Zivile Wissenschaft: Theorie und Praxis von Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen 9783839464779

Die Forderung nach Friedens- und Zivilklauseln erfährt in der hochschulpolitischen Öffentlichkeit erhebliche Aufmerksamk

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Table of contents :
Inhalt
1. Dem Frieden verpflichtet
2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen
3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel
4. Zivile Wissenschaft
I. Abkürzungsverzeichnis
II. Literaturverzeichnis
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Zivile Wissenschaft: Theorie und Praxis von Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen
 9783839464779

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Falk Bornmüller Zivile Wissenschaft

Einzelveröffentlichungen Sozialwissenschaften

Meinem Großvater Helmut Bornmüller (1912-1944), dem beliebten Lehrer einer Dorfschule. Meinem Vater Gerhard Bornmüller (1940-1991), dem der Krieg die Liebe seines Vaters nahm.

Falk Bornmüller (Dr. phil.) hat germanistische Literaturwissenschaft, Philosophie sowie Bildungs- und Wissenschaftsmanagement studiert und eine philosophische Dissertation zum Thema »Selbstachtung« vorgelegt. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Erkenntnis- und Darstellungsformen in der Philosophie, der Hochschuldidaktik und Lehrbarkeit des Philosophierens sowie der Wissenschaftsorganisation und Wissenschaftspolitik.

Falk Bornmüller

Zivile Wissenschaft Theorie und Praxis von Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Micha 4, 3

Unsere Waffen seien Waffen des Geistes, nicht Panzer und Geschosse. Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Albert Einstein

Inhalt

1. 1.1 1.2 1.3

Dem Frieden verpflichtet ...............................................9 Die Organisationsform Hochschule ...................................... 10 Zum Beispiel Darmstadt ................................................. 13 Kontextualisierung und Rekonstruktion .................................. 14

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen ............... 19 Die Entstehung von Friedens- und Zivilklauseln in Deutschland ........... 19 Begriffliche Unterscheidungen.......................................... 24 Die Form einer Norm ................................................... 28 Die Zivilklausel der Technischen Universität Darmstadt.................. 36 Wissenschaft und Recht und Freiheit ................................... 43 2.5.1 Gesetzliche Grundlagen .......................................... 44 2.5.2 Die Freiheit der Wissenschaft und ihre Grenzen ................... 45 2.5.3 Verantwortung (in) der Wissenschaft ............................. 52 2.5.4 Verfassungskonformität von Friedens- und Zivilklauseln .......... 56

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel ............... 61 3.1 Wie eine institutionelle Selbstverpflichtung entsteht – der Prozess ....... 61 3.1.1 Impuls und Initiative ............................................. 61 3.1.2 Vorbereitung..................................................... 65 3.1.3 Beschluss ........................................................ 71 3.1.4 Umsetzung .......................................................78 3.1.5 Verstetigung..................................................... 95 3.2. Wie die institutionelle Selbstverpflichtung wirkt – eine erste Einordnung. 98 3.2.1 Organisation ..................................................... 99

3.2.2 Akteurinnen und Akteure......................................... 101 3.2.3 Kommunikation ..................................................103 3.2.4 Normsetzung ....................................................104 4. 4.1 4.2 4.3

Zivile Wissenschaft ................................................... 107 Theorie und Praxis .................................................... 107 Form und Norm ........................................................ 113 Genese und Geltung .................................................... 117

I.

Abkürzungsverzeichnis ............................................... 119

II.

Literaturverzeichnis .................................................. 121

1. Dem Frieden verpflichtet

Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen1 stellen gleich in mehreren Hinsichten ein bemerkenswertes Phänomen dar: Eine Bildungsorganisation bringt damit nicht nur ein bestimmtes Selbstverständnis zum Ausdruck, sondern ordnet wesentliche Bereiche des organisationsspezifischen Handelns mit normativer Verbindlichkeit einer bestimmten Wertvorstellung unter. Diese Wertvorstellung kann ein hochschulpolitisches und zugleich öffentlichkeitswirksames ›Statement‹ sein, welches jedoch als eine Selbstverpflichtung auf zivile Zwecke und friedliche Ziele in Forschung, Studium und Lehre auch in rechtsgültiger Form verfasst und entsprechend begründet sein muss. Aus bildungsökonomischer Perspektive legen sich Hochschulen mit einer Friedens- oder Zivilklausel zudem eine Beschränkung in der Akquise möglicher Drittmittel auf, die im Wettbewerb mit anderen Hochschulen, etwa im Bereich staatlicher Forschungsförderung und der Kooperation mit Unternehmen der Wirtschaft, folgenreich sein kann.

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Hochschulen sind nicht unmittelbar mit Universitäten gleichzusetzen, weil die an berufsbezogener Ausbildung ausgerichteten Fachhochschulen, Dualen Hochschulen und Berufsakademien mit ihrer Beschränkung von Wissens- und Lehrzielen zugunsten von mehr Praxisnähe von den stärker bildungs- und forschungsorientierten Universitäten zu unterscheiden sind. In der vorliegenden Untersuchung wird, einem gängigen Sprachgebrauch folgend und gemäß einem weiten Begriff, der Ausdruck »Hochschule« allgemein als Bezeichnung für alle staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen – und damit auch für Universitäten – verwendet. Siehe zur begrifflichen Unterscheidung von Friedens- und Zivilklauseln den Abschnitt 2.2.

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Mit Blick auf die Komplexität der Einbindung von Friedens- und Zivilklauseln in einen hochschulischen Kontext stellt sich die Frage, wie derartige Selbstverpflichtungen auf die Verfasstheit von Hochschulen im Wechselspiel von formaler Organisationsstruktur und informeller Organisationskultur2 einwirken bzw. überhaupt zur Wirkung gebracht werden können. Es ist für Hochschulen keineswegs selbstverständlich, den Beschluss für eine Friedens- oder Zivilklausel zu fassen und diese Selbstverpflichtung anschließend als ein verbindliches Moment im Rahmen eines Entwicklungsprozesses einzuführen. Denn im Unterschied zu hierarchisch aufgebauten Organisationen sind Hochschulen Organisationen von besonderer Art.

1.1

Die Organisationsform Hochschule

Begrifflich kann »Organisation« auf drei verschiedene Weisen verstanden werden: (1) Der institutionelle Organisationsbegriff erfasst einige Organisationen gemäß bestimmten Merkmalen als zu »eine[r] besondere[n] Klasse von geordneten sozialen Systemen« gehörig. (2) Der instrumentelle Organisationsbegriff bezeichnet »das System der formalen (und informalen) Regeln, welches in einer Unternehmung für Ordnung sorgt«, und bestimmt damit, welche Art organisationaler Ordnung vorliegt. (3) Der prozessorientierte Organisationsbegriff fokussiert schließlich auf den »Prozess der Ordnungsentstehung« und vollzieht auf diese Weise nach, wie eine organisationale Form entsteht und sich entwickelt (Bea/Göbel 2019: 25f.).3 Im Folgenden wird der institutionelle Organisationsbegriff als weitgehend selbstverständlich vorausgesetzt, da

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Einführend zu den drei Seiten einer Organisation, die neben Struktur und Kultur die ›Schauseite‹ beinhaltet, Kühl/Muster (2016), Kühl (2018), Kühl (2020). Schreyögg/Geiger (2016: 5–11) unterscheiden grundsätzlich einen institutionellen von einem instrumentellen Organisationsbegriff, letzterer kann auf einer funktionalen oder konfigurativen Konzeption beruhen. Die von Bea/Göbel (2019) hervorgehobene Prozessorientierung weist Ähnlichkeiten zum funktionalen Konzept auf.

1. Dem Frieden verpflichtet

Hochschulen der sozialen und rechtlichen Form nach als Institutionen innerhalb der Gesellschaft fest etabliert sind.4 Mit Blick auf den Prozess einer Organisationsentwicklung gewinnen hingegen der instrumentelle und der prozessorientierte Organisationsbegriff an Bedeutung: Hochschulen weisen ein besonderes Regelsystem auf, weshalb sich diese Form der Organisation von anderen organisationalen Formen, etwa Unternehmen im produzierenden oder im Dienstleistungsgewerbe, unterscheidet.5 Die organisationstheoretische Forschung hat die Merkmale von Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen aus verschiedenen Perspektiven analysiert und beschrieben,6 wobei unabhängig von den jeweils spezifischen Fokussierungen die Charakteristika dieser Organisationsform deutlich werden. So zeichnen sich Hochschulen insbesondere dadurch aus, dass es sich hierbei um komplex differenzierte Expertenorganisationen7 handelt, die strukturell in Form einer ›losen Kopplung‹ in Erscheinung treten. Weick (1976) beschreibt mit dem Konzept der losen Kopplung die Art der

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In dieser grundlegenden Beschreibung von Hochschulen als Institutionen ist ein wichtiger organisatorischer Kontextfaktor noch nicht berücksichtigt: Bildungsorganisationen können als Einrichtungen beschrieben werden, »die in stark institutionalisierten Umwelten agieren« und »den teilweise widersprüchlichen Erwartungen ihrer Umwelten entsprechen« müssen. In dieser bildungspolitisch-soziologischen Betrachtungsweise erscheinen Hochschulen »primär vor dem Hintergrund des kulturell-gesellschaftlichen Rahmens, in den sie eingebettet sind« (Hanft 2008: 72). Damit ist nicht ausgeschlossen, Hochschulen in einer verstärkt bildungsökonomischen Sichtweise metaphorisch als ›Wissen produzierende Institutionen‹ oder ›Bildungsdienstleister‹ zu bezeichnen – eine mit solchen Metaphern behauptete Ähnlichkeit muss dann jedoch auch plausibel gemacht werden. Vgl. z.B. Hanft 2008: 66–70. Nach Mintzberg (1991: 183–204) sind Expertenorganisationen durch eine starke Fragmentierung und eine dezentrale Autonomie des operativen Kerns der Professionals charakterisiert. Die Standardisierung von professionellen Fähigkeiten und Kenntnissen sichert trotz der komplexen und hochgradig dezentralen Struktur innerhalb dieser Organisationsform ein hohes Maß an Koordinationsund Kooperationsbereitschaft, die mit einem identitätsstiftenden Kulturdenken verbunden ist.

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Bindung zwischen mehreren organisationalen Einheiten, die sowohl Dysfunktionalitäten als auch erhebliche Funktionspotenziale aufweisen (vgl. 6–9). In Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen lässt sich darüber die dynamische Koexistenz unterschiedlicher Expertensysteme (einschließlich der unterstützenden Einheiten, wie etwa der Hochschulverwaltung) beschreiben. Allgemein sind der Umgang mit Wissen, die spezifische Form der Arbeitsteilung, die schwer zu erfassenden Produkte (›Bildungsgüter‹), eine widersprüchliche bzw. unklare Zielorientierung und die erschwerte Messbarkeit von Leistungen, auch aufgrund multidimensionaler Qualitätskriterien, charakteristisch für die Organisationsform Hochschule.8 In enger Verbindung zu diesen Besonderheiten sind die Bedingungen und Möglichkeiten sowie die Herausforderungen für eine Organisationsentwicklung zu sehen, die als »geplanter, systematischer Prozess, mit dem eine bestehende Organisation als soziales System verbessert werden soll« (Pellert 2006: 37), zu verstehen ist.9 Gerade weil Organisationsentwicklung an Hochschulen wesentlich darauf angewiesen ist, Veränderungen in einem sozialen Handlungssystem zu bewirken, steht und fällt der Erfolg dieses Bemühens mit der Akzeptanz und konsequenten Beteiligung von Akteurinnen und Akteuren an diesen Prozessen. In einem vielbeachteten Aufsatz kommen bereits Cohen/March/Olsen (1972) nach einer umfassenden Analyse von hochschulischen Entscheidungsprozessen und der Rekonstruktion eines Entscheidungsmodells der ›organisierten Anarchie‹ jedoch zu dem ernüchternden Fazit, dass Hoch-

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Siehe hierzu Pellert/Welan 1995: 82–89. Neben der hohen individuellen Autonomie der Organisationsmitglieder, der Dominanz der Disziplinen und der spezialisierten Fragmentierung, worauf die professionelle Selbstkontrolle beruht, sieht Pellert ergänzend die »ungeliebte Verwaltung« seitens der Professionals als einen entscheidenden Faktor: Verwaltungskräfte seien »eigentlich die Einzigen mit einem wirklichen Fachinteresse an der Weiterentwicklung der Organisation«, und sie zieht daraus den Schluss, dass im Zuge einer institutionellen Autonomie von Hochschulen »eine Verstärkung der Ressourcen für Management und Leitung sowie eine Professionalisierung der Verwaltung erforderlich« sei (Pellert 2006: 37).

1. Dem Frieden verpflichtet

schulen kaum in der Lage sind, zentrale und strukturierte Entscheidungen herbeizuführen.10 Unter diesen Voraussetzungen ist es mit den üblichen organisationstheoretischen Beschreibungs- und Erklärungsansätzen in Bezug auf Bildungseinrichtungen zunächst nicht erwartbar, dass eine Hochschule die Einführung und hochschulweite Implementierung einer verbindlichen Friedens- oder Zivilklausel, die mehr als nur ein ›Papiertiger‹ ist, in die Wege leiten kann.

1.2 Zum Beispiel Darmstadt Es gibt jedoch zumindest ein konkretes Beispiel, an dem gezeigt werden kann, wie ein solcher Prozess aussehen kann und aufgrund welcher Voraussetzungen die entscheidenden Maßnahmen für die erfolgreiche Implementierung einer Friedens- oder Zivilklausel ergriffen werden können: Im Jahr 2013 wurde nach einem längeren Vorbereitungsprozess in hochschulischen Gremien an der Technischen Universität Darmstadt (TUD) durch die Universitätsversammlung die »bisher in Deutschland verbindlichste Zivilklausel« (Schulze von Glaßer 2014) verabschiedet. Das Besondere an dieser Zivilklausel ist, dass mit der Beschlussfassung für die Einführung in der Präambel der Grundordnung zugleich ein Umsetzungsverfahren eingeleitet wurde, bei dem einer Ethikkommission (EK) die Überprüfung der Konformität von Forschungsvorhaben mit der Klausel in einem institutionalisierten Verfahren obliegt. Während an anderen Hochschulen die vornehmlich von studentischen Interessenvertretungen in den Diskurs eingebrachten Initiativen zur Einführung von Friedens- und Zivilklauseln entweder bereits in den

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Cohen/March/Olsen (1972: 11): »University decision making frequently does not resolve problems. Choices are often made by flight or oversight. University decision processes are sensitive to increases in load. Active decision makers and problems track one another through a series of choices without appreciable progress in solving problems. Important choices are not likely to solve problems.«

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ersten Abstimmungsverfahren scheitern oder mit der Aufnahme von entsprechenden Formulierungen in einer Präambel oder einem Leitbild schon wieder beendet sind, wurde an der TUD ein ganzheitlicher Prozess durchgeführt. Das Beispiel Darmstadt ist somit von herausragendem Interesse, weil sich an der Einführung einer Zivilklausel, die als eine Selbstverpflichtung der Institution Hochschule einen gravierenden Einfluss haben kann, sofern der damit verbundene normative Anspruch ernst genommen wird, exemplarisch zeigen lässt, wie ein Entwicklungsprozess auch in dieser spezifischen Organisationsform konsequent gestaltet werden kann. Ausgehend von einem Impuls, der aus der Universität heraus entstand, wurde die Zivilklausel an der TUD zunächst über hochschulweite Anhörungen und in einem Gremium mit Beteiligung aller Statusgruppen erarbeitet. Im Anschluss an die offizielle Einführung wurde in einem Umsetzungsverfahren die Implementierung der Zivilklausel in die universitären Strukturen vorbereitet und mit einer geänderten Satzung für die EK zum Abschluss gebracht. Der gesamte Prozess verlief über die Jahre 2010 bis 2015 und bestand aus mehreren Phasen, deren Abfolge und interne Verknüpfung aufschlussreich ist, weil sich damit die Einführung einer Zivilklausel als ein integrales Moment organisationaler Entwicklung verständlich machen und hinsichtlich der Erfolgsbedingungen bewerten lässt.

1.3 Kontextualisierung und Rekonstruktion Der besondere Fall der Einführung einer Zivilklausel an der TUD kann allerdings nicht losgelöst von den gesellschaftspolitischen und historischen Kontexten betrachtet werden, in denen sich die Forderung nach Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen in den vergangenen Jahrzehnten geltend gemacht hat. In Kapitel 2 wird deshalb zunächst in einem Überblick die Entstehung der Initiativen und Bewegungen für die Einführung von Friedens- und Zivilklauseln dargestellt (2.1), um daran anschließend zentrale begriffliche Unterscheidungen vornehmen (2.2) und die normativen Aspekte von Friedens- und Zivilklauseln

1. Dem Frieden verpflichtet

(2.3) erörtern zu können. Ausgehend davon wird die Darmstädter Klausel vor dem Hintergrund ihrer eigenen institutionellen Vorgeschichte vorgestellt und mit Blick auf ihre spezifische Form systematisch eingeordnet (2.4). Die Forschungsliteratur zu Friedens- und Zivilklauseln ist überschaubar: In den vergangenen Jahren hat sich mit Ausnahme eines thematischen Sammelbandes (Nielebock et al. 2012) lediglich ein auffälliger Schwerpunkt mit rechtswissenschaftlichen Abhandlungen zu verfassungsrechtlichen Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Friedens- und Zivilklauseln mit der grundgesetzlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre herausgebildet. Diese juristischen und wissenschaftspolitischen Analysen (2.5), die zum Teil auf Gutachten für studentische Initiativen oder Hochschulleitungen zurückgehen, sind in den (hochschul-)öffentlichen Diskussionen um das Für und Wider von Friedens- und Zivilklauseln zwar wiederholt aufgegriffen worden, spielen aber, wie etwa der ›Fall Darmstadt‹ zeigt, in der konkreten Praxis der Einführung und Implementierung nicht unbedingt die prominente oder gar entscheidende Rolle, die ihnen Befürworter wie Gegner offenbar zurechnen wollen. Aufgrund der beschränkten Forschungslage gibt es bislang auch keine Untersuchungen, die mit Blick auf die Organisation Hochschule den Prozess sozialer Interaktionen nachzeichnen, die mit der Einführung und Implementierung von Friedens- und Zivilklauseln einhergehen. Die Darstellung und damit zugleich die Rekonstruktion dieses Prozesses in Kapitel 3 bildet deshalb den Kern der vorliegenden Studie.11 Die Verbindung von Darstellung und Rekonstruktion ermöglicht es, einen durchaus ungewöhnlichen Organisationsentwicklungsprozess in seiner ›individuellen‹ Besonderheit sichtbar und nachvollziehbar zu machen und

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Die Darstellung einer bestimmten sozialen Wirklichkeit ist als Darstellung einer sozial konstruierten Wirklichkeit zugleich eine Re-Konstruktion dieser Wirklichkeit im Modus der Darstellung (dazu ausführlich Berger/Luckmann 2021 [1980]). Siehe zum Verfahren der rekonstruktiven Organisationsforschung u.a. Bohnsack (2021) und Vogd (2009).

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ihn im Zuge dessen auch erschließend verstehen und (zumindest vorläufig) bewerten zu können. Für ein möglichst genaues Verständnis des Zivilklausel-Einführungsprozesses an der TUD kam ein zweistufiges Rekonstruktionsverfahren zur Anwendung: Das erste Verfahren stützte sich auf eine umfassende Dokumentenanalyse, in der hochschulinterne und -externe Materialien, die den Prozessverlauf beschreiben und dokumentieren, ausgewertet wurden. Aus organisationalen und datenschutzrechtlichen Gründen konnten in der Dokumentenanalyse nur öffentlich zugängliche Materialien berücksichtigt werden. Im Ergebnis dieser Analyse ließ sich jedoch ein schematischer Prozessverlauf rekonstruieren, der die Grundlage für das zweite Verfahren bildete. Hierfür wurden exemplarisch fünf Personen befragt, die in unterschiedlichen Rollen als Akteurinnen und Akteure am Prozess beteiligt waren bzw. sich intensiv mit der Darmstädter Zivilklausel beschäftigt haben: •







Interviewpartnerin I (IP I) war als Professorin, Vizepräsidentin und Mitglied der Ethikkommission an entscheidender Stelle mit der Einführung der Zivilklausel befasst. Interviewpartner II (IP II) und Interviewpartnerin III (IP III) aus der Statusgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Technik, Service und Verwaltung waren an der Gremienarbeit im Rahmen der Einführung und Umsetzung der Zivilklausel beteiligt. Interviewpartnerin IV (IP IV) war als Referentin im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) Mitglied der Universitätsversammlung und des Senats der TUD. Interviewpartnerin V (IP V) war als Studierende an der TUD hochschulpolitisch engagiert und hat einen wissenschaftlichen Beitrag zu Zivilklauseln im Allgemeinen und zur Darmstädter Zivilklausel im Besonderen verfasst.

Da die ausgewählten Interviewpartnerinnen und -partner aufgrund ihrer Beteiligung am Prozess über ein spezifisches Kontext- und Deutungswissen verfügen und die organisationalen Abläufe aus einer exklusiven Binnensicht beschreiben und bewerten können, erfolgte

1. Dem Frieden verpflichtet

die Befragung in Form von halbstandardisierten, leitfadengestützten Experteninterviews.12 Der Interviewleitfaden orientierte sich an dem im Rahmen der Dokumentenanalyse rekonstruierten Prozessverlauf und versammelte, differenziert in drei Clustern, Fragen nach dem organisationalen Prozess der Einführung und Umsetzung, nach dem Inhalt und der Intention der Zivilklausel an der TUD sowie der juristischen Bewertung und abschließend zur Einschätzung der Perspektive für Zivilklauseln an deutschen Hochschulen mit Blick auf die eigenen Erfahrungen im vorliegenden Fall. Die forschungsleitenden Fragen in den Interviews lauteten: Welche Voraussetzungen waren aus der Sicht der beteiligten Akteurinnen und Akteure entscheidend für die Einführung und Umsetzung der Zivilklausel? Wie verstehen die befragten Akteurinnen und Akteure aus organisationsinterner Sicht den Inhalt und die Intention der Zivilklausel? Welcher Wandel bzw. welche Veränderung wurde und wird aus ihrer Sicht mit dem Prozess der Umsetzung der Zivilklausel angestrebt?13 Die gesamte Untersuchung verortet sich vor dem Hintergrund dieses rekonstruktiven Vorgehens auf einem mittleren Abstraktionsniveau zwischen stark verallgemeinernder Theorieförmigkeit und konkretistischen Anleitungen für eine organisationale Praxis. Der Grund hierfür liegt in der Besonderheit des Untersuchungsgegenstandes: Die Einführung einer Zivilklausel an der TUD ist beispiellos, denn nach bisherigem Kenntnisstand hat bisher keine andere Hochschule in Deutschland ein derart umfassend institutionalisiertes Verfahren eingeführt. Der ›Fall Darmstadt‹ ist somit kein Fall von der Art, der sich als ein Besonderes sogleich unter ein Allgemeines subsumieren oder direkt mit anderen Fällen seiner Art vergleichen ließe. Es wäre sogar problematisch, diesen besonderen Fall in organisationstheoretischer Perspektive vorschnell

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Siehe hierzu u.a. Bogner/Littig-Menz (2009) und Gläser/Laudel (2010). Da die Befragten nach Möglichkeit ihr subjektives Wissen, persönliche Erfahrungen und Einschätzungen sowie eine gewisse narrative Vergegenwärtigung des Prozessverlaufs artikulieren sollten, waren die immanenten und exmanenten Fragen teilweise so formuliert, dass in den Interviews die offenere Form des episodischen Interviews stärker zur Geltung kam.

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als einen vermeintlich bereits bestimmten ›Fall von‹ zu betrachten, denn die ›Art‹ des theoretischen Zugriffs, die diesem Fall angemessen sein kann, muss erst noch gefunden werden. Ebenso problematisch wäre indes die umgekehrte Vorgehensweise, nämlich die Besonderheit des vorliegenden Falles überhöhen und diesen als eine Art ›organisationales Wunder‹ ansehen zu wollen. Stattdessen wird es im Folgenden darum gehen, in einem hermeneutisch-explorativen Vorgehen den Sinngehalt des vorliegenden Prozesses zu erfassen, um daran anschließend die Möglichkeiten plausibler theoretischer Erklärungen für diese spezifische Form einer Organisationsentwicklung ausloten zu können. Die verfügbaren Dokumente zum Prozess stellen diesen bereits als einen sinnhaften Prozess der Einführung einer Zivilklausel dar und markieren, diesem impliziten Sinn entsprechend, bestimmte Dinge als dazugehörig, während andere Dinge als nicht zugehörig ausgeschlossen sind. In analoger Weise (re-)konstruieren die Interviewpartnerinnen und -partner aus eigener Sicht den Gang der Ereignisse, wobei sie einzelne Aspekte nach ihrer Bedeutung gewichten, teils variierende Erklärungen und Deutungen anbieten und bei allem versuchen, einen sinnvollen Zusammenhang herzustellen. Außerdem bewerten sie den Prozess – implizit über die narrative Strukturierung und explizit über wertende Aussagen – im Rückblick und damit zugleich aus ihrer gegenwärtigen Perspektive als Akteurinnen und Akteure. In dieser Konfrontation einer ›Wirklichkeit der Dokumente‹ mit der ›Wirklichkeit der Akteurinnen und Akteure‹ ist der kommunikative Anschluss zu suchen, der den besonderen Fall der Darmstädter Zivilklausel nicht nur explizieren, sondern darüber hinaus in kritischer Distanz und wechselseitiger Relationierung auch beurteilen kann.

2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

2.1 Die Entstehung von Friedens- und Zivilklauseln in Deutschland Ausgehend von Initiativen aus dem Umfeld der Friedensbewegung haben sich in den vergangenen vier Jahrzehnten zahlreiche Hochschulen sogenannte Friedens- oder Zivilklauseln1 gegeben. Die ideellen und gesellschaftspolitischen Einflüsse aus der Friedensbewegung gehen zurück auf die Erfahrungen mit den verheerenden Wirkungen der atomaren Kriegführung in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges, die in einem deutlichen Kontrast zu den Verheißungen einer friedlichen Nutzung der Kernenergie standen. Ein wesentlicher Impuls war dabei die Diskussion um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland und die Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955, zumal im Rahmen der sogenannten Umrüstung, die eine Ausstattung der u.a. in Deutschland stationierten US-Truppen mit taktischen Atomwaffen vorsah, Befürchtungen bestärkt wurden, auch die Bundeswehr könne als strategische Option im beginnenden Ost-West-Konflikt (Kalter Krieg) mit einer atomaren Bewaffnung versehen werden. Prägend ist in diesem Zusammenhang der 1957 vorgetragene Protest von 18 renommierten Wissenschaftlern geworden, die in Anspielung auf die »Göttinger Sieben«, welche im Vormärz gegen die Suspendierung einer 1

Eine aktuelle Übersicht unter: http://zivilklausel.de/index.php/bestehende-zivilklauseln.

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liberalen Verfassung protestierten, als »Göttinger Achtzehn« bezeichnet werden. Die Veröffentlichung der »Göttinger Erklärung«, mit der auf die völlig neuartige Zerstörungskraft von atomaren Waffen und die Notwendigkeit einer ausschließlich friedlichen Nutzung der Kernenergie hingewiesen wurde, setzte eine öffentliche Diskussion in Gang, in deren Folge die Bundesregierung unter Kanzler Adenauer letztlich auf Atomwaffen verzichtete.2 Dieser erste Fall einer politisch wirksamen Stellungnahme von Seiten der Wissenschaft unter Berufung auf die Verantwortung für die möglichen Folgen wissenschaftlicher Tätigkeit führte u.a. 1959 zur Gründung der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW), die seitdem für Verantwortung und Nachhaltigkeit in der Wissenschaft eintritt.3 In den darauffolgenden Jahrzehnten lassen sich zwei ›Wellen‹ der Einführung von Friedens- und Zivilklauseln ausmachen: Im Zuge eines progressiven atomaren Wettrüstens im fortgesetzten Ost-West-Konflikt wurde 1979 im NATO-Doppelbeschluss neben einer zwischen den Atom-Supermächten bilateral zu vereinbarenden Rüstungskontrolle zudem als Teil einer atomaren Abschreckungsstrategie die Stationierung von mit atomaren Sprengköpfen bestückten Kurz- und Mittelstreckenraketen sowie Marschflugkörpern in Westeuropa vereinbart. Daraufhin wurden in Verbindung mit zahlreichen Protesten und gesellschaftsweiten Diskussionen, die insbesondere auch im hochschulischen Kontext

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Ein wichtiger Passus aus der Göttinger Erklärung lautet: »Wir wissen, wie schwer es ist, aus diesen Tatsachen [den unbeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten der lebensausrottenden Wirkung strategischer Atomwaffen; F.B.] die politischen Konsequenzen zu ziehen. Uns als Nichtpolitikern wird man die Berechtigung dazu abstreiten wollen; unsere Tätigkeit, die der reinen Wissenschaft und ihrer Anwendung gilt und bei der wir viele junge Menschen unserem Gebiet zuführen, belädt uns aber mit einer Verantwortung für die möglichen Folgen dieser Tätigkeit. Deshalb können wir nicht zu allen politischen Fragen schweigen.« (zit. n. Meisch/Nielebock/Harms 2012: 18) Meisch/Nielebock/Harms (2012: 10f.); ausführlicher zur Geschichte der Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland: Koppe (2010: 32–42).

2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

stattfanden, im Verlauf der 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre die ersten Friedens- und Zivilklauseln an Hochschulen verabschiedet.4 Im Zusammenhang mit der Fusion der Technischen Hochschule Karlsruhe mit dem Kernforschungszentrum (FZK) Karlsruhe zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kam es ab 2009 zu einer intensiven »Wiederbelebung der Zivilklausel-Bewegung« (Braun 2015) an deutschen Hochschulen.5 Anlass zu kritischem hochschulpolitischen Engagement in Bezug auf das Selbstverständnis der Hochschulen und deren gesellschaftliche Verantwortung gaben darüber hinaus die Hochschulreformen im sogenannten Bologna-Prozess ab 1998 und die damit verbundenen Proteste gegen eine vorrangig an ökonomischen

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Braun/Wirl (2018) nennen für die Jahre 1982 bis 1985 »Zivilklausel-Paragraphen in den Satzungen bzw. Grundordnungen an ca. 10 Universitäten« (175), allerdings ohne Belege. Als erste ›richtige‹ Zivilklausel gilt in der Literatur ein Senatsbeschluss von 1986 an der Universität Bremen, der durch zwei weitere Senatsbeschlüsse 1991 erweitert und 2012 (nach einem Streit um eine Stiftungsprofessur, siehe Herzmann 2011: 375f.) bestätigt wurde. Böhme (2004: 18) erwähnt zudem einen Senatsbeschluss 1983/84 an der Fachhochschule Hamburg, der starke Ähnlichkeiten mit der Bremer Klausel aufwies, jedoch vom Wissenschaftssenator aufgehoben und nicht rechtskräftig wurde. 1991 verabschiedeten drei Hochschulen – die TU Berlin, die TU Dortmund und die Universität Konstanz – Zivilklauseln durch Senatsbeschlüsse (vgl. Burmester 2012: 82f., 87–90). Durch den Alliierten-Status West-Berlins war jedoch bereits seit 1945 an der TU Berlin (vormals TH Charlottenburg) rüstungsrelevante Forschung untersagt gewesen, der Senatsbeschluss vom 18. Juni 1991 stellte ausdrücklich eine bestätigende Fortführung der 1990 mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag aufgehobenen Bestimmungen dar (vgl. Neef 2012). Am FZK gab es bereits seit der Gründung 1956 eine Friedensklausel, und es wurde die Frage diskutiert, ob es zulässig sei, diese Klausel auch auf den Universitätsteil und damit auf das gesamte KIT anzuwenden. Trotz eines Rechtsgutachtens, welches die Zulässigkeit der Klausel im Errichtungsgesetz für das KIT begründete (Denninger 2009), gilt diese nur für den Bereich des ehemaligen FZK (Braun/Wirl 2018: 168). Überaus kritisch zur neuen Zivilklausel-Bewegung Horn (2012: 808), der hier die »alte Friedensbewegung […] vereint im antimilitaristischen Reflex gegen eine Wiederkunft von ›Kriegs- oder Rüstungsforschung‹ an deutschen Hochschulen« und die »juristische Vergatterung [der Wissenschaft] unter ein Friedenswächteramt« sieht.

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Gesichtspunkten ausgerichtete Hochschulplanung, eine dadurch verstärkte Abhängigkeit der Forschung von Drittmittelfinanzierung sowie eine Gefährdung demokratischer Partizipationsmöglichkeiten u.a. aufgrund der Einführung von Hochschulräten.6 In den Jahren 2010 bis 2015 und insbesondere im Jahr 2015 wurden bundesweit viele Friedens- und Zivilklauseln eingeführt, seitdem geschah dies nurmehr vereinzelt,7 mit Ausnahme von mehreren Hochschulen in Thüringen im Jahr 2019. Diese signifikanten Häufungen sind auch auf die Verankerung von Friedensund Zivilklauseln in einigen Landeshochschulgesetzen zurückzuführen: Das am 16. September 2014 verabschiedete Hochschulzukunftsgesetz Nordrhein-Westfalen (HZG NRW) sah als Aufgabe für die Hochschulen des Landes vor, »ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt« zu entwickeln, was mit Verweis auf die hochschuleigene Grundordnung das Verfassen einer entsprechenden Selbstverpflichtung implizierte.8 Mit der Nivellierung des Hochschulgesetzes (HG NRW) in der Fassung vom 12. Juli 2019 wurde dieser Passus und damit das »Zivilklauselgebot« gestrichen.9 Das Thüringer Hoch-

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Vgl. Bertram (2021: 4) sowie die kontinuierlichen Beiträge zum Thema in der Zeitschrift »Wissenschaft und Frieden« unter: https://wissenschaft-und-frieden.de. Die aktuell letzten Klauseln wurden am 24. Juni 2020 an der Technischen Hochschule Köln (Friedensklausel) und am 9. September 2021 an der Hochschule Niederrhein (Zivilklausel) beschlossen. Nach Angaben der Seite https://www .zivilklausel.de sind derzeit bundesweit 76 Friedens- und Zivilklauseln in Kraft, allerdings kursieren in der Literatur unterschiedliche Angaben, so nennt etwa Bertram (2021: 5) »mehr als 60 Hochschulen«, was »14 % der insgesamt 426 Hochschulen der BRD« entspreche. HZG NRW § 3 Abs. 6: »Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach. Das Nähere zur Umsetzung dieses Auftrags regelt die Grundordnung.« Siehe zur juristischen Bewertung dieses Abschnitts Müller-Terpitz/Beyerbach 2014. In einer Pressemitteilung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft zum nivellierten HG NRW wird folgende Begründung gegeben: »Das Zivilklauselgebot, das heißt die hochschulgesetzliche Verpflichtung der Hoch-

2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

schulgesetz (ThürHG) schreibt in der aktuell geltenden Fassung vom 10. Mai 2018 ausdrücklich die Verabschiedung von Zivilklauseln an allen Hochschulen vor.10 Nach Angaben der Initiative »Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel« finden im Zuge der gegenwärtigen ›Zivilklausel-Bewegung‹ immer noch regelmäßige bundesweite Treffen und Veranstaltungen statt, bei denen sich die lokalen Initiativen an den Hochschulen vernetzen, die zumeist von studentischem Engagement in hochschulpolitischen Gruppen und Gremien getragen werden. Allerdings sind, wie der Blick auf die Websites und Social-Media-Kanäle zeigt, nicht mehr alle aufgeführten Initiativen und Arbeitskreise aktiv, entweder weil eine Klausel erfolgreich eingeführt wurde (z.B. an der TUD) oder weil eine entsprechende Aktion nicht erfolgreich gewesen ist (z.B. an der Universität Augsburg).11

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schulen zur Einführung von Zivilklauseln in ihren Grundordnungen, fällt weg. Eine generelle Abschaffung der Zivilklausel ist damit nicht verbunden: Vielmehr ist es künftig die souveräne Entscheidung der Hochschulen, ob sie eine Zivilklausel in ihrer Grundordnung verankern möchten. Ein eigenverantworteter Diskurs in den Hochschulen ist aus Sicht der Landesregierung sachgerechter als ein gesetzlicher Zwang. Eine Pflicht zur Streichung der bestehenden Zivilklauseln aus den Grundordnungen besteht nicht.« (https://www.mkw.nrw/sites/default/files/documents/2019-07/pr essemeldung_11.07.2019_landtag_beschliesst_neues_hochschulgesetz.pdf) ThürHG § 5 Abs. 3: »Die Hochschulen geben sich selbstbestimmt eine Zivilklausel, die sich an moralisch-ethischen Standards ausrichtet. Hierfür setzen sie sich im Bewusstsein ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft mit den möglichen Folgen einer Verbreitung und Nutzung ihrer Forschungsergebnisse, insbesondere einer das friedliche Zusammenleben der Menschen gefährdenden Verwendung, auseinander; die Ergebnisse sind zu veröffentlichen.« Siehe die Übersicht unter: http://zivilklausel.de/index.php/initiativen-vor-ort.

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2.2 Begriffliche Unterscheidungen Mit Blick auf die Literatur zu Friedens- und Zivilklauseln ist eine weitgehend undifferenzierte und uneinheitliche Begrifflichkeit auffällig. In den meisten Publikationen und Beiträgen zum Thema wird der Ausdruck »Zivilklausel« verwendet, um zusammenfassend alle Selbstverpflichtungen von Hochschulen zu bezeichnen, in denen das ausschließliche Verfolgen ziviler Zwecke und friedlicher Ziele12 vorgesehen ist.13 In Verbindung mit den Initiativen der Zivilklausel-Bewegung ist diese Verwendungsweise vor allem im politischen Kontext zu sehen: Dort dient »Zivilklausel« als prägendes Schlagwort in einem bildungsund hochschulpolitischen Diskurs, um Kritik an der von diesen Initiativen wahrgenommenen Gefahr einer zunehmenden Militarisierung an Hochschulen und einer damit verbundenen Ökonomisierung von Forschung zu artikulieren.14 Deutlich seltener ist darüber hinaus von 12

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Die Begriffe Zweck und Ziel können zwar grundsätzlich synonym verwendet werden, allerdings lassen sich Unterschiede markieren, etwa wenn Zwecke als Bestandteil einer bestimmten Zweck-Mittel-Relation in Erscheinung treten und Ziele als übergeordnete ›Endzwecke‹ verstanden werden. In den verschiedenen Formulierungen der Friedens- und Zivilklauseln finden sich – wiederum nicht einheitlich – friedliche, zivile und militärische Zwecke, während es fast durchweg nur friedliche Ziele gibt. Böhrnsen (2014): »Eine Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung einer Hochschule, mit der sie sich zu friedlicher und ziviler Forschung verpflichtet.« (74) Braun/Wirl (2018): »Die Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung von Hochschulen, ausschließlich für zivile und friedliche Zwecke zu forschen und zu lehren« (167). Nach Holzner/Firges (2015) ist die »Forderung nach der Zivilklausel, der freiwilligen Selbstverpflichtung zu ausschließlich ziviler Forschung und Lehre« (97), bereits Ausdruck eines friedenspolitischen Engagements. Siehe dazu u.a. die Selbstdarstellung der bundesweiten »Initiative Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel« unter: https://www.zivilklausel.de. Bertram (2021: 2) konstatiert, stellvertretend für das Gros der Zivilklausel-Bewegung, eine »fortschreitende Militarisierung des Wissenschaftsbetriebs« und eine Abhängigkeit der Hochschulen von »privaten und staatlichen Drittmitteln«. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft mangelnde Transparenz in der Verwendung von Forschungsgeldern und Regelungen zur Geheimhaltung, woraus Forderungen nach einer »Transparenzklausel« ergänzend zur Zivilklausel hervor-

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»Friedensklausel« die Rede, wobei die Bezeichnungen »Zivilklausel« und »Friedensklausel« zumeist synonym verwendet werden.15 Denninger weist jedoch auf den Unterschied zwischen den »sehr allgemein gehaltenen Friedensklauseln« und den Zivilklauseln hin, da diese »den Verzicht auf militärischen Zwecken dienende Forschung […] prägnant zum Ausdruck« bringen (2012a: 206f.), während eine Beschränkung auf bloß friedliche Ziele die Forschung für militärische Zwecke, etwa für den Einsatz von Streitkräften zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens gemäß der UN-Charta, nicht sicher ausschließe (2012b: 64f.).16 Angesichts dieser begrifflichen Unschärfe schlägt Burmester (2012: 80–86) im Sinne einer Strukturierung und Versachlichung der Debatte folgende Kriterien vor, um Friedens- und Zivilklauseln hinsichtlich ihres normativen Anspruchs differenzieren und damit präziser definieren zu können:

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gehen (siehe Bertram 2021: 5–7; Holzner/Firges 2015: 99–102 sowie die Beiträge in Blach/Blocker 2012). Mannewitz (2015) sieht Zivilklauseln als Ausdruck einer gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft sowie »als Leuchttürme und als Vorbilder dafür, was Hochschulen eigentlich sein sollen«. In ähnlicher Diktion: Braun (2015), Braun/Wirl (2018: 187, 190). Exemplarisch Köpcke-Duttler (2019) zur »Diskussion über eine universitäre Friedens- bzw. Zivilklausel« (81) und Hillgruber (2021) zur »Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen […], ausschließlich für zivile, friedliche Ziele zu forschen« (219f.). Zu beachten ist, dass »Forschung für militärische Zwecke« sich seit Jahrzehnten nicht mehr nur auf konventionelle oder atomare Waffensysteme und Rüstungstechnik bezieht, sondern zu weiten Teilen in die Ambivalenz der forschungsbezogenen Entwicklung von Technologien im Dual-Use-Bereich übergegangen ist. Eine zunehmende Militär- und Rüstungsbezogenheit vor allem im zivilen Bereich der Forschung und Entwicklung an Hochschulen mit Dual-UseOption konstatiert Altmann (2012, 2017a, 2017b). Bereits Bernhardt/Ruhmann (1991) halten fest: »In unserer sich entwicklenden [sic!] Informationsgesellschaft hat das Instrument Computer die technologischen Schlüsselpositionen besetzt. Der Militarisierungsgrad dieses Instrumentes bestimmt den Militarisierungsgrad unserer gesamten Gesellschaft und ihrer logistischen Infrastruktur.« (2) Siehe zur Entwicklung von Dual-Use insgesamt außerdem Liebert/ Rilling/Scheffran (1994) und Liebert (1994).

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(1) Der Verpflichtungscharakter von Friedens- und Zivilklauseln muss in einem rechtskräftigen Dokument, etwa der Grundordnung oder einem Senatsbeschluss, verbindlich festgeschrieben sein. (2) In der Formulierung der Klausel sollte ein Bezug zum Zweck der Forschung17 hergestellt sein. (3) Es bedarf zudem einer expliziten Begrifflichkeit im Wortlaut der Klauseln (Nominaldefinition), die folglich die Ausdrücke »zivil« oder »friedlich« enthalten müssen, um sie als Zivil- oder Friedensklausel bezeichnen zu können.18 Dieser Anspruch wird auch mit sinngemäßen Entsprechungen erfüllt, z.B. mit der ausdrücklichen Ablehnung militärischer Nutzung bzw. Rüstungsforschung und der Förderung eines friedlichen Zusammenlebens als Zweck von Forschung, Studium und Lehre.

Die begriffliche Extension von »friedlich« beinhaltet die Möglichkeit, friedliche Ziele gegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen, und ist damit weiter gefasst als die Bedeutung von »zivil«, das aufgrund des beschränkenden Gegenbegriffs stets »nicht-militärisch« meint. Aufgrund der Ambiguität des Friedensbegriffs19 gehen Friedens17

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Burmester (2012) meint, »dass die Arbeit an einer Universität immer Forschung, Studium und Lehre umfasst« (81), sieht dieses Kriterium aber bereits mit dem Bezug auf mindestens einen dieser drei Bestandteile als erfüllt an. Für die weitere Diskussion zur normativen Reichweite von Friedens- und Zivilklauseln ist die Frage nach der Extension und Anwendbarkeit auf bestimmte universitäre Arbeitsbereiche jedoch von entscheidender Bedeutung. Der 2010 in der Präambel der Grundordnung der Universität Tübingen ergänzte Passus: »Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen« ist somit, wie auch Burmester (2012: 83) festhält, expressis verbis eine Friedensklausel, obwohl fast alle Autorinnen und Autoren des Sammelbandes Nielebock et al. (2012), der auf die Ringvorlesung »Zum Frieden verpflichtet: Chancen und Herausforderungen der Tübinger Zivilklausel« zurückgeht, weitgehend undifferenziert den Ausdruck »Zivilklausel« verwenden. So auch Meisch (2012), der seine Erörterung jedoch immerhin auf den Frieden, »der als Wert im Zentrum der Zivilklausel steht« (36), konzentriert. Bonacker/Imbusch (2010) konstatieren: »Wer dem Gehalt des Friedensbegriffes nachgeht, der muss klären, ob Frieden eine Utopie ist, ob Frieden mehr ist

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klauseln zudem mit der Herausforderung einher, dass der Anspruch und die konzeptionelle Reichweite der mit ihnen artikulierten Verbindlichkeit – so diese denn tatsächlich ernst genommen wird – umfassender bestimmt und in Anwendungskontexten näher konkretisiert werden müssen. Burmester (2012: 84f.) weist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit hin, den Anspruch auf die Verwirklichung friedlicher Ziele mit der Verhinderung von Aktivitäten zu militärischen Zwecken in einer »zivile[n] Friedensklausel« zu verbinden.20 Zur Präzisierung des Verbindlichkeitsbereichs von Friedens- und Zivilklauseln gehört nach Burmester (2012: 85f.) auch eine Verständigung darüber, ob diese ein Verbot oder außerdem ein Gebot darstellen. Der Verbotscharakter von Friedens- und Zivilklauseln komme in der Vorschrift zum Ausdruck, dass in Forschung, Studium und Lehre nichts unternommen werden darf, was den friedlichen Zielen einer Institution widerspricht oder militärischen Zwecken dient. Ein darüber hinausgehender Gebotscharakter von Friedens- und Zivilklauseln benenne hingegen das Ziel einer aktiven ›Verfriedlichung‹ bzw. ›Zivilisierung‹: Eine Hochschule sei dementsprechend dazu angehalten, konkrete Maßnahmen in der Gestaltung von Forschung, Studium und Lehre zu ergreifen, um friedliche Ziele und zivile Zwecke aktiv zu befördern.21

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als die Abwesenheit von direkter Gewalt und ob Frieden teil- oder unteilbar ist.« (130) Zentral ist die Unterscheidung zwischen einem positiven und einem negativen Friedensbegriff: Der weite Friedensbegriff des positiven Friedens versteht diesen als »Überwindung der Ursachen für Gewalt und bringt ihn damit in einen engen Zusammenhang mit der Verwirklichung von Gerechtigkeit«; der engere Friedensbegriff des negativen Friedens favorisiert hingegen ein Friedensverständnis, »das Frieden zunächst nur als gewaltfreie Konfliktaustragung bzw. als Transformation von gewaltsam in gewaltfrei ausgetragene Konflikte begreift« (131f.); siehe hierzu auch Werkner (2017). Die etwas präzisere ›Definition‹ einer solchen zivilen Friedensklausel bzw. ›Friedens-Zivilklausel‹ lautete entsprechend: Klausel, die das Erreichen friedlicher Ziele an die Ausrichtung von Forschung, Studium und Lehre auf ausschließlich zivile Zwecke bindet. Gemäß dieser Unterscheidung stellen Friedens- und Zivilklauseln mit implizitem oder explizitem Gebotscharakter eine Ausnahme dar. Burmester (2012: 86) nennt das prominente Beispiel der Universität Bremen, deren Akademischer

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Eine derartige Beschreibung von Verbot und Gebot ist allerdings noch unzureichend und bedarf einer weitergehenden Differenzierung, um die normative Dimension von Friedens- und Zivilklauseln genauer darstellen zu können.22

2.3 Die Form einer Norm Die mit Verboten und Geboten verbundenen Handlungsorientierungen lassen sich erläutern, indem das begriffliche und logische Verhältnis zwischen ihnen aufgezeigt wird. Grundsätzlich gilt: Ein Verbot bringt den Anspruch auf Unterlassung einer bestimmten Handlung zum Ausdruck. Ein Gebot fordert dagegen als positives Gebot das Ausführen einer bestimmten Handlung; ein negatives Gebot ist gleichbedeutend mit einem Verbot. Darüber hinaus können Gebote und Verbote einen Spielraum für Handlungen lassen, die erlaubt sind. Den Aufforderungen zu bestimmten Handlungsausführungen oder Handlungsunterlassungen liegt eine gemeinsame Struktur der Verbindlichkeit zugrunde, die in den Formulierungen von Friedensund Zivilklauseln aufscheint: Dort werden bestimmte Verpflichtungen angezeigt, die sich auf Normen beziehen.23 Eine Norm ist eine

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Senat am 26. Juni 1991 eine Verpflichtung auf zivile Forschung sowie die Unterstützung von Rüstungskonversionsprozessen beschlossen hatte, weshalb dort über mehrere Jahre ein Lehrstuhl für Rüstungskonversion bestand. Kritisch zu dieser kurzfristigen Schwerpunktsetzung Kreowski (2015). Weitere schematische Definitionsvorschläge liegen vor u.a. bei Bertram (2021), wo die Zivilklausel als eine »Verbotsklausel jegliche Forschung zu militärischen Zwecken untersagt« und die Friedensklausel als »Gebotsklausel […] die Forschung in den Dienst am Frieden stellt«, womit die »Idee einer negativen Reglementierungsklausel um eine positive Zukunftsklausel« (6) erweitert werde. Zudem vom Stura Halle (2013), wo »strikte« und »offene« Zivilklauseln nach wenig handlungsleitenden Kriterien unterschieden werden. Beide Vorschläge genügen ebenfalls nicht den Anforderungen an eine differenzierte normative Analyse, die im Folgenden zu explizieren ist. Siehe zur »Zivilklausel als Norm« in stark verkürzter Darstellung auch Meisch (2012: 35).

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»mehr oder weniger stark generalisierte Handlungsanweisung oder Vorschrift (Präskription)« (Ott 2011: 474) und begründet einen normativen bzw. deontischen Anspruch. In der Regel gehen in Friedens- und Zivilklauseln übergeordnete inhaltliche Normen ein, hier die Beförderung des Friedens und der Schutz vor militärischer Gewalt und Krieg in einer zivilen Gesellschaft, die sich mit Bezug auf allgemein geteilte Werte, hier u.a. Frieden, Freiheit, Sicherheit und gesellschaftliche Wohlfahrt, rechtfertigen lassen. Normen werden in Normsätzen ausgedrückt, die eine bestimmte Handlungsweise mit einer Normphrase (deontischer Operator) verbinden und eine der normativen Grundmodalitäten (verboten, geboten, erlaubt, ein Recht haben) bezeichnen, auf die zudem mit der expliziten Verwendung von Modalverben oder mit impliziten Entsprechungen verwiesen werden kann. Deontische Sätze sind allerdings in besonderer Weise mehrdeutig, da sie einerseits verwendet werden können, um die präskriptive Intention von Normen auszudrücken und konkrete Verhaltensweisen vorzuschreiben. Andererseits können Normsätze als Norm-Propositionen auch dazu verwendet werden, um deskriptiv festzustellen, dass bestimmte Normen bestehen, und genauer zu beschreiben, um welche Vorschriften es sich dabei handelt (vgl. Wright 1994: 30). Die in Friedensund Zivilklauseln formulierten und in rechtsgültigen Dokumenten verbindlich festgeschriebenen Normsätze sind somit in einem zweifachen Sinn als Ausdruck einer Normsetzung zu verstehen: Zum einen statuieren Normsätze die faktische Existenz der durch sie artikulierten Normen, die dann als Bestandteil einer Grundordnung oder eines Senatsbeschlusses als gesetzt gelten können. Zum anderen verweisen Normsätze auf eine Geltung beanspruchende Aufforderung, wonach etwas, das getan werden soll, auch tatsächlich getan wird. Aus der Tatsache, dass eine in Normsätzen ausgedrückte Norm existiert, folgt nicht, dass diese Norm gemäß ihrem Charakter als Aufforderung auch befolgt wird: Zwar haben sich zahlreiche Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen in der ein oder anderen Form eine Friedens- oder Zivilklausel gegeben, aber diese, jederzeit auf ihren Wahrheitsgehalt hin prüfbare Tatsache besagt nichts über die präskriptive Wirksamkeit derartiger Normformulierungen. Denn faktische Normsetzungen sind insofern

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kontingent, als prima facie für einen Normadressaten keine zwingende Notwendigkeit besteht, eine Norm bloß deshalb zu befolgen, weil diese als Norm faktisch gesetzt ist. Allerdings kann für Normen argumentiert und mit Begründungen gezeigt werden, dass es z.B. angemessen, klug, nützlich oder vernünftig ist, eine bestimmte Norm zu befolgen. Anhand dieses Verhältnisses kann gezeigt werden, weshalb das Sein und das Sollen von Normen zwar kategorial verschieden, aber dennoch auf eine dynamische Weise eng miteinander verbunden sind. Für eine Untersuchung zum Geltungsanspruch von Friedens- und Zivilklauseln ist dieser Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, denn ob und wie eine solche Klausel an einer Hochschule umgesetzt wird, hängt wesentlich davon ab, ob und wie der mit dieser Klausel verbundene normative Anspruch verstanden und als wirksame Handlungsaufforderung begriffen wird.24 Mit der Einführung von Friedens- und Zivilklauseln ist in der Regel die grundlegende Vorstellung verbunden, dass es möglich ist, einen gesellschaftlichen Zustand herbeizuführen, in dem Konflikte nicht mit militärischer Gewalt und in kriegerischer Absicht ausgetragen werden, sondern die zivile Nutzung aller verfügbaren Ressourcen der Ausgangspunkt für ein friedliches Zusammenleben ist. Ein solches Bild »einer möglichen Welt […], die deontisch vollkommen ist« (Wright 1994: 32), charakterisiert das Normative als »Beschreibung einer alternativen, ›idealen‹ Welt, die durch die Norminhalte eines gegebenen Normenkodex oder einer gegebenen Normenordnung konstituiert wird« (Wright 1994: 34), und bildet im konkreten Kontext der Hochschule als wichtigem Bereich der Gesellschaft den Horizont für die verbindliche Forderung, in Forschung, Studium und Lehre nur zivile Zwecke und friedliche Ziele zu verfolgen. Die Einführung einer Friedens- und Zivilklausel ist mithin

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Die hier erörterte normative Analyse geht wesentlich auf Bestimmungen in der Philosophie und Rechtswissenschaft zurück und kann als probates ›analytisches Werkzeug‹ dienen, um eine normative Praxis beschreiben und kritisch bewerten zu können. Damit wird nicht präsupponiert, Friedens- und Zivilklauseln müssten stets und in idealer Weise den genannten Anforderungen normativer Ansprüche genügen.

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eine Normsetzungshandlung, mit der – implizit oder explizit – die ideale Vorstellung eines anzustrebenden Zustandes verknüpft ist. Dieser anzustrebende Zustand ist als Inhalt einer Norm ebenso beschreibbar wie der Inhalt von Wirklichkeit (Tatsachen in der Realität) und deshalb auch mit diesem vergleichbar. Die Verbindung zwischen dem Idealzustand einer konsequent zivilen und friedlichen Welt (Sollen) und dem im Vergleich dazu defizitären Realzustand (Sein) kann – wie von Wright vorgeschlagen – über ein »technisches Sollen« hergestellt werden: Ist eine Norm gegeben, kann man sich überlegen, was getan werden muß oder darf, um sie zu erfüllen. Und das Resultat solcher Überlegungen wird sein, daß die Norm nicht erfüllt wird, ohne daß das und das getan wird. (Wright 1994: 40) Um ein normatives Sollen – eine ausschließlich zivile Zwecke verfolgende und friedliche Ziele anstrebende Hochschule – erfüllen zu können, muss ein Sollen der praktischen Notwendigkeit als Mittel zum Zweck erfüllt werden, sofern bestimmte Handlungen für die Realisierung des normativen Sollens praktisch erforderlich sind (vgl. Wright 1994: 36). Das ›eigentliche‹ Sollen der Verwirklichung friedlicher Ziele mit zivilen Zwecken geht idealiter aus einem gesellschafts- und hochschulpolitischen Diskurs (mit der eminent politischen Frage: Wie wollen wir leben?) hervor; das ›technische‹ Sollen für den Zweck der Verwirklichung des ›eigentlichen‹ Sollens besinnt sich realiter auf die notwendigen Maßnahmen zur praktischen Umsetzung innerhalb einer Organisation.25 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, inwiefern eine schematische Unterscheidung zwischen einem Verbots- und einem Gebotscharakter

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Die normative Grundstruktur von Friedens- und Zivilklauseln wurde in der Literatur bislang kaum beachtet. Dieser Umstand ist bemerkenswert, zumal die Einführung solcher Klauseln sowohl die politische Verständigung über Normsetzungen als auch moralische und rechtliche Normbereiche betrifft, was eine differenziertere Betrachtung der normativen Dimension insbesondere mit Blick auf die für eine Umsetzung der Normen notwendigen Organisationsentwicklungsprozesse erforderlich macht.

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von Friedens- und Zivilklauseln ergänzungsbedürftig ist. Zwar unterscheiden sich die deontischen Operatoren in Bezug auf die normativen Modalitäten, allerdings stehen diese in einem normenlogischen Entsprechungsverhältnis zueinander, das bestimmte Umformulierungen zulässt: Wenn es geboten ist, etwas nicht zu tun, so ist es verboten, es zu tun. Und wenn es verboten ist, etwas zu tun, dann ist es geboten, es nicht zu tun. Dem Verbot, für militärische Zwecke und kriegerische Ziele zu forschen, entspricht somit das Gebot, von derartiger Forschung abzusehen. Daraus folgt nach einem an begrifflichen Unterscheidungen orientierten Ausschlussprinzip, dass bloß noch eine Forschung für zivile Zwecke und friedliche Ziele verbleibt, sofern nicht gänzlich auf Forschung verzichtet werden soll. Burmester (2012) sieht implizit bereits richtig, dass in diesem Fall offenbar kein ausdrückliches Gebot zur Forschung für zivile Zwecke und friedliche Ziele mehr besteht, denn diese ist – mit einem vergleichsweise schwachen normativen Anspruch – dann bloß noch erlaubt. Die Crux des normenlogischen Verhältnisses besteht darin, dass dem Gebot, für zivile Zwecke und friedliche Ziele zu forschen, nur eine Art ›bedingtes Verbot‹ der Forschung für militärische Zwecke und kriegerische Ziele entsprechen kann, welches dann über den Umweg des Prinzips vom ausgeschlossenen Widerspruch zu gewinnen ist. Denn es gilt: Wenn etwas geboten ist, dessen Unterlassung nicht zugleich verboten ist,26 dann ist das Unterlassen der Handlung erlaubt.27

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Eine solche Verknüpfung von Gebot und Verbot ist hypothetisch denkbar, aber in der Normenpraxis nicht anwendbar, denn es bliebe unklar, ob mit derselben Handlung die Nichterfüllung eines Gebots oder die Übertretung eines Verbots zu sanktionieren wäre. In der deontischen Logik ist die Konsistenz von Normsätzen gewahrt, weil grundsätzlich gilt: Was geboten ist, darf nicht verboten sein, und was verboten ist, darf nicht erlaubt sein. Daraus leiten sich die grundlegenden normenlogischen Regeln ab: (1) Wenn es geboten ist, eine Handlung zu unterlassen, dann ist es nicht erlaubt, diese Handlung auszuführen. Wenn es erlaubt ist, eine Handlung zu unterlassen, dann kann es folglich nicht geboten sein, diese Handlung auszuführen. (2) Wenn es verboten ist, eine Handlung auszuführen, dann ist es geboten, diese Handlung zu unterlassen. Darüber hinaus gilt: Wenn

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Das Verwirrung stiftende Problem besteht darin, dass »für zivile Zwecke und friedliche Ziele forschen« so verstanden werden könnte, als handele es sich per se um das kontradiktorische Gegenteil von »für militärische Zwecke und kriegerische Ziele forschen«. Das ist jedoch ein Missverständnis, denn die beiden Aussagen schließen sich weder wechselseitig aus noch stellen sie ein Gegensatzpaar von Handlung und Handlungsunterlassung dar. Es besteht prima facie kein Widerspruch darin, sowohl zivile Zwecke und friedliche Ziele als auch militärische Zwecke und kriegerische Ziele zu verfolgen.28 Dieses Problem kann gelöst werden, indem der Sinn der Normformulierung präzise expliziert wird: Enthält eine Friedens- oder Zivilklausel den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass »ausschließlich« zivile Zwecke und friedliche Ziele zu verfolgen sind, dann ist dieses Gebot bereits dann verletzt, wenn nur ein einziger Fall von militärischen Zwecken und kriegerischen Zielen auftritt. Über ein solches ›Ausschließlichkeitsprinzip‹ kann der Norminhalt von Normsätzen konkretisiert und der Normgeltungsbereich mit einer genaueren normativen Bestimmtheit festgelegt werden.29 Ein Gebots- oder Verbotscharakter von Friedens- und Zivilklauseln ist also im Zuge einer geltungshermeneutischen Interpretation zu erschließen. Denn die Formulierungen der Selbstverpflichtungen in den

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etwas nicht verboten ist, dann ist es erlaubt. Umgekehrt gilt: Wenn etwas nicht erlaubt ist, dann ist es verboten. Zumindest im Bereich das sogenannten Dual-Use ist das gleichzeitige Verfolgen von zivilen und militärischen Zwecken zumindest möglich; was die Zielorientierungen anbelangt, so könnten friedliche und kriegerische Absichten im zeitlichen Verlauf einer Handlung je nach Kontext und Anwendungsbedarf wechseln. Neben dem FZK, das 1956 eine der ersten Friedensklauseln in Deutschland verabschiedete (»Die Gesellschaft verfolgt nur friedliche Zwecke.«), sei exemplarisch die TU Dortmund genannt, deren Senat 1991 in einem Beschluss festhielt: »Der Senat der Universität Dortmund erklärt im Sinne einer Selbstverpflichtung, dass die Forschung an der Universität Dortmund ausschließlich zivilen Zwecken dient und auch zukünftig keine Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durchgeführt werden, die erkennbar militärischen Zwecken dienen sollen.« (zit. n. Braun/Wirl 2018: 168, 171)

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vorliegenden Friedens- und Zivilklauseln sind, mit wenigen Ausnahmen, recht allgemein gehalten und bedürfen einer konkretisierenden Auslegung in Bezug auf die spezifischen Anwendungskontexte von Forschung, Studium und Lehre. Um ein umfassendes Verständnis dafür zu gewinnen, was für eine Art des normativen Anspruchs durch die Selbstverpflichtung einer normsetzenden Institution statuiert und welcher Geltungsbereich entsprechend intendiert wird, kann zudem ein Rekurs auf die Genese einer Friedens- oder Zivilklausel aufschlussreich sein. In der Regel geht der Einführung solcher Klauseln im Rahmen der akademischen Selbstverwaltung ein hochschulpolitischer Diskurs voraus, bei dem in den zentralen und dezentralen Gremien über die von einer gesellschaftlich relevanten Institution zu vertretenden Werte und damit auch über das Selbstverständnis der betreffenden Hochschule ebenso diskutiert wird wie über konkrete Zielsetzungen und pragmatische Maßnahmen zur Umsetzung einer Selbstverpflichtung. Die Analyse des Prozesses der Normsetzung kann z.B. Auskunft darüber geben, welche Statusgruppen in welchem Maße an der Beschlussfassung beteiligt waren (demokratische Partizipation im Kontext einer Hochschulöffentlichkeit), wie ›offen‹ oder ›versteckt‹ die Selbstverpflichtung publiziert wird (lediglich als intern bekannt gegebener Senatsbeschluss oder öffentlichkeitswirksam als Bestandteil der Grundordnung),30 ob und mit welchen organisatorischen Vorkehrungen die Umsetzung gewährleistet werden soll und welche Sanktionen bei Pflichtverletzungen drohen.

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Bezeichnend ist hierfür der Umstand, dass offenbar an mehreren Hochschulen über Jahre hinweg die Senatsbeschlüsse schlicht ›vergessen‹ wurden, weshalb zwischenzeitlich mit militärisch relevanten Forschungstätigkeiten gegen sie verstoßen werden konnte; Schulze von Glaßer (2014) nennt als Beispiele die Universitäten Bremen und Konstanz. Auch an der TUD war ein entsprechender Konventsbeschluss von 1973 mit Beginn der Zivilklausel-Initiative 2010/11 bereits »komplett vergessen« (IP I); siehe hierzu Abschnitt 2.4.

2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

Unter Berücksichtigung der Verbindung von Genese und Geltung31 einer Normsetzung sind weitergehende strukturelle Differenzierungen und eine genauere Kontextualisierung der jeweils gesetzten Norm vorzunehmen. Nach Ott (2011: 475–479) kann dies anhand der Komponenten (1) Typus, (2) Charakter, (3) Adressatenkreis, (4) Spezifikation, (5) Ausnahmeregelung, (6) Sanktionsbestimmung und (7) Autorität erfolgen. Hinsichtlich der bestehenden Friedens- und Zivilklauseln zeigt sich, dass diese (1) oft ambig zwischen rechtlichen und moralischen Normierungen changieren, (2) jeweils nur bedingt klar sind in Bezug auf zivile Zwecke und friedliche Ziele sowie ggf. ein konkretes Verbot von Forschung zu militärischen Zwecken, (3) die Adressaten in der Regel bloß implizit benennen, indem etwa die Grundordnung für alle Hochschulangehörigen und damit alle Statusgruppen gilt, (4) ein spezifisches Selbstverständnis der normsetzenden Institution zum Ausdruck bringen, mittelbar verbunden mit einem Wissenschaftsethos, welches Friedlichkeit und Zivilität beinhaltet, (5) üblicherweise keine ausdrücklichen Ausnahmen vorsehen, (6) mögliche Sanktionen nur implizit über ein institutionalisiertes Umsetzungsverfahren erkennbar werden lassen und

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Die in diesem Zusammenhang außerdem bedeutsame Unterscheidung zwischen Normgeltungsanspruch und Normgeltungsbegründung kann im Rahmen dieser Untersuchung nur berührt und nicht weiter ausgeführt werden (siehe hierzu Bornmüller 2013): Eine faktisch bestehende Norm stellt einen Normgeltungsanspruch (Anspruch auf normative Verbindlichkeit) dar, der z.B. genetisch als sozialer Prozess der Einführung und Befolgung einer Norm erklärt werden kann. Die Geltung dieses Anspruchs auf normative Verbindlichkeit muss jedoch ausgehend vom Norminhalt zudem begründet werden, um als ein gültiger Anspruch gelten zu können. Der Unterschied zwischen faktischer Geltung und begründeter Gültigkeit ist etwa relevant mit Blick auf die rechtswissenschaftliche Debatte zur grundrechtskonformen Legitimität von Friedens- und Zivilklauseln, die in Abschnitt 2.5 erörtert wird.

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(7) durch die akademische Selbstverwaltung bzw. die Autonomie einer Hochschule autorisiert sind.

Zusammen mit der Heuristik begrifflicher Unterscheidungen bildet eine solche Rekonstruktion der normativen ›Gestalt‹ von Friedens- und Zivilklauseln die Grundlage für eine Bestimmung typischer Merkmale von Selbstverpflichtungen dieser Art an Hochschulen, an die sich eine Beschreibung der institutionellen Funktion und vor allem die praxisrelevante Bewertung des damit einhergehenden normativen Geltungsanspruchs anschließen kann. Auf Grundlage der geschichtlichen, begrifflichen und normativen Einordnung von Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen kann nun das für diese Untersuchung exemplarische Fallbeispiel der Einführung einer Zivilklausel näher in den Blick genommen und kontextualisiert werden.

2.4 Die Zivilklausel der Technischen Universität Darmstadt Institutionelle Selbstverpflichtungen mit friedenspolitischem Hintergrund haben an der TUD eine »gewisse Tradition« (IP II). An der damaligen Technischen Hochschule Darmstadt (THD) fasste der Konvent am 14. Februar 1973 folgenden Beschluss: 1. Die Technische Hochschule Darmstadt lehnt die Durchführung militärischer Auftragsforschung innerhalb ihrer Einrichtung ab. 2. Die Technische Hochschule Darmstadt lehnt es grundsätzlich ab, Forschungsprojekte, die militärischer Geheimhaltung unterliegen, zu verfolgen, da solche Forschung mit dem Auftrag einer Hochschule zu Forschung und Lehre nicht vereinbar ist.32 32

Zit. n. Utz et al. (2019: 3), siehe auch Hubig (2012b: 812). Dieser Konventsbeschluss wurde erst mit Einführung der Zivilklausel annulliert. Kütt/Wunderlich (2012) weisen auf einen weiteren Konventsbeschluss von 1986 hin, der im Zusammenhang mit dem »Mainzer Appell« aus Protest gegen das US-amerikanische SDI-Programm steht und fordert, »›daß der Themenbereich Rüstung/ Abrüstung, Krieg und Frieden in seinen technisch-naturwissenschaftlichen, hu-

2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

Danach wurde, wie Böhme (2016: 262) ausführt, Mitte der 1980er aufgrund der Einsicht, dass sich der einzelne Wissenschaftler am besten für Abrüstung einsetzen kann, wenn er durch seine wissenschaftliche Arbeit keinen Beitrag zum Wettrüsten leistet, die »Darmstädter Verweigerungsformel« formuliert.33 Beide Beschlüsse bzw. Selbstverpflichtungen haben nur bedingt eine Wirkung entfaltet. Der Beschluss des Konvents von 1973, offenbar zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten und damit für Entscheidungen zu Forschungsvorhaben nicht von Belang, wurde zwar im Zuge der Diskussion um die Einführung einer Zivilklausel ab 2010/11 noch einmal erwähnt, jedoch dem Inhalt nach nicht weiter berücksichtigt. Die von mehr als 130 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterzeichnete Darmstädter Verweigerungsformel steht in Zusammenhang mit der Gründung von IANUS (Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit), die 1979 in Reaktion auf den NATODoppelbeschluss ursprünglich als »THD-Initiative für Abrüstung« entstanden ist und bis heute besteht.34 In der Literatur zu Friedens- und Zivilklauseln wird die Verweigerungsformel jedoch kaum erwähnt.35

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manwissenschaftlichen und politisch-ökonomischen Aspekten und Bezügen durch besondere Lehrveranstaltungen langfristig und angemessen behandelt wird‹ sowie ›Forschungsprojekte initiiert und gefördert werden, die Beiträge zur Abrüstung und Friedenssicherung leisten‹« (20). Die Autoren halten fest: »Im Gegensatz zum ersten Beschluss [1973] gilt diese Entscheidung […] weiterhin an der TU Darmstadt« (ebd.). Die Verweigerungsformel lautet: »Ich erkläre hiermit, dass ich mich im Rahmen meiner Tätigkeit als Wissenschaftler oder Techniker an der Entwicklung militärischer Rüstung nicht beteiligen will. Ich werde mich vielmehr um eine Aufklärung des Beitrages meines Fachgebietes zur Rüstungsentwicklung bemühen und der militärischen Verwendung wissenschaftlichen und technischen Wissens entgegenwirken.« (zit. n. Böhme 2016: 262) Siehe die Selbstdarstellung unter: https://www.fif.tu-darmstadt.de/themen_fi f/ianus. Es liegen Veröffentlichungen von einem der Erstunterzeichner vor: Böhme (1984), Böhme (2004) und Böhme (2016).

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Die eigentliche Zivilklausel der TUD wurde im Januar 2013 in die Präambel der Grundordnung übernommen. Der entscheidende Passus lautet: Forschung, Lehre und Studium an der Technischen Universität Darmstadt sind ausschließlich friedlichen Zielen verpflichtet und sollen zivile Zwecke erfüllen; die Forschung, insbesondere die Entwicklung und Optimierung technischer Systeme, sowie Studium und Lehre sind auf eine zivile Verwendung ausgerichtet.36 Aufgrund der Veröffentlichung in einem rechtskräftigen Dokument, der Bezugnahme auf den Anwendungsbereich über alle universitären Arbeitsbereiche hinweg sowie der expliziten nominalen Begrifflichkeit handelt es sich hierbei um eine ›starke‹ Selbstverpflichtung, die alle wesentlichen normativen Elemente einer Friedens- und einer Zivilklausel miteinander verbindet. Bemerkenswert ist der Übergang von der allgemeinen Orientierung an friedlichen Zielen über die generelle Erfüllung ziviler Zwecke hin zu einer noch einmal gesondert aufgeführten Ausrichtung von Forschung, Studium und Lehre auf eine zivile Verwendung. Nach Christoph Hubig, einem der Autoren der Darmstädter Zivilklausel, sind Ziele »erstrebenswerte Sachlagen in Gänze, die keinen weiteren Handlungsbedarf erzwingen […]. An ihnen orientiert sich die Bildung von Handlungszwecken und die Entwicklung von Handlungsmitteln.« Entsprechend wird als ein Zweck »der gewünschte und als herbeiführbar erachtete Sachverhalt verstanden, der in einer zielgerichteten Tätigkeit realisiert werden soll« (Hubig 2012b: 813; vgl. auch Hubig 2012a). Die Darmstädter Zivilklausel setzt sich gemäß der differenzierten Formulierung aus drei Ebenen zusammen,37 die eine Art ›Entscheidungskaskade‹ bilden: Auf der ersten Ebene wird zunächst grundlegend entschieden, ob ein Vorhaben ein friedliches oder ein kriegerisches Ziel

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https://www.tu-darmstadt.de/media/dezernat_ii/ordnungen/grundordnung_ 2016.pdf (S. 3). Vgl. im Folgenden auch Utz et al. (2019: 3.2).

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verfolgt,38 wobei kriegerische Ziele durch den Zusatz »ausschließlich« in der Verpflichtung auf friedliche Ziele kategorisch untersagt sind. Eine zweite Ebene betrifft die Bestimmung, ob ein Vorhaben zivilen oder militärischen Zwecken dient. Unter der allgemeinen Maßgabe, dass alle Vorhaben friedliche Ziele verfolgen müssen, sollen zwar zivile Zwecke erfüllt werden, allerdings sind militärische Zwecke nicht kategorisch ausgeschlossen, sondern stehen unter einem Begründungsvorbehalt.39 In Verbindung damit ist auf der dritten Ebene zu beurteilen, ob insbesondere die aus Forschungsvorhaben hervorgehende weitere technologische Entwicklung und Optimierung, aber auch Studium und Lehre auf eine zivile Verwendung hin ausgerichtet sind.40 Hinter dieser Anforderung steht der Anspruch auf eine diskursive Verständigung und Abwägung mit Blick auf konkrete Anwendungskontexte: Der in der Sollensregel ausgedrückte Anspruch auf Begründbarkeit der (erlaubten) Ausnahme einer Verfolgung militärischer Zwecke wird nur eingelöst – wie alle Begründungen –, wenn die Gründe in (universitäts-)öffentlicher Abwägung nachvollziehbar sind. Wenn die zivile Verwendung die Entwicklung und Optimierung technischer Systeme orientieren soll, ist der entsprechende Anwendungsbezug

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»Frieden bedeutet Sicherung der Fortsetzbarkeit des Handelns unter Absehung von personeller oder struktureller Gewalt.« (Hubig 2012b: 813) Hubig (2012b) verweist darauf, dass »unter gewissen Umständen friedliche Ziele einzig im Zuge der Realisierung militärischer Zwecke erfüllt werden können«, wobei diesem Ausnahmetatbestand gerade mit einer Sollensregel entsprochen werde, weil damit »im Einzelfall Ausnahmen möglich sind, [die] aber unter der Hypothek einer gesonderten Begründung stehen« (814). In der gestuften Formulierung der Darmstädter Zivilklausel kommt somit auch eine Abstufung der Verbindlichkeit normativer Modalitäten (IP I: »Rigiditätsabstufung«) zum Ausdruck: Es müssen friedliche Ziele verfolgt und es sollen zivile Zwecke erfüllt werden; zudem ist zu überprüfen, ob und welche weiteren Verwendungen möglich sind. Auf diese Weise bietet diese Form der Norm einen Reflexionsanlass auch dann, wenn mit einem Forschungsvorhaben ein friedliches Ziel verfolgt und ein ziviler Zweck erfüllt wird, aber eine militärische Verwendung möglich oder sogar naheliegend ist und deshalb einer kritischen Betrachtung bedarf.

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oder die bereits direkt vorgesehene Anwendung daraufhin zu prüfen, ob mögliche militärische Zwecke einer solchen Anwendung unter friedlichen Zielen stehen. (Hubig 2012b: 814)41 Die Überprüfung der Konformität von Forschungsvorhaben mit der Zivilklausel erfolgt durch die Ethikkommission (EK) der TUD. Forscherinnen und Forscher können anhand einer Checkliste, die zugleich als Antragsformular zur Vorlage bei der EK dient, das Forschungsvorhaben selbst einschätzen und dokumentieren. In den einzelnen Abschnitten der Checkliste wird der Normgehalt der Zivilklausel noch einmal expliziert, womit auch die allgemeineren Vorgaben in Bezug auf friedliche Ziele, zivile Zwecke und zivile Verwendungen spezifiziert werden. Die EK begutachtet die Anträge zu Forschungsvorhaben und gibt ein Votum ab, zudem wird einmal im Jahr dem Senat mit separater Auflistung aller hinsichtlich der Zivilklausel relevanten Fälle berichtet. Die Zivilklausel der TUD steht in Verbindung mit einer Besonderheit der Rechtsstellung der Hochschule: Mit dem Gesetz zur organisatorischen Fortentwicklung der Technischen Universität Darmstadt (TUDG HE) vom 5. Dezember 2004 wurde die TUD zur ersten autonomen Hochschule in Deutschland erklärt. Die Hochschulautonomie gewährt einer Hochschule in Erweiterung der Satzungsautonomie die Möglichkeit, in rechtlichen Belangen sowie bei Finanzen, Personal und Organisation weitgehend unabhängig von staatlicher Einflussnahme 41

Diese Prüfung ist komplex und muss sich vor allem der Dual-Use-Problematik stellen, was neben der zivilen und militärischen Verwendbarkeit auch ein militärinternes Dual-Use einschließt, »nämlich die multiple Anwendbarkeit militärischer Mittel für Aggressions- oder Verteidigungszwecke« (Hubig 2012b: 814). Da sich die »Normierung eines Umgangs mit derlei problematischen Optionen […] nicht unter Generalklauseln fassen« lasse, sei bei komplexen Sachlagen »ein kasuistisches Vorgehen geboten, welches die Spezifika unterschiedlichster Art […] sorgfältig rekonstruiert und für den Einzelfall bilanziert« (ebd.). Den für solcherart Abwägungen probaten Ansatz einer »Wiederaufnahme der aristotelischen Einsicht, daß in Fällen des Entscheidens nur ein nicht-theoretisches Vermögen, die praktische Klugheit, die nicht durch Angabe von Prinzipien, sondern nur durch ›Lebenserfahrung‹ zu erlangen ist«, entwickelt Hubig im Rahmen seiner Technik- und Wissenschaftsethik (1995:14).

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zu sein, jedoch stets im Rahmen übergeordneten Rechts.42 In der Organisationsstruktur der TUD ist neben dem Präsidium, dem Senat und dem Hochschulrat (gemäß §§ 36, 37, 42 HSchulG HE) eine Universitätsversammlung (UV) für die Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung zuständig.43 Die UV hat die Zivilklausel im September 2012 nach umfangreichen Beratungen beschlossen; der Senat hat im November 2012 eine AG »Umgang mit der Zivilklausel« mit der Aufgabe betraut, ein Umsetzungsverfahren zu erarbeiten, das im November 2014 angenommen wurde. Die Umsetzung der Zivilklausel beinhaltet (a) ein Informationspaket zum Download, (b) die Checkliste zur Selbstprüfung, (c) die EK als Gremium, das »die Zulassung oder Verhinderung des Forschungsantrages nahelegen, jedoch nicht entscheiden« kann (Utz et al. 2019: 3), sowie (d) die Benennung einer vertraulichen Ansprechperson im Präsidium, an die sich bei Fragen zur Zivilklausel gewandt werden kann. An der Universität Kassel wurde, wohl auch mit Blick auf das Vorbild an der TUD, am 4. Dezember 2013 eine fast wortidentische Zivilklausel44 verabschiedet. Allerdings unterliegt die Kasseler Zivilklausel keiner Überprüfung durch eine Ethikkommission oder ein anderes Gremium, zudem kritisieren Holzner/Firges (2015: 102), dass die Zivilklausel nicht mit einer »Transparenzklausel« in Bezug auf eine hochschulweite Drittmitteltransparenz verbunden sei und »die Soll-Bestimmung ein Schlupfloch« für die Forschung zu militärischen Zwecken darstelle.45

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In diesem Fall das Hessische Hochschulgesetz (HSchulG HE). »Die Universitätsversammlung hat 61 stimmberechtigte Mitglieder: 31 Mitglieder der Professorengruppe, 15 Studierende, 10 wissenschaftliche Mitglieder sowie 5 administrativ- technische Mitglieder.« Außerdem gehören der UV mit beratender Stimme die Mitglieder des Präsidiums sowie Vertreter für Gleichstellungsfragen, des AStA, der Fachschaftenkonferenzen und des Personalrats an. https://www.tu-darmstadt.de/media/dezernat_ii/ordnungen/grundordnung_ 2016.pdf (S. 4). Im ersten Satzteil heißt es »Forschung und Entwicklung« statt »Forschung« (vgl. Holzner/Firges 2015: 101). Diese Kritik erachtet die normativen Konkretisierungen auf den drei Ebenen der Kasseler und Darmstädter Zivilklausel offenbar für unzureichend. In die-

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Beide Zivilklauseln sind auch in einem Zusammenhang mit den Hessischen Hochschulgesetzen zu sehen, die in den 1970er Jahren zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sowie zu einer kontroversen hochschulrechtlichen Diskussion führten. Das Hessische Universitätsgesetz (HessUG) vom 12. Mai 1970 sah in § 6 eine »Informationsverpflichtung« vor: Alle an Forschung und Lehre beteiligten Mitglieder und Angehörigen der Hochschulen haben die gesellschaftlichen Folgen wissenschaftlicher Erkenntnis mitzubedenken. Werden ihnen Ergebnisse der Forschung, auch außerhalb des Bereichs der Hochschulen, bekannt, die zu begründeten Bedenken Anlass geben, sind sie verpflichtet, darüber öffentlich zu informieren. (GVBl I, Nr. 23: 325) Klage und Kritik richteten sich gegen das Änderungsgesetz zum HessUG vom 11. September 1974, mit dem § 6 Satz 2 HessUG umformuliert wurde: Werden ihnen Ergebnisse der Forschung, vor allem in ihrem Fachgebiet, bekannt, die bei verantwortungsloser Verwendung erhebliche

sem Sinne müssen militärische Handlungen unter friedlichen Zielen, die etwa der »Sicherung und des Schutzes, der Versorgung, Aufklärung und unmittelbarer Verteidigung« (Hubig 2012b: 814) dienen, prinzipiell ausgeschlossen werden – eine Position, die jedoch dem Vorwurf eines »Friedensextremismus«, der »das Tor zu einer Tendenzforschung oder Tendenzuniversität« (Horn 2012: 810) öffne, Vorschub leisten kann. Holzner/Firges (2015) schließen sich der Forderung nach einer »ausschließlich zivilen Forschung und Lehre« (97) an und wenden sich, wie Bertram (2021) und andere Akteurinnen und Akteure der Zivilklausel-Bewegung, gegen eine zunehmende Finanzierung für die Militärforschung. Krause (2014), einer der schärfsten Kritiker von Zivilklauseln, vermutet allerdings mit Blick auf statistische Daten, die einen sehr geringen Anteil an Rüstungsforschung aufwiesen, dabei »zumeist die Absicht, eine politische Kontrolle über Forschung und Lehre auszuüben« (193). Dies wecke »Erinnerungen an die frühen 70er Jahre, wo versucht wurde, die Universitäten für links-revolutionäre Ziele zu instrumentalisieren und wo es zu massiven Einschränkungen der Freiheit von Forschung und Lehre kam« (ebd.). Ob Krauses Kritik berechtigt ist, wäre jedoch der Redlichkeit halber im konkreten Einzelfall zu prüfen.

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Gefahren für die Gesundheit, das Leben oder das friedliche Zusammenleben der Menschen herbeiführen können, so sollen sie den zuständigen Fachbereichsrat oder ein zentrales Organ der Universität davon unterrichten. (GVBl I, Nr. 29: 404) Das BVerfG hat mit seiner Entscheidung am 1. März 1978 gegen die beschwerdeführenden Professoren geltend gemacht, dass § 6 Satz 2 HessUG bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz und besonders mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar sei.46 Dieser Passus wurde unverändert als § 1 Abs. 3 in das HSchulG HE vom 14. Dezember 2009 übernommen (GVBl I, Nr. 22: 667).

2.5 Wissenschaft und Recht und Freiheit Den Bemühungen um die Einführung und Implementierung von Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen korrespondiert eine mitunter kontroverse bildungs- und hochschulrechtliche Diskussion, in die neben den Beiträgen zum akademischen Diskurs auch Rechtsgutachten eingegangen sind, die z.B. von einer Stiftung (Denninger 2009) und von einem Studierendenausschuss (Hoppe 2012) in Auftrag gegeben wurden.47 Der zentrale Punkt der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung betrifft die juristische Bewertung der grundsätzlichen Zulässigkeit von Friedens- und Zivilklauseln im Zusammenhang mit der Frage nach der Vereinbarkeit solcher mehr oder weniger verbindlichen Regelungen mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit. Einen

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Vgl. BVerfGE 47, 327. Gleichwohl stellt die gesetzliche Pflicht zum Mitbedenken gesellschaftlicher Folgen einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar, allerdings geht mit einem Eingriff noch nicht zwingend die Verletzung eines Grundrechts einher. Siehe dazu den folgenden Abschnitt 2.5. Einige Beiträge sind zudem aus Gutachten bzw. gutachterlichen Stellungnahmen hervorgegangen, so etwa Oppermann 1993 (Universität Tübingen, die zivile Nutzung von Kooperationen betreffend), Sachs 2013 (Zivilklausel Universität Köln), Müller-Terpitz/Beyerbach 2014 (HZG NRW).

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weiteren Fokus bilden darüber hinaus Erörterungen zur Wissenschaftsund Forschungsverantwortung.

2.5.1 Gesetzliche Grundlagen Einführend ist zunächst darzulegen, auf welche gesetzlichen Grundlagen in der Diskussion Bezug genommen wird. Die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgeführten Grundrechte binden nach Art. 1 Abs. 3 GG die »Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht« und konstituieren damit eine objektive Wertordnung, die verfassungsrechtliche Geltung für alle Bereiche des Rechts und somit auch für das Hochschulrahmengesetz (HRG) und die Hochschulgesetze (HG) der Länder hat. Deshalb genügt ein orientierender Blick auf das Grundgesetz, wobei entscheidend ist, ob sich eine juristische Begründung auf die sogenannte Friedensfinalität des Grundgesetzes (Denninger 2012a; 2015) oder auf die Freiheit von Forschung und Lehre bezieht. Hinsichtlich der Friedensfinalität des Grundgesetzes besteht laut Präambel der Wille des deutschen Volkes als verfassungsgebender Gewalt darin, »als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen«.48 In Art. 1 Abs. 2 GG bekennt sich der Verfassungsgeber zu den »unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten«, die »als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt« bestimmt sind. Zudem werden nach Art. 9 Abs. 2 GG Vereinigungen verboten, die sich »gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten«. Dem Bund wird mit Art. 24 Abs. 2 GG die Möglichkeit gegeben, »sich zur Wahrung

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Siehe auch die Formulierung im »Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland« (Zwei-plus-Vier-Vertrag), der am 12. September 1990 »in Würdigung dessen, daß das deutsche Volk in freier Ausübung des Selbstbestimmungsrechts seinen Willen bekundet hat, die staatliche Einheit Deutschlands herzustellen, um als gleichberechtigtes und souveränes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt zu dienen« geschlossen wurde (BGBl Jg. 1990, Teil II: 1318).

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des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit« einzuordnen, sofern die damit einhergehenden »Beschränkungen seiner Hoheitsrechte (…) eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern«. Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet ferner »Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören«, wobei insbesondere vorbereitende Handlungen für die Führung eines Angriffskrieges als verfassungswidrig gelten; Abs. 2 Satz 1 überträgt die Kontrolle über die Herstellung, Beförderung und Verbreitung von Kriegswaffen der Bundesregierung. Auch deshalb dürfen laut Art. 87a Abs. 2 GG Streitkräfte nur für die Landesverteidigung aufgestellt werden und fernerhin »nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt«. Die dementsprechend ausschließlich für den Verteidigungsfall geltenden Verfassungsgrundsätze werden in den Art. 115a–l GG detaillierter ausgeführt. Der zentrale Passus für die juristische Argumentation in Bezug auf die Freiheit von Forschung und Lehre findet sich in Art. 5 Abs. 3 GG: »Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.« Eine mögliche Einschränkung dieser Freiheit kann mit dem Verweis auf die Verantwortung für (geistiges) Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 2 GG gegeben sein: »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.« Ausgehend von den hier dargelegten verfassungsrechtlichen Grundsätzen und den gesetzlichen Bestimmungen, die im rechtswissenschaftlichen Diskurs um die Zulässigkeit von Friedens- und Zivilklauseln zumeist Anwendung finden, kann nun auf einige zentrale Erörterungen bezüglich der Wissenschaftsfreiheit, der Verantwortung von Wissenschaft und der Verfassungskonformität eingegangen werden.

2.5.2 Die Freiheit der Wissenschaft und ihre Grenzen In der Diskussion um die Zulässigkeit von Friedens- und Zivilklauseln und die damit verbundenen Einschränkungen geht es hauptsächlich um die Frage nach der Vereinbarkeit mit der grundgesetzlich gewährten

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Wissenschaftsfreiheit. Dabei kommt es in der Debatte mitunter zu einer problematischen »Vermischung grundrechtsdogmatischer und ethischer Fragestellungen«, weil hierbei »Plausibilitäts-, Akzeptanz- und Vertrauensprobleme« eine Rolle spielen, die auf eine »enge Verflechtung [verweisen], in der Wissenschaft und Gesellschaft stehen« (Voigt 2012: 1f.). Die Freiheit der Wissenschaft ist deshalb an der »Schnittstelle von Ethik, Wissenschaft und Gesellschaft« zu verorten, weil es hierbei immer auch um das (Selbst-)Verständnis der beteiligten Wissenschaften und Personen geht (ebd.: 3). Das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft ist durch eine zweifache Gestalt der Öffentlichkeit sowie durch eine doppelte Verbindung geprägt: Die Wissenschaft stellt als scientific community eine innerwissenschaftliche Öffentlichkeit dar, deren Bedeutung aus dem Funktionszusammenhang des Wissenschaftssystems hervorgeht, das Robert K. Merton mit den vier idealtypischen Eigenschaften Kommunitarismus, wissenschaftlicher Universalismus, Uneigennützigkeit und organisierten Skeptizismus charakterisiert hat (vgl. Bora/Kaldewey 2012: 12f.). Zudem steht die Gesellschaft als eine außerwissenschaftliche Öffentlichkeit der Wissenschaft gegenüber: Einerseits erwartet die gesellschaftliche Umwelt von der Wissenschaft spezialisierte Leistungen und tritt im Sinne dieser ›praktischen Inanspruchnahme‹ als Leistungsempfänger auf. Andererseits verkörpert die gesellschaftliche Öffentlichkeit einen politischen Souverän, der eine wissenschaftliche Betätigung um ihrer selbst willen fördert und auf dessen Bereitschaft zur Bereitstellung materieller Ressourcen und der demokratischen Gewährung von Rechten eine unabhängige und freie Wissenschaft stets angewiesen bleibt. Das beiderseitige Verhältnis kann insofern nicht auf eine bloß zweckdienliche Verwendung wissenschaftlicher Tätigkeit (Leistungsträger) für eine instrumentelle Praxis (Leistungsempfänger) reduziert werden, da es hierbei zugleich auch immer um die Wahrung einer genuin politischen Idee in Bezug auf die »institutionelle Garantie einer als Institution des Gemeinwohls verstandenen Wissenschaft« geht

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(ebd.: 24).49 Der Wert der Wissenschaftsfreiheit in seiner ethischen und moralischen Dimension (Ethos der Wissenschaft) bleibt deshalb immanent auf die politische Freiheit bezogen, weil Wissenschaft spezifischer gesellschaftlicher Strukturen als Bedingung ihrer Möglichkeit bedarf.50 Die Freiheit der Wissenschaft stellt nach Art. 5 Abs. 3 GG eine wertentscheidende Grundsatznorm dar und gehört zu den vorbehaltlos gewährten Grundrechten, die keinem Schrankenvorbehalt unterliegen und somit nicht grundsätzlich beschränkbar sind.51 Die Wissenschaftsfreiheit erstreckt sich dabei auf jegliche Tätigkeit, die dem Inhalt und der Form nach einen ernsthaften und planmäßigen Versuch darstellt, die Wahrheit zu ermitteln (vgl. Lorenz 1993: 268). Damit ist zunächst der »Freiraum des Wissenschaftlers […] durch ›absolute Freiheit‹ bestimmt«, woraus sich ein »Forschungsprivileg« ergibt, »das wissenschaftliche Tätigkeit als solche […], d.h. ohne Berücksichtigung ihrer Mittel und Modalitäten und ungeachtet ethischer und sonstiger inhaltlicher Einwände sowie etwaiger Beeinträchtigungen anderer Rechtsgüter« (Lorenz 1993: 268), legitimiert. Mit der Garantie der Wissenschaftsfreiheit sind zudem bestimmte Unterstellungen verbunden, denn hierin »drückt sich […] die implizite Erwartung aus, dass die Wissenschaft ein Prozess ist, der sich selbst reguliert« (Babke 2010: 8) und deshalb in seiner »Eigengesetzlichkeit […] der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse jeder

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Nach Özmen (2012) ist die Freiheit der Wissenschaft somit »ein funktionaler Imperativ, der gesellschaftlich hoch geschätzte und für wertvoll erachtete Tätigkeiten und Institutionen zum wissenschaftlichen Erkenntniserwerb schützt und unterstützt« (117). Siehe ausführlich zu den normativen Grundlagen der Wissenschaftsfreiheit Özmen (2012). Mit Blick auf dieses enge wechselseitige Verhältnis plädiert Voigt (2012) zu Recht für eine »Entdramatisierung« und »Versachlichung des Konflikts zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit« (7). Gleichwohl ist die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre »nicht schrankenlos«, wie Hailbronner (1980: hier 213) in einer grundlegenden und differenzierten Darstellung der Forschungsfreiheit und ihrer Schranken ausführt.

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staatlichen Einwirkung entzogen« (Lorenz 1993: 268) sein soll.52 Als regulative Idee ist die Wissenserweiterung funktional auf eine Wahrheit bezogen, die wiederum untrennbar mit Freiheit und Autonomie verbunden ist. Jede »Form der heteronomen Intervention« (Babke 2010: 8) ist deshalb als ein auch dem Gemeinwohl abträgliches Wahrheitshindernis aufzufassen.53 Aus diesem Grund sind Eingriffe in die Geistesfreiheit der Wissenschaft im Sinne einer qualitativen Differenzierung in gute oder schlechte, sinnvolle bzw. nützliche und sinnlose Wissenschaft absolut verboten, denn eine solche Bewertung darf nur aus der Eigenlogik der Wissenschaft heraus erfolgen: Wissenschaftsfremd und wissenschaftsfeindlich ist indes auch das Kriterium einer ›ethischen Vertretbarkeit‹, soweit es die Zulässigkeit wissenschaftlicher Vorhaben an eine der Wissenschaft äußerliche, heteronom wertende und damit in verbotener Weise qualitativ differenzierende Einschätzung knüpft. (Enders 2010: 166f.) Im System der Grundrechtsgewährleistungen hat dieser Anspruch vor allem durch die Rechtsprechung des BVerG nachhaltige Anerkennung in der Prägung eines maßgeblichen Verständnisses des Verfassungsrechts gefunden. Dieses ist nicht konstitutiv vom Gesetzgeber zu bestimmen, sondern unmittelbar aus der Verfassung und insbesondere mit Rücksicht auf die Grundrechte Dritter zu gewinnen (vgl. ebd.: 156). Der Bezug auf die Grundrechte Dritter ist entscheidend, denn vorbehaltlos gewährte Grundrechte müssen sich in die Gesamtrechtsordnung einfügen und finden von daher »immanente Grenzen in den Grundrechten anderer Rechtsträger und sonstigen Verfassungsgütern, sofern diese sich nach Maßgabe einer konkreten Abwägung im Einzelfall als dem betreffenden Grundrecht gegenüber höherwertig erweisen« (Lorenz 1993: 267f.). Eine

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Prägnant hierzu Gärditz: »Die Freiheitlichkeit einer Gesellschaft bemisst sich nicht lediglich an den Inhalten ihrer tragenden Normen, sondern ganz entscheidend auch an der Offenheit ihrer epistemischen Struktur.« (2018: 7) »[I]n Wissenschaftsfragen ist der Staat wahrheitsabstinent, er kann also wissenschaftliche Richtigkeit nicht verbindlich bewerten, insbesondere nicht politisch-voluntativ festlegen.« (Gärditz 2018: 8f.)

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Begrenzung von nicht grundsätzlich beschränkbaren Grundrechten ist also durchaus möglich und zuweilen auch notwendig, allerdings »müssen sich diese Grenzen aus der Verfassung selbst, sprich aus kollidierenden anderen Grundrechten oder sonstigen Rechtsgütern von Verfassungsrang, ergeben« (Müller-Terpitz/Beyerbach 2014: 218).54 Grundrechtsträger der Wissenschaftsfreiheit sind sowohl Personen als auch wissenschaftliche Organisationen, wobei Art. 5 Abs. 3 GG »durch eine besondere Organisationsbezogenheit gekennzeichnet« ist (Schmidt-Assmann 1993: 697). Historisch und systematisch gesehen war die Wissenschaftsfreiheit ursprünglich als ein individuelles Abwehrrecht gegen staatliche Ein- und Übergriffe konzipiert, allerdings hat sich die grundrechtsdogmatische Auslegung inzwischen von dieser negativen Interpretation hin zu einer positiven Interpretation von Wissenschaftsfreiheit als eines staatlichen Gewährleistungsrechts weiterentwickelt, wodurch eine leistungsstaatliche Dimension zur Geltung kommt (vgl. Babke 2010: 7, 9). Es ist allerdings wichtig zu sehen, dass wissenschaftliche Forschung »kein isolierter, individualzentrierter gedanklicher Vorgang« ist, sondern sich der »Freiheit eines Handlungs- und Kommunikationszusammenhangs« verdankt, der »immer wieder von organisatorischen Elementen durchzogen [ist], die ihn mitkonstituieren, jedenfalls aber

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Zur verfassungsimmanenten Schrankenziehung Gärditz (2018: 29–31), der darauf verweist, dass die konkreten äußeren Grenzen der Wissenschaft »weder unmittelbar aus der Verfassung zu ermitteln noch von zeitloser Statik [sind]. Sie werden vielmehr demokratisch gesetzt und demokratisch verschoben. Verfassungsimmanente Schranken werden nicht schlicht nachgezeichnet; sie werden im Wege der Eingriffsrechtfertigung gestaltet« (ebd.: 30).

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abstützen« (Schmidt-Assmann 1993: 698).55 Dennoch gilt ein Vorrang der subjektiven Dimension und damit des personalen Schutzrechts der Wissenschaftsfreiheit als Abwehr- und Gewährleistungsrecht vor dem Organisationsgrundrecht in der objektiven Dimension des Schutzbereichs. Dies ist wiederum nicht mit der »Option für ein individualzentriertes Wissenschaftsverständnis zu verwechseln« (ebd.: 703), da der Nachrang des Institutionellen lediglich »die Gewichtung und Durchsetzungsfähigkeit dort [bestimmt], wo sich Konflikte zwischen Individualinteressen und aggregierten Interessen im Wissenschaftsbereich abzeichnen« (ebd.; vgl. Augsberg 2012: 78). Mit der grundrechtlich garantierten Wissenschaft überlässt es der Staat der Selbstregulierung der Wissenschaft, sich gemäß ihrer ›Eigenart‹ ein verbindliches Ethos und Verfahrensregeln zu geben. Insofern lassen sich durchaus Parallelen zu dem bekannten Diktum von Böckenförde (2000) ziehen. Mit Blick auf die Verfassungsgeschichte des Staates im Zuge der Säkularisierung heißt es dort: Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Andererseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots, zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben […]. (Böckenförde 2000: 112f.)

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Nach Augsberg (2012) ist Wissenschaft »damit als Gesamtphänomen zahlreicher Einzelprozesse gefasst, die in einem arbeitsteiligen Zusammenhang stehen und dabei in ihrem Zusammenwirken emergente, das heißt aus der bloßen Aggregation der Teile nicht erklärbare Eigenschaften entwickeln, die die Organisation als Ganzes charakterisieren. Diese Eigenschaften konstituieren die Fähigkeit der Wissenschaft zur Selbstorganisation« (76f.). Einführend zur Selbstorganisation der Wissenschaft auf wissenschaftstheoretischer Grundlage: Krohn/Küppers (1989).

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Das große Wagnis der Wissenschaftsfreiheit besteht darin, dass der Staat mit der Gewährung der Wissenschaftsfreiheit als Grundrecht nicht durch Zwang oder autoritatives Gebot die Hervorbringung einer bestimmten Form oder ›Art‹ der Wissenschaft garantieren kann, da der Staat durch solcherart Steuerungs- und Regulierungsbestreben gerade die Freiheit der Wissenschaft unterminierte. Entsprechend muss die Wissenschaftsfreiheit, ausgehend von ›einer moralischen Substanz‹, von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst vertreten und in diesem Sinne ›gelebt‹ (und auch verteidigt) werden. Diese grundlegend ambivalente Spannung im Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft kommt besonders deutlich mit Blick auf die Forderungen von politisch motivierten Zivilklausel-Initiativen zum Vorschein. Es geht hierbei um die entscheidende Frage, auf welche Weise solche Impulse zur Einführung von Zivilklauseln an Hochschulen induziert werden und welche Intentionen damit verbunden sind. Wenn es darum geht, der institutionalisierten Wissenschaft oder einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sei es von außerhalb oder innerhalb der Hochschulen, eine Norm vorgeben und kontrollieren zu wollen, dass keinerlei Forschung mit militärischem Bezug stattfinden soll, so kann dies durchaus als ein schwerwiegender Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit gewertet werden. Denn es obliegt grundsätzlich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst, aufgrund wissenschaftsimmanenter Überzeugungen souverän zu einem handlungsleitenden Ethos im Rahmen einer scientific community zu gelangen. Nach Gärditz (2018) genießt Wissenschaft gerade deshalb besonderen Schutz, weil sie als kritische Gegenöffentlichkeit Richtigkeitsaussagen treffen kann, die dem politischen Prozess entzogen bleiben und sich von den institutionellen Selektionsleistungen politischer Entscheidungsverfahren unterscheiden. […] Eine Wissenschaft, die sich aktiv als Teil einer politischen Bewegung versteht, kann ihren unverzichtbar Distanz erfordernden Anspruch auf kritische Eigenrationalität kaum aufrechterhalten. Politisches Agenda-Setting mit Anstandsfußnoten wird als Wissenschaft nicht mehr ernst genommen und erodiert damit gerade diejenigen Funk-

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tionsbedingungen, die eine wissenschaftliche Gegenöffentlichkeit ausmachen und ihr potenzielle Wirkungsräume verschaffen. […] Gerade indem sich die Wissenschaft auf das beschränkt, was sie mit ihrem eigenen Rationalitätsanspruch am besten kann […], entfaltet sich Wissenschaftsfreiheit als politisches Grundrecht (42f.).56 Das schließt nun jedoch eine ethische und rechtliche Verantwortung keineswegs aus, denn Verantwortung ist geradezu ein elementarer Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit (vgl. Hufen 2017a: 118).

2.5.3 Verantwortung (in) der Wissenschaft Mit dem Protest der »Göttinger Achtzehn« (siehe Abschnitt 2.1) wurde deutlich, dass die Wissenschaft sich zwar auf ein in enger Verbindung mit der Kunst- und Meinungsfreiheit stehendes Grundrecht berufen kann, jedoch spätestens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem »Kernelement der industrialisierten Welt« (Albrecht 2011: 210) geworden war und seitdem eine etwaige Verantwortung für die möglichen Folgen wissenschaftlichen Handelns nicht mehr ignorieren kann. Den Unterzeichnern des Appells, unter ihnen Carl Friedrich von Weizsäcker, war angesichts der Entwicklung atomarer Technologien, die ohne eine intensive und arbeitsteilige wissenschaftliche Forschung nicht möglich gewesen wäre, schon damals bewusst, dass »das Verhaltensschema der Wissenschaft […] den Hintergrund einer Ethik [braucht], die uns die Wissenschaft selbst nicht zu geben vermocht hat« (zit. n. Liebert 2011: 278). Gemäß dieser Auffassung kann die »Verstandeswelt der Wissenschaft […] nicht die Maßstäbe angeben, nach denen Wissenschaft eingeschätzt und im Hinblick auf ihre Wirkung in der Welt bewertet werden muss« (ebd.: 278). Allerdings stellt sich dann die Frage, welche 56

Entsprechend sieht Hillgruber (2021) die Autonomie der Wissenschaft gegenwärtig »dadurch gefährdet, dass Wissenschaftseinrichtungen sich, auch ohne staatlichen Rechtszwang, wissenschaftsfremden gesellschaftlichen Erwartungen willfährig unterwerfen und damit die Wissenschaftsfreiheit verraten« (219). Die eigentlichen Gefährdungen gehen somit »weniger vom Staat als vom autonomen Wissenschaftsbetrieb selbst aus« (ebd.: 224).

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Instanz die Ressourcen für die Bewertung und Beurteilung, für die Steuerung und Kontrolle der Wissenschaft bereitstellen soll. Nach Mittelstraß (2001) ist die moderne Welt ein Produkt von Wissenschaft und Technik, die als eine Welt des Artefakts (»LeonardoWelt«) auch die Natur und den Menschen erfasst. Durch die prometheische Aneignung von Natur und die Verbindung der Gesellschaft mit wissenschaftsbasierten technologischen Systemen verändert der Mensch auch die menschliche Natur, womit er die Evolution in die eigene wissenschaftlich-technische Hand genommen hat. Aus dem Subjekt des Fortschritts ist mit der sukzessiven Aneignung des Menschen durch die von ihm selbstgeschaffene Welt zumindest partiell auch ein Objekt des Fortschritts geworden (vgl. Mittelstraß 2001: 70f.). Doch der »Fortschritt in Wissenschaft und Technik ist […] seinem eigenen Wesen nach maßlos, und damit auch die Bewegung, die Wissenschaft und Technik bewirken« (Mittelstraß 1988a: 194). Die Wissenschaft verfährt nach einer eigenen, wissenschaftsimmanenten Rationalität, die zwar die instrumentellen »Verfügungskompetenzen einer Gesellschaft« (Mittelstraß 1988b: 313) stärken, aber damit noch keine »Orientierungskompetenzen in der Gesellschaft« (ebd.) bereitstellen kann: Wissenschaftliche Rationalität sagt selbst nicht, was Wissenschaft tun darf oder nicht, wie natürlich auch technische Rationalität nicht sagt, was Technik tun darf oder nicht. (Mittelstraß 1988a: 201) Angesichts der Differenz von Rationalitätstypen bedarf es einer handlungsleitenden praktischen Vernunft, die ein positivistisches Sachund Verfügungswissen mit einem regulativen Orientierungswissen hinsichtlich gerechtfertigter (und stets zu rechtfertigender) Zwecke und Ziele verbindet. Denn die Wissenschaft wirft der Sache nach bestimmte Probleme auf, die sie selbst nicht lösen kann: Zwar bildet Wissenschaft eine besondere Wissensform aus, aber damit nicht zugleich eine besondere Gesellschaftsform mit einer entsprechenden Ethik (vgl. Mittelstraß 2001: 75f., 80f.). Die »Bedingung für eine humane Welt« liegt nach der ernüchternden Einsicht in die aufklärerische Illusion, wonach »eine Steigerung des Intellekts und des wissenschaftlichen Wissens mehr oder weniger automatisch zu einer Humanisierung der Welt und der

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Gesellschaft führen würde« (Mittelstraß 1988a: 194), deshalb in einer Vernunft, die sich »als permanente Aufklärung und als der erklärte Wille, wieder in einer menschlichen Welt zu leben« (Mittelstraß 2001: 84), versteht.57 In diesem Sinne werden auch ethische Orientierungen stets ›gemacht‹ und können dann im Zuge eines Wertewandels in wissenschaftlich technologische Entwicklungen einbezogen werden (vgl. ebd.).58 Vor dem Hintergrund dieser Verhältnisbestimmung von Wissenschaft und Gesellschaft kann der komplexe und vielschichtige Begriff der Verantwortung zunächst grundlegend als eine vierstellige Relation verständlich gemacht werden: »A ist verantwortlich für B gegenüber C gemäß den Regeln D.« (Lohmann 2002: 366).59 Jemand kann nur 57

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Habermas (1991) unterscheidet im Rahmen seiner Diskursethik einen pragmatischen, ethischen und moralischen Gebrauch der praktischen Vernunft, weil die Frage »Was soll ich tun?« verschiedene Typen von Antworten und damit auch Typen von Handlungen nach sich ziehen kann: Praktische Probleme drängen demnach zu einer Lösung, weil bestimmte Mittel ergriffen und planvoll ins Werk gesetzt werden müssen, um irgendeinen Zweck erreichen zu können. Dieser an Problembewältigung ausgerichtete Vernunftgebrauch repräsentiert gewissermaßen den ›Normalfall‹ wissenschaftlich-technischer Tätigkeit. Dagegen zielen ethische Überlegungen nicht auf das praktisch Mögliche und Zweckmäßige, sondern im Verbund mit starken Wertpräferenzen auf die Frage nach dem guten Leben, während die Frage der Moral nach einer individuellen Reflexion auf die pflichtmäßig gebotene Handlungsweise verlangt. Eine auf dieser Grundlage aufruhende Ethik muss nach Mittelstraß eine »Bürgerethik« und keine gesonderte Wissenschaftsethik sein, da sich die ethische Welt der Gesellschaft nicht teilen lasse und eine Wissenschaftlerin bzw. ein Wissenschaftler grundsätzlich nicht für mehr verantwortlich zu machen sei als jede andere Bürgerin bzw. jeder andere Bürger. Gleichwohl bedarf es eines besonderen Ethos (Berufsethos), wie es sich in den Regeln und Normen für die Wissenschaftspraxis zeigt. Siehe MPG (2010), die Analyse der Institutionalisierung von Ethikkodizees und Ethikkommissionen in Wilms (2010), sowie beispielhaft die ethische Erörterung eines dual use research of concern in EKAH (2016). Siehe für einen sehr ausdifferenzierten Ordnungs- und Schematisierungsversuch von Verantwortungsbeziehungen, auf den hier nicht weiter eingegangen werden kann, Lenk (1992: 25–36).

2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

dann für etwas (ein Handeln oder Unterlassen) verantwortlich gemacht werden, wenn es (a) freiwillig und ohne Zwang, (b) mit Absicht und (c) in nachweisbarer Kausalität geschah. Die Verantwortungsübernahme erfolgt dann gegenüber einer Person oder einer Instanz, wobei diese sich gleichermaßen auf jeweils diejenigen Regeln bezieht, die ein bestimmtes Verantwortungsverhältnis konstituieren (vgl. ebd.: 366f.). Ausgehend von den Regeln, die im Rahmen eines Verantwortungsverhältnisses als geltend unterstellt werden, können mehrere Verantwortungstypen unterschieden werden, etwa eine moralische, ethische und (rollen-)spezifische Verantwortung. Diese Verantwortungen »können sich überlagern und verstärken, müssen aber nicht deckungsgleich sein« (ebd.: 367), wobei die rechtliche Institutionalisierung von Verantwortung eine juridische Regelung von Verantwortungen vornimmt, die sowohl moralischer, ethischer wie auch spezifischer Natur sein können (vgl. ebd.). Zur Komplexität des Verantwortungsbegriffs gehört außerdem, dass Verantwortung in den verschiedenen Verantwortungstypen nicht nur individuellen, sondern auch kollektiven Verantwortungsträgern zugeschrieben werden kann, d.h. sowohl natürliche als auch juristische Personen können eine Verantwortung übernehmen (vgl. ebd.: 368f.; Meisch 2012: 29–34). Die damit einhergehenden Verantwortungen stehen oft in wechselseitigen Beziehungen zueinander und können einander bedingen bzw. beeinflussen. So lässt sich etwa unter dem Stichwort einer »Ethik des institutionellen Handelns« (Lenk 1992: 107) ein Handeln beschreiben, welches über bzw. durch Organisationen bestimmte Handlungsdispositionen »institutionalisiert«, also hervorbringt, festsetzt, verändert und fortschreibt. Institutionelles Handeln steht dann insofern über dem individuellen Handeln, als es dieses beschränkt, reguliert, sanktioniert usw. (vgl. ebd.: 107f.).60

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Siehe zur institutionellen Verantwortung der Wissenschaft Hubig (1995): »In ihrer organisierten Form ist Wissenschaft ein Machtfaktor, der keineswegs ohne Einfluß auf die Prozesse ist, in denen die Erträge der Wissenschaften für bestimmte Zwecke Verwendung finden. Dies geht weit über den Bereich des Beratens und Mahnens hinaus. […] Vielmehr sind die Wissenschaften eine kul-

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Friedens- und Zivilklauseln sind als institutionelle Selbstverpflichtungen, zumindest expressis verbis, Ausdruck einer institutionalisierten Verantwortungsübernahme von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die aber mittelbar auf eine individuelle Verantwortung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zielt, zumal diese einem Primat der Garantie individueller Wissenschaftsfreiheit korrespondiert. Insofern stehen Forderungen nach einem »Hippokratischen Eid für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler« in Anlehnung an das berufsständische Ethos der Medizin in einer aufschlussreichen ›Mittelposition‹ zwischen individueller und kollektiver Verantwortung.61

2.5.4 Verfassungskonformität von Friedens- und Zivilklauseln Die Frage, ob Friedens- und Zivilklauseln als institutionelle Selbstverpflichtungen von Hochschulen oder auch im Rahmen hochschulrechtlicher Regelungen einzelner Bundesländer mit dem Grundgesetz vereinbar sind, wurde zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Aufgrund der Komplexität der rechtswissenschaftlichen Analysen und Erörterungen wird im Folgenden keine umfassende Darstellung des juristischen Sachzusammenhangs, sondern lediglich eine charakterisierende Skizze des Diskussionstandes wiedergegeben. In Bezug auf das zentrale Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit besteht ein weitgehender Konsens darüber, dass Friedens- und Zivil-

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turprägende Kraft […].« (182) Albrecht (2011) verweist in diesem Sinne auf die zwei Seiten wissenschaftlicher Verantwortung: »Anerkennung der […] Verantwortbarkeit ihres Tuns und Lassens« sowie »Organisation der Wahrnehmung von Verantwortung« (210). Siehe das Plädoyer von Rotblat (1999) für einen solchen Eid, der folgenden Wortlaut haben könnte: »I promise to work for a better world, where science and technology are used in socially responsible ways. I will not use my education for any purpose intended to harm human beings or the environment. Throughout my career, I will consider the ethical implications of my work before I take action. While the demands placed upon me may be great, I sign this declaration because I recognize that individual responsibility is the first step on the path to peace.«

2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

klauseln62 stets eine Begrenzung darstellen. Eine deutliche Uneinigkeit besteht gleichwohl in der Frage, ob und mit welchen Gründen eine solche Begrenzung gerechtfertigt werden kann. Eine Argumentationslinie, die insbesondere mit dem Namen Erhard Denninger verbunden ist, beruft sich auf die sogenannte Friedensfinalität des Grundgesetzes und macht geltend, dass eine »Orientierung auf den Dienst am Frieden […] ein hochrangiges unmittelbares Verfassungsrechtsgut« sei, welches »ausgedrückt in einer Zivilklausel, gegen die auf militärische Relevanz ausgerichtete Forschung in Anschlag gebracht werden« (Denninger 2012a: 217) könne.63 Insofern seien Zivilklauseln nicht verfassungswidrig, sondern vielmehr im Zuge der Ausrichtung des Grundgesetzes auf den Frieden und dessen Beförderung zu begrüßen. Konflikte bzw. Kollisionen dieser ›Staatszielbestimmung‹ mit der »Freiheit der Wissenschaft als verfassungsrechtlicher Maßstab für das gesamte, auch außeruniversitäre Wissenschaftssystem« (Denninger 2009: 11) müssten entsprechend dem Prinzip der praktischen Konkordanz (Denninger 2012a: 218) gelöst werden.64 Einige Autoren gehen in kritischer Differenzierung darauf ein, dass zwar eine Friedensorientierung der Verfassung konstatiert werden könne, diese lasse sich jedoch nicht als »Verfassungsgut rekonstruieren«, da im Grundgesetz nicht festgelegt sei, »auf welchem Wege das Ziel des Friedens zu erreichen ist«, weshalb eine »bloße Friedensfinalität

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Bemerkenswert ist mit Blick auf die gesamte Debatte, dass trotz der üblichen begrifflichen Genauigkeit rechtswissenschaftlicher Untersuchungen selbst in diesem Bereich, mit wenigen Ausnahmen (u.a. Denninger 2012a, Köpcke-Dutler 2019), einer präzisen Unterscheidung von Friedens- und Zivilklauseln (vgl. Abschnitt 2.2) bislang keine weitergehende Aufmerksamkeit zuteilwurde. Bei einer detaillierteren Analyse und Bewertung der Debattenbeiträge ist deshalb auch zu berücksichtigen, auf welchen konkreten Fall einer institutionellen Selbstverpflichtung sich eine Untersuchung jeweils bezieht. Vgl. auch Denninger (2012b, 2015); zustimmend Hoppe (2012: 5, 8), Stuby (2013: 225f.), Böhrnsen (2014: 75), Köpcke-Dutler (2019: 83f.). Denninger (2012a) weist jedoch auch darauf hin, dass der »Streit um Bedeutung und Zulässigkeit von Friedens- und Zivilklauseln […] primär ein politischer Streit« (219) sei.

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[…] nicht geeignet [ist], unbedingt-pazifistische Zivilklauseln zu tragen« (Lassahn 2014: 656). Diesem Befund zustimmend, argumentiert Herzmann (2011), dass die Friedensfinalität nicht eindeutig genug sei, »um in der Zivilklausel eine zwingende Verfassungskonkretisierung zu sehen« (380). Vielmehr zeige sich mit dem Leitbild einer ›wehrhaften Friedensstaatlichkeit‹ […], dass das Grundgesetz militärische Mittel zur Friedenssicherung durchaus als zulässig betrachtet. Nicht der Krieg, sondern ausschließlich der Angriffskrieg ist per se verfassungswidrig (ebd.).65 Eine andere zentrale Argumentationslinie in der Diskussion nimmt das »Spannungsverhältnis zwischen engagiertem Pazifismus und dem durch die Wissenschaftsfreiheit, aber auch durch andere Verfassungswerte geschützten Freiraum forscherischer Betätigung« (Oppermann 1993: 672) in den Blick. Gemäß dieser Begründung obliegt die Verantwortung für die Forschung in autonomer Weise der einzelnen Wissenschaftlerin bzw. dem einzelnen Wissenschaftler (vgl. ebd.: 678), weil nur damit dem »Prinzip der offenen Forschung« und der »Wahrung der Freiräume für alle Seiten« (ebd.: 678f.) entsprochen werden könne.66 65

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Ähnlich Oppermann (1993: 676f.), der deutlich vor einer »Tendenzuniversität« (678) und einem »gutgemeinten, aber wirklichkeitsfernen ›Friedensextremismus‹« (679) warnt. Löwer (2020) unterscheidet diesbezüglich zwischen imperativischen und nicht-imperativischen Zivilklauseln. Letztere sind »Zielnormen, die ein Wissenschaftler in seiner Arbeit reflektieren soll« (68), und die als ein »›Bedenken‹ ohne Verbotspotential verfassungsrechtlich unbedenklich« sind, wohingegen imperativische Zivilklauseln verfassungswidrig sind, »weil sie ein pazifistisches Konzept zur Sicherung des Friedens für einzig vertretbar erklären« (ebd.). Deshalb sollten Zivilklauseln »nur vorsichtig gefasst werden. Sie dürfen nicht als Verbotsnormen für militärische Forschung formuliert werden und als solche auch nicht gemeint sein. […] Forschung für militärische Zwecke ist nicht per se unethisch und gewiss nicht rechtlich verboten.« (Löwer 2014: 17f.) Ebenfalls deutlich ablehnend Horn (2012) und Krause (2014), vorsichtiger abwägend Hufen (2012b): »Soweit solche Klauseln über eine freiwillige Selbstverpflichtung hinausgehen, handelt es sich um Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit, die […] einer verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht standhalten. […] Allgemeine Verbote von ›Militärforschung‹ oder militärisch verwendbarer

2. Friedens- und Zivilklauseln an deutschen Hochschulen

In diesem Zusammenhang stellt sich u.a. auch die Frage, ob und inwiefern Zivilklauseln, die z.B. in Grundordnungen von Hochschulen aufgenommen werden, als rechtsverbindlich gelten können. Während Böhrnsen (2014) in solchen institutionellen Selbstverpflichtungen keine Rechtsverbindlichkeit, »sondern lediglich eine Absichtserklärung der Hochschulen« (74) sehen möchte, meint Lassahn (2014): »Wenn die Klausel als Teil einer Satzung oder gar eines Hochschulgesetzes erlassen wird, spricht das für den Charakter als echte Rechtspflicht.« (652) Nach Herzmann (2011) ist die Vorgabe einer Zivilklausel jedoch nicht mit universitären Selbstverwaltungsrechten zu rechtfertigen, denn die Hochschule habe gerade die Wissenschaftsfreiheit gegenüber dem individuellen Grundrechtsträger zu verteidigen und zu schützen (vgl. 381f.). In seinem Gutachten für die Universität Köln ist Sachs (2013) bestrebt, eine verfassungskonforme Auslegung der in Rede stehenden Zivilklausel anzubieten, kommt jedoch nach sorgfältiger Prüfung zu dem Schluss, dass es sich auf der rechtlichen Ebene der ZivilklauselEinführung gar nicht um eine rechtswirksame Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit handeln könne, da eine solche im Rahmen einer universitären Grundordnung ohne eine gesetzliche Ermächtigung nicht zulässig sei (vgl. 205–208).67

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Forschung und abstrakte ›Zivilklauseln‹, das Verbot von Auftragsforschung aus dem Militärsektor und andere Einschränkungen sind allenfalls dann gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz anderer Verfassungsgüter erforderlich ist« (1268). Vgl. zur Ablehnung abstrakter Zivil- oder Friedensklauseln, die mit bloßem Verweis darauf, dem Frieden zu dienen, nicht zu rechtfertigen seien: Hufen (2012a: 120). Siehe zum Oppermann-Gutachten: Schröter (1991). Ähnlich argumentiert auch Löwer (2014): »Die Friedensklauseln etc. dürfen […] kein Verbot enthalten, das dem einzelnen Forscher das Recht bestreitet, sich um Forschungsmittel z.B. aus der Ressortforschung des Bundesministers der Verteidigung zu bewerben oder solche annehmen zu dürfen. Damit würde die Wissenschaftsfreiheit verletzt, weil ein solcher Grundrechtseingriff durch universitätsautonomes Recht verfassungsrechtlich gar nicht zulässig ist; der Gesetzesvorbehalt für Grundrechtseingriffe ist Vorbehaltsbereich des parlamentarischen Gesetzgebers.« (18)

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Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die mit Friedensund Zivilklauseln intendierte Profilierung von Hochschulen, mit der eine bestimmte Wertentscheidung und die Verantwortungsbereitschaft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Geltung kommen soll, nach Meinung einiger Autorinnen und Autoren durchaus verfassungskonform durchgeführt werden kann.68 So sehen etwa Losch (1993) und Losch/Radau (2003) die Forschungs- und Wissenschaftsverantwortung als eine Verfahrensaufgabe an, die sich gegen eine formalinhaltliche Tatbestandsreduktion der Forschungsfreiheit wendet und die »spezifische Kommunikations- und Handlungspraxis« betont, die selbstregulativ »Handlungsstrukturen und Grenzen entfaltet«.69

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Siehe hierzu die gründliche Analyse von Müller-Terpitz/Beyerbach (2014) zu den diesbezüglichen Bedingungen und Möglichkeiten von Friedens- und Zivilklauseln, aber auch von sogenannten Entwicklungs- und Reflexionsklauseln, die z.B. im HZG NRW verankert waren. »Die Wissenschaft und die ihr zugeordnete Freiheit kann so durch ihre eigene Qualität als Kommunikations- und Handlungsprozess, in welchem sich die Handlungsregeln, Standards und Orientierungen äußern, selbst zur Schranke werden, ohne dass man gezwungen wäre, diese Schranke von außen heranzuholen.« (Losch/Radau 2003: 394)

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

3.1 Wie eine institutionelle Selbstverpflichtung entsteht – der Prozess Die Einführung und Implementierung der institutionellen Selbstverpflichtung, wonach Forschung, Studium und Lehre ausschließlich einem friedlichen Ziel verpflichtet und auf zivile Zwecke ausgerichtet sind, erfolgte an der TUD in einem Prozess, der in fünf Phasen gegliedert werden kann und im Folgenden auf Grundlage der Auskünfte beteiligter Akteurinnen und Akteure sowie verschiedener Dokumente dargestellt wird.

3.1.1 Impuls und Initiative Die ersten Impulse für die Diskussion über die Einführung einer Zivilklausel »kamen schwerpunktmäßig aus der Studierendenschaft« (IP II), das heißt »die Studierenden waren das überhaupt, die […] das Ganze ins Rollen gebracht haben, 2010/11« (IP III).1 Ein genauerer Bezug lässt sich 1

Dagegen IP I: »Es kam auf schon irgendwie so in der hochschulpolitischen Diskussion, ein Eindruck war, dass es da aber schon im Vorfeld Diskussionen gegeben hat. […] Also, sicher hatten studentische Akteure da eine Rolle; ob das diejenigen waren, die darauf gestoßen sind, ist ne andere Frage.« Und weiter: »Ich habe es so wahrgenommen, dass die breite öffentliche Diskussion eigentlich erst später begann […]. Es ist bei uns an der TU aber sehr schnell genauso bei den Professoren diskutiert worden wie bei den Studierenden und in der

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hierbei offenbar zur IANUS-Gruppe herstellen (siehe auch Abschnitt 2.4): Der Impuls ging von einem Physikstudenten und einer kleinen Professorengruppe, überwiegend Physiker, aus. An der TU Darmstadt gab es die Forschungseinrichtung IANUS, die sich mit Fragen von Abrüstung und der »Ianus-köpfigkeit« von technischer Forschung beschäftigt haben. Darmstadt hat hier eine Tradition, da wir einen der ersten nuklearen Forschungsreaktoren hatten und die ursprünglich zivil angelegte Energieforschung in der Zeit des Nationalsozialismus militärisch genutzt wurde. Deshalb gibt es in der Physik ein Bewusstsein für den Themenkomplex. (IP IV) Am 14. Dezember 2010 fand eine Vollversammlung der Studierendenschaft der TUD statt, auf der u.a. über das Thema »Rüstungsforschung und Zivilklausel« gesprochen werden sollte.2 Wohl im direkten Anschluss daran veröffentlichte das Studierendenparlament3 am 24. Januar 2011 eine Resolution gegen Rüstungsforschung und zivil-militärische Kooperationen an der TUD. Die darin enthaltenen Forderungen an die verschiedenen Leitungsgremien der TUD sind klar benannt und beziehen sich auf drei wesentliche Punkte:4 (1) Das Präsidium wird aufgefordert, alle Forschungsleistungen an der TUD mit Bezug auf Rüstungsforschung und zivil-militärische Kooperationen der vergangenen zehn Jahre zu veröffentlichen und dabei umfassende Informationen bereitzustellen, die »den Zweck, das finanzielle Volumen einschließlich aller Personalausgaben der

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Verwaltung und so weiter, also es war dann nicht so, dass es eine Art AgendaSetting seitens der Studierenden gegeben hat, nach meiner Wahrnehmung.« Siehe dazu die Ankündigung des AStA vom 9. Dezember 2010 unter: https://www.asta.tu-darmstadt.de/de/node/1180. Das Studierendenparlament ist das höchste Gremium der Studierendenschaft an der TUD. Die 31 Mitglieder des Parlaments werden einmal im Jahr per Listenwahl gewählt, zu den Aufgaben gehört u.a. die Wahl und Entlastung des AStA. Alle folgenden Zitationen aus der Bekanntgabe der Resolution im Beitrag unter: https://www.asta.tu-darmstadt.de/de/node/1191.

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

Forschungsleistungen, sowie deren KooperationspartnerInnen und DrittmittelgeberInnen enthalten«. (2) Es werden »alle Senatsmitglieder der Technischen Universität Darmstadt [aufgefordert], eine adäquate Zivilklausel in die Grundsätze von Forschung und Lehre der Technischen Universität Darmstadt zu schreiben«. Diese Zivilklausel müsse »ein klares Verbot von sämtlichen Rüstungsforschungsleistungen und zivil-militärischen Kooperationen« enthalten. (3) Die Mitglieder der UV werden aufgefordert, »ein Verbot von Rüstungsforschung und zivil-militärischen Kooperationen in die Grundordnung der Technischen Universität aufzunehmen«.5 Darüber hinaus wird der AStA der TUD »mit der Organisation von entsprechenden Informationsveranstaltungen im Rahmen der von der LandesAStenKonferenz organisierten Kampagne für eine Zivilklausel« beauftragt.6 Als Ergebnis eines Erarbeitungsprozesses durch die Studierendenschaft, der sich im Detail nicht mehr rekonstruieren lässt, wurde auf einer Sitzung am 15. Juni 2011 »von einer statusübergreifenden Gruppe der Antrag auf eine Zivilklausel in der Universitätsversammlung ge5

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Der Vorschlag für den in die Grundordnung aufzunehmenden Passus lautete nach Angaben von Fachwerk, einer politischen Hochschulgruppe, die als Liste der Fachschaften für das Studierendenparlament antritt: »Die Technische Universität Darmstadt ist in ihrer Eigenverantwortung der Berücksichtigung folgender Prinzipien verpflichtet: […] Einer friedlichen und zivilen Gesellschaftsentwicklung. Die Universität ist selbst eine zivile Einrichtung, ihre Forschung dient ausschließlich zivilen Zwecken.« Siehe den Beitrag unter: https://www.fachwerkhouse.de/hearing-zur-zivilklausel. Der Verweis auf die »Kampagne für eine Zivilklausel« geht auf ein AStA-Vernetzungstreffen am 17. Oktober 2010 an der Universität Kassel zurück, auf dem ein bundesweites »Bündnis Zivilklausel« gegründet wurde. Diese Debatte dürfte nicht unerheblich zu den Initiativen an der TUD beigetragen haben, wie auch IP I bemerkt: »Und dann tauchte das [Konventsbeschluss von 1973/Diskussion um friedenspolitische Missionen; F.B.] wieder auf, vielleicht, weil es zu dieser Zeit wieder irgendwie öffentlich oder auf der Ebene von Landes-ASten-Konferenzen darüber gesprochen wurde.«

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stellt«. Allerdings wurde dieser Antrag »vertagt, um weiter an der Formulierung zu arbeiten« (Eisenhardt 2012).7 Diese erste Initiative kam, wie Kütt/Wunderlich (2012: 21) bemerken, in einem hochschulpolitisch sehr spannenden Verfahren zustande. Im Vorfeld der Sitzung der Universitätsversammlung stellten VertreterInnen der Studierendenschaft einen ersten Antrag zur Aufnahme der Zivilklausel in die Grundordnung. Der damalige Vorschlag ähnelte dem nun [September 2012; F.B.] beschlossenen, doch fehlten ausführliche Leitlinien. In der Sitzung selbst gab es, eingebracht vom Vorstand der Universitätsversammlung, einen alternativen Vorschlag: eine Resolution der UV sollte verabschiedet werden. Die AntragstellerInnen des ersten Antrags hielten dies für nicht ausreichend, so wurde das Thema vertagt und an eine Arbeitsgruppe verwiesen.8 Die erste Sitzung der UV zum Thema Zivilklausel war vermutlich von richtungsweisender Bedeutung für den weiteren Prozess, denn den Beteiligten dürfte angesichts der Antragstellung auch der »Handlungsbedarf« (IP I) in Bezug auf den bereits bestehenden Beschluss des Konvents bewusst geworden sein, der offenbar nicht einfach durch eine weitere »Resolution« zu bestätigen war.9 Die erste AG zum Thema Zivilklausel wurde daraufhin von der UV initiiert und trat nach der konstituierenden 7 8

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Die Angabe der konkreten Daten basiert im Folgenden auch auf o.A. (2012). Ob bei diesem ersten Antrag nur »VertreterInnen der Studierendenschaft« federführend waren oder, wie IP IV angibt, »statusübergreifend (6 Studis, 1 Prof, 1 WiMi)« agiert wurde (so auch IP III: »2011 Antrag von Professoren, Studierenden und WiMis«), lässt sich nicht abschließend beurteilen. Die Mehrheitsverhältnisse in der statusübergreifenden Gruppe zeugen jedoch von einer Initiative, die zumindest maßgeblich von Studierenden getragen wurde. Eine ›Aktualisierung‹ des Beschlusses war sicherlich schon deshalb angezeigt, weil bereits die Resolution des Studierendenparlaments eine Aufnahme des Verbots militärischer Forschung in die Grundordnung und damit auf eine hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit andere Ebene vorsah. Noch einmal IP I: »Das war […] relativ rasch ein im Grunde formalisierter Prozess, die Universitätsversammlung hat das nämlich diskutiert und festgestellt: […] da gibt’s ja tatsächlich diesen alten Konventsbeschluss, das Thema ist sozusagen da, […] da muss man sich da irgendwie was überlegen.«

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

Sitzung der neu gewählten UV am 2. November schließlich im Dezember 2011 erstmalig zusammen.10 Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung gründete der AStA der TUD im Oktober 2011 das Referat für Hochschulpolitik und Entmilitarisierung, um zivil-militärische Kooperationen (u.a. mit Universitäten der Bundeswehr) und die Sicherheitsforschung an der TUD zu thematisieren. Nach eigenen Angaben beteiligt sich [das Referat] aktiv an der Erarbeitung der Zivilklausel und verfolgt das Ziel, Forschungsprojekte mit militärischem Hintergrund oder Nutzen in die Öffentlichkeit zu bringen, um zu kritischen Diskussionen anzuregen (Eisenhardt 2012).

3.1.2 Vorbereitung Die Einsetzung der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Einführung einer Zivilklausel zielte von Anfang an auf eine hochschulöffentliche Debatte. Am 19. Dezember 2011 fand das erste öffentliche Hearing statt, eine Veranstaltung mit Vorträgen und Diskussionen. Nach einem Bericht von Fachwerk wurden dabei u.a. ausführlich die Begriffe »friedlich«, »zivil« und »militärisch« diskutiert, zudem ging es insbesondere um Fragen des Dual-Use, z.B. bei Kooperationen mit Unternehmen, die sowohl zivile als auch militärische Zwecke verfolgen, und darum, wie Sanktionsmöglichkeiten aussehen könnten. Vertreten waren u.a. eine Referentin vom AStA, ein Mitarbeiter vom Dezernat Personal- und Rechtsangelegenheiten sowie der Vorstand der UV.11

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»Der Arbeitskreis hat im Dezember 2011 seine Arbeit aufgenommen und im Sommer [2012; F.B.] soll über die Zivilklausel in der Universitätsversammlung abgestimmt werden.« (Eisenhardt 2012) Vgl. https://www.fachwerkhouse.de/hearing-zur-zivilklausel.

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Der Prozess der hochschulöffentlichen Diskussion wurde von der Arbeitsgruppe […] organisiert, deren Vorsitz der 4-köpfige UV-Vorstand hatte. […] Die AG hatte feste Mitglieder, die sich aus Interessierten zusammensetzte, unabhängig von der Statusgruppe. Die AG hatte interne Arbeitstreffen und dann öffentliche Hearings, bei denen die Hochschulöffentlichkeit eingeladen wurde, um den aktuellen Arbeitsstand zu besprechen. (IP IV)12 Im Frühjahr 2012 fanden mehrere Arbeitssitzungen statt, bei denen es um die Formulierung des Zivilklausel-Textes und um die Erarbeitung einer Erläuterung zu den geplanten Änderungen ging. Ein zweites hochschulöffentliches Hearing wurde am 15. August 2012 veranstaltet und befasste sich hauptsächlich mit dem Inhalt und der Funktion des entstandenen Arbeitspapiers.13 Das Arbeitspapier selbst war Ergebnis eines intensiven Diskussions- und Arbeitsprozesses, den eine Interviewpartnerin als »Kleinarbeiten des Themas« (IP I) charakterisiert hat. Die Bearbeitung des Themas beinhaltete nicht nur eine grundsätzliche Verständigung über den Kontext des Themas Zivilklausel (Geschichte, Vergleich mit anderen Hochschulen), sondern insbesondere auch eine intensiv diskutierte Arbeit an der Formulierung eines konkreten

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Dazu ergänzend Kütt/Wunderlich (2012): »Diese Arbeitsgruppe bestand vor allem aus Mitgliedern der Universitätsversammlung, war aber offen für alle Universitätsangehörigen. Dies wurde auch rege genutzt, so dass zu einem ersten ›Hearing‹ rund vierzig Personen aller Statusgruppen zusammenkamen, um konstruktiv zu diskutieren. In diesem Treffen wurden die groben Richtungen abgesteckt, welche anschließend von einer kleineren Gruppe redaktionell umgesetzt wurden.« (21) »Die ›Redaktionsgruppe‹ traf sich einige Male im Verlauf des Jahres, und erarbeitete den beschlossenen Satz sowie die dazugehörigen, erklärenden Leitlinien. Das Ergebnis wurde nochmals in einem größeren Hearing besprochen, überarbeitet und schlussendlich in der Universitätsversammlung vorgestellt.« (Kütt/Wunderlich 2012: 21)

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

Textvorschlags.14 Grundlegend war dabei die Frage: »Was wollen wir als Universität?« (IP III). In diesem Zusammenhang spielten die besondere Organisationsund Fächerstruktur an der TUD sowie einige herausragende Persönlichkeiten eine entscheidende Rolle: Der fachliche Schwerpunkt liegt an der TUD in den Ingenieurwissenschaften, gefolgt von den Naturwissenschaften und einem kleineren Anteil an Geisteswissenschaften. Diese Voraussetzung bedingte zunächst eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung der Relevanz des Themas Zivilklausel in den jeweiligen Fachbereichen, denn »so gefühlt spielt das in den Ingenieurwissenschaften eine größere Rolle als auch in den Naturwissenschaften, und erst recht dann in den Geisteswissenschaften« (IP II). Allerdings gibt es »einen hohen Identifikationsgrad aller Statusgruppen mit [dem] Autonomiestatus der Uni« (IP I), was die Universität »gerne, und damals noch mehr als heute, deutlich macht« (IP II). Aus diesem Selbstverständnis heraus und in Form des mit dem Autonomiestatus genuin verbundenen

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Nach Mitteilung von IP I war es »die Grundidee bei allem […], dass es erstens komplex ist, man muss also der inhaltlichen Komplexität der Aufgabe, den Gegenstand zu präzisieren, den man für wirklich problematisch hält, also wo das Nein beginnt, dem muss man sich stellen und das geht nicht auf einer logischen Ebene oder mit einer begrifflichen Opposition. Das ist also […] ein abstraktes Motiv in der Sache und da wurde jetzt gearbeitet, um diese Mehrdimensionalität der Problemstellung abzubilden. Und das zweite ist, das ein klarer Wille da war, möglichst konkret werden zu können. Es hilft uns nichts, eine Bekundung, wie wir irgendetwas finden, also eine meinungsartige abstrakte Bewertung irgendwo aufzupflanzen, wenn wir diese Bewertung dann nicht […] auf einen konkreten Fall beziehen können.« (IP I) Auffällig ist, dass der vorliegende Konventsbeschluss für die Neuformulierung offensichtlich keine Rolle spielte, IP I meint sogar: »[N]ull Kontinuität […]. Die […] hat nie mitgeschwungen bei dieser Senats-AG oder bei dieser ersten AG, bei der Universammlungs-AG auch nicht. [D]ie Idee war, wir machen was Neues, wir machen eine richtige Zivilklausel, also diese Altformulierung, da konnte sich niemand dran erinnern, das war nur Zeichen, da gab’s mal was, die wurde auch als nicht adäquat empfunden. [I]ch kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand mit dieser Formel irgendwie gewedelt hätte oder die nochmal als Anhaltspunkt bei der Suche nach neuen Formulierungen verwendet hätte. Komplette Disruption.«

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Gremiums der UV hatte sich bereits eine »direkte Kommunikation auch über die Fächergruppen hinweg« (IP I) etabliert: […] unsere Universitätsöffentlichkeit legt eben auf diese Interdisziplinarität großen Wert und das meint nicht nur: Wir forschen auch fächerübergreifend, sondern dass meint auch: Wir gehören zusammen und […] alle Fachkulturen müssen sich abbilden in dem, was die TU macht. (IP I)15 Beim Thema Zivilklausel waren es jedoch konkret Professorinnen und Professoren der Geisteswissenschaften, »die das […] sehr schnell aufgegriffen haben, und dann eine Diskussion der Hochschule darüber geführt haben« (IP II). Ausgesprochen prägend waren hierbei Christoph Hubig, Professor für Philosophie der wissenschaftlich-technischen Kultur, der u.a. bei der Erstellung der »Ethischen Grundsätze des Ingenieurberufs« des Vereins Deutscher Ingenieure e.V. (VDI) mitwirkte,16 sowie Petra Gehring, Professorin für Philosophie, und Lina Eisenhardt 15

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Weiter heißt es: »[…] und das war auch klar und so ist die Diskussion auch von Anfang an geführt worden, das ist jetzt nicht ein ING-Problem, die Sache mit der Zivilklausel, oder nur ein NAT-Problem oder nur ING- und NAT-Problem, sondern das betrifft alle Fächer. […] Das ist sicherlich auch nochmal wichtig gewesen für die Sichtweise der Professorenschaft, aber eigentlich auch bei den Studierenden. Also es war relativ angenehm und klar, dass da jetzt nicht eine Fächergruppe auf die andere zeigt, so: Ihr mit eurer Forschung, wir sind ja die Guten, die jetzt irgendwie dauernd da sozusagen das Friedensthema verwalten.« (IP I) »[B]esonders engagiert in der Phase war Professor Hubig, Philosophieprofessor, jetzt emeritiert, der da sehr viel vorangetrieben hat« (IP III). So auch IP I: »[…] und dann wurde also in zahlreichen Sitzungen […] diskutiert, es wurde natürlich verglichen, was machen andere, was gibt’s überhaupt jetzt irgendwie so, Geschichte der Zivilklausel und so weiter. Und [Hubig] hatte da grade, was die Geduld, eine Formulierung auszuarbeiten, angeht, eine Schlüsselrolle und diese sehr subtile Version von Zivilklausel, die wir letztlich dann […] diskutiert und beschlossen haben, geht im Grunde zurück auf diese […] Formulierungsarbeit, wo immer wieder der Blick auch von den Philosophen war, zurück. Also diese Unterscheidung von Zielen und Zwecken, und Optimierungsoptionen, da steckt sozusagen eine technikphilosophische Expertise drin.« Siehe hierzu auch die Veröffentlichungen Hubig (2012a, 2012b, 2014), die in unmittelbarem

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

als studentisches Mitglied der Arbeitsgruppe. Diese Personen sind repräsentativ, weil die »Aktivisten waren […] definitiv die Studierenden und die Professorinnen und Professoren« (IP III),17 woraus sich eine kontroverse, gleichwohl stets an einem Konsens orientierte Debattenkultur entwickelte: Von den Studierenden haben aus allen Gremien Interessierte am Prozess mitgewirkt, tatsächlich waren aber besonders intensiv die Professor:innen beteiligt. Es war eine spannende Mischung aus Alt-68er Hippies und konservativen Ingenieuren [sic!], die teilweise in ihrer Karriere auch Rüstungsforschung betrieben haben. Wenn die Fetzen geflogen sind, dann unter den Profs. Wir haben in der AG im Konsensprinzip gearbeitet, d.h. alle Positionen, auch die der Studierenden, wurden angemessen berücksichtigt. Wir waren uns einig, wenn es gut werden soll, dann braucht es einen breiten Stand in der Universität. (IP IV)18 Entlang dieses Prinzips wurden sowohl fachspezifische Vorbehalte, insbesondere aus den Ingenieurwissenschaften (so IP III), als auch

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Zusammenhang mit dem Prozess der Einführung einer Zivilklausel an der TUD stehen. Zum studentischen Engagement auch IP II: »[…] den Studierenden war es sehr wichtig und die Studierenden haben das nicht nur ein bisschen begleitet, sondern sie haben auf ihre Art […] auch ihren Einfluss ausgeübt und haben dort die Diskussionen immer wieder, ich will nicht sagen: angefacht, aber das war ihnen schon sehr sehr wichtig. Und ich hatte den Eindruck, vielen Personen aus den anderen Statusgruppen war es schon auch wichtig, sich damit zu befassen, weil [mit Blick auf die Größe der Statusgruppe Studierende; F.B.] es ging dann schon oder es geht auch in diesem Punkt darum, dass man eine gewisse Akzeptanz der Studierenden dort haben will, dass man dem auch irgendwie nachkommt.« IP I weist darauf hin, dass erstaunlicherweise kaum spürbare Impulse aus der IANUS-Gruppe erfolgt seien und es »auch kein Positionspapier oder irgend so etwas aus der Richtung« gegeben habe: »Insofern war es am Ende definitiv die ganze Universität und eher die aktuellen Studierenden zum Beispiel, aktuellen Gremienmitglieder, die sich da stark engagiert haben, als dass es irgendwie so eine lange Linie gegeben hätte und IANUS da irgendwie so auch nur so richtig dabei gewesen wäre.«

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allgemeine Bedenken »so lang diskutiert, bis alle einverstanden waren« (IP I).19 Zentral war neben der Erarbeitung eines adäquaten und konsensfähigen Formulierungsvorschlags für eine Zivilklausel zudem die Frage, in welcher Form eine solche Klausel zu verabschieden wäre. In einem mittelbaren Zusammenhang mit dem Beschluss des Konvents von 1973 steht dabei die institutionalisierte Praxis des Kanzlervorbehalts, insofern alle geplanten Forschungsvorhaben an der Hochschule von dieser Stelle überprüft und gegebenenfalls auch abgelehnt wurden.20 Es lässt sich nicht mehr genau feststellen, »wie oft der Kanzler oder die Kanzler, die in der Zeit im Amt waren« in Bezug auf den Konventsbeschluss die »Notbremse gezogen haben« (IP III). Allerdings bemerken einige der damals beteiligten Akteurinnen und Akteure, dass der während des Einführungsprozesses amtierende Kanzler »eine ausgeprägte positive Einstellung zum Thema Zivilklausel« (IP I) hatte und wohl auch »eine Regelung [wollte], wo nicht alles an ihm hängt« (IP III). Bezüglich der Frage, ob die geplante Zivilklausel erneut als Beschluss – diesmal vom Nachfolgegremium des Konvents, der UV – zu verabschieden oder in die Grundordnung der Hochschule aufzunehmen sei, gab es zwar Diskussionen,21 aber keine »dicke Kontroverse«.22 19

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Bedenken wurden wohl insbesondere von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgebracht: »[N]ach der ersten Idee, das wirklich auch aufzugreifen und den ersten Formulierungsvorschlägen, […] da gab’s natürlich […] von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern […] schon Vorbehalte, ob das nicht viel zu weit geht und ob man sich nicht mit seinen Drittmittelpartnern überwirft […]. Und da musste man […] sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, auch da war der Konventsbeschluss vielleicht nicht ganz schlecht, weil man gesagt hat, na ja, wir haben da schon eine gewisse Tradition und da hat man aber an der Zivilklausel selbst noch’n bisschen gefeilt und sie so gestaltet, wie sie jetzt ist, um letztlich sicherzustellen, dass alle das mittragen können.« (IP II) »[…] alles, wofür man Drittmittel braucht, da ist sowieso die Organisation mit im Boot. Das hat unser Kanzler immer deutlich gemacht.« (IP I) »Und das in unserer Grundordnung zu verankern und an welcher Stelle der Grundordnung, war’n intensiver Gegenstand der Diskussion.« (IP I) »Man hätte ja auch sowas wie ’ne Resolution der Universitätsversammlung der TU Darmstadt vorstellen können. Also ein Bekenntnis in Form irgendwie eines öffentlichen Beschlusses, so was in der Art. Das wäre dasselbe Regelungsniveau

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

3.1.3 Beschluss Am 12. September 2012 wurden auf einer Sitzung der UV die Textfassung der Zivilklausel sowie die erläuternden Grundlagen, Leitlinien und Interpretationen vorgestellt.23 Die Zivilklausel selbst war unumstritten, es gab allerdings eine Diskussion über den Stellenwert der erläuternden Materialien und des vorgeschlagenen Verfahrens sowie über den Zeitpunkt und den Umfang der Aufhebung der alten Regelungen. In einer abschließenden Abstimmung wurde das »Gesamtpaket mit breiter Mehrheit, gegen zwei Neinstimmen, angenommen« (o.A. 2012).24 Das Dokument zu den Grundlagen, Leitlinien und Interpretationen gibt zunächst eine Begründung, weshalb das Thema Zivilklausel an der

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gewesen wie dieser Uralt-Konventsbeschluss. Das wäre eine auch authentische Form gewesen, sich zum Thema zu verhalten und wäre sozusagen eine minimalistische Option gewesen, für Leute, die verbindliche Fixierungen in einem so verfassungsartigen Dokument nicht so gut gefunden hätten.« (IP I) Zudem weist IP I darauf hin, dass die Grundordnung, »die würdigste rechtliche Regelung, die wir besitzen«, den Beteiligten jedoch »zu dieser Zeit ohnehin schon so’n bisschen angezählt [schien]«, weshalb es »auch ganz gut« gepasst habe, »dass wir unsere Präambel nochmal angucken«. Die an alle Beteiligten übermittelte Anlage der Einladung zur UV wurde vom AStA veröffentlicht: https://www.asta.tu-darmstadt.de/sites/default/files/arti kel/ZK_TU_Darmstadt.pdf. Ein Auszug aus den Leitlinien ist bei Kütt/Wunderlich (2012: 20f.) abgedruckt. Es wird darin »das Ergebnis eines ausführlichen und einvernehmlichen internen Diskussionsprozesses seit 2011, an dem alle Statusgruppen beteiligt waren und der ohne den Druck eines konkreten Anlasses behandelt wurde« (o.A. 2012), gesehen. Der Rektor der TUD wird mit den Worten zitiert: »Der Diskussionsprozess war beeindruckend und stilbildend. Die Argumentation war sehr differenziert und ausgewogen. Auch deshalb fällt die Zustimmung in der Universität so breit aus. Der Inhalt der Zivilklausel der TU Darmstadt ist ein sehr gutes Ergebnis und keineswegs ein kleinster gemeinsamer Nenner.« (ebd.)

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TUD behandelt wird,25 und benennt hierfür drei zentrale Entwicklungen: Erstens gab es, ausgehend von der Universität durch die erfolgreichen (und wünschenswerten) Autonomiebestrebungen, viele strukturelle Veränderungen in den letzten Jahren. Diese haben den in den 70er Jahren gefassten Beschluss einer zivilen Ausrichtung der Hochschule des damaligen Konvents in den Hintergrund von neuen Ordnungen und Satzungen treten lassen. Im Kontext der Entwicklungen der letzten 40 Jahre soll dieser neu diskutiert und an prominenter Stelle in der Universität verankert werden. Zweitens erfährt das Thema Zivilklausel in den letzten Jahren bundesweit Aufmerksamkeit. An verschiedenen Universitäten und Hochschulen wird über eine Einführung debattiert. Durch eine Diskussion des Themas an der TU Darmstadt mit allen Statusgruppen besteht für unsere Universität die Möglichkeit, hier richtungsweisende Ideen fortzuentwickeln, die Universität lokal und hessen- und bundesweit die Hochschullandschaft mitzuprägen. Drittens sind Universitäten mehr und mehr auf die Finanzierung durch Drittmittel angewiesen, da die staatliche Grundfinanzierung seit Jahren stagniert oder sogar rückläufig ist. Grundsätzlich besteht die Gefahr zunehmender Finanzierung aus Quellen, die implizit oder explizit militärischen Organisationen zugeordnet werden können. Dies ist auch möglich, ohne dass die Forschenden einen militärischen Einsatz ihrer Ergebnisse intendieren. Eine klare Vorgabe, die auf einem breiten Konsens in der Universität beruht, schafft hier

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Versehen mit dem Hinweis auf eine Antwort der TUD auf eine Kleine Anfrage der Fraktion »Die Linke« im hessischen Landtag, dass »die aktuelle Befassung mit dem Thema […] nicht aufgrund von expliziten Anlässen« (zit. n. Kütt/ Wunderlich 2012: 20) erfolge, was IP II bestätigt: »[E]s wurde nicht von außen an uns angetragen, wir wurden nicht unter Druck gesetzt, das kam so aus der Hochschule heraus, und das war […] insbesondere hilfreich, dass nicht Fördermittelgeber gesagt haben, ihr müsst sowas haben, damit ihr auch richtig Geld bekommt und wir dann sagen, na gut, dann denken wir uns was aus, sondern, dass es wirklich authentisch aus der Hochschule kam.«

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

verbindliche Regelungen, die solche Finanzierungen vermeiden oder transparent zur Diskussion stellen. Eine solche Regelung kann als positives Argument die Position der TU Darmstadt gegenüber anderen GeldgeberInnen und PartnerInnen stärken. (zit. n. Kütt/Wunderlich 2012: 20). Es folgt eine Übersicht zu den Begriffen und Konzepten, auf deren Grundlage in der Zivilklausel die Leitdifferenzen friedliche/kriegerische Ziele und zivile/militärische Zwecke sowie die Ausrichtung auf eine zivile Verwendung von Technologien entwickelt wurden.26 Bemerkenswert ist der folgende Abschnitt »Zivilklausel als Prozess«, in dem statuiert wird, dass die Einführung der Zivilklausel »kein einmaliger Akt einer Regeländerung sein« soll, weil die »gemeinsame Vorstellung der Verpflichtung auf friedliche Ziele« etwas sei, »dass nur durch kontinuierliche Befassung mit dem Thema volle Wirkkraft entfalten kann« (zit. n. Kütt/Wunderlich 2012: 21). Zu diesem Zweck werden vier prozesshafte Aktivitäten umrissen: Diskussionsprozesse, Lernprozesse, Erfahrungsprozesse und Monitoring sowie Lehrprozesse. Da die Entscheidungen gemäß der Leitdifferenzen trotz »gutem Verständnis der Zusammenhänge und angesammelter Erfahrung im Forschungund Lehrbereich« oft »nur schwer oder möglicherweise gar nicht zu treffen« seien, müsse »eine ausgewogene und offene Diskussion über diese Frage mit anderen Mitgliedern der Universität und über die Universität hinaus« (zit. n. ebd.) geführt werden, wobei die Diskussionsprozesse als integral für alle weiteren Prozessaktivitäten gesehen werden. In Lernprozessen sollen die Mitglieder dabei unterstützt werden, fächerübergreifend und fächerspezifisch die mit der institutionellen Selbstverpflichtung verbundenen Intentionen angemessen verstehen zu können. Die mit der Zivilklausel erworbenen Erfahrungen sollen wiederum innerhalb der Hochschule weitergegeben und in anschließende Lernprozesse integriert werden. In Bezug auf die Lehre wird festgehalten, dass über Lehrveranstaltungen und Studienpläne die Kompetenz zur Unterscheidung gemäß der Leitdifferenzen sowie ein

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Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 2.4.

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Bewusstsein der Dual-Use-Problematik gefördert werden soll. In all diesen Prozessen seien »alle Mitglieder der Universität gefragt, sich mit Gedanken und Inhalten der Leitlinien zu beschäftigen«, wobei dies »nicht abstrakt und isoliert stattfinden« (zit. n. ebd.), sondern sich vielmehr in den bestehenden Lehr- und Forschungstätigkeiten sowie in der betrieblichen Weiterbildung abbilden soll. Das Ziel ist, dass die Zivilklausel nicht »ausschließlich als Belastung empfunden wird« und »Eingang in die alltägliche Praxis« findet (zit. n. ebd.). An diesen, aus der Institution selbst hervorgegangenen prozessualen Vorhaben wird sich die Einführung und Implementierung der Zivilklausel an der TUD im Rückblick kritisch messen lassen müssen.27 Ein weiterer Teil der Leitlinien befasst sich mit dem Umsetzungsverfahren. Hier wird zunächst festgehalten, dass die Zivilklausel »ihren angemessenen Ort in der Grundordnung«28 habe, da die Klausel selbst kein Leitbild darstelle. Die mit einem Leitbild gegebene »Machbarkeitsprojektion«, in der »Umsetzungsstrategien und Verfahrensregeln« enthalten seien, müsse »durch adäquate Beschlüsse, z.B. als Resolution, […] parallel dazu« dokumentiert werden. Da aus der Zivilklausel »konkrete Handlungsnormen nicht direkt abzuleiten« seien, jedoch »eine Orientierungsleistung für die Rechtfertigung solcher Normen erbracht« werde, seien für die »Vornahme der Begründung und die Erlangung entsprechender falladäquater Genehmigung […] spezielle Verfahren vorzusehen«. Als »Instanz dieser Verfahren« wird bereits zu diesem Zeitpunkt »eine Senatskommission (ggf. Ethikkommission)« genannt. Für die Durchführung der Verfahren solle ein »Transparenzgebot« gelten, welches den hochschulöffentlichen Zugriff auf alle Informationen (ggf. anonymisiert) beinhalte und auf die Begründungen der gefassten Beschlüsse eingehe. Den Abschluss der Leitlinien bildet eine Rekapitulation der Rechtsgrundlagen und juristischen Fragen zur Zivilklausel. Die ersten Anmerkungen beziehen sich indirekt auf Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 24 27 28

Siehe dazu die kritische Erörterung in Abschnitt 3.2. Hier und für die nachfolgenden Zitate: https://www.asta.tu-darmstadt.de/site s/default/files/artikel/ZK_TU_Darmstadt.pdf.

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

Abs. 2 GG bezüglich der Wahrung des friedlichen Zusammenlebens der Völker und des möglichen Einsatzes militärischer Gewalt zur Wahrung des Friedens. Ferner werden konkret die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG), die Ausführungen zur Wehr- und Dienstpflicht (Art. 12a GG) sowie der »Spannungsfall« (Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung, Art. 80a GG) genannt. Mit Verweis auf die in der Grundordnung der TUD (Präambel Abs. 4 Buchst. i) für Professorinnen und Professoren garantierte Freiheit von Forschung und Lehre wird in Bezug auf die einschlägige Entscheidung des BVerG zur Klage gegen § 6 HessUG (BVerfGE 47, 327) und § 28 HSchulG HE dafür argumentiert, dass Entscheidungen der Hochschulorgane zur Organisation des Forschungsbetriebes, zur Förderung und Abstimmung von Forschungsvorhaben und zur Bildung von Forschungsschwerpunkten zulässig sind, sofern sie die in Art. 5 Abs. 3 GG gewährte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre nicht beeinträchtigen. Die Autorinnen und Autoren der Leitlinien sehen »die in der Grundordnung vorgesehene Zivilklausel als generelle Vorgabe zur Organisation des Forschungsbetriebes an der Universität«, weshalb eine Einschränkung der »Forschungsfreiheit […] zulässig« sei. Die Zivilklausel wird damit einerseits in Parallelität zu allen anderen – ebenfalls grundrechtskonformen – »universitätsinternen Entscheidungen zur Förderung oder Nicht-Förderung von Forschungsvorhaben sowie zur Bildung oder Nicht-Bildung von Forschungsschwerpunkten« gesehen.29

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Eine pointierte Zusammenfassung dieser Position gab IP IV zu Protokoll: »Was jemand mit seiner Grundfinanzierung macht, ist der Person selbst überlassen. Sobald es eine Kostenstelle bekommt oder jemand zusätzliche Ressourcen der Hochschule nutzen will, die auch anderen zur Verfügung stehen würden, gibt es eine Entscheidung der Verwaltung, die auch politisch ist. Träger der Wissenschaftsfreiheit ist nicht nur das Individuum, sondern auch die gesamte Hochschule und ihre Organisiertheit und demokratischen Prozesse tragen ebenfalls zur Wissenschaftsfreiheit bei. Deshalb ist es legitim, dass in einem demokratischen, wissenschaftsgeleitenden Prozess die Hochschule ihre wissenschaftliche Ausrichtung, in diesem Fall auf zivile Forschung, auch selbst festlegt. Die Ressourcen von der Hochschule zu bekommen, die man möchte, ist nicht Wis-

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Andererseits deutet die ausführliche und am Schluss der Leitlinien ohne weiteren Kommentar zitierte Begründung des BVerG zur gesellschaftlichen Verantwortung von Hochschulen darauf hin, dass die Autorinnen und Autoren neben der Argumentation für die Konformität der Zivilklausel mit der Wissenschaftsfreiheit im Rahmen organisationaler Gestaltungsmöglichkeiten sich zumindest indirekt auch auf die Pflicht zum Mitbedenken gesellschaftlicher Folgen beziehen wollten.30 Die in den Leitlinien vorgestellten rechtlichen Rahmenbedingungen sind insofern aufschlussreich, als hier eine der wenigen Anhaltspunkte dafür auszumachen ist, dass im Verlauf des Zivilklausel-Prozesses an der TUD rechtliche Fragen und Bedenken diskutiert wurden. Die befragten Akteurinnen und Akteure geben nämlich an, die in der hochschulpolitischen und -rechtlichen Öffentlichkeit vorgebrachte Kritik an Friedens- und Zivilklauseln mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit habe, wenn überhaupt, dann nur eine marginale Rolle gespielt.31 Es

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senschaftsfreiheit. Deshalb bezieht sich der Umsetzungsprozess auch auf zu beantragende Forschungsvorhaben.« Mit Blick auf den Kanzlervorbehalt berichtet IP I: »[Der Kanzler] hat ganz klar gesagt in Bezug auf dieses komische Grundgesetz-Argument […]: also, die Drittmittelforschung, jede Art von Drittmittelantrag steht sowieso immer unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Universität. Hier verlässt kein Drittmittelantrag das Haus, es ist ja überall so, es kann ja alle möglichen Gründe geben, warum die Universität diese Drittmittelforschung nicht möchte […]. [D]ie Idee, dass man sich unter Berufung auf Artikel 5 jede Art von Drittmittelprojekt beantragen oder durchführen darf, ist Quatsch«. Siehe Abschnitt 2.5 zur Frage, ob eine solche Rechtfertigung plausibel zu machen ist. Dazu IP I: »Diese juristische Debatte: null; da hat auch keiner Lust gehabt … ja doch, recherchiert und so weiter, war aber eigentlich marginal. Uns war klar, wenn wir eine Zivilklausel beschließen, machen wir mehr als das Minimum, was das Grundgesetz ja ohnehin selber tut – nämlich: Regeln Angriffskrieg verboten, Parlamentsvorbehalt irgendwie, Einsatz von Militär und diese ganzen Dinge.« Etwas anders hingegen IP III: »[…] ja natürlich war das Thema, ja, das ist immer Thema, […] keine Frage. Wir hatten Juristen, also wir haben natürlich Hausjuristen, die in der Verwaltung arbeiten, die auch bei der AG Zivilklausel dabei waren, und ich meine, es war das Argument, was dann auch immer gefallen ist, im Grundgesetz sind manchmal widerstrebende Dinge drin, und man

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wurden keine Rechtsgutachten eingeholt und der gesamte Fragekomplex hatte offenbar »keinen Schwerpunkt« (IP II)32 , allerdings wurde ein Justiziar der Hochschule hinzugezogen.33 Rückblickend betrachtet war die beschlussfassende Sitzung der UV im September 2012, auch und vielleicht gerade wegen der Einbeziehung einer rechtlichen Begründung (zumindest in nuce), nach derzeitigem Kenntnisstand die letzte Gelegenheit, bei der ausführlich über juristische Fragen in Bezug auf die Zivilklausel diskutiert wurde. Welche hochschulöffentliche Bedeutung zu diesem Zeitpunkt die Verabschiedung einer Zivilklausel nach einem intensiven hochschulweiten Diskussionsprozess hatte, verdeutlicht abschließend der Umstand, dass auf Initiative der Studierendenschaft am 26. November 2012 ein »Tag der Zivilklausel an der TU« stattfand, in dessen Rahmen Christoph Hubig einen einführenden Vortrag zur Zivilklausel und den erläuternden Leitlinien gehalten hat. Außerdem gab Moritz Kütt von IANUS

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muss abwägen, was wichtiger ist in dem Moment. Ich meine, das war das Argument.« IP II weiter: »Vielleicht liegt es auch daran, dass wir auch in der täglichen Arbeit, und wir haben ganz viele Entscheidungen zu treffen, die wir manchmal auch gegen die Interessen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler treffen müssen, […] dieses Argument kommt eigentlich nie. Oder wenn es mal, dann nur ganz selten […]: es gibt tausend Argumente, warum man so und so handeln sollte, aber die Verfassungsfrage muss man hier nicht stellen. Und so war das nach meiner Erinnerung dort [im Erarbeitungsprozess] auch.« Angesprochen auf die Argumentation in den Leitlinien ergänzt IP II: »[…] das beweist eigentlich, dass wir sehr pragmatisch mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit umgegangen sind. Um es vorsichtig auszudrücken: das kann man natürlich auch alles […] das könnte man ganz anders sehen und die Diskussion könnte man noch ganz anders führen. Aus meiner Erinnerung stand sie nicht im Fokus, man kam auch da dran vorbei und hat das, denke ich, pragmatisch abgebogen, aber ich denke, das stand für niemanden der Beteiligten wirklich im Fokus.« »Das war immer wieder kurz Thema, wenn jemand neu zum Prozess dazugestoßen ist. […] Eingangs wurde der Justiziar der Hochschule einmal befragt, der meinte, eine ZK sei kein Problem und die Gründe dargelegt hat.« (IP IV)

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einen umfassenden Einblick in den Prozess der Umsetzung der Zivilklausel an der TUD. In seiner Präsentation wird die Notwendigkeit einer impliziten und expliziten Umsetzung betont, wobei sich die implizite Umsetzung auf die Zivilklausel als »Teil der Kultur der Forschung und Lehre« bezieht und hierfür die vier in den Leitlinien umrissenen Umsetzungsprozesse anführt, während die explizite Umsetzung in verschiedenen Verfahrensformen (u.a. Formularverfahren, Rechenschaftsverfahren, Gremium) möglich sei.34 Auffallend ist, dass offenbar schon in dieser ersten Phase der Verabschiedung und Einführung und noch vor der Einsetzung einer AG »Umgang mit der Zivilklausel«, die konkrete Maßnahmen zur Umsetzung erarbeiten sollte (siehe dazu Abschnitt 3.1.4), ein Diskussionsprozess eingesetzt hatte, in dem Möglichkeiten der Umsetzung erörtert wurden. Das damit ersichtliche Bewusstsein bei den an der Einführung beteiligten Akteurinnen und Akteuren für das Erfordernis einer adäquaten Umsetzung dürfte sich förderlich auf den weiteren Prozess der Erarbeitung ausgewirkt haben. Im Zusammenhang mit dem »Tag der Zivilklausel« kommt von Seiten der ansonsten als kritisch-engagiert wahrgenommenen Studierendenschaft (so IP II) sogar ein beinahe überschwänglicher Stolz über die Art und Weise der Einführung zum Ausdruck: »Die Technische Universität Darmstadt soll weiterhin positives Beispiel und Vorbild für die Hochschullandschaft bleiben!«35

3.1.4 Umsetzung Mit dem Beschluss der UV war zunächst die Grundsatzangelegenheit, nämlich die Aufnahme der in dieser Form bestätigten Zivilklausel in die Präambel der Grundordnung der TUD zum 1. Januar 2013, geklärt worden. In den Leitlinien zur Zivilklausel fand sich bereits die Skizze eines

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Die Präsentation ist im Rahmen der von Reiner Braun und Dietrich Schulze veröffentlichten Web-Dokumentation »Zivilklausel oder Militärforschung« veröffentlicht unter: https://www.stattweb.de/files/civil/Doku20121126.pdf. Die Ankündigung der Veranstaltung unter: https://www.asta.tu-darmstadt.de/de/node/1381.

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Umsetzungsverfahrens. Formal kam gemäß der Aufteilung der akademischen Selbstverwaltung in UV, Präsidium und Senat nun dem letztgenannten Gremium als »Exekutivorgan [und] wirklich steuernde Einheit« (IP I) die Aufgabe zu, den weiteren Prozess zu gestalten.36 Neben dieser formalen Zuständigkeit sahen sich aber offenbar auch einige Mitglieder des Senats unmittelbar in der Pflicht, was durchaus mit personellen Überschneidungen zu tun haben dürfte: Aus der Universitätsversammlung und aus dem Kern dieser Diskussionen [der vorbereitenden Arbeitsgruppe; F.B.] waren einige Kollegen, die [waren] auch Senatorinnen und Senatoren. Und es wurde im Senat […] auch berichtet, Zivilklausel beschlossen und so weiter, und es wurde direkt dann im Anschluss durch Senatorinnen und Senatoren im Senat gesagt, so jetzt haben wir die Zivilklausel, prima, aber wir wollen ein Umsetzungsverfahren. Und das kam eindeutig aus der Professorenschaft. (IP I)37 Nachdem der Senat in der Sitzung am 14. November 2012 die Einrichtung einer AG zum Thema »Umgang mit der Zivilklausel« beschlossen hatte, wurde in der Sitzung am 19. Dezember 2012 die Zusammensetzung der AG bekannt gegeben. Die Gruppe bestand aus einem Präsidiumsmitglied, vier Professorinnen und Professoren, zwei Studierenden, je einem wissenschaftlichen und einem administrativ-technischen

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»Und deswegen war eben auch die Aufteilung: die Universitätsversammlung macht Grundsatzentscheidungen, nämlich die Aufnahme dieser Zivilklausel in die Grundordnung, aber wie man das ausübt, hat sie an den Senat verschoben – hat gesagt: ihr seid jetzt für die Sache zuständig, Regeln dafür zu finden.« (IP III) Bestätigend IP III: »Die ist ja relativ abstrakt formuliert die Zivilklausel […]. Das ist ja noch keine Handlungsanweisung, deswegen […] hat der Senat gesagt: [J]etzt liegt das auf unserem Tisch, was machen wir damit und es war klar, wir setzen jetzt diese AG Zivilklausel ein, die aus diesem relativen Abstrakten etwas macht, womit wir arbeiten können. [W]enn wir da einen Vertrag haben, einen Drittmittelvertrag oder einen Forschungsvertrag, dass wir wirklich verlässlich wissen, wie wir damit umgehen.«

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Mitarbeiter sowie einem beratenden Mitglied aus dem Dezernat Forschung.38 Im Vergleich mit der AG der UV kamen zwar neue Akteurinnen und Akteure hinzu, es gab jedoch auch eine gewisse personelle Kontinuität.39 Die Arbeitsgruppe hatte die Aufgabe, ein Verfahren zu entwickeln, wie es auf der einen Seite für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlässlich ist, was die machen können oder nicht, und auf der anderen Seite aber sichergestellt ist, dass diese Zivilklausel gelebt wird. Also, das war eben dieses Aushandeln, wie finden wir ein Prozedere, einen Prozess, dass das nicht versandet auf der einen Seite und auf der anderen Seite Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht verunsichert sind. (IP III) Zur Bewältigung dieser Aufgabe waren im vorangegangenen Diskussionsprozess bereits die »Grundlagen für das weitere Vorgehen herausgearbeitet« worden: - die Eigenverantwortlichkeit der Wissenschaftler - der (universitäts-)öffentliche Diskurs und - das gremienkontrollierte Schärfen von Entscheidungskriterien (Hubig/Bald/Estel 2012). Im Zeitraum von Ende 2012 bis November 2014 wurde in einer »konstruktive[n] Arbeitsatmosphäre« (IP IV) etwa einmal pro Monat getagt;40

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Vertrauliche Mitteilung durch IP III. IP III: »Das waren ziemlich ähnliche Leute. [D]a waren auch alle Statusgruppen vertreten.« IP I: »Ja, neue Arbeitsgruppe, andere Akteure, denn jetzt kommt der Senat ins Spiel.« Aber auch: »Und die [Arbeitsgruppe] war dann auch wieder universitätsöffentlich, insofern stand sie doch in einer Tradition mit der vorigen Arbeitsgruppe, und es waren auch ähnliche Leute – nicht nur, aber auch.« Die Studierenden vertrat erneut IP IV, die bereits in der vorbereitenden UV aktiv war und dort gemeinsam mit Prof. J. Stefan Bald die Leitung übernommen hatte. Ebenfalls aus der UV-Arbeitsgruppe kam Professor Christoph Hubig; das Präsidiumsmitglied war IP I. Gehring (2018: 28) nennt insgesamt 14 Sitzungstermine der AG. Zur Arbeitsatmosphäre berichtet IP IV: »Die Lager haben sich in der AG ebenfalls weniger

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im September 2013 konnte die AG erste Ergebnisse in einer Senatssitzung vorstellen (Utz et al. 2019: 3). Ein wichtiger Punkt war dabei die Festlegung, »dass die Zivilklausel nicht [das] Instrument von Erlaubnis und Verbot von Forschung zum Ziel hat, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik befördern soll« (ebd.). Angestrebt wurde deshalb eine »›fallnahe Betrachtung‹ von Grenzfällen«, die im Rahmen einer »Verantwortungskultur« zu erfolgen habe. Der Prozess müsse sicherstellen, dass es bei der Beantragung von Forschungsvorhaben zu einer Beschäftigung mit dem Kontext der Zivilklausel komme, allerdings sei dies »nur ein Appell«. Das Verfahren solle auf selbstständiger Initiative der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beruhen und insgesamt leicht genug zu handhaben sein, »um nicht den Mitarbeitern einen hohen Zusatzaufwand und der Universität massive Kosten aufzubürden« (ebd.).41 Der Begriff der »Verantwortungskultur« entstand in der »Frühphase der Idee des Verfahrens« (IP I): [D]as war der Kern der Sache, wir wollten, dass auf jeden Fall die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selbst die Verantwortung für

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in Studis und Profs, sondern stärker in Geistes-, Natur- und Ingenieurswissenschaften unterteilt. Die Studentische Liste Masch+ (Maschinenbaufachschaft) bspw. hat die Zivilklausel immer kritisch begleitet. Sie waren in der AG jedoch nicht vertreten und haben sich letztendlich genauso wie die Professoren [sic!] aus dem Maschinenbau überzeugen lassen bzw. ihre Bedenken wurden mit aufgenommen.« Die Autorinnen und Autoren beziehen sich in der Darstellung der Ergebnisse der AG auf ein hochschulinternes Dokument, welches für die vorliegende Untersuchung nicht verfügbar war. Nach Gehring war »der Grundgedanke des Umsetzungsverfahrens […], dass die gute Umsetzung in so einer komplexen Organisation wie einer Universität, in der man eigentlich nur über Mitmachen und freiwillige Beteiligung lenken und steuern will und kann, nicht auf Erlaubnis bzw. Verbot von Forschung hinauslaufen kann. [E]s geht nicht um Erlaubnis und Verbot, sondern um eine gelebte Nachdenklichkeit, also eine Sensibilisierung, eine selbstkritische Auseinandersetzung […], die nicht allein der Forscher, die Forscherin für sich selbst, sondern die Organisation führt und angeht.« (2018: 29)

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diese Frage nach der zivilklauselkonformen Forschung übernehmen. Also dass man als forschende Person selbst das als eigene Aufgabe ansieht, sich darum zu kümmern – und nicht irgendwohin delegiert. […] Das war das Entscheidende, es geht uns alle an und jeder/jede übernimmt selber die Verantwortung dafür, sich drum zu kümmern, und die Verantwortung bleibt da auch. (IP I) Mit dem »emblematische[n] Wort« (IP I) Verantwortungskultur verband sich demnach die Vorstellung,42 dass im Verfahren selbst nur ein Votum in Bezug auf die Zivilklausel zu geben und es den betreffenden Personen zu überlassen sei, wie sie mit diesem Votum umgehen.43 Daraus folgte auch, dass mit dem Umsetzungsverfahren keine »komplette Automatisierung« (IP I) in Organisations- und Verwaltungsabläufen erfolgen sollte,44 da dies wohl kaum »der Idee der Verantwortungsübernahme« (IP I) entsprochen hätte. Das Bemerkenswerte an dieser Idee ist, dass damit das Verfahren selbst, jenseits von »Verrechtlichung [und] Verbürokratisierung« (IP I), als ein kommunikativer Akt konzipiert war, obwohl oder gerade weil die Zivilklausel »sehr verfahrensorientiert und vergleichsweise wenig botschaftsorientiert« (IP I) verfasst ist.45 Mit dem Bezug auf eine bestimmte organisationsinterne Kultur sollte jedenfalls dem prozeduralen Charakter und der Verfahrensorientierung der Zivilklausel entsprochen werden. Bereits in den Leitlinien zum Beschluss der Zivilklausel wurde als Instanz für das Verfahren zur Umsetzung »eine Senatskommission 42 43 44

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IP I: »Der Begriff war erst da, und dann kam das abbildende Verfahren im Detail.« »Wir haben das Verantwortungskultur genannt: Die Einzelnen sind verantwortlich, aber in einem Umfeld, dem sie vertrauen können.« (Gehring 2018: 29) IP I: »Wir wollen überhaupt ein Verfahren, aber es soll ein Verfahren sein, dass eben jetzt nicht alles durchreguliert und sozusagen determiniert, sondern soll ein Verfahren auf der Basis von diesem Gedanken der Verantwortungskultur sein.« »Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass Forscherinnen und Forscher Grenzfälle selbst bemerken und thematisieren, weil das eben in der Universität nicht zu Stigmata führt, sondern im Gegenteil eigentlich Anerkennung findet.« (Gehring 2018: 29)

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(ggf. Ethikkommission)«46 erwähnt. Die Bildung einer EK an der TUD war erst kurze Zeit zuvor mit einem Senatsbeschluss vom Februar 2010 erfolgt, wobei das Gremium in den ersten beiden Jahren der Tätigkeit schon bestimmte Arbeitsweisen etablieren konnte. Der Vorsitzende der EK, Professor H. Ulrich Göringer, erläuterte aus Anlass des zweijährigen Bestehens in einem Interview das Selbstverständnis des Gremiums: Uns kann es als Universität nicht egal sein, auf der Grundlage welcher moralischen Prinzipien und mit welchen ethischen Auswirkungen hier Forschung betrieben wird. Ich wünsche mir, dass wir an der Universität langfristig eine Kultur entwickeln, in der sich Forscher, die sich über die ethischen Implikationen ihrer Forschung Gedanken machen, stets an uns wenden. Dazu sind wir da. Wir beraten und wir unterstützen die Forscher. (Siemens 2012) Ähnlich wie später bei der Überprüfung von Forschungsvorhaben auf Konformität mit der Zivilklausel wurde auf der Webseite der EK eine Checkliste für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Verfügung gestellt, auf der diese »ihre Forschung einer ersten Überprüfung unterziehen können« (Siemens 2012). Die Kommission war und ist ein interdisziplinäres und relativ großes Gremium, in dem alle Statusgruppen vertreten sind, inklusive einem juristischen Mitglied.47 Die Arbeitsweise der EK ist nach Göringer dadurch charakterisiert, dass alle Mitglieder die Anträge lesen und dann zusammenkommen, um auf Augenhöhe ihre Meinungen auszutauschen. Das ist für mich auch ein sehr gelungenes Beispiel »gelebter Universität«: Die Kommissionsmitglieder setzen sich kritisch mit jedem Antrag auseinander, sind aber auch bereit und in der Lage, ihre Einschätzung zu reflek46 47

https://www.asta.tu-darmstadt.de/sites/default/files/artikel/ZK_TU_Darmsta dt.pdf. Siehe die Selbstdarstellung des Gremiums unter: https://www.intern.tu-darmstadt.de/gremien/ethikkommisson. Zur verfassungsmäßigen Zulässigkeit von Ethikkommissionen insbesondere mit Blick auf deren personelle Zusammensetzung ausführlich Vöneky (2012: 86–91).

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tieren und sich wiederum auch selbst zu hinterfragen. Das ergibt sehr intensive und sehr kritische Diskussionen, die Anträge werden nicht »durchgewinkt« oder »durchgepeitscht«. (Siemens 2012) Ein Votum der EK ist in der Regel eine klare Entscheidung, die jedoch neben der grundsätzlichen Billigung (bis Februar 2012 wurde kein Antrag abgelehnt) auch den Hinweis auf bestimmte Punkte enthalten kann, »die aus unserer Sicht noch verbesserungswürdig sind« (Siemens 2012). Das Entscheidungsverfahren folgt dem Konsensprinzip, »das heißt wir haben den Antrag so lange diskutiert, bis wir alle davon überzeugt waren, dass wir unsere Namen unter die Entscheidung setzen können« (Siemens 2012). Aufgrund ihres Selbstverständnisses und ihrer Arbeitsweise hatte die EK bereits eine gewisse Reputation innerhalb der TUD erlangt,48 und stand deshalb relativ rasch im Fokus der Überlegungen zu der Frage,49 welchem Gremium das Verfahren in Bezug auf die Zivilklausel zu übertragen sei: Also, es war klar, wenn wir ein Verfahren haben, dann brauchen wir für erkannte Grenzfälle, die entscheidungsbedürftig sind, einen Ent48

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IP III: »[J]edenfalls hatte die Ethikkommission einen extrem guten Ruf in der Universität als ein Gremium, was sorgfältig abwägt, was Leute anhört, was kritisch nachfragt und zu Entscheidungen kommt, die tragbar für alle Seiten sind. Also ne hohe Akzeptanz in der Universität für die Ethikkommission.« IP II: »[D]ie Ethikkommission sieht ihre Aufgabe ja nicht darin, zu sagen Ja/Nein, sondern sieht sich ja auch in so ’ner beratenden Diskussion, also mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ins Gespräch zu kommen, damit man gegebenenfalls auch schauen kann, wo die Grenzen dessen liegen, was wir an der TU noch wollen und was eben nicht.« IP IV: »Das Ansehen der Ethikkommission trägt zur Akzeptanz des Verfahrens der Zivilklausel bei.« IP IV: »Die Zuständigkeit der Ethikkommission haben wir lange diskutiert. Zum einen sollte ein weiteres Gremium, das selten tagt und damit wenig Erfahrung sammelt, aber Ressourcen bindet, vermieden werden. Zum anderen ist die Ethikkommission der TU Darmstadt sehr angesehen. Sie berät Forschende konstruktiv, gibt Hinweise und ist interdisziplinär zusammengesetzt. Sie tagt hinreichend oft, um Forschungsvorhaben zeitlich nicht aufzuhalten und ist dafür bekannt, dass sie ausgewogen diskutiert.«

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

scheidungsweg. Und wie soll der aussehen? Also, einen qualifizierten Beratungsweg, Ethikkommissionen votieren ja nur, die entscheiden ja nicht, und da gab es in der Umsetzungsdiskussion die Frage: Wer könnte das machen? Und da gab es mehrere Optionen, und da ist relativ zügig […] und vor allem sehr eindeutig die Ethikkommission ausgewählt worden. Wobei das auch zwei Schritte hatte, denn die AG hat die Ethikkommission erstmal angefragt: Wärt ihr bereit? Die Ethikkommission wurde also gehört, ob sie bereit wäre, sich das zuzumuten, ob sie das sinnvoll findet. (IP I)50 Entscheidungsrelevant war in praktischer Hinsicht etwa die Frage, über wie viele Fälle mit Bezug zur Zivilklausel die ehrenamtlich agierende Kommission zu entscheiden haben würde, um einer möglichen Überlastung vorzubeugen. Darüber hinaus wurde festgelegt, unter welchen Voraussetzungen und anhand welcher Kriterien die EK über derartige Fälle zu entscheiden hat. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis der unmittelbar beteiligten Akteurin IP I besonders wichtig, wonach die EK »ganz klar gesagt [hat]: wir votieren nur, also nur eine Einschätzung, kein Erlauben oder Verbieten oder sowas in der Art«. Es ging hierbei vor allem darum, »das Thema aus der Moralecke rauszuholen« (IP I): Anders als bei forschungsethischen Fragen wurde und wird die Zivilklausel damit zunächst als eine politische Angelegenheit gesehen, die zwar nicht gänzlich indifferent zu Fragen ethisch-moralischer Provenienz zu sehen ist, aber doch andere Verfahrenswege erforderlich macht.51 50

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So auch Gehring: »Warum haben wir die Ethikkommission zu diesem votierenden Gremium gemacht? Es gab eine interessante, ausführliche und vielstimmige Diskussion. Es ist das Gremium gewesen, das schon da war und das letztlich die höchste Reputation hatte. Alle Seiten haben gesagt: Das ist das geeignete Gremium. […] Das ist das Gremium, dem wir vertrauen wollen.« (2018: 30) Die Grenzen einer Moralisierung der Wissenschaft zeigt Böhme (2004) am Beispiel des Senatsbeschlusses an der Fachhochschule Hamburg 1983/84: »Ein solcher demokratischer Beschluss einer Institution ist natürlich das einzig Richtige, wenn man der moralischen Haltung des einzelnen Wissenschaftlers gegenüber seinem wissenschaftlichen Tun Wirkung verleihen will […]. Doch gerade diese Lösung, bei der eine ganze wissenschaftliche Institution der in ihr laufenden Forschung eine moralische Orientierung geben wollte, ist gescheitert –

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Es sei, so IP I weiter, darum gegangen, zu »pragmatisieren ein Stück weit, also nicht entpolitisieren, aber pragmatisieren, raus aus so ’ner Bekundungszone«.52 Diese Festlegung war deshalb so entscheidend, weil damit die Intention des Verfahrens charakterisiert werden konnte, welches zwar von einem Gremium durchgeführt wird, das den Ausdruck »Ethik« im Namen führt, jedoch in Bezug auf Zivilklausel-Fälle eine spezifische und ausdrücklich nicht auf die Einhaltung besonderer ethischer Regeln abzielende Aufgabe wahrnimmt.53 Die Beteiligten waren aus diesem Grund in ihrer Haltung sehr eindeutig: [W]ir wollten ganz klar trennen zwischen Forschungsethik auf der einen Seite und der Zivilklauselfrage auf der anderen, weil die Forschungsethik ganz andere Spielregeln zu beachten hat und zu betrachten hat als die Zivilklauselthematik, und die Ethikkommission wollte diese beiden Verfahrenswege auch klar getrennt. (IP I)

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musste scheitern.« (18) Dies liege nicht zuletzt daran, dass die Wissenschaftsund Forschungsfreiheit primär ein individuelles Freiheitsrecht bleibe. Insofern konsequent auch die pragmatische Feststellung von IP V: »Ich denke, […] dass die Ethikkommission schon der richtige Ansprechpartner ist, weil die sich ja auch mit anderen ethischen Fragen beschäftigen und in der Problematik sehr drin sind.« Zur Frage, ob die Zivilklausel denn ein politisches Statement sei und damit auch eine ethische oder moralische Komponente habe: »Ja beides. Zivilklausel ist definitiv politisch und hat auch ’ne massive politische Komponente […].« (IP V) Eine ethische Reflexion erübrige sich damit zwar nicht, werde aber gegebenenfalls »nicht ganz so ernst genommen«. Deshalb sei ein »harter Prozess« nach dem Prinzip: »Okay, wir gucken uns das an und das an, und bewerten das nach diesem Schema […] mehr faktisch, mehr wissenschaftlich […] wahrscheinlich dem Forscher leichter zu verkaufen.« (IP V) Siehe dazu auch die Kritik an den KEF: »Das [diese Unterscheidung; F.B.] ist […] in der parallel aufgesetzten Aktivität bundesweit von der Leopoldina mit diesen KEF ja komplett verschwiemelt worden, also die haben das ja extrem vage irgendwie aufgesetzt. Das ist bis heute nicht klar, sind das jetzt Ethikkommissionen diese KEF’s oder sind das jetzt extra nur für zivilklauselartige Konstellationen gedachte Kommissionen oder so. Die ham das so als eierlegende Wollmilchsau angelegt, und die Suggestion, was da Ethik sei, ist da maximal wolkig (IP I).

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

In diesem Sinne wurden in der Sitzung des Senats vom 5. November 2014 nicht nur die Vorschläge der AG zum Umgang mit der Zivilklausel angenommen, sondern es wurde damit auch die Voraussetzung für die Verabschiedung einer neuen »Ethik-Kommissionssatzung« am 4. Februar 2015 geschaffen, die mit Wirkung zum 1. März 2015 die bis dato gültige Fassung vom 12. November 2009 ersetzte. In § 1 Abs. 2 u. 3 heißt es seitdem:54 (2) Aufgabe der Ethikkommission ist die Prüfung und Beurteilung der ethischen Zulässigkeit von Forschungsvorhaben, die insbesondere Untersuchungen an Menschen, an vom Menschen genommenen Proben oder Forschungen mit personenbezogenen Daten von Probanden beinhalten. (3) Daneben ist es Aufgabe der Ethikkommission, die Bewertung der Vereinbarkeit von ihr vorgelegten Vorhaben mit der Zivilklausel der TU Darmstadt vorzunehmen. Zu beachten ist, dass in § 1 Abs. 4 folgende Präzision erfolgt: (4) Entscheidungen einer zuständigen Stelle der Universität über die Durchführung oder die Förderung eines Forschungsvorhabens gemäß Absatz 2 sollen erst erfolgen, wenn das Votum der Ethikkommission vorliegt. Die Stellungnahme der Ethikkommission entbindet die für das Forschungsvorhaben verantwortliche Person nicht von der Verantwortung für die Durchführung der Untersuchungen. Anders als bei Entscheidungen im Rahmen der Forschungsethik gilt für Bewertungen der Vereinbarkeit mit der Zivilklausel nicht der ausdrückliche Vorbehalt, wonach bei einer ablehnenden Entscheidung der EK die für die Bewilligung und Verwaltung von Drittmitteln zuständigen Stellen der Universität gehalten sind, das entsprechende Forschungsvorhaben nicht anzunehmen. Zwar kann die einen Antrag stellende Person für den Fall, dass nach nichtöffentlicher Beratung in der EK Bedenken gegen 54

Alle folgenden Zitationen aus der Satzung unter: https://www.intern.tu-darmstadt.de/media/dezernat_i/id_gremien_ordner/e thikkommission/Satzung-Ethikkommission-2015_nachSenat_ohne_gez.pdf.

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das Forschungsvorhaben bestehen, gemäß § 3 Abs. 6 »den Antrag überarbeiten und ihn erneut zur Stellungnahme vorlegen«. Allerdings wird, konsequent gemäß der Intention getrennter Verfahrenswege,55 in § 4 hinsichtlich der Form der Entscheidungen genau unterschieden: Während im forschungsethischen Entscheidungskontext drei Voten möglich sind,56 nimmt die EK laut Satzung bei Überprüfungen zur Konformität mit der Zivilklausel »eine schriftliche Abwägung vor, die in ein befürwortendes oder abratendes Votum mündet«,57 wobei ausdrückliche Sanktionen nicht benannt werden. Damit kommen auch in der Satzung für die EK die charakteristischen Merkmale des Umsetzungsverfahrens zum Ausdruck: Im Sinne der Verantwortungskultur sind Forschende dazu aufgefordert, ein geplantes Forschungsvorhaben, sofern dieses möglicherweise mit der Zivilklausel in Konflikt stehen könnte, eigenverantwortlich anhand eines Informationspakets zur Zivilklausel, des Formulars mit Checkliste

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Gehring (2018: 31): »Es sind zwei verschiedene Verfahren, zwei verschiedene Themen, und die Ethikkommission weiß immer: Bin ich jetzt im Bereich Ethik oder bin ich im Bereich Zivilklausel?« Das Votum der EK lautet in den Fällen nach § 1 Abs. 2 entweder: (a) »Es bestehen keine ethischen Bedenken gegen die Durchführung des Forschungsvorhabens.« oder (b) »Es bestehen keine ethischen Bedenken gegen die Durchführung des Forschungsvorhabens, wenn im einzelnen zu bestimmende Auflagen erfüllt werden.« oder (c) »Es bestehen ethische Bedenken gegen die Durchführung des Forschungsvorhabens.« In der Praxis zeigt sich wiederum ein etwas anderes Bild: Laut Gehring (2018: 32) hat sich zwischenzeitlich wohl eine »Entscheidungskultur, jetzt nur für die Zivilfälle« etabliert: »positives Votum ohne Auflagen, positives Votum mit Auflagen, ablehnende Voten«. Damit wurde das Entscheidungsparadigma für forschungsethische Fälle auf Zivilklausel-Fälle übertragen.

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und einer Ausfüllhilfe mit Erläuterungen zu überprüfen58 und/oder einen Antrag auf Überprüfung bei der EK zu stellen.59 Außerdem kann auch der Kanzler bzw. die Kanzlerin bei Bedenken in Bezug auf einen vorliegenden Forschungsantrag um ein Votum der EK bitten. Innerhalb dieses Gremiumverfahrens60 sieht der intendierte ›Normalfall‹ demnach vor, dass Antragstellerinnen und Antragsteller aufgrund von Informationsmaterial ein Forschungsvorhaben selbst hinsichtlich einer möglichen Zivilklausel-Relevanz einschätzen und gegebenenfalls einen Antrag bei der EK stellen. Fällt die EK ein befürwortendes Votum, so kann der Antrag über das Dezernat Forschung und Transfer der Kanzlerin bzw. dem Kanzler zur Zustimmung vorgelegt werden. Alternativ dazu kann die Verwaltung oder das Präsidium einen zuvor nicht begutachteten Forschungsantrag mit der Bitte um ein Votum an die EK übermitteln, falls dieser etwaige Bedenken hervorrufen sollte.61 58

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»Kommunikation« wird von Gehring als eines der Maßnahmenpakete der Umsetzung genannt: »Es gibt Informationspakete zum Download, es gibt eine Checkliste für den Selbsttest […]. Es gibt ein Dokumentationsverfahren für Forschungsprojekte, das vorgestaltet ist, und da kann man sich als Betroffener informieren.« (2018: 29f.) Dem Willkommenspaket für neu eingestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der TUD liegt zudem eine Handreichung zur Zivilklausel bei (Mitteilung durch IP IV). Als antragsberechtigt gelten hierbei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auch antragsberechtigt bei der DFG und damit in der Regel promoviert sind. Bei Promotions- oder studentischen Abschlussarbeiten kann der Antrag stellvertretend von der betreuenden Person gestellt werden. Unterlagen und weitere Erläuterungen unter: https://www.intern.tu-darmstadt.de/gremien/et hikkommisson/antragstellung. »Das Gremienverfahren läuft auf ein Votum hinaus. Das Votum ist nach unserem Verständnis keine Entscheidung wie eine Gerichtsentscheidung oder dergleichen, sondern ein Votum, mit dem diejenigen, die das Votum erbeten haben, weiterarbeiten können.« (Gehring 2018: 30) Gehring erwähnt zudem den sogenannten ›Kanzlerweg‹: »Der Kanzler hat die Möglichkeit, auch den Senat zu befassen. Es sind sich aber alle einig, dass das Thema eigentlich nicht in den Senat gehört, sondern dass ein Standardverfahren gewünscht wird.« (2018: 30) Dem Autor liegt zu diesen Verfahrensweisen eine freundlicherweise von Petra Gehring zur Verfügung gestellte und nicht

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Als weitere, eher begleitende Maßnahmen in der Umsetzung wurde eine Ansprechperson für Whistleblower benannt, zudem sollte die Zivilklausel in Berufungsverfahren thematisiert werden und einen Aspekt in der Lehre darstellen. In der rückblickenden Betrachtung und Rekonstruktion stellt sich die an den Beschluss der Zivilklausel anschließende Phase der Umsetzung insgesamt als ein vergleichsweise ›geräuschloser‹ Prozess dar. Die diskursiven Formate aus der Vorbereitungsphase hatten sich offenbar bewährt, so dass in der Tätigkeit der AG eine Art ›professionelle‹ Routine wirken konnte. Bemerkenswert ist, dass sich die beteiligten Akteurinnen und Akteure mit insgesamt fast zwei Jahren tatsächlich die Zeit genommen haben, um kontinuierlich und konzentriert an einem Umsetzungskonzept zu arbeiten, das den Erwartungen gerecht werden sollte, die mit der Formulierung der Zivilklausel und den Leitlinien geweckt worden waren.62 Dabei waren die hochschulinternen Diskussionen durchaus kontrovers, aufgrund der unterschiedlichen Belange der jeweiligen Statusgruppen und wohl insbesondere angeregt von Seiten derjenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die um Einschränkungen ihrer Forschungsvorhaben fürchteten. Zudem spielte mit dem Hochschulrat, einem Gremium, dessen Mitglieder jeweils zur

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publizierte Vortragspräsentation mit dem Titel »Die Zivilklausel der TU Darmstadt und das Verfahren zu ihrer Umsetzung« vor, die graphische Darstellungen dieser Abläufe enthält. Dieser Anspruch wurde allerdings auch von Anfang an klar kommuniziert: »[D]ie AG hat sich Zeit genommen, das war eine der beiden Bedingungen, […] das ist ’ne tolle Sache, es gibt in Deutschland nirgendwo ein Umsetzungsverfahren, wir machen das gerne, aber wir werden dafür Zeit brauchen. Also, das hat der Senat genauso gut gefunden, aber wir haben eben aus dem Grund auf der Halbzeit gewissermaßen der Arbeit dieser AG eine Art Zwischenstand gemeldet und uns Feedback geholt vom Senat und sind dann wieder weiter in die AG gegangen und haben das gefinished. Ja, so hat diese AG dann sehr eng am Senat, aber doch mit einer großen Kontinuität mit dieser universitätsweiten Diskussion, die bei der Universammlung gewesen war, dieses Thema Umsetzungsverfahren kleingearbeitet.« (IP I)

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Hälfte von der Hochschule und vom Land Hessen benannt werden, noch ein (teil-)externer Akteur mit erhöhtem Konfliktpotenzial eine Rolle: [D]er Hochschulrat hat diesen Prozess mit großer Sorge und Skepsis […] verfolgt, da sind insbesondere […] ehemalige Rektoren von anderen technischen Universitäten aus anderen Bundesländern gewesen, klassische Ingenieure, die […] gesagt haben: Zivilklausel ist absolut vom Übel, da darf man sich nicht … also ›linke Sache‹, da darf man sich gar nicht drauf einlassen. Wir haben als Präsidium dann immer versucht, dafür zu werben, doch Vertrauen zu haben, dass wir das können und in der Uni wird das diskutiert, die sollen sich da mal locker machen, das war nicht ganz einfach. Also bis zum Schluss gab es Vorbehalte und auch die fertige Zivilklausel und das fertige Umsetzungsverfahren – ich hab die jeweils dann im Hochschulrat vorgestellt – also, die ham irgendwie zustimmend zur Kenntnis genommen, aber die härtesten Diskussionen waren eigentlich im Hochschulrat. (IP I) Es ging bei diesen Bedenken zum einen um die Sorge vor einem unnötigen Reglement, mit dem gute Forschung und Lehre verhindert werden könnte, zum anderen gab »es das eine Argument, was in der Tat ein wichtiges Argument ist«, denn es ging darum, kein »Bürokratiemonster« zu erschaffen, indem alle Anträge »durch das Nadelöhr eines aufwendigen Verfahrens« geschickt werden: [D]amit haben wir uns in der Umsetzungs-AG auch intensiv auseinandergesetzt und da, muss ich sagen, war’n die Studierenden auch sehr verständnisvoll, alle waren verständnisvoll, und wir haben die Verwaltung sehr stark eingebunden (IP I).63

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Dazu aus studentischer Sicht IP V: »[D]ie Umsetzung […], ich würde sagen, dass die Studierenden sich mehr erhofft hatten, die das damals angestoßen haben, und dass das Ganze, wie das in der Politik immer ist, dann über Kompromisse und bis man alle unter einem Hut hatte, zu einer etwas weicheren Form gekommen ist. Ich gehe davon aus, dass die ursprünglich angestoßene Idee der Studierenden deutlich härter formuliert und deutlich härter umgesetzt gewesen wäre, als es jetzt ist.«

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Während hochschulintern mit einer zwar kontroversen, aber dennoch weiterhin konsens- und ergebnisorientierten Debattenkultur über den ›verfahrenstechnischen‹ Umgang mit der Zivilklausel diskutiert wurde, geriet die TUD im Zuge der Recherchen des Senders NDR zum Thema »Geheimer Krieg« ab November 2013 kurzzeitig in den Fokus einer öffentlichen Kritik. Es ging dabei um ein Forschungsvorhaben an der TUD im Bereich Maschinenbau zur Optimierung der Aerodynamik von Flugzeugen (Reibungsminderung und Verringerung des Treibstoffverbrauchs), welches 2011 mit rd. 200.000 US-Dollar vom US-Departement of the Air Force gefördert worden war (vgl. Schulze 2014), womit die Zivilklausel einen ersten ›Bewährungsfall‹ hatte. In der Hochschulzeitung wurden dazu drei Standpunkte veröffentlicht: Grundmann (2014) verteidigt das Forschungsvorhaben in seinem Arbeitsbereich mit dem Verweis auf den Status des Projekts als Grundlagenforschung und die Praxis militärisch geförderter Forschung an amerikanischen Universitäten, die »genauso üblich wie DFG-geförderte Projekte an deutschen Universitäten« seien. Grundmann hält eine Klassifizierung als »Dual-Use-Projekt […] für unnütz, weil schlichtweg alles militärisch nutzbar ist« (ebd.). Nach Kütt/Ziegler (2014) stehe erfahrungsgemäß »der überwiegende Teil der Forschung an der TU Darmstadt im Einklang mit der Zivilklausel«, allerdings bestehe eine große Herausforderung darin, »von den übrigen Projekten zu erkennen, dass sie in einer Grauzone liegen und näherer Erörterung bedürfen« (ebd.). Denn man dürfe sich keinen Illusionen dahingehend hingeben, dass die Förderung von Grundlagen- oder ›neutraler‹ Forschung etwa durch US-Organisationen wie die DARPA letztlich auf militärische Überlegenheit durch technologische Verbesserung abziele.64 Abschließend merkt Hubig (2014) an: »Auseinandersetzungen um militärfinanzierte

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Die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) ist eine Behörde des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums, die mit der Durchführung und Förderung von Forschungsprojekten für die Streitkräfte der USA beauftragt ist. Dazu gehört u.a. die Ausrichtung von »Challenges«, etwa der DARPA Grand Challenge für die Entwicklung unbemannter Landfahrzeuge, an der auch Teams deutscher Hochschulen teilgenommen haben.

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Forschung sollten nicht darauf aus sein, die differenzierten Formulierungen der Zivilklausel der TU Darmstadt zu unterlaufen.« Zwischen den beiden Extremen – Verweis auf die Unbegrenztheit von potenziellem Dual-Use auf der einen und die grundsätzliche Ablehnung jeglicher militärisch finanzierter Forschung auf der anderen Seite – erlaube es die Zivilklausel der TUD, »die Problematik des jeweiligen Einzelfalles […] zu prüfen und abzuwägen […] – Auslegungen einer Zivilklausel, die sich aufs Allgemeine spezialisieren, verfehlen deren Zweck« (ebd.). Diese durchaus heterogene öffentliche Positionierung wird von Schulze (2014), der als ein engagierter und aktiver Unterstützer die Zivilklausel-Bewegung maßgeblich geprägt hat, einer vehementen Kritik unterzogen. Schulze besteht auf einer strikten Ablehnung von Militär- und Rüstungsforschung, weshalb die Tatsache, dass die an der TUD durchgeführte Forschung für das Pentagon nicht öffentlich verurteilt und als Grundlagenforschung getarnt ›beschwiegen‹ wurde, letztlich zeige, dass die »gesamte friedensbewegte universitäre und außeruniversitäre Szene […] mit der neuen Zivilklausel von der TU-Leitung clever über den Tisch gezogen« (ebd.) worden sei. An diesem exemplarischen Konfliktfall lassen sich die, von Hubig (2014) bereits angedeuteten, unterschiedlichen Paradigmen in Bezug auf die mit der Einführung von Zivilklauseln verbundenen Erwartungen noch einmal kontrastiv aufzeigen: Auf der einen Seite verbinden zumindest einige Vertreterinnen und Vertreter aus dem Spektrum der Friedensinitiativen mit der Einführung von Zivilklauseln den Anspruch, dass mit der sanktionierenden Geltungskraft solcher institutionellen Selbstverpflichtungen ein ausnahmsloses Verbot von jeglichen Aktivitäten an einer Hochschule zu rechtfertigen sei, die militärisch finanziert sind und militärischen Zwecken dienen (könnten). Den stark politisierten Forderungen nach absoluter Transparenz entsprechend, sollen Zivilklauseln eine möglichst weitreichende Kontrollfunktion erfüllen,65 die

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Schulze (2014) meint, dafür müsse man »Rüstungs- und Kriegsforschung an Hochschulen in jeder Form und Verpackung aufreißen, öffentlich skandalisieren, zurückdrängen und verhindern«, wobei »Zivilklauseln mit Transparenzklauseln ein überzeugendes Mittel der Hochschulgemeinschaft im Interesse

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allerdings durchaus in Konflikt mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit und dem Recht einer Hochschule auf souveräne Bestimmung der eigenen akademischen Angelegenheiten geraten kann.66 Auf der anderen Seite zeigt diese anlassbezogene Debatte, dass die TUD im Prozess der Einführung und Umsetzung einer Zivilklausel einen Schwerpunkt auf die Sensibilisierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für die Frage nach der Verantwortung wissenschaftlichen Handelns in einem komplexen Umfeld gelegt hat – und auch heute noch legt.67 Das Bewusstsein für die eindeutige Verpflichtung auf friedliche Ziele und die vorrangige Orientierung auf zivile Zwecke, deren weitere Verwendungsmöglichkeiten im Einzelfall kritisch zu prüfen sind, soll Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu befähigen, proaktiv im Sinne der Zivilklausel zu entscheiden, anstatt sich auf

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des Gemeinwohls und des Friedens« seien. Notwendig sei dafür aber eine »öffentliche Vollfinanzierung« der Hochschulen, um deren »Freiheit, Selbstbestimmung und Qualität« (ebd.) gewährleisten zu können. Zudem sollten Zivilklauseln »in einer landesgesetzlichen Regelung verankert [sein], weil damit für jeden Uni-Angehörigen, der gegen die Zivilklausel zu verstoßen beabsichtigt, offensichtlicher ist, dass wegen eines Gesetzesverstoßes mit empfindlicheren Sanktionen zu rechnen ist« (ebd.). In einer mit sarkastischem Unterton vorgebrachten Kritik sieht Kriesel (2016) Zivilklausel-Intentionen solcher Art »auf einem Pfad, der Friedensbewegung, Abrüstung und friedliche Forschung an den Hochschulen miteinander verbinden soll. Behauptet wird ein logischer Zusammenhang, der impliziert, dass der Weg zum ewigen Frieden gefunden ist, wenn wir ihn denn nur beschreiten. Die Zivilklausel ist dieser Logik zufolge der mutige Beitrag der akademischen Welt – die Verkörperung der intellektuellen Speerspitze aller Friedensaktivisten.« (265) So meint auch Leng (2016) in seinem Plädoyer für eine »Zivilkultur an Universitäten«, Zivilklauseln könnten zwar nicht verhindern, »dass zivile Forschungsergebnisse für militärische Zwecke missbraucht werden, aber sie sind wichtig, um die Unabhängigkeit und Freiheit der Wissenschaft zu schützen. Zudem stellen sie einen Beitrag zu einer kritischen Wissenschaftskultur [Hervorh.: F.B.] dar, die sich aktiv mit den möglichen Folgen der eigenen Forschung auseinandersetzt – gerade dort, wo die Antworten nicht offensichtlich sind.« (264)

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eine sanktionsbewährte Steuerung der Institution zu verlassen.68 Das Umsetzungsverfahren, welches mit der Verabschiedung der »EthikKommissionssatzung« abgeschlossen wurde, hat versucht, dieser Intention gerecht zu werden. Bezeichnend für die Differenz zwischen ›Innen- und Außenwahrnehmung‹ ist schließlich diese Anekdote einer beteiligten Akteurin: Nach Beschluss der Umsetzungsrichtlinien hat uns der Präsident erzählt, dass er immer wieder Anrufe von Kolleg:innen anderer Hochschulen erhalten hat, die meinten, es wäre ein »schlechtes« Vorbild, wenn die TU als technische Hochschule eine Zivilklausel hätte, aber das hat er uns mit Absicht nicht erzählt, weil der Prozess so konstruktiv war. (IP IV)

3.1.5 Verstetigung Die in der AG »Umgang mit der Zivilklausel« erarbeiteten Verfahrenselemente werden im Wesentlichen weiterhin an der TUD verwendet und können damit als verstetigt gelten. Den Kern bildet das Gremienverfahren mit der Überprüfung von Zivilklausel-Anträgen durch die EK, welche »im Moment sechs Mal im Jahr« (IP I) in nicht-öffentlichen Sitzungen tagt und dem Senat satzungsgemäß einmal im Jahr über alle begutachteten Fälle berichtet, wobei die Anträge zu Forschungsethik und Zivilklausel getrennt ausgewiesen werden. Im Schnitt werden zwei bis drei Fälle pro Jahr bearbeitet,69 womit sich die Frage stellt, weshalb

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»Schon der Prozess ihrer [der Zivilklausel; F.B.] Formulierung und die dann notwendigen Diskussionen zu ihrem Beschluss fördern die Reflexion der Wissenschaftler auf den Geist der Wissenschaft, dem sie dienen.« (Böhme 2016: 261) »[D]iese Zivilklauselverfahren machen extrem viel Arbeit, das sind Einzelstücke, jeder Fall ist komplett anders, so dass man sich da sehr stark einarbeiten muss.« (IP I) Im Zeitraum von 2014/15 bis 2017 gab es wohl insgesamt sieben Fälle (so IP III); Gehring (2018: 32) nennt acht Fälle von 2015 bis Mitte 2018: Fünf Anträge erhielten ein positives Votum, einer davon mit Auflagen; drei Anträge wurden mit einem ablehnenden Votum beschieden.

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das Fallaufkommen, anders als im Umsetzungsverfahren möglicherweise befürchtet,70 vergleichsweise gering ist.71 Da eine Selbstprüfung von Forschungsvorhaben und eine entsprechende Dokumentation nicht verpflichtend ist, könnte der bloße Befund sowohl dafür sprechen, dass weder vor noch nach Einführung der Zivilklausel in einem erheblichen Maße Forschung mit militärischem Bezug an der TUD betrieben wurde, als auch dafür, dass die Zivilklausel tatsächlich ihren Zweck erfüllt und sich an der Hochschule eine Haltung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausgebildet hat, mit der bereits in der Planung und bei Forschungsanbahnungen gewissermaßen ›automatisch‹ eine Konformitätsprüfung erfolgt, was spätere Antragstellungen unnötig macht. Jedoch lassen sich ohne eine entsprechend fundierte Untersuchung über diesen Zusammenhang nur Mutmaßungen äußern.72 Das Umsetzungsverfahren selbst wird gegenwärtig nicht aktiv weiterentwickelt, und es wird auch »nicht wahrgenommen, dass irgendjemand etwas ändern will, an dieser Verfahrensweise« (IP I). Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich für die fallnahe Betrachtung von Grenzfällen im Zuge neuer technologischer Entwicklungen, besonders etwa im Bereich der Digitalisierung und KI, entsprechende Herausforderungen ergeben, die eine Fortentwicklung nötig machen würden (dazu äußerte sich IP I ausführlicher im Interview). 70

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Für die EK als Gremium sprach »die Professionalität und die Praktikabilität« auch deshalb, »weil man ja nicht wusste, wie oft muss überhaupt über die Zivilklausel getagt werden« (IP III). IP III: »Im Prinzip müsste jeder Forschende, bevor er oder sie anfängt mit der Forschung, noch nicht mal, ob man Geld dafür bekommt oder nicht, tatsächlich vor jedem Forschungsvorhaben für sich diese Checkliste ausfüllen und irgendwo in die Unterlagen legen. Also im Prinzip müssten wir seit 2012 Hunderte von diesen Checklisten haben, Tausende wahrscheinlich, und ich bin Hundertprozent sicher, dass es davon vielleicht 20 gibt – oder hundert.« Zu beachten wäre dann sicherlich auch die jeweilige fachspezifische Relevanz, wie IP III aus Sicht des Fachbereichs Mathematik – aber ausdrücklich mutmaßend – anmerkt: »Es gibt bestimmt ganz viele Bereiche, die sind zivilklauselmäßig … unwichtig. [I]n der Informatik, im Maschinenbau, in der E-Technik sind sicherlich die schwierigeren Fälle, also wo es mehr Forschungsprojekte gibt, die kratzen an der Zivilklausel.«

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

Mit dem Beschluss und der Implementierung des Umsetzungsverfahrens scheint die TUD zu einer Routine im Umgang mit der Zivilklausel gefunden zu haben, die nach eigenem Bekunden »ein bemerkenswertes Einvernehmen in der Universität« findet und ein institutionelles Selbstverständnis stiftet: »Wir können das, wir machen das hier so, wir gehören zusammen.« (Gehring 2018: 33)73 Im Kontext dieser hochschulweit wahrgenommenen »Kultur, [in der] über Zivilklauselrelevanz geredet werden kann« (ebd.), hat sich im Zuge des Umsetzungsverfahrens offenbar auch ein Gefühl der Sicherheit und Verlässlichkeit auf Seiten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingestellt, die ihre Forschungsvorhaben entsprechend zuverlässiger in Einklang mit dem institutionellen Selbstverständnis bringen können.74 Informationen zur Zivilklausel werden einerseits auf den Seiten der EK mit den Hinweisen zur Antragstellung veröffentlicht und in Abständen aktualisiert, andererseits enthält laut Auskunft von IP IV z.B. das Willkommenspaket für neue Mitarbeitende eine Handreichung zum Thema und in Berufungsverfahren wird die Relevanz der Zivilklauselbestimmung für die Forschung angesprochen. Ansonsten scheint es, nach der bereits vergleichsweise ›geräuschlosen‹ Durchführung des Umsetzungsverfahrens, seit 2015 ruhiger um die Zivilklausel geworden zu sein. Jedenfalls finden sich auf den Webseiten der Vertretungen der 73

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IP I berichtet z.B. von der hochschulinternen Reaktion auf einen Bericht des SPIEGEL, in dem aufgrund einer Verwechslung mit einer anderen TU (Dresden) fälschlicherweise Forschungsmittel mit Militär- bzw. Rüstungsbezug der TUD zugerechnet worden waren, was als Verstoß gegen die damals bereits verabschiedete Zivilklausel gewertet wurde: »[D]ie Pressestelle hat sich beschwert beim SPIEGEL … geht ja gar nicht, Rufschädigung und so weiter […] dann war das auch schnell gradegerückt, wurde auch bei uns im Senat so vermeldet, […] das war so’n Moment, […] da waren dann auch alle eigentlich sehr zufrieden und auch stolz.« IP II: »Wenn man solche Forschungsvorhaben oder sonstige Dinge vorhat, und man bezieht die Ethikkommission dort mit ein, und die […] sagt: wir haben uns das angeguckt, […] wir haben wirklich von allen Seiten geprüft und so, […] wir halten’s für vertretbar, […] das gibt einem dann eine gewisse Sicherheit.« Diese Feststellung steht allerdings in einer gewissen Spannung zu dem offensichtlich geringen Fallaufkommen.

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Studierendenschaft und in den hochschulinternen Veröffentlichungen nur vereinzelte Hinweise dazu, zudem wurde eine hochschulinterne Diskussion wohl nicht mehr aktiv fortgesetzt. Durch das interdisziplinäre Lehr- und Forschungsprofil der TUD und die Aktivitäten von IANUS, dem Netzwerk für natur- und ingenieurwissenschaftliche Friedensforschung im Austausch mit den Sozial- und Geisteswissenschaften, sowie des Lehrstuhls Wissenschaft und Technik für Sicherheit und Frieden (PEASEC) am Fachbereich Informatik75 konnten die in den Leitlinien avisierten Lehrprozesse in Bezug auf Zivilklausel-relevante Fragestellungen in verschiedenen Formaten verwirklicht werden. Hierzu zählen etwa interdisziplinäre Lehrveranstaltungskonzepte wie KIVA (Kompetenzentwicklung durch interdisziplinäre Vernetzung von Anfang an) und thematisch einschlägige Lehrveranstaltungen76 , außerdem Vortragsreihen und der für Qualifikationsarbeiten in der naturwissenschaftlich-technischen Friedens- und Konfliktforschung vergebene IANUS-Preis.

3.2. Wie die institutionelle Selbstverpflichtung wirkt – eine erste Einordnung Die Rekonstruktion und der Nachvollzug des Prozesses der Einführung und Implementierung einer Zivilklausel an der TUD haben im Umriss

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Eine Studierende der Informatik (IP V) verweist auf die Bedeutung der Lehrangebote von PEASEC, meint jedoch auch: »[A]ls Studierender oder Studierende trifft man das [Zivilklausel/Dual-Use als Thema; F.B.] so gut wie nicht, es sei denn, man entscheidet sich bewusst für diese Spezialrichtung in der Informatik, und geht dann mehr in diese Richtung. Keines von den Fächern, die dieses Fachgebiet PEASEC macht, ist Pflichtveranstaltung für uns.« Exemplarisch ist im Fachbereich Maschinenbau das Seminar »Ingenieurwissenschaft und Gesellschaft« zu nennen, das von Lehrenden verschiedener Disziplinen ›bespielt‹ wird und u.a. einen Themenschwerpunkt »Dual Use, Militärforschung und Zivilklauseln« enthält. Siehe zu dieser bereits vor Einführung der Zivilklausel bestehenden Praxis interdisziplinärer Lehre Hampe (2011) mit dem Beispiel der Lehrveranstaltung »Philosophie für Maschinenbauer«.

3. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel

bereits gezeigt, welche herausragende Funktion offenbar die formalen Organisationsstrukturen, die informelle Organisationskultur, die beteiligten Akteurinnen und Akteure in verschiedenen Kommunikationsformaten sowie nicht zuletzt die Form der Norm erfüllt haben, um der Zivilklausel eine wirksame Geltung zu verschaffen. Diese vier Momente des Entwicklungsprozesses – Organisation, Akteurinnen und Akteure, Kommunikation und Normsetzung – sollen deshalb kurz charakterisiert werden.

3.2.1 Organisation Der Status der TUD als autonome Hochschule ist eine bemerkenswerte Besonderheit, weil sich daraus seit 2004 eine Organisationsstruktur entwickelt hat, die in dieser Form an anderen Hochschulen nicht anzutreffen ist. Eine wichtige Funktion übernimmt hierbei die außergewöhnliche Instanz der UV: Dieses Gremium ist gewissermaßen das ›Parlament der Hochschule‹ und behandelt alle Angelegenheiten, die von grundsätzlicher Bedeutung für die TUD sind. Dazu gehören u.a. die Wahl des Senats und des Präsidiums sowie gemeinsam mit dem Hochschulrat die Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten. Die UV hat damit laut Satzung eine vergleichsweise starke und wirkmächtige Stellung innerhalb der Hochschule inne. Allerdings wird gerade durch die Partizipation der verschiedenen Statusgruppen und eine ›gute Aufgabenteilung‹ mit Senat und Präsidium ein hochschuldemokratischer Habitus gefördert, der von den befragten Akteurinnen und Akteuren als wichtiger Teil einer gelebten Hochschul- und Debattenkultur an der TUD wahrgenommen worden ist. Diese auch eminent politische Funktion der UV wurde von einer Interviewpartnerin prägnant zusammengefasst: Die TU Darmstadt als erste autonome Hochschule Deutschlands hat ein stark ausgeprägtes Selbstbewusstsein in der Frage, wie sie ihre Angelegenheiten, Gremien, Forschungsprofil etc. regelt und aufstellt. Die Universitätsversammlung, die nicht durch das Präsidium gesteuert wird, gibt allen Statusgruppen die Möglichkeit, Themen

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auf die Agenda zu setzen. Außerdem ist sie ein Diskursraum, in dem viele Hochschulmitglieder sich mit grundsätzlichen Angelegenheiten befassen und miteinander debattieren lernen. Die Allianz zwischen Studierenden und progressiven Professor:innen und wissenschaftlichen Mitarbeitenden war für den Prozess sehr hilfreich, da man so faktisch fast eine Mehrheit über die eher konservative Professor:innenliste hatte. (IP IV) Die UV bildete im Prozess der Zivilklausel-Einführung die entscheidende Schnittstelle zwischen dem initiativen Impuls im Zuge der Resolution des Studierendenparlaments und der Vorbereitungsphase, denn hier wurde der im Juni 2011 eingebrachte Antrag diskutiert und das gesamte weitere Vorhaben auf den Weg gebracht. Mit der Entscheidung, den Antrag zu vertagen und eine AG zur Vorbereitung der Einführung einer Zivilklausel einzusetzen, wurde die Grundlage dafür gelegt, dass ein Jahr später über einen Zivilklausel-Entwurf entschieden werden konnte, der in Form und Inhalt wesentlich von einer hochschulöffentlichen Debatte profitiert hat. Mit dem Beschluss, die Zivilklausel in die Grundordnung aufzunehmen, erfüllte die UV satzungsgemäß eine ihrer zentralen Aufgaben und übergab schließlich die weitere Ausgestaltung des Prozesses an den Senat, der als ›Exekutivorgan‹ wiederum eine weitreichende Bedeutung für die Phase der Umsetzung hatte. Die vom Senat eingesetzte AG zum »Umgang mit der Zivilklausel« war in ihrer Tätigkeit durch eine organisatorische Kontinuität mit der vorangegangenen AG der UV geprägt, die sich sowohl in der personellen Zusammensetzung als auch in den Arbeits- und Kommunikationsformaten (regelmäßige Beratungen und hochschulöffentliche Hearings) geltend machte. Hervorzuheben ist, dass die AG offenbar aus einem eigenen starken Antrieb heraus den Anspruch hatte, das Umsetzungsverfahren so umfassend und gründlich wie nur möglich zu erarbeiten, weshalb es aus Sicht der Beteiligten auch erforderlich war, sich ausreichend viel Zeit (2012–2014) für diese Phase des Prozesses zu nehmen. Schließlich kam der EK für die Umsetzung und Implementierung der Zivilklausel an der TUD eine zentrale Rolle zu: Dieses Gremium war

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erst gut zwei Jahre vor dem Beschluss der UV gegründet worden und hatte sich durch seine anerkannte Professionalität bereits in kurzer Zeit eine enorme Reputation erarbeitet. Es dürfte sich überaus positiv auf den Umsetzungsprozess ausgewirkt haben, dass auf diese verlässliche Instanz auch für Zivilklausel-Entscheidungen zurückgegriffen werden konnte.

3.2.2 Akteurinnen und Akteure Die unmittelbar und mittelbar am Zivilklausel-Prozess beteiligten Akteurinnen und Akteure können in drei verschiedenen Hinsichten betrachtet werden: (1) Es war wichtig für den Beginn des Prozesses und die erste Antragsinitiative, dass der Impuls hierfür aus der Hochschule heraus entstanden ist, und mittelbar beeinflusst durch ein aktuelles hochschulpolitisches Klima (u.a. durch das Bündnis für Zivilklausel) relativ rasch eine alle Statusgruppen übergreifende Aufmerksamkeit erlangt hat. Der Antrag selbst wurde von Vertreterinnen und Vertretern der Studierendenschaft mit Unterstützung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausgearbeitet und in die UV eingebracht. Auch die sich anschließenden Phasen der Vorbereitung und Umsetzung waren vor allem mit Blick auf die Tätigkeit der beiden Arbeitsgruppen und die hochschulöffentliche Diskussion davon geprägt, dass zumindest jede und jeder Interessierte die Möglichkeit hatte, daran teilzunehmen und sich einzubringen. Selbstverständlich kann an dieser Stelle die kritische Frage gestellt werden, ob »Hochschulöffentlichkeit« nicht bedeuten müsste, dass an der TUD wie an anderen Hochschulen eine Ur-Abstimmung hätte stattfinden müssen, um eine breite ›demokratische Legitimation‹ für die Einführung einer Zivilklausel einzuholen. Hierbei ist jedoch einerseits zu bedenken, dass die Wahlbeteiligung bei Hochschulwahlen vergleichsweise niedrig ist und ein Abstimmungsergebnis von mehr als 72 % Ja-Stimmen für die Zivilklausel, das etwa in einer Ur-Abstimmung im Januar 2013 an der Universität Kassel erreicht wurde, sich bei

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einer Wahlbeteiligung von unter 20 % deutlich relativiert. Andererseits bieten die Gremien einer Hochschule, und insbesondere die UV an der TUD mit 25 % studentischer Repräsentation, in der Regel genügend Möglichkeiten der politischen Partizipation und Mitgestaltung. Mit Blick auf die TUD hat sich im Rahmen der Untersuchung jedenfalls der Eindruck erhärtet, dass die Arbeit in den Gremien und Arbeitsgruppen, flankiert von den Hearings und Informationsveranstaltungen, das Bedürfnis nach einer hochschulöffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Zivilklausel zumindest bei denjenigen befriedigt hat, die als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und administrativ-technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Einführung betroffen oder sich als politisch engagierte Studierende für diesen Prozess interessiert haben. (2) Neben den allgemein in den Gremien, in den Vertretungen der Studierendenschaft und an den Diskussionen beteiligten Personen haben einige sehr engagierte und kompetente Persönlichkeiten, vorrangig aus dem Kreis der Professorinnen und Professoren, aber auch von studentischer Seite, das Geschehen in den Phasen der Vorbereitung und Umsetzung vorangebracht und maßgeblich geprägt. Diese Promotoren übernahmen frühzeitig die Verantwortung für eine konstruktive und auf einen Konsens hin ausgerichtete Gestaltung eines hochschulweiten Diskurses. Bei der Formulierung des Zivilklausel-Textes und der Konkretisierung des begleitenden Umsetzungsverfahrens konnte auf eine fundierte wissenschafts- und technikphilosophische Expertise aus dem geisteswissenschaftlichen Fachbereich zurückgegriffen werden. Zudem gab es bereits ein die Fachbereiche bzw. Fächergruppen der Ingenieur-, Natur- und Geisteswissenschaften übergreifende Kultur einer interdisziplinären Zusammenarbeit der verschiedenen Akteurinnen und Akteure, die sich u.a. in den Aktivitäten der bereits seit Anfang der 1980er Jahre bestehenden IANUS-Gruppe manifestiert hatte. Darüber hinaus erwies sich die ›Rückendeckung‹ des amtierenden Kanzlers und von Seiten des Präsidiums als richtungsweisend. Diese Personenkonstellation sowie die intensive Bereitschaft einzelner Persönlichkeiten, sich überaus aktiv in den Prozess einzubringen, darf

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als eine zu diesem konkreten Zeitpunkt zwar zufällige, gleichwohl für die Organisationsstruktur und -kultur wiederum durchaus TUD-typische Ausgangssituation gelten, die letztlich das gesamte ZivilklauselVerfahren enorm begünstigt hat. (3) Eine dritte Gruppe von Akteurinnen und Akteuren formierte sich schließlich aus denjenigen, die als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betroffen sind. Die Darmstädter Zivilklausel ist einerseits Ausdruck einer institutionellen Selbstverpflichtung, mit der auch eine institutionelle Verantwortung für die Bewahrung des Friedens, die vorrangige Orientierung an zivilen Zwecken und die kritische Prüfung von militärischen Verwendungsmöglichkeiten übernommen wird. Andererseits geht es mit der Idee einer Verantwortungskultur vor allem darum, die individuelle Verantwortungsbereitschaft zu stärken und zu fördern. Der »Haken« (IP V) an dieser Freiwilligkeit kann indes sein, dass der normative Anspruch ins Leere läuft, wenn diese Verantwortung vom Einzelnen nicht übernommen wird (siehe dazu Abschnitt 3.2.4).

3.2.3 Kommunikation Die Interviews und verfügbaren Dokumente zum Zivilklausel-Prozess an der TUD zeichnen das Bild einer Organisation, in der ein hochschulweites öffentliches Miteinander-Reden in gewisser Weise zum ›guten Ton‹ gehört, was sich auch im Selbstverständnis der Akteurinnen und Akteure als Hochschulangehörige und in deren Identifikation mit der Hochschule widerspiegelt. Für die Einführung und Implementierung der Zivilklausel war die bereits in der Hochschule ›eingespielte‹ Kultur einer offenbar tatsächlich ›gelebten‹ Interdisziplinarität von großer Bedeutung, denn damit konnten in den Arbeitsgruppen und Hearings über alle Status- und Fächergruppen hinweg Probleme und Bedenken im wechselseitigen Verständnis artikuliert und einer pragmatischen Lösung zugeführt werden. Maßgeblich hierfür waren zwei wesentliche Kriterien: Die Zivilklausel sollte zum einen im Konsens aller Beteiligten ausgearbeitet und beschlossen werden. Und zum anderen sollte die zu beschließende Regelung gleichermaßen verständlich wie handhabbar

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sein. Die sorgfältig bedachte Formulierung der Klausel, die differenzierte Konkretisierung und der verfahrenstechnische Transfer in die wissenschaftliche Praxis waren deshalb elementarer Bestandteil einer kommunikativ vermittelten Normsetzung, die sich nicht in einem bloßen Bekenntnis erschöpfen sollte. In diesem Sinne wurden auch zahlreiche Dokumente und Berichte über die Arbeit in den AGs innerhalb der Hochschule veröffentlicht und damit allen Interessierten zugänglich gemacht. Eine kritische Frage von einer studentischen Interviewpartnerin (IP V) betrifft den Umstand, dass die EK für die Antragsprüfung in nicht-öffentlichen Sitzungen tagt. Damit verbunden ist die gerade in der Zivilklausel-Bewegung häufig vertretene politische Forderung nach weitestgehender Transparenz und Offenlegung aller Forschungsvorhaben an Hochschulen, um mutmaßlich ›vertuschte‹ und als Grundlagenforschung ›getarnte‹ Militär- und Rüstungsforschung aufdecken zu können. Demgegenüber ist mit IP IV daran festzuhalten, dass nichtöffentliche Gremiensitzungen »keine Entpolitisierung, sondern […] eine Entskandalisierung« darstellen, zumal es sich um demokratisch gewählte Gremien handelt, die eine studentische Partizipation und aktive Mitwirkung ermöglichen.

3.2.4 Normsetzung Mit Blick auf das Verfahren der Normsetzung zeigt sich ein zweistufiger Prozess: Zunächst erfolgte in einem ersten Schritt eine formale Normsetzung im Konsens aller Beteiligten und dann wurde in einem weiteren diskursiven Schritt eine Konkretisierung des Normgehalts vorgenommen. Die Trennung dieser beiden Verfahrensschritte erwies sich als ein bedeutender Vorteil, denn nachdem in der Vorbereitungsphase und mit dem Beschluss der UV übereinstimmend und verbindlich vereinbart worden war, dass alle beteiligten Akteurinnen und Akteure eine Zivilklausel an der TUD wollten, konnte die konkretisierende Realisierung in der Umsetzungsphase erfolgen, ohne nochmals eine grundsätzliche Infragestellung befürchten zu müssen. Deshalb ist in der Zivilklausel der TUD zwar auch die keineswegs unerhebliche Bekundung einer

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Werthaltung zu sehen, jedoch war darüber hinaus das dazugehörige Umsetzungsverfahren von Anfang an als ein möglichst gut zu gestaltendes Instrument gedacht, um die in der wissenschaftlichen Praxis beim Umgang mit der Zivilklausel möglicherweise auftretenden Probleme lösen zu können, nämlich ob und inwiefern Forschungsvorhaben dem Anspruch genügen können, friedliche Ziele zu verfolgen und an zivilen Zwecken orientiert zu sein. In den Worten einer Interviewpartnerin erweist sich die Zivilklausel somit als »sehr verfahrensorientiert […] und vergleichsweise wenig botschaftsorientiert« (IP I). Das Bemerkenswerte daran ist, dass die Akteurinnen und Akteure in der Umsetzung der Zivilklausel gemäß ihrer Profession ein durchaus an den Grundsätzen von Wissenschaftlichkeit und wissenschaftlicher Methodologie ausgerichtetes Vorgehen gewählt haben: Nachdem in einem politisch-diskursiven und konzeptionell-bestimmenden Verfahren die Normsetzung erfolgt war, wurde die Zivilklausel in der Konkretisierung beinahe so wie ein wissenschaftliches Problem bearbeitet, um zu einem praxistauglichen Verfahren zu kommen. Der entscheidende Punkt bei der Implementierung der institutionellen Selbstverpflichtung war und ist die Freiwilligkeit, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen folgte der gesamte Prozess stets dem Konsensprinzip und orientierte sich somit in allen Phasen der Normsetzung an der Bereitschaft der beteiligten Akteurinnen und Akteure, die in Rede stehenden normativen Verbindlichkeiten auch tatsächlich anzuerkennen. Zum anderen wurde dieser Konsens wiederum nur dadurch möglich, dass die Norm selbst auf der Freiwilligkeit der Verantwortungsübernahme beruht und eine Kontrolle ›von oben‹ ausschließt: Das wäre im Leben nie Konsens geworden an der Universität. Diese Betonung der Selbstverantwortung, der Eigenverantwortung, verbunden mit dem Recht der Freiheit der Forschung, der Wissenschaft, war ein wesentliches Element vom Konsens. (IP III) In diesem Zusammenhang war auch der Umgang mit den Rechtsnormen von einem gewissen Pragmatismus geprägt: Obwohl die Debatte um die verfassungsmäßige Zulässigkeit von Friedens- und Zivilklauseln

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bereits in den Jahren 2010 bis 2012 teils recht kontrovers geführt wurde, gaben sich die Beteiligten an der TUD davon vergleichsweise unbeeindruckt und beriefen sich in den Leitlinien zur Zivilklausel unmittelbar auf die Entscheidung des BVerG zum § 6 HessUG (Mitbedenken der Folgen wissenschaftlichen Handelns) sowie mittelbar auf die bestehende Praxis des Entscheidungsvorbehalts der Universitätsleitung bei Forschungsvorhaben. Die TUD hat sich somit im Umsetzungsverfahren zwar nicht ausführlich um die mögliche Konfrontation der Zivilklausel mit der Wissenschaftsfreiheit gesorgt, diese Wissenschaftsfreiheit jedoch letztlich im Organisationsentwicklungsprozess auf eine performative Weise selbst praktiziert. Denn im Sinne der Eigengesetzlichkeit von Wissenschaft und eines daraus hervorgehenden Anspruchs auf die professionelle Selbstorganisation und -regulation wissenschaftlicher Praxis hat der Prozess der Einführung und Implementierung einer normativen Selbstverpflichtung an der TUD gezeigt, wie eine wissenschaftliche Institution auf dem Wege einer selbstinduziert vollzogenen Normkonkretisierung den aus eigenem Impuls gesetzten Norminhalt nachhaltig zu legitimieren vermag.

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Die erfolgreiche und nachhaltige Einführung von Friedens- und Zivilklauseln an Hochschulen bildet die Voraussetzung für die Entwicklung und Etablierung einer zivilen Wissenschaft, die sich ihrem Selbstverständnis nach in allen Belangen akademischer Praxis verpflichtet sieht, den Frieden im menschlichen Miteinander zu wahren, und deshalb in Forschung, Studium und Lehre ausschließlich auf zivile Ziele, Zwecke und technologische Verwendungen ausgerichtet ist. Denn neben den großen Forschungsgesellschaften sind es insbesondere die Hochschulen, an denen Forschung betrieben, innovative Technologien entwickelt und wissenschaftlicher Nachwuchs ausgebildet wird, und die damit als eine spezifisch organisierte Form von Wissenschaft in Erscheinung treten. Um dem grundlegenden Anspruch an eine zivile Wissenschaft gerecht werden und die dafür erforderlichen Maßnahmen auch institutionalisieren zu können, sind Hochschulen als komplexe Organisationen auf die gelingende Durchführung von entsprechenden Transformations- und Organisationsentwicklungsprozessen angewiesen.

4.1 Theorie und Praxis Die vorliegende Rekonstruktion hat den ›Fall Darmstadt‹ als einen organisationalen Entwicklungsprozess zur Darstellung und damit zugleich eine bestimmte organisationale Praxis zum Vorschein gebracht. Diese Praxis versteht sich jedoch nicht von selbst, sondern es bedarf zudem ei-

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ner organisationstheoretischen Erklärung, um plausibel begründen zu können, warum und wie eine solche Praxis entstanden ist und weshalb sie gerade diese besondere Form angenommen hat. Dieses Bedürfnis steht allerdings in einem Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis: Einerseits wird erwartet, dass theoretische Erklärungsmodelle in der Lage sind, eine konkrete Praxis ›in den Griff zu bekommen‹, d.h. die verschiedenen individuellen Fälle organisationalen Handelns in eine systematische Ordnung zu bringen und dafür entsprechend einheitliche Unterscheidungen, z.B. zu den charakteristischen Merkmalen bestimmter Organisationstypen, einzuführen. Andererseits soll die theoretische Reflexion eine praxisorientierende Funktion erfüllen und dabei helfen, organisationale Prozesse so zu planen, dass diese mit einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit erfolgreich durchgeführt werden können. Die Spannung entsteht aus den wechselseitig-konträren Voraussetzungen, auf die sich beide Anspruchshaltungen jeweils beziehen: Um eine konkrete organisationale Praxis überhaupt als eine bestimmte Art von Praxis in den Blick nehmen und untersuchen zu können, müssen schon im Vorfeld theoretisch fundierte Annahmen und Entscheidungen getroffen werden, weil sich ansonsten gar keine Perspektive einnehmen ließe, in der eine Praxis als ein bereits mehr oder weniger konturierter Gegenstand der Untersuchung in Erscheinung treten kann. Von der Warte einer theoretischen Untersuchung aus kann die Praxis somit nur mit einer bestimmten theoretischen Rahmung in den Blick geraten, zumal in der Theorie das Besondere des Einzelfalls unter das Allgemeine einer einheitlichen Erklärung für eine Vielzahl von Fällen zu subsumieren ist. Um eine konkrete organisationale Praxis verändern zu können, sind dagegen gerade die Besonderheiten des Einzelfalls bedeutsam, weil die anzustrebenden Veränderungen möglichst gut den gegebenen Verhältnissen vor Ort entsprechen sollen. Aus der Perspektive einer Organisation heraus besteht somit auch bei einem theoriegeleiteten Entwicklungsprozess die gegenläufige Tendenz des Beharrens auf der grundsätzlichen Einzigartigkeit der eigenen Situation, die sich nur in bestimmten

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Hinsichten mit anderen organisationalen Situationen vergleichen und diesbezüglich verallgemeinern lassen soll. Diese beiden Tendenzen, in denen entweder das Allgemeine oder das Besondere hervorgehoben wird, schließen sich nicht per se aus, müssen aber in einer wissenschaftstheoretischen Analyse des TheoriePraxis-Bezugs zueinander vermittelt werden. In einer solchen kritisch verfahrenden Analyse ist die differenzierte Bestimmung des Verhältnisses der möglichen theoretischen Rahmungen zu der organisationalen Praxis, die mit diesen erfasst werden kann, von besonderer Bedeutung. Denn die vorgängige Entscheidung für einen theoretischen Rahmen bestimmt zugleich das Verständnis der Praxis, die durch diesen Rahmen in den Blick genommen wird. Das in einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung explizierte Verhältnis von Organisationstheorie und Organisationspraxis ist durch das Wissenschaftsverständnis geprägt, welches die jeweils zugrundeliegende Organisationstheorie bestimmt (vgl. Scherer/Marti 2019: 17–20). Zu Beginn dieser Untersuchung zur Einführung von Friedensund Zivilklauseln (siehe Abschnitt 1.1) wurde ›probeweise‹ ein theoretischer Standpunkt eingenommen, aus dessen Perspektive heraus der vorliegende Fall problematisch erscheinen muss. Hochschulen sind, aufgrund der dezentralen Autonomie der Professionals und einer losen Kopplung ihrer organisationalen Einheiten, demnach als spezifische Expertenorganisationen zu verstehen, weshalb es nicht erwartbar oder wahrscheinlich ist, dass an einer Hochschule zentral und einheitlich verbindlich vorgeschrieben werden kann, wie studiert, gelehrt und geforscht werden soll. Da es keinen begründeten Anlass gab, die TUD nicht als einen normalen Anwendungsfall unter die Kategorie »Expertenorganisationen« zu subsumieren, schien es mit dieser Voraussetzung prima facie schwierig zu sein, die Darmstädter Zivilklausel im Rahmen einer solchen bereits vorliegenden Organisationstheorie für diesen Typ von Organisation erklären zu wollen. Diese Form von Organisationstheorie beruht auf der grundlegenden Annahme, dass sich Organisationen als empirische Gegebenheiten bzw. Objekte und damit auf eine objektive bzw. objektivierende Art und Weise beschreiben und analysieren lassen. Gemäß dieser Annahme werden

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auch Expertenorganisationen wie Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen trotz ihrer besonderen Auffälligkeiten als regelhafte Strukturen verstanden, die gewissermaßen ›im Rücken‹ der Akteurinnen und Akteure wirksam sind. Aus einer solchen Perspektive, die einen mechanistischen Blick auf die ›Wirklichkeit von Organisationen‹ wirft, bestehen die entscheidenden Maßnahmen für die Steuerung eines Organisationsentwicklungsprozesses in der operativen Veränderung dieser Strukturen. Die Darmstädter Zivilklausel zeigt nun, wie eindimensional dieses nach dem Muster der Naturwissenschaften gezeichnete Bild von Organisationen ist. Denn die Akteurinnen und Akteure an der TUD haben nicht auf eine bestimmte Organisationstheorie zurückgegriffen und diese auf ihre eigene Praxis angewandt, es gab auch keinen intern oder extern vergebenen Auftrag für die Durchführung eines strukturellen Organisationsentwicklungsprozesses. Dafür haben die Akteurinnen und Akteure offenbar ein bereits in und mit der organisationalen Praxis vorliegendes und in diesem Sinne vortheoretisches Verständnis als praxisanleitende Orientierung verwendet und damit den Prozess der Einführung einer Friedens- und Zivilklausel gestaltet. Zudem darf nicht übersehen werden, worum es der Sache nach bei diesem Prozess ging: Eine Friedens- und Zivilklausel, die das gesamte Aktionsfeld und damit auch das Selbstverständnis der Organisation Hochschule betrifft, ist eine normative Setzung, die einem Werturteil entspricht. Die Frage nach der Legitimation dieses Werturteils kann somit nicht gemäß des Wertfreiheitspostulats ausgeklammert werden, sondern muss einen weiteren zentralen Fixpunkt der Betrachtung bilden (siehe Abschnitt 4.2). Der Befund, wonach die Darmstädter Zivilklausel hinsichtlich einer organisationstheoretischen Einordnung problematisch sein könnte, war also für die weitere Untersuchung insofern unerheblich, als gar nicht mehr der Anspruch erhoben werden musste, eine aus dem Erklärungsmodell struktureller Ursachen abgeleitete Hypothese an empirischem Material zu überprüfen. Dennoch kam es darauf an, einen theoretischen Zugang zu wählen, der es erlaubt, das komplexe soziale Phänomen der selbstorganisierten Etablierung einer Werthaltung zu

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erschließen, und dabei zugleich genügend Raum für weitere mögliche und daran anschließende Theoriezugänge lässt. Ein exploratives Vorgehen kann dieser Anforderung genügen, wenn es einer theoretischen Enthaltsamkeit verpflichtet ist, und das heißt: Einem Prinzip der Offenheit genügend ist von so wenig theoretischen Vorannahmen wie möglich auszugehen, zudem erfolgt keine vorgängige Festlegung auf eine bestimmende Theorie für die gesamte Untersuchung. Das ›Rüstzeug‹ für diese Art der Erkundung besteht aus interpretativen und hermeneutischen ›Werkzeugen‹, mit deren Hilfe das Feld abgesteckt wird, auf dem verschiedene Ebenen (z.B. Akteurinnen und Akteure, Strukturen, Kommunikation) zusammenlaufen und in den Blick genommen werden können. Hierbei werden zwei Annahmen getroffen, die auch die Haltung des Untersuchenden bestimmten: (1) Es ist grundsätzlich möglich, ein solches Feld im Zuge eines sinnerschließenden Verfahrens verständlich zu machen. (2) Die im Feld anzutreffende Wirklichkeit ist eine sozial konstruierte Wirklichkeit, die eine Re-Konstruktion erlaubt.

Der Gehalt einer solchen Erkundung ist jedoch keineswegs eindeutig festgelegt, denn die beiden Annahmen implizieren nicht, dass es nur einen erschließbaren Sinn und damit nur eine legitime Version einer Re-Konstruktion gibt. Die Form, und nicht der Inhalt, ist das Entscheidende: Es ist die Möglichkeit des Sinnverstehens und der rekonstruktiven Vergegenwärtigung von sozialer Wirklichkeit, die den Zugang zum Feld eröffnet. Wie dieser Zugang gestaltet wird und auf welche Weise die weitere Erschließung erfolgt, ist dabei nicht mit Notwendigkeit vorgegeben. Eine soziale Wirklichkeit kann von den Akteuren auf verschiedene Weise konstruiert werden, weshalb auch jede Re-Konstruktion von sozial konstruierter Wirklichkeit sich nur als eine Version neben anderen möglichen Versionen präsentiert. Die im erkundenden Verfahren selbst angelegte Kontingenz lässt damit Raum für eine Variabilität von Beschreibungsversuchen, deren Tauglichkeit nicht von vornherein festzustellen ist, sondern sich in Abhängigkeit von

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den jeweils beabsichtigten Zwecken einer theoretischen Erklärung sowie der erkenntnisleitenden Interessen erst nach und nach erweist. In der vorliegenden Untersuchung wird eine Beschreibung vorgeschlagen, die von der Frage ausgeht, wie sich Wissenschaft in der organisationalen Form einer Hochschule aus sich selbst heraus zivilisiert. Um dieses Phänomen nachvollziehen und verstehen zu können, wurde der Versuch unternommen, die Ebenen der Akteurinnen und Akteure, der Organisationsstrukturen und der Kommunikationsprozesse in eine Konstellation und dadurch miteinander ›ins Gespräch‹ zu bringen, weil all diese Momente eine jeweils besondere Rolle bei der Zivilklausel-Einführung gespielt haben. Die mit diesen Ebenen verbundenen organisationstheoretische Ansätze können auf diese Weise zu ›Gesprächspartnern‹ werden, die sich weniger als konkurrierende theoretische Perspektiven mit dem Anspruch auf eine grundlegende Erklärungs- und Begründungsleistung zur Geltung bringen als vielmehr die Komplexität des Phänomens berücksichtigend in einem multiperspektivischen Ansatz zusammenfinden. Bei der Darmstädter Zivilklausel gibt es zum Beispiel eine auffällig starke und wirkmächtige Ebene der Akteurinnen und Akteure, die vor allem das persönliche Engagement, die besonderen Prägungen und Interessen sowie die individuelle Beteiligung einzelner Protagonisten betrifft. Doch für sich genommen wäre die Beschreibung und Analyse dieser Ebene nicht hinreichend gewesen, weil das konkrete Handeln der Akteurinnen und Akteure, in welches auch die übergreifenden Momente von Diskursivität und Partizipation eingehen, erst im Zusammenhang mit der spezifischen Struktur der Organisation und den darin möglichen Kommunikationsprozessen verständlich zu machen ist. Der Versuch galt deshalb einer impliziten Verknüpfung von unterschiedlichen theoretischen Bezügen, die es erlauben, im Verlauf der Untersuchung immer wieder die Perspektive zu wechseln und im Zuge dessen den komplexen Prozesszusammenhang auf eine Weise in den Blick zu nehmen, dass dieser möglichst umfassend dargestellt und verständlich gemacht werden kann.

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4.2 Form und Norm Bei der Einführung einer Friedens- und Zivilklausel handelt es sich um die normative Prägung einer organisationalen Wirklichkeit, die zudem das grundlegende Selbstverständnis einer Hochschule zum Ausdruck bringt. Die Betrachtung dieses Prozesses kann sich deshalb nicht in der Beschreibung und theoretischen Einordnung dieser besonderen Organisationspraxis erschöpfen, sondern sollte zumindest ansatzweise das emanzipatorische Potenzial einer Werthaltung benennen, die sich an der TUD mit der Einführung einer Friedens- und Zivilklausel exemplarisch innerhalb einer Hochschule geltend machte und damit einen eigenständigen Beitrag zur Entwicklung einer zivilen Wissenschaft leistete. Es ist daher aufschlussreich, sich noch einmal anzuschauen, welche Form die Norm in der Darmstädter Zivilklausel angenommen hat. Den beteiligten Akteurinnen und Akteuren war offenbar bewusst, welche entscheidende Rolle hierfür der ›legitimatorische Ort‹ spielt: Die Klausel wurde nicht als bloße Absichtsbekundung bzw. als Bekenntnis zu einer zivilen Wissenschaft verabschiedet, sondern erhielt mit der Aufnahme in die Präambel der Grundordnung ein herausragendes Maß an Verbindlichkeit. Die Veröffentlichung in einem Dokument, welches für alle universitären Arbeitsbereiche unmittelbar rechtskräftige Gültigkeit hat, bildet zusammen mit der Satzung der EK als dem für die Zivilklausel zuständigen Gremium die Grundlage für eine inneruniversitär sichtbare und zumindest potenziell sehr wirksame Selbstverpflichtung. Deren ›starker‹ Charakter mit einer expliziten nominalen Begrifflichkeit und einer klar strukturierten Formulierung, die bereits die wesentlichen normativen Elemente einer Friedens- und einer Zivilklausel enthält und diese zugleich auf alle universitären Anwendungsbereiche bezieht, wird durch eine solche Verortung nachhaltig institutionalisiert und entsprechend berücksichtigt. Zudem bedeutet das aktive Setzen einer Norm, von der immerhin eine Organisation im Ganzen betroffen ist, dass im vorliegenden Fall keineswegs ein unkritisch-affirmatives Verhältnis zu der bereits vorhandenen Organisationsstruktur bestand. Der Prozess dieser Zivilklausel-

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Einführung hat vielmehr gezeigt, wie von einem beinahe zufälligen Impuls ausgehend eine kritisch-emanzipatorische Entwicklung erfolgte, an deren (vorläufigem) Ende eine selbstinduzierte wie auch selbstorganisierte Strukturveränderung steht. Dabei war die Stoßrichtung der Entwicklung nicht vorgezeichnet, denn der vormalige Beschluss des Konvents von 1973 war für den beginnenden Prozess ab 2010/11 völlig unerheblich und es gab auch keine dezidiert pazifistische bzw. die normative Gestalt der Friedens- und Zivilklausel bereits vorwegnehmende Tradition an der TUD. Die Normsetzung wurde stattdessen ohne erkennbare äußere Einflussnahme und in einem relativ spontanen Akt der internen Selbstverständigung aus der Hochschule heraus etabliert. Der ›Fall Darmstadt‹ kann somit als Beispiel gesehen werden, dass die Entwicklung in Richtung einer zivilen Wissenschaft nicht zwingend über politische oder administrative Vorgaben (wie etwa das HZG NRW mit einem ›Zivilklauselgebot‹) herbeizuführen ist, die von außen an die Hochschulen herangetragen werden. Solche Vorgaben dürften dem eigentlichen Anliegen, nämlich eine ›wirkliche‹ Werthaltung und nicht bloß den Vollzug einer oktroyierten Vorschrift zu initiieren, sogar eher schaden. Doch was bedeutet die Aussage, bei der Einführung von Friedensund Zivilklauseln gehe es darum, eine wirkliche Werthaltung zur Geltung zu bringen? Diese Frage bezieht sich darauf, welche normativen Implikationen mit dem Konzept einer zivilen Wissenschaft verbunden sind. Wenn »Wissenschaft« als eine Institution verstanden wird, so geht damit offenbar der Anspruch einher, dass sich der in Rede stehende Wert auf irgendeine Weise in der institutionellen Struktur ›manifestiert‹, darin also der ›Ausdruck einer Werthaltung‹ gesehen wird, mit der militärische und kriegerische Handlungsoptionen zur Ausgestaltung einer sozialen Welt abgelehnt werden. Diese in eine Institution ›eingebettete‹ und damit institutionalisierte Werthaltung soll dann mittelbar auf Akteurinnen und Akteure wirken, deren Handeln in einer solchen Institution wesentlich durch die entsprechenden strukturellen Vorgaben und Regelungen geprägt wird. Diese institutionelle Prägung führt jedoch nicht zwingend zu einer individuellen ethischen bzw. moralischen

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Haltung, die aber mit dem Anspruch »wirkliche Werthaltung« verbunden sein kann. Es ist deshalb entscheidend, den Umfang und die Reichweite einer solchen normativen Verbindlichkeit möglichst genau zu bestimmen: Der weitestreichende Anspruch bestünde darin, von allen Mitgliedern einer Hochschule zu fordern, sich ausdrücklich zu dem Wert einer zivilen Wissenschaft zu bekennen. Diese Forderung ließe sich etwa mit dem Verweis auf die Pflicht zur Verfassungstreue für Angestellte im öffentlichen Dienst begründen, über die sie bei der Einstellung belehrt werden. Diese Pflicht schließt ein ausdrückliches Bekenntnis zu den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ein, zudem sind im Falle eines Verstoßes auch Sanktionen wegen arglistiger Täuschung bis hin zur Kündigung vorgesehen. Ein derartiger Vergleich einer Pflicht zur ›Zivilklauseltreue‹ mit der bindenden Wirkung des Grundgesetzes ist allerdings, wie in Abschnitt 2.5.4 dargelegt wurde, problematisch: Einerseits bestehen Bedenken, ob ein grundsätzlicher Ausschluss militärischer und kriegerischer Handlungsoptionen als ›Staatszielbestimmung‹ im Sinne des Grundgesetzes zu interpretieren ist, andererseits wird eine damit einhergehende Beschränkung der grundgesetzlich gesicherten Freiheit von Forschung und Lehre kritisiert. Dieser Befund dürfte besonders den Akteurinnen und Akteuren aus dem Kontext der studentischen Zivilklausel-Initiativen als unbefriedigend erscheinen. Schließlich könnte, und das durchaus mit einiger Plausibilität, dafür argumentiert werden, dass eine institutionalisierte Werthaltung nur so gut sein kann wie die ›tatsächlich‹ vertretenen Werte aller Mitglieder, die nicht nur von einer solchen Institution geprägt werden, sondern diese in ›aggregierter Form‹ auch zugleich ›verkörpern‹. Aus dieser Perspektive heraus wird die Forderung nach einer zivilen Wissenschaft mit einem Bekenntnischarakter verbunden, über den die Zugehörigkeit bzw. Nicht-Zugehörigkeit zu einer Art ›Wertegemeinschaft‹ definiert ist. Es hängt dann vom Grad der Verbindlichkeit eines solchen Bekenntnisses und auch vom Standpunkt der anderen Beteiligten bzw. Betroffenen ab, ob darin bereits der berüchtigte ›moralische Zeigefinger‹ zu sehen ist.

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Vor diesem Hintergrund lässt sich nun besser erkennen, ob die Einführung einer Friedens- und Zivilklausel eher als eine zivilgesellschaftlich-politische Initiative mit dem Ziel eines grundlegenden Wertewandels oder eher als eine organisationale Steuerungsaufgabe mit dem Ziel einer kontextsensiblen Werte-Implementierung angelegt ist. An der TUD wurde die Forderung nach einer Zivilklausel in der UV zunächst als ein Wert anerkannt, der für die Universität und ihre Mitglieder relevant ist. Ausgehend von diesem Impuls wurde die Darmstädter Zivilklausel aber sehr rasch vor allem als eine Herausforderung für die Organisationsentwicklung gesehen, da die Vorstellung von einer zivilen Wissenschaft nicht nur als das Bekenntnis einer Institution, sondern als institutionalisierte Umsetzung einer bestimmten Werthaltung zur Geltung gebracht werden sollte. Die Normsetzungshandlung bezog sich deshalb auch konsequent auf den Normenbereich, für den eine Implementierung der Friedens- und Zivilklausel anzustreben war: Der institutionell prägende Charakter der Selbstverpflichtung sollte weniger durch den deklaratorischen Ort in der Präambel der Grundordnung als vielmehr durch die geregelte Normenpraxis im Rahmen des Begutachtungsverfahrens in der EK bestimmt werden. Ob die Darmstädter Zivilklausel diese Prägung erfolgreich herbeigeführt hat, bleibt abzuwarten bzw. weiteren Untersuchungen vorbehalten, denn aufgrund der Freiwilligkeit zur Anzeige von Vorhaben, die gegebenenfalls relevant in Bezug auf die Zivilklausel sind, ist eine abschließende Bewertung nicht möglich: Die von der EK behandelten Fälle sind insgesamt sehr gering, was auf eine erfolgreiche ›Bewusstseinsveränderung‹ bei Lehrenden und Forschenden ebenso hindeuten könnte wie auf die Möglichkeit, dass bereits vor der Einführung der Klausel kaum Vorhaben mit einem militärischen oder kriegerischen Anwendungsbezug durchgeführt wurden. Es könnte zudem ein Vermeidungsverhalten vorliegen, indem potenziell problematische Fälle nicht gemeldet werden und entsprechende Vorhaben stattdessen an außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die nicht dem Geltungsbereich der Zivilklausel unterliegen, untergebracht werden. Es würde deshalb auch recht merkwürdig anmuten, die Darmstädter Zivilklausel als eine Art best practice zu bezeichnen, da direkte Ver-

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gleichsmöglichkeiten fehlen und insofern auch die Frage nach dem Erfolg nur relativ in Bezug auf diesen singulären Fall zu beantworten ist. Aber im Lichte der ebenfalls normativ konnotierten Erwartungen, die an eine erfolgreiche Einführung und Implementierung einer Zivilklausel geknüpft werden können – nämlich eine normativ verbindliche und weitgehend akzeptierte Setzung mit einem praktikablen Verfahren –, dann werden diese im vorliegenden Fall sicherlich erfüllt.

4.3 Genese und Geltung Was wäre also aus dem Beispiel der Einführung und Implementierung einer Friedens- und Zivilklausel an der Technischen Universität Darmstadt zu lernen? Die Betrachtung dieses Prozesses gibt jedenfalls kaum Anlass zur Hoffnung, man könne den ›Fall Darmstadt‹ einfach zu einer Blaupause für vermeintlich ähnliche Organisationsentwicklungsvorhaben an anderen Hochschulen machen. Denn für eine verallgemeinernde Einordnung ist das ganze Geschehen in seiner Singularität einfach von zu vielen kontingenten und kontextspezifischen Faktoren abhängig. Allerdings lädt dieser Fall zu einer gemeinsamen Betrachtung ein, weil er keineswegs ein ›organisationales Wunder‹, sondern durchaus nachvollziehbar und damit auch erklärbar ist. Die vorliegende Rekonstruktion liefert nicht per se eine plausible Begründung dessen, was sich ereignet hat – aber da dem Prozess bereits praxisimmanent ein bestimmter Sinn eingeschrieben ist, eröffnet sich damit die Aussicht auf eine Interaktion: Nicht nur zwischen verschiedenen organisationstheoretischen Ansätzen, sondern auch zwischen verschiedenen Betrachtungsweisen in Bezug auf die Frage, warum die Idee einer zivilen Wissenschaft an der TUD gerade so und nicht anders realisiert wurde. Dabei war dieser Prozess kaum vorhersehbar, denn es lag immer auch im Bereich des Möglichen, dass selbst beim besten Willen aller Beteiligten kein Konsens zu finden gewesen und das Verfahren einer Zivilklausel-Einführung zu irgendeinem Zeitpunkt gescheitert wäre. Im verstehenden Nachvollzug ist allerdings deutlich geworden, in welchem Verhältnis die Normsetzung in ihrem Geltungsanspruch zu

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der Art und Weise steht, wie diese Normsetzung in die Wege geleitet wurde: Die Genese einer Norm bestimmt zu einem wesentlichen Teil mit, welche Geltungswirksamkeit diese in der konkreten Normenpraxis entfalten kann. Insofern sich von der Darmstädter Zivilklausel sagen lässt, dass darin die Forderung nach einer zivilen Wissenschaft erfolgreich zur Geltung gebracht wurde, war dafür offenbar entscheidend, dass in allen Phasen des Prozesses – von der ersten Initiative über die universitätsweiten Anhörungen und die Diskussionen in den Arbeitsgruppen bis hin zur Aufnahme in die Grundordnung und die Satzung der EK – es für interessierte Akteurinnen und Akteure möglich war, sich am Prozess zu beteiligen und diesen aktiv mitzugestalten. Wichtig ist dieser Zusammenhang vor allem deshalb, weil die Normsetzenden in der organisationalen Struktur einer Hochschule, die mehr oder weniger selbständig ihre eigenen Belange regeln kann, zugleich die Betroffenen dieser Norm sind. Die Einführung und Implementierung einer Zivilklausel an der TUD ist letzten Endes nur auf der Basis der Beobachtung zu bewerten, dass und wie Individuen in einer komplexen Institution ein gemeinsames Engagement entwickeln und sich über einen selbstorganisierten und grundlegend demokratischen Prozess einer weitreichenden Selbstverpflichtung unterstellen. Sollte sich so etwas wie eine ›Lehre‹ aus dem ›Fall Darmstadt‹ ziehen lassen, dann vielleicht diese Form der Einübung in eine differenzierte Betrachtungsweise, wie das Ideal einer zivilen Wissenschaft zu realisieren wäre.

I. Abkürzungsverzeichnis

AG AK AStA BGBl BVerfG BVerfGE DARPA DFG EK FZK GVBl GG HessUG HG HG NRW HRG HSchulG HE HZG NRW IANUS IP IWIF Jg JZ

Arbeitsgruppe Arbeitskreis Allgemeiner Studierendenausschuss Bundesgesetzblatt Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsentscheid Defense Advanced Research Projects Agency Deutsche Forschungsgemeinschaft Ethikkommission Kernforschungszentrum Karlsruhe Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen Grundgesetz Hessisches Universitätsgesetz Hochschulgesetz Hochschulgesetz das Landes Nordrhein-Westfalen Hochschulrahmengesetz Hochschulgesetz des Landes Hessen Hochschulzukunftsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit Interviewpartnerin/Interviewpartner Informationsstelle Wissenschaft und Frieden e.V. Jahrgang Juristenzeitung

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KEF KI KIT KIVA KJ NATO NDR PEASEC TH ThürHG TU TUD TUDG HE UV VDI VDW W&F

WissR

Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung Künstliche Intelligenz Karlsruher Institut für Technologie Kompetenzentwicklung durch interdisziplinäre Vernetzung von Anfang an Kritische Justiz. Vierteljahresschrift für Recht und Politik North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantikpakt) Norddeutscher Rundfunk Peace and Security – Lehrstuhl für Wissenschaft und Technik für Sicherheit und Frieden an der TUD Technische Hochschule Hochschulgesetz des Landes Thüringen Technische Universität Technische Universität Darmstadt Gesetz zur organisatorischen Fortentwicklung der TUD Universitätsversammlung Verein Deutscher Ingenieure e.V. Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. Wissenschaft und Frieden. Interdisziplinäre Wissenschaftszeitschrift für Friedensforschung, Friedenspolitik und Friedensbewegung Wissenschaftsrecht. Zeitschrift für deutsches und europäisches Wissenschaftsrecht

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Zivile Wissenschaft

Voigt, Friedemann (2012): Bedeutung, Normativität und Funktion der Wissenschaftsfreiheit. Zur Einleitung. In: Freiheit der Wissenschaft. Beiträge zu ihrer Bedeutung, Normativität und Funktion. Hg. v. F. Voigt. Berlin, Boston. S. 1–7. Vöneky, Silja (2012): Ethische Standards im Wissenschaftsrecht. In: Wissenschaft und Ethik (WissR Beiheft 21), S. 68–96. Werkner, Ines-Jacqueline (2017): Zum Friedensbegriff in der Friedensforschung. In: Handbuch Friedensethik. Hg. v. I.-J. Werkner/K. Ebeling. Wiesbaden. S. 17–31. Wilms, Hans-Christian (2010): Verantwortliche Forschung und Wissenschaftsfreiheit – ein Widerspruch? In: WissR. Bd. 43, Heft 4, S. 386–407. Wright, Georg Henrik von (1994): Sein und Sollen. In: G. H. v. Wright: Normen, Werte und Handlungen. Frankfurt a.M.. S. 19–43.

Soziologie Michael Volkmer, Karin Werner (Hg.)

Die Corona-Gesellschaft Analysen zur Lage und Perspektiven für die Zukunft 2020, 432 S., kart., 2 SW-Abbildungen 24,50 € (DE), 978-3-8376-5432-5 E-Book: PDF: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5432-9 EPUB: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-5432-5

Vera Hofmann, Johannes Euler, Linus Zurmühlen, Silke Helfrich

Commoning Art – Die transformativen Potenziale von Commons in der Kunst Juli 2022, 124 S., kart 19,50 € (DE), 978-3-8376-6404-1 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-6404-5

Kerstin Jürgens

Mit Soziologie in den Beruf Eine Handreichung 2021, 160 S., kart. 18,00 € (DE), 978-3-8376-5934-4 E-Book: PDF: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5934-8

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Soziologie Gabriele Winker

Solidarische Care-Ökonomie Revolutionäre Realpolitik für Care und Klima 2021, 216 S., kart. 15,00 € (DE), 978-3-8376-5463-9 E-Book: PDF: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5463-3

Wolfgang Bonß, Oliver Dimbath, Andrea Maurer, Helga Pelizäus, Michael Schmid

Gesellschaftstheorie Eine Einführung 2021, 344 S., kart. 25,00 € (DE), 978-3-8376-4028-1 E-Book: PDF: 24,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4028-5

Bernd Kortmann, Günther G. Schulze (Hg.)

Jenseits von Corona Unsere Welt nach der Pandemie – Perspektiven aus der Wissenschaft 2020, 320 S., Klappbroschur, 1 SW-Abbildung 22,50 € (DE), 978-3-8376-5517-9 E-Book: PDF: 19,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5517-3 EPUB: 19,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-5517-9

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