßen Beweisanregung nahe, wenn lediglich eine Negativtatsache in das Wissen des Zeugen gestellt werde. Jedoch könne vor allem bei einfach gelagerten Sachverhalten Beweisthema auch eine Negativtatsache sein, „ohne daß der Charakter eines Antrags als Beweisantrag gefährdet wäre“.34 Die Bestimmtheit des Antrags ergab sich nach den zugrundeliegenden Sachverhalten aus einer konstruktiven Auslegung der Anträge. Aus den Umständen der Antragstellung heraus war jeweils erkennbar, daß die von den Beweispersonen zu bezeugenden Schlußfolgerungen in Form der Bekundung der Nichtexistenz eines Sachverhaltes auf die unmittelbare Beobachtung eines Geschehens zurückgeführt werden konnte. In beiden Fällen waren die Beweispersonen Augenzeugen des „verfahrensgegenständlichen Vorgangs“, womit ein für die Substantiierung des Antrags ausreichender Hinweis auf eine Eigenwahrnehmung der Beweispersonen gegeben war35: 30 Basdorf, StV 1995, 310 (316): „Selbstverständlich ist – wenngleich bei Negativtatsachen stets besondere Vorsicht geboten ist – in diesem Bereich kein überspitzter Formalismus angezeigt.“ 31 Burgard / Fresemann, wistra 2000, 88 (90). 32 Widmaier, NStZ 1993, 602 (603) mit Beispielen. 33 Beschluß des 4. Senats vom 18. 1. 1996 StV 1996, 248 (249) = NStZ 1997, 27 und Beschluß des 1. Senats vom 3. 3. 1999 StV 1999, 303 = NStZ 1999, 362 (363). Siehe auch das Urteil des 3. Senats vom 26. 01. 2000 in BGH NStZ 2000, 267 (268) und den Beschluß des 2. Senats vom 08. 10. 2000 in BGH StV 2000, 180. 34 BGH StV 1996, 248 (249); BGH NStZ 1999, 362 (363) = StV 1999, 303 mit ausdrücklichem Hinweis auf BGHSt 39, 251 (253). 35 BGH StV 97, 27; NStZ 1999, 362 (363). Vgl. auch BGHSt 43, 321 (327).

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Im Verfahren vor dem 4. Senat hatte das Landgericht den Antrag der Verteidigung, den Zeugen „Enrico Sch. zum Beweis der Tatsache“ zu vernehmen, „daß der Angeklagte nicht 1992 den Kopf der Zeugin Katja S. mindestens viermal gegen die Wand oder den Ofen mit erheblichem Kraftaufwand geschlagen hat“, mit der Begründung abgelehnt, daß die „bloße Negation einer bestimmten Tatsache nicht unter Beweis gestellt werden könne“.36 Diese Erwägung trägt nach Ansicht des 4. Senats die Herabstufung zum Beweisermittlungsantrag nicht. Zwar sei die „in einem Beweisantrag bezeichnete Beweistatsache in der Regel nicht hinreichend bestimmt, wenn lediglich behauptet wird, ein bestimmtes Ereignis habe nicht stattgefunden“.37 Trotz der Negativumschreibung entsprach der „gestellte Beweisantrag aber noch den an die Konkretisierung der Beweistatsache zu stellenden Anforderungen“. Zur Begründung führt der Senat aus, daß „allen Prozeßbeteiligten“ aufgrund der Angaben des Zeugen im Ermittlungsverfahren bekannt war, daß „dieser bei dem dem Angeklagten zur Last gelegten Vorfall zugegen war“. Damit lag „auf der Hand“, daß die Schlußfolgerung des Zeugen, der Angeklagte habe die Zeugin nicht geschlagen, auf die unmittelbare Beobachtung eines tatbestandserheblichen Geschehens zurückzuführen war.38

3. Traditionelle Anforderungen Gerade im Bereich der sog. Negativtatsachen zeigt ein Vergleich mit der traditionellen Rechtsprechung, daß die Gerichte auch vor der Entdeckung der Konnexität nicht bereit waren, „ins Blaue hinein“ Beweise zu erheben. Daß der Antragsteller ein Prozeßbegehren in der Weise formuliert, daß er das Beweisthema mittels einer Sachverhaltsnegation und damit in Form der von der Beweisaufnahme erhofften Schlußfolgerung formuliert, berührt nach Ansicht des traditionellen Begriffsverständnisses in Rechtsprechung und Literatur die Beweisantragsqualität des Begehrens nicht: „Ebenso wie das Vorliegen“ könne auch das „Nichtvorliegen einer Tatsache zum Gegenstand des Zeugenbeweises gemacht werden“.39 So hat das Reichsgericht sowohl den Hilfsantrag, daß „K. ( . . . ) an keinen der Zeugen vom 11. Okt. 1927 herangetreten“ sei „mit dem Versprechen von 50 M. und dem Ansinnen, zu seinen Gunsten auszusagen“40 als auch das Prozeßbegehren des Angeklagten, „den Landwirt Sch. ( . . . ) und die übrigen Arbeiter der Siehe die Wiedergabe der Begründung in BGH StV 1996, 248. BGH StV 1996, 248 (249) (Hervorhebung d. Verf.). 38 BGH StV 1996, 248 (249) = BGH NStZ 1997, 27. Zum Regel-Ausnahme-Verhältnis siehe auch StPO – Pfeiffer, Rn. 14 zu § 244. 39 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 194; KMR – Paulus, Rn. 20 Vorb. zu § 48; SK – Rogall, Rn. 16 vor § 48; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 2 vor § 48; Nachweise auch bei LR – Gollwitzer, Rn. 105 a zu § 244; Berkholz, S. 51 mit Fn. 2; Bergmann, S. 43, 44, 63. 40 RG JW 1930, 70 mit Anm. Alsberg. 36 37

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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Malzfabrik in S. darüber zu vernehmen, daß der Angeklagte an den in Frage kommenden Tagen im September 1913 S. nicht verlassen habe“41, als hinreichend bestimmt angesehen. Der Anerkennung der Beweisantragsqualität liegt dabei – stillschweigend oder ausdrücklich – der Gedanke zugrunde, daß der tatsächliche Vorgang, dessen Nichtexistenz behauptet wird, von dem Zeugen wahrgenommen worden wäre, wenn er sich ereignet hätte.42 So hat das Reichsgericht den Antrag des Angeklagten, zwei Zeugen zum Beweis der Tatsache zu hören, daß er den Ausdruck „Verbrecherkompanie“ nicht gebraucht habe, als hinreichend bestimmte Beweisbehauptung interpretiert, da aus dem Prozeßbegehren hervorging, daß die Zeugen, die „Bergleute B. und U.“, dem Angeklagten „so nahe gestanden hätten, daß sie den Ausdruck, wenn er von ihm ausgegangen wäre, hätten hören müssen“.43 Damit lag die Beziehung zwischen dem Beweismittel und der Beweisbehauptung auf der Hand.44 Dagegen hatte der 2. Senat des BGH – zeitlich vor der sog. Konnexitätsrechtsprechung – Bedenken, ob dem Antrag auf Ladung von Frau Ma., der in das Wissen der Zeugin stellte, daß „Michele Ma.“, der Ehemann der Zeugin, „keine Kokainlieferungen an Fi. schickte“, die Beweisantragsqualität zugesprochen werden könne.45 Bei Berücksichtigung der gesamten Beweislage war für das Gericht zum einen erkennbar, daß der Ehemann der Zeugin die Lieferungen nicht aus der eigenen Wohnung getätigt hatte, und zum anderen, daß er ohne seine Ehefrau Reisen nach Indien, Brasilien und Frankfurt am Main unternommen hatte. Damit lag nach Ansicht des 2. Senats die Möglichkeit fern, daß die Zeugin aus unmittelbar oder mittelbar erlangtem Wissen zuverlässige Aussagen zum Beweisthema machen könne. Den Erfordernissen eines Beweisantrags, der nur aus den Gründen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden dürfte, hätte dieses Begehren nur dann entsprochen, wenn der Antragsteller Umstände aufgezeigt hätte, aus denen sich die erwähnte Möglichkeit ergeben hätte.46 Im Zusammenhang mit der Sonderkonstellation der Behauptung einer Sachverhaltsnegation scheint die Abgrenzung der traditionellen Rechtsprechung zwischen einer hinreichend bestimmten Beweisbehauptung und einem unsubstantiierten An41 RGSt 54, 181 (182); siehe auch RGRspr. Bd. 8, 693; RG JW 1913, 163 Nr. 26; RG JW 1922, 1129 Nr. 3; RG HRR 1940 Nr. 841. 42 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 194 mit Hinweis auf eine unveröffentlichte Entscheidung des 5. Strafsenats vom 7. 9. 1954. 43 RG JW 1913, 163 Nr. 26; siehe auch RG HRR 1940, Nr. 841. 44 RG JW 1930, 70: „Der Hilfsantrag hatte erkennbar den Sinn . . .“; und RG HRR 1940, Nr. 841: „Im vorliegenden Fall war mit dem Beweisantrag offensichtlich in das Wissen der Zeugen die Behauptung gestellt worden . . .“. 45 Siehe zur Interpretation des Antrag in der Weise, daß die Zeugin von der Kokainlieferung nichts wisse BGHR StPO § 244 Abs. 3 S. 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 16, S. 1; Urteil des 2. Senats vom 3. 5. 1991. 46 BGHR StPO § 244 Abs. 3 S. 2 Bedeutungslosigkeit Nr. 16, S. 1 (S. 2) mit Hinweisen auf ältere unveröffentlichte Rechtsprechung.

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

trag der Differenzierung des 5. Senats im 39. Band zu entsprechen: Nach Ansicht des 5. Senats sind zwei Ausgangssachverhalte zu unterscheiden. „Bei einfachen Sachverhalten, etwa wenn ein Zeuge Wahrnehmungen über ein unmittelbar tatbestandserhebliches Geschehen machen soll, kann es genügen, wenn als Beweisthema das Geschehen selbst genannt wird, obwohl Gegenstand des Zeugenbeweises nur sein kann, was der Zeuge unmittelbar wahrgenommen hat. Geht es indes um Sachverhalte, die eine Folgerung voraussetzen, die nicht auf der Hand liegt, so kann nicht das Ergebnis der Folgerung Gegenstand der Beweisbehauptung sein, sondern nur die der Folgerung zugrunde liegende Wahrnehmung“.47 Neu ist an dieser Rechtsprechungsentwicklung nur die Begründung des Substantiierungsmaßstabs und die Aufwertung der Hinweise auf den zu erwartenden Beweisgewinn als formale Anforderung eines (jeden) Beweisantrags. Für den Bereich der Behauptung einer Negativtatsache gilt daher, daß die neuere Rechtsprechung inhaltlich keine erweiterten Anforderungen an den Informationsgehalt eines Beweisantrages stellt. Die Zurückweisung eines Antrags wegen mangelhafter Substantiierung begründet aber die Gefahr, daß die Gerichte auf diesem Wege eine flexiblere Ablehnung erreichen wollen, wenn sie einfach pauschal auf eine Formanforderung verweisen, ohne die Notwendigkeit weiterer Darlegungen durch sachgerechte Auslegung zu überprüfen und den Verdacht einer gezielt unbestimmten und damit hinsichtlich ihres Beweisertrages nicht einschätzbaren Antragstellung nicht durch konkrete Rückfragen überprüfen.

II. In einer Wertung zusammengefaßtes Beweisthema Beschreibt ein Beweisantrag das durch eine Beweisperson zu bekundende Beweisthema ausschließlich durch eine wertende (oder schlagwortartig verkürzte) Zusammenfassung eines tatsächlichen Geschehens, ohne Anhaltspunkte auf die der Wertung zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände anzugeben, so ist für das Gericht nicht erkennbar, welche unmittelbare Wahrnehmung den Zeugen mit diesem Beweisthema verbindet. In dieser Fallgruppe sind mehrere Antragskonstellationen denkbar: Die Behauptung kann sich zum einen auf ein unmittelbar wahrnehmbares Ereignis beziehen, dennoch wird aber das (angeblich) Wahrgenommene nicht im Detail mitgeteilt, sondern unpräzise zusammenfaßt: Der Zeuge wird bekunden, daß X. angestiftet wurde; daß X. schnell gefahren ist; daß X. sinnlos betrunken war, etc. Zum anderen kann sich die Beweisbehauptung auf eine durch einen Zeugen als solche nicht wahrnehmbare Bewertung äußerer Tatsachen (z. B.: Der Antragsteller behauptet, der Zeuge werde bekunden, daß ein anderer unglaubwürdig sei) oder auf die Behauptung einer inneren Tatsache (z. B.: Der Antragsteller behauptet, daß 47

BGHSt 39, 251 (253).

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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der Zeuge bekunden werde, daß ein anderer Kenntnis von einem bestimmten Vorgang habe) beschränken.

1. Konnexität und wertende / zusammenfassende Beweisbehauptungen Eine solche Antragstellung läßt offen, welche eigene unmittelbare Wahrnehmung dem Zeugen die o. g. Schlußfolgerungen, also z. B. die Wertung ermöglichte, daß eine Person „unglaubwürdig, verwahrlost, höchst leichtfertig oder verlogen“48 ist. Darüber hinaus beantwortet ein solcher Antrag nicht, weshalb der Zeuge eine eigene Wahrnehmung irgendeiner Art gemacht haben konnte. Damit ist sowohl die Prüfung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit des Beweisthemas als auch die Beurteilung des Beweismittels als völlig ungeeignet ausgeschlossen.49 Eine wertende Beschreibung des Beweisthemas, die keinen Rückschluß auf die unmittelbare Wahrnehmung der Beweisperson ermöglicht, ist also typischerweise für den Antragsteller mit dem Risiko einer weiteren Darlegungslast im Sinne des engen und / oder weiten Konnexitätsverständnisses verbunden.

2. Gefahr der formalistischen Handhabung des Konnexitäskriteriums Auch wenn es nachvollziehbar sein mag, daß die Gerichte im Zusammenhang mit rein wertenden, vagen Beweisbehauptungen die aus ihrer Sicht naheliegende Gefahr einer überflüssigen Beweisaufnahme möglichst begrenzen wollen, darf nicht über einen formelhaften Hinweis auf die mangelnde Bescheidungsfähigkeit der Antrags von einer Auslegung des konkreten Beweisbegehrens abgesehen werden. Dem Antragsteller ist Gelegenheit zur Stellungnahme und Nachbesserung zu geben.50 Besonders im Bereich der wertenden Beweisthemenbezeichnung müssen die Grenzen der Konkretisierungsmöglichkeiten des Antragstellers berücksichtigt werden, der nicht immer in der Lage sein wird, die einem Urteil zugrundeliegenden Wahrnehmungen des Zeugen zu bezeichnen.51

3. Traditionelle Anforderungen Auch die bisherige Rechtsprechung, die zur Bestimmtheit der Beweisbehauptung unter dem Aspekt einer wertenden Tatsachenangabe Stellung genommen hat, zeigt, daß die Gerichte bei einem Zeugenbeweisantrag, der ein Beweisthema be48 49 50 51

BGHSt 37, 162 (165 ff.). Siehe oben Teil 2 Kapitel 1 A III 1 und Kapitel 2 A III 1. BGHSt 1, 137 (138). BGHSt 37, 162 (165, 166); Gollwitzer, JR 1991, 472 (473).

13 Tenorth-Sperschneider

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

zeichnet, das als solches durch einen Zeugen nicht unmittelbar wahrgenommen werden kann, nicht einfach darauf vertraut haben, daß der Zeuge unmittelbare Wahrnehmungen gemacht hat und bekunden wird, die die wertende Schlußfolgerung des Beweisthema bestätigen können. Im Zusammenhang mit Anträgen, die allein nach ihrer Beweisbehauptung das Vertrauen in eine sachdienliche Beweisaufnahme nicht zu begründen vermögen, hat auch die sog. traditionelle Rechtsprechung nach weiteren Anhaltspunkten für die Erheblichkeit der Beweisbehauptung und die Eignung des Beweismittels gesucht. Der starke Einzelfallbezug dieser Abgrenzung führt dazu, daß sich in der traditionellen Rechtsprechung keine einheitliche Linie zu den hier als typische Fallgruppen der Konnexität beschriebenen Antragskonstellationen abzeichnet. Es lassen sich sowohl sehr großzügige Beschreibungen der Bestimmtheitsanforderungen finden als auch Entscheidungen anführen, die in ihrer Substantiierungsstrenge mit der Konnexitätsrechtsprechung vergleichbar sind. In Rechtsprechung und Literatur bestehen seit der Diskussion des Begriffs des Beweisantrags Abgrenzungsschwierigkeiten bzgl. der Frage, ob eine der Beweisantragsqualität genügende Bestimmtheit des Beweisthemas anzunehmen ist, wenn dieses im Antrag nur mittels einer schlagwortartigen Verkürzung beschrieben wird oder in Form einer Wertung angegeben wird.52 Beweisanträge, die die Vernehmung von Zeugen über die Glaubwürdigkeit, Verlogenheit oder andere Charaktereigenschaften53 einer Person zum Gegenstand haben oder bestätigen sollen, daß der Angeklagte „sinnlos betrunken“54 war oder einen Dritten „angestiftet“ 55 habe, werfen nicht erst seit der Entscheidung des 3. Senats in BGHSt 37, 162 die Frage auf, ob diese Beweisbegehren eine hinreichend genaue Beweistatsache beschreiben, oder ob es vielmehr erforderlich ist, die tatsächlichen Umstände oder Tatsachenkomplexe anzugeben, die diesen sprachlich verkürzten Informationen und Wertungen zugrunde liegen. Schwierigkeiten in der Abgrenzung entstehen daraus, daß trotz der scheinbar klaren Begrenzung des Zeugenbeweisantrages auf eigene Wahrnehmungen der Beweisperson in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber herrscht, daß eine eindeutige Trennung zwischen „Tatsache“ und „Urteil“ in der praktischen Anwendung nicht möglich ist; daß sich also jede „zeugenschaftliche Bekundung von Tatsachen notwendigerweise auf Wahrnehmungen stützt, die von der Beweisperson bereits urteilsmäßig verarbeitet sind“.56 Unter BerücksichtiBGH bei Holtz, MDR 1979, 807; BGHSt 1, 137 ff. Zur Glaubwürdigkeit siehe RG in GA Bd. 56, 324; RG JW 1930, 760 m. Anm. Mannheim. Zum Leumund siehe RGSt 26, 70 (71); RGSt 57, 412. Zum Begriff der Verlogenheit siehe RGSt 37, 371; 39, 127; RG JW 1928, 2252 m. Anm. Doerr. 54 RG JW 1923, 15 Nr. 2 m. Anm. Stein; BGH bei Holtz, MDR 1979, 807; BayObLG DRiZ 1929, Nr. 22; BayObLG bei Rüth, DAR 1972, 119. 55 BGHSt 1, 137 (139) = NJW 1951, 573; RG JW 1931, 3560 Nr. 23 m. Anm. Bohne. 56 Zur Rechtsprechung siehe RGSt 37, 371; 57, 412; RG HRR 1929 Nr. 1980 = JW 1930, 760 m. Anm. Mannheim; RG JW 1923, 15 Nr. 2 m. Anm. Stein; m. w. N. Alsberg / Nüse / Meyer, S. 195 Fn. 35. Zur Literatur siehe Rückel, Rn. 30: Wahrnehmungsvorgänge sind kom52 53

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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gung des Umstandes, daß jede Tatsachenmitteilung durch einen Zeugen notwendig das Ergebnis eines Wertungsvorgangs darstelle, verlagerte sich die Abgrenzung zwischen Tatsache und Wertung zunächst auf die Frage, in welchem Umfang der Zeuge Wertungen und Urteile im Rahmen seiner Beweisfunktion mitteilen könne. (a) Einfache Urteile Zunächst erlaubt die in der Rechtsprechung des Reichsgerichts formulierte Substantiierungsgrenze des „einfachen Urteils“57 nicht den Schluß, daß die traditionelle Rechtsprechung hinsichtlich der Bestimmtheitsanforderungen großzügiger als die Konnexitätsrechtsprechung war. Insbesondere wurde auf diesem Wege keine eindeutige Abgrenzung zwischen Beweisantrag und Ermittlungsantrag erreicht: Nach der älteren Rechtsprechung seien „einfache Urteile“ dem Zeugenbeweis dann zugänglich, wenn das entsprechende Werturteil auf wenigen leicht übersehbaren Tatsachen beruhe und sich daher dem durchschnittlichen Betrachter in der gegebenen Situation als etwas Naheliegendes und Selbstverständliches mit Notwendigkeit aufdrängen müsse.58 Greife der Antrag zur Kennzeichnung der Beweisbehauptung auf einfache Bewertungen und Schlußfolgerungen zurück, so liege darin eine hinreichend konkretisierte Beweistatsache, ohne daß es der Darlegung der einzelnen tatsächlich wahrgenommenen realen Umstände bedurfte. So wird die Angabe, es sei zur Tatzeit „hell“ gewesen, ein Pkw sei „schnell“ gefahren oder ein anderes Fahrzeug „weit entfernt“ gewesen, als hinreichend genaue Tatsachenbeschreibung anerkannt.59 Auch einfache Rechtsbegriffe wie Anstiftung, Kauf, Miete und Eigentum können nach dieser Ansicht unter Umständen Gegenstand einer Beweisthemenangabe sein. Zum Rechtsbegriff der Anstiftung hat der BGH ausgeführt, daß dieser bei einfachen Sachverhalten als „Rechtstatsache“ gelte und daher den formalen Anforderungen eines Beweisantrags entspreche.60 Auch die Beurteilung der Trunkenheit eines anderen ist danach als Behauptung einer Tatsache zu werten, da hier die Symptome in der Regel bekannt seien und im allgemeinen durch den Zeugen erkannt und richtig eingeordnet werden könnten.61

plexe von physiologischen und psychischen Komponenten bestimmte Abläufe, die bis zur Abgabe der Zeugenaussage vielfältigen Einflüssen unterworfen sind; s. a.: Simader S. 157; Döhring, S. 105 ff.; Bender / Nack, Bd. I, Rn. 6 ff. zum Thema der Wahrnehmungsfehler; Peters, S. 320. 57 RGSt 27, 95 (96); 37, 371 (372). 58 Ebd. 59 Vgl. dazu die Bespiele bei HK – Julius, Rn. 18 zu § 244; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 195 ff.; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 20 zu § 244; LR – Dahs, Rn. 5, 6 vor § 48. 60 BGHSt 1, 137 (139) = NJW 1951, 573; BGH bei Holtz, MDR 1976, 815; BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1983, 210; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 42 u. S. 206 Fn. 107: „Ein Vertrag ist rückgängig gemacht worden“; s. a. RG JW 1931, 3560 Nr. 23 m. Anm. Bohne; a.A. KK – Herdegen, Rn. 44 zu § 244. 13*

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Vor dem Hintergrund des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz kann die Differenzierung zwischen einfachen und komplexeren Urteilen nicht überzeugen. Beschränkt sich die Beweisthemenbezeichnung auf ein einfaches Urteil, wie etwa die Behauptung, der Zeuge werde bekunden, daß ein Fahrzeug „schnell gefahren“ oder der Angeklagte „angestiftet“ worden sei, so lassen sich die Ablehnungsgründe der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und der völligen Ungeeignetheit darauf nicht einmal in Umrissen anwenden.62 Gleichzeitig legt aber die gerichtliche Einstufung eines Werturteils als einfach die Vermutung nahe, daß sich im Fall des konkreten Beweisbegehrens aus den Umständen der Antragstellung erschließt, auf welchen tatsächlichen Umständen eine schlußfolgernde Zusammenfassung des Beweisthemas – und damit worauf die Wahrnehmung des Zeugen – beruhen soll, so daß aus dieser Rechtsprechung nicht unmittelbar der Schluß gezogen werden kann, daß der Antragsteller sich auf die Angabe eines einfachen Werturteils hätte beschränken dürfen, sondern vielmehr, daß eine wertende Beweisthemenangabe als einfach eingestuft wurde, wenn die tatsächlichen Umstände der im Beweisthema umschriebenen Wertung für das Gericht erkennbar waren. So führt der BGH im Zusammenhang mit dem Begriff der Anstiftung aus, daß es sich dabei an sich um einen Rechtsbegriff handle. „Bei einem so einfachen Sachverhalt“ wie demjenigen, der dem BGH vorlag, könne dieser Begriff aber „zugleich als Rechtstatsache gelten und daher zur Begründung des Beweisantrags ausreichen, weil ein derart begründeter Antrag deutlich erkennen läßt, welches angebliche Verhalten (des D.) die Angeklagte vor Gericht beweisen wollte“.63 Daß der Begriff des „einfachen“ Urteils vor allem auf die Erkennbarkeit der Beurteilungsgrundlagen im jeweiligen Einzelfall bezogen ist, wird dadurch bestätigt, daß die Abgrenzung im Rahmen komplexer Bewertungen und abstrakter Verkürzungen von Tatsachengesamtheiten, so v. a. in Zusammenhang mit dem Beweis über persönliche Charaktereigenschaften zu wesentliche strengeren Bestimmtheitsanforderungen führen konnte, wenn für das Gericht nicht zugleich erkennbar war, auf welche tatsächlichen Umstände diese komplexere Wertung zurückzuführen sein sollte: So ist dem Werturteil, eine Person sei glaubwürdig, die Beweisantragsqualität mit der Begründung zugesprochen worden, daß dieser Einschätzung eine einfache, jedermann zugängliche Schlußfolgerung zugrunde liege, die sich vor dem Hintergrund des Einzelfalls geradezu aufdränge und auch ohne besondere Sachkunde nachvollziehbar sei.64 Doch haben genau diese Abgrenzungskriterien an anderer Stelle zu der Feststellung geführt, daß es sich bei einer Beweisbehaup61 Rspr.nachweise zur Trunkenheit siehe SK – Rogall, Rn. 19 vor § 48; Eisenberg, Rn. 1003; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 204. Nach Bergmann, S. 86 soll jeder Rechtsbegriff Beweistatsache sein können, „sofern nur klar ist, was bewiesen werden soll“. 62 Vgl. das Beispiel bei Widmaier, NStZ 1993, 602 (603). 63 BGHSt 1, 137 (138). 64 Zum Beweisthema der Glaubwürdigkeit einer Person: RG in GA Bd. 46, 213 (214); RG in GA Bd. 56, 324; RGSt 37, 371 (372); 57, 412 ff. Zur Lügenhaftigkeit: RG JW 1922, 1034 m. Anm. Alsberg.

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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tung wie der Glaubwürdigkeit um ein „leere(s) Urteil“ handle, wenn der Antrag nicht weitere Tatsachen mitteile, da der Begriff als solcher keine Überprüfung dieser Wertung zulasse.65 Der 2. Strafsenat des Reichsgerichts führt in seinem Urteil vom 2. November 1900 aus: „Ist ein Zeuge darüber benannt, daß er eine gewisse Person als verlogen oder frech kenne, so ist damit die subjektive Meinung des Zeugen der Art in den Vordergrund gestellt, dass lediglich die subjektive Ansicht des Zeugen über gewisse Charaktereigenschaften der betr. Person als Gegenstand der beantragten Beweisaufnahme erachtet und der Beweisantrag mangels Angabe bestimmter Thatsachen abgelehnt werden kann“.66 Hier war offensichtlich keinerlei Zusammenhang zwischen dem Zeugen und dem Beweisthema erkennbar. (b) Der Tatsachenkern wird in der Beweiserhebung deutlich Eine gewisse Verbindung, ein Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel wird auch nach der älteren Rechtsprechung gefordert. Jedoch kann dieser Zusammenhang wesentlich schwächer präzisiert sein, als es das Merkmal der Konnexität verlangt. Entscheidend für eine großzügigere Rechtsprechung scheint daher vor allem zu sein, daß irgendein Anhaltspunkt dafür besteht, daß man einen bestimmten Zeugen zu einem Beweisthema vernehmen kann. Die Mitteilung der der wertenden Beweisthemenangabe zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände wird der gerichtlichen Aufklärung mittels Zeugenbefragung übertragen. Entsprechend gestaltet sich auch das dieser Substantiierungsanforderung zugrundeliegende Verständnis vom Sinn und Zweck der Bestimmtheit des Antrags: Dieser soll dem Gericht lediglich die sinnvolle Befragung des Zeugen ermöglichen.67 Eine vielfach bestätigte Abgrenzung des Reichsgerichts konzentriert sich daher im Rahmen der Abgrenzung von Tatsache und Wertung auf die Frage, ob der Sinn des Antrags ersichtlich derjenige sei, daß der Zeuge dem Gericht die seinen Wertungen zugrundeliegenden Wahrnehmungen mitteilen werde.68 Dabei soll es nach dieser Ansicht ausreichend sein, daß der Antrag zumindest stillschweigend die Behauptung enthalte, der Zeuge werde die seine Schlußfolgerung bestätigenden Tatsachengrundlagen bekunden.69 Nicht erforderlich sei auch bei der Angabe komplexer Beurteilungen, etwa im Rahmen des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung zu den Charaktereigenschaften eines anderen, die Angabe, welche Tatsachen der Zeuge bekunden könne. Unter der Voraussetzung, daß der Sinn des Antrags – zumindest stillschweigend – dahin gehe, daß der relevante Tatsachenkern durch die 65 RGSt 27, 95 (96); RG JW 1922, 301; RG JW 1929, 1474 m. Anm. Alsberg. Weitere Nachweise siehe LR – Dahs, Rn. 5, 6 vor § 48; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 197 ff. 66 RG in Archiv für Strafrecht, Jahrgang 47 (1900), S. 442. 67 Schlosky, JW 1930, 2505 (2509); Bergmann, S. 84; Berkholz, S. 65. 68 RGSt 39, 363; RG JW 1930, 934 Nr. 46 m. Anm. Alsberg; RG HRR 1936 Nr. 1029; HRR 1939 Nr. 1210; HRR 1941 Nr. 41; RG JW 1931, 951 Nr. 26 m. Anm. Alsberg. 69 Siehe die vorangehende Fußnote und: BGH StV 84, 451 (Urteil vom 24.1. 1. 1984); BGH JR 1951, 509. Berkholz, S. 56 ff.

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

Zeugenaussage im Rahmen der Beweiserhebung deutlich werde, genüge für die Angabe einer Beweistatsache die „schlagwortartige Zusammenfassung einer Vielzahl von Tatsachen“, die in das Wissen des Zeugen gestellt werden.70 In diesem Sinne hat es die Rechtsprechung bspw. als hinreichend bestimmte Tatsachenbehauptung anerkannt, wenn die Vernehmung eines Zeugen zum Beweis der Glaubwürdigkeit, Lügenhaftigkeit71 oder Schwatzhaftigkeit72 einer Person beantragt wurde. Das Risiko, daß der individualisierte Zeuge zu dem fraglichen Beweisthema nichts oder nichts Relevantes zu bekunden weiß, trägt das Gericht, wenn es nach dem erkennbaren Sinn des Antrags darauf vertraut, daß der Zeuge (irgend)etwas Sachdienliches mitteilen wird. Es kann auf der Grundlage der hier zitierten Entscheidungen aber nicht ausgeschlossen werden, daß die Rechtsprechung den fehlenden „Konnex“ nur deshalb nicht thematisierte, weil er erkennbar war, weil er durch Nachfrage in Erfahrung gebracht werden konnte oder weil das Gericht bereit war, weitere Informationen über die Beziehung zwischen Beweismittel und Beweistatsache im Freibeweis zu ermitteln. Allerdings läßt auch diese (der ausdrücklichen Umschreibung der Bestimmtheitsanforderungen nach großzügigere) Rechtsprechung73 offen, ob sich das gerichtliche Vertrauen im konkreten Einzelfall allein auf die generelle Bereitschaft zu einer weiteren Beweisaufnahme oder vielmehr auf Umstände der Antragstellung stützte, die Rückschlüsse auf die Sachdienlichkeit des begehrten Beweises ermöglichten.

III. Angabe einer Zeugenmehrheit Der Entscheidung des 3. Senats im 40. Band lag ein Antrag zugrunde, der für die Bekundung der behaupteten Tatsachen drei Zeugen benannte.74 Nach einer kritischen Anmerkung von Rose belege diese Entscheidung, daß es bei dem Kriterium der Konnexität im Kern um die Anforderung gehe, einer Beweisperson ein Beweisthema zuzuordnen, daß also die Zeugenmehrheit eine strukturelle Beziehung zur Konnexität aufweise.75 Der Behauptung Roses, daß in der Entscheidung BGHSt 40, 3 nur beanstandet worden sei, daß sich aus dem Alsberg / Nüse / Meyer, S. 200; sowohl auch LR – Gollwitzer, Rn. 105, 106 zu § 244. RG JW 1928, 2252 Nr. 52 m. Anm. Doerr; RG JW 1930, 760 m. Anm. Mannheim; RG JW 1936, 1381 Nr. 30 = RG HRR 1936 Nr. 1029; RG JW 1937, 761 Nr. 28; RGSt 39, 363; andere Ansicht: RG in GA Bd. 47, 442 und RGSt 27, 95 (97). 72 RG HRR 1933 Nr. 1059: „Der Antrag, daß Frau N. eine ,hausbekannte Schwätzerin‘“ sei, könne nur den Sinn haben, „daß eine Reihe von Fällen angeführt werden sollte, in denen Frau N. leichtfertige und unzuverlässige Redereien geführt habe“. 73 Vgl. BGHSt 37, 162 (165). 74 BGHSt 40, 3 (6). 75 Rose, NStZ 1998, 633 (634); dazu auch Burgard / Fresemann, wistra 2000, 88 (89). 70 71

3. Kap.: Typische Antragskonstellationen

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Beweisantrag nicht ergebe, welcher der drei im Antrag bezeichneten Zeugen zu welcher der beiden Beweisbehauptungen benannt worden sei76, soll an dieser Stelle widersprochen werden. 1. Substantiierungsanforderungen im Bereich von Zeugenmehrheiten Nach der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Abgrenzung wird die Bezeichnung einer Zeugenmehrheit – oder eines Beweismittelkreises77 im allgemeinen – ausschließlich als ein Problem der Individualisierung des Beweismittels diskutiert.78 Dabei gilt, daß es dem Antragsteller grundsätzlich freisteht, „Schuld oder Unschuld des Angeklagten durch eine beliebig große Anzahl von Zeugen unter Beweis zu stellen“79, sofern der Antrag entweder die Mitglieder der Zeugenmehrheit einzeln aufführt, oder unter einer Sammelbezeichnung zusammenfaßt, die einen Rückschluß auf die unverwechselbare Identität sämtlicher Mitglieder erlaubt.80 Ein indirekter Bezug zur Beweistasche ergibt sich aus der weitergehenden formalen Anforderung, einen Beweisantrag nicht bereits dann anzunehmen, wenn der Beweismittelkreis hinreichend individualisiert ist, sondern erst dann, wenn der Antragsteller behauptet, daß „jedes der von ihm bezeichneten Beweismittel die behauptete Tatasche bestätigen werde“.81 Im Hinblick auf diese nach der weitaus überwiegenden Meinung geforderten Erweiterung der formalen Anforderungen, soll es ausreichend sein, wenn der Antragsteller die unmittelbare Beweiserheblichkeit jedes einzelnen Beweismittels stillschweigend behauptet.82 Daß der Antrag die Beweiserheblichkeit jedes der benannten Beweismittel und damit die çharakteristische Beziehung zwischen Beweisthema und Beweismittel“ behauptet, wird vermutet, soweit nicht aus dem Antrag selbst zu erkennen ist, daß Antragsteller weder weiß ob, noch behauptet, daß der von ihm benannten Zeuge die Behauptung bestätigen kann.83 76 Rose, NStZ 1998, 633 (634): Im Kern ist Rose darum bemüht, die inhaltliche Übereinstimmung zwischen BGHSt 40, 3 (6) und der Entscheidung BGH NStZ 1998, 97 zu widerlegen, ohne den verbindenden Aspekt der Konnexität im engeren Sinn zu berücksichtigen. 77 Bergmann, S. 41. 78 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 54, 82; Bergmann, S. 41 ff.; Berkholz, S. 100 ff.; Julius, S. 119 ff.; Schwenn, StV 1981, 631 (632); Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 21 und 25 zu § 244; HK – Julius, Rn. 20 zu § 244. 79 BGH JR 1954, 310 (311). 80 Bergmann, S. 43; Julius, S. 119. 81 Schwenn, StV 1981, 631 (632); RG Recht 1928 Nr. 1751; RG JW 1922, 299 Nr. 17 mit Anm. Alsberg; RG JW 1909, 520 Nr. 27; RG JW 1930, 70; BGH VRS 25, 426 (427); Berkholz, S. 112; Julius, S. 121; ders., NStZ 1988, 468 (469) Anmerkung zum Urteil des 2. Senats des BGH vom 17. 2. 1988 in NStZ 1988, 324; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 54, 82; Simader, S. 80; Stützel, S. 25; Schmidt, LK II Vorbem. 2 b zu §§ 244 – 256. Andere Ansicht: Alsberg, GA 67 (1919), 261 (269, 270). 82 RG HRR 1939 Nr. 1210; Alsberg / Nüse / Meyer, S. 54, 82.

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

2. Konnexität und Zeugenmehrheit Die mit der Konnexität (im engeren oder weiteren Sinn) verbundene Information über das Verhältnis von Beweismittel und Beweistatsache und die damit verbundene Konsequenz, daß ein Antrag nur dann als hinreichend konkretisiert anzusehen ist, wenn der benannte Zeuge die Beweistatsache selbst unmittelbar wahrgenommen haben kann, führt dazu, daß die Bezeichnung eines Zeugen nicht von der Bezeichnung der Beweistatsache isoliert betrachtet werden kann. Über den Konnexvortrag kann sich eine Zeugenmehrheit auch als Grund für die Unbestimmtheit der Beweistatsache auswirken, wenn die pauschale Bezeichnung mehrerer Beweispersonen den Rückschluß auf die von der individuellen Wahrnehmung abhängige Relation des einzelnen Zeugen zum Beweisthema unmöglich macht. Die ohne weitere Erläuterung vorgenommene Verknüpfung einer Zeugenmehrheit mit einer Beweisbehauptung enthält keinen ausreichenden Hinweis darauf, was Gegenstand der Wahrnehmung des einzelnen Zeugen ist, bzw. weshalb der einzelne Zeuge die im Antrag behauptete Tatsache wahrgenommen haben soll. Durch die Angabe einer Zeugenmehrheit entstehen aber im Vergleich zu einem Antrag, der nur einen Zeugen benennt, keine erweiterten oder besonderen Substantiierungsanforderungen. Die Antragssituation der Bezeichnung einer Vielzahl persönlicher Beweismittel ist daher zwar eine mögliche Fehlerquelle bei der Konkretisierung des Antrags. Im Hinblich auf das Kriterium der Konnexität, das darauf abzielt, den Gegenstand der unmittelbaren Wahrnehmung einer Beweisperson zu konkretisieren, hat diese Antragskonstellation aber keine strukturell eigenständige Bedeutung. Die Anmerkung Roses verkennt daher den Grundgehalt der Entscheidung des 3. Senats in BGHSt 40, 3. Der 3. Senat stuft den Antrag nicht mit der Begründung als Ermittlungsantrag ein, daß er aus einer Gruppe von Zeugen denjenigen habe heraussuchen müssen, der sachdienliche Bekundungen machen könne, sondern vielmehr darauf, daß der Antrag für keinen der benannten Zeugen angab, was dieser im Kern bekunden solle.84

83 BGH NStZ 1988, 324; RGSt 24, 422; RG JW 1909, 520 Nr. 27; RG HRR 1939 Nr. 1210; BGH bei Pfeiffer / Miebach, NStZ 1983, 208 ff.; OLG DAR 1961, 234: Vernehmung von acht namentlich genannten Personen, von denen sich erst nach Befragung herausstellt, ob eine von ihnen überhaupt etwas zur Sache bekunden kann; Sarstedt, DAR 1964, 307 (309); Schwenn, StV 1981, 631 (633) zu einem Beschluß des 5. Senats vom 14. 7. 1981: Der von dem Angeklagten gestellte Beweisantrag, 27 Arbeitskollegen darüber zu vernehmen, ob er am Abend des 29. August 1980 im Betrieb tätig gewesen ist und sich nicht für längere Zeit entfernt hat, ist ein Beweisermittlungsantrag, da es dem Angeklagten ausschließlich darum ging, durch die Vernehmung dieser Personen einen Zeugen zu finden, der in der Lage war, konkrete Wahrnehmungen zu bekunden. Andere Ansicht: Bergmann, MDR 1976, 888 (889) spricht nur davon, daß in diesen Fällen das beweiserhebliche Beweismittel unbestimmt ist. Ablehnend dazu: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 82. 84 BGHSt 40, 3 (6).

4. Kap.: Prozessuale Folgeaspekte der Substantiierungslasten

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IV. Zwischenergebnis Nach dem Vergleich mit den Abgrenzungsbemühungen der sog. traditionellen Rechtsprechung kann zumindest im Bereich der für einen Konnexvortrag typischen Konstellationen einer wertenden Zusammenfassung des Beweisthemas und der Behauptung von Negativtatsachen eine (erhebliche) inhaltliche Erweiterung der Substantiierungslasten nicht festgestellt werden. Damit kann das Konnexitätserfordernis im Bereich des Zeugenbeweisantrags vor allem hinsichtlich positiv behaupteter Tatsachen, die der Wahrnehmung durch die Beweisperson grundsätzlich zugänglich sind, zu einer Verschärfung der bisherigen Bestimmtheitsanforderungen führen. Um die formalen Anforderungen nicht zu überspannen, d. h. um zu verhindern, daß die Gerichte Darlegungen fordern, die weder für eine sinnvolle Zeugenvernehmung noch vor dem Hintergrund der Prüfungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erforderlich sind oder die Grenze dessen, was dem Antragsteller möglich ist und fairerweise zugemutet werden kann, überschreiten, ist der Antrag sorgfältig auszulegen und dem Antragsteller gegebenenfalls Gelegenheit zur Ergänzung und Erläuterung des Antrags zu geben.

4. Kapitel

Prozessuale Folgeaspekte erweiterter Substantiierungslasten Eine Reihe der hier im Zusammenhang mit dem Kriterium der Konnexität erläuterten Entscheidungen zeichnet sich durch eine vergleichbare Verfahrensgeschichte aus1: Das Tatgericht hat das Beweisbegehren des Angeklagten als Beweisantrag eingestuft und die Erhebung des beantragten Beweises unter Anwendung eines Ablehnungsgrundes nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt. Die dagegen erhobene Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts scheitert nach Ansicht des Revisionsgerichts bereits daran, daß es mangels hinreichend substantiierter Beweisbehauptung an einem Beweisantrag fehlt. Diese Begründung legt die Vermutung nahe, daß das Revisionsgericht bei der Einstufung des Beweisbegehrens als Ermittlungsantrag von dem Bemühen geleitet wird, einen tatrichterlichen Fehlgriff in den Ablehnungskatalog des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zu heilen2, um eine Urteilsaufhebung wegen eines Verfahrensfehlers zu vermeiden, weil diese im Ergebnis keine andere Sachentscheidung erwarten läßt.3 Da es dem Revisionsgericht grundsätz1 2 3

BGHSt 37, 162 (165); 39, 251 (254), 40, 3 (6); NStZ 1998, 97. So offensichtlich in BGH NStZ 1998, 97. Vgl. Einschätzung von Gollwitzer, JR 1991, 472.

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

lich verwehrt ist, eine fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages durch Heranziehung einer anderen Variante des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zu korrigieren, ermöglicht der Rückgriff auf strengere Formanforderungen, das Beruhen4 des Urteils auf dem Ablehnungsfehler auszuschließen und somit die Erfolglosigkeit der Revision zu begründen. Der Erfolg des Rechtsmittels scheitert dann an einer Meinungsverschiedenheit zwischen Tatgericht und Revisionsgericht hinsichtlich der formalen Qualität des Beweisantrags. Im Merkmal der Konnexität ist das Risiko solcher Meinungsverschiedenheiten angelegt.5 Die formelhafte Umschreibung der Bescheidungsfähigkeit des Antrags eröffnet einen richterlichen Beurteilungsspielraum. Die zu treffende Entscheidung, welches Ausmaß an Substantiierungen von dem Antragsteller zu verlangen, oder ob sogar ein Ausnahmefall anzuerkennen ist, in dem eine erweiterte Darlegung fairerweise nicht auf den Antragsteller übertragen werden darf, ist mit einer am Einzelfall zu begründenden Wertung verbunden.6 Damit sich die Unbestimmtheit des Konnexitätsmerkmals, die der Antragsteller seinerseits nicht zu verantworten hat, nicht zu dessen Lasten auswirkt, gebietet es die (tat-)richterliche Hinweis- und Fürsorgepflicht, Gelegenheit zur Nachbesserung oder weiteren Erläuterung der Umstände der Antragstellung zu geben, wenn die Substantiierungsbemühungen des Angeklagten den Anwendungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht gerecht werden.7 Weist allerdings erst das Revisionsgericht die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts mit der Begründung zurück, daß das abgelehnte Beweisbegehren, dem das Tatgericht noch Beweisantragsqualität zugebilligt hatte, als Ermittlungsantrag einzustufen ist, so ergibt sich für den Antragsteller das Problem, daß sowohl die Gelegenheit zur Nachbesserung des Beweisbegehrens als auch die Frist zur Begründung der eigentlich zu erhebenden Aufklärungsrüge verstrichen ist.8 Gegen diesen Mißerfolg seiner Verfahrensrüge kann sich der Antragsteller schützen, indem er nicht nur die Verlet-

4 Julius, StV 1999, 86 Anmerkung zu OLG Köln StV 1999, 82. Kritisch Alsberg / Nüse / Meyer, S. 909, 910 (m. w. N.): „Wenn das Revisionsvorbringen und die Prüfung des Revisionsgerichts ergeben, daß der Beweisantrag, den der Tatrichter mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat, in Wahrheit ein bloßer Beweisermittlungsantrag war, kann das Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Ablehnung gleichwohl nicht ohne weiteres verneint werden. Siehe auch KK – Herdegen, Rn. 61 zu § 244 und BGH StV 1996, 581, 582: Voraussetzung für den Erfolg einer Revision ist in diesen Fällen aber, daß durch die rechtsfehlerhafte Ablehnung eine „irreführende Prozeßlage“ geschaffen wurde, die auf das Verteidigungsverhalten Einfluß gehabt haben kann. 5 Siehe oben Teil 2 Kapitel 2 B I 2 (b) und Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (640). 6 Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (640). 7 Siehe oben Teil 2 Kapitel 2 B III und Kapitel 2 B II. 8 Hat das Tatgericht einen Hilfsbeweisantrag erst in der Urteilsbegründung als Ermittlungsantrag bewertet, so besteht zwar ebenfalls keine Nachbesserungsmöglichkeit mehr, der Angeklagte kann aber die seiner Meinung nach fehlerhafte Einstufung des Antrags mit der Revision rügen. Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (641, 642).

4. Kap.: Prozessuale Folgeaspekte der Substantiierungslasten

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zung des § 244 Abs. 3 StPO beanstandet, sondern „sicherheitshalber“ auch eine Aufklärungsrüge erhebt.9 Unabhängig von der Frage, ob die „Herabstufung“ seines Beweisantrages durch das Revisionsgericht für den Antragsteller überraschend ist, würde auf diesem Wege das von der Unbestimmtheit der richterrechtlichen Begriffsfortbildung ausgehende Bewertungsrisiko dem Antragstellers übertragen, indem dieser mit doppelter Rügearbeit belastet wird.10 Gegen eine Belastung des Antragstellers mit doppelter Rügearbeit spricht zudem, daß die formellen Voraussetzungen der Rüge der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht wesentlich schwerer zu erbringen sind, als die formellen Anforderungen, die das Gesetz und die Rechtsprechung an die Rüge der rechtsfehlerhaften Behandlung eines Beweisantrags stellen.11 Bei einer auf die Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO gestützten Aufklärungsrüge wegen mangelnder Sachaufklärung hat die Revisionsbegründungsschrift neben der Angabe der Tatsachen, die das Gericht hätte aufklären müssen und der Bezeichnung der Beweismittel, die zum Nachweis der Tatsache erforderlich gewesen wären, schlüssig darzulegen, weshalb sich das Gericht zu dieser Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Schließlich muß angegeben werden, welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre und ob sich dieses günstig für den Revisionsführer ausgewirkt hätte.12 Dagegen erleichtern die strenge Formalisierung der tatrichterlichen Ablehnungsentscheidung nach § 244 Abs. 3 – 6 StPO und die Pflicht zur Protokollierung des Antrags und der ablehnenden Entscheidung nach § 273 Abs. 1 StPO die Erfüllung der strengen Anforderungen, die § 344 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 StPO an die Begründung einer Verfahrensrüge stellt.13 Den Antragsteller nur „sicherheitshalber“ mit formalen Anforderungen zu belasten, an denen außerordentlich viele Aufklärungsrügen scheitern14, erscheint unzumutbar. Das Gebot des fairen Verfahrens15 spricht vielmehr für den von Fezer vorgeschlagenen Lösungsweg: Das Revisionsgericht teilt dem Beschwerdeführer mit, es beabsichtige, den der entsprechenden Verfahrensrüge zugrundeliegenden BeEbd. Dies ist auch nach Ansicht Fezers a. a. O. nicht zuzumuten, obwohl er zugleich einräumt, daß sich die Folgen einer revisionsgerichtlichen „Herabstufung“ im Laufe der Zeit herumgesprochen haben. 11 Die Erfolgsaussichten einer Revisionsrüge, die sich auf die rechtsfehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags stützt sind erheblich höher: Alsberg / Nüse / Meyer, S. 29, 868; Perron, S. 140; Gollwitzer, JR 1991, 472; Gutmann, JuS 1962, 369 (377); Schwenn, StV 1981, 631. Zusammenfassend: Schatz, S. 255. 12 Dahs / Dahs, Rn. 477; KK – Herdegen, Rn. 36, 107 ff. zu § 244; Herdegen, NStZ 1984, 97 (99); KK – Kuckein, Rn. 51 ff. zu § 344; Kleinknecht / Meyer-Goßner, Rn. 81 zu § 244; AK – Schöch, Rn. 152 zu § 244. 13 Alsberg / Nüse / Meyer, S. 868; Schatz, S. 255. 14 Dahs / Dahs, Rn. 475, 481; Fezer, StPO Fall 12 Rn. 104. 15 Siehe oben Teil 2 Kapitel 1 B III. 9

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2. Teil: Darstellung und Bewertung der Rechtsprechung

weisantrag als Ermittlungsantrag einzustufen, und gibt ihm Gelegenheit, im Hinblick auf die unterbliebene Beweiserhebung eine Aufklärungsrüge zu begründen. Bzgl. der verstrichenen Revisionsbegründungsfrist wird dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.16

16 Fezer in FS für Meyer-Goßner, 629 (642). Beantragt der Generalbundesanwalt (oder des Generalstaatsanwaltes beim OLG) die Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO) und wird dies (abweichend vom Tatgericht) mit dem Ermittlungscharakter des Antrags begründet, erhält der Revisionsführer ebenfalls die Gelegenheit zur Gegenerklärung, in der er sich auf die neue Sachlage einstellen und seinen Sachvortrag entsprechend ergänzen kann (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO).

Schlußbetrachtung Als Ergebnis der vorliegenden Untersuchung kann festgehalten werden, daß es sich bei den formalen Anforderungen, die die neuere Rechtsprechung auch unter Bezugnahme auf den Begriff der Konnexität aufstellt, um Substantiierungen handelt, die unter dem Aspekt der Anwendbarkeit der Ablehnungsgründe der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels erforderliche Informationen darstellen. Die strukturelle Notwendigkeit dieser Prüfungsvoraussetzungen ergibt sich nicht aufgrund einer erweiterten Auslegung der Ablehnungsgründe durch die neuere Rechtsprechung, sondern aus der vorherrschenden Interpretation der Anwendungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. Die Last der Gewinnung und Darlegung dieser Informationen auf den Antragsteller zu übertragen, ist ein Versuch der Rechtsprechung, den eigenen Beweiserhebungsaufwand zu begrenzen. Durch die Substantiierung des Antrags im Sinne der strukturellen Korrespondenz wird den Gerichten ermöglicht, das mit dem Beweisantrag verbundene Risiko einer überflüssigen Beweisaufnahme zu prognostizieren und die eigene Bewertung des zu erwartenden Beweisgewinns der begehrten Beweisaufnahme in einer nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO anerkannten Form zu begründen. Gleichzeitig befreit die Klassifizierung der notwendigen Substantiierungen als Begriffsmerkmal des Beweisantrages das Gericht davon, die Bescheidungsfähigkeit des Antrag gegebenenfalls durch eine (aufwendige) freibeweisliche Ermittlung der Anwendungsvoraussetzungen herzustellen. Für die Übertragung einer entsprechenden Darlegungslast auf den Beweisantragsteller sprechen mehrere Gründe: Zum einen hat ein Überblick über das derzeitige gesetzliche Instrumentarium gezeigt, daß die Möglichkeiten der Gerichte, auf eine mißbräuchliche Handhabung des Beweisantragsrechts zu reagieren, auf die Ablehnungsgründe der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels reduziert sind. Daß dieses Reaktionspotential vor allem aus Sicht der Justizpraktiker als vollkommen unzureichend empfunden wird, hat unter anderem seine Ursache darin, daß es der Verteidigung in der Regel leichtfällt, Beweisanträge zu formulieren, deren Informationsgehalt hinsichtlich des zu erwartenden Beweisgewinns weit jenseits der theoretischen Anwendungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO liegt. Da es den Gerichten durch das Beweisantizipationsverbot versagt ist, den zu erwartenden Ertrag der begehrten Beweisaufnahme aufgrund des bisherigen Beweisergebnisses zu prognostizieren, stand das Gericht bislang vor der Wahl, entwe-

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Schlußbetrachtung

der den begehrten Beweis zu erheben, oder die Voraussetzungen für die Bescheidungsfähigkeit des Antrags zu ermitteln. Aufgrund der bisherigen Interpretation der prozessualen Lastenverteilung war es für die Prozeßbeteiligten ein leichtes Spiel, durch die beliebige Verknüpfung von Beweismitteln und Beweisthemen erhebliche Beweiserhebungspflichten des Gerichtes auszulösen. Die Ausgestaltung des Substantiierungsmaßstabs der strukturellen Korrespondenz durch die neuere Revisionsrechtsprechung stellt einen im Ergebnis mit der dem Beweisantragsrecht zu vereinbarenden Versuch dar, die Unzulänglichkeiten innerhalb des Systems des § 244 Abs. 3 StPO auszugleichen. Rechtliche Nachteile des Antragstellers ergeben sich weder aus der mit der Konnexität (im engeren Sinn) verbundenen Anforderung, den Gegenstandes der zeugenschaftlichen Wahrnehmung zu bezeichnen, noch aus der mit der Konnexität (im weiteren Sinn) verbundenen Darlegung der Grundplausibilität des Antrags. Denn zum einen ist der Antragsteller bereits durch die Formulierung entsprechender Behauptungen in der Lage, das Gericht zu Beweiserhebungen zu veranlassen, zu denen es sich nach § 244 Abs. 2 StPO nicht gedrängt sieht, zum anderen ist auch die von der neueren Rechtsprechung aus einem fehlenden Konnexvortrag gezogenen Konsequenz der Bewertung des Antrags als Ermittlungsantrag nicht mit dem Verlust einer Ablehnungsbegründung und den daran anknüpfenden Informationsund Kontrollfunktionen verbunden. Unter dem Aspekt der fairen Verfahrensgestaltung sollte dem Antragsteller aber die Gelegenheit gegeben werden, sich von den geforderten Darlegungen durch den plausiblen Vortrag der (subjektiven) Unmöglichkeit weiterer Konkretisierung zu entlasten. Damit die ausgleichende Funktion des Konnexitätsmerkmals gewahrt bleibt, ist es erforderlich, die erweiterten Darlegungslasten allein an der prozeßrechtskonformen Prüfung der Ablehnungsgründe auszurichten. Daher ist die Rechtsprechung an die von ihr selbst gewählte Begründung gebunden, daß sich der Substantiierungsmaßstab der Bescheidungsfähigkeit des Antrags nur aus der Beschränkung der Ablehnungsgründe rechtfertigt.1 Bedenklich ist daher die Terminologie der neuren Rechtsprechung, die zu erheblichen Abgrenzungsunsicherheiten führt. Insbesondere kann ein formelhafter Hinweis auf das Merkmal der Konnexität die Ableitung einer konkreten Darlegungslast aus dem methodischen Begründungszusammenhang zwischen den Anwendungsvoraussetzungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO und den Anforderungen an einen zulässigen Beweisantrag nicht ersetzen. Unter Berücksichtigung der hier genannten verfahrensrechtlichen Absicherungen des (angeklagten) Antragstellers vermag die kritische Haltung der Literatur gegenüber dem Konnexitätsmerkmal nicht zu überzeugen. Insbesondere fehlt es an einer Begründung, weshalb der Antragsteller, der „eine unter Umständen schwierige und zeitaufwändige, durch die Aufklärungspflicht nicht gebotene Beweiserhe1

BGHSt 37, 162 (165). Dazu Schulz, NStZ 1991, 449. Siehe oben Teil 2 Kapitel 1 B IV.

Schlußbetrachtung

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bung begehrt“, das uneingeschränkte Recht haben sollte, die Frage nach der Plausibilität seines Beweisbegehrens auch dann zu verweigern, wenn sich diese nicht aus der Sache selbst ergibt. Das Festhalten am traditionellen Begriff des Beweisantrages kann diese Begründung nicht ersetzen.2

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Senge, NStZ 2002, 225 (231).

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Stichwortverzeichnis Ablehnungsgründe – Ablehnungsbeschränkungen 35 ff. – Anwendungsvoraussetzungen – Bedeutungslosigkeit 66 ff.; s. a. dort – Prozeßverschleppungsabsicht 79 ff. – Unerreichbarkeit 126 f. – völlige Ungeeignetheit 57 ff. – Wahrunterstellung 124 f. – korrespondierende Substantiierungslasten – Bedeutungslosigkeit 78 ff., 122 ff., 157 ff. – Prozeßverschleppungsabsicht 83 ff., 128 ff. – Unerreichbarkeit 127 f. – völlige Ungeeignetheit 64 ff., 151 ff. – Wahrunterstellung 125 f. – numerus clausus der Ablehnungsgründe 52, 133 – theoretische Ablehnungsmöglichkeiten 31 ff. Amtsaufklärungspflicht 36 ff., 45, 77 Antizipation – der Bedeutungslosigkeit 33 f., s. a. Zwischenbeweiswürdigung – der Beweisbehauptung 43 f. – des Beweisergebnisprognose 32 – der Beweiswertprognose 32, 58, 65 – der Prognosebehauptung 32, 41, 58 – prospektive Würdigung 33, 40 – retrospektive Würdigung 32, 40 – Verbot der Beweisantizipation siehe dort – Zwischenbeweiswürdigung siehe dort Aufklärungsrüge 203 f. Bedeutungslosigkeit – aus rechtlichen Gründen 67 – aus tatsächlichen Gründen 67 ff., s. a. Zwischenbeweiswürdigung Begründetheit des Beweisantrags s. Beweisantrag

Bestimmtheit des Beweisantrags – Beweisermittlungsantrag s. dort – Beweismittel 19, 27, 28, s. a. Zeugenbeweisantrag – Beweistatsache s. dort – Beweisthema s. dort – Darlegungslast s. Beweislast – doppeltes Bestimmtheitsgebot 19, 94 – Substantiierungslast s. dort Beweisantrag – Begründetheit 97, 153 – Definition 19, 21, 26 – Struktur 28 ff. – Zulässigkeit 96 ff., 134, 137, 154 Beweisantragsrecht – Ablehnungsbeschluß 15, 19, 62 ff., 75 ff., 90 ff., 178 – Ablehnungsbeschränkungen 35 ff. – Ablehnungsgründe s. dort – Bescheidungspflicht 90, s. a. Ablehnungsbeschluß – Protokollierungspflicht 90, s. a. Ablehnungsbeschluß – Reformbestrebungen 18 f., 104 – Revision 19 f., 91, 201 ff. – Verhältnis zur Amtsaufklärungspflicht 15 ff., 41 f., 52, 131, 165 ff., 172 ff., 180 Beweisbehauptung – Abgrenzung zur Beweistatsache s. Beweistatsache – Ablehnung 33 f., 43 Beweisergebnisprognose 28, 32, 41 f. Beweisermittlungsantrag – Begriff 20, 88 – Herabstufung eines Beweisantrags s. Herabstufung – Konturlosigkeit der Figur 94 ff. – prozessuale Behandlung 89 ff. Beweislast – Behauptungslast 85 f.

Stichwortverzeichnis – Darlegungslast 52, 110 – objektive Beweislast 85, 86 f. – subjektive Beweislast 85 – Substantiierungslast s. dort Beweismittel s. Bestimmtheit Beweismitteleignung s. Prognosebehauptung und völlige Ungeeignetheit Beweistatsache – Abgrenzung zum Beweisthema 113, 117, 120 f., 146 – Abgrenzung zum Beweisziel 113, 117, 121 – Abgrenzung zur Beweisbehauptung 27 ff., 33, 43 – Haupttatsache 68 – Hilfstatsache 68 – Relativierung der Beweistatsache s. dort Beweisthema 113, 117, 120 f., 146 – Abgrenzung zur Beweistatsache s. Beweistatsache Beweiswertprognose 28 f., 32 f., 41 f. Beweiswürdigung – prospektive 40, 46 f. – retrospektive 40, 47 f., 69 ff. Beweisziel 30, 113, 117 f., 122 – Abgrenzung zur Beweistatsache s. dort Darlegungslast s. Beweislast Erfahrungssatz 65 f., 68, 70, 73 f., 78, 123, 153 Erheblichkeit 33 f., 66 ff., s. a. Bedeutungslosigkeit Freibeweis 49 f., 52, 106, 130 Grundplausibilität des Beweisantrags 160 ff., 168 ff., 180 Herabstufung eines Beweisantrags 20 f., 203 Herdegen’sche Formel 26 Hilfsbeweisantrag 177 f. Hinweispflicht des Gerichts 134, 138, 175, 178, 188 Identitätslehre 16 f. Indizienbeweis – Beweiskette 68, 73, 122

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– Beweisring 73 f., 122 – Indiztatsache 68, 73 Inquisitionsprinzip 35 f. – strukturelle Schwäche des Inquisitionsprinzips 35 ff., 40 Konnexität zwischen Beweismittel und Beweistatsache – Begriff 24, 108, 110, 115 – im engeren Sinn 117 ff., 121, 147 – im weiteren Sinn 147 ff., 152, 154 – typische Antragskonstellationen 181 ff. – Vereinbarkeit mit dem Beweisantizipationsverbot 131 ff., 168 ff., 172 ff., 180 Korrespondenz s. a. Ablehnungsgründe und Substantiierungslast – Begriff der strukturellen Korrespondenz 22, 24, 26 Mißbrauch des Beweisantragsrechts 18, 23, 105, 164 Negativtatsache 184 ff. Personelle Identität 35, 36 s. a. Inquisitionsprinzip Plausibilitätsrechtsprechung 162, 165; s. a. Vermutungsrechtsprechung Prognosebehauptung 29, 32 f., 40, 41 ff. Protokollierungspflicht s. Beweisantragsrecht Prozeßökonomie s. Verfahrensökonomie prozeßrechtskonforme Ablehnungsbegründung 48 f., 51, 83 f., 140 Prozeßverschleppungsabsicht s. Ablehnungsgründe – Reformvorschläge 82 f. Reform des Beweisantragsrechts 19 ff., 82 f. Relativierung der Beweistatsache 117 ff., 132 ff. Revision 19 f., 49, 201 ff. Strukturelle Korrespondenz, s. Korrespondenz Substantiierungslast – Begriff 50 f., 86, 88 ff.

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Stichwortverzeichnis

– Grenzen 52 f., 102, 106, 135, 138, 175 ff., 185 ff., 193 ff. – prozessuale Folgeaspekte 201 ff. – Korrespondenz zu den Ablehnungsgründen s. Ablehnungsgründe

Vermutungsrechtsprechung 21 f., 160 ff., 165; s. a. Plausibilitätsrechtsprechung Völlige Ungeeignetheit des Beweismittels s. Ablehnungsgründe

Unzulässigkeit der Beweiserhebung 98

Wahrunterstellung der behaupteten Tatsache s. Ablehnungsgründe

Verbot der Beweisantizipation s. a. Antizipation – Durchbrechung 46, 54 ff., 58, 62, 70, 72 f., 80 ff. – Funktion 35, 40 f. , 44, 71 – Inhalt 38 ff., 41 ff. Verfahrensökonomie 20, 22, 24, 89, 104, 106

Zeugenbeweisantrag 22, 27, 28 ff., 65, 79, 113 ff., 124, 132, 149 Zeugenmehrheit 115, 198 ff. Zulässigkeit des Beweisantrags s. Beweisantrag Zwischenbeweiswürdigung 69 ff., 75 ff., 123 f., 129