267 67 6MB
German Pages [226] Year 1980
P-J-. Galpenn Zu Grundfragen der Psychologie
Studien zur Kritischen Psychologie Pahl-Rugenstein
Studien zur Kritischen Psychologie Pahl-Rugenstein
Studien zur Kritischen Psychologie Pahl-Rugenstein
Studien zur Kritischen Psychologie Herausgegeben von Karl-Heinz Braun und Klaus Holzkamp Band 16 Band 1 - 2 Klaus Holzkamp/Karl-Heinz Braun (Hrsg.) Bericht über den I. Kongreß Kritische Psychologie in Marburg vom 13. bis 15. Mai 1977 Band 3 Klaus Holzkamp Gesellsdiaftlichkeit des Individuums Aufsätze 1974-1977 Band 4 Karl-Heinz Braun Einführung in die Politische Psychologie Band 5 Peter Keiler/Michael Stadler (Hrsg.) Erkenntnis oder Dogmatismus? Kritik des psychologischen „Dogmatismus"-Konzepts Band 6 Eckart Leiser Einführung in die statistischen Methoden der Erkenntnisgewinnung Band 8 W. Friedrich u. a. Zur Kritik des Behaviorismus Band 9 M. Jäger/K. Kersten/E. Leiser/W. Maschewsky Subjektivität als Methodenproblem Band 12 Karl-Heinz Braun Kritik des Freudo-Marxismus Zur marxistischen Aufhebung der Psychoanalyse Band 13 Dieter Pilz/Siegfried Schubenz (Hrsg.) Schulversagen und Kindertherapie Die Überwindung von sozialer Ausgrenzung
Pjotr J. Galperin
Zu Grundfragen der Psychologie
Studien zur Kritischen Psychologie Pahl-Rugenstein
П[етр] Яковлевич] Гальперин Введение в психологию Издательство Московского университета Москва 1976 (?) Verlag der Mo skalier Universität, Moskau 1976
Übersetzer: Klaus Krüger
Diese Übersetzung erschien zunächst beim volkseigenen Verlag Volk und Wissen Berlin/DDR 1980, als Band 4 der Reihe „.Beiträge zur Psychologie herausgegeben von Willi Forst, Wolf gang Kessel, Adolf Kossakowski und Joachim Lompscher.
Studien zur Kritischen Psychologie 16 Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1980 Vom Verlag © Volk und Wissen Volkseigener Verlag, genehmigte Lizenzausgabe Printed in the GDR ISBN 3-7609-0460-2
4
Berlin/DDR,
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeber Vorwort des Autors
9 18
Kapitel 1 Zum Gegenstand der Psychologie 1.1. Die heutige Bedeutung der Frage nach dem Gegenstand der Psychologie 1.2. Die Unhaltbarkeit der traditionellen Vorstellungen vom Gegenstand der Psychologie 1.3. Die Entwicklung von Ansichten über die psychische Tätigkeit in der sowjetischen Psychologie Kapitel 2 Der dialektische Materialismus über das Psychische 2.1. Lenin über den Gegenstand der Einzelwissenschaft 2.2. Lenin über den Begriff Materie. „Physisches und Psychisches" 2.3. Das Psychische als besondere Eigenschaft der hochorganisierten Materie 2.4. Das Psychische als Funktion des Gehirns, als Widerspiegelung der objektiven Realität Kapitel 3 Die Orientierungstätigkeit als Gegenstand der Psychologie 3.1. Die Hauptformen der psychischen Widerspiegelung
21 21 26 38
53 53 57 64 68
11 77
5
3.2. Die psychischen Widerspiegelungen und die orientierend-untersuchende Tätigkeit 3.3. Die Arten der Orientierungsbekräftigung 3.4. Der Mechanismus der aktiven Handlungen 3.5. Aktive und automatische Handlungen 3.6. Aktive und passive Orientierung 3.7. Die Orientierungstätigkeit als Gegenstand der Psychologie 3.8. Die Psychologie und die angrenzenden Wissenschaften Kapitel 4 Die objektive Notwendigkeit des Psychischen 4.1. Zwei Typen von Situationen. Situationen, in denen Psychisches nicht notwendig ist 4.2. Situationen, in denen das Psychische unumgänglich ist 4.3. Der Mechanismus zur Anpassung der Handlungen an individuell veränderliche Situationen 4.4. Psychische Handlungssteuerung und Verhaltensdeterminismus 4.5. Die objektiven Merkmale des Psychischen 4.6. Der psychologische Gehalt des Verhaltens
84 91 95 102 105
111 118 126 126 133 138 143 147 152
Kapitel 5 Die hauptsächlichen Evolutionsstufen der Handlung 5.1. Die Umstrukturierung des Organismus als des Subjekts der zielgerichteten Handlungen 5.2. Die weitere Umgestaltung des Organismus in Zusammenhang mit der Entwicklung der Persönlichkeit 5.3. Das Schema der grundlegenden Handlungsstufen
155
Anhang 1. Das Tätigkeitsproblem in der sowjetischen Psychologie
175 175
2. Zur Frage der Instinkte beim Menschen
199
Zum Autor
215
Literatur
220
6
155
165 169
Contents
Editor's Preface
9
Author's Preface
18
Chapter 1 On the Sub)ect of Psychology 1.1. The Present Significance of the Question Conceming the Subject o£ Psychology 1.2. The Untenable Traditional Concepts of the Subject of Psychology 1.3. The Development of Views on Psychic Activity in Soviet Psychology Chapter 2 Dialectic Materialism on the Psychic Factor 2.1. Lenin on the Subject of the Single Science 2.2. Lenin on the Concept of the Matter. "Physical and Psychic Factors" 2.3. The Psychic Factor as Specific Quality of Highly Organised Matter 2.4. The Psychic Element as Special Function of the Brain and Reflection of Objective Reality Chapter 3 Orientational Activity as Subject of Psychology 3.1. The Main Forms of Psychic Reflection
21 21 26 38 53 53 57 64 68
77 77
7
3.2. Psychic Reflections and Activities of Orientation and Investigation 3.3. Types of Orientational Confirmation 3.4. The Mechanism of Active Actions 3.5. Active and Automatic Actions 3.6. Active and Passive Orientation 3.7. Orientational Activity as Subject of Psychology 3.8. Psychology and Bordering Sciences Chapter 4 The Objective Necessity of the Psychic Factor 4.1. Two Types of Situations where the Psychic Factor is not Essential 4.2. Situations in which the Psychic Factor is Indispensable 4.3. The Mechanism of Adapting Actions to Individually Changeable Situations 4.4. Psychic Action Control and Behavioural Determlnism 4.5. The Objective Features of the Psychic Factor 4.6. The Psychological Content of Behaviour Chapter 5 The Main Evolutionary Phases of Action 5.1. The Restructuring of the Organism as die Object of Purposive Actions 5.2. The Further Transformation of the Organism in Connection with Personality Development 5.3. Scheme of the Basic Phases of Action
84 91 95 102 105
III 118
126 126 133 138 143 147 152
155 155 165 169
Appendix 1. The Problem of Activity in Soviet Psychology
175
2. The Problem of Human Instincts
199
TheAuthor
215
Bibliography
220
8
Vorwort von Gisbert Keseling
Die psychologischen Untersuchungen von Galperin und seinen Mitarbeitern wurden in der BRD vor allem im Zusammenhang mit lern- und unterrichtstheoretischen Überlegungen rezipiert1). Denn im Gegensatz zu den meisten bürgerlichen Theorien zum Lernen, deren Hypothesen in erster Linie durch Labor-Versuche überprüft wurden2), geht es in Galperins Theorie der etappenweisen Ausbildung geistiger Handlungen und Operationen, der sogenannten Interiorisationstheorie, auch um die Lösung praktischer Probleme, und die in ihr enthaltenen Theoreme wurden - zumindest zu einem Teil - explizit zur Verbesserung der Bedingungen schulischen Lernens formuliert3). Dieser praxisbezogene Teil der Theorie enthält unter anderem die folgenden Annahmen: 1. wenn man mit Wygotski und Leontjew davon ausgeht, daß menschliche Fähigkeiten nicht
9
heranreifen, sondern daß der Erwachsene sie aus dem gattungsgeschichtlich angehäuften Wissen dem Kind vermittelt4), dann kann es für den Lernerfolg nicht gleichgültig sein, wie der Erwachsene dabei verfährt, das heißt welche Orientierungshilfe er dem Kind dabei gibt, ob er zum Beispiel die zu erlernende Handlung lediglich vorführt, auf weitere Hinweise jedoch verzichtet, das heißt den Lernenden einem Versuchs- und Irrtumsverhalten überläßt (Orientierungsgrundlage I), ob er außer dem Muster noch Hinweise zum Transfer auf andersartige Aufgaben mit neuem Material liefert (Orientierungsgrundlage II), oder ob er dem Schüler eine „planmäßige Unterweisung in der Analyse neuer Aufgaben" gibt, „die es gestattet, die Stützpunkte, die Voraussetzungen für die richtige Ausführung der Aufgaben herauszuarbeiten"5) (Orientierungsgrundlage III). Nur die dritte Orientierungsgrundlage, die in gewissem Sinne eine Orientierungshilfe für die selbständige Orientierung ist, gewährleistet nach Galperin einen dauerhaften Lernerfolg. 2. Wenn man - ebenfalls mit Wygotski - annimmt, daß geistige, also im Kopf ausgeführte Handlungen genetisch aus äußeren, mit materiellen Gegenständen ausgeführten Handlungen hervorgehen, dann sollte im Unterricht die „psychologische Aufeinanderfolge der Widerspiegelungsformen" berücksichtigt werden und die Handlung zuerst in einer materiellen oder materialisierten Form mit realen Gegenständen oder deren Repräsentationen („Schemata, Diagramme, Zeichnungen, Modelle oder einfache Notizen"), dann in der Form der „gesprochenen Sprache ohne gegenständliche Stütze" und erst zuletzt - nach einer Zwischenstufe der „äußeren Sprache für sich selbst" - in der „inneren Sprache", das heißt in wirklich geistiger Form ausgeführt werden6). 3. Mit dieser Umwandlung der Handlung nach ihrer Widerspiegelungsform hängen nun noch zwei weitere Umwandlungen zusammen: im Verlauf der Aneignung wird die Handlung zunehmend automatisiert und verkürzt; das heißt das Bewußtsein ist nicht mehr oder nur noch zum Teil beteiligt, und bestimmte Teilhandlungen werden faktisch nicht mehr ausgeführt; bei einer Addition werden zum Beispiel nicht mehr Mengen abgezählt, vereinigt und anschließend wiederum abgezählt, sondern der gesamte Prozeß erfolgt automatisch und jenseits der Bewußtseinsschwelle. Da-
10
durch, daß Handlungen etappenweise angeeignet und ausgeführt werden, daß der geistigen, verkürzten und automatisierten Form die entfaltete, zuerst materialisierte und dann sprachliche Form vorausgegangen ist, ist es möglich, die gedanklichen Formen jederzeit in die entfaltete und noch nicht automatisierte Ursprungsform zurückzuverwandeln7). Dies sei immer dann erforderlich, wenn bei der gedanklichen Ausführung Hindernisse auftauchen, zum Beispiel wenn sich die Aufgabe als zu komplex erweist. Die verschiedenen, speziell gegen die Galperin-Theorie als Lernund Unterrichtstheorie vorgetragenen Einwände faßt Schmitz wie folgt zusammen: „Zum einen würden die jeweiligen spezifischen historischen Merkmale sowohl der Lerngegenstände wie auch des Lernens selbst nicht berücksichtigt. Zum anderen würde die natürliche und gesellschaftliche Realität in doktrinärer Weise als widerspruchsfreie und unveränderliche Gegebenheit dem Schüler aufgezwungen; und kreative Spontaneität beim Lernen werde unterdrückt. Beide Vorwürfe treffen sich offenbar in der Vorstellung, als wäre der prozessuale Charakter der Realität und der Einfluß der menschlichen Praxis darauf in der Lerntheorie eliminiert"8). Konkret heißt dies: Spätestens dann, wenn man die Theorie auf Lernen und Lehren unter kapitalistischen Verhältnissen überträgt, werde die Rolle des Lehrens und der Vermittlung bereits vorhandener Inhalte überbewertet und der Lernprozeß auf eine Reproduktion dieser Inhalte reduziert; diese in unserem Schulsystem ohnehin angelegte Gefahr werde durch das Aneignungskonzept noch verstärkt, indem der Doppelcharakter, den Wissen, Erkenntnisse und Erfahrungen in Klassengesellschaften zwangsläufig haben müssen, nicht berücksichtigt werde. Insbesondere werde ein Weiterdenken und potentielles Verändern der Inhalte und der Bedingungen ihrer Aneignung verhindert; fehlende Motivation, Beschränkung des Lernprozesses auf die kognitiven Aspekte und Vernachlässigung der daran beteiligten Gefühle und Affekte sei dann eine zwangsläufige Folge, da in dieser einseitig auf Reproduktion der Gesellschaft angelegten Lernkonzeption weder die Bedürfnisse noch die konkreten Möglichkeiten der Schüler berücksichtigt werden. Bleibt diese Kritik auch nach der Kenntnisnahme von Galperins
11
neuem Buch, in dem er zusammenhängend die psychologischen Grundlagen seiner Theorie darstellt9), berechtigt? Vorab ist dazu das folgende festzustellen: Um Fragen eines effektiven Unterrichts, der Aufbereitung und Organisation von Lerninhalten, eine geeignetere oder ungeeignetere Orientierungsgrundlage, die Rolle von Materialisierungen, der Transformation materieller Handlungen in sprachliche und/oder geistige usw., das heißt genau die Probleme, die in der GtfZp