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German Pages 224 Year 2018
Katrin von Kap-herr Zeigen und Verbergen
Film
Katrin von Kap-herr ist Diplom-Kulturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Film- und Medienwissenschaft. Nach Stationen in den Bereichen Film- und Fernsehproduktion, Filmfestivals und Ausstellungen arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiengang Europäische Medienwissenschaft – einem Kooperationsprojekt der Universität Potsdam und der Fachhochschule Potsdam. Sie lehrt und forscht zu Theorien und Konzepten medialer Inszenierung, ästhetischen Konzepten visueller Bildmedien, medialen Erscheinungsformen sowie medienkulturellen Veränderungen.
Katrin von Kap-herr
Zeigen und Verbergen Zum Doppelgestus der digitalen Visual Effects im Hollywood-Kino
Der Druck dieser Publikation wurde durch das ZeM – Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften gefördert.
Diese Publikation wurde im Februar 2017 als Dissertation unter dem Titel »Zeigen und Verbergen. Zum Doppelgestus der digitalen Visual Effects im aktuellen Hollywood-Kino« an der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam erfolgreich zur Erlangung des akademischen Grades Doctor philosophiae (Dr. phil.) verteidigt. Gutachter: Prof. Dr. Jan Distelmeyer, Prof. Dr. Heiko Christians.
© 2018 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: Bahadir Özbek / www.nookta.de Lektorat & Satz: Katrin von Kap-herr Druck: docupoint GmbH, Magdeburg Print-ISBN 978-3-8376-4192-9 PDF-ISBN 978-3-8394-4192-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt
Einleitung | 9
I. VON SPECIAL EFFECTS ZU DIGITALEN VISUAL EFFECTS: EINE DISKURSIVE ANNÄHERUNG 1.
Etablierung der Special Effects und Visual Effects | 25
1.1 Die ersten Special Effects | 25 1.2 Definitionen von Special Effects und Visual Effects | 32 1.3 Erwähnungen der Begriffe Special Effects und Visual Effects | 37 2.
Verschiebung der Special Effects zu digitalen Visual Effects | 43
2.1 Institutionelle Verschiebung | 43 2.2 Technologische Verschiebung | 46 2.3 Veränderung der Produktionsprozesse | 52
II. MEDIALE PRAKTIKEN UND VISUELLE INSZENIERUNGSFORMEN IN IHREN HISTORISCHEN PERSPEKTIVEN 1.
Visuelle Unterhaltungsformen des 19. Jahrhunderts | 57
1.1 Optische Apparaturen und philosophische Spielzeuge | 59 1.2 Formen des Panoramas | 62 2.
Präsentationsformen und Inszenierung des frühen Films | 69
2.1 Bühnenmagie und Filmtrick | 69 2.2 Der Gründungsmythos der Filmzuschauer_innen | 76 2.3 Hale’s Tours, Prolog und Kinopaläste | 86
III. PRAKTIKEN UND DISKURSE DES ZEIGENS UND VERBERGENS 1.
Zeigen und Verbergen in den Begleitmedien der Effekte | 95
1.1 Die Begleitmedien der Effekte in ihrer historischen Perspektive | 95 1.2 Die Umbruchphase in den 1990er Jahren | 99 1.3 Indexikalität und Realitätsähnlichkeit | 106 2.
Zeigen und Verbergen in den filmtheoretischen Diskursen | 111
2.1 Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit | 111 2.2 Attraktion und Narration | 116
IV.DIGITALE VISUAL EFFECTS ALS DOPPELGESTUS IM POPULÄREN HOLLYWOOD-KINO Digitaler Körper als Visual Effect | 127 1.1 Historische Vorgänger: Zeichentrick, Animation und hybrider Realfilm | 127 1.2 Digitaler Effekt: Performance Capture | 139 1.3 Filmbeispiele: Digitaler humanoider Körper eines nicht-menschlichen Lebewesens | 142 1.4 Filmbeispiele: Digitaler humanoider Körper eines menschlichen Lebewesens | 147 1.5 Der Doppelgestus des digitalen Körpers | 152 1.
Virtuelle Kamera als Visual Effect | 155 2.1 Historische Vorgänger: Kameraperspektiven und Kamerabewegungen einer materiellen Kamera | 155 2.2 Digitaler Effekt: Virtuelle Kamera | 162 2.3 Filmbeispiele: Die virtuelle Kamera als unmögliche Bewegung | 163 2.
2.4 Filmbeispiele: Die virtuelle Kamera als unmögliche Perspektive | 167 2.5 Der Doppelgestus der virtuellen Kamera | 179 Fazit und Ausblick | 183 Dank | 189 Abbildungsnachweise | 191 Filme | 197 Literatur | 203 Anhang: Academy Awards / Oscar-Gewinner_innen der Kategorie Visual Effects | 215
Einleitung
Stephen Prince hat einmal eine Situation sehr treffend beschrieben, die mir auch vertraut ist. Auf einer Konferenz habe er seiner Gesprächspartnerin erzählt, dass er zu digitalen Visual Effects forsche, woraufhin diese abrupt geantwortet habe: „Oh, I hate those movies!“ (vgl. Prince, 2012, S. 1). Diese Begebenheit zeigt das Spannungsfeld, in dem sich Visual Effects bewegen. Als populäres Medium müssen sich Effekte und ihre dazugehörigen Filme1 diversen vorgefertigten Meinungen und Diskussionen stellen, die nicht nur von Cineasten, sondern auch aus Fachkreisen der Medien- und Filmtheorie kommen. Deren Vorwurf ist es, Effekte würden mit den traditionellen Konventionen brechen, indem sie aus dem filmischen Kontext herausstechen und die Aufmerksamkeit der Zuschauer_innen ganz auf sich ziehen. Filme mit Effekten seien daher ein Attraktionskino, ein reines Spektakel ohne Narration. Diesen eher abwertenden Urteilen stehen jedoch die weltweit hohen Besucherzahlen und Einspielergebnisse von Filmen mit digitalen Visual Effects gegenüber, die seit den letzten Jahrzehnten zu beobachten sind. Bereits 2003 konnten die fünf für den Oscar der besten Visual Effects nominierten Filme weltweit ein Mehrfaches an Einspielzahlen vorweisen als die fünf Nominierten für den Oscar Bester Film (vgl. Cohen, 2013)2. 1
Der Stopptrick wird auch als Jump Cut bezeichnet. Aus ihm heraus entwickelte sich auch Stop Motion als Animation von Einzelbildern. Der Effekt wurde später auch nach der Aufnahme im Schnitt erzeugt.
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Nach insgesamt 108 Wochen Laufzeit hatten die fünf nominierten Filme für den besten Film weltweit 1.685 Milliarden US Dollar eingespielt, wohingegen die fünf nominierten Filme für beste Visual Effects nach nur 70 Wochen bereits 3.782 Milliarden US Dollar eingebracht hatten (vgl. Cohen, 2013).
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Selbst wenn Visual Effects nicht immer den besten Ruf genießen, lässt der finanzielle Erfolg ihrer Filme doch vermuten, dass es jenseits des reinen Spektakels etwas geben muss, was sie für ein breites Publikum interessant macht. Seit den späten 1970er Jahren wird in medientheoretischen Diskursen von einem Umbruch gesprochen, der überwiegend auf der Wende von analogen zu digitalen Medien basiert. Diese Veränderung hat auch die Effekte betroffen. War vorher meist die Rede von Spezialeffekten – Special Effects – so wurden sie nun häufiger als Visual Effects bezeichnet. Was heißt dies aber im Speziellen für die Filmeffekte? Bedeutet diese begriffliche Verschiebung, dass durch die Digitalität eine Transformation stattgefunden hat oder sind digitale Visual Effects lediglich alte Spezialeffekte in neuem Gewand? Um dieser Frage nachzugehen, müssen die Strategien und Prinzipien der digitalen Visual Effects und der Special Effects genauer betrachtet und untersucht werden, um sie sinnvoll voneinander abzugrenzen und eingehender zu definieren. Das zentrale Anliegen dieses Buchs ist es dabei, die aktuellen digitalen Visual Effects genauer unter die Lupe zu nehmen, da es heute – selbst in einem nicht-spektakulären Kino – kaum mehr einen Film ohne Effekte gibt. Und obwohl Effekte seit Anbeginn der Filmgeschichte existieren und Teil des Films sind, wurden sie wissenschaftlich bis in die 1980er Jahre kaum untersucht. Dieses Versäumnis lässt sich in erster Linie auf ein Verständnis des klassischen Kinos zurückführen. Hier standen Effekte nicht im Fokus der Aufmerksamkeit, sie galten als Störfaktor einer vermeintlich filmischen Geschlossenheit. Dies führte häufig dazu, dass die Verwendung von Effekten verschwiegen wurde. So gilt der Effekt Matte Paintings auch heute noch als unsichtbare Kunst, was sich im Titel des Filmbuchs „The Invisible Art: The Legends of Movie Matte Painting“ (Vaz & Barron, 2002) widerspiegelt. Der einzige Effekt, dem die höchste Beachtung zukam, war StopMotion, allerdings überwiegend durch Fangemeinden um klassische Effektkünstler wie Ray Harryhausen oder Willis O’Brian. Die Filmwissenschaft widmete sich erst den Filmeffekten in den 1980er Jahren, als mit dem Aufkommen von Blockbuster-Filmen im Zuge des postklassischen Kinos vermehrt von Special Effects die Rede war. Ende der 1980er Jahre führte Tom Gunnings Untersuchung über den frühen Film in
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„The Cinema of Attractions. Early Films, Its Spectator and the AvantGarde“ (1989) zu einer bis heute andauernden, internationalen Aufmerksamkeit für das Phänomen des Attraktionskinos – insbesondere, da Gunning von dessen Wiederkehr in den Blockbustern schrieb. Bis heute ist dieses Konzept zur Attraktion des frühen Kinos verbreitet und wurde fast zwanzig Jahre später von Wanda Strauven in „The Cinema of Attractions Reloaded“ (2006) wieder aufgegriffen. Bis in die 2000er Jahre blieben die Effekte jedoch überwiegend nur Randbemerkungen oder Unterkapitel in Filmbüchern. Eine der wenigen Ausnahmen war Rolf Giesen, der sich hauptsächlich mit frühen Trickverfahren beschäftigte, wie z.B. „Special Effects: King Kong, Orphee und Die Reise zum Mond“ (1985) und „Special Effects. Die Tricks im Film. Vom Spiegeleffekt bis zur Computeranimation“ (1985). Es dauerte letztlich bis zu der Jahrtausendwende, bis sich computergenerierte Bilder (CGI: computer generated image) im Film etabliert hatten und die Film- und Medienwissenschaft Effekte in einschlägigen Werken aufgriff. Diese intensivere wissenschaftliche Beschäftigung mit Visual Effects (meist unter der Bezeichnung Special Effects) fand vor allem im englischsprachigen Raum statt. Thematisch zu nennen sind hier folgende Autor_innen: Michele Pierson untersuchte 2002 die kulturelle Rezeption von Special Effects und ihre Beziehung zur Populärwissenschaft im 19. Jahrhundert in ihrem Buch „Special effects: Still in Search of Wonder“ (Pierson, 2002). 2003 hinterfragte Scott Bukatman in „Matters of Gravity. Special Effects and Supermen in the 20th Century“ (Bukatman, 2003) Superhelden in ihren urbanen Umgebungen sowie den Effekt des Körpers in einem technologisierten Zeitalter, vor allem in Science-Fiction-Filmen und Comicbüchern. Richard Rickitt gab 2007 mit der Publikation „Special Effects. The History and Technique“ (Rickitt, 2007) erstmals einen umfangreichen Überblick von den optischen bis hin zu den digitalen Effekten und verortete diese historisch sowie technisch. Mit der Veröffentlichung von Stephen Prince 2012, „Digital Visual Effects in Cinema: the Seduction of Reality“ (Prince, 2012), wurden schließlich digitale Visual Effects zum erstem Mal in einem aktuellen filmtheoretischen Buch namentlich benannt. Prince verhandelte insbesondere die Transformation des Hollywoodkinos durch digitale Visual Effects und plädierte dafür, die digitalen Technologien als eine Aufwertung des Films zu betrachten. Mit dieser neuen Sichtweise legte er eine entscheidende Grundlage für die filmwissenschaft-
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liche Erforschung von digitalen Effekten und auch für die vorliegende Veröffentlichung. Während noch Anfang der 2000er Jahre mit der Publikation „The Cinema of Attractions Reloaded“ die Idee verbreitet wurde, dass Effektszenen die Attraktion über die Narration stellen würden, gibt es gegenwärtig nun auch abweichende Diskurse, die das Verhältnis von Spektakel und Narration neu zu beschreiben versuchen – wie Geoff King in „Spectacular Narratives: Hollywood in the Age of the Blockbuster“ (King, 2000), Shilo T. McClean in „Digital Storytelling: The Narrative Power of Visual Effects in Film“ (McClean, 2008) oder Kristen Whissel in „Spectacular Digital Effects: CGI and Contemporary Cinema“ (Whissel, 2014). Aktuelle Publikationen zu Effekten weisen vermehrt die Tendenz auf, Effekte anders lesen zu wollen und bemühen sich um eine neue Kategorisierung. So werden z.B. die Praktiken der Special Effects in dem Sammelband „Special Effects. New Histories/Theories/Contexts“ (North/Rehak/ Duffy (Hg.), 2015) in einen historischen, aber auch theoretischen Kontext gestellt – von den Anfängen bis zur Gegenwart der Effekte. Um ein neue Einordnung bemühen sich auch Lev Manovich, Leon Gurevitch, Aylish Wood, Lisa Purse und andere in einzelnen Essays. Die Beschäftigung mit aktuellen Filmeffekten im deutschsprachigen Raum ist eher spärlich. Auch sind die oben genannten englischsprachigen Publikationen nicht ins Deutsche übersetzt worden. Neben den Veröffentlichungen von Rolf Giesen, die sich in den vergangenen Jahren auf lexikalische Beiträge konzentriert haben, wie das „Lexikon der Special Effects“ (2001) oder das „Lexikon des Trick- und Animationsfilms. Die große Welt der animierten Filme“ (2003), ist als wichtige aktuelle Veröffentlichung die Publikation „Visual Effects. Filmbilder aus dem Computer“ (2008) von Barbara Flückiger zu nennen. Flückiger gibt darin einen umfangreichen Einblick sowohl in die Entwicklung und Ästhetik als auch in die technischen Grundlagen der digitalen Visual Effects und grenzt diese zu bisherigen Verfahren ab. 2016 erschien der von Michael Wedel herausgegebene Sammelband „Special Effects in der Wahrnehmung des Publikums. Beiträge zur Wirkungsästhetik und Rezeption transfilmischer Effekte“ (2016). Darin wird nicht nur der Frage nach der Wirkungsästhetik in Differenz zur technischen Produktion der Effekte nachgegangen, sondern
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erstmals wurden hier auch bedeutende Aufsätze von Scott Bukatman und Stephen Prince in deutscher Übersetzung verfügbar gemacht. Die film- und medienwissenschaftlichen Diskurse sind jedoch nicht die einzigen, der sich mit Effekten beschäftigen. Parallel dazu existieren noch Veröffentlichungen, die sich zwar mit Special Effects und Visual Effects befassen, allerdings nicht auf einer wissenschaftlichen Ebene. Es handelt sich dabei um praktische Handbücher zur technischen Erzeugung und Planung von Effekten, die sich an professionelle Filmschaffende, Amateure und Fans richten. Zu nennen wären beispielsweise „Making of... Wie ein Film entsteht: Set-Team, Effekte & Tricks, Maske, Stop motion, Animation, Digitale Effekte“ (Mathey (Hg.), 1998), „Special Visual Effects. Planung und Produktion“ (Mulack & Giesen, 2002) oder „VFX (Praxis Film)“ (Bertram, 2005). Auch wenn die Auseinandersetzung mit Visual Effects in der Medien- und Filmwissenschaft anteilig klein sein mag, zeugen die genannten Publikationen doch von einer neuen Aufmerksamkeit. Dass Effekte in den letzten Jahren verstärkt ins Sichtfeld gerückt sind, liegt auch an ihrer Rolle innerhalb der Filmvermarktung. Wie Leon Gurevitch (Gurevitch, 2016) herausstellt, werden Visual Effects Teil eines Cinema designed als Markenprodukt fetischisiert. Daraus ergibt sich allerdings folgendes Problem: Einerseits stellen sich die Visual Effects über ihre Technik als Attraktion aus. Andererseits jedoch folgen sie filmästhetisch häufig klassisch-narrativen Konventionen und bleiben in der Logik eines Abbildrealismus verhaftet, indem sie vorgeben, alles könnte tatsächlich so vor einer Kamera stattgefunden haben. Dies mag zwar in der Tradition eines postklassischen Kinos des Zeigens stehen, doch im Unterschied dazu wird hier etwas gezeigt, das interessanterweise auch in die narrative Geschlossenheit zurückführen soll. Diese Tendenz lässt sich seit einigen Jahren im populären Hollywood-Kino verstärkt beobachten. Da es für dieses Phänomen der mehrfachen Ansprache bislang keine adäquate Beschreibung gibt, soll hier folgender Ansatz vorgestellt werden: Digitale Visual Effects verfolgen eine paradoxe Strategie: Einerseits sind sie Teil eines Attraktionskinos und stellen sich aus, andererseits bieten sie mit dem, was sie zeigen, immer auch einen Rückweg in die Narration und
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Diegese. Diesen besonderen Moment der digitalen Visual Effects im aktuellen Hollywood-Kino möchte ich als einen Doppelgestus des Zeigens (Attraktion, Spektakel) und Verbergens (diegetische Geschlossenheit, Narration, Abbildrealismus) bezeichnen und untersuchen, inwiefern diese beiden Stränge gleichzeitig existieren. Die Einteilung in die Oberbegriffe des Zeigens und Verbergens soll hier als Hilfsmittel verstanden werden, um die verschiedenen Umgangsweisen der digitalen Visual Effects von Seiten des Publikums besser beschreiben zu können. Neben einem Gestus des Zeigens und einem Gestus des Verbergens wird hier eine dritte Möglichkeit der Aufnahme von digitalen Visual Effects aufgezeigt: Zeigen und Verbergen zugleich. Was in der Medientheorie bisher als ein Gegeneinander oder Oszillieren beschrieben wurde, wird hier im Doppelgestus zusammen gedacht und mit diesem Ansatz gleichzeitig ein neuer Zugang zu Visual Effects geschaffen. Um einzelne Mediendiskurse besser einordnen und analysieren zu können, verfolgt diese Publikation einen interdisziplinären, medienwissenschaftlichen Ansatz, bestehend aus Filmtheorie, Film- und Medienwissenschaft, Medienkulturgeschichte sowie Technik- und Produktionsgeschichte. Den einen, eigenständigen theoretischen Diskurs der Effekte gibt es nicht. Vielmehr setzt sich dieser aus mehreren Einzeldiskursen zusammen, da mehrere Einflüsse aufeinander und miteinander wirken. Um die Annahme eines Doppelgestus des Zeigens und Verbergens medienwissenschaftlich herzuleiten und eine Ausprägung bei den digitalen Visual Effects im aktuellen Hollywood-Kino abzuleiten, sollen in den vier zentralen Kapiteln digitale Visual Effects systematisch aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden. Das erste Kapitel zeigt diskursiv die Entwicklung von Special Effects hin zu digitalen Visual Effects auf. Für ein besseres Verständnis der digitalen Visual Effects wird zuerst die Entstehung, Bedeutung und Etablierung der Termini Special Effects und Visual Effects innerhalb des Films geklärt, um eine neue, grundsätzliche Lesart herauszustellen. Es wird dargelegt, welcher filmische Effekt der erste war, wann er entstanden ist und welche medialen Hintergründe dazu geführt haben. Außerdem werden bestehende Definitionen zu den Effekten in der Medien- und Filmwissenschaft, wie sie in dem glossarischen „Lexikon der Filmbegriffe“ (Wulff, o.A.) zu finden
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sind, aber auch bei Kristin Thompson (1993), James Monaco (1998), Rolf Giesen (1985) und Richard Rickitt (2007), miteinander abgeglichen und mit einem filmindustriellen Diskurs der Visual Effects Society (VES) zusammengebracht. Dieses Kapitel soll auch Aufschluss darüber geben, wann sich die Begriffe Special Effects und Visual Effects im populären US-amerikanischen Sprachgebrauch durchgesetzt haben. Dafür werden exemplarische Erhebungen der letzten 100 Jahre aus dem Online-Archiv der Branchenzeitschrift Variety herangezogen, da diese Branchenzeitung der USamerikanischen Filmindustrie seit ihrem Erscheinungsbeginn im Jahre 1905 ein einflussreiches Medium der dortigen Populärkultur ist. Eine Untersuchung der institutionellen und technologischen Entwicklungen sowie der Veränderung der Produktionsprozesse im Studiosystem Hollywoods soll die Indikatoren für eine Verschiebung von Special Effects hin zu digitalen Visual Effects bestimmen. Als institutioneller Untersuchungsgegenstand dienen die Academy Awards und ihre seit 1938 vergebenen Oscars in den Effekt-Kategorien. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang auch technologische Tendenzen der 1960er und 1970er Jahre, die zu der Entwicklung von digitalen Visual Effects beigetragen haben. Sie sollen beispielhaft dazu dienen aufzuzeigen, wie sich ein wachsendes Interesse für das Visuelle herausgebildet hat, welches die Special Effects ins Abseits gedrängt haben könnte. Wichtig sind an dieser Stelle auch die Veränderungen im Produktionsprozess, da sich hier die Frage aufdrängt, inwiefern Verschiebungen in der Herstellung von Special Effects und Visual Effects zu erkennen sind und ob diese ein möglicher Grund für das Verschwinden des Wortes special sein könnten. Das zweite Kapitel wirft einen Blick auf die medialen Praktiken und Inszenierungsformen der visuellen Unterhaltungsmedien des 19. Jahrhunderts (Guckkästen, philosophischen Spielzeuge, Thaumatrop), die in ihren Gebrauchsweisen und Diskursen als unmittelbare Vorläufer des Films und seiner Effekte gelesen werden können. An ihnen soll die Adressierung an die Zuschauer_innen bezüglich Realität, Spektakel, Illusion, Trick und Attraktion herausgearbeitet werden. Dabei geht es allerdings nicht um eine historische Breite, da diese bereits ausführlich von Tom Gunning, Erkki Huhtamo, Oliver Grau, Peter Weibel u.a. dargelegt worden ist. Sondern
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stattdessen wird ein neuer Blick auf die visuellen Medien geworfen und diese hinsichtlich ihrer Strategien des Zeigens und Verbergens untersucht, um daraus ein Verständnis der digitalen Visual Effects abzuleiten. Zentral ist hier ein Verständnis einer Kultur der Attraktionen, das mit der Strategie des Zeigens und Verbergens zusammengebracht wird. Außerdem soll die immersive Wirkungskraft des Panoramas mit seinen angeblich täuschend echt aussehenden Gemälden – ähnlich eines Trompel’œils – näher erforscht werden, um dessen Illusionseffekt zu hinterfragen. Als Zeitdokument für die Wirkungskraft des Panoramas dient auszugsweise Charles Dickens’ Kurzgeschichte Some Account of an Extraordinary Traveller (1850). Anhand der Lektüren von Oliver Grau (2001) und Alison Griffiths (2003) werden Analogien des Panoramas zu den Visual Effects und seiner Entwicklung zu einem bewegten Medium hergestellt, um herauszufinden, inwiefern hier Begriffe wie Schwanken oder Oszillieren greifen oder bereits eine Gleichzeitigkeit abgeleitet werden kann. Dies leitet schließlich über zu den Präsentationsformen und der Inszenierung des frühen Films, die als mehrfache Adressierung der betrachtet werden sollen. Fokussiert werden dabei insbesondere die Bühnenmagie, der Gründungsmythos der Filmzuschauer_innen, die Phantom Rides bzw. Hale’s Tours sowie der Prolog und die ersten Kinopaläste. Da bereits bei der Bühnenmagie mit der Phantasmagorie versucht wurde, etwas Unmögliches visuell spektakulär darzustellen, wie Oliver Grau (2007b), Siegfried Zielinski (1989) und Tom Gunning (2004) es aufgezeigt haben, traten hier Kunst und Wissenschaft, Magie und Technik in Interaktion. Es entstand ein Zwitterstatus des Glaubens und Zweifelns, der auf die Gesten des Zeigen und Verbergens abgetastet werden soll. Dabei ist es auch bedeutend, die Filmeffekte hinsichtlich Magie, Trick und Illusion einzuordnen. Als wichtiger Moment der Filmgeschichte gilt der Übergang vom unbewegten zum bewegten Bild. An dessen Erzählung lässt sich bereits ein Realismusversprechen für den Film und auch die Effekte ablesen, das sie fortan stets begleitet hat. Es soll aber nicht nur um die Erzählung an sich liegen, sondern viel aufschlussreicher sind die dahinterliegenden Strategien dieses Gründungsmythos’. An ihnen soll herausgefunden werden, welche Funktion ihre Verbreitung hat und ob sich ablesen lässt, wann genau und in welchem Zusammenhang dieser Mythos zitiert wird, vor allem in Bezug auf Visual Effects. Hintergründe dazu werden über die Aufsätze von Tom
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Gunning (1995), Yuri Tsivian (1998 [1991], Martin Loiperdinger (1996) und Stephen Bottomore (1999), aber auch Aussagen von Maxim Gorki (1983 [1896]), Georges Sadoul (1982) und Noël Burch (1990) sowie neuere Äußerungen von Ray Zone (2004), Vinzenz Hediger (2006), Barbara Mennel (2008) und Leon Gurevitch (2010) erschlossen. Die Gesten des Zeigens und Verbergens werden außerdem an der Strategie eines Kinorealismus’ überprüft, wie sie in den frühen Inszenierungsformen und Aufführungspraktiken der Hale’s Tours, des Prologs und der Kinopaläste zu finden sind. Britta Neitzels (2008), Raymond Fieldings (2008) und Tom Gunnings (2010) Erläuterungen zu den Hale’s Tours bilden dabei als Grundlage zur Erarbeitung einer Inszenierungsstrategie, die sich auf Prolog und Kinopaläste übertragen lässt. Insbesondere die bewusste Verbindung und Inszenierung zwischen realer und filmischer Welt soll an dieser Stelle untersucht werden, um daran die Weiterführung bestimmter Traditionen für die Visual Effects zu hinterfragen. Kapitel drei widmet sich den Diskursen und einer Praxis des Zeigens und Verbergens der digitalen Visual Effects und wird filmhistorisch an die medialen Vorgänger der vorangegangenen Kapitel anschließen. Untersuchungsgegenstand sind zum einen die sogenannten Begleitmedien der Effekte, aus denen sich eine Praxis des Zeigens ableiten lässt. Da Filme heute kontextuell geschaut werden, finden Visual Effects ihre Fortsetzung in Hintergrundberichten, Making-Ofs und Special Features, im Internet, auf Streaming-Portalen, DVD oder Blu-ray. Das Einweihen in ein Geheimnis um ihre Produktion, wie es Vinzenz Hediger (2006) über die Making-Ofs argumentiert, erzeugt eine neue Aufmerksamkeit für Visual Effects und ihre Einsatzmöglichkeiten. Dennoch sollen die Effekte gleichzeitig möglichst unauffällig sein, sie sollen realistisch wirken – ein diskursives Versprechen, das den Film und die Effekte stets begleitet hat. Das Verständnis der Indexikalität und das Verhältnisses zum digitalen Bild sollen daher dahingehend abgetastet werden, ob es noch hinreichend ist oder ob neue Erklärungen gefunden werden müssen, wie sie Stephen Prince (1996) in dem perceptual realism und Lev Manovich (1997) mit seinem Vergleich zur Malerei formuliert haben. Daran anschließend werden filmische Diskurse zu Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit neu betrachtet und die bisherige Verhandlung der digitalen Visual Effects unter einer Dichotomie von sichtbar und unsichtbar einer
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dritten Option des Doppelgestus’ gegenüber gestellt. Diskutiert wird dies einerseits an den unterschiedlichen Awards-Kategorien der Visual Effects Society und andererseits an Christian Metz’ Ansatz der trucage (1977 [1971]) und Barbara Flückigers (2008) Ausführungen zu Visual Effects, die Effekte als ein zwischen sichtbar und unsichtbar oszillierendes Phänomen betrachten. Auch das Verhältnis von Attraktion und Narration wird in diesem Kapitel näher beleuchtet. Auch wenn Tom Gunnings Konzept zum Kino der Attraktionen ein wichtiges Erklärungsmodell für den frühen Film und ein Attraktionskino sein mag, wird es hier nur als Grundlage dienen, um ein komplexes Verhältnis von Effekten zu beschreiben. Denn in Bezug auf heutige digitale Effekte stellt sich die Frage, inwiefern noch von einer Rückkehr des Attraktionskinos gesprochen werden kann – einem Kino, das rein visuell agiere, seine digitalen Visual Effects ausschließlich zeige und ausstelle und damit eine Antithese der Narration sei, wie dies Miriam Hansen (1994), Andrew Darley (2000) und Wanda Strauven (2006) für den postklassischen Film formuliert haben. Ebenso wird hinterfragt, ob der Einsatz von Effekten die Narration unterbreche, wie es bei Kristin Thompson (1977) und David Bordwell (1985) nachzulesen ist. Denn seit den 1990er Jahren hat sich eine Tendenz herausgebildet, digitale Visual Effects stärker in die Narration einzubinden. Aylish Woods (2002) Konzept des timespace und Kristens Whissels (2014) Konzept des Emblems sollen daher als neue Lesarten der digitalen Visual Effects vorgestellt werden, um schließlich zu einem eigenen Zugang überzuleiten. Kapitel vier untersucht Filmszenen mit digitalen Visual Effects aus aktuellen Hollywoodfilmen und deren Begleitmedien. Dabei sind folgende zwei Typen der digitalen Visual Effects zentral: digitaler Körper und virtuelle Kamera. Beides sind aktuelle visuelle Effekte, die seit den 1990er Jahren vermehrt in unterschiedlichen Genres zu finden und die extrem von einem Doppelgestus des Zeigens und Verbergens geprägt. Der Korpus der untersuchten Filmbeispiele ergibt sich vorrangig aus den Filmen, die bei den Academy Awards einen Oscar für Visual Effects gewonnen haben. Denn bei ihnen handelt es sich um populäre Filme, denen eine besonders hohe Aufmerksamkeit zugekommen ist. Alle Oscar-Gewinner für Visual Effects seit 1963 sind im Anhang aufgelistet.
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Der erste zu untersuchende Visual Effect des digitalen Körpers existiert im populären Hollywood-Kino vermehrt seit der Jahrtausendwende und zeigt sich besonders in der Form von computergenerierten, humanoiden Körperdarstellungen. Im Vergleich zu frühen künstlichen Körperdarstellungen wird dieser visuelle Effekt aus Bewegungsdaten von real agierenden Schauspieler_innen über das Verfahren der Performance Capture erzeugt. Da die daraus generierten digitalen Körper meistens nicht nur einmalig gezeigt werden, sondern fester Bestandteil des gesamten Films sind, werden bei der Analyse nicht einzelne Szenen, sondern die digitalen Körper als Phänomen im Vordergrund stehen. Anhand der Figuren Gollum, Kong, Benjamin Button und der Na’vi-Avatare und ihrer Präsentation in den Begleitmedien soll der Doppelgestus exemplarisch belegt werden. Der zweite digitale Visual Effect – die virtuelle Kamera – hat insbesondere klassische filmische Konventionen wie Filmästhetik, Kameraperspektiven und -bewegungen verändert. Die virtuelle Kamera erzeugt ist eine entmaterialisierte Kamera, sie unterliegt keinem physikalischen Gesetz mehr und bricht mit bisherigen Sehgewohnheiten. Auf ästhetischer Ebene gibt dieser Visual Effect jedoch immer noch vor, ein real existierendes Kamerabild zu sein, obgleich die extremen Aufnahmen sich mit optischer Technik niemals generieren lassen. Zwei Effekte der virtuellen Kamera sollen hier dieses Phänomen näher beleuchten: Der Effekt der unmöglichen Bewegung und der Effekt der unmöglichen Perspektive. Unmöglich soll darauf verweisen, dass diese Visual Effects mit keiner mechanischen Kamera und keinem mechanischen Kamerasystem, die in ihrer historischen Entwicklung beschrieben werden sollen, physisch möglich gewesen wären. Der hier zu untersuchende Doppelgestus der virtuellen Kamera wird insbesondere an Filmen wie Fight Club (USA 1999, David Fincher) und The Lord of the Rings: The Two Towers (USA/NZ 2002, Peter Jackson) belegt. Die gewonnenen Erkenntnisse aus den einzelnen Kapiteln sollen das Konzept belegen, dass durch ein Zusammendenken der beiden Kategorien – Zeigen und Verbergen – neue Erkenntnisse über digitale Visual Effects erlangt werden können. Da digitale Visual Effects in der Medien- und Filmwissenschaft bislang nur wenig erforscht wurden, ist ein neuer theoretischer Zugang für ein bereits etabliertes populäres Phänomen längst schon überfällig. Den Doppelgestus des Zeigens und Verbergens möchte ich in hier als neue Lesart und Methode einführen, eine Transformation im aktuellen Hol-
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lywood-Kino adäquat zu beschreiben, die sich nicht nur alleinig an den digitalen Visual Effects ablesen lässt – aber umso mehr an ihnen verständlich gemacht werden kann.
Da muß ich Sie noch ein Kunstwort lehren, mit dem weit zu reichen ist. Scharmant! Allerliebst! das könnten Sie allenfalls auch von einer Florschürze, von einem Häubchen sagen. Nein, wenn Sie etwas erblicken, es sey was es wolle, sehn Sie es steif an, und rufen: Ach, was das für einen E_f_f_e_c_t auf mich macht! – Es weiß zwar kein Mensch was Sie eigentlich sagen wollen; denn Sonne, Mond, Fels und Wasser, Gestalten und Gesichter, Himmel und Erde, und ein Stück Glanzleinewand, jedes macht seinen eigenen Effect; was für einen, das ist ein Bißchen schwerer auszudrücken. Halten Sie sich aber nur an’s Allgemeine: Ach! was das für einen b_e_s_o_n_d_e_r_n Effect auf mich macht! – Jeder der dabeisteht sieht auch hin, und stimmt in den besondern Effect mit ein; und dann ist’s ausgemacht – daß die Sache einen besondern Effect macht. Merkulo in: Johann Wolfgang von Goethe, Der Triumph der Empfindsamkeit (1877)
I. Von Special Effects zu digitalen Visual Effects: Eine diskursive Annäherung
1. Etablierung der Special Effects und Visual Effects
1.1 DIE ERSTEN SPECIAL EFFECTS Der erste Special Effect der Filmgeschichte ist der Stopptrick – ein Effekt, der in der Kamera durch einen Bildsprung erzeugt wird, indem die Filmaufnahme angehalten (gestoppt) und Objekte bzw. Personen vor der Kamera vor dem Weiterfilmen entfernt, verändert oder ausgetauscht werden. Bei der Filmvorführung entsteht so der Effekt, Dinge würden sich verwandeln, verändern oder verschwinden. Auch wenn der Stopptrick in der Film- und Mediengeschichte als Pionier aller Effekte gilt, existieren zwei Varianten, wann und von wem dieser Trick das erste Mal entdeckt und ausprobiert wurde. Die eine Version erzählt von dem Filmemacher Alfred Clark. In seinem Film THE EXECUTION OF MARY, QUEEN OF SCOTS (USA 1895, Alfred Clark) verwendete Clark am 28. August 1895 das erste Mal einen Stopptrick (vgl. Giesen & Meglin, 2000, S. 15; vgl. Rogers, 1999, S. 1; vgl. Flückiger, 2008, S. 15). Clarks Filmtitel The Execution of Mary, Queen of Scots lässt sich zweifach lesen: Er beschreibt den kurzen Inhalt des einminütigen Films und gleichzeitig auch dessen Special Effect – die Enthauptung der schottischen Königin Maria Stuart. Der Stopptrick setzt in dem Moment ein, wenn Maria Stuart auf dem Schafott vor den Richtblock kniet und enthauptet wird. Kurz bevor der Scharfrichter seine Axt senkt, gibt es einen (sichtbaren) Bildsprung und im nächsten Bild ist Maria Stuart in einer geringfügig veränderten Körperhaltung zu sehen, bevor ihr Kopf abgetrennt wird.
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Der eigentliche Akt des Austauschs einer Schauspielerin gegen eine Puppe bleibt den Zuschauer_innen verborgen. Zu sehen ist nur der grausame Moment der Enthauptung (vgl. Knight, 1957, S. 13f), der angeblich so realitätsnah gewirkt haben soll, dass die Zuschauer_innen unsicher waren, ob tatsächlich ein Menschenleben vor der Kamera geopfert wurde oder nicht (vgl. Rogers, 1999, S. 1). Die zweite Geschichte zu der Entdeckung des Stopptricks ist eine Legende oder ein Mythos „der Special-Effects-Geschichte“ (Flückiger, 2008, S. 15), so wie sie auch von Rolf Giesen geschildert wird: Die Geschichte der Kinematographie ist voller Legenden. Eine davon erzählt von einem Filmproduzenten um die Jahrhundertwende. Der hatte seine Kamera auf dem Pariser Opernplatz aufgebaut und filmte munter einen Omnibus, als der Filmtransport in der Kamera für kurze Zeit aussetzte. Nach einer Weile konnte der Mann weiterdrehen. Als der Film entwickelt war und vorgeführt wurde, geschah auf der Leinwand ein Wunder: Plötzlich verwandelte sich der Omnibus in einen Leichenwagen, der sich während der Aufnahmestörung unbemerkt an die Stelle des Busses geschoben hatte. Man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß diese Geschichte so, wie sie überliefert ist, erfunden ist. (Giesen, 1985, S. 9)
Für den Bildsprung vom Bus zum Leichenwagen mag zwar kein filmischer Beleg existieren, doch ist dieser Vorfall keineswegs frei erfunden. Denn besagter Produzent ist kein anderer als der Magier und frühe Filmemacher Georges Méliès (vgl. ebd., S. 11; vgl. Vaz & Barron, 2002, S. 274f; vgl. Harryhausen & Dalton, 2009, S. 9; vgl. Kracauer, 1985 [1960], S. 60; vgl. Kittler, 2002, S. 229). Méliès selbst hat 1907 dieses Ereignis in dem Essay Les Vues Cinématographiques folgendermaßen dargestellt: Wollen Sie wissen, wie mir die Idee kam, in der Kinematographie Tricks zu verwenden? Wirklich, das war ganz einfach! Eine Panne des Apparats, dessen ich mich anfangs bediente (ein ganz einfacher Apparat, in dem der Film oft zerriß oder hängenblieb und nicht weiterlaufen wollte), hatte eine unerwartete Wirkung, als ich eines Tages ganz prosaisch die Place de l’Opera photographierte. Es dauerte eine Minute, um den Film freizubekommen und die Kamera wieder in Gang zu setzen. Während dieser Minute hatten die Passanten, Omnibusse, Wagen sich natürlich weiterbewegt. Als ich mir den Film vorführte, sah ich an der Stelle, wo die
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Unterbrechung eingetreten war, plötzlich einen Omnibus der Linie MadeleineBastille sich in einen Leichenwagen verwandeln und Männer zu Frauen werden. Der Trick durch Ersetzen, Stopptrick genannt, war gefunden. (Méliès, 1993 [1907], S. 25)
Glaubt man Méliès’ Ausführungen, so hat sich ihm die technische Produktionsweise des Stoppeffekts erstmalig während seines eigenen Experimentierens auf dem Opernplatz erschlossen. Jene zufällige Entdeckung inspirierte ihn gleich zwei Tage später zu dem Kurzfilm LE MANOIR DU DIABLE (Georges Méliès, 1896) (vgl. Méliès, 1993 [1907], S. 25). Weitere Kurzfilme mit Stopptricks folgten, interessanterweise zeigten sie auch Enthauptungen, häufig sogar Selbst-Enthauptungen wie in UN HOMME DE TÊTES (F 1898, George Méliès), LE CHAVALIER MYSTÈRE (F 1899, George Méliès) oder LA MÉLOMANE (F 1903, George Méliès). Wer diesen ersten Special Effect letztendlich erfunden hat, lässt sich heute nicht mehr klären und ist auch für die weitere Entwicklung der Effekte nicht von Bedeutung. Wichtiger ist es vielmehr, dass der Stopptrick der Startschuss für weitere Effekte und deren Einsatz im Film war. Beide Versionen sind jedoch erwähnenswert, da sie unterschiedliche Botschaften transportieren, die für ein Verständnis der Effekte nicht unbedeutend sind: In der Erzählung zu THE EXECUTION OF MARY, QUEEN OF SCOTS ist der erste Filmeffekt eine bewusst eingesetzte künstlerischtechnische Aktion. In der Variante um Georges Méliès hingegen ist der erste Effekt eine Entdeckung, die unbeabsichtigt, fast magisch war, auch wenn sie auf eine technische Panne des Apparats zurückzuführen ist. Indem Méliès das unerwartete Ergebnis als überwältigenden Effekt schildert, schreibt er dem Trick selbst auch das Attribut des Magischen zu – eine Botschaft, die Filmeffekte und Film fortan gleichermaßen begleiten sollte. Georges Méliès war, wie auch andere frühe Filmemacher, erst Bühnenmagier, bevor er sich dem Film widmete. Seine berufliche Laufbahn begann Ende des 19. Jahrhunderts im Illusionstheater Théâtre RobertHoudin in Paris. Dort machte er erste Erfahrungen mit Tricks, von denen auch seine späteren Filme profitieren sollten. Die Entdeckung des Stopptricks war für Méliès insofern ein filmischer Durchbruch, als dass er darin die Möglichkeit erkannte, den Film mit den „geheimnisvollen‘ Verfahren“ (ebd.) des Theaters zu verbinden. Für Méliès waren besonders jene Auf-
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nahmen interessant, die sich aus folgendem bedienten: „Effekte der Theatermaschinerie und der Regie, optische Täuschungen und eine ganze Serie, die man nur unter der Bezeichnung ‚Tricks‘ zusammenfassen kann“ (ebd., S. 17). Méliès bezeichnete Effekte stets als Tricks1 und bezog sich damit direkt auf das Magietheater, auch wenn der Ausdruck Tricks für ihn „wenig akademisch“ (ebd.) klang. Obwohl Méliès die Bühnentricks filmisch weiterentwickelte und modifizierte, orientierte er sich bei seinen Settings technisch sowie künstlerisch weiterhin an der Zauber- und Theaterbühne. Seine inszenierten filmischen Plateaus gestaltete er selbst nicht nur als „ein ziemlich genaues Abbild des Illusionstheaters“ (ebd., S. 19), sondern er bespielte sie auch mit den Tricks des Magietheaters, setzte „Taschenspielerkunst, Optik, photographische Tricks, Bühnenbilder und Theatermaschinerie, Lichteffekte, Überblendungseffekte“ (ebd., S. 18) ein sowie das gesamte „Arsenal der phantastischen Abrakadabra-Arrangements“ (ebd.). Falltüren wurden an Stellen eingebaut, wo sie auch im Theater üblich waren und abrollbare Panoramabilder dienten als Bühnenkulisse des Films (vgl. Gehr & Ott, 2000, S. 32). Diese gemalten Panoramabilder können bereits als erste Matte Paintings gesehen werden (siehe Kapitel IV). Zweierlei lässt sich an Méliès’ Aussagen herauslesen: In seiner Zuschreibung der Effekte als etwas phantastisches, als „AbrakadabraArrangements“ formuliert er seine Zielvorgabe, etwas Unmögliches, Übernatürliches oder Imaginäres filmisch darstellbar zu machen – Merkmale, die Jahre später auch bei den Special und Visual Effects immer wieder aufgegriffen und betont werden sollten. Indem Méliès aber die Technik der Bühnentricks in filmische Tricks überführt, entfernt er sich gleichzeitig von dem Illusionstheater und der Zauberbühne. Denn Méliès geht es nicht um ein bloßes Abfilmen von Inszenierungen oder das Dokumentieren seiner Tricks, sondern er erkennt die technischen Möglichkeiten des Films und seiner Effekte an und macht sie sich filmisch zu Nutze: In ESCAMOTAGE D’UNE DAME CHEZ ROBERT-HOUDIN (F 1896, George Méliès) nutzt Méliès innerhalb des Bühnensettings den Stopptrick, um eine Frau verschwinden
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Was filmgeschichtlich anfangs noch als Tricks klassifiziert wurde, wurde später in der Literatur durch den Begriff der Special Effects ersetzt und soll hier zwar als Anlehnung an das Magietheater, gleichzeitig aber auch analog zu den Special Effects verstanden werden.
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zu lassen und wieder herzuzaubern. In LE PORTRAIT SPIRITUEL (Georges Méliès, 1903) geht er noch einen Schritt weiter und zeigt die damals berühmte Bühnenillusion The Artist’s Dream von David Devant. Dort wurde zuerst eine Frau in ein zweidimensionales Gemälde und anschließend wieder in ihre ursprüngliche Form zurück verwandelt (vgl. Frazer, 1979, S. 26). Während diese Illusion auf der Theaterbühne live vor den Augen aller Zuschauer_innen stattfand, boten sich für die filmische Umsetzung mit dem Stopptrick und Überblendungen ganz neue Optionen an, jenseits der Geschicklichkeit eines Magiers. Ähnliches gilt auch für den Bühnentrick der Phantasmagorie, den Méliès in Form von Doppelbelichtungen für den Film adaptierte (siehe Kapitel II). Dass es Méliès in seinen Filmen mehr um die Effekte als um Perspektiven ging, bestätigt die Positionierung seiner Kameraapparatur. In keinem Film trennte sich Méliès von seinem Bühnensetting, sondern filmte weiterhin aus der Perspektive des Publikumsraums. Obwohl Méliès im Laufe seines Filmschaffens mit vielen Effekten experimentierte, erzielten die einfachen Tricks für ihn stets die größte Wirkung, da komplexere Tricks nur von echten Kennern gewürdigt und erkannt werden könnten (vgl. ebd.). Méliès führt nicht weiter aus, wen er unter diesen Personenkreis zählt, doch kann er mit Kennern nur die ersten Filmemacher gemeint haben. Da sich diese auch als Filmmagier sahen, verbot es ihnen der Ehrenkodex, ihre Tricks offenzulegen. Selbst noch im Jahr 1985 vertrat der Special Effects- Künstler Larry Butler mit Verweis auf Méliès dieselbe Einstellung: „I’ve spent my whole life creating illusions. Why would I want to talk now and throw it all away? A magician never reveals his tricks! Georges Méliès, the greatest magician of them all, taught me that“ (Larry Butler, zit. in: Vaz & Barron, 2002, S. 274)2. Da in den Anfangsjahren des Films noch keine Informationen über die Herstellung von Tricks bekannt gegeben wurden, gehörten Zuschauer_innen (noch) nicht zu einer Kennerschaft der Effekte. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass Méliès seine Tricks nicht bewusst einsetzte oder vermarktete – dies tat er alleine schon deswegen, um sich ästhetisch von den Filmen der Brüder Lumière abzusetzen:
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Anzumerken ist allerdings, dass es in den 1980er Jahren, im Gegensatz zum frühen Film, bereits Making-Ofs gab, die interessierte Zuschauer_innen über die Special Effects-Techniken informierten und sie zu Kennern machten (siehe Kapitel III).
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I am even the first to have done theater [sic] of all kinds in the cinema: comedy, drama, buffoonery, war scenes, fairy plays, tricks and so on, at a time when people restricted themselves to taking the arrival of a train in a station or a public square with its milling crowd and its vehicles, or a collapsing wall. What’s more, I’m very happy that the idea I had of making the cinema serve, not for the servile reproduction of nature, but for the spectacular expression of artistic and imaginative concepconceptions of all kinds has in actual fact created the true cinematographic industry. (Méliès, 2011 [1912], S. 235)
Mit den filmischen Effekten wollte Méliès nicht die Natur reproduzieren, so wie er es den Brüdern Lumière vorwirft, sondern die Tricks waren für Méliès ein Werkzeug, um Phantastisches, Spektakuläres und Künstlerisches darstellen zu können und die Grenze zwischen Realität und Fiktion zu verwischen. Dies lässt sich gut an der Präsentationen seiner Selbstenthauptungen ablesen: Sie zeigen etwas Außergewöhnliches (kopflose Körper und Eigenleben der Köpfe), doch präsentieren sie dies auf humorvolle und spielerische Art. Damit stellte Méliés sicher, dass die Zuschauer_innen seinen Trick nicht mit einer wirklichen Enthauptung verwechselten, wie bei THE EXECUTION OF MARY, QUEEN OF SCOTS. Auch wenn den Zuschauer_innen keine Informationen zur Herstellungsweise der Tricks vorlagen, wussten diese um den Einsatz von Tricktechniken bereits aus dem Magietheater (siehe Kapitel II). Eine Trennlinie zwischen fiktiv und nicht-fiktiv lässt sich für das Medium Film generell kaum ziehen. Selbst die Brüder Lumière, die meist dem Dokumentarfilm zugeordnet werden, bedienten sich der Tricktechniken. Sie inszenierten nicht nur das Dokumentarische, indem sie Bekannte und Verwandte in L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT (Auguste und Louis Lumière, 1895) an ausgewählten Stellen vor der Kamera positionierten, sondern sie experimentierten auch mit Bewegungseffekten (vgl. Fritsch, 2009, S. 114f; vgl. Loiperdinger, 1996, S. 59ff). In DÉMOLITION D’UN MUR (Louis Lumière, 1895) ließen sie beispielsweise die Bilder einer einstürzenden Mauer vorwärts und anschließend rückwärts ablaufen. Und wie L’ARROSEUR ARROSÉ (Louis Lumière, 1895) beweist, drehten die Brüder Lumière nicht nur dokumentarische Filme, sondern inszenierten auch einen Gag, in dem das Gesicht eines Gärtners von einem Jungen nass gespritzt wurde (vgl. Gaudreault, 2011, S. 50).
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An den genannten Filmen zeigt sich, dass Effekte von Anfang an eng mit dem Film verknüpft waren und sich von ihm auch nicht trennen lassen. Christian Metz ging sogar so weit zu behaupten, dass jeder Film ein Special Effect sei (vgl. Metz, 1977 [1971], S. 672). Diese Behauptung hatte Metz einem Buch von Jacques Ducom aus dem Jahr 19123 entliehen, in dem die Montage als der ursprünglichste Trick bezeichnet wurde (vgl. Metz, 1977 [1971], S. 672). In seinem Essay spricht Metz zwar nie direkt von einem Special Effect, sondern nur von trucage (dt.: Trickaufnahme), doch wird dieser Begriff meist mit Special Effect übersetzt bzw. gleichgesetzt. Der englische Übersetzer seines im Original auf französisch erschienenen trucage-Aufsatzes, Françoise Meltzer, betont in einer Anmerkung sogar die synonyme Verwendung von trucage zu Filmtrick und Special Effects: „The word ‚trucage‘ usually translates as ‚trick photography‘ in the singular and ‚special effects‘ in the plural“ (Meltzer, zit. in: Metz, 1977, S. 659). Warum Metz in seinem Text dem Begriff der trucage treu bleibt, mag daran liegen, dass er den Terminus Special Effects als einen vagen Begriff bemängelt (vgl. Metz, 1977, S. 665). Auch wenn er ihn als Begriff ablehnt, sieht Metz doch die Bedeutung von Special synonym zu der von trucage: [T]he latter [trucages, K.v.K.] are special effects according to the definition given at the beginning of this text: process-effects which are particular and localized, which do not merge with the normal movement of the photograms, and which are visual but not photographic effects. (ebd., Herv. i. O.)
Die Gleichsetzung von trucage und Special Effects findet sich auch in Texten der Film- und Medienwissenschaft wieder. Während es in der englischen Übersetzung bei Metz noch heißt „[C]inema in its entirety is, in a sense, a vast trucage“ (Metz, 1977 [1971], S. 670, Herv. i. O.), zitiert Sean Cubitt Metz bereits mit „In some sense all cinema is a special effect“ (Cubitt, 2004, S. 1). Obgleich Cubitt hier von einem Special Effect spricht,
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Das Buch wird in Metz’ Text nicht näher erwähnt, aber es handelt sich sehr wahrscheinlich um Jacques Ducom: Le Cinématographe scientifique et industriel. Son évolution intellectuelle, sa puissance éducative et morale. Geisler Editeur, Paris 1911.
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bezieht sich seine Aussage nur auf die Montage von unbewegten Einzelbildern, die einen besonderen Effekt, das Bewegtbild, erzeugen. Da hier bereits unterschiedliche Gebrauchsweisen deutlich werden, sollen für ein näheres Verständnis der Special Effects und heutigen Visual Effects die Begriffe differenzierter betrachtet und eine für die spätere Argumentation sinnvolle Definition herausgearbeitet werden.
1.2 DEFINITIONEN VON SPECIAL EFFECTS UND VISUAL EFFECTS Im populären Sprachgebrauch sowie in der Fachliteratur finden sich unterschiedliche Benennungen und Abkürzungen für Special Effects und Visual Effects: (Film-)Tricks, trucage, SFX, SPFX, FX ,VFX, etc. Dies stellt die Medien- und Filmwissenschaft (sowohl national als auch international) vor die Herausforderung, einheitliche Definitionen für Filmeffekte zu finden, um sie für ein theoretisches Verständnis ausreichend voneinander abgrenzen zu können. Verbindliche Definitionen für Effekte gibt es bisher nicht. Eine Einigung auf ein Begriffsverständnis ist aber essentiell, da die Effekte heute zu einem nicht zu unterschätzenden Phänomen geworden sind. Nicht nur sind sie gegenwärtig integraler Bestandteil der meisten Filme, sie waren auch von Anfang an Teil des Films und sind es stets geblieben. Ohne eine Verständigung auf ihre Funktionen und Attribute ist es jedoch kaum möglich, sich theoretisch mit Effekten auseinander zu setzen oder Erklärungen zu finden, die zu einem besseren Verständnis ihrer Strategien beitragen könnten. Die Begriffe Special Effects und Visual Effects tauchen in den Diskussionen am häufigsten auf. Ihnen können nicht nur die Trickeffekte und die trucage, sondern auch alle oben genannten Kürzel zugeordnet werden: SFX und SPFX stehen für Special Effects, FX schlicht für alle Effekte und VFX für Visual Effects. Aus diesen Gründen soll sich in der folgenden Untersuchung ausschließlich auf die beiden Effektarten Special Effects und Visual Effects konzentriert werden. Sie sollen einerseits über ihre Bedeutung und andererseits über gängige Definitionen in der Medienwissenschaft sowie der Filmindustrie erschlossen werden.
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Ausgangspunkt soll zunächst die ethymologische Bedeutung von Special Effects und Visual Effects sein. Da es in dieser Publikation um USamerikanische Filme geht, soll nur dem begrifflichen Ursprung in den englischsprachigen und US-amerikanischen Nachschlagewerken nachgegangen werden. Ethymologisch bedeutet special im Englischen „besonders“ (Holthausen, 1949, S. 187), „better than ordinary“ (Harper, Online Etymology Dictionary, 2001-2006a), „different from what is normal or usual“ (Merriam-Webster, 2015b), „[s]urpassing what is common or usual; exceptional“ (The American Heritage® Dictionary of the English Language, 2015a). Special bezeichnet also etwas Besseres, Besonderes, Außergwöhnliches, das sich vom Allgemeinen, Gewöhnlichen oder Normalen unterscheidet. Visual ist zu verstehen als „pertaining to the faculty of sight“ (Harper, 2001-2006b), „relating to seeing or to the eyes“ (Merriam-Webster, 2015c), „[s]een or able to be seen by the eye; visible“ (The American Heritage® Dictionary of the English Language, 2015b) – als etwas, das unser Sehvermögen, das Auge, das Sehen oder die Sicht betrifft. Visual bedeutet also, dass etwas sichtbar ist und gesehen werden möchte. Effect schließlich ist auf das lateinische Wort effectus zurückzuführen und bedeutet „Aus-, Durchführung, Wirkung, Erfolg“ (Pfeifer, 1993; vgl. Holthausen, 1949, S. 67), „[s]omething brought about by a cause or agent; a result“ (The American Heritage® Dictionary of the English Language, 2015c). Dem Effekt liegt also eine Ursache zugrunde, die zu einem bestimmten Erfolg oder einer Wirkung führt. Allein aus der Bedeutung ergibt sich bereits ein Unterschied zwischen Special Effect und Visual Effect: Ersteres bezeichnet etwas Besonderes mit außergewöhnlicher Wirkung, das besser als das Gewöhnliche ist; und letzteres bezieht sich auf etwas, das auf unsere Sehgewohnheiten einwirkt und gesehen werden will. In der Filmwissenschaft ist eine Abgrenzung beider Begriffe nicht immer so klar. Der Fokus liegt überwiegend auf den Special Effects, was sich in den Einträgen des Lexikons der Filmbegriffe4 widerspiegelt. Dort ist der Text zu Special Effects fast viermal so lang wie der zu Visuelle Effekte.
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Siehe http://filmlexikon.uni-kiel.de (zuletzt gesehen am: 4.1.2018).
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Special Effects werden in dem Lexikon zunächst über ihre Verwendung definiert. Ursula von Keitz sieht ihren Einsatz vor allem dann, „wenn zur Darstellung andere Objekte, Figuren und sichtbare Erscheinungen gefordert werden, welche die vorfilmische physikalische Welt nicht bietet“ (von Keitz, 2012). Aus dieser allgemein gehaltenen Definition lässt sich ein Verständnis herauslesen, dass Filmeffekte nur dort ergänzen, wo etwas in der Realität nicht oder nur schwerlich vorzufinden, aufzuzeichnen oder filmisch umzusetzen ist bzw. mit sehr hohem Kostenaufwand verbunden wäre. Auch wenn dies Gründe für den Einsatz von Effekten sein mögen, wird hier doch ein entscheidender Punkt ausgeklammert: die Existenz von Effekten, die ihre Effekthaftigkeit ausstellen, um zu zeigen, was technisch alles möglich ist. Darauf soll später noch näher eingegangen werden. Dass Special Effects etwas Besonderes bezeichnen, wird im Lexikon der Filmbegriffe nicht explizit aufgegriffen. Stattdessen werden sie aber als etwas Visuelles verhandelt und den optischen Effekten zugeordnet (vgl. von Keitz, 2012). Betrachtet man jedoch im gleichen Lexikon den Eintrag zu Visual Effects, so werden diese ebenfalls als optische Effekte gesehen und darüber hinaus noch als Special Effects bezeichnet (vgl. zu Hüningen, 2012). Diese Verwirrung einer beidseitigen Zuordnung der Special Effects und Visual Effects zu den optischen Effekten wird nur durch folgende Ergänzungen in den lexikalischen Beiträgen aufgebrochen: Special Effects würden auf analogen Verfahren beruhen und würden in Studios entwickelt werden – Visual Effects hingegen würden fotografischen und neuerdings auch digitale Techniken zugrunde liegen (vgl. von Keitz, 2012; vgl. zu Hüningen, 2012). Der hier geführte Diskurs lässt sich daher vereinfacht auf folgende Differenzierung herunterbrechen: Special Effects werden als analoge Effekte und Visual Effects als digitale Effekte gesehen. Es wäre falsch daraus zu schließen, dass im digitalen Zeitalter infolgedessen nur noch von Visual Effects gesprochen wird. Im Gegenteil: der Begriff Special Effects ist im Sprachgebrauch noch immer weit verbreitet, auch für digitale Verfahren. Erklären lässt sich dies möglicherweise damit, dass Special Effects mehrheitlich als übergeordnete Kategorie verstanden werden, unter der jegliche Effekte subsummiert werden können. Beispielhaft lässt sich dies an den filmanalytischen Schriften von David Bordwell, Kristin Thompson und James Monaco belegen. Bordwell und Thompson sehen Special Effects in ihrer Publikation Film Art. An Introduc-
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tion als allgemeine Bezeichnung für unterschiedliche fotografische Manipulationen des Filmraums (Bordwell & Thompson, Film Art. An Introduction, 1993, S. 497). Ähnlich ist dies auch bei James Monaco in Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien nachzulesen, wenn er Special Effects „ein weites Feld von Tätigkeiten“ (Monaco, 1998, S. 132) umspannen sieht. Neben der Einordnung von Special Effects als ein Überbegriff lässt sich interessanterweise auch eine konträre Auffassung finden. Wenn Herbert Gehr und Stephan Ott in ihrem Buch Film-Design. Visual Effects für Kino und Fernsehen mit einem Fokus auf den Visual Effects argumentieren, ist ihr Blick auf die Special Effects nämlich ein anderer. Für sie sind Special Effects kein Oberbegriff für alle Effekte, sondern sie bilden eine Unterkategorie – und zwar ausgerechnet von den Visual Effects (vgl. Gehr & Ott, 2000, S. 23). Die Uneinigkeit der Film- und Medientheoretiker, wie Effekte eingeordnet und verstanden werden sollen, führt letztendlich dazu, dass es keine verbindliche Definition gibt und geben kann. Am häufigsten ist eine Unterscheidung der Special Effects und Visual Effects anhand ihrer Produktionsweisen und Technik erkennbar, obgleich auch diese unterschiedlich diskutiert wird. Ein weiterer und abweichender Diskurs findet sich in der Filmindustrie, insbesondere innerhalb des Organs der internationalen Visual Effects Society (VES). Da von Seiten der VES aus einer produktionstechnischen Perspektive heraus argumentiert wird, erschließt sich eine neue Sichtweise auf die Effekte, die über eine bloße Unterscheidung zwischen analog und digital hinausreicht. Beispielhaft lässt sich dies an dem oben erwähnten Film THE EXECUTION OF MARY, QUEEN OF SCOTS erklären. Der Film enthält gemäß der VES einen Special Effect und einen Visual Effect. Während der Stopptrick hier als Visual Effect und nicht als Special Effect gesehen wird, wird der Special Effect als das Bereitstellen der Puppe mit abtrennbarem Kopf und als der Akt des Austauschs der Schauspielerin durch die Puppe betrachtet (vgl. Fink, 2015, S. 2). Dieser Argumentation nach sind Visual Effects jene Effekte, die in der Kamera erzeugt werden, wohingegen Special Effects vor der Kamera stattfinden. Neben dem Stopptrick wären demnach auch Mehrfachbelichtungen, Über- und Unterbelichtungen Visual Effects – Special Effects hingegen wären physikalische, mechanische Ef-
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fekte, Matte Paintings, Spiegeltricks, Glasvorsätze, Filter, Masken sowie Front- und Rückprojektionen. Was diese Perspektive für ein Verständnis der Effekte interessant macht, ist, dass sie nicht zwischen analog und digital differenziert. Dieser Argumentation nach müssen Visual Effects nicht notwendigerweise digital erzeugt werden, sondern könnten auch analog sein. Der Name des Effekts allein (special oder visual) verrät noch nichts über dessen Aufzeichnungsmedium, sondern nur über das Aufnahmeverfahren des Effekts – ob dieser in oder vor der Kamera erzeugt worden ist. Wenn also der Stopptrick ein Visual Effect ist, dann gibt es Visual Effects dieser Auffassung nach bereits seit Anbeginn des Films. Eine Einordnung der Effekte in eine Entstehung vor oder in der Kamera ist jedoch für heutige Effekte nur bedingt zufriedenstellend, da bei digitalen Computeranimationen Effekte weder vor noch in der Kamera entstehen, sondern in der Postproduktion nachträglich hinzugefügt werden. Dieser Neuerung wurde anfangs damit begegnet, dass ein weiterer Begriff eingeführt wurde: Digital Effects. Da dies jedoch keine neue Kategorie der Effekte ist, wurde sie zu Beginn des Kapitels auch nicht aufgelistet. Denn die Bezeichnung digitale Effekte sehe ich genauso wie Aylish Wood: als eine vage Benennung für etwas, bei dem ein genereller digitaler Eingriff stattgefunden hat (vgl. Wood, 2002, S. 370). Digital Effects kann sich daher auf Special Effects und Visual Effects gleichermaßen beziehen, denn dieser Terminus schreibt den Effekten lediglich eine digitale Komponente zu – ungeachtet dessen, um welche Effekte es sich dabei genau handelt. Haben Gehr und Ott im Jahr 2000 noch prophezeit, dass der Begriff digital bei Effekten hinsichtlich seiner Bedeutung als binärer Code „in einigen Jahren vollkommen verschwunden sein wird“ (Gehr & Ott, 2000, S. 26), so ist dies mittlerweile eingetreten. Zwar mag es gegenwärtig die Bezeichnung Digital Visual Effects geben, doch wird dies nicht unmittelbar mit binären Codes in Zusammenhang gebracht. Vielmehr ist es bedeutender geworden, welchen Prozessen und Wirkungsweisen die Effekte folgen. Um die Verwirrungen der bisher unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Effekte zu lösen, soll hier ein anderes Verständnis für Special Effects und heutige Visual Effects eingeführt werden, das gleichzeitig auch die unter-
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schiedlichen Wirkungsweisen von Special Effects und Visual Effects impliziert: Special Effects sind spezielle und besondere Effekte. Von den Zuschauer_innen wollen sie als das, was sie sind – besonders und außergewöhnlich – erkannt werden. Diese Wirkung spiegelt sich auch im Filmbild: Special Effects wollen herausstechen, als etwas Besonderes und Überwältigendes wahrgenommen werden. Obwohl sie eher einer analogen Ära zugeordnet werden können, spielt es für die Strategie der Special Effects keine Rolle, ob sie analog oder digital erzeugt wurden. Visual Effects hingegen möchten nicht herausstechen, sondern sich visuell integrieren. Sie tauchen heute überwiegend in einem hybriden Bildtypus auf und stehen vor der visuellen Herausforderung, ihre Bildelemente mit der Live-Action- Aufnahme zu kombinieren. Durch die vielfältigen Möglichkeiten des nachträglichen Einfügens in die bereits bestehenden Bildelemente werden sie strategisch so gestaltet, dass sie sich ästhetisch wenig bis gar nicht mehr von den anderen Bildkomponenten absetzen. Aufbauend auf dieser Grundannahme möchte ich folgende Lesart der Effekte einführen: Special Effects stehen für Separation und Visual Effects für Integration. Dieses Verständnis soll im Laufe der weiteren Untersuchung immer wieder aufgegriffen, erweitert und mit Inhalt gefüllt werden.
1.3 ERWÄHNUNGEN DER BEGRIFFE SPECIAL EFFECTS UND VISUAL EFFECTS Special Effects und Visual Effects unterscheiden sich voneinander. Dies zeigt sich nicht nur in ihren Definitionen, sondern auch in ihrer zeitgeschichtlichen Etablierung. Auch wenn Michael Fink (VES) den Stopptrick im Film THE EXECUTION OF MARY, QUEEN OF SCOTS als Visual Effect bezeichnet, geschah dies erst retrospektiv. Daher lohnt ein Blick auf die Entwicklung und Etablierung der Begriffe Special Effects und Visual Effects. In Bezug auf den US-amerikanischen Film ist die erste historische Erwähnung von Special Effects oder Visual Effects unklar. Weder in Lexika noch in der Filmliteratur gibt es Übereinstimmungen: Die erste Verwen-
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dung des Begriffs Special Effects wird in Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary auf das Jahr 1937 dotiert (vgl. Merriam-Wesbter, 2015a). In dem etymologischen Lexikon von Douglas Harper wird allerdings das Jahr 1951 als erste Listung des Begriffs benannt (vgl. Harper, 2001-2006a). Für Visual Effects findet sich gar kein Eintrag zu dessen erster Erwähnung. Die unterschiedlichen Angaben sind nicht überprüfbar, da nirgends näher ausgeführt wird, woher sie stammen und auf was sie zurückgeführt werden können. 1951 scheint als Jahresangabe erstaunlich spät für eine Einführung der Special Effects. Es lassen sich 1951 auch keine Hinweise auf besondere Einschnitte der Special Effects finden, so dass diese Angabe nicht weiter verfolgt wird. 1937 scheint weitaus plausibler, da 1938 erstmals in der Geschichte der Academy Awards ein Special Award vergeben wurde. Dieser Oscar wird heute retrospektiv den Special Effects zugeordnet, die namentlich allerdings erst ab dem darauffolgenden Jahr prämiert wurden. Da die Oscarverleihung meistens zu Jahresbeginn stattfindet, werden bereits ein Jahr vorher die Bewerbungen eingereicht. Alle Filme also, die 1938 nominiert waren, stammten aus dem Jahr 1937. Insofern könnte dies eine mögliche Begründung für die oben angegebene Jahreszahl zur ersten Erwähnung der Special Effects sein. Es kommt aber noch ein weiteres Jahr ins Spiel. Die Filmtheorie sieht den begrifflichen Ursprung der Special Effects im Jahr 1926. Rolf Giesen und Richard Rickitt führen diese Jahreszahl auf den Film WHAT PRICE GLORY? (USA 1926, Raoul Walsh) zurück. In dem Filmabspann von 1926 sei der Terminus Special Effects das erste Mal zu lesen gewesen. Louis Witte war für diese Spezialeffekte verantwortlich (vgl. Giesen & Meglin, 2000, S. 20; vgl. Rickitt, 2007, S. 18). Da bei der Recherche leider keine Filmversion von WHAT PRICE GLORY? zu finden war, in der es einen Abspann mit besagter Nennung der Special Effects gegeben hätte5, kann dies nicht vollständig verifiziert werden. Doch beruht die Annahme vermutlich darauf, dass Lee Zavitz – der bis 1935 mit Louis Witte zusammenarbeitete
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Da der Film auf keinem käuflichen oder entleihbaren Datenträger zur Verfügung stand, konnte hier nur auf die Online-Versionen zurückgegriffen werden, in denen aber jeweils der Abspann fehlte. Siehe dazu: https://www.youtube.com/ watch?v=wrRcNio9fmM oder https://vimeo.com/93508557 (zuletzt gesehen am: 4.1.2018).
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– einst in einem Interview die Listung der Special Effects in diesen Filmabspann erwähnt hat (vgl. Brosnan, 1974, S. 9f; 44). Für Visual Effects lässt sich nun weder in den Lexika noch in der Filmliteratur ein eigener Eintrag zur ihrer ersten Nennung als Filmeffekt finden. Da sich dieser Begriff dennoch neben den Special Effects im populären Sprachgebrauch durchgesetzt hat, möchte ich zur Untersuchung eine andere Quelle heranziehen, nämlich das Online-Archiv von Variety. Denn diese Branchenzeitung der US-amerikanischen Filmindustrie ist seit ihrem Erscheinungsbeginn im Jahr 1905 ein einflussreiches Medium der dortigen Populärkultur. Bevor in der Variety explizite Artikel zu Special Effects und Visual Effects erschienen sind, wurde in Bezug auf einen Film das erste Mal im Jahr 1919 von einem effect geschrieben6. In jener Rezension zu WAY DOWN EAST (USA 1920, David Wark Griffith) wird betont, dass der Film auf „spectacular or stupendous mechanical effects such as were utilized in Intolerance“7 (Variety Staff, 1919) verzichtet. Auch wenn mechanische Effekte heute den Special Effects zugeordnet werden, wurden sie 1919 noch nicht unter diesem Stichwort verhandelt. Special Effects werden schließlich am 31. Dezember 1935 das erste Mal in einer Rezension des englischen Films THINGS TO COME (William Cameron Menzies, 1936) erwähnt: „Garlands are also due Harry Zech for trick photography and Ned Mann for special effects“ (Variety, 1935). Trotz der Nennung und der dafür verantwortlichen Person wird nicht weiter vertieft, um welche Spezialeffekte es sich dabei handelt. Erst anlässlich der OscarNominierung von TOPPER TAKES A TRIP (Norman Z. McLeod, 1938) im
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In den Jahren zuvor wurde effect zwar auch in Zusammenhang mit Filmen verwendet, allerdings nicht bezogen auf mechanische oder optische Effekte. So wird beispielsweise gesprochen von einem „effect of the immortal song“ (Variety Staff, 1913) in HOME, SWEET HOME (David Wark Griffith, 1914), oder „the comic effect“ (Variety Staff, 1916) in THE BUTCHER BOY (Roscoe ‚Fatty‘ Arbuckle, 1917) erwähnt – um nur einige exemplarisch zu nennen.
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Intolerance bezieht sich auf den gleichnamigen Film aus dem Jahr 1916, ebenfalls von D.W. Griffith: INTOLERANCE – LOVE’S STRUGGLE THROUGHOUT THE AGES (USA 1916, David Wark Griffith).
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ersten Jahr der Einführung der Special Effects- Kategorie, taucht 19378 der Terminus Special Effects wieder auf (vgl. Variety Staff, 1937). Obwohl zu erwarten wäre, dass ab dem Moment, in dem Oscars für Special Effects vergeben werden, auch zahlreiche Artikel zu Special Effects in dem Branchenblatt erscheinen, ist dies nicht der Fall. Vielmehr finden Special Effects bis in die 1980er Jahre hinein keine Erwähnung mehr. Visual Effects werden als zusammenhängender Begriff in der Variety erstmals 1961 angeführt. In einer Rezension des Films EXPERIMENT IN TERROR (USA 1962, Blake Edwards) wird von den „overhead shots and unusual perspective merely for visual effect“ (Variety Staff, 1961) berichtet. Danach wird der Terminus Visual Effects nur noch vereinzelt gebraucht. Erst ab 1995 rücken die Visual Effects wieder in den Fokus der Berichterstattung. In dem Diagramm 1 habe ich diese Entwicklung visualisiert. Dort kann jeweils die Anzahl der Verwendung der Begriffe Special Effects sowie Visual Effects in den Artikeln der Variety von 1988 bis 2015 abgelesen werden. Das Diagramm zeigt, dass Special Effects und Visual Effects bis Mitte der 1990er Jahre in Artikeln der Variety kaum erwähnt werden. Dies bedeutet allerdings nicht gleichzeitig, dass bis 1996 keine Filme mit Effekten produziert wurden. Wohl aber lässt es darauf schließen, dass sich beide Begriffe im populären Sprachgebrauch noch nicht fest etabliert hatten und daher in den Artikeln noch nicht dementsprechend gekennzeichnet wurden. Seit 1997 änderte sich dies auffällig von Jahr zu Jahr, und es lässt sich ein ähnlich hoher Gebrauch beider Termini erkennen. Der Wendepunkt kommt für die Visual Effects schließlich im Jahr 2004. Dort überragen Artikel zu Visual Effects die zu Special Effects. Zwar ist es noch eine verhältnismäßig geringe Anzahl an Artikeln, doch wird ab diesem Zeitpunkt immer weniger über Special Effects und dafür mehr über Visual Effects geschrieben. 2013 haben sich die Visual Effects mit mehr als doppelt so vielen Artikeln deutlich von den Special Effects ab. Auch wenn die
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Die Jahresangabe mag etwas irritierend sein: Der Artikel zu TOPPER TAKES A TRIP erschien Ende 1937, der Film wurde allerdings erst 1938 produziert, und die Oscar-Nominierung war für 1939. Die Vermutung liegt daher nahe, dass die Rezension richtigerweise am 31.12.1938 erschienen ist, auch wenn sich keine weiteren Quellen für eine Bestätigung finden lassen.
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Anzahl der Erwähnungen von Visual Effects danach wieder gesunken sind, bleibt bis heute in der Variety doch eine so hohe Zahl bestehen wie niemals zuvor.
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0 1988 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Special Effect Visual Effect
Diagramm 1: Häufung der Begriffe Special Effect und Visual Effect in der Variety ab 1988 bis 2015
Dies zeigt vor allem zweierlei: Die Nennung von Visual Effects ist in den letzten beiden Dekaden stetig angestiegen, hat die Special Effects überragt und sie schließlich ins Abseits bedrängt. Dies konnte wohl hauptsächlich geschehen, weil mehr Filme produziert wurden, für welche die Bezeichnung Visual Effects die passendere war. Dies wiederum lässt darauf schließen, dass sich die Effekte im Laufe der Jahre verändert haben und neue adäquate Beschreibungen gefunden werden müssen. Denn Visual Effects bezeichnen nicht mehr das Gleiche wie Special Effects. Die Verschiebung von Special Effects hin zu Visual Effects ist nur schwer auf ein Ereignis festzuklopfen. Das Diagramm 1 zeigt eher eine allmähliche Entwicklung, bis es schließlich zum Umbruch kam. Diese Verschiebung soll daher als ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren betrachtet werden,
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welche institutionell, und technologisch und produktionstechnisch hinterfragt und analysiert werden sollen.
2. Verschiebung der Special Effects zu digitalen Visual Effects
2.1 INSTITUTIONELLE VERSCHIEBUNG Obwohl womöglich im Abspann von WHAT PRICE GLORY? Special Effects bereits 1926 als Teil des Produktionsprozesses gelistet wurden, nahm die amerikanische Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die jährlich ihre Oscars verleiht, erst 13 Jahre später die Special Effects als Kategorie in ihre Zeremonie auf. 1938 wurde zunächst ein Special Award eingeführt, welcher im ersten Jahr sogar doppelt vergeben wurde. Zum einen gewann Walt Disney diesen Preis für SNOW WHITE AND THE SEVEN DWARFS (USA 1937, David D. Hand) mit der Begründung: „recognized as a significant screen innovation which has charmed millions and pioneered a great new entertainment field for the motion picture cartoon“ (Academy of Motion Picture Arts and Sciences, 2018). Zum anderen erhielten diesen Special Award auch Gordon Jennings, Loren Ryder und deren Mitarbeiter_innen für „outstanding achievement in creating Special Photographic and Sound Effects“ (ebd.) in SPAWN OF THE NORTH (USA 1938, Henry Hathaway). Ein Jahr später, 1939, wurde schließlich das erste Mal in der Filmgeschichte ein Oscar für Special Effects vergeben. Diesen Preis gewannen Fred Sersen und Edmund H. Hansen für die Effekte in dem Film THE RAINS CAME (USA 1939, Clarence Brown). Sersen wurde für die fotografischen Effekte und Hansen für die Soundeffekte im Film ausgezeichnet (vgl. Franks, 2005, S. 215). Diese unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche der Oscar-Gewinner zeigen an, dass zwar 1939 eine Kategorie für Special Effects eingeführt wurde, darunter aber auch Animationen und Soundeffekte zähl-
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ten. Dies blieb bis 1963 die gängige Praxis, erst dann wurden Sound Effects bei den Academy Awards in einer separaten Kategorie prämiert. Die Animationen bekamen erst 2001 ihre eigene Kategorie: Animated Feature Film. Diese späte Anerkennung mag daran liegen, dass sie generell bei den Oscars unterpräsentiert waren. Bis 2001 wurden nur dreimal Animationsfilme mit einem Oscar ausgezeichnet, die allerdings technisch sehr unterschiedlich waren: Neben dem bereits erwähnten Special Award für den Zeichentrickfilm SNOW WHITE AND THE SEVEN DWARFS gewann erst 50 Jahre später (1988) der Hybridfilm WHO FRAMED ROGER RABBIT (USA 1988, Robert Zemeckis), der Live-Action und Animation kombinierte, einen Special Achievement Award. Der dritte Award ging schließlich 1995 an das Team von TOY STORY (USA 1995, John Lasseter) – den ersten komplett digital animierten Spielfilm der Filmgeschichte (vgl. Academy of Motion Picture Arts and Sciences, 2018). Insgesamt 24 Jahre lang (1939-1963) wurden Oscars in der Kategorie Special Effects vergeben, bis 1964 die Kategorie um das Visuelle erweitert wurde und fortan bis 1971 Special Visual Effects hieß. 1972 wurde sie von einem Special Achievement Award (Visual Effects) abgelöst, der bis 1976 regelmäßig sowie bis 1990 unregelmäßig vergeben wurde (siehe Tabelle der Academy Awards im Anhang)1. Obwohl diese neue Kategorie immer noch special enthielt, wurden darunter keine Special Effects mehr verstanden. Vielmehr war dieser Award eine spezielle Auszeichnung für Visual Effects. Im Archiv der Academy Awards wird dieser Oscar bereits den Visual Effects zugeordnet. Sucht man gegenwärtig in der Official Academy Awards® Database nach Special Effects, so erscheint in der Suchmaske der Zusatz: archaic category (vgl. Academy of Motion Picture Arts and Sciences, 2018). Archaisch sind die Special Effects- Oscars insofern, als dass sie seit 1964 nicht mehr verliehen werden. Mit der Einführung eines Awards für Visual Effects im Jahr 1977 wurde selbst das Wörtchen special komplett gestri-
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Bei der Tabelle im Anhang ist zu beachten, dass die Preisverleihungen der Oscars zwar jeweils im Februar stattfinden, die Academy Awards allerdings die Auszeichnungen in der Datenbank für das vorausgegangene Jahr listen. Erfolgt beispielsweise die Oscarvergabe 2017, so ist der Oscar mit seiner Kategorie dem Jahr 2016 zugeordnet.
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chen. Seitdem gibt es keine Preiskategorie mehr für spezielle visuelle Effekte oder für Spezialeffekte, sondern nur noch Oscars für Visual Effects2. Interessant ist daran nicht nur, dass bereits seit mehreren Jahrzehnten keine Oscars mehr für Special Effects vergeben werden, sondern auch, dass die Visual Effects bei den Academy Awards nun schon länger Bestand haben als es die Special Effects je hatten, wie in dem Diagramm 2 in schwarz zu sehen ist.
Diagramm 2: Verteilung der Academy Awards für Effekte nach Jahren
Es wäre falsch zu denken, dass es sich bei der Verschiebung der Kategorien von Special Effects hin zu Visual Effects um eine bloße Umbenennung oder einen namentlichen Austausch handelt. Die Verschiebung unterlag vielmehr bestimmten Tendenzen, die in den 1960er Jahren ihren Anfang nahmen. Diese Umbruchsphase, die sich in der Namensgebung der Effektkategorien widerspiegelt, möchte ich als technologische Verschiebung bezeichnen und sie unter diesem Aspekt näher diskutieren.
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Hier möchte ich anmerken, dass in den Jahren 1978, 1980, 1983 und 1990 anstatt eines Oscars für Visual Effects jeweils ein Special Achievement Award (Visual Effects) vergeben wurde. Hierbei handelt es sich jedoch eindeutig um Preise für Visual Effects und nicht für Special Effects, weshalb sie hier – sowie auch im Archiv der Academy Awards – unter die Kategorie der Visual Effects gefasst werden sollen.
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2.2 TECHNOLOGISCHE VERSCHIEBUNG Special Effects wurden als Kategorie bei den Academy Awards 1964 eingeführt und Visual Effects 1977. Beide Jahreszahlen markieren nicht ganz unbedeutende historische Momente für die Entwicklung der digitalen Visual Effects. Denn technologisch wurden in den 1960er und 1970er Jahren bereits die Grundlagen für die heutigen digitalen visuellen Effekte gelegt, deren Ursprung Stephen Prince auf universitäre Forschungslabore und die Industrie zurückführt (vgl. Prince, 2012, S. 12). Ivan Edward Sutherland entwickelte 1963 auf der Grundlage seiner Doktorarbeit am Massachusetts Institute of Technology (MIT) das erste genuine System zur Realisierung von Computergrafiken – sozusagen die erste Beschreibung eines Graphical User Interface (GUI). Sutherland nannte es Sketchpad.
Abbildung 1: Sketchpad
Ursprünglich als Hilfsprogramm für technische Zeichnungen konzipiert, sah Sutherland in dieser Grafikanwendung auch künstlerische Möglichkeiten für den Film: „Sketchpad need not be applied only to engineering
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drawings. The ability to put motion into the drawings suggests that it would be exciting to try making cartoons“ (Sutherland, 2003 [1963], S. 107)3. Mit heute ganz gängigen Befehlen wie „copying, moving, resizing, rotating and zooming“ (Prince, 2012, S. 15) ermöglichte das Sketchpad es erstmals, einzelne Bildteile zu manipulieren. Vor allem aber setzte das Sketchpad ein Exempel im Computergebrauch, da in Echtzeit mit dem Bildschirm interagiert werden konnte (vgl. Manovich, 2001, S. 104). Das machte es auch für den Spielfilm interessant: Bereits kurze Zeit später entwickelt Larry Cuba im Electronic Visualization Laboratory auf der Grundlage des Sketchpads die Computergrafiken des Todessterns für STAR WARS (George Lucas, 1977) (vgl. Wood, 2015, S. 37; vgl. TheArchitectsArchive, 2010). Nach diesem erfolgreichen Einsatz 1977 wurde der Computer fortan ein immer wichtigeres Werkzeug für die ästhetische Gestaltung im Film, insbesondere für Effekte. Es ist erstmalig der Film 2001: A SPACE ODYSSEY (Stanley Kubrick, 1968), der die Grundlage bildete „für die großen Special-EffectsProduktionen, wie wir sie heute gewohnt sind“ (Giesen, 1985, S. 20). Wenn Giesen diese Produktionen bereits in den 1960er Jahren ansiedelt, dann bezieht er sich vor allem auf heutige Science-Fiction- und Fantasy-Filme. 2001: A SPACE ODYSSEY war insofern wegweisend, als dass Douglas Trumbull den Effekten eine „neue Dimension“ (ebd., S. 21) eröffnete, den für Giesen „wichtigsten Effekt“ (ebd.) des Films. Gemeint ist die Slit-ScanMaschine, die das Prinzip der Streak-Fotografie, das Aufzeichnen sehr schneller Lichtimpulse, auf den Film übertrug (vgl. MIT Media Lab, o.A.; vgl. Spektrum Akademischer Verlag, 1998). Heraus kam ein besonderer Effekt, der „psychedelische Sturzflug von 2001“ (Giesen, 1985, S. 22, Herv. i.O.), auch bekannt als die Star Gate-Flugsequenz oder Stargate-KorridorSequenz (Gehr & Ott, 2000, S. 39). Aufgrund der langen Belichtungszeit
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Wie Alan Blackwell und Kerry Rodden in dem Vorwort zu Sutherlands Sketchpad- Publikation, die 2003 neu aufgelegt wurde, herausgestellt haben, wurde das Sketchpad einerseits durch seine breite Aufmerksamkeit auf Konferenzen bekannt, aber interessanterweise auch durch einen Film, der die Anwendung des Sketchpads und sein Interface zeigte (vgl. Blackwell; Rodden, in: Sutherland, 2003 [1963], S. 3). Diese filmische Demonstration ist zu sehen unter: https://www.youtube.com/watch?v=6orsmFndx_o (zuletzt gesehen am: 4.1.2018).
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waren im Film fast zehn Minuten lang farbig wechselnde Lichtstreifen mit einer „scheinbar unendlichen Tiefe“ (ebd.) zu sehen, die aus Linien und Farben gezeichnet und einzelbildweise aufgenommen wurden. Trumbull als Schöpfer dieses Effekts bezeichnet sie als „‚psychedelic‘ effects“, „sunlight effects“ und „weightless effects“ (Trumbull, 1968). Dies war aber nicht der einzige richtungsweisende Effekt in 2001: A SPACE ODYSSEY. Neben dem Einsatz von altbewährten Verfahren wie Mattes, Modellen und deren Kombinationsaufnahmen wurde in dem Film das System der Aufprojektion durch halbdurchsichtige Spiegel verfeinert, wie es in der Eingangssequenz des Films zu sehen ist. Dort benutzt ein affenartiger Urmensch einen Knochen als Waffe und Werkzeug und schleudert ihn anschließend triumphierend in die Luft. Das Prinzip ist angelehnt an die Rückprojektion, funktioniert aber etwas anders: Die Darsteller_innen mussten zwar auch vor einer Leinwand agieren, doch wurde bei der Aufprojektion das Hintergrundbild von vorne in einem bestimmten Winkel auf einen halbdurchsichtigen Spiegel projiziert. Das Besondere an dem Spiegel war, dass er das Licht sowohl durchließ, aber auch reflektierte. Dadurch konnte das Hintergrundbild in der Bildachse der Kamera auf die Leinwand hinter die Akteur_innen projiziert werden, ohne dass deren Schatten für die Kamera sichtbar waren (vgl. Monaco, 1998, S. 138). Welchen Einfluss diese Entwicklung der Effekte für weitere Filme hatte, zeigt sich daran, dass kaum ein filmanalytisches Buch ohne ein Zitat zu 2001: A SPACE ODYSSEY auskommt. So bezeichnet auch James Monaco den Film als „eine Art Katalog moderner Spezialeffekte“ (ebd., S. 136). Dazu mag auch beigetragen haben, dass der Regisseur Stanley Kubrick für die Special Visual Effects in jenem Film 1968 den Oscar gewonnen hat – obwohl dieser Preis eigentlich richtigerweise an den Effektkünstler des Films, Douglas Trumbull, hätte gehen müssen4.
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Trumbull äußerte 2014 in einem Interview mit The Hollywood Reporter seinen Missmut, dass eigentlich er den Oscar hätte bekommen sollen anstatt Kubrick, der nur Regie geführt habe: „There was a certain level of inappropriateness to taking that Oscar. But the tragic aspect of it for me is it’s the only Oscar Stanley Kubrick ever won. He was an incredibly gifted director and should have gotten something for directing and writing and what his real strength was - not special effects“ (THR staff, 2014). Tatsächlich war Kubrick 1968 auch für die Beste
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2001: A SPACE ODYSSEY kann als Anfang eines, von Tom Gunning so bezeichneten, „Kino der Effekte“ (Gunning, 1996, S. 34) gelesen werden, welches Ende der 1960er, vor allem aber im Laufe der 1970er aufkam. Waren es anfangs noch fotografische Effekte wie in 2001: A SPACE ODYSSEY, so kamen allmählich immer mehr digitale Effekte hinzu. Nahm Kubrick 1968 noch als Regisseur die Auszeichnung für Effekte entgegen, so änderte sich dies mit der Einführung der eigenständigen Visual Effects-Oscars. Der erste Oscar für Visual Effects wurde 1977 dem Effekt-Team von STAR WARS verliehen (John Stears, John Dykstra, Richard Edlund, Grant McCune, Robert Blalack). Aus dem Prinzip des Sketchpads entwickelten sie Computergrafiken, welche Auswirkungen auf die künftigen Produktionsbedingungen und die Effektkünstler hatten. Waren die Effektkünstler in den großen Trickstudios für Giesen „Veteranen“ (Giesen, 1985, S. 22), so sieht gibt es bei STAR WARS nun ein „Team junger Science-Fiction-Freaks, Computernarren und Technokraten in Jeans, TShirts und Gummischlappen“ (ebd.). Dieser Zeitpunkt markiert daher einen doppelten Umbruch: Die alten Veteranen der Trickstudios wurden von einer jüngeren Generation mit neuen Kompetenzen abgelöst. Die Personen hinter den Effekten wurden sichtbarer und über sie auch die Aufmerksamkeit auf die Visual Effects gelenkt. Mit der Entstehung von parallel unabhängigen Produktionen hatten die großen Trickstudios für Special Effects ausgedient und lösten sich allmählich auf. Für die Produktion von bestimmten Visual Effects in einem Film wurden extra neue Firmen gegründet, wie es beispielsweise George Lucas für die Filmeffekte in STAR WARS mit dem Unternehmen Industrial Light & Magic (ILM) tat. Aufgrund des großen Filmerfolgs von STAR WARS entwickelte sich ILM in den 1980er Jahren zu einem bedeutenden Produktionsort zur Entwicklung digitaler Visual Effects. Gehr und Ott sehen ILM gar als „Synonym [...] für den State-of-the-art der Visual Effects“ (Gehr & Ott, 2000, S. 40). Der Beginn des Einsatzes von Visual Effects markiert damit auch ein Ende einer Ära der Special Effects ab den 1980er Jahren. Visual Effects operieren nicht nur mit anderer Technik, sie bemühen sich auch um eine andere Ästhetik als die Special Effects. Diese folgten oftmals noch einer
Regie des Films nominiert, erhielt aber dafür keinen Oscar (vgl. Academy of Motion Picture Arts and Sciences, 2018).
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Tradition der Illusionskünste aus dem 19. Jahrhundert, indem sie in Modellaufnahmen, Stop Motion, Stopptrick, Matte Paintings sowie pyrotechischen Effekten, wie Feuer und Explosionen verhaftet blieben. Die Visual Effects hingegen machen sich Innovation, Kreativität und Einzigartigkeit zu ihren neuen Schlagwörtern. So heißt es retrospektiv auf der Website von ILM mit Blick auf die Anfänge durch STAR WARS: It all started here. Lucasfilm. ILM. Skywalker Sound. George Lucas’s empire. It was the first time that people who worked in all the visual effects departments had ever gathered under one roof to create a film. The energy and communication among the exceptionally talented cinematographers, engineers, and artists resulted in a film that rocked the visual effects world. It was innovative. It was creative. It was unlike anything anyone had seen before. Lucas became the first filmmaker to utilize the Vista Vision camera for visual effects, which made crisper composites possible. The film was filled with hundreds of effects, and yet his camera treated them casually. (Industrial Light & Magic, 2016)
An diesem Zitat lässt sich das Verständnis von Special Effects als Separation und Visual Effects als Integration wieder aufgreifen und erläutern. Indem ILM insbesondere die kollaborative Zusammenarbeit von Kameraleuten, Ingenieuren und Künstlern bei STAR WARS betont, die zum ersten Mal unter einem Dach („under one roof“) tätig waren, wird Folgendes klargestellt: Bei den Visual Effects wird nicht mehr separiert gearbeitet, sondern alle Abteilungen agieren zusammen. Nur durch die Kombination von Technik und Kunst (das Integrieren unterschiedlicher Berufsgruppen) können die Visual Effects innovativ und kreativ zugleich sein und etwas zeigen, das vorher noch nie so zu sehen gewesen war. Gleichzeitig aber wird die VistaVision-Kamera hervorgehoben, die John Dykstra, Kameramann von STAR WARS, später als Dykstraflex vermarktete. Diese Kameratechnik ermöglichte es, Bewegungskoordinatoren durch Motion Control computergesteuert aufzuzeichnen und anschließend beliebig oft zu wiederholen. In STAR WARS wurden damit vor allem über Miniaturmodelle die Weltraumschlachten gefilmt (vgl. Dietze, 2001, S. 63). Diese Technik war im Vergleich zu der schrittweisen Animation am Modell eine erhebliche Arbeitserleichterung. Digitale Visual Effects gab es in STAR WARS allerdings noch nicht. Kein Effekt des Films wurde am Computer generiert, sondern die einzelnen
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Aufnahmen noch am optischen Printer zusammengefügt (vgl. ebd.). STAR WARS steht jedoch exemplarisch für eine zukünftige Ära, die nicht nur technologische Veränderungen mit sich bringen sollte, sondern auch andere Strategien mit den Effekten verfolgen sollte. Trotz ihrer noch analogen Produktionsweise folgten die Effekte in jenem Film bereits den gleichen Prinzipien wie die späteren digitalen Visual Effects. Sie stehen nicht mehr für Separation, sondern für Integration. Wenn in dem obigen Zitat von ILM betont wird, dass mit Hilfe der besonderen Kamera bessere Bildergebnisse erzielt werden konnten und somit die vielen Effekte kaum wahrnehmbar waren, verweist dies auf folgendes Merkmal: Visual Effects zeichnen sich dadurch aus, dass sie weniger als Special Effects herausstechen sollen. Begründet ist dies sicher auch in den technischen Errungenschaften, die es ermöglichten, dass Effekte ästhetisch wesentlich besser in den Film integriert werden konnten – so wie es bei STAR WARS das Verfahren der VistaVision-Kamera möglich machte. Obwohl die 1980er Jahren den Zeitpunkt des Umbruchs von Special Effects zu Visual Effects markieren, der sich 1977 auch in der Neueinführung der Kategorie der Visual Effects bei den Academy Awards ablesen lässt, führte dies vorerst noch nicht dazu, dass die Bezeichnung Visual Effects auch im Sprachgebrauch geläufig wurde. Wie in dem Diagramm 1 abzulesen ist, wurden in den 1980er Jahren in der Variety die Effekte noch überwiegend unter dem Schlagwort Special Effects rezipiert, besonders in Bezug auf Blockbuster-Filme. Auch heute sind beide Bezeichnungen üblich. Obgleich sich seit der Jahrtausendwende der Begriff Visual Effects vermehrt durchgesetzt hat, wird im populären Jargon und in der Fachliteratur trotzdem noch von Special Effects gesprochen. Dies liegt, wie ich bereits ausgeführt habe, einerseits an einer ungenauen Differenzierung bzw. einer Unsicherheit, was genau unter dem Begriff zu verstehen ist, und andererseits daran, dass häufig die Filmeffekte generell unter Special Effects subsummiert werden. Trotz einiger Ausnahmen, die es sicher immer geben wird, haben sich Visual Effects als Begriff mittlerweile etabliert. In der Filmindustrie sind Visual Effects ein fest gesetzter Terminus, nicht zuletzt auch wegen der Auszeichnungen durch die Academy Awards und die Visual Effects Society – eine Special Effects Society gibt es meines Wissens nicht. Dies gründet nicht nur auf technolo-
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gischen Fortschritten und Entwicklungen, sondern auch auf Veränderungen im Produktionsprozess, wie es bereits bei ILM angeklungen ist.
2.3 VERÄNDERUNG DER PRODUKTIONSPROZESSE Die Betrachtung der Special Effects als etwas Separiertes lässt sich auch über die Struktur der klassischen Filmstudios begründen. Die großen Hollywood-Studios betrieben lange Zeit ihre eigenen Fachabteilungen für Special Effects, und dort war auch der alleinige Arbeitsplatz für Special Effects- Techniker. Die sperrige und kostspielige Filmtechnik hinderte die Special Effects- Künstler jedoch daran, von woanders aus arbeiten zu können (vgl. Venkatasawmy, 2013, S. 61). Michele Pierson spricht von einer „special effects industry“ (Pierson, 2002, S. 1). Tatsächlich waren die Filmstudios auch ein Industriezweig, der sich dem Prinzip des Fordismus unterwarf und wie eine Fabrik um eine technische und vor allem auch effiziente Produktion bemüht war. Angelehnt an Siegfried Krakauer (1977) bezeichnet Jae Hyung Ryu die analogen Special Effects daher auch als „Ornament der Masse“ (Ryu, 2007, S. 18), als ein unauflösliches Knäuel ohne jede Spur von Individualität (vgl. ebd.). Erst nach dem Zusammenbruch des Fordismus’ konnten sich die digitalen Visual Effects freistrampeln und entwickeln. Computergenerierte Bilder und Effekte mussten nicht mehr in den Spezialabteilungen der Studios entstehen und waren auf deren Technik angewiesen, sondern sie konnten an allen Orten produziert werden – oder um es mit Ryus Worten zu sagen: „in any place where there are computers“ (ebd., S. 19.) – ortsunabhängig und länderübergreifend. Aufgrund der Digitalisierung musste sich die Herstellung der Effekte nicht den Prozessen des Studiosystems unterordnen, da weder Filmtechnik noch aufwendige physikalische Bauten mehr benötigt wurden. Ende der 1980er Jahre war schließlich die Produktion von Visual Effects überwiegend in der Hand von unabhängigen Unternehmen, wie John Bruno betont, Supervisor für Visual Effects, unter anderem für THE ABYSS (USA 1989, James Cameron): „Before The Abyss [...] one facility handled all the work for a film. But The Abyss was the first time effects were distributed between multiple vendors. We had different companies working on different effects“ (John Bruno, zit. in: Failes, 2015, S. 17, Herv.
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i.O.)5. Hier wird deutlich, dass die Produktion von Visual Effects sich weit von der Herstellung der Special Effects entfernt hat. Obwohl dies darauf hindeuten mag, dass eine räumliche Auslagerung der Effektproduktion, noch dazu an verschiedene Unternehmen, eine Separation herbeigeführt hat, ist dies nicht der Fall. Digitale Visual Effects sind von Anfang an in den Aufnahmeprozess involviert. Bereits während der Dreharbeiten entstehen Previsualisierungen (Previs) von Visual Effects als grobe 3D-Computersimulationen in geringer Auflösung, um Produzent_innen und Regisseur_innen einen ersten ästhetischen Eindruck der Filmsequenz am Set zu vermitteln. Dadurch sollen mögliche Probleme (auh mit Effekten) vorab minimiert werden (vgl. Failes, 2015, S. 185; vgl. Gehr & Ott, 2000, S. 128; vgl. Montgomery, 2002). Da es sich bei den Previs jedoch noch um bewegte, aber klobig animierte Visualisierungen handelt, die ohne Texturen wie Licht und Schatten auskommen, vermitteln sie jedoch eher eine „clunky-vision“ (Montgomery, 2002) des Films. Mit den Animatics gibt es ein zusätzliches Element für visuelle Effekte am Set. Als kleine aneinandergeschnittene Filmsequenzen zu visuellen Elementen des Storyboards werden Animatics am Set eingesetzt, um Visual Effects auf ihre Funktion und Wirkung hin zu testen (vgl. Failes, 2015, S. 184). Zusätzlich sind meistens Visual Effects Supervisor während des Drehs vor Ort, um das Filmmaterial für die spätere Bearbeitung und Machbarkeit hinsichtlich der Effekte auszuwerten. Dies alles zeugt von einer Involvierung der Effekte in allen Produktionsphasen und ihrer Integration von Anfang an. Da digitale Visual Effects heute schon parallel zu den Live-
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Obgleich diese Auslagerung hier als etwas Positives dargestellt ist, wird dies mittlerweile kritisch gesehen. 2013 und 2014 gab es parallel zur Oscar-Verleihung Proteste von Visual Effects-Artists, welche von der Association of Digital Artists, Professionals and Technicians (A.D.A.P.T.) organisiert waren. Das Anliegen war es, Unternehmen zu besteuern, die ihre Visual Effects in die USA importieren und gleichzeitig Subventionen von ihrer eigenen Regierung erhalten. Denn in Großbritannien, Kanada und Neuseeland beispielsweise, wo viele VFX-Häuser beheimatet sind, wurden die Unternehmen mit hohen Subventionen bezuschusst, so dass diese Aufträge aus den USA abwerben konnten. Als Folge dessen gingen viele in den USA ansässige VFX-Studios bankrott, wie z.B. Digital Domain und Rhythm & Hues, so dass es kaum mehr Arbeit für die Visual Effects-Artists innerhalb der USA gab (vgl. Cohen, 2014).
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Action-Aufnahmen generiert und Hand in Hand mit dem VFX-Supervisor koordniert werden, sind sie Teil der Preproduktion und des Filmdrehs und nicht mehr ausschließliche Erzeugnisse der Postproduktion. Da Postproduktionsfirmen seit den letzten 20 Jahren immer weniger geworden sind, rief Mike Seymour bereits 2016 den Tod der Postproduktion aus (vgl. Seymour, 2016). Auch er führt dies darauf zurück, dass Visual Effects während der Filmproduktion bereits zum Hauptmerkmal des Films geworden sind. Außerdem macht er das Austerben der Postproduktion an der technischen Entwicklung fest, dass durch kostenlose Softwareversionen auch Effekte leichter außerhalb der Produktionsfirmen erzeugt werden könnten (vgl. ebd.). Digitale Visual Effects mögen nicht alle Geschmäcker bedienen (siehe Eingangszitat „Oh, I hate those movies!“), doch durch ihre Sichtbarkeit im Herstellungsprozess sind sie aufgewertet worden und haben keinen „zweifelhaften Ruf“ (Flückiger, 2008, S. 14) mehr, wie ihn Barbara Flückiger noch den Special Effects zugeschrieben hatte, die „aus den Küchen von Bastlern, Autodidakten, Feuerwerkern, nicht aber von Künstlern“ (ebd.) stammten. Die Aufwertung der Effekte über den künstlerischen Schaffensprozess lässt sich auch an den Begleitmedien der Effekte darlegen (siehe Kap. III). In den Making-Ofs werden die digitalen Visual Effects überwiegend von Visual Effects-Artists präsentiert, die sich nicht mehr in Küchen oder sonstigen Kammern verstecken, sondern ihre Arbeit stolz präsentieren und bereitwillig darüber diskutieren. Sie sind weit entfernt davon, Bastler oder Autodidakten zu sein, sondern sehen sich selbstredend als „artist and technican“ (Failes, 2015, S. 10) und „magicians of the film world“ (ebd.). Als künstlerische Botschafter der digitalen Visual Effects wollen sie daher entsprechend für ihre Leistung anerkannt und wertgeschätzt werden, was sich in Fachmagazinen und Internetseiten widerspiegelt. Dass die Visual Effects-Artists Magier, Künstler und Techniker zugleich sein wollen, erinnert an etwas dem Film sehr Ursprüngliches. Die Zusammenführung von Kunst und Wissenschaft bzw. Kunst und Technik kam mediengeschichtlich bereits mehrfach bei visuellen Medien vor. Daher soll nun untersucht werden, ob die visuellen Vorläufer des Films bereits bestimmte Strategien erkennen lassen, die sich in den heutigen Visual Effects wiederfinden oder sich gar auf diese übertragen lassen.
II. Mediale Praktiken und visuelle Inszenierungsformen in ihren historischen Perspektiven
1. Visuelle Unterhaltungsformen des 19. Jahrhunderts
1.1 OPTISCHE APPARATUREN UND PHILOSOPHISCHE SPIELZEUGE Special effects do not make for the usual teleological history. Instead, they are a history of surprising connections, like effects themselves. Norman M. Klein, 2004.
Visuelle Apparaturen mit Effekten gab es bereits im 19. Jahrhundert. Diese Unterhaltungsmedien beeinflussten die Denkweisen der späteren Filmzuschauer_innen. Hier formierten sich Versprechen, die auch den frühen Film begleiten sollten. Als optische Apparaturen sollen beispielhaft der Guckkasten und das Thaumatrop betrachtet werden – allerdings nicht, wie Marshall McLuhan es formuliert hat, als alte Technologien im Spiegel neuerer (vgl. McLuhan, 1967, S. 61), sondern die Strategien und zeitgeschichtlichen Kontexte sollen herausgearbeitet und anschließend auf die Entwicklung und das Verständnis der heutigen filmischen Visual Effects übertragen werden. Entlang einer skizzierten historischen Traditionslinie soll nicht nur die Technikgeschichte, sondern auch der Diskurs zur menschlichen Wahrnehmung über die optischen Apparate des 19. Jahrhunderts betrachtet werden. Mit jenen Apparaturen wuchs auch der Stellenwert des Visuellen, den Siegfried Zielinski als Paradigmenwechsel von einer literarischen hin zu einer visuellen Alltagskultur bezeichnet hat (vgl. Zielinski, 1989, S. 42f).
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Wie sich aus Charles Mussers Konzept der screen practice herauslesen lässt, können die Filmvorführungen historisch mit der Tradition der verbalen und musikalischen Laterna magica-Vorführungen des 17. Jahrhunderts zusammen gebracht werden (vgl. Musser, 1984, S. 59; Musser, 1994, S. 1). Für Musser ist das Kino keine neue Kunstform, sondern hat sich aus den Projektionsflächen heraus weiterentwickelt. Er führt dies auf zwei historische Stränge zurück: Erstens, auf die Geschichte der projizierten Bilder, deren Apparate ursprünglich in Europa erfunden und anschließend in den USA weiterentwickelt wurden; zweitens, auf die Geschichte des Films, die nicht nur das Kino mit seinen Projektionen, sondern auch andere Ausstellungsformen ohne Projektionen umfasst (wie z.B. das Panorama) (vgl. ebd.). Erkki Huhtamo erweiterte Mussers Konzept um den Begriff der peep practice. Er bezieht sich dabei vorrangig auf die optischen Instrumente, die aus einem analytischen Interesse am Beobachten, Vermessen und Reproduzieren von sichtbarer Realität im 15. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert hinein entwickelt wurden (vgl. Huhtamo, 2012, S. 33). Ein Beispiel sind die Guckkästen bzw. perspective boxes, die in öffentlichen peep shows auf Jahrmärkten und Marktplätzen als Attraktionen präsentiert wurden. Sie entwickelten sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts aus der Idee der camera obscura1 heraus, doch war es ihr Bemühen, nun nicht mehr ein zweidimensionales, sondern nunmehr ein perspektivisch dreidimensionales Bild wiederzugeben. Durch ein Loch im Kasten (Guckloch) konnte das gemalte Innenleben betrachtet werden, häufig Ansichten von Städten, Landschaften, Schlachten oder Naturkatastrophen. Der besondere Reiz für die Betrachtenden entstand durch den Eindruck einer räumlichen Illusion, der sich aus den übertriebenen Perspektiven ergab. Wenn Huhtamo den Guckkasten als eine Medienmaschine mit Visual Effects bezeichnet (vgl. Huhtamo, 2007, S. 8), dann kann über diese Lesart ist die Apparatur mit ihrer Wirkung zusammengebracht werden. Denn die Attraktion wird erst ermöglicht durch die Verstärkung des Seheindrucks über den visuellen Effekt. Das Außergewöhnliche dieses visuellen Phänomens wäre ohne Apparatur nicht denkbar. Der erwünschte Eindruck kann
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Bei der camera obscura drang ein Lichtstrahl durch ein kleines, rundes Loch in ein dunkles Zimmer oder einen Kasten und projizierte ein Bild von gegenüberliegenden Objekten kopfüber an die Wand.
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nur durch das Zusammenwirken von Technik und visueller Illusion erzeugt werden. Als es die Guckkästen ab Mitte der 1820er Jahre nicht mehr nur exklusiv auf dem Jahrmarkt, sondern auch in Miniatur zum Selberbauen für den Privatgebrauch gab (vgl. Sztaba, 1996; vgl. Huhtamo, 2012), veränderte sich etwas Wesentliches. Die Benutzer_innen wurden über den spielerischen Gebrauch dazu angeregt, die dahinterliegenden Prozesse und Wirkungszusammenhänge dieses Phänomens, aber auch der visuellen Illusionen an sich zu begreifen. So wurden die Guckkästen zu Modellen zwischen Wissenschaft und Kunst und populäre philosophische Spielzeuge – eine „Massenbelustigung“, ein „Volksvergnügen“ (Crary, 1995, S. 108). Weitere philosophische Spielzeuge zogen in den Privatbereich ein. Besonders beliebt war auch das Thaumatrop („Wunderdreher“/ „Wunderscheibe“), eine beidseitig bemalte Scheibe, deren Prinzip von Dr. John Paris 1825 in London erfunden wurde. Das bekannteste Beispiel ist wohl jenes Thaumatrop, bei dem die eine Seite der Scheibe einen Vogel und die andere einen leerer Käfig zeigt. Wird das Thaumatrop nun an den seitlich angebrachten Fäden in schnellem Rhythmus rotiert, so scheint es, als würde sich der Vogel auf der Vorderseite plötzlich in dem Käfig auf der Rückseite befinden. In der Wahrnehmung verschmelzen beide Seiten zu einem einzigen Bild. Das erzeugte Bild des Thaumatrops ist ein unbewegtes mit eigentümlicher Erscheinung. Es wirkt eher durchlässig oder wie ein virtuelles Bild, das nicht mit in der Realität übereinstimmt (vgl. Gunning, 2011, S. 33). Doch nicht diese sonderbare Wirkung macht es interessant, sondern dass ein Bild aus beiden Seiten zusammen entsteht, das nicht zwischen den zwei Bildern schwankt, die im unbewegten Zustand zu sehen sind (siehe Abbildung 2). Das Thaumatrop ist eine visuelle Illusion, die nur in der Wahrnehmung des Betrachtenden entsteht. Im 19. Jahrhundert wurde jenes Phänomen vor allem über die Theorie der Persistenz des Sehens erklärt. Diese besagt, dass der Eindruck eines Objekts selbst dann noch auf der Retina des Auges bestehen bleibt, wenn das Objekt bereits aus dem Sichtfeld verschwunden ist.
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Es ist also der Trägheit des Auges zu verdanken, dass ein Effekt der Nachbildwirkung entsteht2 und das Objekt als Netzhautbild nachleuchtet.
Abbildung 2: Thaumatrop Für das unbewegte Bild des Thaumatrops mag die Erklärung von der Persistenz des Sehens zufriedenstellend sein, doch gilt sie nicht für das Bewegtbild, so wie dies Ende des 19. Jahrhunderts gesehen wurde. Ein Nachbild erzeugt noch kein bewegtes Bild. Vielmehr entsteht der Eindruck einer Bewegung im Filmbild dadurch, dass das Gehirn aufgrund einer Scheinbewegung (des sogenannten Phi-Effekts oder Phi-Phänomens) die Einzelbilder zu einer Gesamtbewegung zusammenfügt (vgl. Lenk & Wulff, 2012). Während für das Zustandekommen einer visuellen Illusion bestimmte Wahrnehmungsfaktoren verantwortlich sind, ist es das Besondere am Thaumatrop sowie an anderen optischen Apparaturen wie dem Stereoskop, Kaleidoskop, Zoetrop und Phenakistiskop, dass die Illusion auf experimentelle Weise und ohne Theoriekenntnisse dekonstruiert werden kann. Denn
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Der stichhaltige Beweis dafür sollte in einem experimentellen Selbstversuch gewonnen werden, als der Physiker Fechner 1839 in die Sonne starrte und anschließend für drei Jahre erblindete (vgl. Kittler, 1986, S. 184).
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das Zustandekommen der Illusion erschließt sich durch die Betrachtung der Funktionsweise der Apparatur im unbewegten und bewegten Zustand. Um ein Bild zu sehen, muss der Bedienende mit der Apparatur interagieren. Der Apparat bleibt dabei stets in den Händen des Betrachtenden, wodurch der Mechanismus dahinter jeder Zeit erkennbar und erfahrbar ist. Die optischen Apparaturen sind Teil einer Kultur der Attraktionen, deren wesentliches Merkmal für Erkki Huhtamo in dem Oszillieren zwischen Zeigen und Verbergen besteht („interplay between hiding and revealing“) (Huhtamo, 2012, S. 35). Die Strategie des wechselseitigen Zeigens und Verbergens bezieht Huhtamo hauptsächlich auf die Werbeschilder der Jahrmärkte und auf die dortigen Marktschreier, die den Besucher_innen Kuriositäten und Vergnügungen versprachen, dabei allerdings die eigentliche Attraktion vorerst verbargen. Ein Oszillieren, ein Schwanken zwischen Wissen und Sehen, sieht auch Tom Gunning bei der Betrachtung eines Illusionsbilds optischer Apparaturen. Die Betrachtenden würden zwischen dem Glauben an das Gezeigte und dem Zweifel darüber schwanken, da sie über den künstlichen Entstehungsprozesses des Bildes durch das Erkunden der Apparatur Bescheid wüssten (vgl. Gunning, 2011, S. 33). Wenn Huhtamo und Gunning hier ein Oszillieren zwischen Zeigen und Verbergen bzw. Glauben und Wissen artikulieren, dann gehen beide von einem Schwanken der Betrachtenden zwischen zwei Polen aus. Diese Erklärung ist jedoch nicht zufriedenstellend. Indem das Zeigen und Verbergen als bloßes Wechselspiel betrachtet wird, wird gleichzeitig ausgeklammert, dass etwas auch verdeckt bzw. nicht gezeigt wird, um es anschließend möglichst wirkungsvoll präsentieren zu können. Der Akt des Verbergens beinhaltet daher auch einen Akt des Aufdeckens bzw. Zeigens. Dieses Verständnis ist entscheidend für alle Attraktionen. Bei der eigenen mechanischen Erzeugung eines Illusionsbilds gibt es eine Gleichzeitigkeit beider Pole. Da die Bedienenden der Apparatur zu Erzeugenden und Betrachtenden zugleich werden, findet der Glaube an das Illusionsbild und das Wissen um die Erzeugung der Illusion gleichzeitig statt. Veranschaulichen lässt sich dies gut an dem Thaumatrop. Das erzeugte Bild, mit dem die Betrachtenden konfrontiert werden, schwankt visuell nicht etwa zwischen den zwei Seiten, sondern beide Seiten verschmelzen gleichzeitig zu einem Bild. Betrachtet man dieses hervorgebrachte Bilderzeugnis nun als Visual Effect, dann bedeutet dies, dass beide Seiten –
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Zeigen und Verbergen – gleichzeitig angelegt und erkennbar sind. Der Effekt wird nur erzeugt, wenn beides gleichzeitig zusammenfindet. Abweichend von bisherigen Sichtweisen in der Film- und Medienwissenschaft sollen Visual Effects daher nicht unter dem Aspekt eines Oszillierens, sondern unter dem Aspekt einer Gleichzeitigkeit betrachtet und verhandelt werden. Diese Gleichzeitigkeit möchte ich als Doppelgestus des Zeigens und Verbergens bezeichnen und an weiteren Beispielen der visuellen Kultur untermauern.
1.2 FORMEN DES PANORAMAS Panoramas in 1829 warp in two directions – toward industrial skyscrapers and toward neo-Baroque trick films. Norman M. Klein, 2004.
Zu der visuellen Alltagskultur des 19. Jahrhunderts gehörte auch das Panorama3. Seine Wirkungsweisen sind vor allem interessant, da das Panorama häufig eng in Zusammenhang mit dem Film gebracht wird, als dessen nicht-fotografischer Vorfahre (vgl. Griffiths, 2003, S. 1), als Unterhaltung und populäres Spektakel (vgl. Manovich, 2001, S. 98) oder als Vorfahre des Trickfilms (vgl. Klein, 2004, S.7). Das Panorama war eine frühe und erfolgreiche Form der visuellen Massenunterhaltung, bei der etwas Episches und Monumentales präsentiert wurde: „big subjects for big pictures“ (Griffiths, 2003, S. 8) hört sich ähnlich wie ein Slogan zu Blockbusterfilmen und Visual Effects an. Am 17. Juni 1787 patentierte der Ire Robert Barker ein Verfahren für die „perspektivisch richtige Abbildung eines Rundblicks auf einer im Vollrund aufgezogenen Leinwand“ (Grau, 2001, S. 52). Was Barker anfangs la nature à coup d’œil (vgl. ebd.) nannte, wurde vier Jahre später unter dem Namen Panorama bekannt und am 18. Mai 1791 erstmals der Londoner
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Wie Oliver Grau aufgezeigt hat, gab es jedoch bereits vor dem 19. Jahrhundert illusionistische Wandmalereien, welche die Betrachtenden hermetisch umschlossen, z.B. Fresken in der Antike (vgl. Grau, 2001, S. 27f).
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Öffentlichkeit auf dem Leicester Square präsentiert. Der Erfolg war groß und so ließ Barker von dem Architekten Robert Mitchell am selben Platz eine Panoramarotunde erbauen, die am 14. Mai 1793 eröffnet wurde (vgl. Huhtamo, 2013, S. 1f). In den darauffolgenden Jahren breiteten sich die Panoramen auch in anderen Metropolen aus: 1799 in Paris, 1800 in Berlin, 1803 in Hamburg (vgl. Koschorke, 1996, S. 150). Außerdem wurden sie in die USA exportiert, wo sie bis 1885 aufgrund ihrer zyklischen Form cyclorama genannt wurden (vgl. Griffiths, 2003, S. 3). Im Inneren der Rotunden waren gemalte Szenen zu sehen, Dar- und Nachstellungen historischer Ereignisse sowie Stadt- und Landschaftsdarstellungen. Doch war es weder die Malerei noch ein Kunstinteresse, das die Besucher_innen anlockte, sondern die Panoramen wurden aufgrund ihrer Sensation besucht (vgl. Koschorke, 1996, S. 150). Versprochen wurde ein immersives Erlebnis – eine Teilhabe durch wirklichkeitsnahe Darstellung. Entsprechend wurde auch der Besuch als Ereignis medial inszeniert, damit aber gleichzeitig auch eine Immersion indirekt verhindert. Nach dem Einlass mussten die Besucher_innen durch einen dunklen Raum hindurch, denn „[d]ie Augen sollen sich der äußeren Realität entwöhnen, um empfänglich für die Realitätsillusion zu sein“ (ebd.). Beim Betreten der Rotunde präsentierten sich die angeleuchteten Bilder, die von einzelnen Plattformen aus betrachtet werden konnten. Zwar erlaubte es das Verweilen auf den Plattformen den Blick umherschweifen zu lassen, doch durch die feste Positionierung der Betrachtenden wurde der Blick gezielt auf einzelne Attraktionen gelenkt. Orientierungskarten des Panoramas, die am Eingang verteilt wurden und eine bestimmte bildliche Reihenfolge vorgaben, zeigten zudem gezielt auf ausgewählte Sensationen (vgl. Grau, 2001, S. 54; vgl. Griffiths, 2003, S. 6). Durch dieses Begleitmaterial wurde auch auf die Künstlichkeit aufmerksam gemacht. Der Blick auf die Ganzheit des Panoramas war durch die stellenweise eingeschränkte Sicht auf die Gemälde erschwert – nicht nur durch andere Besuchende, sondern auch da nicht alle Teile von den Plattformen aus einsehbar waren. Trotz der Einschränkungen im Inneren des Panoramas wurde sein Immersionsversprechen am meisten umworben, wie Charles Dickens in seiner Kurzgeschichte „Some Account of an Extraordinary Traveller“ (1850) anschaulich beschrieben hat. Sein Protagonist Mr. Booley verkörpert jenen
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außergewöhnlichen Reisenden des Panoramas in entfernte Gegenden, ohne sein Heimatland verlassen zu müssen: Some of the best results of actual travel are suggested by such means to those whose lot it is to stay at home. New worlds open out to them, beyond their little worlds, and widen their range of reflection, information, sympathy, and interest. (Dickens, 1850, S. 77)
Gemäß Mr. Booley kann man auch, wenn man zuhause bleibt, in den Panoramen eine aufregende Reise erleben, die den eigenen Horizont erweitert. Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass Mr. Booley nicht um die Künstlichkeit der Panoramen weiß. Die neuen Welten wollen zwar einerseits von ihm bereist werden und er will immersiv in sie eintauchen, andererseits ist ihm der Entstehungsprozess aber durchaus bewusst, wenn anschließend die Panoramamaler und deren Pinsel erwähnt (vgl. ebd.). Dies ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass damals in der Öffentlichkeit die immersive Wirkungskraft des Panoramas untermauert werden sollte. Zeitungen berichteten beispielsweise über Hunde und Menschen, die über die Balustrade der Plattformen springen wollten, um in dem Fluss baden zu können (vgl. Koschorke, 1996, S. 154). Dem gemalten Bild wird hier eine enorme Wirkungskraft bescheinigt, die bereits auch dem illusionistischen, malerischen Verfahren des Trompe-l’œil nachgesagt wurde (übersetzt: „täusche das Auge“ bzw. „Augentäuschung“). Der Ursprung des Trompe-l’œil liegt zwar in der Antike, doch wird es vom Barock über die Moderne bis heute hergestellt. Einer Sage aus der Spätantike nach von C. Plinius Secundus dem Älteren nach besitzen naturgetreu gemalte Bilder die Fähigkeit, sowohl Tiere als auch Menschen zu täuschen: Zeuxis malte im Wettstreit mit Parrhasios so realitätsgetreue Trauben, dass Vögel diese aufpicken wollten. Und Parrhasios malte einen so naturgetreuen Vorhang, dass ausgerechnet Zeuxis ihn bat, den Vorhang wegzunehmen, damit er endlich dessen Gemälde betrachten könne (vgl. Plinius der Ältere, 2002, S. 35f). Den Wettstreit gewann Parrhasios, da er nicht nur Vögel, sondern auch einen Menschen (ausgerechnet Zeuxis) täuschen konnte. Diese vielzitierte Anekdote beschreibt die perfekte künstlerische Täuschung durch das Verfahren des Trompe-l’œil. Viola Weigel hat das Trompe-l’œil aufgrund seiner Augentäuschung als einen Special Effect bezeichnet und damit eine Analogie zum Film herge-
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stellt (vgl. Weigel, 2009). Es mag zwar richtig sein, dass ein Trompe-l’œil oder auch ein Special Effect insofern täuschen mögen, indem sie möglichst realistisch wirken. Doch damit sie überhaupt wertgeschätzt werden können, sollen sie gleichzeitig ja gerade als das, was sie sind, nämlich ein gemaltes bzw. künstliches Objekt, entlarvt und erkannt werden. Auch die Anekdote erzählt dies im Grunde genommen genau so. Denn ein realer Vorhang wäre keine wirkliche Sensation, wohl aber dessen malerisches Abbild. Auch hier lässt sich eine Strategie des Verbergens und Aufdeckens und damit Zeigens herauslesen, damit die Attraktion visuell überhaupt wertgeschätzt werden kann. Wenn nun das Panorama als ein Bild aus mehreren täuschend echt aussehenden Gemälden die Besucher_innen in „eine Art von ästhetischer Trance“ (Koschorke, 1996, S. 157) versetzen sollte, dann ist dies gleichbedeutend mit Oliver Graus beschriebenen Illusionseffekt (vgl. Grau, 2001, S. 57f). Doch ruft diese Illusion auch ein Schwindelgefühl beim Betrachten hervor, wie es der Philosoph Johann August Eberhard Anfang des 19. Jahrhunderts ausgedrückt hat: „Ich schwanke zwischen Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit, zwischen Natur und Unnatur, zwischen Wahrheit und Schein“ (Eberhard, 1803-1805, S. 168f, zit. nach Koschorke, 1996, S. 163). Auch hier wird das Erlebnis mit einem Schwankens oder Oszillieren in Verbindung gebracht, das auf eine „Schnittstelle zwischen Mensch und medialer Apparatur“ (Koschorke, 1996, S. 169) verweist. Wenn Koschorke dieses Schwindelstadium allerdings für notwendig hält, um anschließend einen abstrakteren Panoramablick überhaupt entwickeln zu können, dann bedeutet dies auch, dass nach einer möglichen anfänglichen Irritation es kein Oszillieren mehr gab, sondern die Schnittstelle zugunsten eines geschulteren Blicks geschlossen wurde. Die geschulten Besucher_innen schwankten dann nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit, sondern konnten beides gleichzeitig wahr- und aufnehmen. Ähnlich wie bei den oben erwähnten optischen Apparaturen und wie von Charles Dickens durch Mr. Booleys Augen beschrieben, ließen die gemalten Oberflächen des Panoramas nur – wenn überhaupt – einen anfänglichen Zweifel an ihrer Künstlichkeit aufkommen. Sobald die Zuschauer_innen aber die Künstlichkeit bzw. künstlerische Herstellung des Gezeigten erkannten, wurde die illusionistische Darstellung niemals für die Realität gehalten. Alison Griffiths bezeichnet dies als panorama effect und
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liest das Panorama analog zum Kino (vgl. Griffiths, 2003, S. 24). Beide Medienformen zeigen eine Nachahmung, von der die Zuschauer_innen wissen. Es mag täuschend echt aussehen, ist aber keine Täuschung. Auch wenn das Panorama nicht die vollkommene oder totale Illusion war, gab es dennoch den Wunsch nach einem vergleichbaren künstlerischen Effekt. Für die Kulturkommission des Institut de France war das Panorama um 1800 ein großer Hoffnungsträger für eine Entwicklung in diese Richtung, da damit die Kunst „durch ihre Verbindung mit der Wissenschaft dem Ziel vollkommener Illusion entscheidend näher gekommen“ (Grau, 2001, S. 59) sei. Der Illusionseffekt sollte nach Wunsch der Kommission für „die gesamte bildende Kunst“ (ebd.) und „für Gemälde kleinerer Bildformate“ (ebd.) genutzt werden. Hier wurde historisch zum ersten Mal ein Immersionskonzept formuliert (vgl. ebd.). Bewegten sich beim statischen Panorama die Betrachtenden noch selbst im Raum umher, positionierte das bewegte Panorama die Zuschauer_innen an festen Plätzen. Die Zuschauer_innen saßen nun in einem Auditorium und richteten den Blick auf einen Rahmen, an dem eine bemalte Rolle entlang bewegt wurde. Begleitet wurde das Ganze von einem Vortrag, von Musik oder gelegentlich auch von Ton- und Lichteffekten. Eine Präsentation dauerte ungefähr 90 Minuten. Das bewegte Panorama wurde nach 1846 insbesondere in den USA populär, als John Banvard ein angeblich drei Meilen langes Panorama des Flusses Mississippi malte (vgl. ebd., S. 6). Anzumerken ist jedoch, dass die Länge von drei Meilen Panorama nicht ganz plausibel ist, auch wenn stets darauf verwiesen ist. Banvard hat zwar Handzettel mit dieser Angabe verteilt, doch hat Ralph Hyde bezüglich der Länge von umgerechnet 4,8 Kilometer folgendes herausgestellt: „Eine maßlose Übertreibung! Das Panorama hätte dann während der zweistündigen Aufführung mit einer Geschwindigkeit von mehr als 40 Meter pro Minute gekurbelt werden müssen“ (Hyde, 1993, S. 86). Die Länge des Panoramas ist hier aber nicht das Entscheidende, sondern viel wichtiger sind die Positionierung des Publikums in einem Raum und die Vorführung einer medialen Attraktion mit ersten sich verändernden Bildern.
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Abbildung 3: Demonstration eines bewegten Panoramas, 1895
Im Gegensatz zu den festen Rotunden in den Großstädten war das bewegte Panorama ein Wandermedium, das in der Stadt und auf dem Land, in Theatern, Kirchen oder Opern präsentiert wurde (vgl. Huhtamo, 2013, S. 6f). Im Gegensatz zu den Wanderkinos des späten 19. Jahrhunderts wurden hier noch keine fiktionalen Geschichten erzählt, sondern bei dem bewegten Panorama stand für die Panoramabesitzer das visuelle Spektakel im Vordergrund und weniger die Narration (vgl. ebd. S. 363). Ein Kommentator agierte allerdings als Mediator zwischen Panorama, moderner Medienkultur und Zuschauer_innen (siehe Abbildung 3). Sowohl das statische als auch das bewegte Panorama stimmten auf weitere Medienspektakel ein, die im ausgehenden 19. Jahrhundert aufkamen. Eine visuelle und illusionistische Weiterentwicklung waren z.B. das Maréorama von Hugo d’Alési und der Ballon Cinéorama. Bei dem Maréorama handelte es sich um ein Mittelmeerpanorama. Die Zuschauer_innen saßen auf einem nachgebauten Passagierdampfer, der hin und herschwankte, während Bilder von Meeres- und Küstenlandschaften auf einer beweglichen Leinwand vorüberzogen. Um möglichst viele Sinne anzusprechen und ein realitätsnahes Schiffserlebnis zu schaffen, wurde die Präsentation des Maréoramas mit Lichteffekten (Tag und Nacht) angereichert, sowie Gerüchen (Meeresbrise), Toneffekten und illusionistischen
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Bühneneffekten. Alles wurde zusätzlich narrativ eingebettet (vgl. Griffiths, 2003, S. 28f; vgl. Bruno, 2002, S. 183). Der Ballon Cinéorama projizierte aus zehn Apparaten bereits Filmbilder in eine Rotunde und simulierte so den Aufstieg eines Ballonflugs. Beide Attraktionen, das Maréorama und der Ballon Cinéorama wurden das erste Mal auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 präsentiert und waren aufgrund ihrer visuellen Tricktechniken erste Formen spektakulärer, medialer Massenunterhaltung. Gleichzeitig leiten diese neuartigen Vorführungen aber auch das Ende der alten Panoramen ein. Eine neue Präsentationsform trat an ihre Stelle: Die räumliche Inszenierung des Bewegtbilds.
2. Präsentationsformen und Inszenierung des frühen Films
2.1 BÜHNENMAGIE UND FILMTRICK Wegweisend für ein Verständnis der Effekte ist insbesondere die Bühnenmagie1. Einer ihrer Bestandteile war die Phantasmagorie, mit der im späten 18. und 19. Jahrhundert versucht wurde Unmögliches spektakulär darzustellen. Oliver Grau beschreibt die Phantasmagorie als „the functioning of illusionism, the convergence of realism and fantasy, the very material basis of an art that appears immaterial“ (Grau, 2007b, S. 148). Populär wurden die Phantasmagorien (aus dem griechischen „phantasma“ und „agora“, sinngemäß: die öffentliche Darstellung von Trugbildern) Ende des 18. Jahrhunderts. Sie waren optische Illusionen, die aus der Laterna magica modifiziert und weiterentwickelt wurden. Für Siegfried Zielinski bilden sie den Höhepunkt der damaligen inszenierten Projektion (vgl. Zielinski, 1989, S. 40). Der Physiker Stephan Kaspar Robertson (eigentlich: Étienne-Gaspard Robert) inszenierte als einer der ersten eine Phantasmagorien-Show, 1797 zuerst im Pavillon de l’Echiquier in Paris und ab 1799 in einem verlassenen Kapuzinerkloster, das die Besucher_innen über einen Friedhof betreten mussten (vgl. Mannoni L., 2000, S. 147ff). Der Weg bis zur Vorführungs-
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Wenn ich im Folgenden von Magie spreche, verstehe ich darunter ausschließlich die Bühnenmagie, die als Spektakel verstanden und deren künstliche Natur von den Zuschauer_innen anerkannt wird. Magie impliziert hier keine magischen Glaubenskulturen oder deren Rituale, die sich auf übernatürliche Kräfte beziehen können.
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stätte stimmte bereits auf die Phantasmagorien ein. Robertsons Aufführungen waren nicht nur „akustische Orgien“ (Zielinski, 1989, S. 40) mit schaurigen Klängen, sondern den Zuschauer_innen wurden auch gruselige visuelle Effekte geboten. Das waren beispielsweise Erscheinungen von Verstorbenen als frei umherschwirrende Geister, wie die blutende Nonne (aus Matthew Gregory Lewis’ damals populären Roman The Monk von 1796) oder während der Französischen Revolution verstorbene Personen, wie Georges Danton oder Maximilien de Robespierre (vgl. Gunning, 2004, S. 4).
Abbildung 4: Illustration: Phantasmagorie, 1802
Robertson verwendete für den Effekt der Phantasmagorie die Projektionsapparatur der Laterna magica und nannte den Aufbau Phantaskop. Er montierte die Apparatur auf Rollen, um sie hin- und herschieben zu können. Dadurch konnte das projizierte Bild je nach Bewegungsrichtung der Apparatur vergrößert oder verkleinert werden. Für die Zuschauer_innen entstand in dem verdunkelten Vorführraum so der Effekt eines umherschwebenden Geists, der sich ihnen näherte oder sich entfernte. Angeblich wurden – ähnlich wie im Mythos der ersten Filmvorführung ein Jahrhundert später – Frauen ohnmächtig und Männer versuchten den Geist mit ihrem Spazierstöcken zu verjagen (vgl. Gunning, 2004, S. 6). Auch wenn Gunning in dieser Reaktion auf Effekte Ähnlichkeiten zu dem aktuellen 3D-Film sieht, wenn sich Objekte den Zuschauer_innen schnell nähern
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(vgl. ebd.), sollte diese Reaktion bei den Phantasmagorien dennoch in Frage gestellt werden, da der Effekt des schwebenden Geistes einer Kette von Inszenierungen unterlag. Bevor die Zuschauer_innen das Auditorium betraten, mussten sie in den Vorräumen an optischen Apparaturen, Guckkästen, Spiegeln, Gemälden und dergleichen vorbeigehen. Waren sie schließlich im Vorführungssaal angelangt, umgab sie völlige Dunkelheit. Ein Kommentator forderte die Zuschauer_innen zur absoluten Stille auf. Aus dieser Stille heraus setzten plötzlich Soundeffekte ein, die damals fremdartigen Klänge der Glasharmonika ertönten und füllten den Raum. Erst im Anschluss an dieses akustische Erlebnis begann die Projektion mit den Phantasmagorien (vgl. Grau, 2007b, S. 146f). Die Wegführung durch einen dunklen Raum mag, ähnlich wie bei den Panoramen, dazu gedient haben, die Zuschauer_innen der äußeren Wirklichkeit zu entwöhnen, damit sie aufnahmebereit für die Darbietung wurden. Doch war dies bereits ein Teil der Inszenierung, damit es wirkte, als würden die Bilder urplötzlich aus der Dunkelheit auftauchen2 und wie durch magische Hand vor den Zuschauer_innen schweben würden (siehe Abbildung 4) – eine Idee, die heute im 3D-Film, in IMAX-Kinos sowie in der Computerkunst fortgesetzt wird (vgl. ebd., S. 151). Wurden die Apparatur in traditionellen Laternenshows noch als neues wissenschaftliches Highlight präsentiert, so wird sie hier beim Projizieren der Bilder verborgen. Dazu wurde die Projektionsapparatur nicht nur von einem dunklen Vorhang verdeckt, sondern zusätzlich mit Lampenruß geschwärzt. Durch das Verbergen der Projektionsapparatur mag der Effekt des schwebenden Geistes für die Zuschauer_innen im ersten Moment überraschender gewesen sein, doch für das Zustandekommen oder die Wirkung des Effekts ist es vollkommen unwesentlich, ob die Apparatur sichtbar war oder nicht. Die Zuschauer_innen hatten jedoch eine Vorahnung, wenn sie das dunkle Auditorium betraten. Zum einen wurden in den Vorräumen optische Apparate zu Sinnestäuschungen gezeigt und konnten begutachtet werden. Dadurch entstand bereits eine Ahnung von den Möglichkeiten der Erzeugung von Illusionen, auch wenn die technische Herstellungsweise der Phantasmagorie nicht verraten wurde. Zum anderen war es auch Robertson
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Christa Blümlinger sieht in der Verdunkelung, Bestuhlung und Verbergen der Apparatur hier bereits eine Vorform des von Jean-Louis Baudry beschriebenen Kinodispositivs (vgl. Blümlinger, 2006, S. 129).
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ein Anliegen, ahnende Zuschauer_innen zu haben. Er sah sich selbst als „producer of ‚scientific effects‘“ (ebd., S. 147) und kündigte vor seinen Vorstellungen an, dass Geistererscheinungen wissenschaftlich herbeigeführte Illusionen seien, mit denen er den Aberglauben an die Magie zerstören möchte. Ähnliche äußerte sich auch Philip Polidor, als er 1793 seine Phantasmagorien in Paris präsentierte: I will not show you ghosts, because there are no such things; but I will produce before you enactments and images, which are imagined to be ghosts, in the dreams of the imagination or in the falsehoods of charlatans. I am neither priest nor magician. I do not wish to deceive you; but I will astonish you. (Polidor, zit. in: Gunning, 2004, S. 5)
Die Zuschauer_innen sollten zwar in Erstaunen versetzt und beeindruckt werden, aber gleichzeitig wurde auch betont, dass diese Effekte alle wissenschaftlich erklärbar seien und keine Zauberei oder Magie vorliegt. Die Phantasmagorien sind daher eher Hybride zwischen „art, science and magic“ (Grau, 2007b, S. 154), die den Illusionismus der Kunst mit den Immersionsgedanken der Wissenschaft zu verbinden versuchten (vgl. ebd.). Dennoch gab es bei den Zuschauer_innen kein geteiltes Bewusstsein. Denn wie es bereits Jörg Schweinitz für immersive Effekte formuliert hat, oszillieren diese gleichzeitig zwischen „hochgradiger Immersion und dem nicht ausgeschalteten Bewusstsein, es mit einem Kunstprodukt zu tun zu haben“ (Schweinitz, 2006, S. 147). Übertragen auf die Phantasmagorien bedeutet dies, dass es hier einen Zwitterstatus zwischen Zeigen und Verbergen gab, eine Gleichzeitigkeit von Glauben und Zweifeln, die sich ästhetisch in der Verbindung von Kunst und Wissenschaft, Trick und Technik geäußert hat. Inspiriert von den Phantasmagorien, entwickelten Henry Dircks und John Henry Pepper 1862 den Bühnentrick Pepper’s Ghost, der das erste Mal 1862 in London präsentiert wurde (vgl. Huhtamo, 2013, S. 288). Pepper’s Ghost war insofern eine Weiterentwicklung der Phantasmagorien, als dass nun kein unbewegtes Bild mehr vergrößert oder verkleinert werden musste, um den Eindruck einer Bewegung zu simulieren, sondern Schauspieler_innen wurden unterhalb der Bühne versteckt und angeleuchtet. Eine Glasplatte, die zwischen Bühne und Zuschauerraum angebracht war, reflektierte ihr Spiegelbild und erzeugte so auf der Bühne die Illusion eines
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freistehenden Objekts bzw. eines in der Luft schwebenden Geistes oder Phantoms, das so plötzlich verschwinden konnte, wie es aufgetaucht war. Der Trick ermöglichte es, Mumien zu reanimieren, Menschen in Skelette zu verwandeln, Statuen zum Leben zu erwecken oder Figuren auszutauschen (vgl. Nickell, 2005, S. 288f). Der Effekt war umso beeindruckender, als dass die Schauspieler_innen auf der Bühne mit den projizierten Akteur_innen interagieren konnten3.
Abbildung 5: Illustration: Pepper’s ghost, 1863
Panoramen und optische Apparaturen erzeugten zwar bereits visuelle Effekte, doch der erste projizierte Visual Effect ist Pepper’s Ghost. Daher sehe ich es ähnlich wie Michele Pierson, dass dieser Effekt der unmittelbare Vorläufer der ersten filmischen Visual Effect war (vgl. Pierson, 2002, S. 25s).
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Der heutige Hologrammtrick funktioniert ganz ähnlich mit neuerer Technik, z.B. wird statt einer Glasscheibe meist eine Spezialfolie (Polyethylen) mit hoher Reflektionskraft verwendet. Es bedarf nicht mehr nur realer Akteur_innen, sondern auch Projektionen von computergenerierten Figuren werden eingesetzt, wie im Falle des Tupac-Hologramms beim Coachella Festival 2012.
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Zwischen Bühnenmagie und dem frühen Film gab es kulturhistorisch stets einen Zusammenhang, wie sich an Bühnenmagiern wie Georges Méliès, David Devant, Carl Hertz, Felicien Trewey oder John Stuart Blackton belegen lässt, die im Anschluss an ihre Bühnenkarrierer eigene Filme produzierten (vgl. Barnouw, 1981, S. 87). Diese Filmmagier stehen vor allem auch für einen spielerischen Umgang mit Effekten, den Christa Blümlinger in der Darstellungstradition zwischen der Figur des Zauberers und der des Leichtgläubigen verortet, die es sowohl im Theater als auch im frühen Film gab4 (vgl. Blümlinger, 2006, S. 127). Es erstaunt daher nicht, dass in Bezug auf den Film Begriffe wie Trick und Illusion aus dem Magietheater übernommen und auf die Effekte bezogen wurden. Auch wenn beide Termini innerhalb der Bühnenmagie auf das gleiche Phänomen zurückgeführt werden können, sind sie keineswegs synonym zu verstehen, sondern sie unterscheiden sich voneinander. Ihre wesentliche Divergenz ist, dass ihre jeweilige Betrachtung aus zwei gegensätzlichen Perspektiven erfolgt: Die Illusion umschreibt eine magische Handlung aus der Sicht der Zuschauer_innen, während der Trick die Perspektive des Magiers widergibt. Entscheidend ist dabei, dass der Trick vom Magier bewusst ausgeführt wird. Um die Zuschauer_innen austricksen zu können, hat er die dazu notwendigen Fertigkeiten erlernt, denn der Magier muss genau wissen, welche Requisiten an welcher Stelle eingesetzt werden müssen. Die Illusion hingegen ist eine Täuschung, denn die Zuschauer_innen sollen die verwendeten Hilfsmittel nach Möglichkeit ignorieren. Dies steht im Unterschied zu dem Trick, der stets bewusst machen möchte, dass keine echte Magie vorliegt, sondern nur ein Magier den Zaubertrick mit entsprechenden Hilfsmitteln vollzogen hat (vgl. Gunning, 2013). Diese Differenzierung zwischen Trick und Illusion ist für ein Verständnis der filmischen Effekte essentiell. Denn entscheidend ist hier, dass Effekte keine Illusionen, sondern Tricks sind. Ähnlich wie in den Zaubershows mögen die Zuschauer_innen nicht genau wissen, welche exakten Mittel für den Trick eingesetzt wurden, da das detaillierte Fachwissen in der Regel auf der Seite der Ausführenden liegt. Doch für die Aufnahme der Effekte ist dies nicht ausschlaggebend. Es reicht hier stattdessen vollkommen aus, wenn sich die Zuschauer_innen bewusst sind, dass keine
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Siehe z.B. UNCLE JOSH AT THE MOVING PICTURE SHOW, auf den ich an späterer Stelle noch zurückkommen werde.
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übernatürlichen Kräfte, sondern ausschließlich manuelle und technische Fertigkeiten eingesetzt wurden. Dieses Erkennen, dass ein Trick vorliegt (welcher Art auch immer), beschreibt eine besondere Art der Magie, die Tom Gunning treffend als „the magic of special effects” (ebd.) beschrieben hat. Diese – wenn man es so nennen mag – Magie der filmischen Effekte wird durch die Tricks und nicht durch die Illusionen erzeugt. Es ist eine Art distanzierter Glauben, den Octave Mannoni folgendermaßen ausgedrückt hat: „[J]e sais bien, mais quand-même“ (Mannoni, 1969, S. 161) (übersetzt: „Ich weiß, aber dennoch“).Gunning hat diesen Satz im Hinblick auf das Magietheater um den Begriff des Visuellen erweitert: „I know, but yet I see“ (Gunning, 1995, S. 117). Damit formuliert Gunning ein intellektuelles Austesten der Zuschauer_innen, das sich in Bezug auf die Tricks in folgendes Dictum übertragen lässt: Ich weiß, dass es unwirklich ist, aber dennoch sehe ich es. Nicht nur, dass die Vorstellungen selbst mit den Tricks beworben wurden, sondern gerade auch durch die unglaubliche visuelle Erscheinung lenken die Tricks bewusst das Augenmerk auf ihre Künstlichkeit. Gleichzeitig transportieren sie damit auch immer ein Bewusstsein darüber, dass der Trick nur durch bestimmte künstlerische Fertigkeiten zustande gekommen sein kann – ungeachtet dessen, ob die genauen Hintergründe bekannt sind oder nicht. Für ein Genießen des oder Staunen über den Trick ist letzteres auch nicht notwendig, denn der Trick muss lediglich gut präsentiert sein. In ähnlicher Weise hat Mannoni auch den Eindruck beim Zaubertrick gesehen: Die Zuschauer_innen würden hier zu keiner Zeit glauben, dass die Zaubertricks magisch sind, sondern es ginge ihnen nur darum, dass die Illusion perfekt sei (vgl. Mannoni O., 2003, S. 68). Der (Zauber)-Trick mag eine Illusion bei den Zuschauer_innen hervorrufen, doch auch wenn diese perfekt funktioniert, ist es keine perfekte Illusion, denn dann würde etwas fälschlicherweise für die reale Welt gehalten werden (vgl. Wiesing, 2006, S. 99). Das Entscheidende ist aber, dass es dann kein Trick mehr wäre, denn der Trick transportiert immer auch das Wissen über sein Zustandekommen. Damit folgt er einem Doppelgestus des gleichzeitigen Zeigens und Verbergens, des Wissens und Nicht-Wissens.
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2.2 DER GRÜNDUNGSMYTHOS DER FILMZUSCHAUER_INNEN Es ist seit jeher ein altbewährter Drang, jedes neue Medium als ein Novum zu präsentieren. Zu jeder ersten Begegnung mit einem Medium findet sich daher auch meist eine sogenannte first contact-Erzählung, die von der Rezeption des Publikums berichtet (vgl. Liu, 2008). So ist es wenig verwunderlich, dass auch das Medium Film über eine solche Erzählung verfügt, die sich nahezu in jedem filmhistorischen Buch finden lässt: Handlungsort ist die erste Filmvorführung des Cinématographe Lumière am 28. Dezember 1895 im Salon Indien des Grand Cafés auf dem Boulevard des Capucines in Paris. Dort seien Zuschauer_innen erschrocken und in Panik aufgesprungen, aus dem Raum gestürmt oder gar ohnmächtig geworden, weil sie Angst hatten, dass die einfahrende Lokomotive jeden Moment aus der Leinwand ausbrechen würde. Der Film, der für diese Aufregung sorgte, war L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT5, eine nur 50 Sekunden lange Episode, die mit weiteren Filmen in einem Programm der Brüder Lumière gezeigt wurde. L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT war weder der erste projizierte Film der Filmgeschichte noch der erste Film an jenem Abend. Zuvor wurde im Programm LA SORTIE DE L’USINE LUMIÈRE À LYON (Louis Lumière, 1895) gezeigt. Außerdem wurden bereits zwei Jahre früher, am 9. Mai 1893, als George M. Hopkins einen Vortrag über Thomas A. Edisons Kinetoskop und die Kinematograf-Kamera hielt, am Brooklyn Institute of Arts and Science zwei Kurzfilme in dem Kinetoskop gezeigt: BLACKSMITHING SCENE (William K.L. Dickson, 1893) und HORSE SHOEING (William K.L. Dickson, 1893). Schätzungsweise 400 Leute hatten damals diese Filme gesehen (vgl. Musser, 2006, S. 389). Obwohl es bis 1896 zahlreiche Momente gegeben hatte, in denen das Bewegtbild öffentlich präsentiert wurde, ist doch die Vorstellung der Brüder Lumière berühmt geworden, in der alles Vorherige zu münden schien. Jener Zugfilm wurde zum Exempel für den Erstkontakt des Publikums mit dem Medium Film bzw. dem Kino. Filmhistorisch wird diese Erzählung auch als der Grün-
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Im Folgenden soll hier ausschließlich dieser Filmtitel verwendet werden, obwohl der Film auch unter anderen Namen gelistet wird, z.B. L’ARRIVÉE D’UN TRAIN
(vgl. Lumière, Lumière, & Rittaud-Hutiner, 1995, S. 286).
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dungsmythos des Kinos betitelt, „the founding myth of cinema“ (Bottomore, 1999, S. 177), „myth of origin“ (ebd.) oder „myth of initial terror“ (Gunning, 1995, S. 115). Wenn Roland Barthes den Mythos als „ein System der Kommunikation, eine Botschaft“ (Barthes, Mythen des Alltags, 2012, S. 237) versteht, mit dem kulturelle Phänomene unkritisch interpretiert werden können, um so Aussagen über eine bestimmte Kultur zu treffen, dann macht das die Botschaft des Gründungsmythos umso interessanter, so dass die kulturelle Einbettung des Films und seiner visuellen Effekte näher betrachtet werden sollten.
Abbildung 6: Einfahrender Zug in L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT
In der Filmwissenschaft verbreitete sich dieser Mythos vor allem über Georges Sadoul, der 1955 Folgendes schrieb: In ‚L’Arrivée d’un Train‘ raste die Lokomotive vom Hintergrund der Bildwand her auf die Zuschauer zu, die vor Schreck aufsprangen, weil sie fürchteten, überfahren zu werden. So sehr identifizierten sie ihr eigenes Sehen mit dem des Apparates. (Sadoul, 1982, S. 27).
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Es existieren noch mehr vergleichbare Erzählungen über Angst und Panik, Noël Burch berichtet sogar von einem Publikum, das zu Tode erschrocken aufsprang (vgl. Burch, 1990, S. 39). Erst gegen Ende der 1980er Jahre kamen neue Interpretationen zu der Erzählung des Gründungsmythos’ auf, vorrangig von Tom Gunning (1996 [1989]), Yuri Tsivian (1998 [1991]), Martin Loiperdinger (1996) und Stephen Bottomore (1999). In ihren Untersuchungen waren sich alle darüber einig, dass sich keine historische Quelle zu einer tatsächlichen Massenpanik im Grand Café finden lässt. Angesichts des kleinen Vorführraums, des enormen Andrangs und des Ausgangs aus dem Grand Café mit schmaler Treppe hätte es bei einem Panikausbruch sehr wahrscheinlich Verletzte geben müssen, doch ist davon weder in Polizei- noch Presseberichten etwas zu lesen (vgl. Loiperdinger, 1996, S. 42f). Die New York Telegram berichtete zwar im Oktober 1896 von zwei Frauen, die bei der Vorführung eines Zugfilms schrien und in Ohnmacht fielen. Doch zwei Tage später korrigierte die New York Mail and Express, dass die beiden Frauen zwar geschrien hätten und auch fast ohnmächtig geworden wären, sich aber schnell wieder erholt hätten und über die unnötige Aufregung lachen mussten (vgl. Bottomore, 1999, S. 181). Diese Darstellung deckt sich auch mit Yuri Tsivians Verweis auf die Memoiren von L.R. Kogan, der Ende der 1890er Jahre nicht über Panik, sondern stattdessen über Gelächter beim Publikum berichtete, als die Lokomotive aus dem sichtbaren Bildrand hinausfuhr und plötzlich nirgends mehr zu sehen war (vgl. Tsivian, 1998, S. 146f). Welche Publikumsreaktionen es möglicherweise gegeben haben mag, illustriert auch ein Film aus dem Jahr 1902, UNCLE JOSH AT THE MOVING PICTURES SHOW (Edwin S. Porter, 1902). Der Protagonist Uncle Josh schaut darin ein ganzes Filmprogramm hintereinander an und reagiert unterschiedlich auf jede projizierte Szene. Bei der herannahenden Lokomotive flüchtet er zunächst panisch in die Zuschauerloge, doch währt der Schrecken nicht lange, denn bereits kurz darauf widmet er sich schon wieder dem nächsten Film, der einfahrende Zug ist vergessen. Interessant daran ist, dass hier der Moment gezeigt wird, in dem sich die Spannung auflöst, weil die Lokomotive nicht ins Publikum hineingerast ist. Dieser Teil wird bei dem Gründungsmythos systematisch ausgeblendet. Stattdessen erzählt dieser nur von dem bedrohlichen Moment des fahrenden Zuges. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass, wie auch von Leon Gurevitch hervorgehoben, bestimmte Aspekte, welche der Strategie des Mythos zugegen laufen, aus
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werbewirksamen Zwecken bewusst ausgeblendet werden, um das Medium Film als spektakuläre Attraktion verkaufen zu können (vgl. Gurevitch, 2010, S. 370).
Abbildung 7: Abel Truchet, L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT, Farblithografie 1895
Auf den ersten Blick scheint ein Werbeplakat für den Cinématographen Lumière, bei dem die Schienen in den Zuschauerraum hineinragen, ähnlich wie der Gründungsmythos ein Hereinbrechen der Lokomotive in den Raum zu suggerieren (siehe Abbildung 7). Doch da das Plakat in erster Linie den Apparat und nicht den Inhalt des Films bewerben wollte, steht diese Illustration lediglich symbolisch für Bewegung – die Bewegung des Zuges und auch für das Bewegtbild. Um Interessierte in die Vorführung zu locken,
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war ein Herausstellen der Effekte noch nicht notwendig. Die Hauptattraktion war allein der Akt der Bewegung eines Bildes (vgl. Clark, 1966, S. 13; vgl. Loiperdinger, 1996, S. 41). Die ersten Filmzuschauer_innen waren keineswegs ahnungslos. Sie kamen, um ein Bewegtbild zu sehen und hatten zudem bereits aus dem Magietheater und von der Laterna magica gelernt, dass Projektionen Bilder hervorbringen können. Auch wenn Zuschauer_innen Ende des 19. Jahrhunderts erstmalig mit einem Bewegtbild konfrontiert wurden, wussten sie, was sie bei einer Vorführung zu erwarten hatten, da ja auch die Vorführapparatur beworben wurde. Die erste Sichtung eines Films mag nicht reaktionslos gewesen sein, doch sind diese Reaktionen eher als Antwort auf die neuen Sehgewohnheiten und die ungewohnten räumlichen Perspektiven zu sehen und nicht als Panikreaktionen. Bedingt durch das Objektiv zeichnete sich bei frühen Filmen eine durchgehende Tiefenschärfe ab, so dass der gesamte Raum des Filmbilds gleich scharf abgebildet wurde und dadurch räumliche Verschiebungen und Wahrnehmungsirritationen der Größenverhältnisse hervorgerufen werden konnten (vgl. Loiperdinger, 1996, S. 57f). In L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT entstand beispielsweise der optische Effekt, dass der herannahende Zug nicht nur größer, sondern auch schneller wurde, obwohl die Lokomotive in Wirklichkeit abbremste. Georges Sadoul beschreibt den Zug anfänglich als schwarzen Punkt, der sich schnell vergrößert und „bald nimmt die Lokomotive fast das gesamte Bild ein und saust auf den Zuschauer los“ (Sadoul, 1982, S. 27). Auch Maxim Gorki, der am 4. Juli 1896 eine Rezension über das Lumière-Filmprogramm in einer russischen Zeitung veröffentlichte, schreibt als Augenzeuge zu L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT: Suddenly something clicks, everything vanishes and a train appears on the screen. It speeds straight at you – watch out! It seems as though it will plunge into the darkness in which you sit, turning you into a ripped sack full of lacerated flesh and splintered bones, and crushing into dust and into broken fragments this hall and this building, so full of women, wine, music, vice. But this, too, is but a train of shadows. Noiselessly, the locomotive disappears beyond the edge of the screen. The train
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comes to a stop, and grey figures silently emerge from the cars, soundlessly greet their friends, laugh, walk, run, bustle, and… are gone. (Gorky, 1983 [1896], S. 408)6
Für eine Wahrnehmungsirritation, die mit einer physischen Reaktion auf schnell herannahende Verkehrsmittel verbunden ist und vor allem Zuschauer_innen in der vorderen Reihe betrifft, prägte Yuri Tsivian 1991 den Begriff train effect (Tsivian, 1998 [1991], S. 139). In der Wahrnehmungspsychologie wird dieser Effekt für sich schnell vergrößernde und herannahende Bilder als looming7 bezeichnet. Gorki mag zwar bildhaft diesen Effekt beschreiben, doch sein „It seems as though...“ (s.o.) – es scheint nur so als ob – impliziert gleichzeitig, dass er sich bewusst darüber ist, dass der Zug nicht aus der Leinwand fahren kann und wird. Der Film hat für ihn nichts Lebendiges, sondern ist deprimierend und ungewohnt, wie er gleich zu Anfang seines Berichts betont: „Last night I was in the Kingdom of Shadows. If you only knew how strange it is to be there. It is a world without sound, without colour. Everything there (…) is dipped in monotonous grey“ (Gorky, 1983 [1896], S. 407). Indem Gorki das Fehlen der Farben und Geräusche schildert, macht er gleichzeitig auch deutlich, dass das Bewegtbild nichts mit der Wirklichkeit gemein hat und daher auch nicht für die Wirklichkeit gehalten werden kann. Eine Verwechslung der Filmbilder mit der Wirklichkeit ist vor allem auch fraglich vor dem Hintergrund, dass bei den ersten Filmvorführungen, noch ehe sich der Projektionsapparat in Bewegung setzte, für einige Sekunden ein fotografisches Standbild zu sehen war. Die Projektion von unbewegten Bildern waren allerdings zum damaligen Zeitpunkt keine besondere Attraktion mehr, denn die Zuschauer_innen kannten dies bereits
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Da Gorkis Artikel nur in der englischen Übersetzung vorliegt, wird in den Quellenangaben abweichend von der deutschen Schreibweise die englische Schreibweise Gorky verwendet.
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In der Wahrnehmungspsychologie wird das looming mit einer Schockwirkung im Kino gleichgesetzt und folgendermaßen beschrieben: „Das visuelle System unterstellt sozusagen, dass plötzlicher umfangreicher konzentrischer Größenzuwachs eines Objekts unwahrscheinlicher ist als ein entsprechendes Erscheinungsbild eines sich nähernden Objekts konstanter Größe“ (Schönhammer, 2009, S. 149).
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von der Laterna magica. Das Standbild diente den Vorführenden zur Einrichtung des Bildstands und nicht zur Inszenierung. Inszeniert wurde etwas anderes: der Projektionsapparat für Bewegtbilder. Dieser stellte zu dem damaligen Zeitpunkt nicht nur eine Neuheit dar, sondern er stand auch bei den frühen Filmvorführungen, anders als bei den Phantasmagorien oder bei Pepper’s Ghost, gut sichtbar im Raum und war durch sein lautes Rattern stets präsent. Aufgrund dessen kann davon ausgegangen werden, dass sich die Zuschauer_innen der Künstlichkeit des Films bewusst waren und die Attraktion in der Vorführung lag. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Umgang mit der neuen Technologie weniger geübte und geschulte Personen das Filmbild auch anders gelesen haben könnten. Da die Illusionswirkung damals wie heute von der medialen Erfahrung der Rezipient_innen abhängt, sind unterschiedlich starke Empfindungen selbstverständlich denkbar (vgl. Bottomore, 1999, S. 191; vgl. Grau, 2001, S. 213). Gleichzeitig ist die Unerfahrenheit eines Publikums im Umgang mit einem neuen Medium aber auch eine der Botschaften, die der Gründungsmythos mit dem Realitätseffekt transportiert. Dahinter verbirgt sich die Strategie, dass sich die Leser_innen und die, die den Mythos verbreiten, intellektuell bereits weiterentwickelt haben. Sie sind, um es mit Vinzenz Hedigers Worten zu sagen, „dem Stand der Unschuld, aber auch der Naivität entwachsen. Er oder sie gehört zu denen, die niemals einer solchen Sinnestäuschung zum Opfer fallen würden“ (Hediger, 2006, S. 224). Die Verbreitung dieses Mythos erfolgt daher auch aus der Haltung heraus, sich selbst als eine intellektuellere und modernere Zuschauerschaft zu präsentieren (vgl. Bottomore, 1999. S 184; vgl. Mennel, 2008, S.2). Diese Abgrenzung, die mit dem Lustigmachen über das frühe Publikum bzw. dem Amüsieren über angeblich primitivere Mitbürger_innen einhergeht, vorrangig aus der Landbevölkerung, ist in der Filmgeschichte nicht neu. Ende des 19. Jahrhunderts war besonders die Figur des Uncle Joshs populär. Er taucht in mehreren Grammophonaufnahmen (z.B. als Passagier der New Yorker U-Bahn) und als Protagonist im Film UNCLE JOSH AT THE MOVING PICTURES SHOW auf (vgl. Bottomore, 1999, S. 184). Dort möchte er – stellvertretend für den ersten Kinobesucher – eine Tänzerin während der Filmvorführung berühren. Er möchte einerseits in die Diegese des Films eindringen, andererseits schreckt er jedoch aus Angst vor dem einfahrenden
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Zug zurück8. Diese groteske Darstellung von Uncle Josh dient dem Mythos zum einen als glaubwürdige Erzählung und zum anderen dazu, dass sieben Jahre nach der Vorführung im Grand Café nicht mehr die Pariser Großstädter, sondern nur noch, wie Hediger es ausdrückt, „die Tölpel vom Lande“ (Hediger, 2006, S. 225) darauf hereinfallen können. Dass die Zuschauer_innen vor dem einfahrenden Zug zurückgeschreckt sind, anstatt (wie bei einem Trompe-l’œil) die Hand danach ausgestreckt haben, mag auch an der anfangs beängstigenden Ausstrahlung der Dampflokomotiven um die Jahrhundertwende gelegen haben. Zwei Monate vor der Aufführung im Grand Café ereignete sich am 22. Oktober 1895 ein Eisenbahnunglück in Paris. Die Bremsen einer Lokomotive versagten und sie überrollte mit zu hoher Geschwindigkeit am Gare Montparnasse den Prellbock, durchkrachte die Glasfenster und stürzte anschließend auf die Straße (siehe Abbildung 8). Möglicherweise war dieses Zugunglück noch in den Köpfen des Publikums präsent und hat deren Reaktionen beim Sehen von L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT beeinflusst (vgl. Zone, 2004). Obgleich jedoch dieser Vorfall historisch nie mit den Brüdern Lumière in Zusammenhang gebracht wurde, findet sich seine mediale Präsenz Jahrzehnte später in HUGO (Martin Scorsese, 2011) wieder (siehe Abbildung 9). Der Zug in L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT ist letzten Endes nie in den Vorführraum eingedrungen, doch soll hier erwähnt werden, dass Louis Lumières letztes Werk 1935 ein Remake seines Films in 3D war (vgl. Lumière, Lumière, & Rittaud-Hutiner, 1995, S. 314; vgl. Zone, 2014, S. 143). Am Ende seines filmischen Schaffens hat also Louis Lumière doch noch den Zug stereoskopisch in den Zuschauerraum hineinfahren lassen.
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Jean-Luc Godard hat 1963 in Les Carabiniers (Jean-Luc Godard, 1963) in Anlehnung an Uncle Josh at the Moving Pictures Show erneut den scheiternden Versuch, die Leinwandgrenze zu durchbrechen, dargestellt, vgl. Schweinitz, 2006, S. 151f.
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Abbildung 8: Unfall am Bahnhof Montparnasse, Studio Lévy and Sons
Wenn Roland Barthes den Mythos als etwas beschreibt, dem weder Zeit noch Wissen etwas anhaben können (vgl. Barthes, 2012, S. 279), dann könnte dies eine mögliche Erklärung dafür sein, warum sich der Gründungsmythos so beständig hält, obwohl eine Publikumspanik nicht nachweisbar ist. Den Gründungsmythos nur als Anekdote, mediengeschichtliche Fabel oder „Panik-Legende“ (Loiperdinger, 1996, S. 44) zu sehen, wäre allerdings zu einfach. Hinter ihm verbirgt sich in erster Linie eine öffentlichkeitswirksame Strategie. Wie Loiperdinger feststellt, wird der Mythos meist dann zitiert, wenn Wirkungsmacht und manipulatorische Kraft des Films betont werden sollen oder sich etwas Grundlegendes im Film verändert und neu ausgehandelt werden muss (vgl. ebd., S. 39f).
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Abbildung 9: Setfoto aus HUGO
Umso interessanter ist es daher, dass der Mythos ausgerechnet in den 1980er/1990er Jahren von Gunning, Tsivian, Loiperdinger und Bottomore zum Gegenstand filmwissenschaftlicher Untersuchung gemacht wurde. Denn dieser Moment fällt mit dem Eindringen der Digitalität in den Film, der Entstehung digitaler Visual Effects und den damit verbundenen Diskursen um Manipulation und Realismus zusammen. Daher wurde auch hier das ursprüngliche Versprechen des Films wieder aufgerufen und neu verhandelt, ob durch das digitale Bild ein noch nie dagewesener Realismus ermöglicht werde, der das Bewegtbild nicht nur greifbar nahebringt, sondern auch physisch bedrohlich wirken lässt. Was die Demontage der Panik des Gründungsmythos in den 1980er und 1990er jedoch nahelegt, ist, dass
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sich ein heutiges gebildeteres Publikum nicht mehr täuschen lässt, auch wenn die digitalen Bilder realer als je zuvor wirken mögen. Waren die ersten Filmvorführungen noch eine Attraktion mit überraschenden Effekten wie der eines Realitätseindrucks (vgl. Hanke, 2010, S. 204) oder eines freiwilligen Schocks (vgl. Bottomore, 1999, S. 199f), so liegt heute die Attraktion in dem Versprechen des Digitalen: Everything is possible. Vor allem in Bezug auf digitale Visual Effects taucht dieser Leitsatz immer wieder auf, was auch Ellen Poon, Spezialistin für Visual Effects bei INCEPTION (USA/GB 2010, Christopher Nolan) und JURASSIC PARK (USA 1993, Steven Spielberg), hinsichtlich der Visual Effects bekräftigt: „People just keep thinking that a lot of things are impossible. But everything is possible. That’s the bottom line. Everything is possible. You can do anything you want“ (Nova online, 2000). Wenn also digitale Visual Effects alles möglich machen können, dann bedeutet das, dass laufend neues Spektakuläres erzeugt und erwartet werden kann. Ähnlich wie im Magietheater spielt es dabei keine Rolle mehr, ob die Zuschauer_innen erklären können, wie die Effekte genau gemacht wurden, sondern nur, dass sie um deren Existenz und Möglichkeiten wissen.
2.3 HALE’S TOURS, PROLOG UND KINOPALÄSTE Ein weitere Realitätsversprechen des Films, das bereits im frühen Film verankert war, lässt sich an den Aufführungspraktiken der Hale’s Tours und deren phantom rides zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufzeigen9. Wenn Oliver Grau die phantom rides neben den Panoramen und Phantasmagorien als ein Medium der Immersionsgeschichte sieht (vgl. Grau, 2007b, S. 148), zeugt dies nicht nur von einem neuen Versprechen des Films, sondern auch
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Der Mechaniker und Feuerwehrmann George C. Hale präsentierte als erster die phantom rides als Hale’s Tours and Scenes of the World an unterschiedlichen Orten. Die Idee dazu kam Hale vermutlich im Jahr 1900 in Paris, wo er die zuvor erwähnten Attraktionen Cinéorama und Maréorama auf der Weltausstellung gesehen hatte. Bereits auf der darauffolgenden Weltausstellung 1904 in St. Louis präsentierte er die Hale’s Tours zum ersten Mal der Öffentlichkeit (vgl. Fielding, 2008, S. 20f).
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von einer Inszenierung, an der sich bestimmte Strategien für Effekte herauslesen lassen. Operierte der Gründungsmythos mit einem Realitätsversprechen, bei dem das Bild greifbar und bedrohlich nahe kommen soll, so beschreibt Immersion die gegenteilige Bewegung: Immersion is a metaphorical term derived from the physical experience that we do from a plunge in the ocean or swimming pool: the sensation of being surrounded by a completely other reality, as different as water is from air, that takes over all of our attention, our whole perceptual apparatus. (Murray, 1997, S. 98, Herv. i. O.)
Für Janet Murray ist Immersion eine physische Erfahrung, ein Eintauchen und anschließendes Wiederfinden in einer völlig neuen Realität. Übertragen auf den Film würde Immersion demnach bedeuten, dass die Zuschauer_innen nicht mehr zurückschrecken, sondern stattdessen in den Bildraum eintauchen und mit allen ihren Sinnen eine andere Realitätsebene betreten wollen. Was nun phantom rides- Zugfilme von einem Film wie L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT unterscheidet, ist, dass nicht mehr statisch aufgenommene Bilder zeigen, sondern das Bild selbst ist in Bewegung. Gezeigt wurde eine Phantomfahrt aus der die subjektiven Perspektive des Lokführers – einer Perspektive, die normalerweise für Reisende nicht zugänglich ist. Wenn Britta Neitzel den Phantomcharakter dieser Fahrtfilme in einem „entkörperlichten Blick, der in den Raum vordringt“ (Neitzel, 2008, S. 150) sieht, dann suggeriert sie damit ein der Immersion sehr naheliegendes Erlebnis, denn nach dem Vordringen käme ein Eindringen. Eine totale Immersion ist jedoch selbstverständlich niemals möglich, da sich während der phantom rides die Grenze zwischen medialem und realem Raum niemals auflösen wird, egal wie sehr dies erzwungen wird. Das Realitätsversprechen der phantom rides lag vielmehr darin, sie kontextuell einzubetten. Dies geschah vor allem mit der Attraktion der Hale’s Tours, welche die phantom rides präsentierten. Bei den Vorführungen der Hale’s Tours saßen die Zuschauer_innen in einem Zugwaggon mit ansteigenden Sitzreihen und betrachteten durch dessen Vorderscheibe die Zugfahrt. Parallel dazu wurden mehrere Sinne angesprochen. Es wurde beispielsweise Wind eingebla-
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sen und Geräusche eines Zugratterns eingespielt. Mit der Kommerzialisierung der Hale’s Tours wurden die Eingänge wie ein Bahndepot gestaltet, ein Schaffner kontrollierte die Fahrkarten und ein Erzähler kommentierte während der Fahrt die Sehenswürdigkeiten (vgl. Fielding, 2008, S. 32f). Die phantom rides mögen zwar ein erster filmischer Versuch gewesen sein, ein Realitätserlebnis bewusst zu simulieren, weshalb Oliver Grau sie als wegweisend für eine alle menschlichen Sinne umfassende Immersionsstrategie sieht (vgl. Grau, 2007b, S. 151). Die Betrachtenden wurden jedoch immer in Distanz positioniert. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass es die Strategie war, Besucher_innen ein immersives Erlebnis zu vermitteln, sondern es war ein Spiel mit der Künstlichkeit. Wenn Gunning feststellt, dass trotz aller Erwartungen und Eindrücke jederzeit feststeht, dass „no collision is ever possible. [...] No physical shock is possible, no meeting between our bodies and the space on screen can occur, however much we may seem to penetrate into it“ (Gunning, 2010, S. 58), dann deutet dies darauf hin, dass sich die Zuschauer_innen bewusst waren, dass es nur eine ungefährliche Fahrt vor einer Leinwand war. Vielmehr ging es um das Erleben einer Attraktion. Die Hale’s Tours sind insofern bedeutend, als dass sie nicht nur den Übergang zwischen den Guckkästen markieren, sondern auch den Weg zu den ersten Filmtheatern bereiteten. Anfangs wurden sie in Vergnügungsparks in den USA und Kanada aufgestellt, ab 1906 etablierten sie sich auch in Europa und anderen Kontinenten, bis sie um 1912 ihr Ende fanden und von den Filmtheatern verdrängt wurden (vgl. ebd., S. 32f). Ihre Schwierigkeit war es stets neue, abwechslungsreiche Filme zu produzieren. Etwa zeitgleich als die Hale’s Tours ihr Sensationspotential verloren, entwickelten sich die ersten Filmtheater, die Nickelodeon-Kinos. Bis Mitte der 1910er Jahre wurden neben den Filmen noch andere Attraktionen präsentiert, u.a. auch song slides, sozusagen „Dias mit Liedern zum Mitsingen“ (Hediger, 2003, S. 70). Ab 1915 kam ein weiteres Element hinzu: Der Prolog. Von Hediger als „theatrale[s] Instrument der filmischen Immersion und Steigerung des Schauwerts“ (ebd.) bezeichnet, sollte der Prolog das Publikum ästhetisch und thematisch auf den Film einstimmen, es aufnahmefähiger für das Gezeigte machen. Es gab Lied-, Dialog-, Tanz-, Pantomimeoder Nummern-Prologe, die je nach Art der Aufführungsstätte variabel ein-
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gesetzt wurden, von großen Ballettaufführungen bis hin zu einfachen Gesangsnummern (vgl. ebd., S. 79). Interessant ist, dass die Prologe zwar eigenständige Attraktionen der damaligen visuellen Medienkultur waren, doch gleichzeitig dienten sie auch dazu, die Übergänge zu erleichtern. Germain Lacasse sieht in dem Prolog die Funktion eines Mediators, der zwischen Publikum und neuer Technik vermitteln sollte (vgl. Lacasse, 2012, S. 487), ebenso wie dies bereits bei den bewegten Panoramen der Fall war. Diese Vermittlung geschah allerdings nicht zugunsten eines stärkeren Immersionserlebnisses, sondern um die mangelhafte filmische Qualität und die fehlende narrative Kontinuität auszugleichen, so wie dies von Hediger und Lacasse herausgestellt worden ist (vgl. Hediger, 2003, S. 84; vgl. Lacasse, 2012, S. 487). Der Prolog diente daher auch dazu, eine narrative Klammer um das Filmprogramm zu legen. Interessanter wurde die Inszenierung der Prologe, als sich die Nickelodeons in den 1920er/1930er Jahren von einfachen Läden hin zu prunkvollen Kinopalästen entwickelten (vgl. Bredella, 2009, S. 60). Hatten sich bis dahin die Vorführungen hauptsächlich an die Arbeiterklasse gerichtet, so sollte nun die Mittelschicht angesprochen werden. Das Programm lief nicht mehr von morgens bis abends, sondern es gab nun feste Anfangszeiten. Die Aufführungsstätte wurde auch insofern aufgewertet, als dass nun die Räume künstlerisch gestaltet wurden, was von Siegfried Kracauer als „Prunk der Oberfläche“ (Kracauer, 1977, S. 311) kritisiert wurde. Der Film alleine war nicht mehr die Hauptattraktion, sondern konkurrierte mit den architektonischen Raumelementen aus Zirkus, Jahrmarkt und Vaudeville. Der Kinobesuch wurde zu einem Event aus mehreren Attraktionen und visuellen Effekten, welche die Zuschauer_innen ab dem Betreten der Lichtspielhäuser erwarteten. Während Kracauer den Innenraum als ein „Gesamtkunstwerk der Effekte“ (ebd., S. 312) bezeichnet, ist es für Hediger der Prolog, der ein „Gesamtkunstwerk innerhalb des Gesamtkunstwerks Filmpalast“ (Hediger, 2003, S. 80) darstellt. Denn der Prolog sollte nicht nur alle Sinne bedienen, sondern besonders realistisch wirken, um die Illusion zu steigern (vgl. ebd.). Wenn dem Prolog damit also die Funktion zukommt, reale und filmische Welt miteinander zu verbinden, dann ist der Film nicht mehr nur das einzige Element im Gesamtkunstwerk der Effekte, sondern der Aufhänger für die Inszenierung eines Spektakels.
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Diese Strategie verfolgten insbesondere die atmospheric theatres in den USA, die es ab den 1920er Jahren gab. Ihre prunkvolle Gestaltung als Tempel, Pagoden, Gärten etc. war ästhetisch an historische Epochen und ferne Länder angelehnt, um so einen möglichst exotischen Eindruck zu vermitteln (vgl. Bredella, 2009, S. 65f). Vor der eigentlichen Filmprojektion wurden unterschiedliche atmosphärische Szenen und Motive im Foyer nachgestellt. Die Räume der Theater wurden im Stil des Films dekoriert. Anlässlich des Films BROKEN BLOSSOMS (D.W. Griffith, 1919) wurde beispielsweise die Kinolobby mit Rosen geschmückt und das Personal entsprechend des Filmmotivs kostümiert. Um die Aufmerksamkeit von Passant_innen auf den Film SEE YOU IN JAIL (USA 1927, Joseph Henabery) zu lenken, wurden gefälschte Strafzettel auf der Straße verteilt und das Foyer als Gefängnis umdekoriert (vgl. ebd., S. 68). Auch im Kinosaal ging das Spektakel weiter. Dort wurde beispielsweise in den 1920er Jahren für einen Western ein echtes Lagerfeuer auf der Bühne entfacht, um dem Publikum durch das Knistern des Feuers und über den Geruch von verbranntem Holz ein möglichst authentisches Setting in Einstimmung auf das Genre des Westerns zu bereiten (vgl. Hediger, 2003, S. 80). Ende der 1920er Jahre verschwand allmählich der Prolog mit der Einführung des Tonfilms. Dieser Moment markiert auch eine Verschiebung der bis dahin verbreiteten filmischen Präsentationsformen. War der Film bis zu jenem Zeitpunkt meist in ein Programm eingebettet, setzte er sich fortan als singuläres Vorführungsmedium durch. Die direkte Adressierung verschwand nicht nur aus dem Film, sondern auch aus dem Rahmenprogramm. Erst Jahrzehnte später tauchte der Prolog als direkte Adressierung der Zuschauer_innen in Bertold Brechts epischem Theater wieder auf und ebenso auch im Film mit der Aufhebung der Vierten Wand10, wie z.B. der Auftritt von Marshall McLuhan in ANNIE HALL (USA 1977, Woody Allen).
10 Es wird dann von dem Durchbrechen der Vierten Wand gesprochen, wenn Filme bestimmte Grenzen überschreiten und bewusst mit der direkten Adressierung an die Zuschauer_innen spielen. Daraus liest William Brown auch folgende Strategie: „[N]arrative films, while hiding the camera, also show us that the camera is hidden“ (Brown, 2011, S. 47). Es ist ein selbstreflexiver Modus, der unmissverständlich klar macht, dass die dargebotene Realität im Film nur eine Konstruktion ist.
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Eine direkte Adressierung der Zuschauer_innen wie im Attraktionskino und im Prolog zeigt auch immer auf den Film als fiktives Medium. Zwar schuf der Prolog auch Übergänge für die Zuschauer_innen, vom realen zum filmischen Raum, so wie es auch bereits im Magietheater, bei den Jahrmarktsattraktionen und den Hale’s Tours der Fall war, doch tut er dies nicht, um die Künstlichkeit zu verbergen, sondern im Gegenteil: Das Kunstprodukt wird ausgestellt. Auch wenn die Prologe das Filmthema nachahmen wollten, wurden doch abweichende Szenenbilder präsentiert und Szenen zudem von anderen Schauspieler_innen als im Film dargestellt. Dies alles verweist auf die Inszeniertheit des später Gezeigten. Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Auch wenn die einzelnen hier verhandelten Inszenierungsformen visuell unterschiedlich waren, wollten alle die Zuschauer_innen dafür sensibilisieren, dass eine Attraktion oder gar schon ein visueller Effekt präsentiert wird. Gleichzeitig zeigt sich daran aber auch, dass durch diese Ansprache nicht der Reiz verloren ging, sich die Attraktionen anzusehen, sondern vielmehr war die Einstimmung auf das Thema schon Teil einer Strategie, Zuschauer_innen überhaupt anzulocken, das Medium betrachten zu wollen. Auch Special Effects und Visual Effects können in dieser Tradition gesehen werden. Wollten die Prologe die Zuschauer_innen medial auf den Film einstimmen, wozu sie die Fiktion des Films in die reale Welt hineintragen mussten, werden heute zur Einstimmung Trailer, Making-Ofs und Hintergrundberichte verfügbar gemacht. Gewissermaßen haben sich damit gegenwärtig die Prologe als Begleitmedien aus dem Film und Kino heraus verlagert. Die visuellen Medienformen waren allesamt in eine Inszenierung eingebettet. Nach Tanjev Schultz betreffen Inszenierungen von Bilderwelten „das absichtsvolle Sichtbarmachen von Entscheidungen, Beschlüssen, Ereignissen, Vorgängen etc. vor einem Publikum, doch auch ihr absichtsvolles Ausklammern, Verschleiern oder Verbergen“ (Schultz, 2003, S. 12). Dies lässt sich auch so lesen, dass in dem Inszenieren bereits eine Strategie des Zeigens und Verbergens liegt. Wenn sich nun beide Gesten, sowohl das Zeigen als auch das Verbergen, dadurch auszeichnen, dass sie „absichtsvoll“ geschehen, dann ist es ein Teil dieser Strategie, bewusst etwas zu zeigen und es ebenso bewusst zu verbergen. Dieser Gedankengang soll im nächsten Kapitel auf die digitalen Visual Effects übertragen werden.
III. Praktiken und Diskurse des Zeigens und Verbergens
1. Zeigen und Verbergen in den Begleitmedien der Effekte
1.1 DIE BEGLEITMEDIEN DER EFFEKTE IN IHRER HISTORISCHEN PERSPEKTIVE Waren die Gesten des Zeigens und Verbergens filmhistorisch bereits bei den medialen Vorgängern des Films erkennbar, haben sie sich heute vor allem in die Begleitmedien der Effekte verlagert. Unter Begleitmedien verstehe ich Fachartikel, Hintergrundberichte, Making-Ofs und Features, die auf Special Editions der DVD oder Blu-ray1 zu finden sind oder im Internet verfügbar gemacht werden. Da diese Formate heute neben dem traditionellen Modus des Filmeschauens im Kino vorhanden sind, müssen sie in Bezug auf die digitalen Visual Effects mitgedacht werden. Denn die Filmerfahrung endet nicht nach dem Film, sondern wird heute kontextuell in den Begleitmedien weitergeführt. Diese haben wesentlich dazu beitragen, wie Filme und digitale Visual Effects aufgenommen werden. Making-Of-Filme sind keine Neuerscheinung, die es erst seit den Visual Effects gibt. Hintergrundberichte existieren bereits seit den 1910er Jahren, anfangs noch angelehnt an einen journalistischen Beitrag. Strategisch verfolgten sie stets einen „Gestus der Einweihung“ (Hediger, 2009, S. 332), in Form einer vermeintlichen Komplizenschaft, einer exklusiven Einweihung in ein (öffentliches) Geheimnis. Thematisch waren es vor allem Diskurse über die Stars und Autor_innen sowie die Technik und industrielle Produk-
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Obwohl sicherlich DVD und Blue-ray wichtige Untersuchungsgegenstände sind, werde ich hier keine nähere Analyse ihrer Technologie vornehmen, da es mir ausschließlich um Inhalte geht.
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tion. Je nach Stand der Filmeproduktion wurden diese Diskurse unterschiedlich bedinet und geführt (vgl. ebd.). Im Kino der Attraktionen beispielsweise war der Film selbst mit seinen Apparaturen noch eine Neuheit, so dass in einem der ersten Making- Of- Filme von 1912, in HOW PICTURES ARE MADE AND SHOWN (USA 1912, Edison Company), die technischen Aspekte und der Herstellungsprozess des Films im Vordergrund standen. Mit dem Aufkommen narrativer Erzählformen wurden die Filmstars interessanter, bis die Making-Ofs sich ab den 1920er Jahren zu einem Imagefilm für große Filmstudios veränderten und regelmäßig produziert wurden. Betont wurde vor allem die gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen Spezialisten, deren Expertise und der Spaß am Filmdreh (vgl. ebd. S. 333ff). Im Unterschied zu heute wurde in den 1930er Jahren trotz der Betonung der Zusammenarbeit einzelner Abteilungen kaum etwas über die Spezialeffekte preisgegeben. Ray Harryhausen beispielsweise, ein berühmter Techniker früher Spezialeffekte, erklärte rückblickend, dass Tricks große Produktionsgeheimnisse waren, über die nur spekuliert werden konnte. So berichtet er beispielsweise über KING KONG (USA 1933, Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack): „Es hat Monate, Jahre gedauert, bis ich herausgefunden hatte, wie KING KONG gemacht wurde: dass es kein Mann im Affenkostüm war, der Kong spielte, wie gelegentlich behauptet wurde“ (Harryhausen, 2000, S. 55). Erst Jahrzehnte später änderte sich dieser Umgang mit Effekten. Die Making-Ofs passten sich stets jeder technischen oder ästhetischen Entwicklung des Films an. Als das Fernsehens in den 1950er- und 1960er Jahren aufkam, orientierten sich die Making-Ofs stilistisch an den Fernsehformaten und wurden dort (u.a. von Walt Disney) präsentiert (vgl. Hediger, 2001, S. 165). Mit der Herausbildung eines New Hollywood-Kinos in den 1970er Jahren stand der Autor_innendiskurs im Mittelpunkt und Diskurse zu Technik, Stars und industrieller Produktion wurden weniger bedient. Ende der 1980er führte der postmoderne Film Diskurse zu Intertextualität, Spektakularität, Ästhetisierung, Selbstreferenzialität, Anti-Konventionalität und dekonstruktiven Erzählverfahren herbei (vgl. Eder, 2008, S. 11). Die Filme versuchten nun, das Publikum mehrfach anzusprechen. Jens Eder und Georg Seeßlen sprechen auch von einer Doppelcodierung, wenn innerhalb des Films Zitate und intertextuelle Referenzen eingebaut werden
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(vgl. Seeßlen, 1995, S. 138f; vgl. Eder, 2008, S. 17f). Die Doppelcodierung entstand jedoch nicht nur innerhalb des Films, sondern fand auch außerhalb statt – über die Begleitmedien. In den Making-Ofs und Features ist zu erkennen, dass ab den 1980er Jahren alle oben angeführten Diskurse zugunsten einer möglichst breiten Publikumsansprache wieder aufgegriffen wurden. Im Unterschied aber zu den frühen Diskursen gaben nun Regisseur_innen und Schauspieler_innen Insiderwissen preis und erzählten Anekdoten, um so über die Making-Ofs Vertraulichkeit herzustellen. Die Zuschauer_innen wurden nicht nur zum „Teilhaber am öffentlichen Geheimnis der Filmproduktion“ (Hediger, 2009, S. 340), sondern das Geheimnis wurde überhaupt erst über ihre eigene Teilhabe hergestellt (vgl. ebd.). Bei genauerem Hinblick handelt es sich natürlich nicht wirklich um ein Geheimnis, sondern die Strategie war es vielmehr, die Zuschauer_innen an den Film zu binden, indem diese zu einem ausgewählten Personenkreis gehörten, der Bescheid wissen durfte. Die Making-Ofs weihten nicht nur in die Hintergründe des Films ein, sondern auch in die Effekte. Auf der Special Edition-DVD des Films THE ABYSS (USA 1989, James Cameron) befinden sich beispielsweise unter dem Menüpunkt „Documentaries“ folgende zwei Features: „‚The Abyss‘ Featurette (10 minutes)“ und „Under Pressure: Making ‚The Abyss‘ (59 minutes)“. Beide Versionen des Making-Ofs bedienen verschiedene ineinanderlaufende Diskurse (Autor, Technik, Stars) und sprechen damit die Zuschauer_innen auf mehreren Ebenen an. Bereits das kürzere Featurette gewährt einen Einblick in die Hintergründe des Films und belehrt die Zuschauer_innen darüber, dass THE ABYSS einer der wichtigsten Unterwasserfilme aller Zeiten sei und man hier modernste Technik mit menschlicher Dramatik verwoben habe. Zur Untermauerung dieser Behauptung kommen Regisseur, Kameramann, Produzentin, Expert_innen sowie Schauspieler_innen zu Wort. Alle Interviews fokussieren die Schwierigkeiten, welche jede einzelne Person am Set bewerkstelligen mussten. So wird in dem Technikdiskurs der technische Aufwand zur Herstellung der Unterwasserwelt, der Flotte und der Tauchausrüstung betont sowie gleichzeitig das Innovationspotenzial und die Einzigartigkeit des Films. Der Kameramann berichtet von der enormen technischen Komplexität der Systeme und den Aufwand bei jeder Aufnahme, da alles parallel funktionieren musste und über 150 Leute synchron arbeiten mussten. Die Strategie dieses Making-Ofs ist es, eine persönliche
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Verbindung zu den Zuschauer_innen aufzubauen. Die Aussagen lassen Unsicherheiten, Ängste und Zweifel durchblicken, da der Kameramann in THE ABYSS angeblich alles zum ersten Mal machen musste. Die Schauspieler_innen Ed Harris, Mary Elizabeth Mastrantonio und Michael Biehn sprechen zudem von ganz ähnlichen zu bewerkstelligenden Schwierigkeiten. Da der Film die meiste Zeit unter Wasser spielt, seien sie mit noch nie da gewesenen Aufgaben konfrontiert gewesen und hätten Dinge unter Wasser machen müssen, die vorher unvorstellbar gewesen wären. Doch dank eines Expertenteams hätten sie dabei immer ein Gefühl von Sicherheit gehabt. Auch die harte Arbeit wird betont, da die meisten Schauspieler_innen keine Taucherfahrung hatten und zur Vorbereitung bis zu zehn Stunden am Tag im Wasser trainieren mussten. Regisseur James Cameron ist es schließlich, der die Diskurse zusammenbringt. Er betont sowohl die Notwendigkeit der vielen Technik für die Realisierung der Filmbilder als auch die Herausforderung für die Schauspieler_innen und seine eigene Rolle dabei. Die Sicherheit der Schauspieler_innen sei für ihn eines der Hauptanliegen des Films gewesen. Das längere Making-Of auf der DVD von THE ABYSS unterscheidet sich hauptsächlich darin, dass die am Film beteiligten Personen ausführlicher zu Wort kommen. So gibt Harris Insiderwissen und Anekdoten an die Zuschauer_innen weiter, indem er von den emotional aufgeladenen und ungewöhnlichen Situationen und Zwischenfällen am Set spricht sowie von Unterbrechungen wegen einer aufgewühlten Kollegin. Darüber hinaus erfährt man kleine Details, wie z.B. dass einmal aufgrund eines Gewitters der Dreh unterbrochen werden musste, da eine Plane zur Verdunkelung des Wassertanks weggerissen worden sei und fortan daher nur noch nachts gedreht werden konnte. Auch wenn sich die einzelnen Schauspieler_innen individuell unterschiedlich äußern, betonen sie doch immer die Herausforderungen und den Spaß an der Arbeit gleichermaßen. Interessant an diesen Hintergrundberichten ist, dass die Grenze zwischen Realismus und Diegese bewusst verwischt wird. Dies zeigt sich daran, dass die Technik und die dazugehörigen innovativen und notwendigen Systeme explizit ausgestellt, vorgestellt und gezeigt werden. Selbst Cameron übertritt eine Grenze, wenn er im Featurette ausschließlich unter Wasser mit Taucherhelm und Tauchanzug zu den Zuschauer_innen spricht. Diese Aus-
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stattung wird in dem Making-Of als neue Erfindung vorgestellt, die extra für den Film entworfen wurde. Trotz dieses expliziten Zeigens soll die Technik aber so realistisch wirken, dass sie während des Akts des Filmeschauens vorborgen bleibt. Mehrfach wird daher die realistische Gestaltung betont, von der Flotte und der Unterwasserwelt bis zur Ausrüstung, die allesamt zu dem Gefühl beitragen, man befände sich tatsächlich in dieser Unterwasserwelt. Auch der Kameramann stützt diese realistische Darstellung, indem er behauptet, zugunsten eines Realismus mit einem Weitwinkelobjektiv und ohne Schnitte und Tricks gedreht zu haben. Auch die Schauspieler_innen hätten alle ihre Stuntszenen selbst gespielt und seien ohne Double ausgekommen. Die Thematisierung eines vermeintlichen Realismus zeigt, dass die Making-Ofs von THE ABYSS Ende der 1980er Jahre noch herausstellen wollten, dass alles vor der Kamera so stattgefunden hat. Hier wurde noch nicht auf die Visual Effects eingegangen, obwohl jener Film 1989 einen Oscar für Visual Effects gewonnen hat. Die Visual Effects des Films sind lediglich als zusammengeschnittenes Showreel auf der DVD zu begutachten. Doch wie auf der DVD zu lesen ist, richtete sich dieses Reel ursprünglich nicht an die Zuschauer_innen, sondern war für den Nominierungsprozess der Academy Awards zusammengestellt worden.
1.2 DIE UMBRUCHPHASE IN DEN 1990ER JAHREN Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre gab es einen Umbruch, als das öffentliche Interesse an Effekten wuchs. Michele Pierson sieht diesen Zeitpunkt im Einklang mit der Domestizierung der Technologien. Vielfältige Informationen wurden nun über Internet, Video- und DVD-Player für private Nutzer_innen zugänglich gemacht (vgl. Pierson, 2002, S. 6f). Interessanterweise deckt sich dies auch zeitlich mit der Etablierung und Verbreitung des Begriffs Visual Effects im Sprachgebrauch (siehe Kapitel I). Da digitale Visual Effects im Laufe der 1990er das Interesse der Zuschauer_innen weckten, wurden sie strategisch vermarktet. William Brown geht sogar soweit, sie als DER selling point der Filmindustrie zu bezeichnen (vgl. Brown, 2013, S. 84). Da aber die Filmverwertungskette sowohl aus der Kinodistribution als auch aus dem DVD-Vertrieb besteht und bis hin zur Fernsehverwertung (erst Pay-TV, dann Free-TV) reicht (vgl. Meyer,
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2012)2, kommt für aktuelle Effekte etwas Entscheidendes hinzu: Für die digitalen Visual Effects spielt es fortan eine untergeordnete Rolle, ob der Film zuerst im Kino oder auf DVD angesehen wird. Bei beidem werden Effekte über die Begleitmedien mit vermarktet (z.B. in Artikeln, Trailern, Making-Ofs, Interviews in Printmedien, Fernsehen, Internet oder auf Special Editions der DVDs, die zusätzliche Features zum Kinofilm enthalten). Die Hintergrundberichte verbreiten sich heute nicht mehr nur über die DVD, sondern Making-Ofs werden bereits während der Drehzeit im Internet veröffentlicht, um Besucher_innen vorab für einen Kinofilm zu begeistern. So wird das Publikum bereits vor der ersten Veröffentlichung angesprochen und involviert. Das Verkaufsargument des Kinofilms und der DVD ist somit das gleiche und beinhaltet das Zeigen von Effekten, der Hervorhebung ihrer Einzigartigkeit und Innovation – etwas, was es vorher so noch nie gegeben hat. Gleichzeitig gewähren die Making-Ofs Einblicke in eine gestaltete Welt der Effekte, die Leon Gurevitch als cinema designed (Gurevitch, 2016, S. 292) bezeichnet hat. Für Gurevitch besitzen die Making-Ofs zu Visual Effects den gleichen obsessiven Fetisch-Status wie neue Apple-Produkte. So konstruieren gegenwärtige Filme nicht nur die Räume und Objekte des Films auf technowissenschaftliche Art, sondern sie stellen die Visual Effects auch als Auszeichnung dar und zeigen damit, dass auch Effekte wertvolle Designarbeit sind (vgl. ebd.). Wenn daher in den MakingOfs einzelne Ebenen und Prozesse der Effekte sichtbar gemacht werden, dann ist dahinter auch die Strategie zu erkennen, digitale Visual Effects als Qualitätsarbeit aufzuwerten. Indem die Effekte als ein positiv besetztes Design-Element verhandelt werden, werden sie über die Ästhetik und Technik gleichermaßen wertgeschätzt. Dass ein Übermaß an Informationen über die Produktionshintergründe dazu führen könne, dass das Interesse am Kino zurückgeht, wie dies 1928 der Kinobesitzer R. Gordon Hudson prophezeit hatte, ist heute nicht festzustellen (vgl. Hediger, 1999, S. 28). Der Diskurs über die Herstellung von Filmen seit Anbeginn Teil der Filmwerbung. Sein Preisgeben hat nicht zu einem Desinteresse am Film geführt hat, sondern die Informationsvermittlung über die Begleitmedien hat dazu beigetragen, dass das Interesse geschürt und sogar verstärkt wurde.
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Heute können auch noch Streaming-Dienste von Filmen dazugezählt werden.
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Als 2002 die Verbreitung von Making-Ofs zu digitalen Visual Effects auf DVD auf ihrem Höhepunkt angelangt war, überstiegen die Einnahmen aus dem US-amerikanischen Heimvideoverkauf und –verleih mit einem Umsatz von 20,3 Milliarden US-Dollar erstmals die Einnahmen aus Kinobesuchen – ein Phänomen, das in den USA und in Deutschland gleichermaßen zu beobachten ist (vgl. Distelmeyer, 2012, S. 22). Spätestens ab da wurde die DVD wichtigstes wirtschaftliches Element der Verwertungskette. Sie ist es bis heute geblieben, obwohl die Einnahmen in den USA seit 2007 sinken. Wie Jan Distelmeyer allerdings herausgestellt hat, kann dies auf die sinkenden Verkaufspreise der DVD zurückgeführt werden. Die Einnahmen überragen trotz dieses Rückgangs jedoch noch immer die Umsätze an der Kinokasse (vgl. ebd., S. 22f). Wenn nun digitale Visual Effects als selling point dienen und das Flaggschiff der DVD- und Kinoauswertung sind, dann müssen sie infolgedessen auch entsprechend vermarktet werden, damit der Film für die Zuschauer_innen attraktiv wird. Diese Vermarktung ist nichts anderes als ein Gestus des Zeigens, dessen Praxis es ist, die Zuschauer_innen über die Existenz von digitalen Visual Effects im Film in Kenntnis zu setzen. Die Strategie dahinter ist das Erkennen und vor allem auch das Anerkennen und die Wertschätzung der Effekte. Es sind die Making-Ofs, die mit ihrem Zeigen und Enthüllen der Effekte die Zuschauer_innen stärker an den Film binden möchten, um die Faszination zu wecken, ohne – und das ist der entscheidende Punkt – dass die filmische Illusion gebrochen wird. Schließlich wirkt der Effekt auch dann noch, wenn er durschaut wurde. Die digitalen Visual Effects funktionieren in diesem Sinne genauso wie der magische Trick und können auch erlebt werden, wenn dieser bekannt ist. Die digitalen Visual Effects werden in den Begleitmedien meistens über einen Technik-Diskurs eingeführt, der die Wichtigkeit der Effekte und deren technologische Innovation herausstellt. Dieser Diskurs wird interessanterweise nicht nur über den Produktionsprozess und dessen VFXKünstler_innen, sondern auch über eine vertrauliche und lockere Ansprache der Filmemacher_innen hergestellt. Auf der DVD-Edition „Frank Miller’s Sin City Recut Extreme XXL-Edition“ des Films SIN CITY (USA 2005, Robert Rodriguez, Frank Miller) erklärt beispielsweise der Regisseur Robert Rodriguez am Anfang von Disc 2 (gemäß der Untertitel): „Die DVD enthält auch meine eigenen Spezialfeatures wie: ‚Der 15-MinütigeFilmunterricht‘, ‚Die Greenscreen-Version‘, wo man den Film ohne Effekte
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sieht, eine Kochschule, ‚Der lange Take‘ und ‚Sin City Live‘, also schaut mal rein“ (TC: 00:00:35 - TC: 00:00:45). Unter dem Menüpunkt „Rodriguez’ Special“ sind diese Kurzfilme schließlich für alle abrufbar. In Bezug auf digitale Visual Effects des Films ist Die GreenscreenVersion von SIN CITY besonders hervorzuheben. Diese Version besteht lediglich aus dem Rohmaterial des Films und läuft 800% schneller ab, so dass der gesamte Film durch Zeitraffer nur zehn Minuten lang ist. Da in diesem Making-Of die Schauspieler_innen nur vor dem Greenscreen- Hintergrund und innerhalb der Studiokulisse und den Bauten agieren, ist dieses Making-Of ohne digitale Visual Effects. Gerade aber durch diese ästhetisch auffällige Abwesenheit der Effekte wird die Aufmerksamkeit paradoxerweise ausgerechnet erst auf die Visual Effects gelenkt. Denn die Zuschauer_innen bekommen in dieser Version die Unfertigkeit des Films durch die (noch) nicht eingefügten Effekte besonders kontrastreich vor Augen geführt. Lediglich am Anfang dieses Making-Ofs führt Rodriguez sein Publikum kurz in diese Greenscreen-Version ein. Er teilt den Zuschauer_innen mit, dass sie gleich sehen werden, was während der Dreharbeiten vorhanden und nicht vorhanden war. So würden sie erkennen, wie viel Arbeit nach den Aufnahmen noch geblieben sei (auch wenn alle am Set dies nicht so wahrgenommen hätten, weil sie Pre-Visualisierungen sehen konnten). Wenn die Schauspieler_innen dann zehn Minuten vor einem Greenscreen agieren, dann zeigt dieses Making-Of auf spielerische Art, wie der Film ohne jegliche Visual Effects aussehen und wirken würde: unspektakulär, stimmungslos und unzusammenhängend. Da diese Version in Zeitraffer und mit darüber gelegter Musik abläuft, wird gleichzeitig auch deutlich gemacht, dass die Greenscreen-Version keine Alternative zum Endprodukt des Films sein soll. Denn zum einen kann durch die Schnelligkeit des Filmablaufs die Handlung des Films von den Zuschauer_innen nicht verständlich nachvollzogen werden. Und zum anderen wird über dieses Making-Of die Notwendigkeit der digitalen Visual Effects für ein Verständnis des Films, der Handlung und Charaktere sowie des Settings gerade über das Zeigen einer Abwesenheit, eines Nicht-Vorhandenseins dieses wichtigen Elements untermauert.
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Abbildung 10: Screenshot aus der Greenscreen-Version von SIN CITY
Trotz oder gerade aufgrund der Abwesenheit der digitalen Visual Effects existiert der Doppelgestus des gleichzeitigen Zeigens und Verbergens. Es ist nicht notwendig, die Visual Effects zu zeigen, da sich gerade durch ihr Verbergen die (fehlende) Präsenz offenlegt. Die Greenscreen-Version impliziert auch, dass die Zuschauer_innen den Film kennen (schließlich befindet sich diese Version ja auch auf der dazugehörigen DVD) und ein grundsätzliches Wissen über Effekte mit sich bringen, um zu erkennen, welchen Aufwand und welches technische Know-how noch seit dieser Rohversion vonnöten war, um den Film angemessen fertig stellen zu können. Über das Wahrnehmen der Abwesenheit werden die Zuschauer_innen noch mehr an das Endprodukt des Films gebunden. Sie lernen die Funktionen und das Design der digitalen Visual Effects wertzuschätzen. Denn diese sind für den Film so essentiell, dass ohne die Effekte das Filmerlebnis ein ganz anderes wäre. Wichtig ist, dass es dabei in keinem Fall um das Zerstören der filmischen Illusion geht. Vielmehr geht es darum, eine Teilhabe der Zuschauer_innen zu generieren, indem sie in die Produktionsgeheimnisse eingeweiht werden. Dies wird einmal mehr mit dem Feature Der 15-Minütige-Filmunterricht verdeutlicht, welches unter dem gleichen Menüpunkt „Rodriguez’ Special“ zu finden ist. Darin erklärt Rodriguez selbst die Entstehung der einzelnen Filmeffekte genauer und weiht das Publikum ein. Falls sie es bislang noch nicht waren, macht Rodriguez spätestens jetzt die Zuschauer_innen zu Mitwisser_innen, indem er sie, wie es der Titel nahelegt,
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persönlich unterrichtet. Er zeigt ihnen das in der Greenscreen-Version Abwesende und Verborgene. Damit bezieht er eindeutig Position, dass die digitalen Visual Effects keine Illusion sein sollen, sondern er ermuntert die Zuschauer_innen, die Effekte zu erkennen und wertzuschätzen. Gleichzeitig sollen sie aber auch mit diesem Wissen Lust bekommen, sich den Film (nochmal) anzusehen und erst jetzt in vollem Umfang zu genießen. Dies macht deutlich, dass es verschiedene Praktiken des Zeigens gibt. Denn der Gestus des Zeigens ist wesentlich komplexer, als es das deutsche Wort Zeigen vorgibt. Es ergibt Sinn, den Akt des Zeigens so zu verstehen, wie er in der Bildtheorie verhandelt wird. Diese differenziert bei dem Akt des bildlichen Zeigens zwischen pointing und showing. Pointing bezeichnet etwas, das die Aufmerksamkeit des Betrachtenden durch einen Akt des Hinzeigens und Hinweisens (z.B. mit dem Zeigefinger) lenkt. Dem gegenüber steht das showing, bei dem ein Bild oder Objekt für den Betrachtenden so in das Blickfeld gerückt wird, dass es angesehen werden muss und sich der Betrachtende dem nicht entziehen kann. Es wird förmlich aufgezwungen, ähnlich eines „Schau mal her!“ (vgl. Wiesing, 2013., S. 21f). Pointing bezeichnet also das indirekte Zeigen auf etwas und showing die direkte Konfrontation mit dem zu zeigenden Objekt. Diese Akte des Zeigens werden in der bildtheoretischen Zuschreibung als Dichotomie betrachtet, Lambert Wiesing sieht sie als zwei „unterschiedliche Phänomene“ (ebd., S. 22). Die digitalen Visual Effects jedoch agieren im Hinblick auf das Zeigen anders. Sie lassen sich als eine Verbindung aus beiden Gesten verstehen. Sie operieren mit einem Zeigen im Sinne des showings: die digitalen Visual Effects zeigen auf sich, auf ihre Attraktion und wollen ähnlich wie im frühen Attraktionskino die Zuschauer_innen direkt konfrontieren. Dies in den Szenen erkennbar, in denen es zum Hocheinsatz der digitalen Visual Effects kommt und die Effekte sich in das Blickfeld der Zuschauer_innen drängen – wenn beispielsweise die Dinosaurier in JURASSIC PARK das erste Mal in voller Größe zu sehen sind, Kong in KING KONG (USA/NZ/D 2005, Peter Jackson) zentral ins Bild gerückt wird oder auch der Tornado in TWISTER (USA 1996, Jan De Bont) und die sich aufbäumenden Straßen in INCEPTION. Gleichzeitig existiert aber auch ein Zeigen im Sinne des pointings. Denn über die Begleitmedien gibt es ein Zeigen auf die einzelnen Visual Effects. Dieser Akt des Hinzeigens und Hinweisens erfolgt konkret
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über einzelne Personen, die in den Hintergrundberichten auftauchen. Das kann ein Regisseur wieRodriguez sein, aber auch VFX-Artists, die auf die digitalen Visual Effects zeigen, indem sie die Produktionsweise, die Technik, die dahinterliegende Software erklären und über dieses Hinweisen die Aufmerksamkeit des Betrachtenden auf ebendiese Effekte lenken. Dieses zweifache Zeigen, das gleichzeitige Hinweisen und Hinzeigen, ist ein wichtiger Gestus der digitalen Visual Effects. Denn Visual Effects wollen wahrgenommen werden und für die Zuschauer_innen erkennbar sein, um als etwas Außergewöhnliches erfahren zu werden. Sie wollen, wie Scott Bukatman es in ähnlicher Weise formuliert hat, ihre eigenen Fähigkeiten feiern („revel in their own capabilities“) (Bukatman, 2015, S. x) – als Designobjekt und als etwas, das so vorher noch nie zu sehen gewesen war. Die Begleitmedien mögen im Akt des Filmeschauens nicht unmittelbar präsent sein, doch dienen sie als Inszenierungsinstrument der digitalen Visual Effects. Sie inszenieren die Effekte als innovative Technik, als noch nie dagewesenes visuelles Spektakel, als mühevolle Gestaltung, die komplex ist und viele einzelne Schritte und das Wissen kreativer Künstler und Techniker benötigt. Es geht dabei auch um die Inszenierung einer Geschichte, die ähnlich wie der Gründungsmythos funktioniert. Indem etwas Außergewöhnliches erzählt wird, von einem noch nie dagewesenem Realismus und Design der Visual Effects, werden die Zuschauer_innen bei jedem Film aufs Neue animiert die Effekte eingebettet in den Film anzusehen. Die Begleitmedien stellen sicher, dass die Effekte beim Filmerleben angemessen wertgeschätzt werden, damit jeder Kinobesuch oder jede Filmsichtung eine Teilnahme an einem außergewöhnlichen Erlebnis ist. Daraus ergibt sich allerdings folgendes Problem: Während die Begleitmedien einerseits explizit auf die neuesten Möglichkeiten der Technik aufmerksam machen und dazu ihre digitalen Visual Effects zeigen, stellen sie andererseits auch heraus, wie glaubwürdig und realistisch die Effekte sind, wie gut sie sich integrieren und innerhalb des Films funktionieren. Während diese Strategie einer realistischen Darstellung als ein Gestus des Verbergens gelesen werden kann und soll, wird in den Making-Ofs gleichzeitig auch die Künstlichkeit der Visual Effects zum Thema gemacht. So bedingen sich diese beiden Paradoxe – Realität und Künstlichkeit – in den digitalen Visual Effects gegenseitig.
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Wenn nun ausgerechnet in den 1990er Jahren das Interesse der Zuschauer_innen an den digitalen Visual Effects zunahm, zu einem Zeitpunkt, als die Effekte durch digitale Techniken ästhetisch immer realistischer gestaltet werden konnten, so fällt dies gleichzeitig mit dem Moment zusammen, als auch die Diskurse über realistische Darstellungen wieder aufgegriffen wurden. Diese Diskurse nahmen vor allem Bezug auf das Versprechen der Indexikalität und die Frage, ob man im Digitalen noch immer von einer Abbildung der Realität sprechen könne oder nicht.
1.3 INDEXIKALITÄT UND REALITÄTSÄHNLICHKEIT William Henry Fox Talbot, Erfinder des analogen Negativ-PositivVerfahrens der Fotografie, sprach 1844 in seinem gleichnamigen Buch von einem Pencil of Nature, einem Zeichenstift der Natur. Er betonte darin, dass seine Fotoabzüge nicht durch Malerei, sondern allein durch optische und chemische Mittel entstanden wären und die Handschrift der Natur zeigten (vgl. Talbot, 2010 [1844], S. 1). Im 20. Jahrhundert griffen Fototheorien diese Auffassung wieder auf und versuchten mit dem Begriff der Indexikalität, geprägt von Charles Sanders Peirce3, die Fotografie als Abdruck der Natur und Spur eines Wirklichen zu charakterisieren (vgl. Dubois, 1990, S. 110). Fotografien sollten nicht imitieren, sondern stattdessen das zeigen, was tatsächlich einmal da gewesen war. Der Fotoabzug wurde, wie André Bazin es formulierte, als „Wirklichkeitsübertragung vom Ding auf seine Reproduktion“ (Bazin, 2009, S. 37) gesehen, als Beleg eines zurückliegenden Augenblicks, als eine vergangene Realität, die von den Lichtstrahlen eingefangen worden war. Bezeichnete die Fotografie für Roland Barthes ein „Es-ist-so-gewesen“ (Barthes, 1986, S. 87, Herv. i. O.), so galt für ihn in Bezug auf den Film Folgendes: „Das hat den Anschein, als wäre es so gewesen“ (Barthes, 1979, S. 97, Herv. i. O.). Bei dem Film ging es nicht um einen Abdruck des Wirk-
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Charles Sanders Peirce prägte 1893 den Begriff des Index, indem er über den indexikalischen Status der Fotografie schrieb. Darauf aufbauend wurde die Theorie der Indexikalität auch von Zeichen- und Kulturtheorie, Semiotik, Semiologie und Medientheorie weiterverarbeitet (vgl. Stiegler, 2010, S. 71).
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lichen, sondern um etwas, das den Eindruck erweckt, als könnte es so gewesen sein. Barthes deutete damit eine Ähnlichkeitsbeziehung des Films zur Realität an. Als in den 1990er Jahren digitale Werkzeuge für den Film eingeführt wurden, griff die Filmtheorie die Frage der Indexikalität wieder auf und verhandelte sie neu. Da digitale Bilder aus Algorithmen bestehen, konnten sie weder als Abdruck noch als Spur gelesen werden. Hinzu kam, dass es im digitalen Zeitalter mehr Möglichkeiten zur Bildbearbeitung gab, so dass die Verbindung von Realität und filmischen Bild stets veränderbar war. Digitale Dateien konnten beliebig formatiert werden (egal, ob ihr Format dann noch lesbar war oder nicht) und immer wieder abgeändert und neu ausgegeben werden (vgl. Hagen, 2013, S. 117f). Trotz dieser neuen Bildbearbeitungsmöglichkeiten sind Eingriffe ins Material keine Neuerscheinung des Digitalen. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Bilder durch Fotomontagen verändert. Sowohl die Fotografie als auch der CelluloidFilm experimentierten seit jeher mit Doppelbelichtungen, Belichtungszeiten, Filtern, Objektiven und Blenden. Vor dem Hintergrund, dass Special Effects von Anfang an im Film eingesetzt wurden, war die unmittelbare Einschreibung der Realität stets zweifelhaft gewesen und ist es noch heute. Eingriffe ins Material sind jedoch meist negativ konnotiert. Ihnen haftet der Unterton der Manipulation an. Damit wird eine bewusste Täuschungsabsicht unterstellt, welche die Zuschauer_innen in die Irre führe, da aufgrund der Täuschung alle visuellen Elemente der Diegese zugeschrieben werden würden. Metz bezeichnete dies als Diegetisierung (diegetization) (vgl. Metz 1977 [1971], S. 665f). Dies würde zur Folge haben, dass die Zuschauer_innen alles Gezeigte, demnach auch alle Visual Effects, fälschlicherweise für die Realität halten könnten. Wie allerdings über die Begleitmedien gezeigt wurde, verfolgen die digitalen Visual Effects nicht die Strategie einer absichtlichen Täuschung, auch wenn nicht alle Effekte sofort erkennbar sein mögen. Wäre es eine absichtliche Täuschung, so würde diese allein aus ihrem Kontext entstehen. Fallstudien im deutschen und US-amerikanischen Raum haben gezeigt, dass die Kennzeichnung der Bilder entscheidend ist. Bei Pressefotos und Nachrichtenmagazinen werden wahrheitsgetreue Bilder vorausgesetzt und Bildmanipulationen kritisch gesehen und negativ eingestuft (vgl. Forster, 2003, S. 71). Visual Effects sind davon nicht betroffen. Da sie vornehmlich in dem fiktiven Medium des Spielfilms (ganz gleich welchen Genres) vorkommen,
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stehen sie nicht unter Verdacht, als dokumentarische Bilder die Realität abbilden zu wollen. Da die meisten Betrachtenden mittlerweile selbst digitale Kameras besitzen und potentiell in der Lage sind, an alltäglichen Apparaten (PC, Tablet, Mobiltelefon) Bildbearbeitungen über Programme, Apps und auf Social-Media-Plattformen vorzunehmen, wissen sie um die Möglichkeiten und nutzen diese selbst auch im Alltag. Das Prinzip der Bildeingriffe liegt Zuschauer_innen heute nicht nur in jeder Beziehung näher, sondern sie haben auch den naiven Glauben abgelegt, dass Filmbilder die Realität wiedergeben und unbearbeitet sind. Barbara Flückiger geht sogar so weit zu behaupten, dass durch die Verwendung von beliebten Apps wie Instagram, Flickr o.ä. Visual Effects zur Massenunterhaltung für zuhause geworden sind (vgl. Flückiger, 2015, S. 78). Auch wenn die selbständigen Eingriffe in das Material auf einem anderen Niveau als bei professionellen Visual Effects geschehen mögen, haben diese sicherlich dazu beigetragen, dass die Mechanismen dahinter besser verstanden werden und das Bewusstsein für Manipulierbarkeiten und Interventionen geschärft worden ist. Anstelle des vormals Es-ist-so-gewesen steht nun ein allgemeiner Manipulationsverdacht. Der Aspekt des Verbergens ist es bei Visual Effects so zu verstehen, dass sie sich trotz aller technischen Möglichkeiten an der Ästhetik der Fotografie orientieren. Ein Grund hierfür könnte sein, dass es eine kulturelle und ästhetische Valuierung des Fotografischen gibt, von der man sich nicht trennen möchte. D.N. Rodowick sprach gar von einer Verlustangst seitens der Filmindustrie Hollywoods (vgl. Rodowick, 2007, S. 110). Mit dieser Angst mögen sich auch die Vorbehalte gegenüber digitalen Visual Effects erklären lassen. Durch ihr nicht-indexikalisches Wesen stellen die digitalen Effekte eine Herausforderung für den Film dar. In den frühen 1990er Jahren wird die Verlustangst des Fotografischen vor allem in den Debatten zum Status des digitalen Bildes geführt, da es im Digitalen keine kausale Verbindung mehr von Fotografie und Objekt gibt (vgl. Hediger, 2006a, S. 102). Doch wie die Theorien Ende der 1990er Jahre zeigen, geht es nicht mehr um eine Versteifung auf Begriff der Indexikalität. Lev Manovich verhandelte den digitalen Film als Unterart der Malerei und erklärte, dass die eigentliche Filmaufnahme „nur noch Rohmaterial zur weiteren Bearbeitung“ (Manovich, 1997, S. 50) sei. Da der Film für ihn „Bild für Bild
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gemalt“ (ebd., S. 52) werde, bestehe er aus „einer Reihe von Gemälden“ (ebd.), was ihn somit frei von jeder Indexikalität macht. Stephen Prince schrieb dem digitalen Bild statt der Indexikalität einen einen perceptual realism zu (vgl. Prince, 1996) – einen perzeptiven Realismus oder Wahrnehmungsrealismus also, durch den die Zuschauer_innen die fiktionale Realität eines Films mit ihren eigenen visuellen und sozialen Erfahrungen verknüpfen. Der Begriff der Indexikalität greift für Prince hier nicht mehr, da referentiell fiktionale Bilder nicht mehr indexikalisch sind, sondern perzeptuell realistisch. Digitale Bilder wurden bewusst so konstruiert, dass sie mit den audiovisuellen Erfahrungen der Zuschauer_innen übereinstimmen (vgl. ebd., S. 32). Der perceptual realism bezieht sich nicht nur auf das digitale Bild, sondern lässt sich auch auf digitale Visual Effects übertragen. Für Prince ist er fast zwei Jahrzehnte später sogar das wesentliche Merkmal der digitalen Visual Effects. Denn seit dem letzten Jahrzehnt scheint es nicht mehr so wichtig zu sein, ob etwas indexikalisch ist oder nicht, sondern nur, ob etwas für die Zuschauer_innen so überzeugend ist, dass es innerhalb der Handlung real wirkt. Für Prince bestimmt dies den perceptual realism. Je überzeugender dieser ist, desto mehr glauben die Zuschauer_innen an das Gezeigte und damit auch die Visual Effects (vgl. Prince, 2012, S. 33). Da dem Digitalen nicht mehr mit der Indexikalität beizukommen war, musste auch das Verständnis von Realismus neu ausgehandelt werden. Eine Lesart war es, den Realismus als Special Effect, als Realitätseffekt zu betrachten (vgl. Cubitt, 2004, S. 134; vgl. Hanke, 2010, S. 204). Wenn es im Digitalen aber nur noch um das Generieren eines Realitätseindrucks geht und nicht mehr um die Abbildung oder die Spur der Realität, dann kann dieser Realitätseindruck nur entstehen, wenn er sich – in Anlehnung an Christian Metz – auf bestimmten Ähnlichkeiten zwischen Objekten im Film und Objekten im Alltag stützt (vgl. Metz, 2000, S. 109). Dieser Strategie folgen auch die digitalen Visual Effects: Sie vermitteln eine Ähnlichkeit zu einem Objekt, um glaubwürdig für die Zuschauer_innen zu sein. Die Digitalität bietet Effekten den Vorteil, bestimmte Filmelemente nicht nur zu bearbeiten und vielfältig zu kombinieren, sondern auch vollkommen neu zu generieren. Dabei ist es irrelevant, ob die Visual Effects etwas Phantastisches zeigen oder nicht. Sie können trotzdem glaubwürdig sein und streben dies auch explizit an. Selbst wenn niemand jemals echte
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Dinosaurier gesehen hat, orientieren sich die computergenerierten Dinosaurier an den physikalischen Gesetzen unserer Umwelt und sind gemäß eines perceptual realism für die Zuschauer_innen dann glaubwürdig, wenn sie tatsächlich so ausgesehen haben könnten. Die Dinosaurier in JURASSIC PARK sind daher, wie auch Hediger herausgestellt hat, aufgrund einer Ähnlichkeit zu bereits bekannten Darstellungen als Dinosaurier erkennbar (vgl. Hediger, 2006a, S. 106). Ästhetisch ist ein digitaler Visual Effect wie der Film-Dinosaurier dann glaubwürdig, wenn er fotorealistisch gestaltet ist und Ähnlichkeit zu seiner Referenz aufweist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die digitalen Visual Effects einer Praxis des Zeigen folgen, im Sinne eines Hinzeigens und Hinweisens auf den Effekt. Das Besondere, Außergewöhnliche und im besten Fall auch das Unmögliche soll ausgestellt und damit effektiv werden. Gleichzeitig aber kann ein Akt des Verbergens konstatiert werden – eine Geste des Verschleierns der Technik der Effekte. Dies geschieht zugunsten der Glaubwürdigkeit, denn die Visual Effects möchten möglichst realitätsähnlich sein. Dies also macht die digitalen Visual Effects aus: Die Gesten des Zeigens und Verbergens existieren in den Filmen mit digitalen Visual Effects nicht mehr ohne das jeweils andere. Da sie ununterscheidbar voneinander sind, können beide Gesten nicht mehr voneinander getrennt werden. Diese Korrealität der Effekte möchte ich als Doppelgestus der digitalen Visual Effects bezeichnen. Dieser Doppelgestus prägt nicht nur die Komplexität der visuellen Präsenz der Effekte. Er ist darüber hinaus auch in den Diskursen, welche die Effekte begleitet haben, ablesbar. In der Film- und Medientheorie sind dies hauptsächlich zwei Diskurse, die das Zeigen und Verbergen der digitalen Visual Effects betreffen: Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sowie Attraktion und Narration.
2. Zeigen und Verbergen in den filmtheoretischen Diskursen
2.1 SICHTBARKEIT UND UNSICHTBARKEIT Der Diskurs zur Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit ist auch ein Diskurs des Zeigens und Verbergens. Unmittelbar vor der Erfindung des Films fand er bereits über das Medium der Fotografie statt. Im Fotografischen gab es die Bemühung, etwas für das menschliche Auge normalerweise nicht Sichtbares aufzuzeigen, so wie dies Eadweard Muybridge in seinen Bewegungsstudien von galoppierenden Pferden (ca. 1880-1890) oder auch EtienneJules Marey mit den Chronofotografien (ca. 1880-1900) angestrebt haben (vgl. Gerling, 2010, S. 149; vgl. Flückiger, 2008, S. 360). Auch über Röntgenbilder und Geisterfotografien sollte Ende des 19. Jahrhunderts das Verborgene sichtbar gemacht werden, obgleich die Visualisierung von Verstorbenen in der Geisterfotografie ausschließlich durch Tricktechniken entstand. Die Film- und Medientheorie hat sich den Diskurs zu Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit ebenfalls angeeignet. Er begleitet die Visual Effects in Theorie und Praxis. Zwei künstlerische Strategien sind hier erkennbar: Einerseits das Verborgene, Unsichtbare oder Nicht-Zeigbare sichtbar zu machen, es zu visualisieren – andererseits das Sichtbare und Gezeigte möglichst unsichtbar, unerkennbar zu machen, es zu verbergen. Für Robert Blanchet spiegelt sich dies in zwei unterschiedlichen Kategorien wider: Entweder sind Visual Effects sichtbare Effekte, wenn erkannt wird, dass sie auf Trickverfahren beruhen. Oder Visual Effects sind unsichtbare Effekte, bei denen nicht erkannt werden soll, dass ihnen ein Trick zugrunde liegt
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(vgl. Blanchet, 2003, S. 265). Ganz ähnlich wird dies auch in der Filmindustrie differenziert: Die Visual Effects Society (VES) vergibt jährlich einen Award für Outstanding Supporting Visual Effects in a Photoreal Feature. Damit sind unterstützende Visual Effects gemeint, die unsichtbar bzw. kaum erkennbar in einem Spielfilm sind, wie z.B. Nachbauten historischer Schauplätze, Lichteffekte oder auch Computeranimationen. Sie müssen allerdings (foto-) realistisch sein und sich möglichst unauffällig in die Handlung einfügen. Alle nicht-realistischen Elemente, wie sichtbare Science Fiction- oder Fantasy-Effekte sowie nicht-humane Charaktere fallen nicht unter diese Kategorie. Sie werden stattdessen mit dem Award für Outstanding Visual Effects in a Photoreal Feature prämiert. Dieser steht für Visual Effects, die sich explizit zeigen und für die Zuschauer_innen erkennbar sind, wie künstliche Charaktere oder herausstechende digitale und praktische Effekte (vgl. Visual Effects Society, 2016). Sowohl Blanchet als auch die Kategorisierung der VES stützen sich auf eine Dichotomie, welche die digitalen Visual Effects entweder als etwas Sichtbares und Ausgestelltes verhandelt oder als etwas, das sich unsichtbar im Hintergrund bewegt bzw. sich unauffällig in die Szenerie einfügt. Indem aber beides nicht nur explizit getrennt, sondern auch mit gegensätzlichen Attributen versehen wird, wird ein Zusammendenken oder Ineinandergreifen beider Kategorien im Keim erstickt. Den beiden Polen der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit möchte ich an dieser Stelle eine dritte Option hinzufügen, die bisher kaum beachtet wurde, obwohl es sie schon immer gegeben hat: Die Aufnahme des digitalen Visual Effect als sichtbar und unsichtbar zugleich. Dieser Möglichkeit soll sich zunächst über Christian Metz’ Ansatz der trucage genähert werden. In seinem berühmten Trucage-Aufsatz (1977 [1971]) unterscheidet Metz zwischen sichtbaren Effekten, die ohne Probleme erkannt werden können (vgl. Metz, 1977, S. 663) und unsichtbaren Effekten, die nicht oder nur kaum wahrnehmbar sind (vgl. ebd., S. 672). Was seine Theorie für die Überlegungen des Zeigens und Verbergens besonders interessant macht, ist seine Unterscheidung zweier Arten von unsichtbaren Effekten: Metz stellt den imperceptible trucages die invisible trucages gegenüber, die er auch als perceptible but invisible trucages bezeichnet (vgl. ebd., S. 664). Während sich imperceptible auf ein Nicht-Wahrnehmen der Effekte bezieht, steht invisible für ein Nicht-Erkennen der Effekte aufgrund ihrer Unsichtbarkeit.
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Da die unsichtbaren Effekte jedoch – und das ist der entscheidende Unterschied – zugleich auch wahrnehmbar oder merkbar (perceptible) sind, erahnen die Zuschauer_innen ihre Präsenz bzw. das Vorhandensein eines Effekts. Dieses vermeintliche Paradox ist für Metz eine Duplizität, die sich darin äußert, dass einerseits etwas im Effekt verborgen wird („something hidden inside it“), andererseits aber auch etwas offen gezeigt und zur Schau gestellt wird („something which flaunts itself“) (vgl. ebd., S. 665). Metzt sieht dies als ein Oszillieren, das bei den Zuschauer_innen das Bedürfnis weckt zu erfahren, wie der Effekt gemacht wurde (vgl. ebd., S. 668). Ganz ähnlich ordnet Barbara Flückiger die heutigen digitalen Visual Effects ein. Sie spricht ihnen aber nicht nur Strategien zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit oder Wissen und Nichtwissen zu, sondern auch ein Oszillieren zwischen „sichtbar-spektakulären Gesten des Zeigens und unsichtbar-unspektakulären Gesten des Verbergens“ (Flückiger, 2008, S. 365). Flückiger erwähnt hier zwar explizit die Gesten des Zeigens und Verbergens der Visual Effects, doch werden diese auch bei ihr nicht zusammen gedacht, sondern gleichsam wie bei Metz als ein Schwanken zwischen beiden Polen gesehen. Metz und Flückigers Betrachtungsweise der Effekte als ein Oszillieren zwischen zwei Polen soll für ein besseres Verständnis der heutigen digitalen Visual Effects noch folgendes hinzugefügt werden: Daneben existieren auch Visual Effects, die als sichtbar und unsichtbar, zeigend und verbergend zugleich wahrgenommen werden. Neurowissenschaftlich mag es zwar eine Verzögerung zwischen Wahrnehmen und Erkennen geben, ein – wie William Brown es in Bezug auf den Film umformuliert hat – „delay between showing and telling“ (Brown, 2011, S. 53), wenn das Bild für einen Mikromoment als Spektakel wahrgenommen wird und erst kurz darauf in seinem Wesen erkannt werden kann. Dennoch möchte ich für ein zugleich plädieren, da es hier um etwas anderes geht: Eine Gleichzeitigkeit, die der Effekt transportiert und die nichts mit einer Wahrnehmung im neurologischen Sinne zu tun hat, auch wenn diese mitschwingen mag. Gleichzeitigkeit verstehe ich als etwas, das kein Pendeln zwischen zwei distinkten Merkmalen ist, sondern das sich dadurch auszeichnet, dass zwei Merkmale ununterscheidbar voneinander existieren. Die Pole sind miteinander verbunden und kommen daher in Korrealität vor – in einem
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Doppelgestus. Auch wenn nicht immer klar entschieden werden kann, welche der Gesten gerade wirkt, kann potentiell immer beides existieren. Folgt man Warren Bucklands Behauptung, dass, gemessen an der Gesamtheit aller Effekten in einem Film, die unsichtbaren Effekte 90 Prozent davon bestreiten (vgl. Buckland, 1999, S. 184), so impliziert dies, dass im digitalen Zeitalter ein vergleichsweise hoher Anteil an unbemerkten Effekten einem verhältnismäßig kleinen Anteil von erkennbaren Effekten gegenüber steht. Dies wiederum legt nahe, dass die Zuschauer_innen den Großteil der Effekte im Grunde genommen nicht erkennen können. Wenn sich unsichtbare Effekte jeglicher Wahrnehmung entziehen, würde dies bedeuten, dass nur ein schwindend kleiner Anteil der Visual Effects untersucht werden könnte. Buckland führt nicht weiter aus, welche Effekte für ihn unsichtbar sind, daher könnte es sein, dass er darunter auch kosmetische Eingriffe zählt, wie Farbkorrekturen oder das Retouchieren ungewollter Objekte im Bild (z.B. Kabel), die tatsächlich nicht wahrnehmbar und damit unsichtbar sind. Doch sind dies keine Visual Effects, da sie lediglich das Bild bereinigen. Am ehesten sind solche Eingriffe mit den von Metz titulierten imperceptible trucages zusammenzubringen. Betrachtet man die 90 Prozent unsichtbaren Effekte jedoch unter dem Doppelgestus einer Gleichzeitigkeit von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, dann ergibt sich daraus eine neue, bisher unbeachtete Perspektive auf die Visual Effects. Wie auch Metz herausgestellt hat, gibt es unsichtbare und trotzdem wahrnehmbare Effekte. Da der Begriff der Unsichtbarkeit jedoch etwas irreführend ist, möchte ich hier vor dem Hintergrund, dass sich Special Effects im Vergleich zu Visual Effects separierter und auffälliger im Filmbild verhalten, dafür plädieren, bei digitalen Visual Effects von einer nahtlosen Integriertheit zu sprechen. Gerade weil Effekte auch in hybriden Bildtypen vorkommen können, deren Filmbilder nicht ausschließlich animiert, sondern als Live-Action aufgenommen werden können, werden Visual Effects ästhetisch oft so gestaltet, dass sie vom Rest der Filmbilder ununterscheidbar sind. Beide Ebenen werden dazu möglichst nahtlos zusammengefügt, damit die Effekte nicht herausstechen und separiert wirken. Die Visual Effects müssen dafür zwar ihren künstlichen Charakter verbergen und sich in das bestehende Bild integrieren, doch macht dies die Visual Effects nicht davon frei, auch erahnt oder wahrgenommen zu werden, als perceptible but invisible trucages. Dies lässt sich gut an der Rezeption der
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Visual Effects in einschlägigen Magazinen der VFX-Community belegen (wie z.B. Animation World Network oder VFXWorld Magazine1). Gleichsam der Making-Ofs sind diese Hintergrundartikel auch als Teil der Begleitmedien zu betrachten. Auffällig ist, dass darin meistens die nicht erkennbaren Effekte vorgestellt werden. Dahinter lässt sich die Strategie erkennen, auf die verborgenen Effekte zu zeigen, um die innovative Arbeit der VFX-Künstler_innen herauszustellen. Zur Untermauerung werden konkrete Zahlen genannt, beispielsweise von den 300 unauffällig integrierten Visual Effects-Aufnahmen in dem Film FLORENCE FOSTER JENKINS (USA 2016, Stephen Frears) gesprochen, um darüber die grandiose Arbeit der Londoner Firma Union VFX an diesen Visual Effects herauszustellen (vgl. AWN Staff Editor, 2016). Der Gestus des Zeigens auf das Verborgene dient hier zur Wertschätzung der (Design-)Arbeit. Da die Visual Effects trotz ihrer nahtlosen Integriertheit wahrnehmbar sein müssen, um wertgeschätzt zu werden, entsteht folgende Situation: Einerseits werden die Visual Effects als verborgen und unsichtbar statuiert, andererseits aber werden sie ausgerechnet durch den Gestus des Zeigens, durch das Thematisieren und Ausstellen sichtbar gemacht und zeigen sich als integrierte Visual Effects. Beides geschieht gleichzeitig. Das Zeigen der digitalen Visual Effects setzt sich jenseits des Films fort, daher spielt es keine Rolle, ob die Visual Effects tatsächlich unsichtbar sind. Denn die Zuschauer_innen erahnen nicht mehr nur den Effekt (wie es Metz oben formuliert hat), sondern sie wissen potentiell bereits um seine Existenz und sehen sich womöglich aufgrund dessen den Film erst an – um diese Effekte selbst zu erleben. Die digitalen Visual Effects zeugen daher von einem Doppelgestus, etwas unsichtbar machen zu können (zu verbergen), gleichzeitig aber genau das Verborgene sichtbar machen zu wollen (zu zeigen). Um Visual Effects in ihrem vollen Umfang erleben und bewundern zu können, muss diese Doppelposition existieren. Dieses Konzept soll nun auf die Beziehung von Attraktion und Narration übertragen und überprüft werden.
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Siehe zu Animation World Network: http://www.awn.com bzw. zu VFXWorld Magazine: http://www.awn.com/vfxworld (zuletzt gesehen am: 4.1.2018).
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2.2 ATTRAKTION UND NARRATION In dem Diskurs zu dem filmischen Verhältnis von Attraktion und Narration kommt Tom Gunnings Aufsatz zum Kino der Attraktionen eine zentrale Bedeutung zu. Gunning legte 19862 dar, dass das Attraktionskino vor 1906 die Fähigkeit besitzt habe „etwas zu zeigen“ (Gunning, 1996, S. 27, Herv. i. O.)3. Gunning entlieh seinen Attraktionsbegriff von Sergej Eisenstein, der diesen zunächst auf einen Modus für die aggressive Wirkung des Theaters bezog. In den 1920er Jahren formulierte Eisenstein ein ästhetisches und künstlerisches Konzept für den Film: Die Montage der Attraktionen. Mittels der Montage sollten Attraktionen, die aus Überraschungs- und Schockmomenten bestanden, bestimmte Reize auslösen und auf die Sinne und Psyche der Zuschauer_innen einwirken. Eisenstein ließ konträre Bilder aufeinanderprallen, um eine bewusste Störung hervorzurufen und die Zuschauer_innen aufschrecken zu lassen (vgl. Eisenstein, 2003, S. 61). Dies findet in einer Szene des Films STATSCHKA (СТАЧКА) (UdSSR 1925, Sergei Michailowitsch Eisenstein) seinen Höhepunkt: Um zum Nachdenken anzuregen, kombinierte Eisenstein Bilder einer Tierschlachtung mit Bildern von Streikenden, die von Kapitalisten ermordet werden und setzte damit metaphorisch Kapitalisten mit Schlachtern gleich. Gunning bezeichnete den frühen Film vor 1906 erst Jahrzehnte nach Eisenstein als Kino der Attraktionen und schuf damit ein bis heute weit verbreitetes Sinnbild. Sein Attraktionsbegriff gleicht insofern dem von Eisenstein, als dass das Kino der Attraktionen bei den Zuschauer_innen Aufmerksamkeit erregte, sie visuell direkt ansprechen wollte und Schockeffekte einsetzte. Während es Eisenstein allerdings darum ging, die Zuschauer_innen affektiv an ein intellektuelleres Verständnis heranzuführen, ver-
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Der Aufsatz erschien erstmals 1986 unter dem englischen Titel „The Cinema of Attraction: Early Film, Its Spectator and the Avant-Garde“ in Wide Angle, Vol. VIII, No. 3-4. Im folgenden werde ich mich jedoch auf die deutsche Version beziehen, die erst 1996 veröffentlicht wurde.
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André Gaudreault hat Filmbilder, die etwas zeigen, anstatt zu erzählen, auch mit dem Terminus monstration belegt (vgl. Gaudreault, 1987), der hier analog zu Gunnings Attraktionsbegriff im frühen Kino vor 1906 zu lesen ist.
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folgte das Kino der Attraktionen, das noch den Jahrmarktstraditionen verhaftet war, ein anderes Ziel: Es wollte Vergnügen bereiten. Die filmischen Attraktionen bestanden hauptsächlich darin, die geschlossene, fiktive Welt des Films spielerisch aufzubrechen, beispielsweise durch direkte Blicke, Gesten oder Grimassen in die Kamera, wie in der berühmten Schlussszene von THE GREAT TRAIN ROBBERY (USA 1903, Edwin S. Porter). Dort blickt der Anführer der Räuber direkt in das Kameraobjektiv, zieht seine Pistole und schießt auf die Linse (oder gleichsam auch auf das Publikum). In HOW IT FEELS TO BE RUN OVER (UK 1900, Cecil M. Hepworth) wird ähnlich agiert, doch ist die Attraktion hier ein Auto, das in die Kamera (oder in den Publikumsraum) hineinfährt. Und in THE BIG SWALLOW (UK 1901, James Williamson) wird die Kamera selbst (oder gleichsam die Zuschauer_in) von einem aufgerissenen Mund verschlungen. Diese Schockeffekte mögen die Zuschauer_innen aufgeschreckt haben, indem eine Grenze, die Vierte Wand, überschritten wurde. Gleichzeitig aber waren sie auch unterhaltend, denn neben der vermeintlichen Gefahr oder dem visuellen Schock löste sich am Ende alles auf und nichts geschah, ähnlich wie bei L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT4. Es war nur ein Schockeffekt, mit dem die fiktive Welt des Films vorgeführt wurde. Ein Erzählkino hatte sich im frühen Kino noch nicht durchgesetzt. Georges Méliès argumentierte als Vertreter dieses frühen Attraktionskinos, dass die Narration lediglich der Rahmen zum Einsatz seiner Tricks war, um mit ihnen die Möglichkeiten des Films zeigen zu können (vgl. Gunning, 1996, S. 26). Effekte standen im frühen Kino als Attraktion im Mittelpunkt,
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Da die frühen Attraktionsfilme häufig auf Jahrmärkten von Schausteller_innen gezeigt wurden, denen es hauptsächlich um die Hervorhebung der Attraktionen ging, um die Zuschauer_innen anzulocken, ist es schwierig, über die genauen Reaktionen der Zuschauer_innen zu schreiben – auch weil die Filme nicht überall in einer homogenen Version gezeigt wurden. Um einzelne Attraktionen herauszustellen, nahmen die Schausteller_innen nicht nur selbst Schnitte am Material vor, sondern sie verstärkten zusätzlich die Szenen mit Geräuschen. Dies fand allerdings 1902 sein Ende, als in den USA das Gesetz zum Urheberschutz (und damit indirekt auch zur Autorenschaft) verabschiedet wurde. Ab diesem Zeitpunkt durfte die Reihenfolge der Bilder nicht mehr verändert werden.
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ähnlich wie dies bereits im Vaudeville, Varieté- und Magietheater der Fall war. Die Annahme, dass die Attraktionen im frühen Kino vorrangig zeigen und nicht erzählen wollten, ist nicht ganz unproblematisch, zumal sie auch analog auf das heutige Kino gesehen wird. Gunning verwendete die Begriffe Attraktionen, Spektakel und Effekte synonym und führte sie auf das gleiche Phänomen zurück. Konkret bezeichnete er das Kino seit Mitte der 1970er Jahre (namentlich erwähnt er die Filmemacher George Lucas, Steven Spielberg und Francis Ford Coppola) als eine Rückwendung hin zu einem Kino der Attraktionen und nennt es Spektakelkino und Kino der Effekte (vgl. ebd., S. 34). Damit unterstellt er, dass das Blockbusterkino bzw. das postklassische Kino ausschließlich auf das Zeigen der Effekte aus sei und sich nicht auf die Erzählung konzentriere, sondern stattdessen seine Spezialeffekte ausstellen möchte. In der Filmwissenschaft haben sich daher folgende Vorwürfe verbreitet: Effekte seien ein Störfaktor, weil sie die Narration unterbrechen; als Antithese der Narration seien sie diskontinuierlich, alleinstehend und herausstechend; sie drängen sich in den Vordergrund, um jede Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; sie agieren nur rein visuell und sind daher ein leeres Spektakel ohne Bedeutung (vgl. Hansen, 1994; vgl. Darley, 2000, S. 104; vgl. Strauven, 2006, S. 11). Gunning mag als ein Vertreter zu jenen Vorbehalten gegenüber Effekten beigetragen haben, da sein Konstatieren auf eine Rückkehr des Attraktionskinos dies nahegelegt hat. Doch darf der zeitliche Kontext dabei nicht übersehen werden, denn Gunning bezieht sich auf ein Kino der 1970er und 1980er Jahre, wo weitgehend noch technische Spezialeffekte eingesetzt wurden. Was in dieser Publikation aber unter digitalen Visual Effects verstanden wird, etablierte sich erst ab diesem Zeitpunkt. „Spielbergs/Lucas’/Coppolas Kino der Effekte“ (Gunning, 1996, S. 34) markierte in den 1980er Jahren den Beginn einer nicht absehbaren Entwicklung. Dass Gunnings Verständnis heute noch so weitergegeben wird, beruht zum größten Teil auf Diskursen aus verschiedenen theoretischen Ansätzen der 1970er und 1980er Jahre. Die Verwendung und Kombination der Begriffe Spektakel und Narration lässt sich mit Guy Debord und Laura Mulvey verknüpfen. In seinem Buch Die Gesellschaft des Spektakels (1978) definierte Debord das Spektakel als etwas Visuelles, das die Gesellschaft dominiert, das „jeden Blick und jedes Bewusstsein auf sich [zieht]“ (Debord, 1978, S. 3). Die Visualität
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bezog Debord allerdings nicht auf einen filmischen Diskurs. Vielmehr ging es ihm um eine Metaphorik für die moderne Gesellschaft seit dem zweiten Weltkrieg, um „ein durch Bilder vermitteltes gesellschaftliches Verhältnis zwischen Personen“ (ebd.). Seine Theorie ist aber insofern bedeutend, als dass der Begriff des Spektakels kurze Zeit später in der Filmtheorie aufgegriffen und auf den Film übertragen wurde. Laura Mulvey sah 1975 in ihrem viel zitierten Aufsatz Visuelle Lust und narratives Kino (2001)5 eine Dialektik zwischen Spektakel und Narration. Diese äußert sich dadurch, dass die Narration während des Spektakels zugunsten eines visuellen Vergnügens unterbrochen wird, wenn der weibliche Körper in den Mittelpunkt gestellt wird. Die männliche Figur kann ihn bestaunen und mit ihr der voyeuristische männliche Zuschauer. Besonders wegweisend und wichtig war in Mulveys Aufsatz vor allem das Thema Gender. Wenn allerdings Scott Bukatman den Versuch wagt, das GenderThema aus Mulveys Aufsatz herauszulassen, dann bleibt eine Theorie des Spektakels aus den 1970er Jahren übrig, als sich in der Filmwissenschaft gerade erst eine narrative Theorie formierte (vgl. Bukatman, 2006, S. 71). Da noch nicht alle Positionen der Narration ausgearbeitet waren, verwundert es nicht, dass für Mulvey zu jenem Zeitpunkt das Spektakel als Abweichung der filmischen Narration galt. Entscheidend ist jedoch, dass dieser Vorwurf auch darüber hinaus bestehen blieb. Dafür verantwortlich sind vor allem einflussreiche Theoretiker der filmischen Narration wie David Bordwell und Kristin Thompson. Sie definierten ein klassisches Erzählkino, das mit dem Gestus des Verbergens zusammen gebracht werden kann. Bordwell hielt fest, dass die Zuschauer_innen nur dann in einen Film eingebunden werden können, wenn das eigentliche Konstrukt der Narration verborgen, die Erzählenden unsichtbar blieben (vgl. Bordwell, 1985, S. 58ff). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass alle Elemente, welche die Aufmerksamkeit bewusst auf sich ziehen, aus der Diegese herausstechen, sich zeigen und daher im klassischen Hollywoodfilm möglichst minimiert werden sollen. Effekte wären in diesem Sinne ein Störfaktor für die Narration. Indem Effekte ihre eigene Aufmerksamkeit beanspruchen, fallen sie aus dem Kontext heraus, so dass die Narration nicht mehr unauffällig voranschreiten kann, sondern unterbro-
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Der Aufsatz erschien erstmals 1975 unter dem Titel Visual Pleasure and Narrative Cinema in Screen, 16 (3), 1975, S. 6-18.
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chen wird. Für Kristin Thompson ist solch ein Störfaktor ein filmischer Exzess, etwas das „counternarrative“ (Thompson, 1977, S. 57) und „counterunity“ (ebd.) ist, ein Gegenpol zur narrativen Einheit, worunter auch Spezialeffekte gezählt werden können. Dies wirft folgende Problemstellung auf: Zwar kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass es einzelne Filme gegeben hat und geben mag, die einem filmischen Exzess nahe kommen, weil ihre Effekte hauptsächlich bewundert werden wollten und die narrativen Elemente minimal sind. Doch bezieht sich der Exzess, so wie auch Gunnings Verständnis der Attraktionen, auf eine direkte Adressierung. Hier wird etwas beschrieben, das die Zuschauer_innen so zu überwältigen scheint, dass sie parallel nichts anderes mehr aufnehmen können. Spektakuläre Bilder, Effekte und Attraktionen werden so verhandelt, als würden sie die Zuschauer_innen von jeglichem Urteilsvermögen und jeder Kritik entbinden. Diese Auffassung ist äußerst kritisch, da sie ein intensives Nachdenken über Effekte und eine Analyse der Effekte hemmt. Warum bisher so wenig zu Filmeffekten geforscht wurde, könnte an jener Auffassung einer gestörten Beziehung zwischen Attraktion und Narration liegen. Problematisch ist zudem, dass jenes Verständnis auch die Existenz eines homogenen narrativen Films unterstellt, dessen Kohärenz im modernen Kino der Effekte verloren gegangen sei. Die Versteifung auf ein klassisches Erzählkino legt nahe, dass bestimmte vorherrschende Charakteristika im post-klassischen Film verschwunden seien. Wie Geoff King und Thomas Elsaesser jedoch herausgestellt haben, hat es filmhistorisch nie so etwas wie eine narrative Geschlossenheit gegeben, auch können Spektakel und Narration nicht voneinander getrennt betrachtet werden (vgl. King, 2000, S. 2; vgl. Elsaesser, 2006, S. 216). Narration war schon immer eine von vielen unterschiedlichen Dynamiken, die im Film zusammenwirkt. Da Effekte von Anfang an Bestandteil des Films waren, wurden selbst in einem klassischen Hollywoodkino, wenn man es so bezeichnen mag, Spezialeffekte wie Matte Paintings, Stop Motion etc. eingesetzt. Nicht zuletzt belegen das die jährlich vergebenen Academy Awards in den entsprechenden Kategorien. Es existiert kaum ein Spielfilm, der ohne Narration auskommen würde, selbst wenn es stets Strategien zum Aufbrechen narrativer Zusammenhänge gegeben hat. Filme wie MEMENTO (USA 2000, Christopher Nolan) oder CITY OF HOPE (USA 1991, John Sayles) haben trotz ihres Experimentierens mit und Dekonstruierens von bestehenden Erzählstrukturen eine narrative Ebene,
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auch wenn sie anderen Prinzipien und Strukturen folgen. Am Ende wird immer alles aufgelöst und dadurch nachvollziehbar (vgl. Prince, 2010, S. 252f). Das Verhältnis zwischen Narration und Attraktion/Spektakel/Effekten hat sich dennoch in den letzten Dekaden verändert. Ebenso wie sich auch neue Narrationsmodelle abseits einer klassischen Zuordnung durchgesetzt haben, haben sich auch digitale Visual Effects aus den Tricks und Spezialeffekten heraus weiterentwickelt. Denn wie bereits beschrieben, sind digitale Visual Effects heute integrierter und müssen sich deswegen auch anders zur Narration verhalten. Begriffe wie Narration, Attraktion und Spektakel müssen daher neu ausbalanciert werden, da in aktuellen Filmen eine andere narrative Dynamik der Narration zu erkennen ist. Geoff King hat in seinem gleichnamigen Buch zu Spectacular Narratives (vgl. King, 2000, S. 2) versucht, eine neue Form des Erzählens zu beschreiben, die zwar nicht immer hoch komplex sein mag, aber dennoch zeigt, dass auch mit und durch Effekte eine Geschichte erzählt werden kann. Es wäre gegenwärtig der falsche Ansatz, Attraktion und Narration im heutigen Kino gegeneinander auszuspielen, zumal sie filmgeschichtlich immer schon zusammengehört haben. Darüber hinaus wurde kein Film jemals so konstruiert, dass Attraktion, Spektakel oder Narration ganz für sich alleine standen. Attraktionen waren nie nur ein reiner visueller Reiz, auch wenn der frühe Film und die prä-kinematischen Attraktionen die Zuschauer_innen visuell schockieren wollten. In erster Linie sollte der Film Vergnügen bereiten. Dies entstand nicht nur aus dem rein Visuellen, sondern auch über die Narration. So priesen bereits die Schausteller_innen auf den Jahrmärkten ihre Guckkästen als Attraktionen an, erzählten den Besucher_innen aber gleichzeitig, welche Kuriositäten sie erwarten würden. Auch Vortragenden bei den bewegten Panoramen kommentierten nicht nur das Gezeigte, sondern wollten durch ihre Erzählung zwischen Attraktion und Publikum vermittelten. Ebenso waren auch die Phantasmagorien in eine Narration eingebettet, um die schaurige Präsentation rundum perfekt wirken zu lassen. Aufgrund der Definition eines klassischen Erzählkinos (David Bordwell und Kristin Thompson) sowie eines Kinos der Attraktionen (Tom Gunning) wurde sich überwiegend darauf konzentriert, Visual Effects als Unterbrechung der Narration zu sehen. Dadurch wurde übersehen, dass Visual
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Effects auch die Narration vorantreiben können. Da digitale Visual Effects immer mehr Filmzeit einnehmen, müssen sie sich in narrative Strukturen aneignen und sich integrieren, sonst würde sich kein Film mehr erzählen lassen. Die Tendenz, digitale Visual Effects stärker an die Narration zu knüpfen, ist verstärkt seit den 1990er Jahren zu beobachten. Es genügt daher nicht mehr, alte Konventionen nur zu hinterfragen, sondern neue Zugänge und Methoden zur Beschreibung eines neuen Phänomens müssen gefunden werden. Um produktiv über das veränderte Verhältnis der digitalen Visual Effects nachzudenken, ist eine andere Lesart der Narration notwendig. Aylish Wood (2002) hat dies mit ihrem Konzept des timespace und Kristen Whissel (2014) mit ihrem Konzept des Emblems versucht. Aylish Wood nimmt in ihrer Untersuchung Abstand von der filmhistorischen Betrachtung der Narration als zeitliche Abfolge und des Raumes als untergeordnetes, unterstützendes Element. Sie denkt stattdessen die beiden vermeintlichen Gegensätze Zeit und Raum als timespace zusammen und spricht dem Raum damit eine bisher nicht mitgedachte zeitliche Komponente zu (vgl. Wood, 2002, S. 370ff). Wenn Wood nun Visual Effects als timespace betrachtet, dann werden den Effekten infolgedessen auch räumliche und zeitliche Komponenten zugordnet. Inwiefern mit dieser Zuschreibung auch andere Strategien der digitalen Visual Effects herausgelesen werden können, lässt sich am Beispiel des Films TITANIC (USA 1997, James Cameron) aufzeigen. Der größte Visual Effect dieses Films ist die Titanic. Die Details jenes Luxusdampfers stellen sich gleich am Anfang des Films über eine Kamerafahrt entlang des Schiffs aus. Dieses Zeigen ist aber keine Unterbrechung der Handlung, sondern es trägt zum weiteren Verlauf des Films bei. Die langen Einstellungen mögen zwar dazu dienen, die Visual Effects zu zeigen und auf sie zu zeigen, damit sie bewundert werden können, doch unterbrechen sie nicht die Handlung, sondern sind gleichzeitig auch narratives Element, da sie zu dem weiteren Fortgang der Handlung beitragen. Gerade das Sinken der Titanic ist die zentrale Komponente der Narration, galt das Schiff doch als unsinkbar. Für Wood werden Visual Effects durch ihre zusätzliche narrative Dimension zu mobilen Agenten der Narration. Wenn die computergenerierten Tornados in TWISTER gezeigt werden, beanspruchen sie zwar ihre eigene Filmzeit, sind aber gleichzeitig auch narrativ, da sie von dem Ausmaß der Naturge-
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walt erzählen. Ähnlich verhält es sich in THE PERFECT STORM (USA 2000, Wolfgang Petersen). Dort sind die Bilder des Atlantiks als digitale Visual Effects nie bloßer Hintergrund, sondern da sie sich im Laufe der Handlung verändern, sind sie auch ein narratives Element. Die Effekte der Wellen zeigen sich nicht nur, sondern sie erzählen gleichzeitig auch von der Kraft des Sturms (vgl. ebd., S. 372ff). In diesem Sinne können Attraktion und Narration auch als Gesten des Zeigens und Verbergens gelesen werden. In Zusammenhang mit den Effekten ist die narrative Ebene als ein Gestus des Verbergens zu verstehen. Denn die digitalen Visual Effects zeigen ihre Effekthaftigkeit nicht bloß, indem sie sich als Attraktion ausstellen, sondern da sie gleichzeitig visuell auch als narratives Element integriert werden, verbergen sie über die narrative Ebene zugleich auch ihre Effekthaftigkeit. Beides findet gleichzeitig statt und greift ineinander. Eine andere Lesart für digitale Visual Effects liefert auch Kristen Whissel (2014) mit ihrem Konzept des Emblems. Stellten Embleme als künstlerische Medienform des 16. und 17. Jahrhunderts Bedeutungszusammenhänge über Bilder und Texte her, so versucht Whissel diese Zusammenhänge nun über die digitalen Visual Effects und ihre Thematiken herauszuarbeiten. Ihr Ausgangspunkt ist es, dass digital produzierte Effekte in den Filmen selbst zum Ausdrucksmittel für zeitaktuelle Ängste und Wünsche werden (vgl. Whissel, 2014, S. 171). Die digitalen Visual Effects sind für sie in einen Dialog eingebettet, der davor, danach oder währenddessen stattfindet. Dabei agieren Bild und Text, also Visual Effects und Narration zusammen und bedingen sich gegenseitig. Die Narration lenkt die Bedeutung der Effekte und die Visual Effects geben der Narration Sinn und Dramatik (vgl. ebd., S. 175). In dem Verständnis digitaler Visual Effects als Embleme gelten die Effekte ebenfalls als etwas, das unmittelbar mit der Handlung verknüpft ist. Anhand der beiden in Kürze dargestellten Konzepte – timespace und Emblem – wird deutlich, dass die Strategien und Erscheinungsweisen digitaler Visual Effects nicht mehr kategorisch als gegensätzlich oder abgetrennt von der Narration betrachtet werden können. Das Bild des Emblems6 kann dabei helfen, die Funktion von digitalen Visual Effects besser
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Auch Noël Burch hat bereits von Emblemen gesprochen, genauer gesagt einem emblematic shot, der im frühen Film um 1903 aufkam. Meistens war es ein Bild der Figur im Film, die das Publikum direkt ansah und nicht zur Narration gehör-
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zu beschreiben. Denn ebenso wie die Bilder in den Emblem-Büchern nur mit ihren Begleittexten und Epigrammen aufgenommen werden sollen, verfolgen auch digitale Visual Effects die Strategie zusammen mit ihren Begleitmedien eingelesen zu werden. Die Gesten des Zeigens und Verbergens gehen einerseits so gut zusammen, da die Effekte und ihre BegleitBegleitmedien zusammen gelesen werden. Andererseits funktionieren diese auch, da die Visual Effects selbst zum narrativen Element innerhalb des Films geworden sind und damit ihre Effekthaftigkeit gleichzeitig zeigen und verbergen. Wenn Scott Bukatman 2015 heutige Filme als „extended special-effects sequences“ (Bukatman, 2015, S. x) sieht, dann impliziert er damit, dass digitale Visual Effects, in welcher Form auch immer, sich auf den ganzen Film ausgebreitet haben. Folgt man dieser Behauptung, dass der heutige Film eine einzige Effekt-Sequenz ist, dann ergibt sich daraus zweierlei: Da erstens kein Spielfilm ohne Narration auskommt, bedeutet dies wiederum, dass digitale Visual Effects narratives Element sein müssen, wenn sie sich auf den ganzen Film ausbreiten. Zweitens sagt dies gleichzeitig aus, dass Visual Effects zur Norm des Filmemachens geworden sind und nicht mehr wegzudenken sind. Das gegenwärtige Verhältnis von Attraktion und Narration hat sich im populären Hollywood-Kino verändert. Effekte und Narration sind heute so eng miteinander verknüpft, dass sie faktisch untrennbar sind. Digitale Visual Effects sind selbst zum narrativen Element des Films geworden. Dies äußert sich insbesondere dadurch, dass die digitalen Visual Effects einzelne Szenen narrativ unterstützen oder verstärken. Da der filmische Schauplatz der Narration immer schon ein visueller gewesen ist, bietet dieser Zugang eine Möglichkeit, Attraktion und Narration, Zeigen und Verbergen als einen Doppelgestus zu denken, als ein gleichzeitiges Zeigen und Verbergen.
te, wie beispielsweise die berühmte Aufnahme eines in die Kamera schießenden Räubers in THE GREAT TRAIN ROBBERY (USA 1903, Edwin S. Porter) (vgl. Burch, 1990, S. 193). Jedoch, wie Gunning aufgezeigt hat, gab es 1903 noch keinen narrativen Film. So kann solch ein emblematic shot zwar als Attraktion gesehen werden, verfolgte aber eine andere Strategie als die heutigen digitalen Visual Effects und ist daher nicht gleichzusetzen mit Whissels Verwendung des Begriffs des Emblems.
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Attraktion und Narration sollten daher hinsichtlich der digitalen Effekte nicht länger als, wie Geoff es bezeichnet hat, „dialectical interchange“ (King, 2000, S. 36), also als Wechselspiel, betrachtet werden. Stattdessen sollten sie als ein Miteinander und ein Ineinandergreifen, als ein Doppelgestus, begriffen werden, bei dem beides untrennbar voneinander ist. Es mag im Zweifelsfall nicht immer leicht zu unterscheiden sein, welche Geste gerade von der einzelnen Zuschauer_in wahrgenommen wird, genauso wie es immer noch Effekte geben mag, die nur zeigen oder nur verbergen wollen. Entscheidend ist jedoch, dass die digitalen Visual Effects auch diesen dritten Gestus eines gleichzeitigen Zeigens und Verbergens transportieren. Zeigen und Verbergen oszillieren nicht notwendigerweise zwischen den jeweiligen Polen, wie es hinsichtlich der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Flückiger und Metz oder hinsichtlich der Attraktion und Narration von Bordwell und Thompson beschrieben wurde, sondern beide Pole können gemeinsam und ununterscheidbar voneinander in einem dritten Gestus existieren. Dies soll nun anhand von Filmbeispielen mit digitalen Visual Effects belegt werden. Der Doppelgestus – einerseits Teil der diegetischen Welt des narrativen Spielfilms zu sein und sich andererseits als Sensation und Effekt auszustellen – zeigt sich besonders in den digitalen Visual Effects der virtuellen Kamera und des digitalen Körpers. Beide Effekttypen sind in den letzten beiden Dekaden besonders stark vertreten. An unterschiedlichen Filmszenen und dazugehörigen Begleitmedien soll die Transformation digitaler Visual Effects im Vergleich zu filmhistorischen Effekten skizziert werden, um den Doppelgestus der digitalen Visual Effects darzulegen. Da es ausschließlich um den digitalen Visual Effect und seine Gesten des Zeigens und Verbergens geht, wird nicht zwischen einzelnen Genres unterschieden. Der Doppelgestus zeigt sich in allen Genres gleichermaßen – ganz gleich ob Historiendrama, Agententhriller, Fantasyfilm, Melodrama, Kriegsfilm, Katastrophenfilm, Actionfilm, Science-Fiction-Film oder Horrorfilm. Trotzdem wurde eine Auswahl der Filme dahingehend getroffen, dass vor allem US-amerikanische Filmen berücksichtigt werden, die bei den Academy Awards einen Oscar für beste Visual Effects gewonnen haben. Diese Beispiele sind populäre Filme, denen – nicht zuletzt auch durch die Auszeichnung sowie die hohen Besucherzahlen – eine besonders hohe
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Aufmerksamkeit zukommt. Im Anhang ist eine Auflistung aller OscarGewinner seit 1963 für beste Visual Effects zu finden.
IV. Digitale Visual Effects als Doppelgestus im populären Hollywood-Kino
1. Digitaler Körper als Visual Effect
1.1 HISTORISCHE VORGÄNGER: ZEICHENTRICK, ANIMATION UND HYBRIDER REALFILM Im populären Hollywood-Spielfilm gibt es seit der Jahrtausendwende vermehrt den Visual Effect eines digitalen Körpers. Er zeigt sich entweder als die Animation einer Fantasiekreatur mit menschlichen Zügen oder als digitaler menschlicher Körper, in dem noch etwas Humanes mitgetragen werden soll. Daher kann dieser Effekt auch als digitaler humanoider Körper bezeichnet werden. Darstellungen von künstlich generierten humanoiden Körpern gab es bereits im analogen Zeitalter im Zeichentrick- und Animationsfilm. Märchenwesen und Tiere sahen insbesondere in den frühen Disney-Filmen nicht nur menschenähnlich aus, sie besaßen auch menschenähnliche Charaktereigenschaften, wie z.B. die sieben Zwerge in SNOW WHITE AND THE SEVEN DWARFS (1937), der Bär Balu und der Tiger Shir Khan in THE JUNGLE BOOK (USA 1967, Wolfgang Reitherman) oder die Figuren Mickey Mouse, Donald Duck etc.. Das Prinzip, sprechende, menschenähnliche Figuren im Film einzusetzen, ist daher in der Figurenanimation nicht neu und wurde auch von den Pixar-Studios digital weiterverfolgt. 1979 gründete George Lucas innerhalb von Lucasfilm eine Abteilung aus Computerspezialist_innen zur Entwicklung von Computergrafiken für die Filmindustrie. Steve Jobs kaufte diese Abteilung 1986 auf und ließ drei Jahre später unter dem Namen Pixar die Software RenderMan zur Generierung von Computergrafiken für den Film entwickeln. 2006 wurde Pixar von den Walt Disney Studios übernommen, mit denen sie seit 1991 zusammen gearbeitet
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hatten1. Der erste vollständig am Computer generierte Langfilm entstand 1995. In jenem Film, TOY STORY (USA 1995, John Lasseter), sind diese humanoiden Charaktere animierte Spielzeugfiguren, wie der CowboySheriff Woody und der Space-Ranger Buzz Lightyear. Da es sich bei TOY STORY, ebenso wie bei den meisten Pixar-Filmen, um ausschließlich von Hand bzw. am Computer animierte Filme handelt, sollen diese humanoiden Darstellungsformen hier nicht weiter untersucht werden, da sie keine einzelnen Effekte sind, sondern der ganze Film auf dem Prinzip der Animation beruht und Realaufnahmen ausschließt. Da der Untersuchungsgegenstand digitaler Visual Effects in dieser Studie Live-Action-Spielfilme sind, sollen nur jene Filme betrachtet werden, die auch Realaufnahmen beinhalten. Filmhistorisch waren humanoide animierte Körper in Realfilmen zum ersten Mal in sogenannten Misch- oder Hybridfilmen zu sehen, die es bereits im frühen Film gab. Entweder wurden Schauspieler_innen vor gemalten Matte Paintings in Szene gesetzt, oder animierte Charaktere wurden mit Live-Action-Schauspieler_innen in ein Filmbild eingefügt. Dies wurde durch das Verfahren des Visual Compositing möglich, bei dem traditioneller Zeichentrick mit Live-Action am Optischen Printer zusammengesetzt wurde. Ein frühes Filmbeispiel ist GERTIE THE DINOSAUR (USA 1914, Winsor McCay). In diesem Film von 1914 gibt es zwar noch keine Kombination aus Live-Action und bewegter Animation in einem einzigen Bild, doch sind beide Bildtypen Bestandteil des Films. In GERTIE THE DINOSAUR gibt es einen Animationsteil und eine Live-Action-Rahmenhandlung. In der Rahmenhandlung wettet der Comiczeichner (und Regisseur des Films) Winsor McCay mit seinen Freunden, dass er den gezeichneten Dinosaurier Gertie zum Leben erwecken kann. Gerties Erscheinen als bewegte Figur wird von McCay über einen Zwischentitel in diesem Stummfilm folgendermaßen angekündigt: „Gertie, - yes, her name is Gertie, - will come out of that cave and do everything I tell her to do“2. War vorher nur eine unbewegte Zeichnung zu sehen, die McCay gezeigt hat, so wird diese nun ins
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Seitdem Pixar zu der Walt Disney Motion Pictures Group gehört entstanden zahlreiche computeranimierte Filme. Siehe auch: https://www.pixar.com/ourstory-1#our-story (zuletzt gesehen am: 4.01.2018).
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Siehe https://www.youtube.com/watch?v=YbQqvl0gstI (zuletzt gesehen am: 4.01.2018), TC 00:06:51.
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Zentrum des Filmbilds gerückt und animiert: Gertie kommt langsam aus der Höhle heraus und präsentiert sich als bewegter Dinosaurier im Filmbild. Im Laufe dieses Kurzfilms ist Gertie schließlich in Aktion zu sehen: beim Verbeugen, Nicken, Kopfschütteln, Tanzen, Ärgern, Essen und Trinken. Obwohl McCay und Gertie nicht in einem diegetischen Bild zu sehen sind, interagieren sie trotzdem miteinander. McCay sagt dem Dinosaurier als Schöpfer (zu lesen in den Zwischentiteln), was dieser tun (oder nicht tun) soll und Gertie reagiert entsprechend darauf. Gertie kann als humanoide Figur gelesen werden: Der Dinosaurier reagiert unterschiedlich auf McCay, ist ungehorsam und widerspenstig, flunkert ihn sogar an. Die menschliche Sprache scheint er also zu verstehen. Außerdem kann Gertie auf zwei Beinen tanzen. Dies alles sind menschliche und keine tierischen Eigenschaften. Am Ende des Films sieht man McCay mit Gertie in einem gemeinsamen Filmbild, allerdings nur diegetisch als gezeichnete Figur. Er steigt auf Gerties Rücken und reitet auf ihr weg.
Abbildung 11: Standbild aus dem Film GERTIE THE DINOSAUR: McCay reitet auf Gertie
Das Interessante an GERTIE THE DINOSAUR ist, dass der Film 1914 mit dem Präsentieren des Zeichentrickeffekts sein Making-Of diegetisch in die
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Rahmenhandlung eingebaut hat. Der filmische Dinosaurier stellt sich damit, wie auch Christine Hanke es dargelegt hat, als Special Effect aus. Die Dinosaurier werden zu Schauobjekten, die zeigen, „was in der Wirklichkeit nicht gesehen werden kann“ (Hanke, 2012, S. 111). Sie stellen sich als spektakuläre Bilder aus „und zeigen gleichzeitig, dass sie zeigen“ (ebd., S. 112, Herv. i. O.). Hanke beschreibt hier ein pointing und showing gleichermaßen (siehe Kapitel III), das sich auf GERTIE THE DINOSAUR übertragen lässt. Denn hier wird auf zweifache Weise gezeigt: Es gibt ein Zeigen auf die Technik des Zeichentrick-Effekts in der Rahmenhandlung und ein direktes Zeigen und Präsentieren des bewegten Dinosauriers. Obwohl diegetisch beides in dem Film stattfindet, ist dies noch nicht als Doppelgestus zu verstehen. Die Produktionsschritte des Zeichentricks werden nicht gezeigt, da es gerade Teil der Narration ist, dass es McCay auf wundersame und nicht weiter erklärte Weise schafft, seine Zeichnungen zu animieren. Hinzu kommt, dass es hier nicht um einen Realitätseffekt geht. McCay sieht als Zeichentrickfigur seiner realen Erscheinung nicht ähnlich und soll es wahrscheinlich auch gar nicht, denn es geht vielmehr darum, den gezeichneten Dinosaurier als Attraktion zu präsentieren und gleichsam eines Making-Ofs die Möglichkeiten der Zeichentrickanimation über den Comiczeichner McCay vorzuführen. Musste GERTIE THE DINOSAUR 1914 noch auf traditionelle Montagetechniken zurückgreifen, konnten zwei Jahrzehnte später mit der Erfindung des Optischen Printers schließlich Realfilm und Trickfilm in einem Filmbild kombiniert werden. In den 1930er Jahren entwickelt und während der 1940er Jahre serienmäßig als Acme-Dunn Special Effects Optical Printer produziert (vgl. zu Hüningen & Giesen, 2011), konnten nun mehrere Elemente in ein einziges Bild kopiert und miteinander verbunden werden. Zwei Filmbeispiele aus unterschiedlichen Jahrzehnten sind hier exemplarisch: ANCHORS AWEIGH (USA 1945, George Sidney) und WHO FRAMED ROGER RABBIT (USA 1988, Robert Zemeckis).
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Abbildung 12: Filmstill aus ANCHORS AWEIGH
In einer Filmsequenz in ANCHORS AWEIGH (1945) betritt der Protagonist Joseph (Gene Kelly) ein geheimnisvolles Tierreich, in dem er u.a. der Maus Jerry (aus der Zeichentrickserie Tom und Jerry) begegnet. Jerry ist ein trauriger und einsamer König, der das Tanzen und Singen gesetzlich verboten hat, da er beides nicht kann. Joseph ermutigt ihn das Gesetz aufzuheben, da jeder tanzen und singen könne, wenn er glücklich sei. Jerry lässt sich über-
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zeugen und Joseph bringt ihm so lange Tanzschritte beibringen, bis sie schließlich glücklich zusammen tanzen können. Beanspruchten diese frühen hybriden Filmbilder nur eine vergleichsweise kurze Filmzeit, so interagierten 43 Jahre später in WHO FRAMED ROGER RABBIT (1988) Zeichentrickfiguren mit Live-Action-Protagonist_innen über die ganze Filmzeit hinweg. Narrativ wird dies so erklärt, dass der Film in Toontown spielt, einem fiktiven Stadtteil von Los Angeles, in dem auch Zeichentrickfiguren leben (neben Roger Rabbit z.B. auch Betty Boop, Donald Duck, Bugs Bunny, Mickey Mouse) und dort Filme (auch Live-Action) drehen. Als Roger Rabbit unkonzentriert bei den Filmaufnahmen ist und dort zunehmend Fehler macht, da er glaubt, seine Frau Jessica betrüge ihn, engagiert sein Boss den Privatdetektiv Eddie Valiant (Bob Hoskins), um Rogers Frau beschatten zu lassen. Im Laufe des Films freunden sich Roger und Eddie an, es gilt einen Mord aufzuklären und Toontown zu retten. Über die Narration sind beide Bildebenen durchgängig in dem Film miteinander verbunden.
Abbildung 13: Filmstill aus WHO FRAMED ROGER RABBIT: Roger Rabbit und der Detektiv Eddie Valiant
ANCHORS AWEIGH und WHO FRAMED ROGER RABBIT funktionieren ästhetisch auf ähnliche Weise. Jedoch ist im Film WHO FRAMED ROGER RABBIT die Präsenz der Toons immanent und die einzelnen Zeichentrick-Charaktere sind essentiell für den Fortgang der Handlung. Anders verhält sich dies in ANCHORS AWEIGH. Dort dient die Sequenz mit Jerry lediglich als Tableau
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zur Ermöglichung einer Tanzszene mit Gene Kelly, die sicherlich eine Attraktion war. Waren in ANCHORS AWEIGH die Figuren noch separat im endgültigen Filmbild positioniert, so gibt es ästhetisch in WHO FRAMED ROGER RABBIT bereits eine Art Interaktion, wenn sich Roger Rabbit, wie auf Abbildung 13 zu sehen ist, an Eddie festklammert. Die Making-Ofs zu WHO FRAMED ROGER RABBIT3 präsentieren die Kombination von Real- und Zeichentrickfilm als Innovation. In „Roger Rabbit & the Secrets of Toon Town“ sind gleich zu Anfang animierte Filmszenen aus den Zeichentrickserien zu sehen, während es heißt: In the beginning there was Mickey, then came Donald [...]. But now, there is a new toon in town and his name is Roger Rabbit. And though Roger is influenced by all the cartoon characters before him, there is one difference: This toon lives in the world of humans4.
Der Hybridcharakter wird gleich zu Beginn des Making-Ofs mit dem Hinweis herausgestellt, dass Roger Rabbit in der realen Welt lebe. Untermauert wird dies von den Filmausschnitten. Mickey und Donald hingegen gehören einer früheren Ära an und mussten ausschließlich in ihrer eigenen gezeichneten Welt leben. Die Schauspielerin Joanna Cassidy (Eddies Freundin Dolores) führt in einer Rahmenhandlung durch das Making-Of und präsentiert die diegetische Welt als eine reale, indem sie von der unglaublichen Erfahrung erzählt, mit Roger Rabbit zusammen arbeiten zu dürfen und verspricht, viele Geheimnisse zu lüften. Im weiteren Verlauf des Making-Ofs werden schließlich die Innovation des Films sowie die dahinterliegende Arbeit herausgestellt. Bob Hoskins erzählt, dass die Zuschauer_innen so etwas vorher noch nie gesehen hätten. Präsentiert werden die Zeichentricktechnik sowie weitere Special Effects des Films, wie Explosionen, Bluescreen und mechanische Apparaturen.
3
Siehe „The Making of Who Framed Roger Rabbit“: https://www.youtube.com/ watch?v=ty4xkdBbnOk (zuletzt gesehen am 4.01.2018); und „Roger Rabbit & the Secrets of Toon Town“: https://www.youtube.com/watch?v=jv_u9kYoI70 (zuletzt gesehen am 4.01.2018).
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Roger Rabbit & the Secrets of Toon Town“, https://www.youtube.com/ watch?v=jv_u9kYoI70 (zuletzt gesehen am 4.01.2018), TC 00:00:04 - 00:00:42.
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WHO FRAMED ROGER RABBIT gewann 1988 zwar den Oscar für beste Visual Effects, doch wurden die Effekte noch nicht am Computer generiert. Alle Zeichnungen der Toons wurden erst von Hand am Zeichenbrett gemalt und anschließend abfotografiert. Allerdings entstand der Film bereits an der Schwelle von analogen zu digitalen Techniken. So wurden die fotografierten Zeichnungen mit optischen Effekten aufgewertet, z.B. Schatten und Lichter an Gesichtern und Körpern hinzugefügt, um einen dreidimensionalen Eindruck der Figuren zu erzeugen. Dies war neu für Zeichentrickfilme. So entstanden für WHO FRAMED ROGER RABBIT angeblich ein Vielfaches mehr an Effektaufnahmen als in THE EMPIRE STRIKES BACK (USA 1980, Irvin Kershner) oder STAR TREK: THE MOTION PICTURE (USA 1979, Robert Wise). In dem Making-Of von WHO FRAMED ROGER RABBIT ist folgende paradoxe Strategie erkennbar: Einerseits werden hier viele gängige Diskurse und Botschaften bedient (zu Stars, Technik, Innovation, Spaß an harter Arbeit), andererseits aber sind diese Diskurse künstlich herbeigeführt. Roger Rabbit wird vor allem über Cassidy als Star herausgestellt, indem sie die diegetische Geschichte in der realen Welt weiterspinnt und als LiveAction-Charakter die Glaubwürdigkeit von Roger Rabbit untermauert. Da WHO FRAMED ROGER RABBIT auch von der Filmindustrie Hollywoods erzählt, ist der Stardiskurs zu Roger Rabbit eine Erweiterung der Diegese. Darin zeigt sich folgender Doppelgestus: Der Effekt des gezeichneten Körpers wird als Sensation ausgestellt (Zeichnungen, Abfotografieren, Effektaufnahmen). Die Zuschauer_innen werden in die Produktionsgeheimnisse eingeweiht. Gleichzeitig liegt der Fokus des Making-Ofs aber auch darauf, die Künstlichkeit des Effekts verschwinden zu lassen. Dies geschieht über den Star- und Technikdiskurs gleichermaßen. Das Making-Of generiert eine absurde Narration, in der Roger Rabbit als echter Star präsentiert wird. Zusätzlich werden die Effekte durch die dreidimensionalen Konturen gestützt. Der Effekt der Toons wird als Innovation einer zuvor noch nie dagewesenen Realitätsnähe herausgestellt. Waren die Visual Effects in WHO FRAMED ROGER RABBIT noch nicht digital generiert, so wurde es kurze Zeit später möglich, digitale Körper in die Filmkomposition einzufügen. In FORREST GUMP (USA 1994, Robert Zemeckis) durfte der verstorbene Präsident John F. Kennedy auferstehen: Kennedy und Gump (Tom Hanks) schütteln sich in einem Bild die Hände.
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Kennedys Körper wurde zwar nicht am Computer generiert, doch erstmals in der Filmgeschichte wurde ein menschlicher Körper aus Archivaufnahmen digitalisiert und so modifiziert, dass er als künstliches, digitales Element mit einem Live-Action-Schauspieler in einem Filmbild auftrat und mit ihm interagierte.
Abbildung 14: Filmstill aus FORREST GUMP: Gump und Kennedy schütteln sich die Hände
Als digitale Filmtechnologien in den 1990er Jahren vermehrt dazu genutzt wurden, Bilder digital zu manipulieren und anschließend zu integrieren, ging damit auch eine Angst vor der Replikation des Menschen durch digitale Technologien einher. Die Sorge war es, dass Schauspieler_innen durch digitale Figuren ersetzt werden könnten. Dan North bezeichnete dieses Phänomen als „Frankenstein-Mythos“ (North, 2008, S. 155). 2002 machte der Spielfilm S1M0NE (USA 2002, Andrew Niccol) jenen Frankenstein-Mythos zum narrativen Thema: Der diegetische Regisseur Victor Taransky (Al Pacino) möchte für seinen Film keine echte Schauspieler_in, sondern stattdessen die virtuelle, digitale Schauspieler_in Simone einsetzen, die bezeichnenderweise von einem verrückten Wissenschaftler generiert wurde. Taransky sieht den Vorteil vor allem in der Kostenersparnis und der Möglichkeit, Simone auf Starqualitäten hin programmieren zu können. Als Taransky die digitale Simone auf seinem Computer verändert und anpasst, gesteht er sich in diesem Akt ein: „I am the death of real“ (vgl. Prince, 2012, S. 99). Für Stephen Prince entspricht Taranskys Eingriff den Eingriffen digitaler Animator_innen. Symbolisch mag dies stimmen, doch ist in Bezug auf
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digitale Visual Effects noch etwas anderes entscheidend: Taransky generiert eine komplett künstliche Schauspielerin, ohne jede Spur des Realen. Er will mit Simone die Zuschauer_innen bewusst täuschen und darf dazu nicht verbreiten, dass sie eigentlich nur virtuell existiert. Simone mag symbolisch für digitale Animation stehen, doch widerspricht Taranskys Vorgehen der Strategie der digitalen Visual Effects. Denn ein Anliegen der digitalen Visual Effects ist es, die Realität eben nicht zu töten, sondern eine Realitätsnähe zu erzeugen – etwas, das der Realität ähnlich ist, obgleich es nicht für die Realität gehalten wird. Anders als bei Taransky wird bei dem Effekt des digitalen humanoiden Körpers diese Eigenschaft als wesentliches Merkmal in den Begleitmedien herausgestellt. Während Taransky also mit Simone die diegetischen Zuschauer_innen täuschen will, indem er Simone als reale Person präsentiert (obwohl er selbst die Wahrheit kennt), muss er sich am Ende des Films auch für ihren, von ihm herbeigeführten Tod verantworten. Da die Echtheit Simones von den diegetischen Zuschauer_innen nie angezweifelt wurde, muss sie schließlich wieder auferstehen, um Taransky von dem Vorwurf des Mordes zu entlasten: Simone muss dazu wieder auf der Bildfläche erscheinen und bekannt geben, dass sie sich aus dem Filmgeschäft zurückziehen möchte, um fortan in die Politik zu gehen. Bis heute ist der befürchtete, vollkommene Austausch einer Schauspieler_in durch einen virtuellen Charakter, so wie es S1M0NE zeigt, nicht eingetreten, obwohl in den letzten zehn Jahren die digitalen Körper als Visual Effects mehr und mehr im Hollywood-Kino eingesetzt werden. Im Unterschied zu S1M0NE wird hier jedoch die Strategie verfolgt, dass digitale Körper das Reale nicht töten sollen, sondern im Gegenteil – Das Reale soll in ihnen ja gerade erhalten bleiben. Dies ist vor allem darin erkennbar, dass die digitalen Körper in Live-Action-Filmen auf profilmischen, menschlichen Darbietungen beruhen und dieses Vorgehen stets in den Begleitmedien herausgestellt wird. Als digitale humanoide Körper im Spielfilm sollen ausschließlich jene Körper untersucht werden, denen eine menschliche Leistung zugrunde liegt und die einem perzeptiven Realismus folgen. Diese digitalen Visual Effects unterscheiden sich von ihren analogen Vorgängern in zweierlei: Sie wurden erst durch digitale Technologien möglich und sind ohne ihre Begleitmedien nicht denkbar. Sie können nur über einen Gestus des Zeigens und Verber-
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gens funktionieren. Das soll über die Technik des Effekts und seine Präsentation in den Begleitmedien erklärt werden. Das Verfahren des Motion Capture dient den digitalen Körpern zur glaubwürdigen Generierung. Motion Capture ist eine Bewegungsaufzeichnung, die ausschließlich die reinen Daten der Bewegung erfasst und keine Bildinformationen. Es ermöglicht die direkte Aufzeichnung von natürlichen Bewegungen und deren anschließende Übersetzung in digitale Daten. Ursprünglich wurde dieses Verfahren in der Medizin eingesetzt, um problematische Bewegungen von Patienten festzuhalten und entsprechend analysieren zu können (vgl. Richter, 2007, S. 105). Das Prinzip des Motion Capture funktioniert so, dass die in der Datenbank abgespeicherten Bewegungsabläufe anschließend über eine Software (z.B. MotionBuilder, Autodesk Maya) auf ein beliebiges fiktionales Lebewesen übertragen werden. Modifizierte Weiterentwicklungen des Motion Capture sind Facial Motion Capture oder Performance Capture. Diese Verfahren ermöglichen es, zusätzlich noch Muskelbewegungen des Gesichts zu erfassen. Da es bei den Visual Effects des digitalen Körpers um humanoide Darstellungen geht, bei denen die Mimik ebenso wichtig ist wie der Körper, soll hier das Verfahren des Performance Capture näher betrachtet werden, zumal dieses auch Motion Capture mit einschließt.
1.2 DIGITALER EFFEKT: PERFORMANCE CAPTURE Bei dem Prinzip des Performance Capture tragen die Schauspieler_innen spezielle Anzüge mit stark reflektierenden Markierungspunkten. Zusätzlich werden kleine Marker im Gesicht angebracht (siehe Abbildung 15). Um alle Bewegungen entsprechend mit einer Kamera erfassen zu können, wird der Bewegungsradius der Schauspieler_innen vorher festgelegt. Die gängigste Methode zur Ablesung der Daten ist die Bestrahlung der Marker mit Infrarotlicht. Wenn das Infrarotlicht an Gesicht und Körper reflektiert wird, erkennen die Kameras die Marker und können Mimik und Bewegungen je nach ihrer Positionierung aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufzeichnen.
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Abbildung 15: Andy Serkis mit Gesichtsmarkern
Abbildung 16: Bewegungsdaten eines Motion Capture
Mit dem Verfahren des Performance Capture ist es möglich, eine Datenbank mit Gesichtsausdrücken anzulegen. Dies macht die Animation im Vergleich zu älteren Verfahren wie der Stop-Motion wesentlich flexibler. Mit analoger Technik war die Darstellung verschiedener Gemütszustände viel aufwendiger, da für unterschiedliche Mimiken Masken mit passenden Gesichtsausdrücken geformt und ausgetauscht werden mussten, wie z.B.
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bei den Puppen in THE STORY OF KING MIDAS (USA 1953, Ray Harryhausen).
Abbildung 17: Gesichter für King Midas in THE STORY OF KING MIDAS, animiert von Ray Harryhausen
Animatoren wie Willis O’Brian oder Ray Harryhausen konnten sich bei den Bewegungen ihrer animierten Kreaturen nur auf eigene Beobachtungen von Bewegungsabläufen bei Menschen und Tieren verlassen. Das Stop-MotionVerfahren erschwerte die Erzeugung eines perzeptiven Realismus (vgl. Prince, 2012, S. 33). Da nur Einzelbilder aufgenommen werden konnten, waren die von Hand animierten Bewegungen nicht immer fließend. Außerdem hingen sie stark von der Beweglichkeit des Modells ab, waren aufwendig und zeitintensiv. Obwohl die Erstellung eines digitalen Körpers auf menschlichen Bewegungsdaten beruht, ist es dennoch die größte Herausforderung, digital erzeugte Körper und Gesichter menschlich wirken zu lassen. Die Begleitmedien versuchen daher, den digitalen Körper über einen Fotorealismus und das Verfahren des Performance Capture als einen menschlichen Körper zu vermarkten, da hier im Gegensatz zu Zeichentrick- und Animationsfilmen echte Schauspieler_innen eingesetzt wurden5. Dabei ist es gleichgültig,
5
Ausgeklammert werden sollen hier Schauspieler_innen, die in Masken und Kostümen in einem Film mitwirken, wie z.B. in einem Affenkostümen in der Eingangssequenz des Films 2001: A SPACE ODYSSEY, da hier kein Eingriff einer Animation zugrunde liegt. Auch wenn es heute noch Filme geben mag, die sich bewusst für schwere Kostüme und Masken entscheiden, wie WHERE THE WILD
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ob es sich um nicht-menschliche oder menschliche Lebewesen handelt, solange beide über Performance Capture generiert wurden. Da die digitalen Körper nicht nur einmalig in einer Szene zu sehen sind, sondern fester Bestandteil des gesamten Films sind, soll sich hier nicht auf einzelne Szenen mit digitalen Körpern, sondern auf den digitalen humanoiden Körper als Phänomen der digitalen Visual Effects konzentriert werden.
1.3 FILMBEISPIELE: DIGITALER HUMANOIDER KÖRPER EINES NICHT-MENSCHLICHEN LEBEWESENS Zur Generierung eines nicht-menschlichen Lebewesens im populären Hollywood-Kino wurden seit den 2000er Jahren beispielsweise mehrfach die Bewegungsdaten aus der Performance Capture des Schauspielers Andy Serkis übernommen. Serkis verkörperte unter anderem Gollum/ Sméagol in THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS (USA/NZ 2002, Peter Jackson), den Riesenaffen Kong in KING KONG (2005) oder den Affen Caesar in DAWN OF THE PLANET OF THE APES (USA 2014, Matt Reeves). Diese Charaktere mögen alle zwar nicht-menschliche Lebewesen sein, doch werden sie nicht als solche beworben. Auffällig ist, dass in den Begleitmedien ausgerechnet die Schauspieler_innen selbst einen wesentlichen Beitrag zu dem Verständnis der Humanisierung ihrer Figuren leisten. Wie Serkis in einem Interview geäußert hat, unterscheide sich für ihn die reale Schauspielerei nicht von der bei Motion Capture: „For me, acting’s acting. What l’ve done with Gollum and Kong is no different to any other character that l’ve ever played. It’s acting“ (Serkis, zit. in: Fischer, 2005). Mit diesem Statement transportiert Serkis eine der wichtigsten Botschaften, die in den Begleitmedien vermittelt wird: Digitale Körperdarstellungen sind schauspielerische Leistungen eines Menschens. Trotz der (oder auch: aufgrund der) Technik ist es möglich geworden, die realistischen, natürlichen und menschlichen Bewegungen der Schauspieler_innen zu zeigen.
THINGS ARE (USA 2009, Spike Jonze) – sind diese Filme doch eher die Ausnahme.
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Diese Sichtweise lässt sich bei Serkis mehrfach nachlesen, u.a. auch auf seiner offiziellen Homepage6. Ebenso bestätigt Naomi Watts, Serkis’ Filmpartnerin aus KING KONG, dass jede Emotion, jedes Lächeln, jede Bewegung, kurzum alles, was man im Film sieht, Andy Serkis sei (vgl. Watts & Sampson, o.A.). Diese Aussage geht sogar noch einen Schritt weiter, da Watts dem Performance Capture die Übertragung von authentischen Bewegungen und Emotionen zuspricht. Diese Vermarktung des Effekts eines digitalen Körpers als humanisierte Figur wird zusätzlich über Filmbilder in Making-Ofs, Artikeln und Interviews gestützt. Ein beliebtes Motiv ist die bildliche Gegenüberstellung des Gesichts der Schauspieler_innen während des Performance Capture und ihr Wiederfinden im Endprodukt des digitalen Körpers.
Abbildung 18 & 19: Fotos von der Homepage von Andy Serkis: Serkis als Gollum und Kong
Interessanterweise werden zur Untermauerung dieser These in den Begleitmedien gelegentlich auch die zur Generierung der Daten notwendigen Marker im Gesicht weggelassen. Dies verweist auf eine gezielte Verkaufsstrategie, die folgendes herausstellen möchte: Der digitale Körper ist kein Produkt aus dem Computer, sondern der Mensch (Andy Serkis) dahinter ist
6
Siehe auch www.serkis.com (zuletzt gesehen am: 14.10.2016).
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(noch) zu erkennen. Das Digitale wurde durch die Performance humanisiert und zeigt noch Spuren von Serkis – oder besser ihn ganz und gar (wie es Watts oben formuliert hat) – eine Strategie, die seit den Anfängen des Performance Capture bis heute beständig weiterverfolgt wird.
Abbildung 20: Andy Serkis in DAWN OF THE PLANET OF THE APES
Performance-Capture wird als ein Verfahren dargestellt, das nicht aus menschlichen Rohdaten einen digitalen Körper neu gestaltet, sondern als etwas, das Serkis „painting digital makeup onto actors’ performances“ (Serkis, zit. in: Brevet, 2014) nennt. Es wird als digitales Make-up transportiert, das Effekt-Künstler_innen auf einen menschlichen Körper auftragen. Mit dieser Auffassung wird die Frage nach Realität oder Künstlichkeit obsolet. Wenn Performance Capture nur Schminke ist, dann bleibt der digitale Körper realitätsnah und glaubwürdig. Die Schauspieler_in ist nicht verschwunden, sondern hat nur durch das Make-up ihr Aussehen verändert. Die reale Schauspieler_in ist noch in der Figur vorhanden – die oben erwähnten Bilder werden als Beleg für diese Strategie zitiert.
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Abbildung 21: Performance Capture und Szenenbild aus KING KONG
Auf diese Weise wird Performance Capture zudem zu einer neuen Form der Schauspielerei geadelt. Jon Landau, Produzent von AVATAR (USA 2009, James Cameron) 7, sieht in dem Performance Capture eine zeitgenössische Version der Prothetik, da es den Schauspieler_innen erlaube, fantastische Charaktere darzustellen, die sie anders nicht hätten spielen können (Landau, zit. in: Prince, 2012, S. 135). Tatsächlich wird auch am Set mit künstlichen Prothesen gearbeitet. Es gibt in den Begleitmedien nicht nur Bilder mit speziellen Anzügen, sondern. auch Erweiterungen des Körpers werden gezeigt, wie zum Beispiel lange Affenarme von Kong. Diese Abbildungen sind nicht immer Dokumentationen des Performance Capture, sondern zum Teil auch Ausschnitte, die z.B. Serkis bei der Unterstützung der anderen Schauspieler_innen am Set zeigen, ohne dass er selbst diese Szene in der Umgebung der Performance Capture drehen musste. Das Set-
7
Der Film AVATAR ist auch als 3D-Version verfügbar. Obwohl 3D den Effekten sicherlich neue räumliche Perspektiven zuführen mag, soll dieses Verfahren hier unberücksichtigt bleiben und nicht weiter verfolgt werden. Denn ich sehe es ebenso wie Thomas Elsaesser und Jan Distelmeyer: 3D ist kein Special Effect oder anderer Filmeffekt (vgl. Elsaesser 2010, S. 26; vgl. Distelmeyer, 2012, S. 32), sondern ein apparatives Verfahren, eine „neue Grundform des Kinos“ (Distelmeyer, 2012, S. 32).
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foto von KING KONG vermittelt allerdings ästhetisch ein Bild, in dem Serkis Kongs Körper ähnlicher zu sein scheint als auf dem Szenenbild während des Performance Capture. Eine ähnliche Strategie verfolgt auch AVATAR. Im Unterschied zu Serkis’ Darstellungen sind die Protagonist_innen Dr. Grace Augustine (Sigourney Weaver) und Jake Sully (Sam Worthington) in diesem Film sowohl in ihrer menschlichen Form als auch als digitaler Körper ihres Na’vi-Avatars zu sehen. Größe und Gesicht wurden zwar für die Na’vi-Körper verändert, doch lässt sich in den Avataren noch eine Ähnlichkeit zu den diegetischen Figuren erkennen (und damit auch zu den Schauspieler_innen selbst). Motiviert ist dies durch die Narration, da es die Avatare der jeweiligen Charaktere sind. Auch AVATAR verfolgt die Strategie, eine Realitätsnähe der digitalen Visual Effects zu transportieren. Insbesondere lässt sich dies in den Begleitmedien über das System der Simulcam herauslesen. Die Simulcam ist eine Kamera, die vor dem Gesicht der Schauspieler_innen angebracht wird und kleinste Bewegungen der Gesichtsmuskeln (Augen, Nase, Mund) in Echtzeit aufzeichnet. Sie überträgt diese auf das Gesicht der Na’vi-Avatare und gibt sie während der Produktion als primitive Previsualisierungen wieder (vgl. Prince 2012, S. 134f; vgl. Thompson, 2010).
Abbildung 22: Performance Capture, Simulcam, Previsualisierung und finales Bild in AVATAR
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1.4 FILMBEISPIELE: DIGITALER HUMANOIDER KÖRPER EINES MENSCHLICHEN LEBEWESENS Neben der Darstellung von nicht-menschlichen Lebewesen existieren auch digitale Visual Effects, die ästhetisch wie menschliche Körper aussehen sollen. Sie verfolgen die gleiche Strategie wie die Darstellungen von nichtmenschlichen Körpern, auch wenn sie sich ästhetisch anders präsentieren. In den Begleitmedien werden sie ebenfalls über einen Star- und Technikdiskurs präsentiert – als eine schauspielerische Leistung mit digitalem Make-up. In FINAL FANTASY: THE SPIRITS WITHIN (USA/JP 2001, Hironobu Sakaguchi) wurden die Bewegungsdaten des Motion Capture 2001 von Schauspieler_innen filmgeschichtlich das erste Mal auf animierte menschliche Filmfiguren übertragen. Allerdings spielten hier nur die Bewegungsdaten eine Rolle und nicht deren Darsteller_innen, da sich alle Filmfiguren an dem gleichnamigen Computerspiel und dessen bereits existierenden Charakteren orientieren. THE POLAR EXPRESS (USA 2004, Robert Zemeckis) verfolgte drei Jahre spatter ein anderes Prinzip. Der Film ist zwar auch komplett computeranimierte, doch wurde hier die Präsenz des Schauspielers (Tom Hanks) ganz essentiell für die Vermarktungsstrategie. Über Performance Capture spielte Tom Hanks fünf verschiedene Charaktere unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Statur ein. Das Making-Of des Films trägt bezeichnenderweise auch den Titel „You Look Familiar“8 – Du siehst vertraut aus. Tom Hanks wird darin auf mehrfache Weise präsentiert: in seinem Anzug mit Markern, während er seine Rollen für das Performance Capture spielt, als seine Entsprechung in dem digitalen Körper und als er selbst in den Interviewsequenzen. Auch hier werden die optimalen Bedingungen des Performance Capture für Schauspieler_innen herausgestellt. Hanks betont den Vorteil, dass man nicht stundenlang am Set warten müsse, sondern die ganze Zeit frei und ohne Make-up seine Figur darstellen könne. Um dies möglichst werbewirksam zu streuen, wurden für die Werbekampagne angeblich 125 Millionen US-Dollar ausgegeben (vgl. Wolf, 2004).
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Siehe „You Look Familiar“, https://www.youtube.com/watch?v=15U69tCv3eI (zuletzt gesehen am: 14.10.2016).
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Abbildung 23: Performance Capture mit Tom Hanks in THE POLAR EXPRESS
Die gezeigten Bildausschnitte in „You Look Familiar“ stellen die Ähnlichkeit der digitalen Figuren zu Tom Hanks und seine Autonomie während des Akts des Performance Capture heraus. Für die erwachsenen Charaktere wird dies über Hanks’ Aussehen und seine Stimme vermittelt, indem – ebenso wie bei Serkis – Bilder gegenübergestellt werden. Für den kindlichen Charakter, einen siebenjährigen Jungen, funktioniert dies nur bedingt. Er hat nicht nur eine andere Stimme als Hanks, sondern für seine Figur mussten – ebenso wie bei Kong, Gollum und den Avataren – Hanks’ Bewegungen umgerechnet und auf die hier kleinere Körpergröße ästhetisch angepasst werden. Dies ändert allerdings nichts an der Botschaft des Making-Ofs, dass Hanks alle diese Charaktere selbst verkörpert. In THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON (USA 2008, David Fincher) wurde 2008 schließlich ein digitaler Körper (Brad Pitt als Benjamin Button) nun nicht mehr in einem Animationsfilm, sondern in einen Realfilm integriert. Der Film handelt von Benjamin Button (Brad Pitt), dessen Leben rückwärts verläuft, beginnend mit 87 Jahren als Greis bis hin zu seiner Geburt als Säugling. Der Schauspieler Brad Pitt musste daher über sein damaliges Alter von 44 Jahren hinaus altern bzw. verjüngt werden.
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Abbildung 24: Phosphorous Capture in THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON
Was traditionellerweise entweder von Schauspieler_innen unterschiedlichen Alters oder mit prothetischem Make-up gelöst worden wäre, wurde hier ausschließlich mit digitalen Visual Effects erzeugt – allerdings über ein anderes Verfahren als Performance Capture und Marker: Für THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON wurde die Phosphorous Capture-Technologie angewendet, bei der phosphoreszierendes Make-up auf Pitts Gesicht aufgetragen wurde, um unter Schwarzlicht anschließend die Gesichtsausdrücke mit einer 3D-Software erfassen zu können (siehe Abbildung 24). Im Vergleich zu dem Performance Capture bot dieses Verfahren den Vorteil, mehr Datenpunkte abdecken zu können (vgl. Zetter, 2009). Von Pitts Gesichtsausdrücken wurde eine digitale Bibliothek angelegt, die auf den 70 anatomischen Attributen des menschlichen Gesichts basierte, wie sie der Psychologe Paul Ekman erforscht hat. Hat man diese Attribute erfasst, kann durch entsprechende Kombination jede Art von Emotion dargestellt werden. Häufig wird dieses Verfahren daher auch Emotion Capture genannt (vgl. ebd.).
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Abbildung 25 & Abbildung 26: Screenshots aus dem Making-Of von THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON
In dem Making-Of9 zu THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON stehen wie in THE POLAR EXPRESS schauspielerische Leistung und Technik gleichermaßen im Vordergrund. Einzelne Filmausschnitte zeigen den Herstellungsprozess – von den verschiedenen Körperdoubles, deren Daten für Benjamins Körper in den unterschiedlichen Altersphasen dienten, über die digitale Datenvisualisierung bis hin zu Pitts Gesichtsausdrücken in einzelnen Szenen. Der Fokus liegt eindeutig auf dem gealterten Benjamin Button, dessen Darstellung die größte Herausforderung des Films war, da Pitts Gesicht fotorealistisch dem Alter angepasst und die Geometrie der Lider und Augen entsprechend verändert werden musste (siehe Abbildung 25 & 26). Wie bereits Jean-Louis Comolli anhand der Präsenz der Schauspieler_in ausgeführt hat, funktioniert die filmische Fiktion dann, wenn das Bild der
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Siehe „The Curious Case of Benjamin Button – Making Of“, https://www. youtube.com/watch?v=eYSXaU6eKm4 (zuletzt gesehen am: 4.01.2018).
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Schauspieler_in aus den Köpfen der Zuschauenden verschwindet und die Schauspieler_in zu der dargestellten Person wird. Comolli hat diesen Vorgang als double game bezeichnet: „It is him and it is not, always and at the same time; we believe in it and we do not, at the same time“ (Comolli, 1978, S. 48). Comolli mag dies zwar für historische Figuren formuliert haben, doch lässt sich dieser Zwitterstatus der schauspielerischen Präsenz gleichermaßen auf den digitalen Körper übertragen und in eine Strategie des Doppelgestus überführen, als eine Gleichzeitigkeit des Erkennens und Zweifelns, des Glaubens und Nicht-Glaubens, des Zeigens und Verbergens. Dies lässt sich anhand von Brad Pitts Präsenz erklären, so wie sie in den Begleitmedien übermittelt wird: Pitt ist ein Teil von Benjamin Button (mittels Phosphorous Capture), und gleichzeitig ist er es auch nicht (andere Schauspieler_innen leihen ihm den Körper). Die Begleitmedien legen nahe, dass beides ineinandergreift. Wenn der Effekt des digitalen Körpers allerdings nicht echt genug aussieht, wird er oft als unheimlich wahrgenommen, als uncanny effect (vgl. Cubitt, 2004, S. 1). Es ist es daher wichtig, dass der digitale Körper physikalisch einem echten Körper nahekommt. Nur wenn der digitale Körper realitätsähnlich ist, erkennen die Zuschauer_innen die Figuren an – etwas, das auch mit „willing suspension of disbelief“ (Engell & Bate, 1983, S. 6), der willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit erklärt werden kann10: Ursprünglich von Samuel Taylor Coleridge 1817 für das Drama formuliert, besagt diese Theorie, dass die Zuschauer_innen willentlich ihre Ungläubigkeit niederlegen, um die Charaktere und die fiktionale Welt vorübergehend akzeptieren zu können. Durch diese willentliche Aussetzung erst können die Zuschauer_innen sich auf das Gesehene einlassen, auch wenn es noch so unglaublich und fantastisch sein mag. Bei den angeführten Beispielen entsprechen die digitalen Körper entweder physikalisch den menschlichen (Benjamin Button) oder sie werden fotorea-
10 Der Sophist Gorgias von Leontinoi sprach bereits in der Antike in Bezug auf die attische Tragödie von künstlerischer Täuschung, bei der „derjenige, der täuscht, mehr Recht hat als der, der nicht täuscht, und der Getäuschte andererseits mehr versteht als der, der nicht getäuscht wird“ (Leontinoi & Buchheim, 1989, S. 93; vgl. Burwick & Pape (Hg.), 1990, S. 2).
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listisch glaubwürdig gestaltet (Gollum, Kong, Na’vi-Avatare). Diese Glaubwürdigkeit wird zusätzlich durch die Betonung der Präsenz der Schauspieler_innen gestärkt, die dem Visual Effect des digitalen Körpers noch eine weitere Realitätsebene hinzufügt. Die Begleitmedien verschleiern allerdings, dass der physische Körper im Prozess des Performance Capture in einen digitalen Körper übersetzt wurde. Wie bereits von Sebastian Richter herausgestellt, liefert Performance Capture nur noch die Körperdatem (vgl. Richter, 2007, S. 120). Die Making-Ofs zeigen zwar diesen Vorgang über die Technik des Performance Capture, doch wird die Technik als eine direkte Übersetzung des Realen ins Digitale verkauft. Zugunsten der Strategie eines Doppelgestus wird verschleiert, dass das, was die Zuschauer_innen sehen, nicht mehr das ist, was die Kamera einmal aufgenommen hat. Denn die Bewegungsdaten werden in der Software nur als ein seltsames Bild mit sich bewegenden Punkten visualisiert. Dieses körperlose Bild kann ähnlich wie bei Zahlenbildern erst erkannt werden, wenn alle Punkte miteinander verbunden worden sind (siehe Abbildung 16).
1.5 DER DOPPELGESTUS DES DIGITALEN KÖRPERS Für den Doppelgestus der digitalen Visual Effects spielt es keine Rolle, ob der digitale Körper tatsächlich neu generiert wurde. Es ist auch unwesentlich, ob die digitalen Körper menschlich aussehen oder nicht, denn der Doppelgestus zeigt sich bei beiden gleichermaßen. Einerseits gibt es den Gestus des Zeigens des Effekts und auf den Effekt. Er wird über die Begleitmedien als Sensation, Innovation und Attraktion ausgestellt. Fotos, Making-Ofs und Interviews zeigen den Effekt des digitalen Körpers, rücken ihn ins Zentrum und weihen die Zuschauer_innen in die dahinterliegende Technik des Performance Capture ein. Diesem Zeigen auf die Künstlichkeit des Effekts (durch Anzüge, Marker, Kabel, Prothesen) werden aber gleichzeitig auch Bilder, Filmausschnitte und Interviews gegenübergestellt, die einer Strategie des Verbergens folgen. Denn im gleichen Maße, wie auf den Effekt gezeigt wird, wird auch herausgestellt, dass der digital generierte Körper noch dem der Schauspieler_innen entspricht. Der digitale Körper wird zugunsten der Glaubwürdigkeit und der Realitätsnähe des Effekts in
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der diegetischen Welt humanisiert. Damit wird auch ausgehebelt, dass der digitale Körper unheimlich wirkt (uncanny effect). Argumentiert wird dabei strategisch über den digitalen Eingriff als eine Art von digitalem Make-up. Indem Begleitmedien die Präsenz der Schauspieler_innen vor der Kamera explizit zeigen und ihr Ebenbild im digitalen Körper ausstellen, wird Performance Capture als neue, legitime Art der Schauspielerei präsentiert. Der digitale Körper wird nicht mehr als einzelner Effekt verkauft, sondern als integrales, tragendes und essentielles Element des Films, das keiner weiteren Rechtfertigung mehr bedarf. Die Gesten des Zeigens und Verbergens sind im Effekt des digitalen Körpers nicht mehr voneinander zu trennen. Sie tauchen als ein Doppelgestus auf, denn sie existieren gleichzeitig. Der Effekt des digitalen Körpers soll keine Fantasiekreatur sein, sondern ein glaubwürdiger Realitätseffekt. Die Künstlichkeit des Digitalen birgt aber gleichzeitig auch einen Teil des Realen. Auch wenn die menschliche Bewegung im Effekt digitalisiert wird, wird der Mensch nicht ersetzt. Obwohl und gerade weil sich hinter dem Effekt eine Schauspieler_in verbirgt und dies vermittelt wird, kann die filmische Illusion genossen und gleichzeitig ihre dahinterliegende Technik und Arbeit wertgeschätzt werden. Der Visual Effect des digitalen Körpers transportiert daher eine völlig andere Botschaft als Simone. Indem er die echten Schauspieler_innen und die Technik zeigt, präsentiert er sich als Trick und nicht als Täuschung. Die Strategie dieses Visual Effects ist es also nicht, einen Frankenstein-Mythos zu verbreiten. Denn dies würde dem Doppelgestus zuwider laufen.
2. Virtuelle Kamera als Visual Effect
2.1 HISTORISCHE VORGÄNGER: KAMERAPERSPEKTIVEN UND KAMERABEWEGUNGEN EINER MATERIELLEN KAMERA Der Effekt der virtuellen Kamera folgt den Prinzipien seiner filmhistorischen Vorgänger, hat jedoch bestimmte Kameraperspektiven und Kamerabewegungen weitergesponnen. Um diese besondere Entwicklung zu verstehen, lohnt eine Betrachtung der ersten Kameraapparaturen. In den frühen Jahren des Films musste die Kamera auf ein festes Stativ montiert werden, um ein möglichst ruhiges, scharfes und erschütterungsarmes Bild aufnehmen zu können. Kameraschwenks gab es in der Anfangszeit des Films kaum, da die Stative noch nicht über einen Schwenkkopf verfügten1. Trotz dieser anfänglichen Einschränkungen musste das Filmbild nicht statisch sein, denn dynamische Bewegungen konnten mit Kamerafahrten generiert werden. Eine Möglichkeit war es, die Filmkamera auf ein Stativ an der Frontseite eines Fahrzeugs zu montieren. Diese Positionierung ermöglichte es, aus direkter Perspektive eine Fahrtbewegung aufzuzeichnen und damit den Zuschauer_innen eine Teilhabe an der Fahrt zu simulieren. Dieser Technik bedienten sich beispielsweise die bereits angeführten phantom rides Anfang des 19. Jahrhunderts (siehe Kapitel II.).
1
Die wenigen Ausnahmen, die es gab, waren bis 1910 sogenannte Korrekturschwenks, die vermeiden sollten, dass Darsteller_innen aus dem Bildrahmen fallen (vgl. Müller, 2011, S. 335).
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Neben diesen perspektivischen Fahrtansichten gab es auch bewegte Aufzeichnungen der Umgebung. Thomas A. Edison stellte 1900 sein Stativ mitsamt Kamera auf die rollenden Gehwege (trottoirs roulant) der Weltausstellung in Paris (vgl. Knobloch, 2010). Diese fahrenden Bürgersteige waren oberhalb der Straßen von Paris angelegt und bewegten sich permanent, so dass die beiden Ausstellungsflächen in der Stadt stets miteinander verbunden waren. In Edisons Film PANORAMA FROM THE MOVING 2 BOARDWALK (USA 1900, Thomas A. Edison) ziehen dadurch die Attraktionen jener Weltausstellung und die Stadt Paris, ähnlich eines bewegten Panoramas, an der Bildfläche vorbei. In THE RUNAWAY MATCH, OR MARRIAGE BY MOTOR (UK 1903, Alfred Collins) wurde die Kamerabewegung schließlich narrativ in eine der ersten Verfolgungsjagden der Filmgeschichte eingebunden. An jedem Auto wurde eine Kamera angebracht, so dass die jeweils unterschiedliche Perspektive während der Verfolgungsjagd gezeigt werden konnte. In diesem Film findet auch eine „Synthese von Attraktion und Narration“ (Gunning, 1996, S. 32) statt, die Tom Gunning den frühen Verfolgungsjagd-Filmen zwischen 1903 und 1906 bescheinigt hat: Die Verfolgungsjagd ist eine Kamerafahrt, aber diegetisch motiviert, da der Vater mit seinem Auto ein anderes aufhalten möchte, in dem seine Tochter mit ihrem Liebhaber durchbrennen will. Das Einholen gelingt dem Vater allerdings nicht, da sein Auto unterwegs versagt. Er erreicht seine Tochter erst, als diese bereits verheiratet ist. Waren Kamerafahrten im frühen Film noch auf den Einsatz von Fortbewegungsmitteln angewiesen, wurde 1914 in dem italienischen Monumentalfilm CABIRIA (I 1914, Giovanni Pastrone) das erste Mal ein Kamerawagen eingesetzt (vgl. Krusche & Labenski, 1993, S. 112). Ausgebaute Systeme wie Schienenwagen oder Dolly-Wägen, auf denen die Filmkamera montiert werden konnte, gab es allerdings erst ab Mitte der 1920er Jahre. Ab diesem Zeitpunkt ermöglichten großflächig verlegte Schienen die fließende Aufnahme ohne Schnitt. Da der Kamerawagen hin und her geschoben, von weiter Entfernung ganz nah an die Schauspieler_innen heran und anschließend wieder von ihnen weg gefahren werden
2
Interessanterweise produzierte Edison noch einen perspektivisch ganz anderen Film des rollenden Gehwegs: PANORAMA OF THE MOVING BOARDWALK (USA 1900, Thomas A. Edison). Darin werden die Gehsteige als eigenständige Attraktion präsentiert.
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konnte, wurde die Kamera wesentlich beweglicher. Waren die Schienen jedoch einmal verlegt, war der Bewegungsradius vorbestimmt und der Aufnahmeprozess wenig flexibel. Erzeugten diese Systeme nur horizontale und vertikale Bewegungen, änderte sich dies mit der entfesselten Kamera des Kameramanns Karl Freund. Freunds Experimentierfreude an räumlichen Bewegungen ist es zu verdanken, dass die Kamera von ihrer Statik befreit wurde. Für Murnaus Film DER LETZTE MANN (D 1924, F.W. Murnau) befestigte er sie an seinem Körper3 und generierte durch die Fahrt in einem Hotelaufzug Bilder einer vertikalen Abwärtsbewegung, die er mit einer horizontalen Vorwärtsbewegung in die Hotellobby hinein kombinierte, welche er sitzend auf einem Fahrrad aufnahm (vgl. Weinsheimer, 2011, S. 174). Freund montierte die Kamera aber nicht nur am Körper, sondern auch an beweglichen Objekten. Für VARIETÉ (D 1925, Ewald André Dupont) installierte er sie auf einem Trapez, so dass die Kamera hoch und tief hin und her schwingen konnte. Das Neue daran war aber nicht nur die subjektive Perspektive des Trapezkünstlers während der Durchführung seines dreifachen Salto Mortale, sondern dass sich die Kamera hoch oben in den Raum hinein bewegte. Abel Gance ging zwei Jahre später noch einen Schritt weiter. Für NAPOLÉON (F 1927, Abel Gance) befestigte er die Kamera auf einer riesigen Schaukel und ließ diese über die unten stehende Menschenmenge schwingen. Im Unterschied zu VARIETÉ gab es hier kein Dispositif des Trapezes, durch welches die Bewegung motiviert war, sondern das Pendeln sollte bei NAPOLÉON narrativ die Unruhe der Menschen im Konventsaal symbolisieren (vgl. ebd.)4.
3
Das Prinzip ist heutigen digitalen Action-Kameras, wie z.B. die des Anbieters GoPro, ähnlich. Diese kleinen Kameras können an unterschiedlichen Gegenständen
befestigt
werden
und
dienen
meist
(Extrem-)Sportlern
zur
Aufzeichnung ihrer sportlichen Aktivitäten. Häufig sind sie am eigenen Kopf(schutz) befestigt, um aus der Egoperspektive zu filmen (z.B. beim Skifahren, Fallschirmspringen, Tauchen, etc.). 4
Abel Gance entwickelte für das Finale von NAPOLÉON mit dem Drei-ProjektorSystem Polyvision zudem noch eine weitere räumliche Seherfahrung, die dem Prinzip des Cineramas gleicht (vgl. Monaco, 1995, S. 106).
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Die aufgelisteten Systeme zeigen erste filmgeschichtliche Bestrebungen, die Kameraapparatur von ihren statischen Konventionen zu lösen und raumgreifende Aufnahmen zu ermöglichen. Doch erst mit der Erfindung von kleineren und leichteren Apparaturen konnte die Kamera von Stativen, Schienen und Wägen befreit werden. 1937 wurde die erste Handkamera Arriflex entwickelt, die ab 1945 in Spielfilmen eingesetzt wurde. Fortan war die Filmaufnahme ohne Zuhilfenahme eines Stativs möglich, doch waren die Bilder oft noch verwackelt. Abhilfe leistete das System der Steadicam, das ab 1976 auf den Markt kam. Die Steadicam war eine Halterung, welche die Kamera während der Aufnahme stabilisieren sollte. Das ermöglichte nicht nur eine einfachere HandHandhabung der Kamera, sondern ersetzte auch den Dolly-Wagen (vgl. Monaco, 1995, S. 96f). Mit einer Steadicam war man nicht mehr an ein Schienengerüst gebunden, sondern konnte sich nun relativ frei im Raum bewegen und flexibel aus verschiedenen Perspektiven filmen, wie einer erhöhten oder auch untersichtigen Kameraperspektive. Zu sehen ist dies 1980 in der Sequenz des Kettcar fahrenden Danny in THE SHINING (GB/ USA 1980, Stanley Kubrick). Wurde die Steadicam zusätzlich auf einem Kran positioniert, wurden dadurch ganz neue räumliche Bewegungskombinationen möglich (vgl. Schernickau, 2011, S. 692f).
Abbildung 27: Das System der Skycam
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Wenige Jahre später entwickelte Garrett Brown Mitte der 1980er Jahre das System der Skycam, bei dem eine Leichtkamera über Rollen an vier gespannten Drähten entlang geführt wurde, die an weit auseinanderstehenden Masten befestigt wurden. Neu daran war, dass man keinen Filmenden mehr unmittelbar an der Kameraapparatur benötigte, sondern die Kamera über ein Computerprogramm gesteuert werden konnte. Über einen Monitor wurden die Kamerabewegungen parallel kontrolliert (vgl. Monaco, 1995, S. 98). Das System der Skycam bot erstmals eine Perspektive von oben, die mit fließenden Kamerabewegungen im Raum ergänzt werden konnte5. Darin spiegelt sich die Tendenz wieder Systeme zu entwickeln, mit denen neue räumliche Kameraperspektiven ermöglicht werden können.
Abbildung 28: Das System des Technocrane
Anfang der 2000er Jahre erweiterte Horst Burbulla Kräne um das System des Technocrane (siehe Abbildung 28). Dieser Teleskop-Kamerakran war ein bewegliches, ausfahrbares Gestänge für die Kamera. Es ermöglichte mehrere gleichzeitige Bewegungsabläufe: aufwärts und abwärts, nach vor-
5
Heute wird die Skycam vor allem bei Live-Übertragungen von Sportereignissen eingesetzt.
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ne und nach hinten sowie Schwenks in alle Richtungen. Gesteuert wurde dieses System von außerhalb, so dass fast jeder Bereich in der unmittelbaren Umgebung erfasst werden kann (vgl. Korte, 2005). Seit Ende der 1990er Jahre werden Filmaufnahmen auch mit Drohnen durchgeführt, ein Beispiel ist das System der Flying-Cam. Um Luftaufnahmen mit unbemannten Helikoptern auszuführen, gründete Emmanuel Prévinaire 1988 in Belgien als weltweit erster das Unternehmen rund um die Flying-Cam, welches sich kurze Zeit später auch in den USA ansiedelte. Die Flying-Cam wurde seitdem mehrfach in Hollywood-Filmen eingesetzt, u.a. in den Harry Potter- und James Bond- Filmen, wie z.B. THE WORLD IS NOT ENOUGH (UK/ USA 1999, Michael Apted), HARRY POTTER AND THE PRISONER OF AZKABAN (USA/UK 2004, Alfonso Cuarón), HARRY POTTER AND THE GOBLET OF FIRE (USA/UK 2005, Mike Newell) oder SKYFALL (UK/ USA 2012, Sam Mendes)6. Da allerdings kommerzielle Drohnenflüge in den USA erst 2014 offiziell genehmigt wurden, ist der Einsatz von Filmdrohnen noch relativ neu. Vorher mussten die Filmaufnahmen mit Drohnen entweder aufwendig genehmigt oder in andere Länder ausgelagert werden (vgl. Holland, 2014). Zweimal wurde das Flying-Cam-System bislang mit dem Oscar für wissenschaftlichen und technischen Fortschritt ausgezeichnet (Scientific and Technical Award): 1995 erhielt Prévinaire den Oscar für sein Konzept der Flying-Cam, der Entwicklung einer auf einem ferngesteuerten Miniaturhubschrauber montierten Filmkamera. 2013 wurde ihm, zusammen mit Jan Sperling, Etienne Brandt und Tony Postiau ein Oscar für die Entwicklung des Systems der Flying-Cam SARAH 3.07 verliehen, mit dem das Miniatur-Hubschrauber-Kamerasystem computer- und GPS-gestützt funkgesteuert werden kann. Die Academy Awards stellten heraus, dass damit Aufnahmen erzielt werden können, die für Hubschrauber, Kabelsysteme oder andere traditionelle Kamerahilfsmittel unmöglich seien (vgl. Academy of Motion Picture Arts and Sciences, 2018).
6
Siehe auch http://wp.flying-cam.com/index.php/home-2-2/history/ (zuletzt gesehen am 4.01.2018).
7
SARAH steht für Special Aerial Response Automatic Helicopter.
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Abbildung 29: Das System der Flying-Cam
Die Kameradrohne mag als mechanisches System dem ähneln, was James Monaco 1995 für die künftigen Kameraentwicklungen vorausgesagt hat: die Annäherung an die „Idealvorstellung eines frei beweglichen, vollkommen kontrollierbaren künstlichen Auges“ (Monaco, 1995, S. 98). Gerade aber aufgrund ihrer Mechanik und der Abhängigkeit von äußeren Faktoren ist eine Kameradrohne trotz ihrer vielfältigen Möglichkeiten nach wie vor ein eingeschränktes System. Abgesehen von den Wetterbedingungen darf in den USA beispielsweise momentan nur bei Tag für eine vorgegebene Zeit von maximal 30 Minuten gedreht werden (vgl. Holland, 2014). Die Drohne darf außerdem nur bis zu 122 Meter (400 feet) hoch fliegen und der Flug muss von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Administration) genehmigt werden (vgl. Barnes, 2014). Obgleich die Kameradrohnen gewinnbringend für Live-Action-Aufnahmen sein mögen, ist ihr Kamerasystem nach wie vor restriktiv und die Aufnahme von räumlichen, zeitlichen und klimatischen Bedingungen sowie von der Laufzeit des jeweiligen Akkus abhängig.
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Anders verhält sich dies bei der virtuellen Kamera. Dieser Effekt, der seit den 1990er Jahren zunehmend im Film eingesetzt wird, kann als jenes frei bewegliches, künstliches Auge betrachtet werden, das vollkommen kontrollierbar ist. Bei der virtuellen Kamera gibt es keine Barrieren mehr, denn Kran- oder Flughöhe, Seillänge oder Raumposition sind hinfällig geworden.
2.2 DIGITALER EFFEKT: VIRTUELLE KAMERA Die virtuelle Kamera ist keine Apparatur. Sie ist ein digitaler Visual Effect, der mit einer CAD (computer-aided design)-basierten Software erstellt wird. Über die Visualisierungssoftware können alle Eigenschaften einer mechanischen Kamera angesteuert werden, doch ist die virtuelle Kamera flexibler als jede Apparatur. Als computergenerierter Effekt wird die virtuelle Kamera in der Postproduktion hinzugefügt (vgl. Jones, 2007, S. 231). Da in dieser Untersuchung die virtuelle Kamera als digitaler Visual Effect verstanden wird, soll sich hier ausschließlich auf die Softwarebasierte virtuelle Kamera konzentriert werden. Diese Festlegung ist wichtig, da es daneben auch Apparaturen gibt, die sich als virtuelle Kameras bezeichnen und einer apparativen Kamera mit Monitor gleichen. Diese sollen hier nicht untersucht werden, da es sich bei ihnen nur um Visualisierungsgeräte handelt, die keine Visual Effects, sondern Previsualisierungen generieren8. Die Software zur Generierung einer virtuellen Kamera wurde ursprünglich in Computerspielen eingesetzt. Ihrer dortigen Ästhetik und Verwendung ist jedoch eine andere, da die virtuelle Kamera in Computerspielen interaktiv ist und ihre Einstellungen von der Nutzung der Spieler_innen ab-
8
Beispiele für apparative virtuelle Kameras sind die Vicon Virtual Camera, das Insight VCS-System oder das virtuelle Kameragerät Mr Méliès. Auch wenn ihre optische Beschaffenheit an Kameras zur Bildaufzeichnung erinnern, sind sie keine Aufzeichnungsgeräte. Die Apparaturen sind lediglich ein System für Previsualisierungen von digitalen Erweiterungen am Set (ähnlich des SimulcamSystems bei AVATAR) (vgl. Vicon Motion Systems, o.A.; vgl. Solid track, o.A.; vgl. Optitrack, o.A.).
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hängig sind. Dies steht im Gegensatz zu ihrem Einsatz als Visual Effect im Film. Anders als in Animationsfilmen, bei denen der Effekt der virtuellen Kamera Grundlage des Films ist, besteht der Visual Effect der virtuellen Kamera in Live-Action-Filmen nicht ausschließlich aus computergenerierten Bildern, sondern seine Kamerabewegungen und -perspektiven werden meistens mit Real-Aufnahmen kombiniert. Im populären Hollywoodkino kann die virtuelle Kamera daher an der Schnittstelle zwischen Realfilm und Computeranimation gesehen werden. Auch wenn ihre Kombinationsbilder aus unterschiedlich produzierten Bildelementen bestehen und verschiedene Visualisierungsstrategien miteinander verbinden, ist diese Vermischung in der finalen Komposition nicht unbedingt erkennbar. Jedoch machen die extremen Kameraperspektiven und Kamerabewegungen das Bild der virtuellen Kamera gleichzeitig immer auch verdächtig. Zwei digitale Visual Effects der virtuellen Kamera sollen nachfolgend untersucht werden: Die virtuelle Kamera als unmögliche Bewegung und die virtuelle Kamera als unmögliche Perspektive, die ebenfalls Bewegungseffekte mit einschließt. Die Formulierung einer Unmöglichkeit soll darauf verweisen, dass diese Bewegungen und Perspektiven mit keinem mechanischen System und keiner Apparatur möglich gewesen wären. Indem die virtuelle Kamera extreme Sturzflüge macht und extreme Vogelperspektiven zeigt, setzt sie sich entschieden von den Konventionen eines klassischen Kinos ab und generiert räumlich etwas vollkommen Neues.
2.3 FILMBEISPIELE: DIE VIRTUELLE KAMERA ALS UNMÖGLICHE BEWEGUNG Die virtuelle Kamera unterliegt als entmaterialisierte Kamera keinem physikalischen Gesetz mehr. Dies zeigt sich exemplarisch an dem Effekt der unmöglichen Bewegung. Während im analogen Zeitalter unmögliche Kamerabewegungen, z.B. durch Objekte oder Körper hindurch, noch über bewegliche Wände oder der Montage von unterschiedlichen Aufnahmen generiert werden mussten, muss der Effekt der virtuellen Kamera nicht mehr auf diese Hilfsmittel zurückgreifen. Die virtuelle Kamera operiert ohne Schnitte und animiert stattdessen die Bildübergänge. Eine virtuelle
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Kamerafahrt kann so den Eindruck einer fließenden Bewegung inszenieren. Dadurch wird die unmögliche Bewegung möglich. In den Filmen FIGHT CLUB (USA 1999, David Fincher) und PANIC ROOM (USA 2002, David Fincher)9 zeigt sich diese unmögliche Bewegung der virtuellen Kamera in einem Durchdringen von verborgenen, normalerweise nicht zugänglichen Bereichen. Die virtuelle Kamera in PANIC ROOM bewegt sich beispielsweise durch den Griff eines Wasserkessels, durch einen Schlauch oder ein Schlüsselloch oder fährt durch Decken und Wände eines Gebäudes hindurch. Sie weicht nichts und niemandem aus, sondern fliegt problemlos durch jede Ritze und jeden Spalt. In der Titelsequenz von FIGHT CLUB zeigt sich die virtuelle Kamera als Effekt einer rückwärtigen Bewegung durch Nervenbahnen und Zellen hindurch, die schließlich bis an die Hautoberfläche dringt und am Lauf einer Pistole endet. Wenn Mike Jones in dieser Sequenz ausschließlich ein Zeigen und kein Erzählen sieht, dann schließt er sich damit der traditionellen Dichotomie von Attraktion und Narration an (vgl. Jones, 2007, S. 240). Wie bereits in Kapitel III dargelegt, ist eine solche Erklärung für digitale Visual Effects nicht mehr ausreichend. Aylish Wood hat mit ihrem Konzept des timespace den Visual Effects auch eine narrative Ebene zugesprochen. Zwar können Effekte auch unter dem Argument einer artistic motivation betrachtet werden, so wie dies David Bordwell, Janet Staiger und Kristin Thompson formuliert haben (vgl. Bordwell, Staiger, & Thompson, 1985, S. 21), doch greift dies bei der virtuellen Kamera nicht, da hier die Aufmerksamkeit nicht nur ausschließlich auf deren Ästhetik gelenkt wird, sondern auch auf die Narration, was beispielhaft an einer weiteren Sequenz aus FIGHT CLUB dargelegt werden soll. Gleich zu Beginn von FIGHT CLUB gibt es einen rasanten Sturzflug: Startpunkt ist die Außenseite eines Fensters, danach geht es entlang der Fensterfront auf die Straße, durch den Asphalt und durch eine Betondecke
9
PANIC ROOM und FIGHT CLUB haben zwar keinen Oscar für beste Visual Effects gewonnen, sollen hier aber dennoch besprochen werden, da sich an ihnen gut das stilistische Spektrum der virtuellen Kamera aufzeigen lässt. Sie zeugen zudem davon, wie weit sich die virtuelle Kamera in einer Kinolandschaft als Visual Effect bereits ausgebreitet hat, denn beide Filme werden u.a. auch als Kultfilme verhandelt (vgl. Walker, 2010).
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in die Tiefgarage hinein zu einem Transporter, dort wiederum durch ein Loch an dessen Frontscheibe in den Innenraum bis zu dem Laderaum, in dem sich ein Sprengsatz mit Sprenggelatine befindet. Schließlich geht es wieder raus aus dem Fahrzeug, durch den Lüftungsschacht bis auf die Straße, hinein in ein Gebäude bis zu einem Pfeiler mit einem weiteren Sprengsatz. Diese schnittlose Kamerafahrt dauert nur 15 Sekunden (TC 00:02:30 – 00:02:45).
Abbildung 30: Screenshot der Betondecke der Tiefgarage in FIGHT CLUB
Abbildung 31: Screenshot des Lochs in der Frontscheibe in FIGHT CLUB
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Die virtuelle Kamera fliegt scheinbar schnittlos durch kleine und große Objekte, durch ein Loch, durch Autos, durch Asphalt, Wände, schwere Betondecken und Lüftungsschächte hindurch, ohne anzuecken oder aufgehalten zu werden. Es gibt keine Einschränkungen, welche diesen Fluss der Bewegung unterbrechen würden. Die Perspektive der virtuellen Kamera ist in dieser Sequenz nicht leicht zu bestimmen: Die Kamera simuliert den Blick aus einer subjektiven Position, doch ist diese keiner diegetischen Figur und keinem diegetischen Objekt zugeordnet. Stattdessen nimmt die virtuelle Kamera einen entkörperlichten Blick ein. Es ist der Blick eines räumlichen Auges, das Jones treffend als „seeing what the space sees“ (Jones, 2007, S. 237) bezeichnet hat. Die unmöglichen Bewegungen entsprechen in ihrer Beschleunigung und ihren Flugbewegungen keinem Objekt in der Realität mehr. Der Visual Effects möchte ästhetisch gar nicht erst vermitteln, dass die Bewegungen tatsächlich von einer mechanischen Apparatur gefilmt wurden. Wie Lev Manovich in einem Interview hinsichtlich der virtuellen Kamera geäußert hat, mögen sich Zuschauer_innen zwar vorstellen können, dass solche Aufnahmen theoretisch möglich sind, doch wissen sie gleichzeitig auch, dass dies für eine mechanische Kamera nach derzeitigem Stand der Technik sehr unwahrscheinlich wäre (vgl. North, 2015, S. 274). Manovichs These lässt sich auch als Doppelgestus lesen, denn die Gleichzeitigkeit ist hier das wichtige Element. Die virtuelle Kamera kann etwas Faszinierendes zeigen, aber gerade aufgrund der Ahnung oder gar des Wissens, dass das Gezeigte unmöglich ist, schwingt in allem Verbergen auch immer mit, dass es ein Trick ist, der sich zeigen möchte. Da in der oben beschriebene Sequenz der Effekt der virtuellen Kamera in nur 15 Sekunden bereits wieder vorüber ist, werden die einzelnen (animierten) Elemente so schnell durchdrungen, dass für die Bewunderung dieses Effekts wenig Zeit bleibt. Die Betondecke, wie sie auf Abbildung 30 zu sehen ist, ist im Film schwerlich bis kaum erkennbar, viel zu schnell ist sie wieder verschwunden – im Detail zeigt sie sich nur im Filmstill. Gleichzeitig aber verharrt die virtuelle Kamera auf einzelnen, anderen Objekten. Es sind jene Objekte, die für die Handlung besonders relevant sind. Indem die virtuelle Kamera ihre Bewegung teilweise beschleunigt und dann wieder verlangsamt, rückt sie ausgewählte Objekte narrativ in den Fokus. Die unmögliche Bewegung der virtuellen Kamera lässt sich daher in FIGHT CLUB auch als gleichzeitige Attraktion und Narration lesen.
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Die Bilder der rasanten Kamerafahrt mögen spektakulär sein, aber sie sind auch insofern narrativ, als dass es über ein Voice-over des Protagonisten (Edward Norton) von der geplanten Sprengung mehrerer Straßenzüge erzählt wird, die Tyler Durden (Brad Pitt) plant, ein „Spektakel der Massenvernichtung“. Das Voice-over mag die Hintergrundinformation liefern, doch erst über die Bewegung der virtuellen Kamera stellt sich der Plan in seinem vollem Ausmaß dar: Parallel zum Voice-over werden die verlegten Kabel, die installierten Sprengkörper, die noch unbeschadeten Straßenzüge und ihre räumliche Nähe zueinander gezeigt. Erst durch die virtuelle Kamerafahrt erschließen sich die einzelnen Schauplätze räumlich, da die nahtlose Fahrt nicht nur von der Sprengung erzählt, sondern auch von der räumlichen Verbindung der Schauplätze zueinander. In dem Effekt der unmöglichen Bewegung der virtuellen Kamera kann also ein zweifacher Doppelgestus des Zeigens und Verbergens festgehalten werden: Der Effekt zeigt sich nicht nur im Sinne einer Attraktion, sondern er verbirgt sich gleichzeitig auch, indem er ein narratives Element ist, welches das Ausmaß dieses geplanten Anschlags visualisiert und damit verständlich macht. Ein Verbergen ist auch in den animierten Objekten des räumlichen Übergangs erkennbar. Eigentlich künstlich generiert (wie das Innere der Wände oder die Steine der Decke), folgen die Bilder einem Abbildrealismus und verbergen damit ihre Künstlichkeit. Gleichzeitig aber ist der Effekt gerade aufgrund seiner unmöglichen Bewegungen (auch wenn deren Bilder fotorealistisch wirken) verdächtig und zeigt sich in jenem Moment als Trick. Der Visual Effect stellt sich förmlich aus, denn die unmögliche Bewegung der virtuellen Kamera übertrifft die jedes mechanischen Kameraystems.
2.4 FILMBEISPIELE: DIE VIRTUELLE KAMERA ALS UNMÖGLICHE PERSPEKTIVE Die virtuelle Kamera zeigt unmögliche Bewegungen, sie zeigt aber auch unmögliche Perspektiven. Darunter sind lange Einstellungen als extreme Ansichten zu verstehen, die im Effekt der virtuellen Kamera meistens noch mit einem nahtlosen Bewegungseffekt kombiniert werden. Diese ästhetische Strategie der virtuelle Kamera erinnert an André Bazins Forderung nach langen Einstellungen und Bewegungen ohne Montage,
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da dadurch die Realität besser abgebildet werden könne. Bazin stellte besonders CITIZEN KANE (USA 1941, Orson Welles) als vorbildlich heraus. Orson Welles habe mit jenem Film „die filmische Illusion um eine wesentliche Eigenschaft des Realen bereichert: die Kontinuität“ (Bazin, 2009 [1975], S. 310). Vor allem lobt Bazin die Verwendung einer „vorher nicht üblichen Bildtiefe“ (ebd.). Die Schärfentiefe des Objektivs habe „der Realität ihre wahrnehmbare Kontinuität zurückgegeben“ (ebd.).
Abbildung 32: Matte Painting und finale Komposition in CITIZEN KANE
Interessanterweise hat Orson Welles in CITIZEN KANE mit Matte Paintings gearbeitet. Diese von Bazin formulierte Bildtiefe war nicht unbedingt immer dem Objektiv geschuldet, sondern auch den gemalten Vorlagen, den
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Mattes. Matte Paintings wurden häufig dann eingesetzt, wenn eine mechanische Kamera nicht alle Perspektiven erfassen konnte. Wie ich bereits andernorts dargelegt habe, wurden Matte Paintings als Darstellungen von fantastischen Welten, historischen Schauplätzen und weiten Perspektiven möglichst naturgetreu auf Glasplatten gemalt, die anschließend am Set aufgestellt und zusammen mit der Live-Action-Szene abgefilmt wurden (vgl. von Kap-herr, 2016, S. 113f). 1907 malte Norman Dawn eines der ersten Matte Paintings auf Glas und knüpfte damit an Georges Méliès an, der bereits in kleinerem Maßstab Mattes verwendet hatte (vgl. Vaz & Barron, 2002, S. 25f). Das so entstandene Filmbild war eine Komposition aus Malerei und Live-Action, die im Endprodukt aber möglichst ununterscheidbar voneinander sein sollten. Der Effekt der Matte Paintings verfolgte die Strategie einer unsichtbaren Kunst. Mattes sollten nicht nur von den fotografischen Bildern ununterscheidbar sein, sie sollten auch von den Zuschauer_innen nicht erkannt werden. Zur Aufrechterhaltung des Realitätseindrucks wurden Details im Hintergrund bewusst in der Ästhetik einer fotografischen Aufnahme gemalt, z.B. als verschwommene Objekte am Horizont. Die Techniken und Produktionsprozesse wurden weder von den Studios bekanntnoch von den Matte Paintern preisgegeben. Für den Maler Kevin Brownlow waren sie ein „closely guarded secret“ (Brownlow, zit. in: Vaz & Barron, 2002, I). Bazins Aussage legt nahe, dass diese Strategie des Verbergens aufgegangen ist, und die gemalten Effekte tatsächlich nicht wahrgenommen wurden. Dazu hat sicherlich das bewusste Nicht-Aufklären über die Technik und den Einsatz dieses Effekts beigetragen. Auch wenn heute anzuzweifeln ist, ob es nicht doch eine Ahnung des Effekts bei den Zuschauer_innen gegeben haben mag, ist es in Bezug auf die digitalen Visual Effects viel entscheidender, dass diese eine ganz andere Strategie als die Matte Paintings verfolgen, da es ihnen nicht mehr um eine Verbergen, ein Zurückhalten der Information und ein Nicht-Erkennen geht. Trotzdem können die Matte Paintings insofern als Vorläufer der virtuellen Kamera gesehen werden, da sie, wie George Lucas es formuliert hat, die Grundlage für ein virtuelles Set lieferten („basis of the ‚virtual set‘ approach“) (vgl. Lucas, 2002, S. 11) und ein Effekt waren, mit dem Kameraperspektiven simuliert wurden.
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Abbildung 33: Matte Painting und finale Komposition in BEN-HUR
Da Matte Paintings häufig eingesetzt wurden, um das Set räumlich zu ergänzen, sind im Hinblick auf die virtuelle Kamera insbesondere diejenigen Matte Paintings interessant, die als Panoramen im Hintergrund perspektivisch die Kameraeinstellung einer Totalen oder Super-Totalen nachahmten. Diese Matte Paintings ab den 1950er Jahren zeigen teils real existierende, aber auch fiktive Orte, die für die Filme entweder rekonstruiert wurden, wie das alte Rom in BEN-HUR (USA 1959, William Wyler) oder völlig neu entworfen werden mussten, wie der Planet in FORBIDDEN PLANET (USA 1956, Fred M. Wilcox). Die gemalten Totalen waren in BENHUR und STAR WARS auch Ergänzungen für die Darstellung von Massenszenen, die nicht nur gemalte Gebäude, sondern auch gemalte Menschenmassen (oder Klonkrieger wie in STAR WARS) zeigten. LiveAction wurde nur in einzelne Partien eingefügt, und wurde meistens im Vordergrund positioniert (siehe Abbildung 33 & 34).
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Abbildung 34: Matte Paintings und finale Komposition in STAR WARS
In den 1990er Jahren wurden die gemalten Matte Paintings zunehmend digitalisiert oder gleich komplett digital erstellt. Der Film, der zum ersten Mal traditionelle und digitale Techniken miteinander kombinierte war DICK TRACY (USA 1990, Warren Beatty). Da DICK TRACY im Stil eines Comics gestaltet sein sollte, wollte Regissuer Beatty klassische Matte Paintings, denen man ihre malerische Beschaffenheit ansehen sollte. Diejenigen, die realistisch aussahen, lehnte er infolgedessen ab (vgl. Vaz & Barron, 2002, S. 233f). Obgleich die gewollte Sichtbarkeit des Matte Paintings auf den Farben und der Ästhetik des Comicstils beruht, steht DICK TRACY doch für eine Wende, da der Film ausgerechnet die vormals unsichtbare Kunst vorführen wollte. Das Making-Of „Dick Tracy. Behind the Badge. Behind the Secenes“10 verspricht gleich zu Anfang etwas Aufregendes, Einzigartiges und Unerwartetes. Kurz danach werden die Kompositionen mit den Matte Paintings gezeigt, welche ein Sprecher folgendermaßen für den Film einordnet: „Breaking all rules – then writing brand new ones with some stunning results“ (TC 00:03:43 -00:03:58). Interessanterweise wird jedoch der Herstellungsprozess der Matte Paintings weder anschließend, noch im wei-
10 Siehe https://www.youtube.com/watch?v=alm2DaKFYv8 (zuletzt gesehen am 14.10.2016).
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teren Verlauf des Making-Ofs thematisiert. Der Fokus liegt noch auf den älteren Special Effects, den praktischen Effekten, Masken und Modellen. Obwohl in dem Begleitmedium nur die Geheimnisse anderer Effekte preisgegeben wurden, ist dennoch die Künstlichkeit der Matte Paintings ästhetisch im Filmbild erkennbar. War es bei dem Effekt der gemalten Matte Paintings ein entscheidender Nachteil, dass sie aufgrund ihrer Statik nur mit einer unbewegten Kamera aufgenommen werden konnten – ganz gleich ob sie am Set positioniert oder nachträglich mit dem Optischen Printer eingefügt wurden – so gilt dies nicht mehr bei dem Effekt der virtuellen Kamera. Nicht nur, dass die Perspektive hier noch extremer sein konnte, sondern sie konnte zusätzlich mit einem Schwenk, Zoom oder Kameraflug kombiniert werden. Verstärkt kommt diese unmögliche Perspektive in epischen Szenen vor, die mit Menschenmassen (ähnlich des Matte Paintings) gefüllt werden und daher auf bestimmte Einstellungsgrößen angewiesen sind. Die digitale Masse als Element innerhalb der virtuellen Kamera hat in diesen Sequenzen eine bestimmte Funktion, die für den Doppelgestus des Zeigens und Verbergens wichtig ist. Daher soll kurz auf die Entwicklung und Strategie der digitalen Masse eingegangen werden. Seit den 1990er Jahren kommen digitale Massenszenen als Armeen und Horden von Lebewesen verstärkt im populären Kino vor, beispielsweise in INDEPENDENCE DAY (USA 1996, Roland Emmerich), THE MATRIX (USA 1999, The Wachowski Brothers), GLADIATOR (GB/USA 2000, Ridley Scott), TROY (USA/Malta/GB 2004, Wolfgang Petersen), in der Filmtrilogie von THE LORD OF THE RINGS (USA/NZ 2001, 2002, 2003, Peter Jackson), THE DARK KNIGHT (USA/UK 2008 Christopher Nolan), LIFE OF PI (USA 2012, Ang Lee). Diese digitalen Massen werden überwiegend über das Softwareprogramm Massive (Multiple Agent Simulation System in Virtual Environment) generiert und mit dem Effekt einer virtuellen Kamera kombiniert. Ursprünglich für Peter Jacksons THE LORD OF THE RINGSTrilogie entwickelt, hat sich dieses Programm im Laufe der Jahre verändert und seine künstliche Intelligenz für das rollenspielähnliche Verhalten der Charaktere angepasst. Da es dieses Programm ermöglicht, Regeln für die Figuren im Kampfgeschehen festzusetzen, kam es anfangs allerdings zu Überraschungen. Wie der Visual Effects-Artists Joe Letteri berichtete, rannten einige animierte Charaktere vor dem Kampfgeschehen weg (Let-
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teri, zit. in: Rickitt, 2007, S. 216). Auch wenn diese Begebenheit für ein Verständnis der digitalen Masse bedeutend sein mag, spielt sie für die Diegese jedoch keine Rolle. In ihren entsprechenden Szenen tragen die Einzelnen nicht als Individuum zur Narration bei, sondern sie besitzen nur als Masse eine narrative Funktion. Wie Kristen Whissel herausgestellt hat, erscheinen die digitalen Massen – sie bezeichnet sie als digital multitude – meistens erst gegen Ende eines Films. Dies hat folgenden Grund: In den entsprechenden Szenen geht es narrativ meistens darum, dass sich etwas verändern wird und soll, denn es steht folgendes bevor: „the end of freedom, the end of a civilization, the end of an era, or even the end of human time altogether“ (Whissel, 2014, S. 60)11. Whissel schreibt der digitalen Masse noch eine weitere Eigenschaft zu: Zeitlichkeit. Taucht die digitale Masse im Filmbild auf, geschieht dies schnell und ohne Vorwarnung (vgl. ebd., S. 67). Das Element der Zeitlichkeit hat bereits Elias Canetti in seinem Buch Masse und Macht (1960) für die Masse bestimmt, als er über eine extreme Form der spontanen Masse geschrieben hat, „die plötzlich da ist, wo vorher nichts war. [...] Plötzlich ist alles schwarz von Menschen. Von allen Seiten strömen andere zu, es ist, als hätten Straßen nur noch eine Richtung“ (Canetti, 1960, S. 14). Die spontane Masse besteht nicht nur aus ein paar Menschen, sondern sie möchte sich stets vergrößern, „[d]er Drang zu wachsen ist die erste und oberste Eigenschaft der Masse“ (ebd., S. 15). Die Masse zerfällt für Canetti erst dann, wenn sie nicht mehr wachsen kann. Dies ist ein abrupter Vorgang, denn „so plötzlich, wie sie entstanden ist, zerfällt die Masse“ (ebd.). Für Canetti geht es der Masse um „Entladung“ (ebd., S. 16)., um die Zerstörung von Häusern und Gegenständen und allem, was zerbrechlich ist und Lärm verursacht (vgl. ebd., S. 18). Siegfried Kracauer schreibt in seinem Essay Das Ornament der Masse (1977) über die Rationalisierung von Körpern und Bewegungen (vgl.
11 Der Einsatz von Massen als narratives Element der Veränderung hat eine lange Tradition: Im Stummfilm haben Sergei Eisenstein (ОКТЯБРЬ/ OKTOBER, UdSSR 1928) und D. W. Griffith (INTOLERANCE – LOVE’S STRUGGLE THROUGHOUT THE AGES,
USA 1916) Massen aus diesem Grund eingesetzt. Für Whissel waren
auch die Massen in TRIUMPH DES WILLENS (D 1935, Leni Riefenstahl) dazu da, eine Veränderung Deutschlands zeigen zu wollen, wenn Hitler in eine neue Ära führen wollte (vgl. Whissel, 2014, S. 60f).
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Kracauer, 1977, S. 51). Die Menschen der Masse sind für ihn keine Individuen mehr, sondern Massenglieder und Einzelteile einer Figur. Auch wenn die Massen das Ornament hervorbringen, sind sie sich dessen nicht bewusst und denken es auch nicht mit (vgl. ebd., S. 52). Kracauer vergleicht das Massenornament daher mit dem Prinzip eines „kapitalistischen Produktionsprozesses“ (ebd., S. 53, Herv. i. O.), bei dem Waren allein des Profits wegen von Arbeitermassen in Einzelschritten hergestellt werden, ohne das Ganze zu kennen (vgl. ebd., S. 53f). Organisiert werden die Massen durch „eine monströse Figur, die von ihrem Urheber den Augen ihrer Träger entzogen wird und kaum ihn selbst zum Betrachter hat“ (ebd., S. 54). Kracauer nutzt das Ornament der Masse vor allem als ein paralleles Denkbild für den Kapitalismus (vgl. ebd., S. 57f). Er kritisiert daran, dass das kapitalistische Denken die Rationalität von der Vernunft trennt und alles Natürliche auflöst. Für Krakauer ist die Masse etwas, was sich ornamental formiert – damit sieht er sie anderes als Canetti. Denn für Krakauer bildet sie sich nicht spontan, sondern wird geometrisch arrangiert12. Canetti und Kracauer geht es ihren Schriften nicht um eine filmische Masse. Überträgt man ihre Thesen jedoch auf den Film, so kann Canettis Formulierung einer Masse auch in den Filmszenen wiedergefunden werden. Betrachtet man die Matte Paintings mit Massenszenen, so sind diese fast geometrisch angelegt und Einzelteile eines Ganzen (siehe Abbildung 35). Im Softwareprogramm Massive ist die Masse auf eine Sache reduziert (z.B. Kämpfen). Sie kann jedoch so programmiert werden, dass die Einzelnen in der Masse individuell agieren, auch wenn sie sich alle gleichermaßen entladen. Dieses Phänomen der Masse in Verbindung mit unmöglichen Perspektiven der virtuellen Kamera möchte ich exemplarisch an seinem Pionier THE LORD OF THE RINGS: THE FELLOWSHIP OF THE RING (USA/NZ 2001, Peter Jackson), THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS (USA/NZ 2002, Peter Jackson) und auch an TROY (USA/Malta/GB 2004, Wolfgang Petersen) aufzeigen. Dass die Masse in der Trilogie von THE LORD OF THE RINGS irgendwann erscheinen wird, kündigt sich bereits im Prolog von THE LORD OF THE RINGS:
12 Zu weiterführenden Theorien der Massen siehe auch Michael Hardt & Antonio Negri: Multitude (2004) sowie Gustave Le Bon: Psychologie der Masse (1912 [1895]).
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THE FELLOWSHIP OF THE RING an: Die Welt sei im Wandel. Verantwortlich sei ein Ring, der einst von dem dunklen Herrscher Sauron heimlich geschmiedet wurde, um alle zu beherrschen und zu unterdrücken. 2500 Jahre lang war der Ring verschwunden und niemand wusste mehr von ihm. Er suchte sich einen neuen Träger, Gollum, den er nach 500 Jahren verließ und wurde von dem Hobbit Bilbo Beutlin gefunden. Der Ring, so heißt es, bestimme das Schicksal aller. Wird in diesem Prolog bereits angekündigt, dass der Ring mit seiner Kraft Massen hervorrufen wird (vgl. Whissel, 2014, S. 63), so kommt es in der Fortsetzung THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS schließlich zu jenem Kampf, der den Höhepunkt des Films markiert: Der Schlacht von Helm’s Deep. Saruman (Christopher Lee) möchte Mittelerde beherrschen und schickt seine Uruk-hai-Armee nach Helm’s Deep, während er in einem Turm eingesperrt wird. Die Armee in Form einer digitalen Masse marschiert ein, greift König Theoden an und bedroht die Protagonist_innen mit dem Untergang ihrer diegetischen Welt. Immer wenn virtuelle Kamera und digitale Masse aufeinander treffen, gibt es einen bevorzugten Aufbau der Bildästhetik: Die unmögliche Perspektive einer extremen Totalen (Super-Totalen), verbunden mit dem Effekt einer Kamerabewegung. THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS ist ein gutes Beispiel für diesen typischen Bildaufbau, der auch in anderen Sequenzen mit digitalen Massen und virtuellen Kamerafahrten zu finden ist: Zuerst werden einzelne Figuren, Gandalf (Ian McKellen) und Aragorn (Viggo Mortensen), in einer Schuss-Gegenschuss-Montage gezeigt und über diese Figuren die Armee eingeführt. Die virtuelle Kamera fliegt auf die Truppen zu und zieht sich wieder zurück, um noch mehr Reitern Platz zu machen. Ähnlich wie die Szene in JURASSIC PARK, wenn die Dinosaurier das erste Mal in voller Größe eingeführt werden, werden in THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS zuerst die erstaunten Gesichter der Charaktere und anschließend die gegnerischen Truppen in einer Totalen gezeigt. Die Totale ist bei der virtuellen Kamera fast nie ein statisches Bild, sondern ist auch hier von einem Kameraflug begleitet, um das Ausmaß der plötzlich hereinbrechenden Massen aus der Vogelperspektive zu präsentieren. Anders als bei der virtuellen Kamera als unmögliche Perspektive gibt es in dieser Sequenz aus THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS auch Schnitte, um die drohende Gefahr über mehrere Perspektiven auszustellen. Dazu wird immer wieder der Totalen enormer Platz im Filmbild einge-
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räumt. Durch die Bewegungsabläufe der virtuellen Kamera, die den Strömungen der Massen folgt, sich dann wieder zurückzieht, scheint es, als würden die Massen wie ein Schwarm in das Filmbild hineinbrechen, kein Einzelner ist mehr zu erkennen. Die Masse mag zwar ästhetisch gut in das Filmbild integriert sein und durch das Schuss-Gegenschuss-Verfahren auf Totale und Protagonist_innen werden die Bilder der virtuellen Kamera diegetisch eingebettet, doch stellt sich der perspektivisch unmögliche Effekt der virtuellen Kamera gleichzeitig auch als Visual Effect aus.
Abbildung 35: Filmstill aus THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS
Wie in dem Making-Of „The Battle of Helm’s Deep“13 herausgestellt wird, gab es für die Szenen in Helm’s Deep ungefähr 80 Stuntmänner. Wenn Viggo Mortensen (Aragorn) die Anekdote erzählt, er hätte in dieser Filmszene jeden Stuntmann 50 Mal töten müssen, dann verweist dies, ungeachtet der diegetischen Absurdität, auch darauf, dass Live-Action am Set gab, das mit der virtuellen Kamera und der Masse kombiniert wurde. Da Live-Action jedoch nur in den Nahaufnahmen stattfand, zeigt dies gleichzeitig auch auf die Strategie, Visual Effects narrativ zu integrieren. Der Effekt der virtuellen Kamera als unmögliche Perspektive hebt sich insofern von extremen Ansichten der Matte Paintings ab, als dass er zusätzlich noch mit Bewegungseffekten ergänzt wird – Bewegung innerhalb der Super-Totalen und Simulierung der Bewegung einer Kamera. Das Bild der
13 Siehe https://www.youtube.com/watch?v=oyogklALGbw (zuletzt gesehen am 14.10.2016).
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virtuellen Kamera ist selten ein statisches, sondern zeigt immer auch, welche Bewegungsmuster im Visual Effect möglich sind. Damit stellt sich der Effekt zwar aus, doch sind die Szenen nie reines Spektakel, sondern sie sind diegetisch eingebettet. Die Schlussszene von THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS endet mit einer weiteren virtuellen Kamerafahrt, allerdings ohne Massen. Beginnend im Wald bei Gollum, Frodo Beutlin (Elijah Wood) und Sam Gamdschie (Sean Astin), überfliegt die virtuelle Kamera die Baumwipfel hinauf in den Himmel und über das Gebirge bis nach Mordor zu der Festung Saurons. Der Film endet nach dieser Bewegung, die nur über den Effekt der virtuellen Kamera so präsentiert werden kann, in einer SuperTotalen bzw. einem Panorama. Ähnlich wie in FIGHT CLUB wird in dieser Sequenz etwas visuell gezeigt und gleichzeitig narrativ eingebunden: Die Festung Saurons markiert das Ziel, wohin Gollum Frodo und Sam sich aufmachen. In der virtuellen Kamerafahrt wird vermittelt, welch langer Weg ihnen noch bevorsteht. Das Panorama, auf dem die virtuelle Kamera zum Stehen kommt, ist ein statisches Bild, jedoch mit Animationen aus Rauch, Feuer und bewegten Kreaturen versehen. Durch die weite Perspektive und die unheilvollen Elemente im Bild wird das drohende Unheil angekündigt, das sich im darauffolgenden Teil ausbreiten wird. Das letzte Filmbild ist daher gleichzeitig auch ein narratives Versprechen an den nächsten Film und ein selling point der Visual Effects. Auch in TROY gibt eine Sequenz, in der auf ganz ähnliche Weise über den Effekt der virtuellen Kamera etwas perspektivisch Unmögliches gezeigt wird. Hintergrund dieser Szene ist, dass Achilles (Brad Pitt) mit 50000 Soldaten nach Troja gesegelt ist, um im Kampf Ruhm zu erlangen und dadurch unsterblich zu werden. Zu Beginn dieser Sequenz ist Achilles in einem ähnlichen Bildaufbau wie Gandalf zu sehen. Es gibt erst eine Aufnahme von vorne, dann ein Schnitt auf seinen Rücken, denn setzt der Effekt der virtuellen Kamera ein. Beginnend mit einem Zoom wird das Filmbild bis auf eine Totale ausgedehnt, an deren Fluchtpunkt sich immer mehr (nahezu gleich aussehende) Schiffe erstrecken, bis schließlich der ganze Bildausschnitt davon übersät ist. Die virtuelle Kamera reicht perspektivisch bis zum Horizont, doch ist dort nichts mehr klar erkennbar. Mit dieser Unschärfe orientiert sich die virtuelle Kamera ästhetisch an der Schärfentiefe einer Kameralinse. Im Anschluss folgt ein Kameraflug aus der Vogelperspektive,
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der das räumliche Ausmaß der Bedrohung zeigt, ähnlich wie in THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS.
Abbildung 36: Filmstill aus TROY
Die Schiffe in TROY sind fotorealistisch gestaltet. Doch bei genauerer Betrachtung zeigen sie sich als digital generierte Visual Effects. Nicht nur der Winkel ihrer Positionierung ist gleich, auch ihre Form variiert nicht, lediglich bei den Segeln gibt es gestalterische Abwechslung. Durch diese Bildkomposition wird der Effekt in einem doppelten Sinn verdächtig: zum einen durch die Masse an geklonten Schiffen, zum anderen durch die virtuelle Kamera, da kein mechanisches Kamerasystem diese Perspektive mit ihrer Bewegung so hätte aufnehmen können, wie es für die Sequenz erforderlich ist – abgesehen davon, dass das Filmbudget bei der Anzahl an Schiffen schnell ausgeschöpft gewesen wäre. Auch bei TROY ist das Zeigen des Effekts gleichzeitig auch ein Verbergen im Sinne eines fotorealistischen und narrativen Elements, da das Ausmaß des bevorstehenden Angriffs zu sehen ist, welches auch eine Veränderung für die Handlung hervorbringen wird.
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2.5 DER DOPPELGESTUS DER VIRTUELLEN KAMERA Der Doppelgestus des Zeigens und Verbergens wird bei dem Visual Effect der virtuellen Kamera an der Strategie seiner Präsentation deutlich. Die unmöglichen Bewegungen und unmöglichen Perspektiven transportieren einen Gestus des Zeigens, indem sie auf den Effekt zeigen und ihn ausstellen, da keine Kameraapparatur diese Bilder so hätte aufzeichnen können. Auch wenn es seit 2014 in den USA möglich ist, Drohnen auch offiziell als fliegende Kameraträger für Filmaufnahmen einzusetzen, so wäre dies beispielsweise für die Aufnahmen zu THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS keine echte Alternative gewesen. Denn die Luftaufnahmen könnten nicht die virtuelle Kamera ersetzen, das Bild stimmt selten komplett mit realen Landschaften überein, daher müssten trotzdem einzelne Bildelemente digital neu generiert werden, wie z.B. die hereinbrechende Masse, ungeachtet der exakten, errechenbaren Choreographie von extremen Perspektiven aus der Super-Totalen bis hin zu den Nahaufnahmen oder der Beund Entschleunigung der virtuellen Kamerafahrt. Auch sind die unmöglichen Bewegungen in FIGHT CLUB mit keinem mechanischen Kamerasystem möglich. Trotz flexiblerer Bewegungen mit einer Kameradrohne kann diese nicht durch Wände oder durch kleine Einschusslöcher hindurchfliegen. Die Drohnen werden daher im Hollywood-Spielfilm bislang hauptsächlich für Tracking, zur dynamischen Verfolgung einer Bewegung von Protagonist_innen benutzt. Häufig sind dies Sequenzen mit Verfolgungsjagden, wie die Eingangssequenz bei SKYFALL, in der James Bond auf dem Motorrad über den Dächern von Istanbul zu sehen ist, und die Drohne ihm während der spektakulären Stunts auf ähnlicher Flughöhe folgen kann. Die virtuelle Kamera stellt sich aber nicht nur als Effekt aus, sondern sie macht paradoxerweise gleichzeitig auch ihre Effekthaftigkeit so unauffällig wie möglich. Die Strategie des Verbergens dieses Visual Effects ist es, ästhetisch einem Foto- und Abbildrealismus zu folgen und sich zusätzlich noch diegetisch als narratives Element in die Sequenz einzufügen. Dies wird unter anderem in den Szenen einer unmöglichen Bewegungen deutlich, wie sie in FIGHT CLUB zu sehen sind: Der Visual Effect zeigt sich als Effekt, da kein mechanisches Kamerasystem diese schnittlose, rasante Sequenz in kleinste Löcher und Innenräume hinein hätte aufzeichnen können. Gleichzeitig aber trägt er visuell über die Narration seiner Bewegungen zur
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Handlung bei. Obwohl der Effekt sich in seiner Unmöglichkeit ausstellt und Grenzen durchbricht, steht das Zeigen nicht im Vordergrund. Die spektakulären Elemente verweilen nicht lange zum Bewundern, sondern werden so eingesetzt, dass sie der Narration eine weitere Dimension hinzufügen. Bei den unmöglichen Perspektiven der virtuellen Kamera verhält es sich ästhetisch etwas anders. Die virtuelle Kamera verharrt zwar immer einen Moment, doch wird dadurch auch die Aufmerksamkeit auf diesen Effekt gelenkt, denn die unmögliche Perspektive stellt sich als solche aus. Diese unmögliche Perspektive wird meistens von einem Bewegungseffekt begleitet. In dieser Verbindung unterstützt die virtuelle Kamera die Narration. Dies zeigt sich in den Sequenzen der digitalen Masse. Sie taucht in den Momenten im Film auf, in denen sich eine entscheidende Veränderung anbahnt. Indem die Aufnahmen einer virtuellen Kamera mit Aufnahmen der Protagonist_innen kombiniert werden, unterstützen sie die Figuren narrativ. Denn diese sind es ja, die sich der Veränderung stellen müssen und die drohende Gefahr, die über die extremen Perspektiven der virtuellen Kamera gezeigt wird, zum Guten wenden sollen. Die virtuelle Kamera ist als digitaler Visual Effect frei von jedem physikalischen Gesetz, sie unterliegt keiner Schwerkraft, keinen klimatischen Bedingungen, keinen räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten mehr. Ihr Weg kann durch nichts versperrt werden (außer es ist bewusst so geplant), sie kann jede erdenkliche räumliche Bewegung ausführen und jede noch so entfernte Perspektive zeigen. Ihr Spektrum reicht weit über ein physikalisches hinaus und wird auf absehbare Zeit auch keine Konkurrenz bekommen. Denn die virtuelle Kamera kann in den mikroskopischen Bereich hinein, z.B. in Nervenbahnen bei FIGHT CLUB, und gleichzeitig auch unerreichbare Galaxien ansteuern und eine Fahrt durch Zeit und Raum machen, wie z.B. in INTERSTELLAR (USA/UK 2014, Christopher Nolan) oder GRAVITY (USA/UK 2013, Alfonso Cuarón). Sie kann Panoramen von Kämpfen zeigen wie in der THE LORD OF THE RINGS-Trilogie und historische Orte bis zum Horizont überfliegen wie in TROY oder GLADIATOR (UK/USA 2000, Ridley Scott). Obwohl die unmöglichen Perspektiven den Visual Effect auch ausstellen, möchten sie gleichzeitig verborgen bleiben. Denn die Strategie der digitalen Visual Effects ist es nicht, die filmische Illusion zu zerstören, sondern ganz im Gegenteil: Der Visual Effect soll bewundert und anerkannt werden, denn er hat schließlich auch dann noch
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Bestand, wenn er durchschaut worden ist. Der Doppelgestus beschreibt genau dieses Prinzip. Wenn die dritte Möglichkeit eines gleichzeitigen Zeigens und Verbergens gegeben ist, präsentiert sich der digitale Visual Effect in seinem vollen Umfang und seiner angedachten Gestalt.
Fazit und Ausblick
Digitale Visual Effects bewegen sich in einem Spannungsfeld. Einerseits wollen sie nicht auffallen und sich möglichst unmerklich ins Filmbild integrieren. Andererseits ziehen sie aber die Aufmerksamkeit auf sich, weil sie sich als Sensation ausstellen. Um diese Entwicklung seit den 1990er Jahren nachzuzeichnen, hat sich eine Abgrenzung der digitalen Visual Effects von den Special Effects als fruchtbar erwiesen. Während Special und Visual Effects bisher weitgehend produktionstechnisch unterschieden wurden – in analog und digital, in Effekte vor der Kamera und Effekte aus der Postproduktion – wurden ihren ästhetischen Strategien und Logiken kaum beachtet. Um allerdings eine Transformation der Effekte nachzuzeichnen, ist eine Auseinandersetzung mit ihren begrifflichen Ursprüngen und den historischen Veränderungen sinnvoll. Es hat sich gezeigt, dass die Etablierung der Visual Effects weniger mit dem Übergang von analog zu digital zu tun hatte, als vielmehr mit den Strategien, Prinzipien und Versprechen, die damit einhergingen und denen die Effekte fortan mehr denn je folgten. Diese Veränderungen lassen sich auch mit den Auszeichnungen der Academy Awards in Verbindung bringen, welche seit 1977 nur noch Oscars für Visual Effects vergeben. Während Special Effects einer Logik der Separation verschrieben waren, folgen Visual Effects nun der Logik der Integration. Die wichtigste Erkenntnis dieser Untersuchung ist die besondere Konstellation digitaler Visual Effects im aktuellen Hollywood-Kino. Sie wurde von mir als Doppelgestus des Zeigens und Verbergens bezeichnet. Dieses Konzept gründet darauf, die Gesten des Zeigens und Verbergens nicht mehr getrennt voneinander zu betrachten, sondern ihre potentielle gleichzeitige Existenz anzuerkennen. Etwas kann also gleichzeitig verborgen und gezeigt
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werden. Diese von mir benannte Gleichzeitigkeit hat allerdings nichts mit der Wahrnehmung im neurologischen Sinne zu tun, auch wenn diese mitschwingen mag. Sie ist als etwas zu verstehen, das kein Pendeln zwischen zwei distinkten Merkmalen ist, sondern sich dadurch auszeichnet, dass zwei Merkmale gleichzeitig ununterscheidbar voneinander existieren. Dieser Zustand ist dem erzeugten Bild des Thaumatrops ähnlich, bei dem zwei separate Bilder zu einem einzigen Bild verschmelzen. Die Oberbegriffe des Zeigens und Verbergens dienen dabei als Hilfsmittel zur adäquaten Beschreibung der verschiedenen Umgangsweisen. Der Gestus des Zeigens steht für ein Hinweisen, ein indirektes Zeigen auf den Effekt und eine direkte Konfrontation mit dem Effekt. Der Gestus des Verbergens bezieht sich darauf, dass die computergenerierten Bilder im Filmbild ästhetisch möglichst unauffällig sein wollen, indem sie Ähnlichkeiten zu bekannten Objekten herstellen und sich narrativ integrieren. Indem jedoch (u.a. in den Begleitmedien) auf die vermeintlich unsichtbaren Effekte gezeigt wird, werden sie gleichzeitig sichtbar gemacht. Das Paradoxon ist, dass Visual Effects sich als verborgene Effekte zeigen. Der Doppelgestus ist ein theoretisches Modell zur Erklärung eines populären Phänomens. Die Strategien des Zeigens und Verbergens mögen zwar in der Film- und Mediengeschichte keine neue Entwicklung sein, doch waren sie nie zuvor so untrennbar miteinander verbunden wie bei den digitalen Visual Effects. Hier ist das Ineinandergreifen des Zeigens und Verbergens viel stärker ausgeprägt als bei ihren medialen Vorgängern. Der Unterschied ist, dass die digitalen Visual Effects den gleichen ontologischen Status wie das aufgezeichnete Filmbild besitzen. Dadurch können sie nahtloser in das Bild integriert werden. Die Visual Effects werden auch mehr mit den Handlungsorten, den Figuren und der Narration verknüpft. Während der Filmaufnahmen sind sie bereits in Form von Previsualisierungen am Set präsent. Da digitale Visual Effects weltweit hohe Einspielergebnisse aufweisen, sind sie zum selling point des Films geworden. Die digitalen Visual Effects wurden von der Filmindustrie von Anfang an gezielt vermarktet. Bereits während der Drehzeit werden sie beworben, herausgestellt, gezeigt und beschrieben. Dies hat dazu geführt, dass sich seit den 1990er Jahren das Filmeschauen zunehmend zu einem kontextuellen Sehen entwickelt hat. Die Begleitmedien zu den Visual Effects-Filmen werden auf DVD und im Internet privat verfügbar gemacht. Diese Veränderungen haben dazu geführt, dass der Doppelgestus zu einem Modell
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geworden ist, das die digitalen Visual Effects theoretisch beschreibt und charakterisiert. Seine Strategie wurde noch nie so konsequent verfolgt. Während lange Zeit in der Filmgeschichte stärker ein Gestus des Verbergens bedient wurde, ist heute das Zeigen genauso wichtig geworden. Effekte sind jedoch seit Anbeginn Teil des Films. Während sich die Film- und Medientheorie stets schwer getan hat (und es immer noch tut), Visual Effects als Teil des Films zu akzeptieren, scheint dies in der Filmindustrie sowie bei dem Publikum längst der Fall zu sein. Der größte Vorwurf an die Visual Effects, sie könnten die filmische Illusion zerstören, hat sich als hinfällig erwiesen. Wie schon der Zaubertrick gezeigt hat, entfalten Effekte auch dann noch ihre Wirkung, wenn sie durschaut worden sind. Filmhistorisch wurden die Effekte von zwei dominanten Diskursen begleitet: Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sowie Attraktion und Narration. So wichtig Tom Gunnings Aufsatz zum Kino der Attraktionen für ein Verständnis des frühen Kinos vor 1906 sein mag, so bremsend war er allerdings für die heutigen digitalen Visual Effects. Gunning bezeichnete darin das Blockbusterkino als eine Rückwendung zu einem Kino der Attraktionen, als ein Spektakelkino und Kino der Effekte, das ausschließlich auf das Zeigen der Effekte aus sei und sich nicht auf die Erzählung konzentrieren würde. Bis heute sind diese Vorwürfe in der Filmtheorie verbreitet, vor allem durch Theoretiker der filmischen Narration wie Bordwell und Thompson. Das Verhältnis zwischen Narration und Attraktion hat sich jedoch in den letzten Dekaden im Film verändert. Dies lässt sich gut an den Visual Effects aufzeigen, denn sie können Attraktion und narratives Element zugleich sein. Aylish Wood hat es timespace genannt, wenn sich Effekte räumlicher und zeitlicher Komponenten bedienen und als narratives Element, obgleich Attraktion, die Handlung nicht mehr unterbrechen, sondern immer einen Rückweg in die Diegese bieten. Dies hat sich gut an den Szenen des Visual Effects einer virtuellen Kamerafahrt und ihren eigentlich unmöglichen Perspektiven belegen lassen. Während also diese Begriffspaare stets als Dichotomie verhandelt wurden, sind diese Diskurse in Bezug auf die digitalen Visual Effects neu eingelesen und aufgebrochen worden. Ebenso, wie in dieser Publikation nur ein kleiner Teil von Filmen mit digitalen Visual Effects behandelt werden konnte, wurden exemplarisch auch nur zwei Effektarten herausgegriffen, die in den letzten beiden Dekaden besonders stark vertreten waren und es noch sind. Der Doppelgestus des
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Zeigens und Verbergens, der an den Effekten des digitalen Körpers und der virtuellen Kamera herausgearbeitet wurde, steht aber gleichzeitig auch exemplarisch für eine Lesart aller digitalen Visual Effects. Dieser Ansatz kann ebenso auf alle anderen Filmeffekte übertragen und die Effekte hinsichtlich ihrer Gesten des Zeigens und Verbergens abgefragt werden. Untersuchenswert ist sicher, inwiefern der Doppelgestus abseits des Films auf andere Medienformen übertragbar wäre. Wenngleich dies in der vorliegenden Studie den Rahmen gesprengt hätte, könnte es für eine weiterführende Forschung interessant sein. Vorstellbar wäre eine kontextuelle Betrachtung der Leseerfahrung eines Buches. So wie die Filmerfahrung heute nach dem Ende des Films nicht mehr aufhört, gibt es auch bei Büchern parallel existierende mediale Formate. Viele populäre Autor_innen führen heute Online-Blogs, die als Instrument des Buchmarketings die Ideenwelt des Buchs weiterspinnen. Sie führen fiktive Dialoge mit ihren Protagonist_innen, publizieren Buchtrailer, Coverbilder und Teaser. Gleichzeitig werden auch Hintergrundinfos über das Entstehen der Geschichten und über die Schwierigkeiten beim Schreiben veröffentlicht. Es würde sich anbieten, hier zu untersuchen, ob sich mit dem Doppelgestus ein verändertes Leseerlebnis fassen und passend beschreiben ließe. Ebenso interessant wäre es zu hinterfragen, ob der Doppelgestus auch auf andere moderne Medientechnologien übertragbar wäre, zum Beispiel auf das Filmerlebnis bei apparativen Verfahren wie 3D, IMAX-Kino oder Virtual Reality (VR). Große Visual Effects-Firmen, wie Digital Domain (TITANIC; THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON), Framestore (GRAVITY) oder ILM (STAR WARS), produzieren bereits Virtual RealityInhalte, wie Augmented Reality oder 360°-Filme. Dieser Quereinstieg zu Virtual Reality liegt nahe, denn Visual Effects-Künstler besitzen bereits eine Expertise, die auch für die Herstellung von Virtual Reality-Inhalten nützlich ist. Immer häufiger werden Apparaturen am Set eingesetzt, welche die Effekte in Echtzeit widergeben. Diese Previsualisierungen werden über bewegliche Monitore sichtbar gemacht und können am Körper getragen werden, um verschiedene Blickwinkel des Sets mit den Effekten sichtbar zu machen. Dies kommt dem Prinzip der computergenerierten VR-Inhalte bereits recht nahe. Virtual Reality greift auch bestimmte Versprechen des Films und der Effekte wieder auf: Zum einen ist dies der Immersionsgedanke, neue Welten bereisen zu können, ohne die Heimat verlassen zu müssen. Zum
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anderen wird, wie in dem Gründungsmythos des Films, ein noch nie dagewesenes Realitätserlebnis über die VR-Welten versprochen und die VRTechnologie (z.B. Oculus Rifts, VR-Goggles) als neues, innovatives Unterhaltungsmedium vermarktet. Es wäre interessant zu untersuchen, ob im VR-Erlebnis und den Werbestrategien auch ein Doppelgestus des Zeigens und Verbergens transportiert wird und ob hier der Einsatz von digitalen Visual Effects die große Chance für einen narrativen Inhalt der Virtual Reality-Technologie sein könnte. Wurde in der Einleitung noch von einer Forschungslücke gesprochen, so hat diese Untersuchung versucht, jene Lücke zu schließen. Die Formulierung eines Doppelgestus von Zeigen und Verbergen öffnet eine neue Perspektive, die nicht nur alte Muster aufbricht, sondern mit den Visual Effects auch eine neue Lesart für den gegenwärtigen Film generiert, für die Medien- und Filmwissenschaft sowie für eine deutschsprachige Leserschaft. Visual Effects werden heute selbst im nicht-spektakulären Kino eingesetzt. Weil es daher gegenwärtig kaum Filme ohne Effekte gibt, sind Visual Effects zu einem weitgreifenden Medienphänomen geworden, welches nicht nur für Effekte, sondern auch für eine mediale Veränderung des Films und des Filmeschauens steht. Denn digitale Visual Effects sind, um Mulack und Giesen anzuführen, „mehr als nur Effekte“ (Mulack & Giesen, 2002, S. 10). Da Visual Effects integraler Bestandteil der Filme geworden sind, sind Filme, in Anlehnung an Bukatman, zu einer einzigen Visual-EffectsSequenz geworden. Digitale Visual Effects sind nicht mehr Ausnahme noch Beiwerk, sie sind die Norm des Filmemachens. Die Gesten des Zeigens und Verbergens sind daher nicht nur mediale Momente der Effekte, sondern auch Teil eines komplexen Medientextes des populären Hollywood-Films, dessen Verständnis technisch und kulturell stets neu ausgehandelt werden muss.
Dank
Dieser Publikation liegt eine Dissertationsschrift zugrunde. Als erstes möchte ich daher meinen Betreuern danken. Ohne die tolle Unterstützung, stete Ermutigung und den fachlichen Austausch mit Prof. Dr. Jan Distelmeyer (FH Potsdam) wäre dieses Buch sicher nicht geschrieben worden. Vielen Dank für die Eröffnung neuer Perspektiven! Prof. Dr. Heiko Christians (Universität Potsdam) danke ich ebenfalls für seine Unterstützung und sein Verständnis für berufliche und private Situationen. Prof. Dr. Michael Wedel (Filmuniversität Potsdam) und Prof. Dr. Luise Angerer (Universität Potsdam) gilt mein Dank für die rücksichtsvolle und unkomplizierte Durchführung des Promotionsverfahrens. Danken möchte ich vor allem auch meiner Familie, insbesondere meiner Mutter Roswitha Konrad und meinem Vater Horst Konrad, der leider diese Veröffentlichung nicht mehr miterleben durfte. Sie haben mich in jeder Lebenslage stets unterstützt und mir den Rücken frei gehalten, so gut es ging – ebenso wie Gaby von Kap-herr, Renate und Tilo von Kap-herr, die meine Kinder betreut haben, wenn ich mich zum Schreiben zurückgezogen habe. Danken möchte ich im Besonderen vor allem aber auch Phillip, Jakob und Oskar von Kap-herr, die in der intensiven Endphase oft ohne mich auskommen mussten. Ich danke euch herzlich für euer Verständnis. Ohne euch hätte ich es nicht geschafft! Susanne Leikam und Christina M. Schollerer danke ich für das Korrigieren erster Seiten sowie für den produktiven, freundschaftlichen Austausch während des Schreibprozesses. Insbesondere danke ich auch Katharina von Kap-herr und Susanne Müller für ihr zeitnahes und trotzdem interessiertes Korrekturlesen, das mir eine sehr große Hilfe war. Für den nicht zu unterschätzenden freundschaftlichen Beistand möchte ich vor allem Tina Balla, Jenny Gregersen, Heike Lieber, Miriam Puls, Ma-
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rion Richter, Julia Sattler, Dunja Salmen und Christina Werner danken. Danke auch an Christoph Konrad und Katja Tränkner für eure grafische Beratung, an Nico Roicke für sein Engagement und an Sophie Ehrmanntraut sowie Kai Knörr für den produktiven und stets sehr angenehmen Austausch unter Promovierenden. Bahadir Özbek danke ich für die unkomplizierte Bereitstellung des Coverfotos. Dem Brandenburgischen Zentrum für Medienwissenschaften (ZeM) gilt mein besonderer Dank für die finanzielle Unterstützung. Danke auch den Vortragenden der Konferenz La magie des effets spéciaux. Cinéma-Technologie-Réception (Montréal/ Kanada, 2013) für ihre Inspirationen, die meiner Recherche neuen Antrieb gegeben haben, insbesondere danke ich Tom Gunning. Last but not least geht ein großer Dank an meine Kolleginnen und Kollegen der Potsdamer Europäischen Medienwissenschaft (EMW), die stets Verständnis für meine Lebenssituation aufgebracht haben. Insbesondere Prof. Winfried Gerling danke ich für die Möglichkeit der Promotion und die Begleitung auf diesem Weg, welcher seit den frühen Gesprächen bis heute doch eine etwas andere, aber umso interessantere Richtung eingeschlagen hat.
Abbildungsnachweise
Diagramm 1: Häufung der Begriffe Special Effect und Visual Effect in der Variety ab 1988 bis 2015. Erstellt von der Autorin. Diagramm 2: Verteilung der Academy Awards für Effekte nach Jahren. Erstellt von der Autorin. Abb. 1 – Sketchpad http://mprove.de/diplom/_media/fig3.1_Sketchpad.jpg (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 2 – Thaumatrop http://museen.nuernberg.de/spielzeugmuseum/kalender-details/spielund-lernparcours-213/ (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 3 – Demonstration eines bewegten Panoramas, 1895 http://retours.eu/en/22-panorama-transsiberien-expo-1900/#4 (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 4 – Illustration: Phantasmagorie, 1802 https://mediartinnovation.files.wordpress.com/2014/08/1802_gaspardrobinson_fantasmagorie_c.jpg (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 5 – Illustration: Pepper’s ghost, 1863 http://pandora.nla.gov.au/pan/13071/20040303-0000/www.acmi.net.au/ AIC/peppers_ghost_01.jpg (zuletzt gesehen am: 4.01.2018).
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Abb. 6 – Einfahrender Zug in L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT https://f.hypotheses.org/wp-content/blogs.dir/1556/files/2014/06/arrivee -d-un-train-en-gare.jpg (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 7 - Abel Truchet, L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT, Farblithografie 1895; Musée de la Publicité Paris https://www.visual-history.de/wp-content/uploads/2015/09/7.jpg (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 8 – Unfall am Bahnhof Montparnasse (Accident à la Gare Montparnasse), Studio Lévy and Sons http://i0.wp.com/picturahistoria.com/wp-content/uploads-ppichis1/ 2013/12/train-accident-Gare-Montparnasse.jpg (zuletzt gesehen am: 14.10.2016). Abb. 9 - Setfoto aus HUGO https://library.creativecow.net/articles/legato_rob/magazine_30_HUGO /assets/train-crashed-through-sidewalk-profile.jpg (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 10 – Screenshot aus der Greenscreen-Version von SIN CITY Sin City. Frank Miller’s Sin City Recut Extreme XXL-Edition, 2006, Buena Vista Home Entertainment. Greenscreen-Version, TC 00:03:03. Abb. 11 – Standbild aus GERTIE THE DINOSAUR: McCay reitet auf Gertie https://www.youtube.com/watch?v=YbQqvl0gstI, TC 00:13:12, (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 12 – Filmstill aus ANCHORS AWEIGH https://www.oscars.org/videos-photos/stars-come-out-honor-gene-kellyacademy-tribute/?fid=34901 (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 13 – Filmstill aus WHO FRAMED ROGER RABBIT: Roger Rabbit und der Detektiv Eddie Valiant http://screenprism.com/assets/img/article/roger_rabbit.jpg (zuletzt gesehen am: 4.01.2018).
Abbildungsnachweise | 193
Abb. 14 – Filmstill aus FORREST GUMP: Gump und Kennedy schütteln sich die Hand http://www.metro.us/entertainment/5-ways-to-look-back-on-forrestgump-on-its-imax-reissue/tmWnic---a211SSwCWgNwM/FG-ILM-0621-614x283.jpg (zuletzt gesehen am: 14.10.2016). Abb. 15 – Andy Serkis mit Gesichtsmarkern http://www.serkis.com/performance-capture-king-kong.htm (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 16 – Bewegungsdaten eines Motion Capture http://theoriginalwinger.com/wp-content/uploads/2012/08/ea-motioncapture-sesh.jpg (zuletzt gesehen am: 14.10.2016). Abb. 17 – Gesichter für King Midas in THE STORY OF KING MIDAS, animiert von Ray Harryhausen http://www.moviepropcollectors.com/magazine/2010/05/20/exclusivecoverage-of-ray-harryhausen-exhibit-at-a-m-p-a-s-a-must-see/all/1/ (zuletzt gesehen am: 4.01.2018). Abb. 18 & 19 – Fotos von der Homepage von Andy Serkis: Serkis als Gollum und Kong http://www.serkis.com/images/9982.jpg http://www.serkis.com/movie-king-kong.htm (beides zuletzt gesehen am 4.01.2018). Abb. 20 – Andy Serkis in DAWN OF THE PLANET OF THE APES http://cdn2-www.comingsoon.net/assets/uploads/1970/01/file_595022_ dawn-apes-serkis-oscar-0792014-170730.jpg (zuletzt gesehen am 4.01. 2018). Abb. 21 – Performance Capture und Szenenbild aus KING KONG http://www.giantfreakinrobot.com/wp-content/uploads/2012/12/king kongtop.jpg (zuletzt gesehen am 4.01.2018).
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Abb. 22 – Performance Capture, Simulcam, Previsualisierung und finales Bild in AVATAR http://66.media.tumblr.com/b0f5cdb36ffb2b2c250ae9a8328aa428/tumb lr_mkxvx0NdVL1qcga5ro1_500.jpg (zuletzt gesehen am 4.01.2018). Abb. 23 – Performance Capture mit Tom Hanks in THE POLAR EXPRESS http://sabia.tic.udc.es/gc/Contenidos%20adicionales/trabajos/Peliculas/ FX/imagenes/ejemplos/polar-mocap.jpg (zuletzt gesehen am 14.10. 2016). Abb. 24 – Phosphorous Capture in THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON https://www.youtube.com/watch?v=eYSXaU6eKm4, TC 00:01:02, (zuletzt gesehen am 4.01.2018). Abb. 25 & 26 – Screenshot aus dem Making-Of von THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON https://www.youtube.com/watch?v=eYSXaU6eKm4, TC 00:01:35, https://www.youtube.com/watch?v=eYSXaU6eKm4, TC 00:01:52, (beides zuletzt gesehen am 4.01.2018). Abb. 27 – Das System der Skycam http://hurkanyakay.com/en/wp-content/uploads/2015/06/10952669_ 10152558541326861_1230589252_n.jpg (zuletzt gesehen am 14.10. 2016). Abb. 28 – Das System des Technocrane http://william-f-white-international67ba57c4.s3.amazonaws.com/TechnoCrane22.jpg (zuletzt gesehen am 4.01.2018). Abb. 29 – Das System der Flying- Cam https://scontent.cdninstagram.com/t51.288515/e35/16790109_1006009612864734_536275874345910272_n.jpg (zuletzt gesehen am: 4.01.2018).
Abbildungsnachweise | 195
Abb. 30 – Screenshot der Betondecke der Tiefgarage in FIGHT CLUB Fight Club (USA 1999, David Fincher). Amazon Video Streaming, TC 00:02:32. Abb. 31 – Screenshot des Lochs in der Frontscheibe in FIGHT CLUB Fight Club (USA 1999, David Fincher). Amazon Video Streaming, TC 00:02:33. Abb. 32 – Matte Painting und finale Komposition in CITIZEN KANE https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/564x/7b/96/59/7b9659709e7a5e b17e417655265d8589.jpg (zuletzt gesehen am 4.01.2018). Abb. 33 – Matte Painting und finale Komposition in BEN-HUR https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/736x/d3/8e/c6/d38ec6aee9c6ca bb22063b1296cd4f25.jpg (zuletzt gesehen am 14.10.2016). Abb. 34 – Matte Paintings und finale Komposition in STAR WARS https://assets.rocketstock.com/uploads/Matte-Painting-Featured-1000x 576.jpg (zuletzt gesehen am 4.01.2018). Abb. 35 – Filmstill aus THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS https://penpalthe.files.wordpress.com/2013/01/mckayla2towers.jpg (zuletzt gesehen am 4.01.2018). Abb. 36 – Filmstill aus TROY http://images2.static-bluray.com/reviews/234_5.jpg (zuletzt gesehen am 4.01.2018).
Filme
2001: A SPACE ODYSSEY/ 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM (USA 1968, Stanley Kubrick) ANCHORS AWEIGH/ URLAUB IN HOLLYWOOD (USA 1945, George Sidney) ANNIE HALL/ DER STADTNEUROTIKER (USA 1977, Woody Allen) AVATAR/ AVATAR – AUFBRUCH NACH PANDORA (USA 2009, James Cameron) BALLAD OF A SOLDIER/ БАЛЛАДА О СОЛДАТЕ (BALLADA O SOLDATE)/ DIE BALLADE VOM SOLDATEN (UdSSR 1959, Grigori Tschuchrai/ aka Grigorij Naumovič Čuchraj) BEN-HUR/ BEN HUR (USA 1959, William Wyler) BLACKSMITHING SCENE (USA 1893, William K.L. Dickson) BROKEN BLOSSOMS OR THE YELLOW MAN AND THE GIRL/ GEBROCHENE BLÜTEN (USA 1919, D.W. Griffith) CABIRIA (I 1914, Giovanni Pastrone/ Pseudonym: Piero Fosco) CITIZEN KANE (USA 1941, Orson Welles) CITY OF HOPE/ STADT DER HOFFNUNG (USA 1991, John Sayles) Das Cabinet des Dr. Caligari (D 1920, Robert Wiene) DAWN OF THE PLANET OF THE APES/ PLANET DER AFFEN: REVOLUTION (USA 2014, Matt Reeves) DÉMOLITION D’UN MUR/ ABBRUCH EINER MAUER (F 1895, Louis Lumière) DER LETZTE MANN (D 1924, F.W. Murnau) DICK TRACY (USA 1990, Warren Beatty) ESCAMOTAGE D’UNE DAME CHEZ ROBERT-HOUDIN/ THE VANISHING LADY (F 1896, George Méliès) EXPERIMENT IN TERROR/ DER LETZTE ZUG (USA 1962, Blake Edwards) FIGHT CLUB (USA 1999, David Fincher)
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FINAL FANTASY: THE SPIRITS WITHIN/ FINAL FANTASY: DIE MÄCHTE IN DIR (USA/JP 2001 Hironobu Sakaguchi) FORBIDDEN PLANET/ ALARM IM WELTALL (USA 1956, Fred M. Wilcox) FORREST GUMP (USA 1994, Robert Zemeckis) GERTIE THE DINOSAUR (USA 1914, Winsor McCay) GLADIATOR (GB/USA 2000, Ridley Scott) GRAVITY (USA/UK 2013, Alfonso Cuarón) HARRY POTTER AND THE GOBLET OF FIRE/ HARRY POTTER UND DER FEUERKELCH (USA/UK 2005, Mike Newell) HARRY POTTER AND THE PRISONER OF AZKABAN/ HARRY POTTER UND DER GEFANGENE VON ASKABAN (USA/UK 2004, Alfonso Cuarón) HOME, SWEET HOME (USA 1914, David Wark Griffith) HORSE SHOEING (USA 1893, William K.L. Dickson) HOW IT FEELS TO BE RUN OVER (GB 1900, Cecil M. Hepworth) HOW PICTURES ARE MADE AND SHOWN (USA 1912, Edison Company) HUGO/ HUGO CABRET (USA 2011, Martin Scorsese) INCEPTION (USA/GB 2010, Christopher Nolan) INDEPENDENCE DAY (USA 1996, Roland Emmerich) INTERSTELLAR (USA/GB 2014, Christopher Nolan) INTOLERANCE – LOVE’S STRUGGLE THROUGHOUT THE AGES/ INTOLERANZ (USA 1916, David Wark Griffith) JURASSIC PARK (USA 1993, Steven Spielberg) KING KONG/ KING KONG UND DIE WEIßE FRAU (USA 1933, Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack) KING KONG (USA/NZ/D 2005, Peter Jackson) L’ARRIVÉE D’UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT/ DIE ANKUNFT EINES ZUGES AUF DEM BAHNHOF IN LA CIOTAT (F 1895, Auguste und Louis Lumière) L’ARROSEUR ARROSÉ/ DER BEGOSSENE GÄRTNER (F 1895, Louis Lumière) LA MÉLOMANE (F 1903, George Méliès) LE CHAVALIER MYSTÈRE (F 1899, George Méliès) LE DIABLE AU COUVENT/ DER TEUFEL IM KONVENT (F 1899, George Méliès) LE MANOIR DU DIABLE (F, George Méliès, 1896) LE PORTRAIT SPIRITUEL/ SPIRITUALIST PHOTOGRAPHER (F 1903, Georges Méliès) LE VOYAGE DANS LA LUNE/ DIE REISE ZUM MOND (F 1902, Georges Méliès)
Filme | 199
MEMENTO (USA 2000, Christopher Nolan) NAPOLÉON/ NAPOLEON (F 1927, Abel Gance) ОКТЯБРЬ/ OKTOBER (UdSSR 1928, Sergei Eisenstein, Grigori Alexandrow) PANIC ROOM (USA 2002, David Fincher) PANORAMA FROM THE MOVING BOARDWALK (Alternativtitel: PANORAMIC VIEW FROM THE MOVING BOARDWALK) (USA 1900, Thomas A. Edison) PANORAMA OF THE MOVING BOARDWALK, (Alternativtitel: PANORAMIC VIEW OF THE MOVING SIDEWALK AT THE PARIS EXPOSITION) (USA 1900, Thomas A. Edison) SEE YOU IN JAIL (USA 1927, Joseph Henabery) S1M0NE (USA 2002, Andrew Niccol) SIN CITY (USA 2005, Robert Rodriguez, Frank Miller) SKYFALL/ JAMES BOND 007: SKYFALL (UK/ USA 2012, Sam Mendes) SNOW WHITE AND THE SEVEN DWARFS/ SCHNEEWITTCHEN UND DIE SIEBEN ZWERGE (USA 1937, David D. Hand) SPAWN OF THE NORTH/ PIRATEN IN ALASKA (USA 1938, Henry Hathaway) STAR TREK: THE MOTION PICTURE/ STAR TREK: DER FILM (USA 1979, Robert Wise) STAR WARS (Alternativtitel: STAR WARS EPISODE IV: A NEW HOPE)/ KRIEG DER STERNE (Alternativtitel: STAR WARS: EPISODE IV – EINE NEUE HOFFNUNG) (USA 1977, George Lucas) STATSCHKA (СТАЧКА)/ STREIK (UdSSR 1925, Sergei Michailowitsch Eisenstein) THE ABYSS/ ABYSS – ABGRUND DES TODES (USA 1989, James Cameron) THE BIG SWALLOW (GB 1901, James Williamson) THE BUTCHER BOY (USA 1917, Roscoe ‚Fatty’ Arbuckle) THE COUNTRYMAN AND THE CINEMATOGRAPH (Alternativtitel: THE COUNTRYMAN’S FIRST SIGHT OF THE ANIMATED PICTURES) (GB 1901, R.W. Paul) THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON/ DER SELTSAME FALL DES BENJAMIN BUTTON (USA 2008, David Fincher) THE EMPIRE STRIKES BACK (Alternativtitel: STAR WARS: EPISODE V – THE EMPIRE STRIKES BACK) / DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (Alternativtitel: STAR WARS: EPISODE V – DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK) (USA 1980, Irvin Kershner) THE EXECUTION OF MARY, QUEEN OF SCOTS (USA 1895, Alfred Clark)
200 | Zeigen und Verbergen
THE GAY SHOE CLERK/ DER LUSTIGE SCHUHVERKÄUFER (USA 1903, Edwin S. Porter) THE GREAT TRAIN ROBBERY/ DER GROßE EISENBAHNRAUB (USA 1903, Edwin S. Porter) THE JUNGLE BOOK/ DAS DSCHUNGELBUCH (USA 1967, Wolfgang Reitherman) THE LORD OF THE RINGS: THE FELLOWSHIP OF THE RING/ DER HERR DER RINGE: DIE GEFÄHRTEN (USA/NZ 2001, Peter Jackson) THE LORD OF THE RINGS: THE RETURN OF THE KING/ DER HERR DER RINGE: DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS (USA/NZ 2003, Peter Jackson) THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS/ DER HERR DER RINGE: DIE ZWEI TÜRME (USA/NZ 2002, Peter Jackson) THE LOST WORLD/ VERGESSENE WELT: JURASSIC PARK (USA 1997, Steven Spielberg) THE MATRIX/ MATRIX (USA 1999, The Wachowski Brothers/ aka Lana Wachowski, Andrew „Andy“ Wachowski) THE PERFECT STORM/ DER STURM (USA 2000, Wolfgang Petersen) THE POLAR EXPRESS/ DER POLAREXPRESS (USA 2004, Robert Zemeckis) THE RAINS CAME/ NACHT ÜBER INDIEN (USA 1939, Clarence Brown) THE RUNAWAY MATCH, OR MARRIAGE BY MOTOR (UK 1903, Alfred Collins) THE SHINING/ SHINING (GB/USA 1980, Stanley Kubrick) THE STORY OF KING MIDAS (USA 1953, Ray Harryhausen) THE WORLD IS NOT ENOUGH/ JAMES BOND 007 – DIE WELT IST NICHT GENUG (UK/ USA 1999, Michael Apted) THINGS TO COME/ WAS KOMMEN WIRD (GB 1936, William Cameron Menzies) TITANIC (USA 1997, James Cameron) TOPPER TAKES A TRIP/ TOPPER GEHT AUF REISEN (USA 1938, Norman Z. McLeod) TOY STORY (USA 1995, John Lasseter) TRIUMPH DES WILLENS (D 1935, Leni Riefenstahl) TROY/ TROJA (USA/Malta/GB 2004, Wolfgang Petersen) TWISTER (USA 1996, Jan De Bont) UNCLE JOSH AT THE MOVING PICTURE SHOW (USA 1902, Edwin S. Porter) VARIETÉ (D 1925, Ewald André Dupont) WAY DOWN EAST/ WEIT IM OSTEN (USA 1920, David Wark Griffith)
Filme | 201
WHAT PRICE GLORY?/ RIVALEN (USA 1926, Raoul Walsh) WHERE THE WILD THINGS ARE/ WO DIE WILDEN KERLE WOHNEN (USA 2009, Spike Jonze) WHO FRAMED ROGER RABBIT/ FALSCHES SPIEL MIT ROGER RABBIT (USA 1988, Robert Zemeckis)
Literatur
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Anhang Academy Awards/ Oscar-Gewinner_innen der Kategorie Visual Effects (Stand: 2018)
Jahr Kategorie
Gewinnerfilm
Person(en)
1963 SPECIAL EFFECTS
CLEOPATRA
Emil Kosa, Jr.
1964 SPECIAL VISUAL EFFECTS
MARY POPPINS
Peter Ellenshaw, Eustace Lycett, Hamilton Luske
1965 SPECIAL VISUAL EFFECTS
THUNDERBALL
John Stears
1966 SPECIAL VISUAL EFFECTS
FANTASTIC VOYAGE
Art Cruickshank
1967 SPECIAL VISUAL EFFECTS
DOCTOR DOLITTLE
L. B. Abbott
1968 SPECIAL VISUAL EFFECTS
2001: A SPACE ODYSSEY
Stanley Kubrick
1969 SPECIAL VISUAL EFFECTS
MAROONED
Robbie Robertson
1970 SPECIAL VISUAL EFFECTS
TORA! TORA! TORA!
A. D. Flowers, L. B. Abbott
216 | Zeigen und Verbergen
1971 SPECIAL VISUAL EFFECTS
BEDKNOBS AND BROOMSTICKS
Alan Maley, Eustace Lycett, Danny Lee
1972 SPECIAL ACHIEVEMENT AWARD (Visual Effects)
THE POSEIDON ADVENTURE
L. B. Abbott, A. D. Flowers
1973
--
--
--
1974 SPECIAL ACHIEVEMENT AWARD (Visual Effects)
EARTHQUAKE
1975 SPECIAL ACHIEVEMENT AWARD (Visual Effects)
THE HINDENBURG Albert Whitlock, Glen Robinson
1976 SPECIAL ACHIEVEMENT AWARD (Visual Effects)
KING KONG
Carlo Rambaldi, Glen Robinson, Frank Van der Veer
LOGAN’S RUN
L. B. Abbott, Glen Robinson, Matthew Yuricich
1977 VISUAL EFFECTS
STAR WARS
John Stears, John Dykstra, Richard Edlund, Grant McCune, Robert Blalack
1978 SPECIAL ACHIEVEMENT
SUPERMAN
Les Bowie, Colin Chilvers,
SPECIAL ACHIEVEMENT AWARD (Visual Effects)
Frank Brendel, Glen Robinson, Albert Whitlock
Anhang | 217
AWARD (Visual Effects)
Denys Coop, Roy Field, Derek Meddings, Zoran Perisic
1979 VISUAL EFFECTS
ALIEN
H.R. Giger, Carlo Rambaldi, Brian Johnson, Nick Allder, Denys Ayling
1980 SPECIAL ACHIEVEMENT AWARD (Visual Effects)
THE EMPIRE STRIKES BACK
Brian Johnson, Richard Edlund, Dennis Muren, Bruce Nicholson
1981 VISUAL EFFECTS
RAIDERS OF THE LOST ARK
Richard Edlund, Kit West, Bruce Nicholson, Joe Johnston
1982 VISUAL EFFECTS
E.T. THE EXTRATERRESTRIAL
Carlo Rambaldi, Dennis Muren, Kenneth F. Smith
1983 SPECIAL ACHIEVEMENT AWARD (Visual Effects)
RETURN OF THE JEDI
Richard Edlund, Dennis Muren, Ken Ralston, Phil Tippett
INDIANA JONES
Dennis Muren, Michael McAlister, Lorne Peterson, George Gibbs
1984 VISUAL EFFECTS
AND THE TEMPLE OF DOOM
1985 VISUAL EFFECTS
COCOON
Ken Ralston, Ralph McQuarrie, Scott Farrar, David Berry
218 | Zeigen und Verbergen
1986 VISUAL EFFECTS
ALIENS
Robert Skotak, Stan Winston, John Richardson, Suzanne Benson
1987 VISUAL EFFECTS
INNERSPACE
Dennis Muren, William George, Harley Jessup, Kenneth Smith
1988 VISUAL EFFECTS
WHO FRAMED ROGER RABBIT
Ken Ralston, Richard Williams, Edward Jones, George Gibbs
1989 VISUAL EFFECTS
THE ABYSS
John Bruno, Dennis Muren, Hoyt Yeatman, Dennis Skotak
1990 SPECIAL ACHIEVEMENT AWARD (Visual Effects)
TOTAL RECALL
Eric Brevig, Rob Bottin, Tim McGovern, Alex Funke
1991 VISUAL EFFECTS
TERMINATOR 2: JUDGMENT DAY
Dennis Muren, Stan Winston, Gene Warren, Jr., Robert Skotak
1992 VISUAL EFFECTS
DEATH BECOMES HER
Ken Ralston, Doug Chiang, Doug Smythe, Tom Woodruff, Jr.
1993 VISUAL EFFECTS
JURASSIC PARK
Dennis Muren, Stan Winston, Phil Tippett, Michael Lantieri
Anhang | 219
1994 VISUAL EFFECTS
FORREST GUMP
Ken Ralston, George Murphy, Stephen Rosenbaum, Allen Hall
1995 VISUAL EFFECTS
BABE
Scott E. Anderson, Charles Gibson, Neal Scanlan, John Cox
1996 VISUAL EFFECTS
INDEPENDENCE DAY
Volker Engel, Douglas Smith, Clay Pinney, Joseph Viskocil
1997 VISUAL EFFECTS
TITANIC
Robert Legato, Mark Lasoff, Thomas L. Fisher, Michael Kanfer
1998 VISUAL EFFECTS
WHAT DREAMS MAY COME
Joel Hynek, Nicholas Brooks, Stuart Robertson, Kevin Mack
1999 VISUAL EFFECTS
THE MATRIX
John Gaeta, Janek Sirrs, Steve Courtley, Jon Thum
2000 VISUAL EFFECTS
GLADIATOR
John Nelson, Neil Corbould, Tim Burke, Rob Harvey
2001 VISUAL EFFECTS
THE LORD OF THE RINGS: THE FELLOWSHIP OF THE RING
Jim Rygiel, Randall William Cook, Richard Taylor, Mark Stetson
220 | Zeigen und Verbergen
2002 VISUAL EFFECTS
THE LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS
Jim Rygiel, Joe Letteri, Randall William Cook, Alex Funke
2003 VISUAL EFFECTS
THE LORD OF THE RINGS: THE RETURN OF THE KING
Jim Rygiel, Joe Letteri, Randall William Cook, Alex Funke
2004 VISUAL EFFECTS
SPIDER-MAN 2
John Dykstra, Scott Stokdyk, Anthony LaMolinara, John Frazier
2005 VISUAL EFFECTS
KING KONG
Joe Letteri, Brian Van’t Hul, Christian Rivers, Richard Taylor
2006 VISUAL EFFECTS
PIRATES OF THE CARIBBEAN: DEAD MAN’S CHEST
John Knoll, Hal Hickel, Charles Gibson, Allen Hall
2007 VISUAL EFFECTS
THE GOLDEN COMPASS
Michael Fink, Bill Westenhofer, Ben Morris, Trevor Wood
2008 VISUAL EFFECTS
THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON
Eric Barba, Steve Preeg, Burt Dalton, Craig Barron
2009 VISUAL EFFECTS
AVATAR
Joe Letteri, Stephen Rosenbaum, Richard Baneham, Andrew R. Jones
Anhang | 221
2010 VISUAL EFFECTS
INCEPTION
Paul Franklin, Chris Corbould, Andrew Lockley, Peter Bebb
2011 VISUAL EFFECTS
HUGO
Rob Legato, Joss Williams, Ben Grossmann, Alex Henning
2012 VISUAL EFFECTS
LIFE OF PI
Bill Westenhofer, Guillaume Rocheron, Erik-Jan De Boer Donald R. Elliott
2013 VISUAL EFFECTS
GRAVITY
Tim Webber, Chris Lawrence, David Shirk, Neil Corbould
2014 VISUAL EFFECTS
INTERSTELLAR
Paul Franklin, Andrew Lockley, Ian Hunter, Scott Fisher
2015 VISUAL EFFECTS
EX MACHINA
Andrew Whitehurst, Paul Norris, Mark Ardington, Sara Bennett
2016 VISUAL EFFECTS
THE JUNGLE BOOK
Robert Legato, Adam Valdez, Andrew R. Jones, Dan Lemmon
Quelle: © 2018 Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Medienwissenschaft Florian Sprenger, Christoph Engemann (Hg.)
Internet der Dinge Über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt 2015, 400 S., kart., zahlr. Abb. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3046-6 E-Book PDF: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3046-0 EPUB: 26,99€ (DE), ISBN 978-3-7328-3046-6
Susan Leigh Star
Grenzobjekte und Medienforschung (hg. von Sebastian Gießmann und Nadine Taha) Oktober 2017, 536 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3126-5 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-3126-9 EPUB: ISBN 978-3-7328-3126-5
Geert Lovink
Im Bann der Plattformen Die nächste Runde der Netzkritik (übersetzt aus dem Englischen von Andreas Kallfelz) Mai 2017, 268 S., kart. 24,99 € (DE), 978-3-8376-3368-9 E-Book PDF: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3368-3 EPUB: 21,99€ (DE), ISBN 978-3-7328-3368-9
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Medienwissenschaft Gundolf S. Freyermuth
Games | Game Design | Game Studies An Introduction (With Contributions by André Czauderna, Nathalie Pozzi and Eric Zimmerman) 2015, 296 p., pb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-2983-5 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2983-9
Gesellschaft für Medienwissenschaft (Hg.)
Zeitschrift für Medienwissenschaft 17 Jg. 9, Heft 2/2017: Psychische Apparate Oktober 2017, 216 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 24,99 € (DE), 978-3-8376-4083-0 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-4083-4 EPUB: ISBN 978-3-7328-4083-0
Annika Richterich, Karin Wenz, Pablo Abend, Mathias Fuchs, Ramón Reichert (eds.)
Digital Culture & Society (DCS) Vol. 3, Issue 1/2017 – Making and Hacking June 2017, 198 p., pb. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3820-2 E-Book: 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3820-6
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de