Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter und die Entstehung der grossen Hexenverfolgung


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Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter und die Entstehung der grossen Hexenverfolgung

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istorische Bibliothek .Herausgegeben von der

Redaktion der Historischen Zeitschrift.

Zwölster Balrd:

Zauberwahn, Inquisition unb Hexenprozesi im mittelalter und die

Entsiehunp ber großen Hexenberkolgunq. Bvli

¿soreplj ©lxnren.

München und Sechzig.

Zauberwahn

Inquisition unb Hexenprozesi im Mittelalter und die

Entstehung ber gwhen Hrxrlüwrsiollumq.

Bvn

Joseph Haufen.

•München und Leipzig. Druck und Berlag von R. Oldenbourg. 1900.

'gsorwo-rf. 'Daß das Problem der großen Hexenverfolgung,

welche

während dreier Sahrchnnderte, von 1400—1700, auf der abend-

ländischen DRenschheit gelastet hat, trotz mancher verdienstlichen älteren Arbeiten einer allseitigen netten Unterfnchnng bedarf, ist jedem Kundigen bekannt. Ruht doch der tiefe Schatten diefer wahnerfüllten Verfolgung noch unerklärt anf derselben Epoche, welche

der DRenschheit auch die Renaissance und die Reformation fowie den ersten großartigen Aufschwung der empirischen Wissenschaften gebracht hat, einer Epoche, die man im Hinblick anf diefe Er-

rnngenschaften mit Recht als geadelte zn

eine

durch geistigen Fortschritt

betrachten fich gewöhnt hat.

Eine neue Unter-

fnchnng dieses Problems hat aber, wenn sie Aussichten anf eine wirkliche Erklärung bieten fall, einerseits die seither anf diesem Gebiet vielfach üblichen theoretischen Raisonnements

zu vermeiden,

andererseits felbftverftändlich nicht im 16. und

17. Jehrhnnderl einznfetzen lind zn der 3lnt von Einzelprozessen ans diefer Zeit, mit denen das feit langem rege Ewklärnngsbedürfnis die ßiteratnr bereits mehr als notwendig überschwemmt hat, nette Details zn liefern, die nichts weiter bieten können,

als eine Bestätigung des allen bekannten Bildes voll grausiger Einförmigkeit. Diefe Unterfnchnng hat vielmehr die Entwirflnngsgefchichte des Zauber- und Hejetnvahns ins Ange zn fassen und vor allem den Rachweis zn führen, anf welchem Wege und

VI

Bvrwvrt.

durch welche Umstände es möglich wurde, daß im Schoße der

tansendjährigen christlichen Knltnr eine so wahnsinnige Verirrung von Geist und Gemüt nicht so sehr das ungebildete Volk, als vielmehr die Autoritäten in Kirsche nnd Staat erfasst und Jehrhunderte hindurch gefesselt hat. Denn der Begrifs vom Heienwesen, der die Grundlage der großen Verfolgnng bildete, ist keineswegs ans dem Spiel der Volksphantasie frei erwachsen, sondern

wissenschaftlich, wenn auch in teilweiser Anlehnung an Volksvor-

ftellnngen, konstruiert ltud fest umschrieben worden; er ist in feinen Elementen durch die systematische Theologie der mittelalterlichen Kirche entwickelt, strafrechtlich in der Gesetzgebung von Kirche nnd Staat fiinert, schliesslich ans dem Wege des kirchlichen nnd

weltlichen Strafprozesses, nnd zwar zuerst durch die Ketzerinqni-

sition, znsammengefafst worden. Die Untersuchung hat also den Rachdrnck ans die mittelalterliche Epoche nnd die Entstehung der ihr eigentümlichen besondern Geistesverfassung zu legen, die

Haltung der scholastischen Wissenschaft nnd die allmähliche Entwicklnng des kanonischen nnd des weltlichen Rechts im Hinblick

ans die der Hejenverfolgung zlt Grunde liegenden dämonistischen Vorstellungen zlt ermitteln nnd die nachweisbaren Zaubereiprozesse vor geistlichen nnd weltlichen goren in ihrer chronologischen Jellge bis zn ihrer Ausbreitung als Riassenversolgnng

kritisch zn betrachten. Studien

znr Geschichte

der inquisition ill Deutschland,

welche sich im 15. Sahrhnnderü besonders lebhaft mit dem Hexen-

prozest befaßte, haben mich auf diefes Gebiet geführt, im befonderlt eilte Erörterung des 1486 vollendeten Mallens male-

ficarum der beiden deutschen Inquisitoren Heinrich Jetstitoris

und Jetcob Sprenger.1) Die Untersuchung durfte sich nicht auf Deutschland beschränken, wenn sie die Entwicklungsbahn, welche

die einschlägigen Vorstellungen int Fortschritt der abendländischen Bildung während des Riittelalters genommen haben, anfdecken 1) Bgl. meine Untersuchung: Der Mailens rnaleficarurn, seine Drurfausgaben und die gefälschte Kölner Approbation vvm Iahre 1487 (Westdeutsche Zeitschrift siir Geschichte und Kunst XVII, 1.19—168).

VII

Bvrlvvrt.

wollte; denn in den fragen geistigen gebens hat sich Deutschland während dieser Zeit durchaus rezeptiv verhalten. Sch war in der Sage, für meine Unterfnchnng Z allster dem zum Teil schwer

erreichbaren ältertt nnd jüngern gedruckten SRaterml zahlreiche

nnd wertvolle handschriftliche Qnellett in Archiven nnd Bibliotheken in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Riederckanden, Jeankreich und Italien zu benutzen. Das wichtigste Duellenmaterial habe ich, da es an einer übersichtlichen Zufammeustelluug seither noch vollständig fehlt, in einem befonderu Buch:

"Quellen nnd Unterfnchnngen zltr Geschichte des Hejrenwahns nnd der Hejenverfolgnng im RHttelalter“

vereinigt.

Diefes

Bnch, welches zum größten Teil bereits gedruckt ist, wird noch vor Ablauf diefes wahres erscheinen.2)

Es hätte nahe gelegen, an diefer Stelle attch den Blick

anf den Aiiflöfuugsprozest des Hexenwahns nnd

der Hegen-

verfolgnng zu lenken uud den Rachweis zu führen, welches

Verdienst nach diefer Richtung dem Eindringen der modernen, anf die Raturwissenschaften gestützten Weltanschauung zukommt. Dieser ebenfalls sehr bemerkenswerte Prozeß

erfordert jedoch

eilte befoudere Darlegung, die, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll, nicht als Anhang deu vorliegenden Ausführungen beigefügt, sondern ’ selbständig dnrschgeführt werden must.

Die Hejen-

Verfolgung ist ein kulturgeschichtliches Problem, das, wenn es auch als thatfächlich abgeschlossen gelten darf, doch mit unserer Zeit noch enger znfammenhängt, als man anf den ersten Blick znzngeben geneigt fein dürfte.

Die Elemente des Wahns, anf

denen ste sich aufgebant hat, werden noch heute fast ansnahms-

los in den Sehren der geltenden religiösen Systeme weitergeführt. Jetfofern wohnt also unfern historischen Darlegungen auch ein befonderes aktuelles Interesse bei1) Eine vorläufige ©lizze habe ich ill meiner Abhandlung „Ingnifitivn und Hez'enversvlgung iln Mittelalter" ilt der Historischen Zeitschrist R. I. 45, S. .385—432 veröffentlicht.

*) Aus diese Duellensammlung habe ich in deut vorliegenden Buch vielfach verwiesen, und zwar stets in der abgefilrzten Ffvrlu **6. l ll. s. w.

Bvrivvrt.

VIII

Jedem ich hier das Ergebnis der Untersnchnngeu, die mich eine Reihe voll fahren hindurch beschäftigt haben, vorlege, ist es mir eine angenehme Pflicht, den zahlreichen Jelchgenossen inl Jeiland und im Ausland, welche meine Vorarbeiten durch wertvolle SRitteilnngen gefördert haben, auch an diefer Stelle herzlichen Dank zu lagenKöln, August 1900.

j^er l^erfasier.

Inhalteiiberfiiht.

(Einführung. Erstes KapitelSeite 1—36 Ursprung und Wesen des Zaubers und Hez'enwahns (1). Religiöse Weltanschauung, Dätnvnenglaube (2). Der Hez'enbegriss iln Zeitalter der großen Hejjenversvlgung von 1400—1700 (6). Die Elemente dieses Begriffs und ihre Berbreitung im griechisch-römischen, jüdisch-vrieutafischen uud ieltisch-germanischeu Kreise. Das Malesieiuln einschließlich des Wettermacheus (9). Die nachtsahreude Striga (14). Die Berwandlung von Menschen in Tiere (18). Der geschlechtliche Berlehr zwischen Menschen und Dämonen (19). Der Ketzersabbat (20). Der Zauberwahn in der altchristlichen Kirche (21). Augustinus (25). Uusähigleit der christliche» Kirche zu wirksamer Bekämpfung des vvn ihr selbst geteilten Zauberwahns (31). Die Berschlnehzung der Elemente dieses Wahns mit Bvrstellnngen aus dem Bereich des KetzerweseUs; der thevlvgisch entwickelte, nicht vvlistuuilich erwachsene Kchlleltivbegrhs vvlll Hejxnwesen als Grundlage der epidemischen Bersvlgung (33). *

Srftc pcriodc (400—1250). Zweites Kapitel. 5>er ’tanfierwahn his jn feiner iviffenfchrtftrichen gsefestigung durch die ^chorastift.................................................................. Seite 36—121

Entwieliullg der lirchlichen Strafgesetzgebung gegelt Malesieiell bis c. 800, Shnvdalvvrschristen, Bußprajsts (36). Pvenitentialbiicher (43). Defretalen der Päpste Gregor I., Gregor II., Zacharias (47). Die eill-

X

Inhaltsübersicht. schlägigen Bvrstellungen bei Isidvr von Sevilla (4!H. Die weltliche Strasgesepgebuug gegeu Malesieien im römischeu Reich (50) und in dell germanischen Reichen bis c. 800 (54). Die Bvrstellnng vvn der Striga in dell germanischen Bvlfsrechten (58). Einfluß der Kirche aus die staatliche Rechtsbildung (61). Karolingische Gesetzgebung (63). Der Zauberwahn und die thevlvgische Wissenschaft in der farvlingischeu Epvche, Rabajins Maurus (70), Hinfmar vvn Rheims (71), Agvbard vvn 2hvn (73). Die weltliche Strafgesetzgebung gegen Malesieien c. 800—1230 (75). Die kirchliche Geseßgebung in derselben Zeit, Sh= nvdaleanvnes (77). Die Rechtssmnmlnng des Regina von Prüm, ihre Auffassung vvm Malesieium (79), von der uachtsahrenden Striga und der Tierverwandlung, der Canon Epiecopi (80). Die Rechts= sammlung Bnriard’s vvn SSvrms und das in dieselbe arlsgenvmmene deutsche Pveuitential ans dem 10. Jahrhundert (82). Deren Arls= sassung vvm Malesieium, Wetternlachen, von der Tierverwandlung, vvn der hvlden und unhvlden Striga (83). Ausnahme dieser Borstennngen in die Rechtssammlungen Ivv’s vvn Ehartres, c. 1100, und irr das Dekret Gratiall’s, c. 1140 (85). Die Irnpotentia ex nialeficio als Scheidungsgrund ikn lanvnischen Eherecht (88). Papst Gregor VII. (96). Der Zauberwahn ill den Deiretalen Papst Gregor's IX., c. 1230 (97). — Ausbildung des kirchlichen rkud des weltlichen Strafprozesses (99). Aeeusmivnsprvzeß und inquisitorisches Bersahren (102). Das larvlingische Riigeversahren (104). Gottesurteile (106). Die Zvlter (108). — Die nachweisbaren ZauberprvzesJe in knervwingischer Zeit (113), in iarvlingischer Zeit (114), weitere Pro­ zesse in Frankreich, Spanien und Deutschland bis zum Ansang des 13. Iahrhundersts (117).

gweite periode (4250—4450). Drittes Kapitel.

J)ie wissenschaftliche Dlesefliguug des Sanßerwirhnv durch die Bchvfafntr............................................................................ Seite 122—211 Die kirchliche Dämvnvlvgie um 1200, Eäsarius voll Heisterbach, Richalunls vvu Schönthal (122). Bvlfstiimliche Bvrstenullgell (124). Astrvlvgie (126). Bvltstiiiulicher und thevlvgischer Zanberwahn während des 12. und 1.3. IahrhundertS (127): Malesieiejl, Wettermachell, Nacht-

Inhaltsübersicht.

XI

sahrteli, Buhlschaft mit deu Däulvueu, Tierverwandluugeu. Iriihschvlastif, Ivhalui vvn Salisburh (128), Peter vvn Blvis (129), Guibert von Regent (130), SSilheluins Parisiensis (130). Berschiedenheit der theologischen und der vvlfstiinilichen Strigavvrstellnlig (134). Gerwauns vvn Dilburh (138). Übersiihrnng des LSahns vvn der Teufelsbuhlschast in das tägliche Seben (141). Bvrläusige Zvrtdauer der Trennung der Elemente des Zauberwahns (145). Ihre Berlniipsuug durch die scholastische Dänlvnvlvgie und die Praxis der Ketzerversvlgung (146). Ziveisel des gesunden Menschenverstands, Eäsarins vvn Heisterbach nnd der Roman de la Roae (147), Roger Bacon (150). Einseitig spekulative Richtung der Schvlastif unter Joihrnng des Thvmas vvn Aguin (151). Die Delire vvnl Malesieium und vvn der Irnpotentia ex maleficio bei Petrus Svnlbardlls (153) und seinen Kölnuientatvren Albertus Magnus (154), Thvmas vvn Aguin (155), Petrus vvn Darantasia (157), Bonaventura (158), Duns ©cvtus (159), Richard vvn Middletvn (161), Wilhelm Dnrandus und Petrus de Palude (162), Petrus von Aguila uud Thvmas voll Straßburg (163), Gabriel Biel (164). Erkenntnis der LSirlungslvfigieit der kirchlichen Ezwreismen (160, 164). — Der Palt mit dem Teufel (167). Die ältere Draditivn bei Augustinus uud in den hegenden vvlu h. Basilius und vvn Theophiliis (168). Der Paft bei Petrus Svnibardlls nnd seinen Kvnnnentatvren (170). — Eharatteristil der schvlastischen Dänlvnvlvgie (173), ihr Einfluß aus die Keperingnisitivu (176). Die Kenntnis der Dämvneu von der Zulunst (177). — Die scholastische Sehre vvn der Teuselsbuhlschast (179). Petrus Svulbardus nnd SSilhelmus Parisiensis (181). Die Sehre vvin Illenbus und ©ueenbus bei Alexander vvn Haies, Bonaventura, Albertus Magnus, Thomas von Aguin, Peter von Darantasia (183), Dnns ©cvtns, Wilhelm Dnrandus, Petrus vvn Aquila (186). Ihre Ausnahme in den Strafprozeß (187). — Die Haltung der Scholastiker zur Bvrstennng vvn der Tierverwalkdlnng (190) und vvni Rachtsahren (191). Aufrechterhaltung des Canon Episcopi (192), daneben aber Entwicklung der theologischen Bvrstellung, daß der Teufel Menschen entführen fault (194). Easanus vvn Heisterbach und Thomas von Echantinlpre (195). Die scholastische Sehre »Utrum dacmorles possunt corpora movere localster« bei Petrus Svulbardus uud seinen Kvnnnentatvren (196). Ihre LBeitersiihrung durch die Bibeleregese J99'. Der Zmlg Habalus’s uud die Entsiihnlng Ehristi durch den Teufel (200). Die Zweifel der älteren Ez'egest beseitigt durch die jüngere, Hugo voll Ehere, Rievlaus vvn Shra, Divnhsins Eartnuallils (201). Die thevlvgische Sehre vvn der törperlicheu Elltriicfnng l'20t;. Billceuz vvu Beauvais und Thvmas vvn Ehautiulpre (205), Thomas vvu Aguin !208z. — Die thevlvgische Sehre vvm Wettermachen der Dämonen (209), Thomas vvn Agnin (210).

XII

3jihaltsiiberßcht.

B i e r t e s Kapitel. Pie zPerfrrrüpfnng des ¿irtriüertvahns mit der Keherverfvsgung durch die ^nqrristtion............................................................ Seite 212—ZOG Begründung der päpstlichen Ketzeringnisitivn (212). Ihr Prozeßverfahren (213), I’vlter (219), Scheiterhaufen (221). Der Keszersabbat (226) bei Katharern (227), Waldensern (2.31), Templern (233). Berinüpsung vvn Zauberei und Ketzersabbat (234). Der Ilug zulu Ketzersabbat (235), übertragen aus Zauberer (238). Berwaudtschast vvn Zauberei und Ketzerei (239), ©tedingerversvlgung (240). Die Iilteri rvgatvrietl der Inguisitivn in ©üdsranfreich seit 1270 (241), Bernard Guidvnis (243). Erlaß Papst Alexanders VI., betreuend die Kvlupetenz der Inquisition in Zaubereisachen, 1258 und 1260 (246). Derminvlvgie der Kanvnistell, Konsilium des Joiedrich Petrucci, c. 1340 (248). Die Zaubereiprvzesse der Päpste und ihre Erlasse über das Zauberwesen, Papst Jehann XXII. (251) und Papst Beuedilt XII. (258). Erlasse der Päpste Gregor XI. bis Martin V. über die Kvlupetenz der Inquisitoren (261). Gutachten des Oldradus da Ponte, c. 1325, über Zauberei und Ketzerei (263). LSeitere Gutachten (267). Die Auffassung des Ugvlinv Zanchilli, c. 1340 (268). Das Directoriurn inquisitorurn des Ricvlaus Ehiuerieus, c. 1376 (270). Das Pactum cum daemone als Hvnragunn (275). Bedeutung des Ketzersabbats siir die Ausbildung der Maüenprvzesse gegen Zauberer (277). Zauberei als Delictum mixti iori, Beränderullg des Berhältnisses zwischen geistlicher und weltlicher Iurisdiftivu durch die Betrachtung der Zauberei unter fetzerischem Gesichtswinkel (278). Die fanvnistische Dvftrin und die Inquisition, Liber sextus Papst Bvllisaz’ VIII. (278). Seine Kvlllmentatvren, Ivhann Andreae (280), Petrus de Aucharanv und Dominicas von ©. Gimiguanv (281). Offene Streitfragen (282\ Gutachten der Pariser Sorbonne vvm Zahre 1398 (283). — Zaubereiprvzeüe unter nichtfetzerischeln Gesichtswinfel (285). Die Irnpotentia ex rnaleficio und die übrigen Malesieien in den Kommentaren des Detrets und der Defretalen (285), besonders bei Hvsticnsis (287), Ivhann Andreae (291), Ailtvn vvn Bntriv, syranz Zabarella, Rievlaus Dndeschi (292). ©hnvdalbeschlüsse lind bischöfliche Erlasse (293). Seftcnlnäßiger Zusammenhang der Zauberer (296). Bischöfliche Iurisdiftivn ¿298). ©endgerichte (302). — Die Rachtsahrteu des Canon Episcopi bei deu Kommentatoren des Gratianischen Detrets (303). Aufrechterhaltung des Canon Episcopi einerseits, anderseits Eindringen der thcvlvgischeu Zehre vvlli teuflischen Transport der Menschen (30-1 '. Der Kviuincntar des Ivhanu von Dnrreeremata, c. 1450, zum Detret, der Bibelfvunuentar des Alsvus Dvstatus, c. 1440 (305). Übergang zulu Kumulativbegriff vvlli Hez’euwesdl.

XIII

Inhaltsübersicht. Z' ii n s t e s Kapitel.

Die nachweisbaren ^arlherelprojefse 1230—1430 .

.

Seite 307—398

I. Die Zaubereiprvzesse vor dem Z-vrum der päpstlichen Inquisttivll (307). Prozesse in Siidsranfreich seit 1245 (308). Anschwellen der Bersvlgnng seit 1320 (312). Die Sabbatvvrstellung (315). Berschluelzung der alten Elemente des Zauberwahns, Übergang zur Massenversvlguug (318). Schwierigkeiten in Bezug aus die Auslieserung der Zauberer an den weltlichen Arm (319). Berhchltnis zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt, Philipp von Beaumanvir und die Evntumes (321). Gründe sür da§ Anschwellen der Inguisitivnsversvlgung iln 14. Jahrhundert (326). Außere Umstände, maßgebende Bedeutung der Haltung der Kirche (328). Prozesse von 1340—1420(331). — Inquisition in Italien (333). Gutachten des Bartvlus, c. 1335 (335). Anschwellen der Bersvlgnng, c. 1350 (337). — Inquisition in Spanien (338), in Deutschland (339). — II. Bischöfliche Inquisition, Beispiel aus Irland 1324 (341). Allgemeiner Eharafter der Inguisitivns= prvzesst in dieser Zeit (343). — III. Die weltlichen Zaubereiprvzesse 1230—1430 (344). Ausnahme der Elemente des römischen Rechts in das Strasrecht und den Strafprozeß, szvlter (344). Satzungen und Prozesse in Italien (345). Azv’s Summa (346). Statuten Iriedrich's IL und der italienischen Städte Benedig, Siena, Mailand, Mantua (347). Prozesse in Reapel und Rom (349). — Spanien (350). — fyranfreich (351). Die Evntumes, Somme rurale des Jehan Bvutiflier (352). Zaubereiprvzesse am königlichen Hvs 1278—1331 (354). Prozesse in Paris 1390, 1391 (358). Berhandlungen zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt, Kvmpetenzfvnslifte, Haltung des Parlaments (361). Zauberei in Hvsireisen um 1400 (364). — Deutschland, Schweiz und Niederlande (366). Treuga Heinrici, Sachsen- und Schwabenspiegel, 2and= und Stadtrechte (367). £)ber= und Riederdentschland (369). Prozeßverfahren (374). össizialversahren (376), yeumnndsprvzeß (377). syvlter (378). Prozesse in der Schweiz, iln Elsaß, in Savvhen, in Svthringen, in Bahern und Österreich (HvsprvzelJo 387), Schwaben, Franken, Mähren (Briijlner Prozeß 1350, S. 390), Riederlande und Riederdeutschland (381). Unterschied zwischen dell kirchlichen und weltlichen Prozessen (395). Anschwellen der weltlichen Prozeße (396).

xlv

Inhaltsübersicht.

Dritte periodc (1430—1540). © C ch st e s Kapitel. Beginn der großen jSeTeuversvrgrlug durch Kirche und .Staat Seite 398—538 Berhältnis des vvlfstiimlicheu zum gelehrten Zanbers und Hefenwahn (399). Bedeutung der Gebirgsländer, der Alpen und Phrenäen (400). Kirchliche Erziehung (402). Beichtbiicher, Abhandlungeu über­ dell Zauberwahn (403). Die Elenleute des Hejenbegrisss in den Alpenländern (405), volkstümliche Mischung dieser Elemente (408). Ket3er= inquisition in den Alpenländern (409), Sabbat (411). Haltung der Päpste 1434 —1484 (412). Die >Vauderie< (413). Hez'enversvlgung durch die Inquisition in den Alpengebieten 1430—1485 (417), in syranireich (420), in Oberdeutschland (424). Einzelprvzesse der welt= lichen Gerichte 1430—1485 in Italien (427), Zrantreich (428), Deutschland (429). Bischöfliche Shnvden und Gerichte (435). Eindringen der Massenversvlgnng in die weltlichen Gerächte (436), Berner Oberland (437), SSallis (438), Dauphine (440), Schweiz (441), Iranfreich, Dberdeutschland (443). — Die theologische Spezialliteratur fiber das Hej’enwesen 1450—1485 (444): Ivhann Bineti, Rievlaus Iaequier, Ivrdanes von Bergamv, Hiervnhnlus Bisevnti, -Errores Gazariorurne, >Recollectio< über die Bauderie ill Arras, »Vauderie du Lyonnais4, Petrus Maluvris, Ivhann Bineentii, Anvnhlnus Earthusiensts, Berllard Basin, Jehann Rider, Mathias von Kemnat, Ivhann Hartlieb, Michael Behailu (445). Ihre Definition des Hejenwesens und Sabbats (447): Aviderlegung der Einwendungen (452). Tierverwandlung (454), Hejenslug und Canon Episcopi (455). Gerichtliches Bersahren der Inguisitivn (459): Geständnisse, Anzeigen der Kvluplizen (460). Ambrosius de Bignate 1468 (461). Urteil (463). Schwierigfeit der Tvdesurteile (464). — Die Hejenbulle Papst Innveeuz’ Vni. vvln Iahre 1484 (467)— Der Malleus maleficarurn vom Jehre I486 (473), seine Bersaüer (475), sein Berhältnis zur altern Hejenliteratur (476). Betvnung des Malesieiums (478). Teuselsbuhlschast, Zuspitzung der Bersvlgltng ans das weibliche Geschlecht (480). Bersuch der Überleitung des HegenProzesses ans der Inquisition in die weltliche» Gerichte (490). Rvrlnen siir den Prozeß (496). — Wirkung des Malleus (498). Die Inquisitivnsprvzesse 1490—1540 (500). Die weltlichen Einzelprvzeüe (504) und Massenprvzesse derselben Zeit (507). Die literarische Behandlung des Hejsenlvahlls, speziell des Heyenslu'gs 1489—1540 (508): Ulrich Mvlitvris (510), Samuel de Easstnis und Billeenz Dvdv 150-5, 1506 (510), Bernard von Evnlv, Silvester Prierias, Bartholomäus de epiua 1508—152.3(51.3), Aleiatus und Pvuziuibius 1515—1520(514\ Reuchlin,

In haltsiiberücht.

XV

Erasmus, Litterae obscurorum virorum, Piriheinlcr, Halls Sachs (515), Geiler von Kaistrsberg, Drnhelllius, Ulrich Dellgier, Martill Plantsch, Heinrich Bebel (516). Autvniv Galatev, Pvlitianus, Alep. Pvlnpejus. Paul Grillaudkls, Giovanni Piev (517). Sinlphvrieu Ehalupier (518), Martin de Eastaüega, Pedrv Einkelv, Arnaldns Albertiiü, Alphvus a Eastrv, Zranz de Bietvria (519). Irauz Pegkla in Rvin 1570 (520). — Ablehueude Haltung der Ikiguisitivu gegekl deu Bersuch des Malleus, deu Hepeuprvzeß ausschließlich der weltlichen Iurisdiltivu zu überlassen (523). llbergaug des Prvzesses an die weltliche Gewalt in Deutschland ukld grantreich (524), Berbleibeu desselben bei der Inqnisitivn in Italien und Spanien (527). Schluß (533).

Berichtigung: S 245 Ainu. 1 ist beizusiigell: * @. 49.

Erftes stapitel. E i n s ii h r ll ll g. Ursprung und Wesen des Heien- und Zallberwahns. Der Kvlleftivbegriss Heye während der großen Hesenverfvlgung 1400 bis 1700. Die Elemente dieses Sammelbegriffs: Malesieiunl, ©triga, Ber= wandlungen, geschlechtlicher Berfehr zwischen Menschen und Dämvnen, Jeufelsverehrnng aus dem nächtlichen ©abbat. Berbreitung dieser Ele= meute des Wahns iln griechisch-römischen, jüdisch-vrientalischen, lettischgermanischell Kreise. Ihre Rezeptivn durch die christliche Kirche. Augustinus.

Der Zauber- und Hei'enwahll ist ein Bestandteil derjenigen Weltanschauung, welche der SRenfchheit dnrch ihre Religionen vermittelt worden ist.

Er hängt anfs engste zusammen mit

dem religiösen Glauben,

und

die SRenge

von orientalischen

Elementen, die er in Europa anerkanntermaßen mit sich führt,

erklärt sich ans seinem nach Osten weisenden religiösen Ursprung.

Wie die religiösen Bekenntnisse in ihren verschiedenen formen die Existenz eines oder mehrerer göttlicher Wesen lehren lind ihren Bekennern empfehlen, sich an dieselben zn wenden, nm mit ihrer Hilfe die Erfüllung ihrer Wünsche zn erlangen,

fo

lehren sse nicht minder, daß entweder ein dem göttlichen neben-

geordnetes, oder ein ihm untergebenes, aber mächtiges und in feinem Handeln wellig beschränktes, teuflisches oder dämonisches

Wesen in einer Einheit oder einer Vielheit existiert, das gleichfalls den Bitten nnd den Wünschen der R?eu scheu zugänglich Historische Bibliothek.

Bd. xli.

1

2

Erstes Kapitel.

ist.1) Seine Anrufung, die in polytheistischen nnd dualistischen Religionen als unter Umständen geduldet erscheint, wird von

monotheistischen Religionen stets nnd grundsätzlich als unerlaubt behandelt, da nach diesen der sDtensch nur mit dem einen Gatt in Verkehr treten, nur ihm verehrungsvoll nnd bittend nahen soll.

Der Verkehr mit dämonischen Gewalten erfolgt nach dieser

Anschauung außerdem stets zu einem unsittlichen Endzweck, znr

Erreichung von schlechten oder mindestens nicht guten Absichten,

die durch Vermittlung des göttlichen Wesens nicht erreichbar erscheinen. Siegt eine Religion über eine andere, so werden wohl die Götter

der unterliegenden

für

die Anpassung der

Sieger gleichfalls zu Dämonen; ihre früher als löblicher Akt religiöser Betätigung

angesehene Anrufung

wird

dann

als

sündhaft nnd unstatthaft gekennzeichnet. Der Zauber- nnd Hexenwahn must demnach unter religionsgeschichtlichem Gefichts-

punkt betrachtet werden. Die Religionen und ihre Träger schaffen zunächst und erhalten die Vorstellung von jenem mit Bosheit erfüllten Geisterreich und seinen wunderbaren Beziehungen zum Rtenschen, nnd bringen diese Beziehungen in eine der jeweiligen Dogmatik nnd Ethik des religiösen Shstems angepasste Jerml;

volkstümlich nnd autoritativ entwickelt sich dann folgerichtig ans dieser Grundlage sittlich-religiösen Bewußtseins die strafrechtliche

Behandlung derer, die diese doch nur in der Vorstellung existierenden Beziehungen nnterhalten. Reben den wohlthätigen und edeln, knltnrsördernden nnd die En'nngenschasten der Kultur sichernden Anschauungen haben sich eben seither auch die mensch-

den religiösen Shstemen nnd kirchlichen Organisationen allgemein verkörpert. Sv lange diese Shsteme und Organisationen herrschend waren, ist stets nnd

lichen Irrtümer und Fehler in

überall auch der Zauber- nnd Hexenwahn vertreten gewesen; er ist erst dem Untergang geweiht, seit eine nicht ans religiöse Tradition nnd Spekulation, sondern ans die Ratnrlvisscn-

1) Rur vvn diesem, vvn den Menschen freiwillig veranlaßten an­ geblichen Berlehr mit den Dämonen haben wir hier ztl handeln. Die dämonische Besessenheit gehört nicht hierher.

Erstes Kapitel.

schaften, ans Empirie und allgemein anerkannte Denkgesetze gegründete Weltanschauung augesaugen hat, Boden zu gewinnen und mit jener phantastischen Welt der Dämonen anfznräumeu, welche die Religionen als moralische Schreckmittel, aber anch wieder als bequeme Erklärungsmittel für solche natürliche Vorgänge sich konstruiert haben,

•Entwicklung

deren Ergründung für eine der

von Erfahrungswissenschaften

abgeneigte Geistes-

haltnng ultr unter Zuhilfenahme übernatürlicher Kräfte möglich schien. So lange der trübe Wahn des Dämonisrnns herrschte nnd feine feste Grundlage in jener mhthologifchen,

vom Rienfchen

und von der Erde als SRittel- nnd Richtpunkten der Welt ausgehenden Geistesrichtuug befass ist er auch die Ursache von Bestrasnngen nud Verfolgungen solcher SReufchen gewefen, denen man eine Betätigung auf diefem Gebiete, vor allem den Verkehr

mit den Dämonen zu einem ihre Rätmeufchen schädigenden Zwecke, uachfagte.1) Aber keines der anderen Religionsfhfteme hat doch, soweit nnfere geschichtliche Kenntnis reicht, eine fo vollständige Entgleifnug des menschlichen Geistes herbeigeführt nnd eine fo

hartnäckige und gnlufame SRassenverfolgnng angeblicher Hexen

steranfbefchworen wie die christliche Kirche. Jet Rahmen der christlichen Kultur, zu eitler Zeit, wo sie schon das zweite 'Zahrtausend ihrer Wirksamkeit

begonnen hatte,

hat der Wahn zu

•einer besonders lebhaften, einer geradezu epidemischen Verfolgung geführt, die unter dem Rameil der Hejenverfolgung bekannt ist,

in runden Zahlen voll 1400—1700 datierte nnd während diefer Zeit einen Umfang nnd eine Gestalt angenommen hat, welche die flsrage nahelegen, ob die 2Renschheit einem Zeitalter allgemeinen

Wahnsinns anheimgefallen war.

Aber es braucht nur daran

erinnert zn werden, daß eben diefe Zeit des kläglichen Schauspiels der Hejenverfolgnng auch die Epoche der Renaissance nnd Reformation, des energischen Aufschwungs der Ratunvisfenschaften

war, nm zn beweifen, daß es sich doch nur nm eine partielle, 1) Diese schädigende Zauberei nnd ihre Bcstrasllllg bildet den eigentlichen Gegenstand unserer Untersuchungen (vgl. aber dazu nuten Kapitel 2, am Anfang).

wenn auch tief beschämende Verirrung des menschlichen Geistes

handelte, der im übrigen zn fortschrittlichen Großthaten gerade in diefer Zeit fiel) durchaus fähig erwies. Woher aber stammte diefer partielle Wahnsinn nnd die Riöglichkeit feiner Eruption in einem Umfange, daß die Zahl feiner Dpfer in den enropäifchen Kulturländern fich ohne Zweifel nach vielen Hundert-

taufenden berechnet? Die bisherige ßiteratnr über Hexenwahn nnd Hejenver-

folgnng bietet trotz ihres Umfanges und ihrer Vielgestaltigkeit auf diefe Zrage keine ausreichende Antwort.

Sie hat trotz vieler

Anfätze nicht vermocht, darznthnn, wie in der christlichen Ara vom 14. Jahrhundert ab diefe beschämende Geisteshaltung nnd schmachvolle Verfolgung entstehen konnte. Ilnfere Unterfnchnng

stellt fich die Aufgabe, diefe Öücke der Literatur anszttfüllen, also die Entstehung dieser Verfolgung klarznftellen, zn ermitteln, was sse ermöglicht nnd veranlaßt hat, nnd wer ihr Träger gewefen ist.

Wir werden lins alfo keineswegs mit dem Ursprung

der in dem Wahn znfammengefloffenen Vorstellungen beschäftigen;

dazu müßten wir in das tiefe Dunkel hinabfteigen, das die Ur-

gefchichte der 9Renfchheit deckt.

Wir werden uns vielmehr im

wesentlichen auf das fog- 9Rittelalter beschränken, ohne uns näher

auf die frühere Zeit eiitzulaffelt, aber auch ohne anf die oft-

geschilderten Verfolgungen des 16. nnd 17. Jehrchnnderbs ein= zugehen; denn diefe liefern zur Erklärung des Problems gar keine brauchbaren Momente mehr. Was fie offenbaren, ist weiter nichts

als das naturgemäße Ansklingen des mittelalter-

lichen Geistes, der durch die Reformationsbewegung überhaupt

nur teilweife befeitigt, ill diefer Zwge aber kaum berührt wurde

uud

noch

weit in

die neuzeitlichen Jehrhllnderte hineinragt.

Senes $ortführen der Verfolgung im lli. Jelhrhnndert war die natürliche $olge des im Riittelalter volkstümlich nnd kirchlich verbreiteten, fcholaftisch-wiffenfehaftlich int Ztlsalllmenhang mit den ßehren der christlichen Religion entwickelten und ftrlssrecht

lich fixierten, in die Weltanschauung der Rienschen alfo allen

DRitteln

der

llberFengilugsknift

tief eiugegrabeiieu

mit

lind

immer wieder durch die lehrenden und gefetzgebenden Instanzen

Erstes Kapitel. mit

schon

autoritativer am

Ende

Wucht

belebten

des DRittelalters,

5

Vorftelliiugsfreifes, in

dem

im

Jelhre

der

1486

verfaßten Mallens maleficarum lind in den unter feinem Ein-

fing in den folgenden Jahrzehnten entstandenen literarisch allseitig schiert worden war. Relles

dentnng hat

die spätere

Zeit

dem

sie

Schriften, von Be-

bedrückenden Wahne

an keinem Punkte hinzngefügt, sie war mit demselben erblich belastet und trag an ihm schwer, bis der Anfschwnltg der modernen Philosophie lind der Raturwissenschasten der Welt

ein neues intellektuelles Gepräge anfzndrticken begann lind ihrem Geist ein nenes kräftiges Z'ltigelpaar verlieh. Entwicklung

einen

besonders

peinlichen

Was der ganzen lind

bedauerlichen

Eharakter verleiht, ist eben die Thatsache, daß die leitenden, knltnrfördernden ^Rächte die Elemente dieses gefährlichen Wahns und das ans ihm geborene eingebildete Verbrechen nicht etlva

ans der Vorstellung der SRenschheit beseitigt, sondern daß gerade sse voll Jehrhnndert zn Jeihrhnndert voll religiösen EiferH beide

immer tiefer in dieselbe eingebettet haben, und daß noch heute eine dieser historischen Reichte sie in ihrem Shsteln offenkundig

mit ssch führt.

Es gibt wohl keine eindrucksvollere Waruungs-

tafel im Bereich der menschlichen Geiftesgefchichtc als die Hebelt-

verfolguug, aber das geistige Beharrungsvermögen theologischer Disziplinen vermag ihre Vertreter auch an ihr achtlos vorüberzllführell.

Richts wäre verkehrter, als im Rahmen der religiösen

Anschauungen, die

heute noch herrschen, den Hejeinvahil als

einen Aberglauben zn bezeichnen, weil er in den Kreisen, in denen der Sinn für das Wunderbare nicht mehr lebendig ist1),

keine Rolle mehr spielt;

er gehört vielmehr noch hellte znnl

kirchlichen Glauben, nicht znm Aberglauben in dem herkömmlichen

Sinne eines abgethanen, veralteten, falschen Glaubens.2) R?an

1) Bgl. H. Liectp, Geschichte der Anstiärnllg ill Europa i., aus dessen nach mancher Richtnng vortreffliche Ausführungen über die Beseitigung des Glauben© an Magie nnd Hexerei hier ein siir allemal verwiesen sei. 2) Die falhvlische Kirche rechnet ihn zwar zur' »Sriperstitioc, aber silperslitio ist hier nicht Aberglaube iln gewöhnlichen Sinne, svllderll die Übertragllng der Gott schuldigen Ehre ans eilt Geschöps, vvr allem all’v Götzendienst (Pruner, L'ehrbnch der tau), Mvrallhevlvgie, 1875, S. 263).

6

Erstes Kapitel.

bedient sich aber, falls man Klarheit in die Entwicklung solcher

Vorstellungen, lvie fie uns hier beschäftigen, zu bringen wünscht, eines in mehrfacher Hinficht fo unklaren Wortes, wie Aberglauben, am besten überhaupt nicht.

Gewiß werden eine Anzahl

der einschlägigen Vorstellungen gegenwärtig auch in theologischen Kressen nicht mehr erörtert. Aber wirklich als falsch erklärt find

fie auch heute von dieser Seite noch nickst, trotz des unsäglichen Elends, das fie über die stRenschheit gebracht haben. Die gründlegende Vorstellung dieses Wahns aber, daß der Rlensch mit

Hilfe der von ihm

zn diefent Zwecke

angernfenen Dämonen

handeln und schädigen könne, lind dass der Verfuch dazu gemacht werde, gehört noch heute zur anerkannten Sehre der katholischen

Kirsche; als solche hat sie ihren bestimmten Platz in allen katholischen 9Roraltheologien si; sie hat vielleicht, ja wahrscheinlich anch in einzelnen protestantischen Kreisen noch Anhänger. Da es unsere Absicht ist, die Entstehung jener Hei'enver-

folgnng von 1400—1700 zu erklären, so ist es nicht erfordere

lich, daß wir den ganzen, kaum übersehbaren Komplex von Wahnvorstellungen, der sich an den christlichen Dämonenglanben knüpft, in die Erörterung ziehen2). Es genügt für unfern Zweck,,

diejenigen voll diesen Vorstellungen zn behandeln, welche jene Verfolgung herbeigeführt lind in ihr eine Rolle gespielt haben. Sm 15. Jahrhundert, in welchem die große Verfolgung ihren Anfang nahm, entwerfen die Schriftsteller lind Richter, welche

sich mit dem Wahn befaßten, und deren Pcrfönlichkeiten wir

im

sechsten Kapitel näher erörtern werden, von den Schand-

thateu,

welche

von

den fog. Hexen3)

ihrer Zeit — einer,

1) ßehiuluhl, Theologin rnoralis I nr. 351; Mare, Institutiones morales Alphonsianae 7 I (1893), 396 ; Prüncr, a. a. O. ®. 267 ; Göpscrt,. Mvralthcvlvgie I (1897), 467 ff., 482.

2) Sv brauchen wir aus die Heifzauberei nur nebenher eiuzugelien, da fie iu der strafrechtlichen Bersvlgnug naturgemäß zurÜrftritt vvr der schädigenden Zauberei. 3) Zum ursprünglichen Begriss des Wvrtes „Hez’e" gehört durchaus das Rachtsahrell, dagegen hat es mit schädigender Zauberei (rnaleficiuln) ursprünglich nicht das mindeste zn thnu. „Hejre" bedeutet vielmehr eiu

Erstes Kapitel.

7

wie ste selbst erklären, nemnl, in ihren Tagen erst entstandenen Sekte



begangen werden, folgendem Bild.

Sie sehen in

ihnen verworfene SRenschen, nnd zwar vornehmlich Angehörige des weiblichen Geschlechts, welche zunächst einen Pakt mit dem. Teufel geschlossen hatten, Inn mit dessen Hilfe unter Anwendung von mancherlei zatlberischen DRitteln ihren ¡¡Mitmenschen an Seid

und Geben, am Besitz/ an Haustieren oder an Saaten nnd

Z'rüchten Schädigungen

aller Art znzitfügen;

sRenschen,

die

ferner an dem unter dem Vorfitz des Teufels stattfindenden nächtlichen Sabbat teilnahmen, anf diesem dem körperlich erscheinenden Teufel Verehrung enviefen, dagegen Ehrsstns, Kirsche

nnd Sakramente frech verleugneten nnd schimpflich verhöhnten; 9Jl\mscheli, die ssch zu diefem Sabbat wie an die Stätten ihrer schädigenden Thätigkeit mit teuflischer Hilfe in schnellem Zckng

durch die Stifte hinbegaben, tintereinander lind mit dem Teufel

ssch geschlechtliche Ausschweifungen gröbster Art zn Schulden kommen

ließen

nnd

SRenschen endlich,

eine

große

ketzerische

Sekte

bildeten;

denen es ein Seichtes war; sich in Tiere,

tinderrnvrdendes und nienschensresseltdes, Rachts hernntschlvebelldes, weib= liches Gespenst, also einen Dänkvu, den allerdings der Bvlfswahn viel= sach nicht nur als solchen, sondern auch menschlich deutete, während der geläuterte Glanbe der Gebildeten in ihm nur einen Dämon erbliche (ahd. hagazuesa = furia, striga, nicht = rnalefica). Das SSvrt Here ist in den literarischen Denkmälern bis zum 14. Iahrhundert sehr selten nachweisbar (fast nur in Glvssrn), häufiger erscheint (neben larnia nnd striga) sein ©hnvnhnk „Unholde"; dvch wird es in seiner alten Bedentnng als dätnvnisches Gespenst klvch im 14. Jahrhundert iu Istalldern angewendet (hegetisse). Die völlige Bermenschlichung des Begnsss und seine Berbindung mit der Bvrstellung vvm schädlichen Zauber ist vberdeutschen Ursprungs, nnd zwar beginnt dieselbe vvm 13. Iahrhkrndert ab inj alemannischem schweizerischen Sprachgebiet; hier erhält das Wort He,re die Bedeutung der nachtsahreltden, schädigenden Zauberill, und in dieser Bedeutung hat es dann erst vvln 15. Iahrhtlndert ab durch die vvn Cberdentschland nach Rvrchen svrtschreitende, epidemische Hei'enversvlgnng allgemeine Berbreitnng gesunden (vgl. Kvegel, Geschichte der deutschen Liiteratnr I2, 208, sowie die sprachlichen. Erörterungen vvn I. Iranct in meinem gleichzeitig erscheinenden Blich : ünellen nnd Unterütchnngen znr Geschichte des Hcz'cnwahns nnd der Hez'enversvlgtiJig im Mittelalter, Abschnitt Vll).

nec daerpones aliquid operantur secundum naturae suae potentiam, nisi quod ille permiserit, cuius indicia occulta sunt multa, iniusta nulla.«— Diese Zulassung gehört nach katholischer Ausfassung zu den Geheimnissen der göttlichen Gerechtigkeit. 4) Rostoss I, 275. 6) De doctrina christ. 1. 2 c. 20: »consultationes et pacta quae(lam significatiouum cum daemonibus placita et fedérala, qualia sunt molimina magicarum artium (vgl. auch Quaestiones 83, qu. 79:

ZI

Erstes Kapitel-

der Krass traditioneller Gewöhnung vollständig in die christliche Welt ein. Jel einer für die Entwicklung des Hexenwahns wichtilgen $rage eutfenlte ssch dagegen das kirchliche Sehrshstem im Saufe der Zeit völlig von LlngUstintis.

Von seiner Annahme,

daß die Engel und Dämonen einen eigenen dünnen

Körper

besitzen1), wendete sich die vom 12. Jahrhundert an den Ansbau der kirchlichen Sehren übernehmende Scholastik grnndsätz--

lich ab.

Jedem sie aber diesen unkörperlichen Wesen die Jeihig-

feit znerkannte,

sich mühelos

einen beliebigen Seib

zn kon-

strnieren2) und somit körperliche Verbindungen mit dem SRenschen zn unterhalten, schuf sie erst recht die verhängnisvolle Grundtage, aus der die gefährlichsten Elemente des Hegenwahns zur Reise gelangen konnten. Es liegt hiernach zn Tage, daß der Kamps gegen das Zauber- und Hejenwesen im Rahmen der von der geistigen KRacht der mittelalterlichen Epoche vertretenen Weltanschauung

nur ans der Grundlage ersolgen konnte, daß von der Kirche wie

vom Staate die meisten Produkte überlieferten Wahns ilt gläubiger

Hiuiiahme als eilte reale Größe augefeheu, ihre Bethätiguugen

aber unter Strafe gestellt wurden. Rach der Sehre der chriftlichen Kirche kann nun einmal gezaubert lntd zwar mit Erfolg gezaubert werden. Es ist nichts als eine selbstverständliche $olge diefer Sehre, daß der Versuch zu zaubern trotz aller Verbote immer wieder gemacht wird; diese Versuche hören erst ans, wo man von ihrer Wesenlosigkeit und Ergebnislosigkeit über-

zeugt ist. Die Ausführung von zauberischen Handlungen wurde bei diefer Riethode als schwere Sünde gekennzeichnet, fie galt als eiu religiöses Verbrechen, das voll feiteu der Kirche sowohl vor dem Forum internnm, dem Buszsakrament, wie vor dem

im Sause der Zeit sich entwickelnden Forum extemnm, dem

Si quis maleficio interficiat allerum, eo quod sine idololatria perficere scelus non potuit, nec in fiileln impertiendam illi esse commilnionem.r (Collectio maxima conciliorum Hispaniae ed. Aguirre II, 135 ss.; vgl. Hésele, Kvltzilgcsch. I, 131). 2) Die aus íaiserliche Berallíassuug stansiudeude Trullauische Sljnvde vvul Iahre 692 steslte dieses Berbrecheli dem Mvrde glcich (Hesele 1. c. ni, 3n, Eau. 91). ’) Ebd. I, 209,744; vgl. Tiibinger Thevl. Ünartalschr-1823, S. 3G ss.

Zweites Kapitel.

41

schass der beiderseitigen Bethätignngeli seicht erklärliche, besontiers starke Beteiligung der Priester an der Zauberei in die Erscheinung, die während des ganzen R?ittelalters andanert.1)

Die tim das S'ahr 500 in Rom verfasste Eanonessannnlang des Dionhsnts Exignns vereinigte

eine große Zahl von

Bestimmungen der älteren Shnoden Und bestätigte deren Allerkennnng für den ganzen Bereich der Kirche2); sie übernahm n. a. die Bestimmungen der Konzilien von Allchnl lind Cao-

dicäa, die demnach seit 500 allgemein in der römischen Kirche anerkannt waren.

Vom 6. Jahrhundert ob entwickelte sich dann

eilte reiche shnodale Thätigkeit in Spanien wie in Franken, eine große Einzahl ihrer Schlüsse beschäftigt sich mit Götzendienst und Zauberei. Rachdem das von den Bischöfen mehrerer Kirchenprovinzen

gebildete Konzil zn Arles (443 oder 452) Ean. 23 gegen die Verehrung von Bänincn, Jelfen, Duellen n. s. w.3), das Proviwzialkonzil zn Vannes in der Bretagne (465) Ean. 164) gegen die Anwendung von sortes sanctorum durch Kleriker geeifert

hatte, verhängte das westgotische, von mehr als .30 Bischösen

besuchte Konzil zn Agde in Sangnedoe (506) gegelt Kleriker und Saiell, die ssch mit Aiignrien und mit Divinationen vermittelst

der sortes sanctorum abgaben, die Ejstonnnunikation5), nnd die fränkischen Konzilien zn Orleans nnd Anjerre (511, 533, 541, 573, 603) verfügten gegen Wahrsager dasselbe.6) Das Provinzialkonzil zn Elusa (551) bestimmte für Zauberer, wenn sse höheren Ständen angehörten, die Exkommunikation, für Rieden!

nnd Sklaven Peitschnng durch den Richter, alfo durch die weltliche

1) Ahnliche Strafen, lvie diese Shnvden, bestimmen die gleichzeitigen kanonischen Briese vvnl h. Basilius und h. Gregor: Zauberei und die mit Götzendienst verbundene Wahrsagern wird dem Tvdschlag gleichgestellt luld mit 9—20 Iahrell Buße belegt; wer Zauberer und Wahrsager ins Halls nimmt, büßt 6 Iahre (Schmitz, Bußbücher I, 42. 44). ’-) Ebd. I, 47. 3) Mausü Coll. conc. 7, 876; Hardvltiu, Acta concil. 2, 771. Z Maust 7, 951; Hardvuiu 2, 795. 6) Maust 8, 3.33; Hardvuiu 2, 1003. °) Concilia aevi Merov. M. G. Leges ©eft. Ill, Bd. I, 9, 180.

42

Zweites Kapitel,

Das Provinzialkonzil zn dasselbe, setzte lull' für Züeie statt Sklaverei zinn besten der Armen fränkische Reich nm diese Zeit noch Gewalt.1)

Rarbonne (589) bestimmte der Prügel Verfalls in die fest,*2) Wie angefüllt das von Reignngen des Volkes

zlt den alten religiösen Vorstellungen war, beweisen die Be= stimmnngen der Konzilien zn Tonrs (567), Auxerre (578), Rarbonne (589) Rheims (624 oder 630), Ronen (650) die sämtlich gegen die Verehrung von Onellen, Bältmen, Jelfen, gegen

die Jeier des 1. Jenntar und die bei denselben üblichen Verkleidtnigeu der SRänner in Hirsche oder alte Weiber, gegen das

Essen von Speisen, die den Dämonen (d. h. den alten Gottheiten) geweiht sind, eisern und den Priestern entschärfen, diese

SRistbräuche auszurwtteu.

Jet Spanien war Unter der Herrschaft der’; Westgoten die Verbindung geistlicher Und weltlicher Gewalt besonders

enge.

Das spricht sich in den Strafen ans, welche das Konzil von Toledo (633) und das von König Erwig 681 berusene und von

35 Bischöfen befischte Rationalkonzil, ebenfalls in Toledo, über Wahrsagerei und Götzenknlt verhängten.

Ein Kleriker, der einen

Wahrsager befragt, soll abgefetzt lind zn beständiger Bttste ins

Kloster gefpent werden; Knechte, die sich diesem Götzendienst ergeben, follen geschlagen und in Eifen gelegt,, ihre Herren, falls sie sie nicht strafen, exkommuniziert werden.

Elvige Ei'kommn-

nikation und Verbannung trisst den freien, der Götzendienst treibt. Eilte zweite, von 59 Bischöfen und einer Rnzahl weitkicher Großen besuchte Rationalfhnode zlt Toledo im Sichre 693 verbot den Vornehmen bei drei Pfund Gold, den Geringen bei hundert Rutenstreichen die Verehrnllg von Steinen, Bäumen, Duellen, das Wahrsagen nnd Zallbern. Bischöfe, Priester lind weltliche Richter sollten fich gemeinfam bemühen, diese Frevel

1) Concilla aevi Merov. M. G. Leges Selt. Hl, Bd. I, H4(Eauze lag iln früher westgvtischeu Gebiet, das kommt hier zum Ausdruck). 2) Maust 9, 1014; Hardvuin 3, 491. IV, 803, A. 7.)

(Hiuschius III, 698, A. 1;

43

Zlveites Kapitel.

ansznrotten, Und zwar bei Strafe einjähriger Exkommunikation und Absetzung.1) Welche

Einzeln orstellintgeu

ans diesen

Gebieten

damals

unter den abendländischen Völkern verbreitet nnd welche Handhingen geübt wurden, ergibt sich am deutlichsten ans den Poeni-

tentialbüchern2), die teils ans die durch Weisungen hervorragender Geistlichen geregelte geheime Bnstpiïljis der angelsächsischen

Klöster ztnmckgiltgen, teils auch ans den alten Shnodaleanones

flitzten nnd nult als Anweisungen für die Priester dienten, nm das Volk vom Rückfall ilts Heidentum abznhalteii nnd zu einem christlichen ßebenswandel heranznbilden.

Diese Bußbücher ossen-

barmt eine sast Unentwirrbare Und unerschöpfliche SRaffe3) des vorhandelten alten Glanbench divinationes,

maleficia, incanta-

tiones diabolicae, veneficia; fie bestrafen die immissores tempestatum, haruspices, die Traumdenterei nnd die Herstellung von Siebestränken, das Uinherziehen in Tiemtasken oder Weiberkleidnng am 1. Sannar mstw.; sie beweisen daneben, daß die kirsch-

liche Autorität unentwegt an die Wirksamkeit dieser zauberischen

Handlungen selbst glaubte nnd durch ihre Organe, sei es bei geheimelt Vergehen in der netten, seit dein 6. Jehrchrindert ent-

stehenden geheimen Sündenbeicht, dem Forum internum der Kirche, sei es bei öffentlichen Vergehen ans den jährlichen Reisen

der Bischöse durch ihre Sprengel in den Sendversannnlnngen oder sonst im geistlichen Gericht, dellt Forum externum, össentlich denen, die sich mit Zauber abgaben, Bnste nnd Strafe auferlegte. Befouders die geheime Bnstprai'is mußte, je weiter sie steh eillbürqerte, um so mehr dazu beitragen, die Vorstellungen selbst im Volke festzuhalten. Tag für Tag wurde die Überzeugung von der

realen Wirkung zauberischer Handlungen

durch die von der

1; Hesele a. a. C. III, 75, 289, 320. ‘H Waüerschleben, Die Bllßvrdlillngen der abendländischen Kirche (1851) : Schmitz, Die Bußbücher und die Bußdisziplin der Kirche I (1883), II (1898). Bgl. auch Iriedberg, Aus deutscheu Bußbiichern (1868) S. 22 ss. 3) Iiir die zahllose Summe vvu Bvrstenuugeu um das Iahr 500 vgt. Hallet, Kircheugeschichte Deutschlands 21,190 st., und besonders Arnvld, Ciäsarills von Aretate (1894) S. 168 ss.

44

Zweites Kapitel.

netten kirchlichen Autorität verbreiteten Sehren und verhängten

Bußen befestigt, die eben durch die Art, wie sie ihn bekämpften, den Wahn selbst stärkten. Der Glanbe an diese Realität wurde und blieb so ein Element kirchlicher Volkserziehuiig; der beständige Kamps der Kirche gegen die Ausübung des alten Wahnglaubens mit

den Rütteln äußerer Buße statt mit der Wasse geistiger Aufklärrntg hatte natürlich keinen Erfolg; ihre eignenBefchwörungsund verwandten Übungen unterschieden fich außerdem in der f^orm

der Ausführung nicht wesentlich von

dell heidnischen,

sondern richteten fich nur an eine andere Adresse;

die chrift-

lichen Anrufungen wurden daher im 4. Jahrhundert auch felbst von Zauberern für ihre Zwecke benutzt.1)

Das Volk wendete sich an feine alten Gottheiten nm Hilfe, mochte auch die neue Kirsche ihm dieselben als Dämonen dar-

stellen und den Verkehr mit ihnen verbieten.

Denn eben die

den

übernatürlichen

neue

Kirche schrieb

Dämonen

doch

die

Kräfte zit, die zur Hilfeleistung dienlich waren — was Wunder

also, wenn das Volk, dem doch nicht entgehen konnte, daß auch der Ehristengott Gebete nicht erhörte, daß also auch die christlichen

Anrufungen ultd Beschwörungen kein zuverlässiges DRittel boten*2), aus seine eigenen altgewohnten Übungen zurückgriss nnd seine

Götter um Hilfe aurief.

Deuu mochten sich auch die christ-

lichen Heiligenleben nnd Segenden alle SRühe geben, darznthnn, wie es nur der Rachfolge christlicher Heiligenntitster bedürfe,

nm mit Hilfe des Ehristengottes nnd mit der Wasse christlicher Gebete nnd Beschwörungen Krankheiten zu heilen, Brände zu löschen. Stürme zu stillen. Tote zu erwecken3), die werbende Kraft solcher Segeudeu wird man für diefe Zeit des Kampfes zwischen delt Religiousfhftemeu beim selbstverständlichen Rtaugel realer Vorführungen nicht zu hoch anschlageu dürfen.4) 1) Kraus, Rcalcuchtlvpädic II, 1004. 2) Das tritt immer wieder ill die Erscheinung, vgl- Arnold, Eäsarius v. Arelate S. 169. y) Hallet l. c. 2Z 195. ') B. Schultze, Geschichte des Untergangs des griechisch-röluischeu Heidentums II, 145 ss.

45

Zweites Kapitel.

Sn den drei Gruppen von BußbüCherm, die uns ans der Zeit von etwa 600—900 n. Ehr. vorliegen, denjenigen angel-

sächsischer, frtinkifcher lind römischer Provenienz1), Zauberer in zwei

Gruppen

und die tempestarii.*2)

geteilt:

die mnlefici

Zn den sRalefici zählen

werden die

(venefici)

sowohl die-

jenigen, die durch ihre Tränke oder sonstige DRalesteieu DRenfchen schädigen, töten oder die Leibesfrucht abtreiben, als auch diejenlgen, welche ungeordnete Siebe, Wahnsinn erregen, überhaupt den Geist des DRenschen beeinflussen.3) Geistliche und grauen erscheinen am hänstgften als Thäter; als Strafe wird, je nach der Schwere des Vergehens, bis zu 7 fahren Buße festgesetzt;

ist die Handlung mit offenbarem Götzendienst (immolare daemonibns) verbunden und gewohnheitsmäßig, so wird Strafe bis

zu 10 fuhren verhängt, während auf leichtere divinationes uud incantationes geringere Strafen stehen. Die immissores tem-

pestatnm endlich haben ihre Schaudthat ebenfalls mit siebenjähriger Buße zn sühnen.

Jet fränkischen Reich bringt das Poenitentiale des Bischoss

Halitgar von Eambrah4) (c. 817) einen gewissen Abschluß dieser Siteratnr, da es deu Zweck verfolgte, au Stelle der Vielgestaltigkeit älterer Bücher eiu mit den kirchlichen Eanones ilt Einklang

einheitliches Werk zn bieten. Auf Abtreiben der Leibesfrucht fetzt dieses ss'änkifche Bnschnch 10 Jehre Buße; stehendes

es übernahm ebenfalls die fünfjährige Blitze, welche das Konzil

von Anehra auf Befragung von Wahrfagern gefetzt hatte, lind verbot gemäß den Bestimmungen von Braga5) alle Befolgung 1) Auf die vielerörterte Streitfrage nach der Priorität braucht hier nicht eingegangen zu werden. 2) Gelegentlich werden auch die immissores tempestatum zu deu malefici gezählt (z. B. Schmitz II, 321, § 20). 3) »maleficlo interimere, decipere, perdere, occidere (id eßt per poculnm aut per aliquam artem ; in cibo dare vel in potu vel per alicuiuB generis incantaciones); maleficio partum decipere; maleficurn esse pro amore, pro inlecebroso amore dare, veneficio uti alicuiuB amoris gratia*. 4) Reuerdiugs abgedruelt bei Schmiß 1. c. II, 252 ss. Bgl. S. 4G, Alun. 3.

46

Zweites Kapitel.

heidnischer Gebräuche und Beschwörungsformeln, namentlich beim Kräutersuchen; wer sich mit Anguricn und Incantationen befasste, sollte ans der Kirche ausgeschlossen werden.1) Ans RZalesscinm

mit

tödlichem

Ausgang

und

aus Wettermacheu

standen 7 SahrT Buße, ans geringere Vergehen, namentlich ans

Siebestränke, bei deren Anwendung wiederum die Kleriker am stärksten beteiligt erscheinen, niedrigere Strafen.*2)

Das Ergebnis einer Durchsicht der Shuodalbestimmuugeu

und ssioenitentialien ist demnach, daß die Kirche es für möglich hielt, durch zauberische Künste mit Hülse voll Dämonen 2eib und Sebeu des sReuscheu zu gesährdeu, ja zu vernichten, Geist uud Herz des Rleuscheu zu beeinflussen, Siebe, Hast und Wahnfinn zu erregen, endlich Wetter zu erzengen.3) Alle diese Dinge wurden aber als schwere Verbrechen gekennzeichnet und mit

hoher Buße belegt. Eine SRenge verwandten Aberglaubens belegte die Kirche gleichfalls mit strenger Buße, namentlich das Verkleiden in Tiere und alte Weiber am Renjahrstag.4) Überall zeigt sich aber daneben ans der andern Seite die Zähigkeit des alten Glaubens, der von der neuen Orthodoxie znm Aberglauben

gestempelt, als sündhaft bekämpft, aber nicht als wesenlos erklärt

wurde. An den alten Gebräuchen, wie 2osen, Wahrsagen n. s. w., hielt man im Volk nm so mehr fest, aks manchmal grade die Diener der Kirche, Bischöfe und Priester, auf diesem Gebiet vorangingen5), trotz der wiederholten lind strengen Verbote durch die Shnoden. Reben den Shnoden und Poenitentialbüchern hatten auch

die Päpste inzwischen mehrfach die Gelegenheit wahrgenommen, sich gegen die Zauberei zu wenden, auch sie durchaus ohne jeden

Zweifel an der Realität zauberischer Wirkung. 1) >a conventu ecclesie separanduse (1. 4, 25—27). 2) ©. 296 n. 31—33. 3) An letzterm hatte allerdings das Kvuzil zu Braga im IabrT 563 gezweifelt (vgl. weiter unten ill diesem Kapitel). 4) Schmitz II, 336, c. 35. 5) ßveuiug, Das Kircheurecht inl Dietch der Merowinger S- 463 s.

47

Zweites Kapitel.

Der Papst Gregor I.si

schrieb

im April 59.5

an den

Diakon Ehprianns, der Bischof SRaj'imian von Shraens, Eh-

prian’s Vorgänger, habe bei seiner Untersuchung des ßebens der Geistlichen einige mit dem »rnaleficiurn, quod vulgo canterma1 2) dicitur« besteckt gesunden und dieselben ins Gesängnis gesetzt; er sei dann aber gestorben, Ehprian solle jetzt unter dem Beistand des Prtitors Sibevtnrus mit strenger Strafe gegen sie vorgehen.3)

Dem Bischof Jentlanns von Sardinien schrieb

er im Jeili 5994), er folle wohl acht geben auf die »idolorurn

cultores, vel aruspices atque sortilegi« nnd öffentlich gegen sie predigen; wer trotzdem weiter zaubere, den solle er in strenge

Strafe nehmen; Knechte solle er mit Schlägen nnd anderen 2Rar-

tern züchtigen, farcie durch angemessene Strafe zur Buße bringen.

Und im Juni 601 schrieb er dem Rotar Adrianas in Palermo, er folle fortfahren mit der Anfsnchnng nnd Verfolgung der »incantatores nud sortilegi«, und folle diefe „Jeinde Ehrüsti" mit strenger Strafe ahnden.5) Sm Jechre 716 gab Papst Gregor II. seinen nach Baherm gehenden Rnntien die Instruktion mit, sie

sollten gegen Tranmdenterei nnd Vogelschau, gegen Zaubersprüche, Beachtung heidnischer Kalenden, sRalesseien nnd zanbefische Handlungen, Soswerfen 2C. vorgehen.6)

Ein Unter dem-

selben Papst im Jelhre 72l in Rom gefeiertes Konzil bestimmte

im Eallon 12 die Exkommunikation für jeden, der Beschwörer, Wahrsager oder Zauberer befragte nnd Amulette anwendete.7)

Papst Zacharias wendete

sich ans einer Shnode zu Rom im

1) Das von Hintmar v. Rheims (Opera, Migne 125 ©p. 726) zitierte Schreiben P. Cev's I. gegen »maleficie bezieht sich aus die Manichäer. 2) Die Bedeutung ist nicht zu ermitteln (vgl. Dueange s. v.). s) Ep. Gregvrii in N. G. Epistolae I, ©. 313 (Jesse Reg. 1348 [985]). 4) Ebd. II,’ S. 191. Iasse Reg. 1731 (1220). 6) M. G. Epistolae II, 6. 302; Iasse Reg. 1823 (1403); ausgenvnkmen iu Gratian's Detret 26 qu. 5 c. 8 : Studii eniirl tui sit, solli­ cite (incantadores et sortílegos) quaerere et quoscunque huiusmodk Christi inimicos inveneris, districta ultionc corrigera. 0) Jesse Reg. 2153 (1651). 7) Manfi 12, 261; Hardvnin 3, 1863; ausgenommen irr Reginv Libri de synodalibus causis (ed. Wasserschlcbcn) II, c. 356.

48

Zweites Kapitel.

Sichre 743 gegen die Jener der heidnischen Jeniuar-Kalenden 1111b

gegen die Brnmalitni am 25. Dezember1); diese feiern und ebenso das Tragen von Amuletten nnd Sigatnren waren in Rom damals so verbreitet, daß es den Rom besuchenden Franken anfssel.2) Die erwähnte Eanonessatnmlung des Dionhsins Ej:igntis,

welche allster Shnodalcanones auch päpstliche Dekretalen enthielt, wurde in überarbeiteter Fassung im Jelhre 774 vom

Papst

Hadrian I. an Karl d. Gr. geschickt und ans dem Konzil zu Aachen

802 für die fränkische Kirsche als Gesetzbuch übernommen.3) So hatten alfo die entscheidenden Jetstanzen der Kirche anf Zauberei, und im besonderen alfo auch auf schädigende zauberische Handlnngen, je nach der Intimität mit den Dämonen nnd der ans

den Handlungen herworlenchtenden Gesinnung strenge Strafen bis zu der schwersten, die ihr zur Verfügung stand dauernden Exkommunikation — festgesetzt.



der

Richt in die Erscheinung treten dagegen in der kirchlichen

Gefetzgebnng vor dem Jehre 800 jene drei anderen Vorstellungen,

die wir kurz die Vorstellung von der Striga, dem Jelellbtls nnd der Tierwerwandlnng nennen können.4) Selbst ilt den fo reich ausgestatteten ssioenitentialbüchern mit ihrer Unmenge von zanberischen Vorstellungen find fie nicht einmal dem Ranten nach vorhanden. Das beweist zweifellos fo viel, daß die kirchliche Autorität diefen im Volke verbreiteten Vorstellungen keine be-

fvndere Bedeutung für das £eben beimass daß dieselben andererfeits aber anch im Volke nicht zn Handlungen verleiteten, die das Strrlfbedürfnis der Kirsche wachnefen. Der Verdacht, dast

1) Eauvn 9, vgl. Hardollin 1. c. III, 1929 (£ea 1. c. III, 412\ 2) Bvnisaz’ Bries vvjl 741 an Papst Zacharias. M. G. Epp. III, 301. 3) Hinschins III, 707. 4) Wenn Svldan I, 110 meint, daß die Bvrstellnng von den Rachtsahrten ans einem römischen Konzil a. 367 nnd ans dem Kvnzil zn Agde (a. 506) erörtert worden sei, sv ist das irrig. Zeile Shnvde vvn 367 gchört der Sage an, nnd das Konzil zn Agde hat sich Xtrvtz Bnreard’s Dekret X, 29) nicht mit dieser Sache besaßt. Svldan’s verdienstvolles Bilch hat leider in mehreren, siir die Entwicklung des Hepenwabns besonders wichtigen Punkten irrige Ansichten verbreitet.

49

Zweites Kapitel.

bestimmte RiensChen freiwillig mit Dämonen fleischlich verkehrten, ist in dieser Zeit noch nicht lebendig geworden; wir werden noch sehen, das] malt sich Vorläufig diesen Verkehr mit Dämonen als

einen

von den letzteren erzwungenen vorstellte.

Ebenso

wenig rechnete man in der Praxis des Sebens damit, daß Jeanen

gcfpeiistigeii Flügen Kntder töteten oder fich Buhlschaften widmeten, und daß SRenfchen fich mit teuflifcher Hilfe in Tiere verwandelten; die kirchliche Gesetzgebung würde ans nächtlichen

sonst gewiß Bestimmungen nach diefer Richtung anfweifen. Daß

diese überlieferten Vorstellungen selbst aber in diefer Zeit fort-

bestanden, beweist —

abgefehen von den alten Volksrechten,

anf die wir noch kommen — das nm 630 verfaßte enehklopä-

difche Werk des Bischofs Jeidor von Sevilla1), des ersten Gelehrten, der nach den Stürmen der Völkerwanderung wieder planmäßig an Anglistin nnd Easfiodor anknüpfte und in feinen Origines oder Etymologiae ein Kompendium des Wissens

feiner Zeit

schuf,

das von der größten Bedeutung

spätere Siteratnr des SRittelalters geworden ist.*2)

für

die

Wie er vom

Walten der Zauberer nnd feinen schlimmen Wirklingen über-

zeugt ich tödlichen Zauber wie Wetterzanber, Verwandlungen in Tiere nnd das ganze Inventar der römischen Duellen: Prn-

dentins, Horaz, Apnlejns, Snean nnd ganz befonders Vanw3)

übernimmt4), fo berichtet er wenigstens vom Hörenfagen auch 1) .S. lsidori Eliapalensia epiacopi opera (Coloniae 1617) 1 bis 178; vgl. bes. 1. 8 c. 9, c. 11. Bgl. auch die wenig ältere Predigt des Martin vvn Braeara bei Ebert, Allg. Geschichte der Siteratnr des Mittelalters inl Abendlande I, 583 ss. 2) Seine Darstellung von der Geschichte der Zauberei, die er mit Zvrvaster beginnt und iiber Eiree, ßheavn weitersiihrt, lehrt in der mittelalterlichen Literatur immer wieder. S) Rach ihm teilt er die Diviuativ in die vier Gruppen: pyrornantia, aerirnantia, hydroinantia, geornantia (vgl. auch Ebert 1, c. Il, 137).

4) Er bietet die alls Evd. Thevd. 9, 16, 4 (Evnstalltills) stammende und in der späteren ßiteratllr immer wiederholte Erklärung: »Magi sunt, qui vulgo rnalefici ob facinorurn magrätudinern nuncupantur. Hi ct elementa conculiunt, turbant mentea horninum ac sine ullo veneni hauslu violentia tantum carminis interimunt. Daeliiouibus Historische Bibliothek. Bb. xlt. 4

50

Zweites Kapitel.

über die Ramien lind Larven, die ihm als kinderraubende ans

RZenschen verwandelte Dämonen erscheinen, und bezeichnet als selbstverständlich die häufige geschlechtliche Verbindung von gwatlen mit Dämonen, welch’ letztere er im Sinne der antiken

fyanne charatTcrifiert.1) — Betrachten wir die der kirchlichen parallel laufende weit-

liche Strafgesetzgebung in Bezug auf die zauberischen Hand-

klingen, so hat nns zunächst die alte römische Gesetzgebung zu

beschäftigen. Die Zauberei (magia) loar ursprünglich im alten Römer-

au fich nicht strafbar, sondern wurde das erst, wenn Zauberkünste angewendet wurden, nm einem andern Gesundheit,

reich

ßeben oder Vermögen zn entreißen oder zu beschädigen. Die Menschen, welche diese verderblichen Künste üben, sind die magi

oder malefici, wie sie zunächst volkstümlich, dann seit Dio-

eletian anch offiziell genannt wurden.

Daneben behielt das

enirrl accitis audent ventilare, ut quisque suos périmât malis artilous inimicos. Hi etiam sanguine utuntur et victimis, et saepe contingunt corpora mortuorum«. Er äußert sich dann näher über die Arten der Zauberer: »Negromantes, hydromantes, divim, incantatores. arioli, aruspices, augures, auspicia, pythones, astrologi, genethliaci, horoscopi, sortilegi, salisatores — in quibus omnibus ars daemonum est ex quadam pestífera societate hominum et angeloruin malorum exortae. 1) Larvas ex hominibus factos daemones aiunt, qui menti mali fuerint, quarum natura dicitur terrere párvulos et in angulis garriré tenebrosis; lanías, quas fabulae tradunt infantes com­ pare ac laniare sólitas, a lardando 'specialiter dictas. Pilosi, qui graece panitae, latine incubi appellantur, sive inivi ab ineundo passim cum animalibus, unde et incubi dicuntur ab incumbendo, i. e. stuprando ; saepe enim improbi existant etiam mulieribus et earum peragunt concubituni, quos daemones Galli Dusios nuncupant, quod assidue hanc immundiciam peragunt. Quem autern vulgo incubonem vocant, liunc Romani faunum ficarium dicuntur. Die »strixe ist nach 1. 12 c. 7 cille Eigenart, »nocturna avis, habet nomen de sono vocis; quaudo enim clamat, stridete. De qua Lucanus ; »Quod trepidus bubo, quod strix noctuma querunture. »Haec avis vulgo am ma dicitur, ab amando párvulos, unde et lac praebere dicitur nascentibus«.

Zweites Kapitel.

51

Wort aber auch stets die allgemeine Bedeutung des Übelthäters.1)

Unter der Regierung des Tiberius wurde die von Sulla gegen das Banditenwesen erlassene Lex Cornelia de sicariis ansdrücklich ausgedehnt ans die schädigende Zauberei, und zwar

wurden ans sie die Bestimmungen dieser Lex über die Veri giftrnrg bezogen, nach denen alle mit dem Tode bestrast wurden,

die ein Giss anwendeten oder lieferten, dnrch welches das Seben

eines Anderen gefährdet wurde.2) Darunter sielen in der fpä= teren KaiserFeit auch wegen der ßebensgefährdnng die hänssg

angewendeten Siebestrlinke, die zur Gegenwirkung gegelt Siebes-

tränke benutzten Rlittel, die Riittel zur Abtreibung der Selbesfrucht; aber schon seit den Zeiten der Republik standen auch die Wettermlacherei, der Erntediebstahl, das Beschwören von Todten,' das Vergraben von Bleiplatten, gluchtafeln u. s. w. unter schwerer Strafe bis zur Todesstrafe hin.3)

Die gesetzliche Praxis wurde iu der Kaiserzeit im allgemeinen die, daß ans

schädigenden Zauber nnd Gifttrank der Tod stand, wenn er den Tod herbeiführte, sonst eine mildere Strafe4); die Todesstrafe bestand für die Veranlasser des Verbrechens

feit dem

3. Jahrhundert nach Ehr- bei Perhonen niederen Standes im

Tod am Kreuz oder dnrch wilde Tiere, bei Vornehmen in ein-

facher Hinrichtung (Enthauptung); die eigentlich ansführenden Zauberer dagegen, welche auf Veranlassung anderer die Thaten ausführten, sollten lebendig verbrannt werden.5) Die zur Heilung

1) Th. Mvuimseu, Römisches Strasrecht (1899) ®. 635—643. 2) Rein, Das Kriluinatrecht der Römer ©. 426 st. s) Rein 1. c. 909; Mommsen 1. c. 641 s.; Gengler, Die strasrcchtliche 2chrc vvni Berbrechcn der Bergistung (1842). 4) Rein 1. c. 428, 448; Gengler ©. 95 ff. 5) Rein 1. c. 906, 909; Mvmtnsen 1. c. 643. Die scharfen Erlasse Diveletians gegell dell Manichäisnnls — also nach in heidnischer Zeit — hatten ihre Ursache zunächst wohl in dell Zaubergebrauchen, die man dem orientalischen Manichäisnnls zur £ast legte. Den Ii'lhrern drvhte Diveletian dell syenertvd, den Anhängern je nach dem Stande Zwangsarbeit oder Enthauptung an. Iu christlicher KniserZeit wurde dann das häretische Moment tril Manichäisnnls in dejl Bvrdergrund gerückt (Mvnnnsen 1. c. 576, 600, 605). 4*

ó2

Zweites Kapitel.

von Krankheiten oder gegen Riißernten t!nd Wetterschaden angemendete wohlthätige Zauberei blieb dagegen vorläufig noch erlaubt?)

Daneben aber unterstand in der römischen Kniserzeit auch die früher erlaubte Wahrfageknnft (rnathesis, divinatio) schwerer Strafe, namentlich wenn sie gewerbsmäßig betrieben wurde.

Bei

ihr fiel der Gesichtspunkt der bewirkten Schädigung für das Strass

maß weg; religiöse Erwägungen bestimmten hier vornehmlich das

Urteil.

Da aber die Divination mit der Zauberei seit jeher iu

enger Verbindung stand, so hat deren Bestrafung stark auf die Straffestfetzuug für Divination in ihren verschiedenen formen eingewirkt. Während der römischen Kaiferzeit erfolgte eine regel-mässige Steigerung der Strafe für die SRathematici: wurde alt-

fänglich nur der mit dem Tode bestraft, der über die Schicksale des Kaisers wahrsagte, st) wurde das mit dem 3. Jehrchnndert auch auf andere ausgedehnt, und Konstantins (im Sahre 357) bestimmte allgemein die Todesstrafe, und zwar durch das Schwert,

für Divination.*2) infolge der Wechselwirkung der Bestimmungen gegen Zauberei und Wahrsagerei wurde aber iu der Zeit der

späteren Kaiser nun auch die Riagie bestrast nicht nur wegen der schädigenden Absicht und Wirkling, sondern auch, weil sie

mit einem Riißbratich von Saeralforlnen, speziell mit nächt-

kicher Anwendung derselben, verbunden war, und in dieser $orm gingen die Bestimmungen in die christliche Epoche der Kaiserzeit über. Das erwähnte Gesetz des Konstantins vom Sahre 357 bestimmte den Tod als Strafe für alle zauberischen Vergehen, und es liegen Rachrichten vor, wonach auch zauberische Versuche von Krankheitsheilnngen thatsächlich mit dem Tode bestraft wurden.3) Dieser Standpunkt wurde vom römischen Straf-

recht nach einigem Schwanken dauernd aufrecht erhalten. Das römische Recht in feiner bhzantinifchen, unter christlichem Emflnst bestimmten Gestalt — fowohl der EodQ' Theodosius’ II. 1) Ausdrücklich ilu Gesetz vvm Iahre 321 (Evd. Thevdvs. 9, 16, 3 Evd. Iustin. 9, 18, 4). 2) Rein 1. c. ©. 907 ss. (Eod. Dheod. 9, 16, 4 — Evd. Zustiu. 9, 18, 3) Ammianus Mareellinus IG, 8; 19, 12; 29, 2.

53

Zlveitcs Kapitel.

(vom Zahre 438) als der Eodei- Jeiftillian’s (vom Jehre 529)ss — übernahm die älteren Gesetze, welche die Todesstrafe über

Zauberer verhängten ebenso wie diejenigen, welche das Wahrfagen in allen feinen formten bei Todesstrafe verboten.*2) Und ein Heiliger der Kirche, Hieronhmus (f 420), hatte bereits im Gegenfatz zu der nrsslrünglichen Rälde des Ehristentnms, die dem Sünder

Gelegenheit zur Buße

und Besserung

gegeben

wissen wollte, erklärt, daß SRörder, Gottesräüber und Giftmischen', also anch Zanberer, mit dem Tode zn bestrafen Recht fei.3)

Alls

den

strengen mofaischen Bestimmungen,

die den

Zauberern nnd Wahrsagern den Tod androhten4) nnd in diefem galle wie auch sonst anf die Bildung der kirchlichen Rechtsvorftellnngen großen Einfluß gewannen, ergaben fich für die Kirsche

weitere Stützpunkte, nm die schroffe Anwendung der Strafen des weltlichen Arnis hier wie anderwärts gilt zu heißen, der

weltlichen Dbrügkeit als der Dienerin Gottes die Befugnis der Todesstrafe ausdrücklich znznerkennen. Der Umschwung der Kirsche

zur Jeitoleranz, die prinzipielle Anknüpfung an die entfprechende Haltllllg des Alten Testaments, fobald die römische Staatsgewalt christlich geworden war, führte im 4. Jehrhnndert zn der blutigen Bestrafung der Zanberer, als welche fich die erwähnte Verfolgung56 ) der Andersgläubigen ansgab; fie führte

ebenfo dazu, daß die Andersgläubigen den strengen Strafen der

SRajestätsverchrecher anheimstelen, da die staatliche Behörde fich her beiliess das kirchliche Verbrechen der Härefie als ein Abweichen von dem Glauben des christlich gewordenen Kaifers nnd somit, 1) Evd. Thevdvs. 9, 16, 1 ss.; Evd. Illstin. 9, 18, 3 ff. Bgl. G. Rauschen, Iahrbiicher der christl. Kirche unter Thevdvsius d. Gr. (1S97) S. 92, 233, 309. 2) Bgl. Mvknmsen l. c. 864, 865. — Der Evdej: Iustiu. 9, LS, 5 vereinigt Zauberer und Wahrsager unter der Bezeichnung Malesiei : »harnápices, rnathernatici, harioli, augures, vates, Chaldaei, rnagi et caeteri, quos maléficos ob facinorum magnitudinem vulgus appellat». 3) Kommentar zu Ierem. 4, c, 22 (Migue Patrol. lat. 24, 811). Bgl. Hinschius V, 50, 157 sijr die Stellung der Kirche, zur Dvdesstrase. Bgl. vben S. 13. 6) Bgl. oben S. 23.

5i

Zweites Kapitel.

wenn anch nicht direkt als 9Rajestätsverbrechen, so doch als ein demselben anss nächste verwandtes weltliches Delikt zn ahnden.1) Rttch in der römischen Gesetzgebung spielt die Strigavor-

stellnng keine Rolle.

Die sjorm, in der dieselbe iln Volke ver-

breitet war, bot iln römischen Reich wohl keine Handhabe znm

strafrechtlichen Eingreifen;

die auf Buhlschaft fliegende Striga

war kein Objekt für Strafprozesse, lind der Verdacht gegen kinderfressende Santien scheint fich anch nie zn einer gerichtlichen Anklage, einer amtlichen Unterfnchnng oder zur Anwendung einer von der staatlichen Gewalt verbotenen Shnchjnstiz des Volkes

verdichtet zn haben.

Dasselbe war der galt mit der altüber-

lieferten Vorstellung vom geschlechtlichen Umgang mit den Däinonen; der Jeieubns existierte für das Strafrecht der Römer ebenso

wenig, wie die Striga und ßatnia und die Tierverwandlung.

Etwas anders ist die Entwicklnng der rechtlichen Anschauuttgeu in den germanischen Staatsbildnngen verlaufen, die vom

Jehre 400 ab, als die einzelnen Völkerschaften stch zn größeren

Gruppen znfammenfchloffen, auf dem römischen Boden entstanden

lind deren eigne ältere Anschauungen sofort von der christlichen Kirche beeinflußt wurden. Denn die christliche Kirsche war es vor allem, welche die germanischen Völker in deu Bereich der abendländischen,

aus dem römischen Reich

geretteten Kultnr

überleitete, ihnen die Reste dieser Kultur vermittelte nnd st) die

Grundlage für die Reugestaltuug des äußern wie innern Sebens Europas schnf. Anch nach den ältesten germanischen Volksrechten wird im

allgemeinen die Zauberei nur bestraft, infofern sie schädliche Wir-

sintgen herbeiführt.2)

Die Vergiftitng wird im langobardischen,

1) Mvmmsejr, Der Religivllssrevel nach römischem Recht (Shbels Zeitschr. 64, S. 411, 417); vgl. Mvunusen, Röm. Strafrecht S. 599.

2) Bgl. siir das Zwlgende: LBilda, Strafrecht S. 961 ss. ; Grimm, Mhthvlvgie4II, 861 ss.; Gengler, Gistluvrd S. 154 ss.; Thvniücn, L’organisaiion judiciaire, le droit penal etc. de la loi Salique (1882) S.350; Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II, 561, 678 ss. Die ganze Sitcratur traust an dem Zchlcr, daß der unterschied vvu Matesiea (herbnria) uud Striga (rnasca, larnia) nicht erkannt svvrden, beide vielmehr als Wechselbegrisse

55

Zweites Kapitel.

baierischen, thüringischen Recht anscheinend nicht als Zauberei behandelt, während das falifche, ripnarifche, angelsächsische, west-:

gotische Recht beide deutlich in nahe Beziehung zueinander setzen. Sn der Lex Salica, dem ältesten, nm das Jehr 500 verfaßten, fränkischen Rechtsbnch, in welchem das Strafrecht noch wefentlich privatrechtlichen Eharxikter trägt, wird derjenige, der ein

Rbllesteitltn ansübh indem er einett andern durch einen Gifttrank tötet, als Rtörder behandelt, er must den Verwandten des Getöteten das entfprechende Wergeld zahlett.

Eine (die Wolfen-

büttler) Handschrift der Lex fetzt hinzu, daß er (falls er das Wergeld nicht zahlen kann) dem Scheiterhaufen überliefert werden

foll.1)

Dieser Verbrennnngstod, der hier zlttn erstenmal in

einem deutschen Rechte dem Zauberer angedroht wird, ist wohl

als von der verletzten Sippe vollzogen anznfehen, deren Recht ans Selbsthilfe nicht dnrch die Seiftnng des Wergeldes abgekauft worden.2) Die Bestimmung beweist aber, daß die schwere Strase

des Scheiterhaufens für zauberische Tötung dem Rechtsempfinden des fränkischen Stammes entsprach.

Das Geheimnisvolle des

Verbrechens wird hier wie fonft die Schärfe der Strafe veraltlaßt haben, wenn nicht eine Anlehnung an das alte römische

Recht darin znm Ausdruck kommt.

Jedenfalls blieb diefe Strafe

im fränkischen Recht anch in Geltung, als das Strafrecht össent-

lichen Eharakter erhielt, als die Verbrechen nicht mehr als Verletznng der Sippe, fondent als Vergehen gegen den Staat auf-

gefaßt wnrden.3)

Und da von den germanischen Rechten eben

ausgesaßt sind. Striga und herbaria sind das ebenwweltig wie atriga und iornicaria; schon die räumliche Trennung der beiderseitigen Bestimmungen in der Lex Salica (Tit. 19 u. Dit. 64), die Berschiedeuheit der Cornpositio u. a. beweist das, abgesehen voll den hier ausgesiihrtell inneren Guillden. 1) Lex Salica tit. 19 (ed. Gessclen 1898, S. 19, 130): De maleficiis. Si quis alten herbas dederit bibere, ut moriatur, solidos 200 culpabilis iudicetur (aut certe ignem tradatur). — Die Wvlseubiittler Handschritt stammt aus Tours itttd zwar aus dem 8. Jahrhundert. Für die Absasülkigszeit der Lex vgl. Dippe iu der Hist. Bierteljahrsschrist II. 159 ss. 2) Brunner 1. c. II, 471 (nach tit. 58). 3) Die nm 710 versaßte und iu diesen Bestimmungen alls der Lex Salica sußektde Lex Ribuaria c. 83 erwähnt allerdings deu Ieuertvd

56

Zweites Kapitel.

das fränkische unter den Karolingern am stärksten auf die Reichsgefctzgebnng eingewirkt hat, fo würde sich schon hieraus erklären,

wie dieser Jenertod, der von den andern germanischen Volks-

rechten nur noch inl alamannischen Paktns erwähnt wird, doch späterhin1) als Gewohnheitsrecht in allen Sändern in die Erscheinnng tritt,

welche

dem

fränkischen,

karolingischen Reiche

Die Todesstrafe, welche das ostgotische Edikt Theuderichs (c. 500) den Zauberern niederer Herkunft androht*2), angehört haben.

ist wohl sicher als Enthauptung zn fassen, dagegen könnte — sei

es unter römischer Einwirkung, sei es selbstentwickelt —

die »mors turpissima«, welche das westgotische Edikt des Königs Ehindasvind (c. 520) dem Giftmörder androhh wohl den Zenertod bezeichnen3); im alamannischen Volksrecht (c. 600)

tritt deutlich hervor, daß das Volk eigenmächtig Weiber, die ihm als 'Zauberinnen (herbariae) verdächtig waren, dem Jeuertod überantwortete, daß aber die Obrigkeit diefes Vorgehen scharf

zn kwntrolieren suchte.4)

Schwere Strafen, bis zur Todesstrafe, fetzen die Volksrechte ferner anf das Darreichen von Tränken, welche weibliche IXnfruchtbarkeit bewirken.5) Anf die Anwendung von Abortivtränken6),

anf die Benutzung von Zanbermitteln in Zweikämpfen7) nnd nicht, sondern nur die ßeistung des Bargeldes. (M. G. Leges fol. V, 265). Bgl. aber die thatsächlicheu Hinrichtungen unten ©. 113 sf,

1) Reben dem Tvd durch Ertränken, vgl. ebd. 2) M. G. Leges fol. V, 164 c. 108j: »Malarurn artiurn conscii, id est rnalefici, nudati omnibus rebus, quas habere poasunt, honesti perpetuo damnantur exilio, humiliores capite puniendi suntc. 3) Lex Visigoth, (ed. Zcuincr 1894) VI, 2, 2. 4) Pactua Alain an norum (M. G. Leges I, ö S. 23, tit. 33); »Si quis alterius ingenuam de crimina seu stria aut herbaria sisit et earn priserit et ipsam in clinata misente (clinata ist die schräge Hürde, die als Scheiterhaufen diente). 6) Lex Salica, Zusätze zu tit. 19; Lex Visigoth. VI, 3. 6) Lex Visigoth. Ill, 4, 13. ’) Edictus Rotharii c. 368 (vgl. dazu Zieler iu I-vrschungen zur Reichs- und Rechtsgesch. Italiens IV, 135); Decret. Tassilonie (a. 774) iu M. G. Leges fol. Ill, 465.

57

Zweites Kapitel.

die Erzeugung von Krankheiten durch zauberische Riittel, vor-

nehmlich durch Kräuter, aber auch durch Soswerscn und £igatnren waren gleichfalls Strafen gefetzt.1) Auch der die Ernte und den Befitz an Tieren und andern

Gegenständen schädigende Zauber, befouders durch Wetter- und Hagelmachen, tritt in einzelnen Volksrechten deutlich in die Erscheinnng. Jen baierifchen Volksrecht (ans dem 8. Jelhrch.) ist

die Ai'anscarti (Ahrenscharcke) erwähnt*2), die Zauberei, die die Ernte schädigt; fie wird mit 12 Schilling gebüsZt, der Thäter hat aber außerdem dem Geschädigten für allen Schaden zu hafteu.

Sm westgotischen Rechtsbnch (c. 550), in welchem berichtet wird, wie die Zauberer im .Sande hermmzogen und fich von den Bauern

bezahlen ließen, um fremdes Jeld uud Vieh zu bezaubern, werden

die

»immissores tempestatum«

durch

Peitschenhiebe

nnd

Scheren des Haupthaares bestraft, eingekerkert oder fonft nach dem Ermessen des Königs unschädlich gemacht.3) Ganz allgemein galt nach altrömifchem Vorbild die Über-

führniig einer Perchn als »maleficus« für die in den germanischen Reichen der Bnrgnnden, Ostgoten, Westgoten lebende römische Bevölkerung als Ehescheidungsguind sowohl für Gatteu

als Gattin;

bei den Burgnnden traf

dasselbe auch für die

deutsche Bevölkerung zn.4) Die weltliche Autorität in den germanischen Reichen war also wie die kirchliche von der Realität zauberischer Wirkungen

1) Lex Salica tit. 19, 2; Edict. Rothar. § 368. 2) Lex Bajuw. XIII, 8. (M. G. Leges fol. Ill, 315); Grimm 1. c. S. 443 s.; Riezler', Die baherischeu Hejjeuprvzesse im Sichte der allg. Eut= wirflung S. 26. y) Lex Visigoth. VI, 2, 3 (vgl. Dalm, ASestgvtische Studien ©. 234 s.). Mertwiirdig ist, daß dieses Recht dem Zauberer die Talivnbnße iu der Bleise audrvhte, daß er am Seibe und sonst dasselbe als Strafe erdulden soll, lvas er einem andern zugesiigt (VI, 2, 4; vgl. Günther, Die Idee der SBiedervergeltung iit der Geschichte uud Philosophie des Strafrechts I, 193;. Auch die Lex Romana Raetica Curiensis (c. 850) straft die »inissorea tempestatum«. ’) c. 500 Lex Burg. § 34 (M. G. Leges II1, 68); Edilt Thevd. § 54 (M. G. Leges fol. V, 157). Auch ill Rhäticn c. 850 (cbd. 337). Bgl. Svettijtg 1. c. II, 620; Zrciscn, Kathvlisches Eherecht 777 ss.

58

Zweites Kapitel.

überzeugt lind bestraste dieselben schwer, im allgemeinen je nach der Größe des durch den Zauber verursachten Schadens, ge=

legentlich aber auch schon Rücksicht nehmend ans den religiösen Eharakter des Verbrechens, den nach kirchlicher Auffassung durch

dasselbe bedingten Abfall von Gott. waren

ferner

wohl

auch

Jeir manche dieser Rechte

schon die Bestimmungen des alten

römischen Rechts maßgebend oder doch vorbildlich.

Von besonderem Interesse ist nun aber, daß in mehreren

dieser Volksrechte

neben der maléfica oder herbaria1) auch

jener andere Begriff der Striga, im besondere der schädigenden,

menschenmordenden Rachtfah renden, in den strafrechtlichen Bestimmnngen in die Erscheinung tritt, und zwar ohne Zusammen-

hang mit Rtalesseien und in ganz anderer Form.

Während

die Autorität felbft an die Wirkungen der Rialesseien glaubt,

wendet sie sich gegen den Glauben an menschliche Strigen als einen volkstümlichen Wahn, dessen Erscheinungen sie besonders

in der gorm der Ehrenkränkung und der Volksjustiz bekämpfst Das fränkische, alamannische und langobardische Recht (c. 500 bis 650) behandeln diefe Angelegenheit übereinstimmend oder einander ergänzend.

Es ergibt fich das Vorhandensein

des

volkstümlichen Wahues, daß gewisse trauen Strigen (striae, strigae, lamiae vulgo mascae) find, die andere SRenschen innerlich anfzehren, also vamphrartige und an die kinderfressenden Samten der Alten anklingende Wefell, und daß sse

zu gemeinsamen SRenschenschmäusen zusammenkommen.2)

Daß

sse fliegen folien, wird zwar nicht ausdrücklich gefügt, ergibt sich aber ans der Bezeichnung striga und lamia ohne weiteres und

wird bestätigt durch die späteren Erwähnungen bei Burkard von Worms und anderen.

Auch daß sie ans Buhlschaft ans-

gehen, kann man nur vorailssetzen.

Striga



das deutsche

1) ©v z. B. int alamannischen Bvltsrecht c. 600 (Pactus Alarn. M. G. Leges I, 5, S. 23). 2) Lex Salsea (c. 500) tit. 64 (Gcsfcícll :S. 61, 231); Pactus Alarnannoruin (c. 600) ill M. G. Leges I, 5, ©. 23; Edictus Rotharii (a. 643) cbd. fol. IV, S. 48, 85, 87, c. 197, 198, 376. Roch Rvtler (f 1008) schildert die meuschensresstilden „hüzessa hier im laude" (Grimm 1. c. 4II, 904). Stria = fara (F-ahrcude) iu Lex Sal. t, 64, cod. 5 u. 6.

59

Zweites Kapitel.

Wort ist nicht überliefert, hat aber wohl hagaznssa gelautet1) —

war im Geltungsgebiet des falifchen und alamannischen eines der schlimmsten Schimpfwörter für eine fpran; träger eine entehrende Bezeichnung für einen SRaltn, da sagte, daß der Gescholtene den ©trügen den Kessel zu

unheimlichen DRahl trage.2) der

Existenz

diefer

zweifelnd gegenüber.

Rechts Kessel-

es beihrem

Die öffentliche Gewalt stand aber

menschenfeindlichen

Rachtfchwärmeriuueu

Zwar fetzt die Lex Salica

wohl deu

Jeill (wenigstens in einem späteren Zusatz)3), daß eitle Striga

überführt würde, eilten Rieitschett verzehrt zu haben, aber sie bestimmt dafür als Strafe nur das Wergeld des Verzehrten. Es wird alfo nur der Rîord als solcher bestraft, die besondere desselben wird nicht berücksichtigt. Das Edikt des Sangobarchenkönigs Rothar (643) erklärt aber ausdrücklich, Ünalifikation

Ehristenmenschen dürsten nicht glauben, nnd es sei unmöglich,

daß ein Weib eineu lebenden Rieuscheu innerlich verzehret! könne; es verbietet allen, uud besonders streng dett Richtern, solche angebliche Strigen zu töten.4)

Es zeigt sich also deutlich, daß die Obrigkeit hier einem überwundenen

sse,

Volksglauben

ablehnend

wo er zu Auswüchsen führte,

gegenüberstand,

bekämpfte.

dett

So traf das

1) Ich möchte das besonders ans der in mehreren Hss. der Lex Salica lind bei Rvthar (und später vst) vorkvuunenden Zusammenstellung »formcaria aut strigae, >meretrix aut striga« als ©chinlpswvrte (Hure und Helfe) schließen. Friir die Gleichstellung vvu »hagazusaa« und dlamia« in den Glossen des 9. Ihs. vgl. oben Seite 7, Alun. 2) Lex Salica 1. c.: »Si quis mulierem ingenuam stria clamaverit. . .; si quis alterum herburgium clamaverit, hoc est striopordum aut ilium qui hineo portare dicitur, ubi strias cocchiant.« y) tit.. 64 Zusatz (Hs. aus c. 800, vgl. Hcücls-Kern ©p. XV ll. 401). •*) »quod christiania mentibua nullatenus credendum eat nec possibile, ut rnulier hominem vivurn intrinsecua posait comedere.« Bgi. Oscnbriiggcn, Strafrecht der Svngvbardell S. 160; Grillllll 1. c. 4H, 904. — Unfiar ist die Bemerkung der Lex Alamannorum. (c. 700) § 77 : *Si quis mutiere gravida instrigaverit« (M. G. Legea I, 5, ©.49. Eill Eriiärmlgsvcrüich bei Osdlbriiggcu, Alemannisches Strafrecht ©. 226). — Bvn „Bcrchrcnnejl" als Dötllngsart (wie Brunner II, 471, 679 sagt) ist hier nicht die Rede.

60

Zweites Kapitel.

alamannischc Volksrecht (c. 600) Bestimmungen dagegen, daß

jemand eine Striga gefangen llahm nild ans den Scheiterhansen setzte1); es handelte sich da offenbar nm volkstümliche schnchJustiz. Denselben Volksglauben an Strigen trafen die Vertreter des Ehristentnms im 8. Jahrhundert auch bei den heidnischen Sachsen an; in den sächsischen Grenzen hatten früher die Sango-

barden eine Zeit lang gesessen, was sich auch ans mancherlei sonstigen Übereinstimmungen im salischen und laugobardischeu Rechts- und Wirtschastsleben zu erkennen gibt.*2)

Bon isatins

erklärt von den Sachsen, daß sie an Singen und Werwölfe glaubten3), und Karl d. Gr. bestimmte in seinem ersten stichsischen Kapitular (c.787): Wenn jemand vom Teufel bethört nach

Heideusstte glaube, ein 9Rann oder ein Weib sei eine Striga und verzehre sRenschen, nnd sie in diesem Glauben verbrenne, znm Essen gebe, oder selbst esse, so solle er mit dem Tode be-

straft werden.4)

Derselbe Wahn des Volkes wird denn auch

nm 800 in einer irischen Shnode5) bekämpst: Der Ehrist, der

an die Existenz von Samien-Strigen glaubt und einen alldem SReuscheu in deu Ruf bringt, eiu solches Wesen zu sein, wird mit dem Aua them belegt.6) 1) Bgl. oben S. 56, Anln. 4. In Alamannien lvar demnach der Z'enertvd volkstümliche Strafe siir Strigen wie siir Zauberinnen. 2) Bgl. Meissen. Siedelung und Agrarwesen des Westgermanen mid Dstgermanen I (1895), 281; II, 11, 12, 148. 3) »strigas et fictos lupos crediderunt« (Marlene u. Durand IX, 217); Grimm 1. c. 4II, 916. Bgl. auch den Iindej der bei den Sachsen verbreiteten Superstitionen Leges Sect. 2, I, 222. (Leges fol. V, 43, Aunt.) und Hésele 1. c. 2III, 505; hier ist auch von Z-rauen die Rede, die angeblich Menschenherzen verzehren (vgl. unten S. 84). 4) M. G. Leges sect. 2, I, 69 (Leg. fol. V, 37): Hauck 1. c.2II, 386). 6) Es ist die einzige Kircheushnvde, die ihu erwähnt (vgl. oben S. 49). a) Synodus epiacoporum, id est Patricii, Auxilii, Issemini etc.: c. 16. Christianas, qui crediderit esse larniam in seculo, que interpretatur striga, anathematizandus, quicunque super animam famam istam imposuerit, rlec ante in ecclesiam recipiendus, quam ut idem criwinis quod fecit sua iterum voce revocet et sic penitentiam cum omni diligentia agat. (Councils and ecclesiastical documenta rela­ ting to Great Britain and Ireland, ed. Haddan and Stubbs ll2, ©. .329).

61

Zweites Kapitel.

Jel Bezug ans diesen Glanbelt nahm also weltliche wie

kirchliche Autorität durchweg einen ablehnenden Standpunkt ein, der aber die Haltung beider znnl Glauben an die Realität der Zauberei gar nicht beeinflusste. Jet diesem zeigt sich nirgendwo

das geringste Zeichen einer ansgeklärtern Haltung;

seither als solche anssirechen zn dürfen glaubte,

was man

gehört in den

Bereich der Strigavorstellnng, nicht in den des Rialeficinms,

und man ist zn der Annahme eines zeitweiligen aufgeklärten

Standpunkts gegenüber der Zauberei lediglich dadurch verführt worden1), daß man die beiden in Betracht kommenden Begrisse, die damals im Strafrecht noch ein getrenntes Sieben führten nnd

nicht das SRindeste miteinander zn thint hatten, vermengt hat. Die Vorstellung des geschlechtlichen Umgangs mit Dämonen nnd der Tierverwandlnng endlich tritt auch in den germanischen

Volksrechten nicht in die Erscheinung.

Aks das Ehristentnm stärker in

den

germanischen Geist

eindrang nnd nmgestaltend auf den strafrechtlichen Verbrechensbegriff einwirkte, wiederholte sich der im alten römischen Recht

konstatierte Vorgang.

Wie dieses hatten die germanischen Rechte

ursprünglich nnr den Schaden bestraft, den die Zauberei angeblich anrichtete; an,

wie diefes, singen nnn auch fie allmählich

die zauberischen

Handlungen

allgemein immer

hänstger

wegen ihres religiöfen Eharmkters, ihres nnchristlichen Inhalts

zn bestrafen, alfo den voransgefetzten Umgang des Rienfchen mit dem Dämon, feinen Abfall volt Gott in den Vordergrund zn schieben, eine Wirkung, die fowohk dnrch die kirchliche Anschannng unmittelbar, als auch dnrch die immer stärkere Bersch-

rnng

mit dem von ihr bereits beeinflussten alten römischen

Recht herbeigeführt werden musste. Am frühesten zeigen fich deutliche Spuren diefes Vorgangs

Das Edikt des Cstgotenkönigs Theoderich (c. 500) bedroht wie die spätrömische Gefetzgebnng die Beschwörer mit der Todesstrafe — die Beim ostgotischen nnd westgotischen Rechtsleben.

gründnng ist offenbar die, daß man annahm, fie ständen mit 1) Sv namentlich Svldall 1. c. I, 127 ss.

62

Zweites Kapitel.

heidnischen Göttern im Bunde.1)

Dieselbe Auffassung tritt in

aller Deutlichkeit auch in dem von Eassiodor redigierten Edikt seines Rachfolgers, des Königs Athalarich, ans dem Sahre 533 in die Erscheinung, welches die Strenge der Gesetze über die SRalestei lind diejenigen verhängte, welche ihre Hilfe nachfuchten.*2) Sm weftgotischen Recht (c. 550), das fich besonders eingehend

mit dem Zanbenvefen

befaßt und

feine Durchdringung mit

religiöfen Vorstellungen auch dadurch offenbart, daß es anf die Art des Verkehrs der Rtalefici mit den Dämonen, anf deren

Anrnfnng, anf die ihnen nächtlicher Weile dargebrmchten Opfer hillweift3), kommt jene allf dem Konzil zu Elvira (306) ans-

gefprochene kirchliche Auffassung znm Atlsdrnck, daß ein

den

Rauschen tötendes DRalesseinm nicht ohne Götzendienst zn ftande kommen könne.4) Rach dem Übertritt des Königshanfes vom Arianismus znm Katholizismus wurde endlich im Jelhre 589

auf einem Konzil zn Toledo unter König Reecared ausdrück-

lich bestimmt, daß die weltliche gemeinsam nlit der geistlichen Gewalt allen Götzendienst ansrotten solle.5) Diese Entwicklung nahm ihren Fortgang im fräukisch-karm-

liugischeu Reich, das allmählich fast sämtliche Glieder der gerhier begann das karolingische Königtum im Eiuklaug mit deu kirchlichen ideell

mauisch-romaiiischeu Völkergrmppe umfaßte;

eine gesetzgeberische Thätigkeit von weitem Umfang,

schnf an

Stelle der alten Volksrechte Gefetze für deu ganzen Bereich

1) Ed. Thevd. l c. c. 108: Si quis pagano ritu sacrificare fuerit depreheusus, arioli etiarn atque urnbrarii, si reperti flierint, sub justa aestirnatione convicti capite puniantur (vgl. Dahn, Dic Kduigc der ©errnanen IV, 87 s.) 2) Bgl. Eassivdvnls Baria l. 9 ep. 18 (M. G. Auctores antiquissirni XII, 284): Maléficos quoque vel eos, qui ab eorurn nefariis artibus aliquid crediderint expetendurn, legurn severitas insequatur, quia irnpiurn est, nos illis esse rernissos, quos caelestis pietas non patitur irnpunitos. Qualis enirn fatuitas est, creatorern vitae relinquere et sequi potius rnortis auctorein ? 3) Lex Visigot. VI, 2, 3. H Bgl. Dahn, Wcstgvt Stlldicu S. 234 ss. 6) I. Gisrres ill Ztschr. sur lvissctlschastlichc Thcvlvgic 42 (1899), 292.

63

Zweites Kapitel.

der SOeonarchie und suchte das gesamte Rechtsleben zu zentrali-

sseren, besonders auch einheitlich zu gestalten.

Der Kapitnlar

erste

das Strassecht und den Strafprozeß

gesetzgeberische

Erlast der

des Rlajordonnls Karlmann

Karolinger,

das

vom 21. April 742,

bestätigte die Beschlüsse der ersten deutschen Rationalshnode, an welcher Bonifatius mit acht deutschen Bischöfen teilgenomlllen hatte.1) Die Shnode hatte bestimmt, daß Bischöfe

und Grafen mit vereinten Kräften darauf achten sollten, daß die Befolgung

heidnischer Gebräuche,

fagerei lind Zauberei*2) aufhöre. Spuodalbeschlust noch

solUie

die

alte

Wahr-

Karlmann bekräftigte diesen

einmal im SRärz 743

auf einer Ver-

fammltmg zu Ceftiuues (ßiptiuae) im Heuuegaii; auf die Beob-

achtung heidnischer Gebräuche wurde hier im Anschluß an eine

Bestimmung von Karlmann’s Vater eine Strafe von 15 Solidi gefetzt.3)

Bei den zauberischen Handlungen bediente man sich

damals der Raulen von christlichen Heiligen Und sRarthreru. Es ist das eine Erscheinung,

die

der andern schon ans der

Spnode zn Arles (c. 450) gerügten und bis in die jüngste Zeit andauernden4), daß man mit Eucharistie nnd Ehrisma und andern Sakramenten der Kirche zaubert, verwandt ist und seitdem nicht

wieder verschwindet; sie erklärt sich ohne weiteres daraus, daß das Volk seit seiner Bekehrung die christlichen Anrufungen, Be-

schwörniugsformlelu lind Sakramente täglich hörte nnd anwenden sah, während die alten heidnischen allmählich dem Gedächtnis ent-

schwanden. SRan wandte sich in jener wnndersüchtigen Zeit, wo das bis zn völliger Entartung vergröberte Ehristentnm nleist nur äußerlich nnd häufig zwangsweife angenommen wurde, wohl noch alt die alten Götter, aber mit dell neuen SRittelu, mit denen die 1) M. G. Leges Sect. 2, J, ©. 25. Mühlbacher, Deutsche Geschichte unter den Karolingern 202 abgedrnelt. syiir „llnhvlde" vgl. Riezler I. c. S. IG ff.

1.34

Drnles Kapitel.

ganz vereinzelte Erscheinung geblieben. Auch stc existierte aber fort, meistens noch deutlich getrennt von der andern.

Am ausgiebigsten find von den Rachrichten ans dem 12. und lZ.Jelhrchlnldert, welche uns über die nächtlichen glngvorftellnngen erhalten find, die ans graulresch stammenden. Bei Sohann von Salisbnrch (st 1182) tritt der Unterschied zwischen

den

wohlwollenden

fahrerinnen deutlich hervor.

lind

den

schädigenden

Racht-

Er verlegt beide in das Traum-

leben. Der Teufel ist für ihn die Ursache, daß im Geist böfer

Rtenfchen die Vorstellung entsteht, sie nähmen an den unter dem Vorfitz der Herodias oder einer andern Führerin stattstndenden nächtlichen Gelagen teil, anf welchen dieser Führerin allerlei Unterwürssgkcitsbezengnngcn dargebracht und den einzelnen

Teilnehmerinnen Sob nnd Tadel zu teil werde.

Vom Teufel

eingegeben erscheint ihm auch der andere Wahn, daß Kinder den Samten ausgesetzt seien und entweder wirklich von ihnen verzehrt oder anf Befehl der Vorfitzenden solcher Gelage wieder in die

Windeln gebracht würden.

Der ganz offenkundige blöde Wahn

herrscht nach ihm nur im Kreise der ungebildeten Sente.1) Richt minder klar tritt die Doppelgeftalt des Wahns bei

dem

nm

1230 schreibenden Wilhelm von Paris in die Er=

fcheinnng, der hier wertvolle Ausschlüsse über den wohl in feiner Heimat, der Auvergne, herrschenden Wahnglanben bietet, die wie alle Gebirgsländer defenders stark in diefen Vorstellungen war.

Unter der gühnlng der Domina Abnndia oder Satia,

eines Dämons in granengeftalt, schweben nach dem Volksglauben,

wie ihn uns Wilhelm als einen vor allem von der Kranenweit

geteilten

nnd

zwar

durch

alte

Weiber

immer

wieder

1) Pvlieratiens 1. 2 c. 15: »quale est quod nocticularn quandarn vel Herodiadem vel praesideni noctis dominara concilia vel conventus de nocte asserunt convocare, varia celebrare convivia, ministeriorum species diversis occupationibus exerceri, et mine isto.s ad poenam trahi pro mentis, nunc illos ad gloriam subliman. Praeterea infantes exponi lamiis, et nunc frustatim. discerptos edaci ingluvie in ventrem traiectos congers, nunc praesidentis miseratione reiectos in cunas reponie (S. 359).

Drittei' Kapitel.

135-

lebendig erhaltenen Wahn schildert, die »Dominae nocturnae« nachts durch die Stifte in die Keller, essen scheinbar von den ihnen dort ausgestellten, unverschlossenen Speisen und Getränken und bringen zum Dank dafür Überfluß ins Haus, alber' lieben ihnen

erscheinen auch die Strigen und ßalnien, die Kinder raubenden

und verzehrenden Dämonen, nicht SReuscheu;

daß fie Je'aueu

feien, ist lediglich Glaube alter Weiber, ebenso lvie der Glaube,

daß die Schar der Begleiterinnen der Abulldia sich aus wirklichen Zraucn zllsammenfetzt.1) Wilhelm glaubt zwar im allgemeinen. 1) 5. 976 s.: »Norninationes daernonurn ex rnalignitatis operibus eorundern sUrnptae sunt .... Striges seu larniae norninantur a Stridore et laniatione, quia párvulos laniant et lacessere putabantur, et adhuc putantur a vetulis insanissirnis. Sic et daemon, qui praetextu mulieris cum aliis de nocte domos et cellaria dicitur irequentare, et vocant earn Satiam a satietate et dominam Abuudiam pro abundantia, quam earn praestare dicunt domibus, quas irequentaverit. Huiusmodi etiam daemones, quas Dominas [nocturnas, vgí. S. 1004] vocant vetulae (penes quas error iste remansit et a quibus solis creditur et somniatur); dicunt has Dominas edere et bibere de escis et potibus, quos in domibus inveniunt, nec tarnen consumptionem aut imminutionem eas iacere escarum et potuum, máxime si vasa escarum sint discooperta et vasa poculorum non obstructa eis in nocte relinquantur. Si vero operta vel clausa illa inveniunt seu obstructa, inde nec comedunt nec bibunt, propter quod infaustas et infortunadas relinquunt, nec satietatem nec abundantiam. eis prestantes.« — ©.1004 fviiiint er wieder eingehend aus diese vviu weiblicheu Geschlecht vertreteuell Wahnvorstellungen zurück, die Domina Abundia uud ihre Begleiterinnen, die Dominae nocturnae (»quod bonae dominae sint et magna bona domibus, quas frequentant, per eas praestantur«), und fährt start (S.1005): dldern et eodem modo sentiendum est de aliis malignis spiritibus, quas vulgus striges et lamias vocant, et apparent de nocte in domibus, in quibus parvuli nutriuntur eosque de cunabulis raptos lardare vel igne assare videntur. Apparent autem in specie vetularum, videlicet, que nec vere vetulae sunt, nec vere pueros devorare possibile est eis. Interdum autem permittitur eis párvulos occidere in poenam parentum, propter hoc quia parentes eo usque diligunt párvulos .suos, ut deum non diligant; utiliter igitur atque salubriter cum ipsis parentibus agitur, cum causa offensae creatoris subtrahitur. Insipientes autem inore sus», unde erudiñ deberent, inde occnsionem detestabiliorie

136

DchnC'J Kapitel.

daß diese Art von Dämonen zu seiner Zeit nicht mehr, lvie in der Vorzeih thätig ist1), während auderu auch jetzt nach uon Gott zu

wirken gestattet ist, aber er hält cH doch wieder für

möglich, daß diese Dämonen mit göttlicher Erlaubnis gelegent-

lich Kinder töten, nm die Eltern zu strmsen.

Der

deutliche

Unterschied zwischen seiner Ansicht lind dem Volksglauben, wie

er sich ans seiner nicht ganz einheitlichen Darlegung ergibt, ist aber der, daß er durchaus als Altweiberglanbeu ablehnt, daß

die Rachtsahrenden wirklich Weiber sein sollten; moltelt,

es sind Da-

die durch allerlei Riittel deu SReuscheu täuschen.

Das ist die auch sollst deutlich hervorireteude Ansicht der Gebildeten jener Zeit. Die wohlwollenden Rachtsahrenden, an

deren Zug wohl auch 9Ränner dem Volksglauben nach teilnahmen, haben nach einer ßegende vom h. Germanns von An£erre ans

dem 13. Sahrhnnderck die Gestalt von Seltten ans der Rachbarschäft angenommen. Der Betrug wird aber entdeckt, da die Sente sämtlich in ihren Betten gesunden wurden; es sind Dä-

molleit, keine DRellscheil, die diesen Zug bilden.*2*) Und nicht minder stultitiae a.ssumunt, qua de causa factum est, ut spiritus maligni sub nomine et spetie vetularum, in quibus apparere credebantur, timorem et honorem ac culturam idolatriae sibi aquisiverint, ea videlicet de causa, ut parvulis parcerent: hoc est, ut illos nec laniarent neque igni assurent. Vetularum autem nostrarum desipientia opinionem istam mirabiliter disseminavit et provexit, atque animis muliermn aliarum pene ineradicabiliter infixit.« — @.1006 s. beweist er dann weitläufig, daß die Abundia und die Dominae nocturnae seine Engel, sondern nur Dämonen sein können (»consequens est igittir, ietas execrabiles mulieres malignos spiritus esse Der Dvllliuitaller Petrus de Prnssia suchte Albertus Magnlls ill schiller 1186 verfaßten Bivgrapie vvu diesem Berdacht zu reinigen le. 50, 51, gedr. Antwerpen 1621, S. 313 ss.).

152

Drilles Kapiiel.

theologische Konstruktion erfolgte dagegen in Paris, wo, nach dem lebendigen Aufschwung geistiger Bcthätignng im 12. Iahrhundert, vom 13. Sahrhnndert ab die Angehörigen des jungen Dominikanerklosters die führenden Köpfe der Hochschule wurden

und fich entschlossen dem Aufbau und Ausbau des theologischen Shftems zuwandten. Bei ihren Bemühungen, eil! abgerundetes und nach allen Seiten wohl ansgeftaltetes Gebäude der gefaulten

kirchlichen Wissenschaft zn schaffen, nnd zu diesem Zwecke die Bibel nnd die geheiligten Traditionell der Kirche fpekulativ zu verarbeiten, konnten fie natürlich nicht umhin, auch das Walten der Dämonen und deren Beziehungen znm sRenschen in ihren

Bereich

zn

ziehen.

Sie

gaben

sich

diesem Studium

der

Dämonologie wie ihren Studien überhaupt nach rein theore-

tischen, wissenschaftlichen Erwägungen hin; die Gestalt ihrer einfchlägigen Ausführungen beweist, daß ihnen hier unmittelbare praktische Ziele zunächst nicht vorfchwebten. Sie hielten ssch dabei aber selbstverständlich an die im Dekret nnd den DekrTtalen

kodifizierten Vorstellungen, nnd

fo

behandeln

sie denn auch,

ohne jemals au der Realität dieser zauberischen Bcthätignng

zweifelhaft zn werden, vor allem die dort niedergelegte Sehre

von dem mit dämonischer Hilfe bewirkten strafbaren SRalestcinm,

durch welches die Ehe gehindert wird.1) Die Erörterungen der Scholastiker des 13. uud der beiden folgenden Jehrchnnderw lehnen sich bekanntlich ganz allgemein znm größten Teil an den Liber sententiarum des Petrus Som-

bardus au, des im Jehre 1164 gestorbenen Pariser Gelehrten, der um dieselbe Zeit, wo in Bologna Grmtian das geltende

kanonische Recht zu einer Sammlung vereinigte, seinerseits znm erstenmal, aber mit größtem Erfolge, eine systematische Zusammenfassnng der theologischen Wissenschaft seiner Zeit versuchte.

Sein

nm 1150 versüßtes Sentenzenwerk beherrschte bald alle theologischen Sehrstühle, wurde immer wieder dnrck) Kommentare der späteren Scholastiker überarbeitet und erst im 16- Jahrhundert 1) Sie greisen dabei regelmäßig ans Decret. 33, qu. 1, und aus das vnovurn ius decretaliuln- (namentlich die Detretale Papst Hvnvring’ III. in c. 7, lib. 4, tit. 15) zursicl. Bgl. oben S- 94 ff-

Drittes Kapitel.

15.3

in dieser führenden Rolle durch die Summa theologiae des

Thomas von Aqtlillo abgelöst, der seinerseits doch auch einen großen Kommentar zinn Sombarden versaßt hatte, ehe er seine Summa schrieb. Wir stud bei unserer Untersuchung durch diese regelmäßig auseinander folgenden Kommentare zn Petrus

für die systematische Theologie in der gleichen günstigen Sage, lvie durch die Kommentare zu Gratian's Dekret

Soulbardns

und den Dekretalen für das kanonische Recht. Wir können an ihnen das Wachfen und die Weiterbildung einzelner Vorstellungen

fast von Jahrzehnt zn Jahrzehnt verfolgenPetrus Sombardus behandelte1) — von kleinen Abweichungen können wir hier absehen2) — die artige der durch Rtaleficium erzeugten Jeupoteuz uud ihrer Wirkung auf die Ehe in dem-

selben Sinne, lvie fein Bologneser Zeitgenosse Gratian; er folgte derselben Hauptquelle wie dieser, den Ausführungen des Erz-

bischofs Hinkmar von Rheims, und

stellte fest, daß die Ehe-

scheidnng erfolgen könne, wenn die eheliche Beiwohnung durch

sortiariae uud maleficae unmöglich gemacht fei uud das Übel

durch kirchliche RHttel, Gebete, gasten, Exorcismen li- f- w-, nicht behoben werden könne. Seine knappen Ausführungen bildeten nun vom 13. Jahrhundert ab die Anlehnung für die eingehendsten Erörterungen diefer delikaten forage durch die großen Scholastiker. Wir vergegenwärtigen uns die von einigen derselben entwickelten Ansichten in chronologischer golge und schlagen damit einen Weg ein, den wir im Verlaus unserer Untersuchungen mehrfach betreten werden, nm die allmähliche Ausgestaltung der uns hier beschäftigenden Vorstellungen während der letzten Sahrhnnderte des Mittelalters vor Angen zn führen.

Der große, durch den Beinamen des Doctor universalis gezierte Gelehrte des Dominikanerordens Albertus SRagnns (t 1289) behandelt in diesem Znfammeiihang drei fragen: die

RlHglichkeit diefer Art von Bezauberung, die Beseitigung dieses Rtalefieinms durch einen andern Zauber,

lind die Rechtslage

1) L. 4, dist. 34: »De frigidis separandise und »De hi.s, tlui rnaleficiis ilnpediti coire non possunt.c 2) Bgl. Tyreisen 1. c. 350, 814 ss.

154

Drittes Kapitel.

der Rialesscierten nach kirchlichem Eherecht.1) In alte» diesen Jengen — wir werden das später noch öftere? konstatieren ist Albert Riagnus, der ja so manches 9RQl seine eigenen Wege

gewandelt ist, der vorsichtigste von den großen Scholastikern, die hier in Betracht kommen. Er neigt im allgemeinen zn der Annahme, daß die Zauberei häufig auf Täuschung beruhe,

und daß das Volk lediglich feiner mangelhaften Geistesbildung wegen einen Znfaminenhang zauberischer Handlungen mit späteren Ereignissen annehme.*2) Bei der impotentia ex maleficio machte die bringe der DRöglichkeit befondere Schwierigkeiten, weil

nach kirchlicher ßehre Gott die Ehe eingesetzt hatte und schwer ein triftiger Grnind abznfehen war, warum einerstits er dem Dämon gestatten follte, gerade den Effekt der Ehe zn verhindern,, warum anderfeits der Teufel felbft, dem man doch die Reignng znfchrieb, die Menschen zn finnischen Ausschweifungen zu ver-

führen, hier dahin wirken follte, die Enthaltfamkeit zu befördern.

Aber trotz alledem ist auch für Albertus keiu Zweifel, daß diese Art von Bezauberung vorckolumt und zwar oft vorkommt: die heiligen Väter behaupten es, die Kirche hat es in Rechtsfätzen niedergelegt, und jeder weiß es, der nur etwas von Regromantie

nnd der Wirkung von Zauberbildern versteht.3) Gvtt läßt diefe Störung der Ehe zu wegen der Sünden derer, die von ihr be-

1) Aw. Magnus, Kvmlneut. zu 1. 4, dist. 34 (Opp. 16, 709 ss.) ’An rnaleficii impediments) aliquis potest impediri a potentia coeundi.a

2) Alb. Magnus, De aomno et vigilia 2 c. 5 (Opera V, 106): »Orrlne fere tale genus hominum (astronomus et augur et magus et interpres somniorum et visionum et omnis similiter divinua) deceptionsbus gaudet, et parum literati existentes putant necessariurn esse, quod contingens est, et pronuntiant tanquam absque impediments) aliquid futumm, et cum non evenit, facit scientias vilescere in conspectu hominum imperitorum, cum defectus non sit in scientia, sed potius in eis, qui abutuntur ea.« 3) l>Nulli dubium esse debet, multos esse maleficiatos vi et potestate daemonum, quia hoc sancti patres dicunt, et ecclesia super hoc jura promulgavit, et hoc patet etiam omnibus illis, qui de ncgromantia et de metis imaginum aliquid noverunt.«

155

Drittes Kapitel.

trossen werden1), — auf fündige Menschen allein erstreckt sich nach ihm dieser Einfluß des Teufels — und als Beifpiel für die andern ; die DRacht des Teufels zur Ausübung von folchen libelthaten

steht daher den Zauberern täglich zu Gebote.*2)

Diefes 9Rale-

ficinm aber durch einen andern Zauber zn lösen — der Sehre der Zauberer gemäß,

dast

ein Zauber den

andern anfheben

es ist eben unter allen Umständen verboten, zauberische DRittel anzuwenden ; man mich das körnte3) — ift niemals erlaubt;

Rt'alestciinn ertragen, wenn es fich nicht durch Gebet, Jelften n. f. wbeseitigen läßt.

Da aber die ganze Kirche glaubt, daß die Jen-

potenz des DRaleficierten fich ttltr auf ein Weib, eben feine Ehessan bezieht4), fo ift es auch nach der Überzeugung des

Alberttts richtig, daß die durch SRalesteinm gestörte Ehe gemäß den Bestimmungen des Kwchenrechts getrennt, und daß den Gatten eine anderweite Ehe gestattet werde.5)

Der

Gedankengang

bei Albert's

Schüler und

Ordens-

genossen Thomas von Aqnino (ck 1274) in feinem Kommentar

zum Sombarden6) stimmt mit diefen Ausführungen im wefeutlichen überein.

ans dem Zelde.

Siegbewusst schlägt auch er alle Einwendungen Er geht davon ans, daß einige behaupten,

es gäbe in Wirklichkeit kein SRalesscinm, fondern es existiere unr in der Vorstellung der Rauschen, welche natürliche Wirkungen, 1) Bene credo, quod fidem firmam in Domino habend iion nocet iaacinatio nec uocere potest ars magica. 2) »Potestas daemonis ad operationem errons saepe legitur dari infidelibus et malis hominibus, sicut dabitur Antichristo, et necromanticis quotidie datur.« (Daß nur der Sünde ergebene Menscheu dein Zauber unterwvrseli seien, war die Ansicht von Augustinus­ lind wurde auch vvu Alexander vvn Hales, Summa theologiae II (Coloniae 1622), 753 vertretell.) 3) »necromantici enirn docent, unum maleficium per aliud excludi.« 4) Extra, de. frig, et males, (licitur et ab Universa ecclesia tenetuJu quod maleficiatus ad unam non est maleficiatus ad aliam. 5) Quia maleficiatua tune illegitima persona fuit, quando contraxit iDatrimonium, ideo absolvitur ab illo. G) Thomas v. Aquiliv, Kvmul. zu 1. 4, dist. 34, qu. 1, art. 3 : Utrurn. nialeticiilln possit tnatrnnoniurn itnpedire.

156

Drilles Kapitel.

deren Ursachen ihnen verborgen seien, auf Rtaleficien zurückführten. Wir begegnen, wie schon angedcntet wurde, immer wieder durch die Jehrhnnderte der Thatfache, daß die Vertreter der theologischen Wissenschaft und der kirchlichen Jelrnsprmdenz

sich über die Unglänbigkeit nnd die Zweifel beschweren, mit

denen

einzelne

Saien

ihre

Anfichten

über

die

Tenfelsein-

wirknng ablehnen, nnd daß fie steh im Gewissen verpflichtet fühlen, diesen Geist des Widersslrnchs mit allen DRitteln zn bekämpfen.

Thomas von Aqnin erklärt, dieser Zweifel verstoße

gegen die Autorität der Heiligen nnd fei ein Ausfluß jenes Unglaubens oder jener Unglänbigkeit, die da wähnten, Dämonen gebe es nur in der Vorstellung der LRenge, welche die Schrecken,

die der SRensch sich selbst durch feine Einbildungskraft erzeuge, Dämonen znfchreibe, nnd deren Gestalt fich in der Erregung der Phantafie vor Angen führe. Diese Auffassung widersslreche aber dem wahren Glauben,

der die wirkliche Existenz der ge=

fallenen Engel, der Teufel, lehre.

So könnte denn auch die

Ehe durch 9Ralesseien gehindert, nnd es könnten die Betrossenen

nach dreijähriger Probezeit von der Kirche getrennt werden, da dann angenommen werde, das SRaleficium fei dauernd. Z Und

1) Qliidam dixerunt, quod maleficium nihil erat in mundo, nisi in aestimatione hominum, qui effectus naturales, quorum causae sunt occultae, maleficiis imputabant. Sed hoc est contra authoritates sanc­ torum, qui dicunt quod claemones habent potestatem supra corpora et supra imaginationem hominum, quando a deo permittuntur, unde per eos malefici signa aliqua iacere possunt. Procedit autem haec opinio ex radice infidelitatis sive incredulitatis, quia non creduut esse daemones nisi in aestimatione vulgi tantum, ut terrores, quos homo sibi ipsi iacit ex aua aestimatione, imputed daemons, et quia etiam ea iniaginatione vehement! aliquae figurae apparent in sensli tales quales homo cogitat, et tunc creduntur daemones videri. Sed haec vera fides repudiat, per quam angelos de coelo cecidisse et daemones esse credimus, et ex subtilitate suae naturae multa posse, quae nos non possumus, et ideo illi, qui eos ad talia facienda inducunt, malefici vocantur. Et ideo dixerunt alii, quod per maleficia praestari potest impedimentum carnali copulae, sed nullum tale est perpetuum, unde non dirimit matrimonium contractum, et dicunt jura, quae hoc dicebant, esse revocata. Sed hoc est contra expert-

Drittes Kapitel.

157

daß Gott dem Teufel gerade über den Geschlechtsakt so große

Gewalt gegeben habe, das habe seinen guten Grund darin, daß

die Erbsünde, durch welche der feilsch znm Sklaven des Teufels

geworden, eben vermittelst des Zellgnngsaktes in den Rauschen gelangt. Gott habe daher dem Teufel über diefen Akt größere Gewalt verliehen, als fiber andere — ähnlich wie die Kraft

der Zauberei sich deshalb am meisten au Schlangelt bewähre, weil der Teufel iu Gestalt einer Schlange die Eva verfucht und

zur Sünde verführt habe.1)

Der Drdensgenoffe des Thomas von Aquino, wie dieser

in Paris Student und Professor und wohl auch Schüler des Albertus DRagnns, ssietrns von Tarantafia, der imJehrel276 unter dem Ramen Jelnoccnz V. als erster jünger des Dominikanerordens den päpstlichen Stnhl bestieg, deckt sich in den Altsführmtlgen über diefe $nrge, die auch er in fernem literarischen Hauptwerke,,

dem Kommentar znm ßombarden, niederlegte, wie im übrigen

ziemlich vollständig mit Thomas von Aqnill.*2)

Anch nach ihm

ist die Rteinnng derer, die nicht an die Realität des Rlalesscinms

glauben, falsch, nnd die durch Rialesscinm beeinträchtigte Ehe kann getrennt werden, wenn dasfelbe in dreijähriger Probezeit durch erlaubte Mittel — aber nicht dnrch Gegenzanber, der nie

angewendet werden darf — nicht behoben werden kann, alfo als

rnenturn, et contra nova iura, quae antiquis concordant, et ideo distinguendurn e8t, quia irnpotentia coeundi ex rnaleficio aut est perpétua, et tunc matrimonium dirimit, aut non est perpétua, et tunc non dirimit. 1) . . . dicendum, quod quia corruptio peccati prima, per quam homo servus est iactus diaboü, in nos per actum generantem devenir, ideo maleficii potestas permittitur diabolo a deo in hoc actrl mugis quam in aliis, sicut in sei'pentibus magis ostenditur virtug maleficiorum, ut dicitur, quam in aliis animalibus, quia per serpentem diabolus mulierem tentavit.

2) lnnocentii V. pont. max. ex ordine Praedicatorum assumpti (qui antea Petrus de Tarantasia dicebatur) in IV Libros Sententiarum commentaria (Tolosae 1652) IV, S. 341 ss. (zll 1. 4, dial. 34, art. 4): An maleficium impediat matrimonium. (F-iir die Persvll vgl. (Mvthvn] Vie du bien-heureux Innocent V [Rome 1896), 31 ss.)

158

Drittes Kapitel.

dauernd angesehen werden mnst.1) Und der gleichzeitige große Gelehrte des ^fraitziskanerordens, Bonaventura (f l 274h, bewegt sich, mochten anch sonst die beiden Ordensschnlcn häufig verschiedene Wege wandeln, in dieser grage ganz iu dem uäiiJu liehen Geleise.2) Die auch van ihm bekämpfte Ansicht derer, welche glauben, das Rtalesicinm existiere nur iu der Vorstellung

der Menschen, widersprächt nach ihm dem Recht, der Volksmeiuuug

Ans den Ge= ftändnissen der SRalefici selbst ist es ferner nach ihm sestgestellt, nltd der Erfahrung, ist also zweifellos falsch.3)

daß auch diese selbst nicht immer die R?alefieien durch andere Waleficien wieder beseitigen können.4) Dem Einwand von Zweiflern,

daß doch die Fähigkeit des SRenschen zn essen durch DRalesicien nicht gestört werde, daß es also sonderbar sch wie die Zengnngsfähigfeit beeinträchtigt werden könne, begegnet er mit einem

Gedankengang, der dem des Thomas von Aqnin verwandt ist, dessen Argumente aber in der dem Doctor seraphicns eigenen

mhstischen Weise zngespitzt sind, wobei dann dem Geschlechtsakt

die härteste Beurteilung widerfährt.5) Bonaventura schließt seilte Erörckertlug mit eurer nicht uninteressanten Anssührnng, wie er

sich im Einzelsane den Vorgang, die Ausübung des DRaleficitims 1) »Maleficiurn vero perpetuurn esse perpenditur, quando data opera non potest solví per tnenniurn. Maleficiurn plus in actuni generativae perrnittitur propter rnaiorern generativae corruptionem.c 2) Komment, zu 1. 4, diät. 34, art. 2, qu. 2 (Opp. Mainz 1609, 5,404): »An irnpotentia coeundi per maleficiurn impediat matrimoninm.e

3) vista positio derogat inri et derogat opinioni vulgi et, quod maius est, experimento, et ideo non habet stabilitatem.»

4) »Malefich sicut per coniessionem eorum scitur, aliqua male­ ficia sciunt facere, quae ipsi ad poenitentiam conversi non possunt destruere.e 5) »Qiiia actus ille (der Geschicchtsaft) vitiosus est et quodalnnlodo foetens, et ut pluritnum conjunguntur homines ad illtin) actum libidinoae, ideo diabolus plus habet ibi posse et plus ei perlnittitur. Et hoc probatur exemplo Scnpturae et authoritate, quoniain dicitur (Tvb. 3) quod daernonium nomine Asmodaeus septem vitos in lecto interfecit, non in convivio.*

Drittel Kapitel. durch die Zauberin, vorstcllt lind es sich unter Zuhilfenahme der onnfelu Absichten Gottes erklärt, daß diese Bezauberung

ihre

Verkehr des Riannes mit einem Wirkung nnr im ge bestimmten Weib, mit seiner Ehesran, erzielt si- Diese Kommen* tare voll Thomas von Aquino, Penms von Tarantasia und

logischen unterricht an der pariser Hochschule, ihre Rllssüh-

rnngell über die SRalesicien

drangen demnach sofort in den

ganzen Kreis der theologischen Disziplin einDie von Bonaventura angeregte Swage nach den Umständen der Bezanbernng behandelt auch fein jüngerer Ordensbruder So=

hanltes Duns Scotns (t 1308) näher in feinem ans Ojforder und Pariser Vorlesungen erwachsenen Kommentar zinn Sombarden.

Sein anerkannter Scharssinn, seine besondere kritische Begabung nnd seine unleugbar vorhandene ilberzengnng, daß philosophic

fches Denken nnd Kirchenlehre sich nicht in dem Umfang deckten, wie der Thomismus wollte, verhinderten ihn gleichwohl nicht,

die Zauberkünste in hergebrachter theologischer Weife zn behaltdein. Er führt ans, daß zweifellos die Rlenfchen dadurch, daß

sse einen Pakt2) mit dell bösen Geistern geschlossen haben, 9Ralefieien ansüben können.

Daß die bösen Geister diefe Verträge

halten nnd wirklich im gegebenen Augenblick dem sRenschen helfen, geschieht nach der Aiificht diese«? Gelehrten nicht etwa ans Vertragstreue — eine fo anständige Eigenschaft befitzt ein Teufel natürlich nicht —, fondent llnr, weil fie gerne verehrt

fein wollen und ssch fugen, das) niemand ihnen fernerhin dienen 1) dQuia daernonia ministériel impeditur (homo maleficiatus), ijui aasistit et se obiieit secundum petitionem sortilegae mulieris, impétrante hoc merito infidelitatis (sicut fides irnpetrat, ut deus assistât ad facienda miracula), sic cum sortiaria respectu personae determinative facit sortilegium, quia diabolus in illo actu praesto est et non in aliis, et tune vel propria virtute vel per herbam vel per lapidem vel naturae occultam vim impedit, ne in actum exeat — non respectu alterius mulieris, quia ad hoc non invitatus fuit, aut quia dominus non permittit. Occultum enirn dei iudicium hic latet, sicut patet in uxore Tobiae.« 2) Z'iir die Bvrstcllung vvni Patt s. rrjrtcn S. 167 ss.

160

Drittes Kapitel.

möchte, wenn sse vcrtragHbrüchig würden.1) Er- hat im übrigen die Ansicht, daß das Rialestciinit nur so lange wirkt, als das bei dclnangewelldete Rtittcl, eiue gebogene Radel oder' etwas

selben

ähnliches, vorhanden ist;

ist es vernichtet, so ist der Teufel

nicht länger an seinen Pan gebunden. Ans die Suche nach diesem ORittel und seine Vernichtung soll also aller Rachdruck gelegt

welchen, wenn das sRaleficinm durch Gebete uud die übrigen kirchlichen Übungen nicht zu beseitigen ist — eine betrübende Er-

scheiuung, die offenbar schon damals häufig konstatiert werdest Thomas voll Aquino fetzte zwar noch ziemlich große

mußte.

Hoffnungen auf die Kraft der kirchlichen Eimreismeu;

weuu

auch ihm schon nicht entging, daß sse oft verfugten*2), fo hielt er säe doch für den Kampf gegen diejenigen teuflischen Belästignngen, gegen welche fie ursprünglich bestimmt waren, für um fehlbar wirkfam. Sm 14- und 15. Sahrhnndert wurde es der

Welt

aber immer offenbarer, daß die Gebete nnd selbst die

stärkeren Riittel der Kirche, Sakramente nnd Ejoreismen, im

Kampf gegen die sRaleficien in der Regel den Kürzeren ziehen

mußten. 1) Ivh. Duns Seouls, Quaestiones in Petri Lombardi Libros Sentent. (Opera 9, 728, fílwn 1639) zu 1. 4, diet. 34: Impotentia per maleficium fit per malignos spiritus, qui habendes pactiones cum hominibus servant promissa — non quia veraces, sed ut alii iis adhaereant (quia si nulla pacta servarent, nulli eis servirent), et ut ills, quibus servant promissa, eos colant. Nam ex superbia sua praecipue appetunt honores divinos. Deus etiam permittit eos exercerepotestatem suam ad impediendum aliquos ab aliquibus actibus, in quos possent, si non essent impediti, et hoc vel propter peccata eorum vel propter aliquam aliam causam occultam. Et hoc modo maga, habens pactum cum daemone, procurât ab eo, ut istum impediat a tali actu cum tali mullere, quamdiu tale maleficium perseverat (puta acus curvaba vel aliqua huiuemodi). 2) Kvmm. zu Lombardus 1. 4, dist. 34, qu. 1, art. 3 : vExorcismi ecclesiae non valent ad reprimendum daemones semper quantum nd omnes molestias corporales, indicio divino hoc exigente ; semper tarnen valent contra illas infestationes daemonum, contra quas principalitcr instituía sunt.« — Die SSirfuug vvu Weihwasser undWeihrauch versagte schon zur Zeit des Eäsanus voll Heisterbach (Dia­ logua 3, 13). Iiir die ältere Aussassullg vgl. vbell S. 26, löst, Alun. 2.

161

Drittes Kapitel.

In diesem Sinne entwickelt ssch die Vorstellung unentwegt in den Kommentaren des 14. und 15, Jelhrchnnderbs weiter, deren Ausführungen auch ans diesem Gebiete nnr selten einen neuen Gedanken zu Tage fördern, sondern wie im allgemeinen den

epigonenhaften Eharaktcr der Spätscholastik ossenbaren, die von der sRitte des 14. Jehrhnnderts ab immer vollständiger dem Verfall entgegenging. Alts einige dieser Kommentare sei jedoch

wenigstens in Kürze verwiesen, nm die ununterbrochene $ortdatier der Vorstellungen während dieser Zeit anszndecken. Der im Sahr 1308 verstorbene, von seinen Crdensgenossen

sehr hoch geschätzte 9Rinorit Richard von SRiddleton (der sog.

Doctor solidus) lehnt ssch in seinem großen Kommentar zum Sombarden in dieser Mirage am nächsten an zeter' von Tarmntasia an, findet aber eine besondere Schwierigkeit darin, wie es mit der

Ehescheidung gehalten werden falle, wenn die Rialefieiernng erfolgt ist, nachdem die Ehe »rata«, aber bevor sie »consurnmata« ist.1) Die besondere Bedeutung, welche dieser forage innewohnte, bernhte darin, daß es, wie scholl erwähnt wnrde, in der Regel die verlassenen Geliebten waren, die ihren eine Ehe mit einer andern sJemn eingehenden frühern Buhlen ans dem Kirchgang beim Anstritt ans der Kirche oder bei der Hochzeit bezauberten,

nm ihm den Verkehr mit der neuen fzwan unmöglich zn machen.*2) 1) Authorati doctoris Ricardi de Mediavilla s. ordinis seraphici Francisci, in quartuna Sententiaxurn solutae questiones (Venetiis 1509) zu 1. 4, dist. 34: Communis opinio tenet, quod si certum esset, quod maleficium esset secutum matrimonium ratum, non tarnen consummatlim, non propter hoc dirimeretur vinculum matrimonii .... In separando autem nlaleficiatos silnili modo procedendum est, sicut in separatione propter frigiditatem, excepto quod frigido non datur licentia contrahendi cum altera, quia frigiditas est impedimenturn universale, sed maleficiato datur, quia maleficium est impedimentum particulare (über den Autvr s. Ehevalier ®p. 1942; ©töt'fl II, 758; Prantl, Svgil IU, 235). — Zur Sache vgl. Preisen 1. c. ®. 350 ss. 2) Bgl. vbeu 93. Das war auch der Grund, weshalb »ubi allegatur maleficium, semper praesumit ecclesia, illud praecessisse desponsationeme (was Z-reistll 1. c. S. 353 also mit Unrecht svllderbar findet; es ist viclrncHr itl den Umständen dieses Wahns begründet). Historische Bibliothek.

Bd. XII.

)j

162

Drittes .Kapitel, Von den Gelehrten des Dominikanerordens schrieb der in!

*Sahn 1332 als Bischof' volt Rieanx gestorbene Wilhelm Dnrlindns ans St. Ponreaill in der Auverglte einen viel benutzten Kommentar znui ßombarden. Jeir Dnrandns ist die

tiefe Klnft zwischen Glauben und Wissen,

die Thomas von

Aqnin hatte überbrücken wollen, deutlich erkennbar geblieben, nnd er offenbart auch sonst seine Selbständigkeit durch die Darlegnng,

daß die Theologie, in der Thomas die höchste aller

Wissenschaften in spekulativem sehen

hatte,

wie

in praktischem Sinlte ge-

überhaupt keine Wissenschass in strengem Sinne

sei, sondern nur in dem weitern Sinne, wenn man Folgerungen

ans nicht bewiesenen, sondern nur als wahr angenommenen Sätzen als wissenschaftliches Verfahren bezeichne. Trotz dieser Ansichten erörtert Dnrandns aber die Irnpotentia ex maleficio durchaus in der herkömmlichen Weise nnd im Anschluß an das

Dekret nnd die Dekretalen.1)

Und sein Ordensbruder Petrus

de Palnde, der sogenannte Doctor egregius, geboren nm 1280 in Bresse nnd als Patriarch von Jerusalem im Sahre 1342 itt Pans gestorben, behandelt die einschlägigen fragen, indem

er (wie mehrere seiner Rachfolger) den Rachdnlck darauf legt,

dass

nicht die von

den Hei’en

verwendeten DRittel,

Bohnen

oder Testikel von Hähnen, die gefährliche zauberische Kraft in

sich tragen, sondern daß der Dämon die Zauberer selbst durch solche SRittel täuscht, während in Wirklichkeit nur seine eigne verborgene Kraft die schädliche Wirkung ansübt.*2)

1) Dnrandns de ®. Pvreianv, Resolutiones in quatuor Sententiarum libros (ed. Pans 1508) zu 1. 4, dist. 34: »Utrurn irnpotentia ad actum matrimonii impediat matrimoniuin.c Bgl. über ihn bewilders Deutsch in der Realenehilvpädie siir prvt. Thevlvgie 3V, 95 ff. (s. auch Prantl, ßvgii Hl, 392). 2) Petrus de Palude, In quartum Sententianim (Paris 1514) zu dist. 34, qu. 2: »Cum autern iaciunt mulieres sortllegia cum iabis et gallorum testiculis, non est credendum, quod virtute illarum rerum vir impoteiis reddatur, sed occulta virtute daemonum illudente sor­ tiarias per illa corporalia.c Uber die Person s. duetis-Echard I, 603 ff.; Wetzer-Wette 2 9, 1321; Prantl, ßvgii IV, 311; Denisle-Ehrle, Archiv II, 215; Eubel, Hierarchia ®. 287. Bgl. auch *S. 44.

163

Drittes Kapitel.

Der 9Rinorit Petrus von Aqnila, der int Jeihre 1361 als

Bischof von Trivento in llnteritalien starch nachdem er vorher (1343) eine Zeitlang als Jelqnisstor in Zckorenz und als Bischof von St. Angelo de’ßombardi (1347)

fungiert hatte, erörtert

das Thema in denselben Sinne wie Richard von Riiddleton1); er zeigt also, daß die schwierige DRaterie in Italien ebenso ventiliert wurde wie in Jeaiikreich lind England. 3für Deutschland endlich

steht uns ein vollgültiger Gewährsmann zur Verfügung in dem

ans Straßburg gebürtigen nnd im Sahre 1357 in Wien verftorbellen General des Angllstiner-Eremitenordens Thomas voll Straßbarg, der übrigens eine Zeitlang auch au der ssiariser Hochschule als Sehrer thätig war.2) Er solgt in feiner eingehenden Darlegung dieser artige im wefentlichen Thomas von Aqnin. Die Ernwen-

dungeii des gefunden ?Renschenverstandes gegen die Existenz von

Dämonen und die Realität von DRalesseien fertigt er fast mit den Worten feines großen Ramensvetters ab.

Die durch Zauber her-

vorgernfene Jenpotenz des Rtannes3) ist ein thatfächlicher Vorgang; die Ansscht der Gegner ist nicht nnr, wie Thomas von Aqnin

ansführt, gegen die Dicta sanctorum, sondern fie wird auch durch die Segende vom hl. Ehprian nnd der Jelngfran Jelftina4) nnd durch die Bibel widerlegt, die von den Zauberern Pharao’s nnd von der Wahrsagern! Saul’s, ja in den Pfalmen sogar von der

Bezauberung der Schlangen handelt: wie viel leichter als diese

ist aber die Bezauberung eines Menschen!5)

So werden hier

1) Petrus de Aquila, dictus Scotellus, Super quatuor libros rnagistri Sententiarum (Venetiis 1501) Bl. 229 zu 1. 4, dist. 34. — Bgl. Waddiug, Scriptores ord. Min. ©. 275; Ehevalier ©p.1803; Eubel, Hierurchiu S. 522. 2) Acutissimi Thomae de Argentina Scripta super quattuor libros Sententiarum (Straßburg 1490) II, ad 1. 4, dist. 34. 3) »impotentia ex pravitate sortilegali, puta si ex diabolica deceptione seu incantatione est maleficiatus.« 4) Legenda aurea (ed. 1483 fol. 169). b) Contra istud ponitur, quod maleficiuin nihil sit in rei veritäte, sed solum in talium homirlum extimatione, qui efiectus, quorum cau-sae quandoque sunt occultae, lnaleficiis daemonum soient deputare, sicut etiam terrores, quos homo ex alia timida extimatione sibi ipsi facit, imputât daeinoni. Sed ista opinio est * 11

164

Drilles Kapitel.

immer wieder in der Weise der Scholastik Gründe erfolgreich mit Autoritäten bekämpft. Thomas vl)n Straßburg legt besonderen Rachdruck daraus, daß das sRalesseinni tranrigenveise ost seine Wirkung auch dann noch habe, wenn der von ihm Betroffene

seine Sünden berent hat und die Ejoreismen angewendet worden sind, die der Kirche »ad reprimendam demonis potestatem«

zn Gebote stehen. Er empfindet die außerordentliche Bedrängnis,

daß die Kirche in solchen Jeilleu nicht Helfen kann, aber er hält es dennoch auch hier für unerlaubt, eiu SRalefieium durch ein anderes aufheben zu wollen1), das wäre eben immer mit einer Todsünde verbunden. Der fogenannte letzte Scholastiker, der Deutsche Gabriel

Viel, der, aus Speher gebürtig und auf del) Universitäten Heidelberg, Erfurt und Köln vorgebildet, feit 1484 den theologischen Sehrstuhl iu Tübingen einnahm, steht in seinem ans Tübinger Vorlesungen erwachsenen Kommentar znm Sombarden noch ganz auf diesen! Boden.2)

notwendig,

sich

Auch er hält es wieder für

gegelt die falsche SReiuuug derer zn wenden,

welche erklären, SRalesscien existierten nur in der Einbildung. Jet der herkömmlichen Weife begründet er die Thatfache, daß das Geschlechtsleben hänssger bezaubert wird als die fonstigen mellfch-

lichen Handlungen, nnd schildert er, wie der Teufel auf Ver-

contra dicta sanctorum......... , oppositum etiam istius opinionis expresse apparet in legenda de e. Cypriano et Justina virgine. Est etiam ista opinio contra s. Scripturam, que Exod. 7 facit mentionem de maleficia regis Pharaonis, et 1. Reg. 28 de phitonissa, et in Psalmis fit mentio de veneficio seu serpentum incantatione, igitur multo magis potest esse maleficium seu hominum incantatio. 1) »Ex permissione divina quandoque remanes pena et vexatio demonis etiam cessante culpa............... ; etiam deo permitiente sepe visum est, quod exorcisms et coniurationes ecclesiae non valent semper ad tollendum corporales molestias illatus hominibus ab ipsis demonibus.« Er tröstet sich aber barnit »nec sunt ordinati exorcisms ad tollendum quaslibet molestias dyaboli, sed determinate ad hoc sunt ordinati, ut dyabolus non avertat homines a perceptione baptisms« — wofür er aus Lombard. 1. 4, diet. 6 verweist. 2) Gabriel Biel, Supplementum in 28 distinctiones ultimas quarts Magistri Sententiarmn (Basel, 1520) fol. 107.

Dritte« Kapitel.

anlassmig einer mit

165

ihm dnrch einen $akt verbundenen Hei’e

die Behinderung ansfiihrt.1) Rach ihm kann übrigens auch die Jean in diesem Sinne behebt werden, doch kommt das seltener vor. Und er ist mehr noch als Thomas von Straßbnrg überzeugt, daß das Übel nicht nur — wie man im

13. Sahrhnndert noch annahm — schlechten, sondern auch guten Rlenschen gelegentlich zustoßen kann; die 9Racht des Teufels ist auch in diefer Sache nicht mehr auf die Sünder beschränkt,,

fie

hat vielmehr in der Llnffassnng der Theologen feit dem

13. Jechrchnnderck eine erhebliche Erweiterung erfahren, und es ist ein gerechtes Gericht Gottes, welches diefe Plage anch den

guten SRenfchen nicht erfpart.*2)

Das waren also die von den theologischen Sehrmeisteni des Riittelalters formulierten Vorstellungen über diese Art der Bezanbernng.

Shftematische Theologie lind kirchliche Jurisprudenz

hatten es gemeinsam übernommen, diese Vorstellungen allem berechtigten Zweifel zlnn Trotz anf lange Jehrhnnderte zum

1) »Falsa est opinio dicentiurn, rnaleficiurn nihil esse in rei veritate, sed solurn in taliurn horninurn existirnatione, qui effectus quorum cause sunt occulte nonnunquam solent maleficiis demonum imputare< . . (Exod. 7; I Reg. 28 etc.) »Sic saga aliqua habens pactum cum demone curat, ut talem impediat cum tali mutiere, quamdiu maleficium perseverat. Habet enim magnam potestatem super corpora, cum sit Spiritus, quantum ad motum localem prohibendum vel faciendum, directe vel indirecte. Poteat ergo corpora impedire, ne sibi approximent .... potest hominem inflammare vel infrigidare ad actum ilium vel ab actu illo .... potest homini imaginationem turbare .... vigorem membri impedire potest, sicut et motum localem cuiuacunque membri............ potest eificere, ne semen emittatur, recipiatur* etc. 2) >Suo modo in mutiere potest fieri maleficium. Poteat enim eins imaginationem elementare, ut summe odiat maritum et ita quod pro nulla re mundi vult tangi saltern ab eo, credens id sibi esse exitiale malum. Item potest vas raulieris obstruere etc. Et crebriua contingit virum maleficiari quam mulierem. Id quoque accidit iusto dei iudicio non solum malis sed etiam bonis hominibua multiplies de causa, quarum aliquaa tangit Augustinus 3. De trin.c.7; Mag. Sent 2, dist. 7« etc.

1G6

Drittes Kapitel.

Rang

einer

Communis

opiiuo

tlieologonlm

zn

erhebe».

Was in den Rechtsbüchern der Kirche kodifiziert morden war, und was nach der Amsternng berühmter Künonisten Tag für Tag in der gorm von Klagen ans Trennung des ehelichen Bandes im Seben des Volkes in die Erscheinung trat1), das war nun vollends wissenschaftlich begründet, unantastbar geworden.

Wenn aber die Theologen hier im allgemeinen nur das näher zn begründen nnd gegen den Zweifel zn sichern hatten, was im Kirchenrecht bereits fixiert worden war, so wurden sse sofort

nach einer Richtung darüber hinansgeführt, indem sse in ihrem die verschiedenen SRöglichkeiten einer Verbindung zwischen den sRenfchen nnd Dämonen ins metaphhfifchen

Wissensdrang

Auch das lag im Rahmen des stsstematischen den die Scholastik unternommen hatte; schon theo=

Auge faßten.

Anfbaus,

retische Erwägungen anf der Grundlage der in der kirchlichen Tradition vorliegenden Elemente mußten diefe Unterfnchnng herbeiführen. Und sie ist ohne Zweifel nrfprünglich vornehmlich durch solche theoretische Erwägungen veranlaßt worden. Der praktische,

forenfifche Gefichtspnnkt, der im ausgehenden 13. Jehrchnndert die Kanonisten

nötigte,

die znln Zwecke

der Zauberei

ein-

gegangene Art der Verbindung zwischen sRenfch nnd Dämon

zn nnterfnchen,

nm zn ermitteln,

ob

ihr

ketzerische Eigen-

schassen beiwohnten, ob fie alfo unter die Kompetenz der neu eingerichteten päpstlichen Ketzerinqnifition gehöre*2), tritt bei den

Theologen der Epoche nicht in die Erscheinung. Die namentlich feit dem Jehre 1260 aktuell gewordene grmge, wie weit Zauberei zur Ketzerei gehöre, behandeln fie nicht, nnd zwar, obgleich sse

denfelben Orden angehörten, ans denen die mit dieser fvrage do5 schäftigten Organe der päpstlichen Inquisition fast ausschließlich entnommen wurden. Aber das theoretische Ergebnis, zn dem die Unterfnchnng der Scholastiker über diefe grmge führte, die Jeststellinng, daß die zwischen Zauberern nnd Dämonen eingegangene Ver-

bindnng einen mitApoftafie vom christlichen Glauben verbundenen

1) Bgl. vbell 3. 92 und rulteil Kap. 4 am Ende. 2) Bgl. die Darlegung im Kap. 4.

1G7

Drittes Kapitel.

Pakt zur notwendigen Voratlsfetztlng habe,

ist ihrerseits von der größten Bedeutung für die Betrachtung der Zauberei unter dem Gesichtswinkel der Ketzerei geworden.

Die Scholastik sand in der älteren Tradition eine ansgebildete Vorstellung von einem förmlichen Btlnd, einem ^siakss einem Vertrag des Rtenschen mit dem Tetlsel vor. si

Verträge

mit der Welt der Geister waren schon im römischen Altertum nicht ganz unbekannt gewesen, ßneanns (lib. 6) handelt von einem durch ssiakt vermittelten Verkehr mit den Göttern.

Von

einem solchen Pakt mit dem Satan glaubte man anch im Alten Testament zn lesen2*): die Übersetzung der dunkeln Stelle durch

Hieronhmns sprach ausdrücklich von einem »pactum cum inferno«. Deutlicher davon gehandelt hatte dann der grosse Lehrmeister ans dem Gebiete der Dämonologie, Ailgnstinns, in seiner Erklärung der Snperstitio3), welche im 12. Jehrchnndert

in Gratians Dekret ausgenommen worden war.4) zeitige,

in Kleinasien geschriebene,

Die gleich-

weitverbreitete Segende vom

hl. Basslins, Bischof von Eäfarea (370—379), bot ein Beispiel, wie man

fich

derartige Verträge dachte,

die

man mit

dem

Teufel einging, nm durch feine Hilfe begehrenswerte Dinge zn erlangen.

Der »maleficus« und »incantator«, an den fich

hier ein Sklave wendet, nm die Siebe der Tochter eines Senators

zn erlangen, stellt zunächst fest, daß der Sklave bereit ist, Ehristns schriftlich zn verleugnen56 ); dann wird der Teufel nachts an ein heidnisches Grabmal citiert. hier freiwillig

nnd schriftlich

Ehristns

Rachdem der Sklave und

die

Tarife

ver-

leugnet nnd fich für immer znm Teufel bekannt hat, gelangt er wirklich mit dessen Beistand ans Ziel feiner Wünsche; Basilius 1; 2ea 1. c. III, 386; Gras, II diavolo 0. 223 ss.j Baissac, Le diable 2. 2.38; Rvstvss I, 285. 2) ^ssai. 28, 15, 18: dPercussimus foeclus cum morte et cum inferno fecimus pactum.e Auch die Bersuchnng Ehristi durch Satan bvt Anklänge an ein von letzterem prvpvniertes Bertragsverhältlris. 5) Bgl. vben ®. .30, Annl. ij. Z c. 6, C. 26, qu. 2. 6) dabrenuntias Christo in scripto.«

168

Drittes Kapitel.

aber

weiß

später

in

einer

pathetischen

Gebetsscene

das

SRannskript wieder znrückznerhalten, nnd indem er dasselbe vor versammeltem Volke zerreißt, befreit er den Sklaven wieder ans den Klanen des Teufels.1) Verbreiteter noch als diefe war die Segende, welche ssch an

die Schickfale

des nm 540 gleichfalls

Theophilus knüpfte.

in Kleinasien lebenden

Von einem jüdischen Zanberer liest dieser

sich belehren, wie er durch einen Vertrag mit dem Teufel, durch Abschwörung Ehristi nnd Übergabe eines entsprechenden Schriftftückes

an den Tenfel zn Ehren kommen könne.

Theophilns

folgte der Sehre, berente aber nachher feinen Schritt tief nnd erhielt durch Fürbitte der SRadonna

feine Handschrift zurück.

Die ursprüngliche griechische Fassung diefer Segende, deren Einwircknng anf die ^anftfage allbekannt ist, war im 8. Jelhrhundert von Paulus Diaeonns ins Sateinifche übertragen2), im

10. Jehrhnndert von Roswitha von Gandersheim war der Stoss in Verst gefetzt worden3),

später wurde er mehrfach auch als

Schanfpiel verarbeitet4) und in vielen Übersetzungen im ganzen Abendland verbreitet.5) stoffen des Riittelalters.

Er gehörte zn den beliebtesten hegenden-

Sn den dramatischen Bearbeitungen

trat hier, wie in fo vielen andern mittelalterlichen Schanfpielen, der Tenfel persönlich in grotesker Gestalt anf der Bühne anf

1) Die schriftliche Abfassung der ßegende wird gewöhnlich deut Bischvs Amphilvchius von Ievniuin (c. 400 u. Ehr.) zugeschrieben, dvch ist es zweifelhaft, vb sie nicht etwas jünger ist (Wctzer-Welte 2I, 763). jedenfalls aber hat sie schvn Hiilfknar vvn Rheims (c. 860) diesem Amphilvchius zugeschrieben (De divortio Loth, Interr.lñ; Migue 125, ®p. 721). 2) Acta Sanctorum Iebr. IV, 489. — Bgl. daneben die aus dem 4. Jahrhundert stammenden Rachrichten über Ehprüan vvn Antiochien Th. Zahn, Etjprian von Antiochien ©. 21 ss.). 3) Roswitha: De lapsu et conversatione Theophili. 4) Theophilus, Schauspiel aus dem 14. Iahrhuudcrt in niederdeutscher Sprache, ed. 2. Ettiuiiller, Duedliuburg 1849; Hoffmann vvn Z’allersleben, Theophilus, niederdeutsches Schauspiel, Hannover 1854: Berdam, Theophilus, midclelnederlandsch gedient der 14 eeuw(Alustcrdain 1882, S. 1 ss.). 6) Auch iu Spanien z. B. (Pelapv I, 572).

169

Drittes Kapitel.

Zusammen mit den Berichten über den Vertrag mit dem Teufel

und die dämonische Hilfe, welche den Papst Silvester II. (im Sichre 999) anf den römischen Stuhl befördert haben sollte, lourde sie im 13. Jahrhundert durch zwei vielgelesene Werke von Schrift-

stelle™ ans dem Dominikanerorden, das Spéculum historíale des Vincenz von Beauvais und das Chronicon pontificnm et

imperatoi’um des Rîartin von Troppatt, auch der historischen

Siteratnr einverckeibt.1) Aut Ende des 9. Jahrhunderts

spricht der SRöuch von

St. Gallen von einem daneruden Gesellschaftsband, das zwischen einem Armen und dem in menschlicher Gestalt ihm erscheinenden Teufel, und zwar anf îlnregnng des letztem, geschlossen wird,

nm erfterln Reichtümer zllzuführen, zugleich aber einen übermütigen Bischof zn verderben.*2) Tlnch eine Erzählung voll Walter Rlapes (um 1180) beweist, daß die Vorstellung des Paktes ihm nicht ungelänfig war3), ttnd kurze Zeit darauf (um 1220) berichtet Eäfarins von Heisterbach vou zwei Zauberern tu Besaneoit, die durch die Ausführung von allerlei Wnnderthaten

das Volk znm Abfall vom Glauben zn verführen fnchten.

Anf

Befehl des Bischofs — es ist das bezeichnend geling — wandte

sich ein in der Reeromantie

wohlerfahrener Kleriker

an den

Teufel und erfuhr von diesem, daß die beiden einen schriftlichen

Pakt mit ihm geschlossen hätten, lind daß sse die Schriftstücke

unter der Haut eingenäht trügen4); solange sie sich dort befänden, könnten die beiden zaubern und könne niemand ihnen 1) Spéculum historíale 21, 69 (vgl. auch dessen Spéculum morale 1. 2, dist. 17, p. 3) ; 24, 98. Martini Chronicon in M. G. SS. 22, 421, 432. 2) M. G. SS. II, 742 (Riedench. Iahrb. 13, 158): vaocietatis vin­ culo in perpetuum adnecti.r 3) Walter Mapes, De nugis curialium IV, 6 (ed. Söright ©.155): Der Teufel erscheint einem gewissen Elido und gelobt ihm Reichtümer »dlirnrnoclo se suo subjiciat dominio consilioque fruature. Rach längerem Zureden >Eudo libens adquiescit in pactise. ') EäJarills, Dialog. V, 18. Der Teufel erklärt: -Cyrographa mea, in quibus hominia mihi ab eis facta sunt conscripta, sub ascellis suis inter pelleta et carnem consuta conservant, quorum beneficio tana operantur nee ab aliquo laetli poterunt.« Er handelt über dell Palt und das Holnaginnl noch öfter, vgl. unten Kap. 4.

170

Drittes Kapitel.

etwas zn Seide thlnl. Der Bischof besand sich infolge dieser Anskllnst bald in der Sage, die beiden, denen er bisher nichts hatte anhaben können, dem Scheiterhansen zll überliefern, nachdem er

ihnen die Zettel ans der Halit hatte heransschneiden lassen. Auch

der große oberdeutsche Prediger Bertold von Regensburg (nm

1270) weist davon, daß man sich dem Teufel ergebe, also wohl mit ihm eitlen Vertrag schließe, nm Schätze zn gewinnen.1) Das

waren die im lZ.Jelhrhnndert allgemein verbreiteten Vorstellungen

über den Pakt zwischen SRenfch lind Teufel.

Ans ihnen schöpfte

nnn die shstematische Theologie. Petrus Sombardns nm die DRitte des 12. Jehrhtlnderts behandelte die Zauberei noch anßerordentlich kllrz und erwähnte

den $siakt überhaupt nicht; er stellte nnr fest, daß die mas gischen Künste durch das Wissen lind die Kraft der bösen Engel ansgeführt werden.*2)

Die Kommentare des 13. Jahrhunderts

gehen aber präcifer auf die Angelegenheit ein, nnd zwar unter

deutlichem Zttrückgreifen auf Augustinus. Schon Albertus Ríagnus äußert sich in dem Sinne¿ daß Anrufungen, Beschwöinnigen, Anbeten des Dämons fowie Darbringung von Opfern an ihn

einen ossenen Pakt mit demselben

Apostasie anfznfassen seien;

bewirkten nnd als

die Zauberer üben nach ihm ihre

wunderbaren Handlungen ans Grund solcher Pakte ans.3) Auch Thomas von Aqttin äußert sich in seinem Kommentar

zum Sombarden in ähnlichem Sinne, nnd er kommt in mehreren 1) Predigten, ed. Pfeisfer-Strvbl I, 342. 2) 1. 2, dist 7, p. 2, c. 6, 8, 10: -Scientia atque vischute rnalorurn angelorrlrn rnagicae artes exercentur.« 3) Albertus Magnus, Komm, in 1. 2, Sent. dist. 7, c. 10: »Magi rrliracula iaciunt per prívalos contractas initi foederis cuni daernonibuse; und art. 12: »Dicendurn, quod in talibus (rnagicis virtutibus et rnatheinaticis) est apostasia vel oris vel operis. Si enirn per invocationes, coniurationes, sacrificia, suffurnigationes et adorationes fiunt, tune aperte pactum iuitur cum daemone, et tune est apostasia oris ibl. Si untern non fit nisi opere simplici, tune est apostasia operls, quia illtld opus expectatur a daemone, et expectare aliquid a daemone vel veile aliquid percipere per ipslini semper est ftdei contumelia, et ideo apostasia.« (Opera, ed. Iaunuh XV, S. 87, 91).

171

Drittes Kapitel.

andern seiner Schriften noch näher anf diefe Angelegenheit zurück.1) Er erklärt unter wörtlicher Anlehnung an die erwähnte Aütstenlng des Augustinus mehrfach, daß die Zauberer durch £ßakte, welche

mit Abfall vom Glauben verbunden sind,

mit den Dämonen wirken ; es sind entweder ausdrückliche, förmlich geschlossene oder stillschweigende Pakte (pacta tacita vel expressa)*2); er weist gelegentlich auch einmal darauf hin, daß die alten Zanberweiber

(vetulae sortilegae), welche fascination ansüben können, einen

Pakt, ein Bündnis mit dem Teufel geschlossen haben3), nnd in

einem beschlderm kleinen Traktat über das Zanberwefen betont er,

daß es keinem Ehriften gestattet fei,

irgend

einen GeseUfchaftsüertrag

mit den Dämonen

einzugehen.4)

Ganz

ähnlich

stellt Bonaventura in feinem Kommentar zum ßombarden fest, daß die magischen Künste ihre Kraft besitzen »solum ex dia­ bólica pactione«;

der Teufel habe mit dem Zauberer den

Vertrag geschlossen, daß er gewisse zwischen ihnen verabredete

Zeichen anerkennen nnd anf deren Anwendung sich ihm stets zn Verfügung stellen werde.5)

Jet dieser Weife ging dann die Vorstellung in die Werke der Theologen des 14. Jehrchnnderts hinüber; anf die Vorftellnng vom Pakt bei Duns Scotns wurde schon oben (S. 159)

verwiesen, nnd Gabriel Biel6) behandelte sie nm 1490 ebenso wie 1) 2 Senn dist. 7, art. ult.: »Utrurn uti auxilio daemonis eit peccatum .... In omnibus est apostasia a fide propter pactum initum cum daemone, vel verboten 11s — si invocatio intersit, — vel facto aliquo, etiam si sacrificia desint.«

") De daemonibu.s (qu. 16) art. 9 (Opera, Antw. 1612, VIII, 391). Ebenso in der Sumina I, qu. 110, art 4; II, 2, qu. 92—96. :;) »pactum, foeduse (Summa I, qu. 117, art. 3). Eine solche Z-aseinalivn erzählt Eäsarills von Heisterbach XI, 63.

4) »aliquid societatis pactum habere« (Tract, de sortilegiis ad requ. d. Jacobi de Burgo c. 7, Opera ]. c. XVII, 199 unter Berufung alls Panins I, Cor. 10; Augustinus, Dc doctr. Christ. 2; Deuteron. 18). H Bvilaveutura, KPuuu. zu 1. 2, diet. 7, p. 2, art. 2, qn. 3 (ed. Eltaracchi II, 204). u) Ebenso der Karthäuser Divuhsius Rhefel (1402—1471) tu stiller Summa fidci 1. 3, art. 159 (Opera ecl. L899, NVII, 159 ssh.

17:2

Drittes Kapitel.

seine Vorgänger1); sie gehört noch heute znm festen Bestand des theologischen Systems der katholischen Kirche.*2)

Seit der zweiten Hälfte des 13. Jehrhnnderts galt es also

für wissenschaftlich sestgestellh daß die Zauberer allgemein in einem Vertragsverhältnis znm Teufel staudeu, welches Apostasie vom

Glauben der Kirsche zur Voraussetzung hatte; ans Grund dieses Paktes konnten sie die sRalesscien und sonstigen schadenstiftenden

Sortilegien ansüben, von denen das kirchliche Recht handelte, und

ebenso die übrigen zauberischen und divinatortschen Handlungen vornehmen, welche im Dekret und in den Dekretalen aufgeführt

nnd mit Strafe bedroht waren.

Von diesen müssen wir hier

auch anf diejenigen, die von der Enthüllung der Zukunft handeln,

etwas näher entgehen, da sie, wenn sie auch ans den ersten Blick wenig mit den Vorstellungen von schädigender Zauberei zn thuii haben,

dennoch ans die Entwicklung

der Praxis des

kirchlichen Strafrechts gegen Zauberei im allgemeinen einen be=

stimmenden Einfluß geübt haben.3)

eingehen,

begeben

wir

Jeidem wir aber

anf ste

uns mitten in die Dämonenlehre der

Scholastik, welche nicht nur wegen dieser Erörterungen über die Kenntnis, welche die Dämonen von der Zukunft haben folien,

sondern

anch wegen

der in diesem Zusammenhang

erfolgten

Ausbildung nnd wissenschaftlichen gormttliernlng mehrerer anderen

seither mit der Zauberei nicht in Verbindung

stehenden Vor-

stellnngen für die Konstruktion des Sannnekbegrisss vom Hexen­

1) 1. c. iol. 107: Non auteni rnrllierclilae illa faciunt suu naturali virtute aut rerurn aliarnrn, qrliblis utlintur, ministerio, sed ministerio daemonum, quorum lituntur pactis et sacramentas, qlii hominiblis sic illudunt (lit supra in 1. 2, dist. 8, cja. 2). 2) Einige spätere Ausführungen hat Ehluerieus, Direct. 2, qli. 43 zusalumengestpllt Das Pactum expressum cum daemoiie gehört anch heute noch zulu Bestaub der fathvlischeu Sehre (Schluilrhi 1. c. I, Rr. 335: Pruner 1. c. ©. 263 ss.; Göpsern l. c. I, 470). Rach Erlassen der päpstlichen Pveuiteutiarie vom Iahre 1871 und 1874 ersvlgt Abwlutivu nur', wenn der Pönitent pactum cum maledicto daemone initurn expresse revocavent, tradita episcopo absolventi syngrapha forsan exarata (Marc 1. c. II, 741, 743). 3) Bgl. dasirr unten Kap. 4.

173

Drittes Kapitel.

wesen und demgemäss für die spätere Hexenverfolgung von ver-

hängnisvoller Bedeutung geworden ist. Jedem nämlich hier das Können der Dämonen, ihre Thätigkeiten Und Rehgungen nach allen Richtungen systematisch erörtert wurden, nachdem an

anderer Stelle bewiesen worden, daß jeder Zauberer durch einen Pakt mit den Dämonen ans das engste verbunden war und daß ihm infolge davon deren Kräfte znr Verfügung standen,

ent-

wickelte sich unmittelbar ans diesen scholastischen Untersuchungen auch in wissenschaftlichem Kreise Zelle die nächsten Jahrhunderte nunmehr

völlig

beherrschende geistige Sltmosphäre, welche die

mannigfachen DRöglichkeiten

Beziehungen zwischen feilsch und Teufel unbedenklich als Realitäten anfah ltnd beangeblicher

wirkte, daß nach Verlauf welliger SRenfcheualter diefe Summe voll Möglichkeiten in der strafrechtlichen Praxis als bequemes Hilfsmittel zur Formulierung der fragen diente, denen man die Jettimen des Teufels, die Zauberer, im gerichtlichen Verhör unter-

warst nm eine genaue Dnalistkation der einzelnen, von ihnen begangenen verbrecherischen Handlungen vornehmen Und

danach

das Strafmaß richtig bestimmen zu können.

Die vielgestaltige Sehre der Scholastik von den Engeln und den Teufeln,

die sich einerseits ans dem wirren Gemenge von

älteren christlichen Vorstellungen aufbaute, welches in den Schrif-

teil des zweifelhaften Dionhsins Areopagita und des Augustinus eine Art von Sammelbecken gefunden hatte1), anderseits aber auch

die platonische Geisterlehre mit der Emgelslehre der Bibel zu vereinbareu und zu vereinigen suchte, gehört zu deu sonderbarsten Irrfahrteu des menschlichen Geistes auf dem weiten und dunkeln Rieer

trausfeendeuter Vorstellungen. ßiest mau heute die weit ausgesspouneuen Erörterungen, in denen die Größen der mittelalterlichen

Wissenschaft mit ernster sRiene und mit dem Anspruch auf Glau-

bell festftellen, was alles eilt guter oder ein böser Engel kann lllld nicht kann, will und nicht will, weist und nicht weiß, darf 1) Böhringer, Aurelius Augustinus (1877) S. 312 ss. — Bgl Scheeben, Dogmatil II, 49 ss.; Schell, Kalhvlische Dvglllatif JZ 170 ss., 197 ss.

174

Drittes Kapitel.

und nicht darf, ob die Kräfte nud Fähigkeiten der guten tnld bösen Emgel gleich groß sind Oder verschieden und was dieser

fragen mehr sind, so überkommt den fieser unwillkürlich der Zweifel, ob es den Verfassern Ernst mit diesen schwerfälligen lind mühevollen Deduktionen war, mit ihren heißen Kümpfen gegen die übermenschlichen Schwierigkeiten, die sie ans diesem

Gebiete dämonischer Riechanik nnd Psychologie selbst wider sich anstürmten.

Größen

Denn die Verfasser sind eben doch die anerkannten

der mittelalterlichen Wissenschaft,

einer Wissenschaft,

welche die menschliche Vernunft als Grundlage zn befttzen behanptete, welche Vernunft nnd menschliche Wefenheit gradezn gleichfetzte nnd fie nur geklärt lind geadelt wissen wollte durch

eilten höhern ossenbarten Glauben. das

gefaulte

Wissen

ihrer Zeit

Es find die DRänner, die beherrschten

nnd

zn einem

Shstem znfammenfastten, die heute noch von einem beträchtlichen Teil der SRenfchheit als Größen nnd unerreichte Vorbilder verehrt werden, die also heute noch eine nicht zn unterschätzende

Bedeutung im geistigen fieben besitzen. aber hier nicht weniger als

sonst

Es war diesen 9Rännern heiliger Ernst,

wenn

sse

ihren ganzen, nnd keineswegs Unbedeutenden, Scharfsinn in Be-

wegnng setzten, nm ans den Glaubenssätzen nnd dem in der

patristischen Epoche der christlichen Kirche angesannnelten Vor-

ftellnngsftoss nüt Hülfe ihrer schnlmästig vermittelten Philosophie Schlüsse ans Schlüsse zn ziehen, die menschliche Vernunft auf die christliche Cffenbarnngslehre anzuwenden und die Sifhphnszn versuchen, alle möglichen transscendenten Begrisse, welche die in unkritischem Glauben übernommene ältere Tradition in Unbestimmter Fassung bot, durch immer nene Zerlegung arbeit

nnd Zitspitznng, durch unermüdliche Analhse lind Shnthese, durch feinste Sublimierung zu entwickeln nnd das Gesamtergebnis

dieser Arbeit als das allein richtige Shftem der Weltanschannng zn proklamieren, welches die christliche Religion wie alle ihre Schwestern der SRenfchheit darbieten zn können glaubte- Znfannnenftellnng der in der Bibel, den Vätern nnd fonftigen Rn-

toritäten überlieferten nnd zn Dffenbarnngs- nnd Glanbenvfätzen gewordenen, also nach der Auffassung der Zeit die Erfahrung

175

Drittes Kapitel.

völlig ersetzenden Vorstellungen, geschickte dialektische ßösung der

hier vorhandenen vielfachen Widersprüche Untereinander waren die Ausgaben des philofophiereudeu Theologen, der ein Kapitel

nach dem andern seinem organisch anfgebanten lind abgerundeten

Shstem anzngtiederm hatte nlld es dabei für Unerläßlich hieb,

durch kühnen fällig theologischer Spekulationen der Welt mit vielem andern auch darüber Klarheit zn verschossen, was alles

jene Wesen zn leisten vermochten, die man unter der Gestalt von Engeln oder Tensebt mit dellt geistigen Hausrat der Väter überkommen hatte.

Hätte es sich dabei nur nm die Ausübung

einer gelehrten Spielerei gehandelt, so würde malt diesen Dingen hellte keine weitere Bedeutung beizntnessen brauchen; aber das

Verhängnisvolle bei diesem SRangel an Verstandeszucht war die Thatsache, daß die alles beherrschende mittelalterliche Theologie

die Ergebnisse dieses Gebahreus, die Produkte dieser Ansschweifnngen der Phantasie und gläubigen Hinnahme alter Überliefe-

rangen ohne weiteres als evidente Thatfachen auch in den Ernst der Praxis hinüberleitete.

Diefe Ergebnisse der theologischen

Wissenschaft, deren präeife gormnliernng allmählich doch auch stärker durch das praktifche Bedürfnis der Orthodoxe bestimmt

war, abweichende Anfichten ausznfchliefzen, wie sie in den seit dem 11. Jehrhnnderck stärker gegen die Kirche andringenden ketzerischen Strömlingen hervortraten1), wurden eben als herrschende Schulmeinung der Theologen auch für die Praxis des 2ebens maßgebend. Die kecke Dreistigkeit, mit der die im SRittelalter

allmächtige und durch keilte andere geistige Autorität koutrolierte

theologische Wissenschaft ihre fo oft nur auf Traditionell, Antoritäten und den unsichersten Analogieschlüssen aufgebauten und

ohne ausreichende Empirie gewonnenen Ergebnisse

stillschweigenden Billigung der Kirschenleitnng

unter der

unbedenklich

in

1) Das Ausleben des alten Mauichäisnlus und schiller dualistischen Weltanschauung in der ßehre der Katharer (vgl. das svlgende Kapitel) hat dekl Gedantengang dieser llntersuchungeu naturgemäß beeinsulßt, iusvseru die vrthvdvz'en Ansichten diesen gefährlichen Gegnern der Kirche gegenüber scharf svrmuliert werden mußten.

176

Drittes Kapitel.

das praktische ßcbell hinübertrug, ist eitles der auffallendsten Kennzeichen dieser gewaltthätigen mittelalterlichen Geiftestnltnr, von der sich die moderne Bescheidenheit oder Ängstlichkeit, wissen-

fchaftliche Ergebnisse

als Grundlage

für Verändernngeii

der

praktischen Weltanschauung und der Rechtsanschannng zn vor-

werten, sonderbar schwächlich abhebt.

Kanin etwas hat so sehr

zur Ausdehnung der Verfolgung der angeblichen Zauberei beigetragen als der Umstand, daß, wie das nächste Kapitel dar-

legen wird,

die Inquisitoren als selbständige Verwalter

der

kirchlichen Strafgerichtsbarkeit die Resultate, welche ihre mit der Feststellung der Theorie der Engels- und Teufelslehre beschäl-

tigten und als Senchten christlicher Gelehrsamkeit anerkannten Ordensbrüder unter dem einseitigen theologisch-speknlativen Ge=

sichtswinkel gewannen, ohne weiteres Besinnen und angenschein-

lich ohne jede tiefere Regung der Verantwortung ans die Praxis des kanonischen Strafrechts anwandten nnd durch fragen ans

der Zwlter leicht atts ihren Opfern heranslockten, daß sie das wirklich mit den Dämonen ansgeübt hatten, was ihre gelehrten

Kollegen nnd Sehrmeister ans dem Wege ihrer metaphhssschell

Spekulationen als ost nnd gern von diesen unwandelbar bösen Geistern geübt ermittelt hatten.

Es war hierbei besonders ver-

derblich, daß derselbe Orden, der- vornehmlich die päpstliche Sn5

qnisition verwaltete, der Dominikanerorden, zugleich anch dnrch seine wissenschaftlichen Korhphäen diefe theoretische Erörterung übernahm, so daß mit Hilfe der vom Zeitgeist nun einmal als Beweismittel anerkannten Folter die Probe auf die Richtigkeit der

als wissenschaftliche Ergebnisse angesehenen kühnen Trättmefoforck nud beliebig oft gemacht werden konnte. Jet diesem fortgesetzten Gegenspiel von theoretifch-theologischer llntersnchnug nnd ftrmfrechtlicher Praxis, in der dnrch keine andere Jelstanz wirksam beschränkten Omnipotenz der kirchlichen Organe, welche zn voller Zügellosigkeit ausartete, liegt die Hauptqnelle für das allmähliche Znfaunneuwachfen urfprünglich getrennt nebeneinander liegender Borstethingen des Kirchenglaubens nnd des Volksglanbeits, ans welchem

steh die verderbenbringende Ausgestaltung des Hei'enwahns, das unter dem Deckmantel der Religion und lnlter dem Zeichen des

177

Drittes Kapitel.

Rechts erfolgende stnnlose Wüten gegen die venneintlichen Hcjsen im ausgehenden mittelalter erklärt. Die Scholastik knüpfte bei der Ausarbeitung ihrer Dämonologie ebenfo wie bei ihren übrigen Arbeiten an die Ausführungen des Petrus ßoinbardns in feinem Sentenzenbnch1) an. Diefer

felbst behandelt die Engel und Teufel in engster Anlehnung an hänssg stellt er die verschiedenen 2lnsichten feiner Vorgänger nur nebeneinander, ohne sich tiefer

Augustin nnd Jeidor;

in die Materie eiuzulaffen; die Wissenschaft feiner Zeit, welche mit

dem nett erstandenen großen Problem des Realismus nnd des

Rominalismns voll beschäftigt war, hatte noch nicht den ansgebildeten Sinn für das Abstruse, den das 13. Jahrhundert entwickelte nnd ans feine Rachfolger vererbte. Was die Kunde der Dämonen von der Zukunft betrifft nnd demgemäß die Möglichkeit für den Wuschen, diefelbe mit dämonifcher Hilfe vorherznfagen, fo übernahm Petrus eiue Amstertlng

vou Augustinus, wonach die Dämonen infolge ihres Scharfssnnes,

ihrer langen Erfahrung und dadurch, daß die guten

Emgel ihnen auf Geheifz Gottes manches offenbaren, was fie

felbst vou Gott erfahren haben, mancherlei vou zukünftigen Dingen wissen.*2) Das Wahrsagen hat die christliche Kirsche niemals gepflegt, und daß nur Gott allem die Zukunft voll und ganz und ficher

seltne, war stets die auch vom ßombardeu vertretene fnndamentale Anstcht der Orthodoxe, welche fie im Zeitalter der

Scholastik in dem Kampf gegen die fatalistische Astrologie immer schärfer betonte.3)

Wenigstens

für die Ereignisse,

foweit fie

durch den freien Willen der Engel und der Rtenscheu beeinflusst

werdeu köuueu, stellte mau immer wieder fest, daß keine andere Poteuz dieselben ficher zu enthüllen vermöge, fo fehr man fich

1) Liber Sententiarurn 1. 2, (list. 2—11. 2) 1. c. dist. 7 nr. E: »Quod angeli raali vivacem sensum non perdiderunt, et quibus modis eciant< (vgl. Augustinus, De divinatione slaemODum 1. 1 c. 3 ss.). Bgl. Irauz, Ricvlaus vvtr Iawvr S. l67. 3) Bgl. vbeu 'S. 126 und die 1277—1290 erlassenen Pariser Bücherverböte (Deuisle-Ehatelaikl, Chartulariuin univ. Paris. I, S. 543; Ehllierielts 1. e. p. 2, qu. 29; Rellsch, Indez' der verbotenen Bircher I, 23). Historische Bibliothek.

Bd. xli.

12

178

Drittes Kapitel.

anderseits davoil überzeugt hielt,, daß die Gestirne einen gewissen,

im voraus erkennbaren Einfluß auf den Gang der Dinge übten. Überall bei den Scholastikern des l3. Jehrhnnderts finden wir

aber doch die Ansicht,

dass die Emgel in mancher Beziehung

mehr voll der Zukunft wissen als die DRenfcheu.

(So haben

nach Alexander voll Hales einige der guten Engel die SRenschwerdung Ehrifti vorher gewußt, andere nicht; die Engel überhanpt, gute wie böse, befitzen lange und reiche Erfahrung, großen Scharfsinn llnd können so durch Konjektur1) mancherlei ermitteln, was dem SRenschen verschlossen*2) ist.

Thomas oou

Aqllin lehrt, daß auch die Dämonen mancherlei, was sich ans

bestimmten Ursachen sicher, aber dem LRenschen nicht erkennbar

entwickelt, tatsächlich vorchersagen können, daß sie aber gerne

den Eindruck hervorrnfen, sie besäßen eine unbeschränkte Gabe

der Prophezeiung,

also

den iRenschen über ihre Fähigkeiten

täuschen.3) Und ebenso meint Bonaventura, die eigentliche Kenntnis der Zukunft fei zwar Gott durchaus vorchehalten und den bösen Engeln daher ganz verschlossen, die letzteren fnchten aber

beim Rfenfchen den Anschein zu erwecken, als ob sse die Zukunft

kennten, und dadurch in hochmütigem Streben den SRenschen

zll verführen, fie wie Gott zu verehren.4) 1) »coniecturaliter et suboscure.« 2) 1. 2, qu. 19 (©. 93) und qll. 26. 3) Dhvrnas, Summa 2,2, qu. 95, art. 4: -Daemones abutnntur prophetica pronunciatione, non quidem vere prophetando sed pronunciando aliqua secundum ordinem causarum huiusmodi occultarum, ut videantur futura praenoscere in ae ipsia, quae hominibu.s per­ suadent, qui occultas rerum causas non cognoscunt. 4) Bonaventura 1. 2, diet. 1, art. 1, qu. 3: »Praecognitio futurorum vel dei est vel a deo, et ideo cum talia praedicuntux, praedictio dicitur divinatio, quia talia est actus divinua. Et quia daemones superbi maxime desiderant honorari ut deus, maxime cousintur extendere hoc in se habere, et ideo dicere, quod daemones per se ipaos futura contingentia praesciant certitudinaliter, hoc est eis attribuera, quod dei est. Ideo est ibi infidelitas, et infidelitati frequenter annexa idololatria ; ideo divinatio est prohibita. Quamvis autem daemones non possint per se ipsoa futura contingentia scire certitudinaliter, tarnen frequenter vera praedicunt, quia eventual futurum aliquo modo praesentiunt. Hoc autem est quadrupliciter,

179

.Drittes Kapitel.

Rach

dieser

von der

kirchlichen

Orthodoxie entwickelten

S?chre kam also alles daraus an, zn ermitteln, welche Wirkungen

notwendige Jeckgen ans gewissen Ursachen waren1), wenn man feststellen wollte, ob eine Enthüllung zukünftiger Dinge im Be-

reich der Fähigkeiten

des Teufels lag — das war aber eine

keineswegs leichte Ausgabe, die Grenze zwischen legitimiertem nnd nicht legitimiertem Wahn war hier besonders fliessend nnd

von subjektiven Sehrmeinnngen abhängig, nnd wir werden noch

erörtern, zn welchen Ehikanen diefe Schwankungen im Verlauf der kirchlichen Verfolgung der Zauberer führten. Von ganz besonderer Bedeutung für diefe Verfolgung wurden

aber jene anderen, schon einige Ríale von uns gestreiften älteren Vorstellungen, welche die Scholastik gleichzeitig in diesem Zn-

sammeschang zn Sätzen der theologischen Wissenschaft entwickelte nnd

so für die Praxis

der Ketzerinquisition zur Verfügung

stellte. Die Möglichkeit des geschlechtlichen Verkehrs zwischen Dämonen nnd Rienschen, die Fähigkeit der Dämonen, Ge-

schöpfe zn verwandeln, die Jeage, ob Dämonen sRenschen dnrsch die Süfte zn entführen nnd ob sie Wetter zn machen vermögen, sind alle Gegenstand ernster Betrachtung seitens der großen Scholastiker und ihrer Rachfolger geworden, nnd das Ergebnis

ihrer Unterfnchlntgen ist in allen vier Jeagen ein derartiges gewefen, daß zunächst die Ketzerverfolgnng nnd dann, dnrsch fie

vermittelt, der Zauber- nnd Hexenwahn des ausgehenden SRittel-

alters ans ihm die reichste Rahrnng hat ziehen und erst durch dieses Ergebnis zu jeuer unheilvollen Gestalt hat answachfen

können, welche die Grundlage der epidemischen Verfolgung wurde. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß die Vorstellung

von der Teufelsbuhlschaft feit etwa 1100 anssng, aus dem Kreis mhthologifch-poetifchen Wahns in den Bereich des thatfächlichen nnd gegenwärtigen Ereignisses hinüberzngleiten.*2)

Der weitere,

sicut clicit Augustinus: aut enirn sensus vel ingenii acrimonia, aut multa experientia, aut dolosa cautela, aut aliena doctrina.< 1) Thomas, Cornrn. ad Loinb. lib. 2, dist. 1, qu.2, art. 2: »Daemones subtilissimi sunt in talium futurorum praecognitione, quae determinara in suis causis sunt.< 2) Bgl. vbcll S. 142. * l2

ISO

Drittes .Kapitel.

ans der Entwickelung der Dämonenlehre sich ergebende Schritt

war der, daß der Verkehr zwischen SRensch und Dämon als ein von ersterem freiwillig begonnener und unterhaltener, nicht als

mehr

ein

von

letzterem durch ßist oder Gewalt herbei;

geführter betrachtet wurde lind folglich die Bedeutung eines mit

schwerster Sünde nnd verworfenster Gesinnung des Wrenschen

verbundenen Verbrechens erhielt. Die alten Poenitentialbücher der Kirsche, welche eine überreiche gülle von Vergehen roher wie

rafssnierter, natürlicher wie widernatürlicher llnzncht anfführen nnd die Strafen für die einzelnen Vergehen festfetzen, erwähnen doch

nirgends die llnzncht mit dem Teufel als eine Sünde, die Beichtväter sich angelegen sein lassen nennen diese Beziehtlng zwischen R?ensch nnd

deren Beseitigung

sollten.

Sie

Teufel vielmehr sämtlich nicht;

das

aufgeklärteste von ihnen

allen, das in Bnrkard’s Dekret anfgenommene, leider von der späteren

kirchlichen Gesetzgebung

nicht

^sioenitential ans dem 10. Jahrhundert,

berücksichtigte

deutsche

behandelt den dieser

Vorstellung zn Grunde liegenden alten Glauben des Volkes sogar

ausdrücklich als Wahn.1)

Ebensowenig ist im Dekret und in den

Dekretalen, in den allgemeinen Sammlungen des kanonischen Rechts, von dieser Sache mit einem Worte die Rede, fyür die

gerichtliche Prmjis hatte diese uralte Vorstellung also bis in das 13. Jehrchnndert hinein keine Bedeutung.

Aber schon in den

Ewzählnngen des Eäsarius von Heisterbach tritt die Annahme in die Erscheinung, daß SRenschen freiwillig nnd zur Befriedignng ihrer Sinnlichkeit mit dem Teufel in geschlechtlichen

Verkehr treten,

wenn er ihnen als Verführer naht.*2)

Wer

füllte aber wohl eher in diefe enge Beziehung znln Dämon treten, als der sRenfch, der ihm ans ketzerischer Bosheit feine Dienste weihte oder sich durch einen für’s Selten geschlossenen

Pakt mit ihm verbanden hatte? konnte besser dazu dienen, diese

Und welche Gemeinschaft verbrecherische Verbindung

zn krönen nnd dauernd zu unterhalten, als eben die geschlechtliche? Die christliche Theologie hatte sich bemüht, die 1) Bgi. oben 83. 2) Eäsarius, Dialogus rniraculornln 3, 7—10.

181

Drittes Kapitel.

asketischen Kenschheitstheorien der Völker des Altertums ans die Spitze zn treiben Und ihrem SittlichkeitskodeJ in der Weise einznverleiben1), daß der geschlechtliche Verkehr hier nur als ein leider nicht ans der Welt zu beseitigendes Übel figurierte, welches nach ihrer nettesten scholastischen Ausprägung, wie wir sahen,

selbst da, wo dieser Verkehr zwischen SRenschen unter dem Schutz

des kirchlichen Echesakrl!meines bestand, als häßlicher und Sünde hervorchrillgender Akt der dämonischen Beeinflussung mehr als alle anderen menschlichen Betätigungen Unterlag.

Auch hier fiel der scholastischen Theologie wieder die ver-

nntwortliche Vermittlerrolle zwischen Wahn nnd der Strafgefetzgebnng

zn.

dem alten volkstümlichen

Jedem

fie Wefell nnd

Wirten jenes großen Reichs persönlicher Geister, das nach dem kirchlichen Dogma den obersten Bestandteil der Schöpfung bildet, allseitig nnterfnchte, konnte sse fich der Erörterung auch diefer, von Angnstinns als thatfächlich anerkannten aber nicht näher

destnierten, $nlge nicht entziehen, nnd sie begründete hier eine

wissenschaftliche Theorie vom Geschlechtsverkehr zwischen Dämonen nnd Menschen, welche trotz ihrer grotesken nnd widerwärtigen

Gestalt die DRenschheit für Jehrchrtnderte fesselte nnd Taufende

überlieferte. Es kant hier natürlich alles darauf an, endlich bestimmt zn er-

von Rauschen dem qualvollen Flammentod

mitteln, wie es sich mit der Körperlichkeit der Engelwelt verhalte. Petrus Sombardns, das Haupt der scholastischen Schule, behandelte2) diese Zrage wieder wesentlich im Anschluß an Augustinus, der au vielen Stellen ansgeführt hatte, daß die Emgel überhaupt

einen dünnen ßeib, ans feiner £nft bestehend, besitzen, der bei den bösen Engeln nach ihrem Sündenfall etwas dichter geworden fei.3) Diese, auch von Wilhelmus Parifienfis (c. 1230) noch ge-

teilte Ansicht war der Entwicklung spezieller Vorstellungen über die Tenfelsbnhlfchaft nicht günstig, da der luftige Körper der

In der neuesten Arbeit vvu I. Müller, Die Keuschheitsideeu in ihrer geschichtlichen Entwicklung uud praktischen Bedeutung (Maiuz, 1897) S. 34 ss. ivird diese Haltung der Kirche nur Vorsichtig augedeutet. 2) Liber Sententiarutn 2, dist. 7. 3) Bgl. vbeu S. 30. 1)

182

Drittes Kapitel.

Dämonen sich für eine!! derartigen Verkehr mit dem SRcnschen

nicht recht eignete, r) ssietrns Sombardns geht denn anch ans diese Sache nicht näher ein. Dio Scholastik des 1.3. 3ahrhunderts stellte jedoch zunächst fest, dass die Engel reine Geister

seien, also durchaus körperlos, daß sso aber, falls sse dazu £nst haben, sich einen

beliebigen wirklichen Körper schassen nnd in

diesem erscheinen können. $ür diese (Schule bildeten die fragen nach der Annahme eines Körpers seitens der Engel nnd Dämonen

nnd den gnnktionen dieses Körpers wahre Sieblingsthemen. Jet ihren Kommentaren znm Sombarden erörtern ihre Vertreter der Reihe nach die fragen, ob diese Körper sich bewegen, essen, oeJu bauen, sich fortpflanzen können, nnd in welcher Weise sse mit

den Rfenschen in Verkehr treten. Es ist wohl möglich, daß die Verbindung des Abendlands mit dem Orient, die im Zeitalter der Kreuzzüge stattsand, dazu beitrug, die theologische Wissenschast lebhafter mit den im Orient stets stark vertretenen Vorstellungen

vom geschlechtlichen Verkehr zwischen Geistern nnd Menschen zn befassen. ?lber bei der SRenge von einschlägigen Erörterungen in den

Schriften von Angnstinns, Eafssanns, Difidor U. a. nnd bei der 1) Der mehrfach erwähnte Wilhelntus Parisiensis (c. 1230) ist der Ansicht, daß Engel feine wirtlichen Körper annehmen, sondern daß es nur so scheint; er weist aus die verschiedeuen Ansichten der Theologen seiner Zeit hin: De hoc autem, quod multi ex sapientibus opinati sunt, spiritus bonos et malos assumere corpora, iam expeditus es in his, quae praecesserunt (in verneinendem ©inne, vgl. Opera S. 1002). Verum si aliud vel per semetipsum vel per doctorem qui hoc possit etiarn declarare vel alia via creators aliud certum facere placuerin scito me esse unum de his, qui hoc addiscere parati sunt et cum gaudio acceptare. Non enim prudentiae meae sic innitor, ut, ubi non nisi opinan vensimiliter possum, certitudinem veritatis, per quencumque mihi fien possit, repellam (ut corporaliter poxtaretur in coelum, sicut Abacuc portatus legitur Daniel, ult.« s) Schon etwas früher hatte auch Wilhclnkus Parisienüs üch dahin geäußert (S. 1002), daß der Engel den Hahakuk alu Haupthaar gefaßt und getragen habe (vgl. oben ©• 195, Annl- 1)6) Hugo de ©• Ehnrv Ord. Praed., Expositio super libros veteris et novi testaments in den Opera omnia (Coloniae 1621) V. 145, 166. — Bgl- siir ihn Dnétis-Echard I, 194j A- Tvnrvn, Histoire des hommes illustres de l'ordre (le >S. Dominique 1 (1743), 200 ss. 1)

20 t

Drittes Kapitel.

doch an beiden Stellen die SRitwircknng eines Engels gar nicht envähnt, sondern lediglich ein unmittelbares göttliches Wunder angenommen wird.1) Hugo’s Wtssasfnng übernahm der be-

rühmte Eïeget ans dem Rttnoritenorden, Ricolans von 2hra (f 1340) und (c. 1450) Dionhsins Earthnsianns*2) ; die Vor­ stellung von dem Transport Habaknk’s durch den Engel gewann dann in der Bibelei'egese allmählich mit der 9Racht der Schulgewöhnnug Bürgerrecht — es genüge, ans die îlnssührnngen des

bekannten Kommentars ans der Jeder des Jesuiten Eornelins

a Sapide (c. 1630) hinznweisen3) —, nnd auch bei den heutigen

katholischen Kommentatoren (z. B. Allioli) verursacht die lustige Reise Habaknk’s keine Regung des Zweifels. Aber der $all Habaknk lag nicht ganz so schwierig, als-

die Entrückung Ehristi durch Satan nach

den Berichten

der

Evangelisten Riatthäns nnd Sukas; die Exegese konnte immer annehmen, daß Gott durch den Engel ein besonderes Wunder mit Habaknk gewirkt habe; ein Ausweg, der bei dem Versührnngsversnch Ehristi durch Satan versperrt war.

Der Wort-

laut der Vulgata, nm dessen Auslegung es sich hier handelte, besagte nur, daß Satan Ehristnm ans die Zinnen des Tempels und von dort ans einen hohen Berg mitnahm.4)

1) Er meint wgar »rnaius erat spatiurn usque ad paradisurn terreatrem a locia, unde aasumpti sunt, quam a Judaea in Babylonem.« 2) Glosa ordinaria cum expoaitione Lyrel V, fol. 293, 331 : Nec est mirum, ai ángelus portaverit hominem per tantum spatiurn terre in modico tempore, quia unua angelua revolvit orbem circulariter in uno die, ad quem tota terra comparata uonnisi quasi punctus. — Dionysius Cartua. (f 1471), Enarrat. ad 4 Reg. c. 2 (Opera IV (1898), 9). 3) Eornelins a Sapide S. J., Commentaria in quatuor prophetaa lrlaiores (Antwerpen 1654) ©. 1411: »Angelus aubito et quasi in ictu oculi potuit transferre Habacuc ex Judaea in Babylonem et eadem celeritate reducere, quia angelua, qui movet solem, weit ut sol qualibet hora tantum spatii conficiat, quantum quia conficeret, si una hora quinquagies toturn terrae globurn circumcurreret. Angelus vero movens firmanientum facit, ut quaevis Stella in aequinoctiali una hora conficiat 42 millionea tnilliarium et nmplius, hoc est tan­ tundem ac ei globum terrae circumvolaret bis milliea et amplius.« Der Bersnüd' schrieb im Zeitalter Galilei’s, hundert Iahre nach Evperniens. ') Asautnpsit eum diabolus in sanctam civitatem el h tutu it

202

Dritte1? Kapitel.

älteren Kommentatoren 1) begnügten sich mit dieser Wendung, ohne sie näher zu erklären, Ehrhsostoluns denkt an Die

eine fyfihriing Ehristi durch Satan*2) und macht sich Gedaukeu darüber, wie es gekommen sei, daß die Juden nicht ansmerksam

wurden, als Satan den Ehristns oben ans den Tempel stellte3); Rabaii meint in Übereinstimmung mit Epprianns, die ganze Verstlchnllg Ehristi habe

in der Wüste stattgesnnden, lind die

Exkursion nach Jerusalem und ans den Berg sei nur Jena-

gination gewesen, wie etwa Ezechiel’s Visionen. 4) Rach Albertas IRagnns haben einige ältere Kommentatoren5) die Stelle an-

scheinend so verstanden, daß Satan einen Körper angenommen lind Ehristnm ans seinen Schlittern getragen habe (jedoch nicht im fliegen, sondern im Gehen); er schließt sich aber Ehrhsostonnls

an, der die Ansicht vertrete, Satan habe Ehristns hinter ssch hergeführt6) Er hält anch das »pinnacnlnm rempli« nicht, wie einige Erklärer wollten, für die Spitze des Tempels, fondent für

einen kanzelartigen Vorfall, und der Gedanke an ging kommt ihm ebensowenig bei diefem Bestich des Tempels wie dem anschließenden des hohen Berges, ähnlich äschert Thomas von

Aqnin feine Anficht, indem er zugleich anf die llnstchtbarmachnng

im Sinne von Ehrchfoftomns zurückgreift.7) Hugo von S. Ehère eum super pirmaculuiii templi. Herum assumpsit eum diabolus in montern excelsum valde (Matth, c. 4; vgl. 21lc. c. 4). 1) Athanasius, Ambrosius, Ehrist, Beda ll. a. 2) Ehrhsvstvlmls, Super Mattheum (1. c. iol. 29a): »Quando audis dicentem ductum a diabolo, nihil cogites de potentia diaboli, quia potuit ducere Christum, sed de patientia Christi mirare, quia sustinuit, ut a diabolo duceretur.e 3) Er meint, Ehristns habe sich wohl ohne ÎZisseu des Teufels bei dieser Gelegenheit unsichtbar gemacht. 4) Das verwiest Thvnlas von Aquin. 5) ©v Gregvrills der Große in einer Hvulilie. °) Kvmm. zu Matth. 4 (Opera 9, 56): »Et attende, quod quidam sanctorum videntur dicere, quod assumpsit eum, portando super se, corporaliter assumpto corpore. Sed Chrysostomus dicit, quod assumpsit eum ducendo post se. Et hoc ego melius credo.< Dav »post se< ist Zusatz dc§ Albertus (vgl. vbeu Aulu. 2). ’) Kvului. zu Matth. 4, H (Opera 18); »Qnaeritur, quomodo assumpsit. Dicunt ljuod deportavit elim supra se, alii (et melius)

Drittes Kapitel.

203

meint dagegen, daß Satan Ehristus ans seinen Armen getragen habe1), und denkt wohl an einen Zckug, da er seine Einsicht in Gegensatz stellt zn der anderen, welche von einer Führung an der Hand spricht. Die Vorstellung vom Transport Ehrifti durch

die Stift vertrat daun deutlich Ricolaus von schra (t 1340)*2); man gewöhnte such eben daran, in solchen dämonischen Transporten überhaupt nichts Befremdendes zri scheu. Der Kardinal Jehauues de Turrecreinata beguügt sich zwar iu seinen nm 1440 verfaßten Erörterungen über die Evangelien3) mit einer kurzen Zn-

sammenstellung der von älteren Ei'egeten verfnchten Erklärungen,

ohne fich für eine derselben zu entscheiden; aber das gleichzeitig verfaßte große Bibelwerk des Bischofs von Avila, Alfons Toftatns4),

des angesehensten Theologen Spaniens im 15. Jelhrchllndert (t 1455), der von feinen Zeitgenossen als ein wahres Wunder der Gelehrsamkeit augeftaunt wurde, entwickelt im Kommentar der 1440— 1446 ausgearbeitet wurde —

es ist wohl der umfangreichste, der existiert — aufs bestimmteste,

zn Rlatthäns,

daß Satan Ehriftum durch die Suft entführt hat. Was dabei für tins von besonderer Wichtigkeit ist, ist der Umstand, dass

diefer Vorgang dem Verfasser ein Hauptargument zur Bekrtiftiginig der Realität des HejTnflngs bietet. Doch darauf kommen quod exhortando induxit ad hoc, quod tret, et Christus ex dispositione suae sapientiae ivit in Jerusalem .... Sed nunquid homines non videbant, quando diabolus Christum portabat? Dicendum se­ cundum illos-, qui dicunt quod eum portabat, quod Christus sua virtute faciebat, quod vielen non posset.< Bgl. auch Summa 3, qu. 41, art. 4, ad 7, woraus sich Evruelius a Liapide S. 103 ganz willfiirlich sirr seilte Aussassuug (nuten S. 204, Auiu. 1) beulst. 1) Hugv de S. Eharv 1. c. VI, 12: »assumpsit eum diabolus brachiis suis. Alii dicunt, quod duxit eum per nlanum.« 2) Postilla super Math. c. 4: Jurat intentio demonis illuc eum portantis, ut a populo civitatis ipse Jesus quasi volare videretur. H Quaestiones in evangelia zum Svuutag duadragesikua (gedr. 1478, Coloniae), uusvliiert. Bgl, auch • S. Isis s. 4) syiir Alsous Tvstatus (geb, zu Madrigal bei Salamanca) vgl. Ehevalier Sp. 2236, * S. 105. Sein Bibelfvmlueutar umfaßt iu einer 'Ausgabe 24 Z-vliauteu. Bgl. iu der Ausgabe Beliebig 1615 deuKvium. zu Matthau« l, 410: er behandelt da allgemein die S'rage: »An homines nliqnuntlo portentur u diabolo per diversa loca.e

2U4

Drittes Kapitel.

wir noch näher, Hier genüge vor der Hand der Hinweis, daß die späteren katholischen Bibelkommentare während des ganzen Zeitalters der HejTnversolgnngen und bis ans unsere Zeit diese

Ansicht von der durch den Teufel bewirkten Entführung Ehrästi

durch die Stifte festhalten.1) War somit im 13, Sahrhnndert in dieser unmittelbar an

dämonische Mitwirkung geknüpften Vorstellung die

flngartige

Bewegung von Rlenschen durch die Süste, wenn auch nicht zur allgemeinen ßehrmeinung der Theologen erhoben, so doch dem

theologischen Verständnis anbeqnemt worden, so sand der Wahn eine weitere Stütze in den gleichzeitigen Erörterungen über die Entrückung des DRenschelt, den sog. Raptus. Die Entrückung be­

stand, wie wir bereits erörterten, ursprünglich darin, daß man

ans dem schlafend zurückbleibenden Körper und entfalte ihre Thätigkeit außerhalb desdie Seele

annahm, selben.

So erklärte sie Augustinus*1 2), so war Ambrossns ent-

rückt worden, Eanon

entferne ssch

und

Episeopi

(c.

Ezechiel,

Johannes

rückuugen

hatten

hatte

der

biblischen Visionen

des

als Entrückungen des Geistes 900)

auch die

Paulus bezeichnet.3) ähnliche Entspätere hegenden vom Kölner Bischof und

SOtaternus4) nnd anderen heiligen DRännerm der Kirche erzählt.

Aber schon in der Auffassung des Augustinus erschien die entrückte Seele sichtbar, also mit einem Scheinleib, nnd in Bezug

1) Bgl. Evrnelius a Zapide S. J., Cornrn. in quatuor Evangelia (Antw. 1639) I, 103, 106. Er stellt die Ansichten eines Teils der älteren, welche nur voll einem Joihreu Ehristi wissen wvlltell, zusammen und sagt: »verisirnillime Christus ex deserto a diabolo assumptus, id est raptus est per aëra in pinnaculum. templi« ; und weiterhin dtranstulit diabolus Christum ex pinnaculo templi rapuitqne per aëra in montem.t Daniel Evlleina Ord. Praed. (1755) erklärt in Bezug ans den Zstug: »Catholics ornnes docent, hunc transitum fieri posse« (1. c. 1 3 c. 5). Heute ltvch Allivli zu Matth. 4,5 : „Er führte ihll durch die Siistc" (ulerilviirdigerweise unter Berufung aus Hiervnhlnus, Gregor, Thomas). 2) Bgl. vben ©- 27. S) SSasscrschicbcll 1. c. £. 356: Ezechiel visiones dornini in spiritu, non in corpore vidit, et Joannes apostolus .... (licit: Stattm fui in spiritu; et Paulus non audetse dicere raptum in corpore (vgl. * 2. 39)4) Acta SS. Jan. 29 S. 917.

205

Drittes Kapitel.

ans die Entrücknng des Panlns war es eine offene Zwage, ob nicht vielleicht bei ihr der Körper gleichfalls fortbewegt worden war.1) AnderfeitH hatte Angllftinns im Einschluß an die Entrückung der Jechigellie angenommen, daß die Dämonen doch anch wohl den ganzen Rlenfchen mit Seid nnd Seele entrücken nnd einen andern

Körper fnbstitnicrcn könnten. Da konnte denn in einer für die Aufnahme solcher Vorstellungen geeigneten Zeit, in welcher jene Angnstinischen Ewörternngen durch große enchklopädische Werke,

wie das Specnlum naturale des Dominikaners Vincenz von Beauvais (1260), wiederholt nnd durch verwandtes DRaterial vermehrt wurden*2),

leicht ein Znfammenflieszen diefer verschie-

denen angenommenen SRöglichkeiten in den Köpfen der Theologen entstehen. Sm Volk fand das den empfänglichsten Boden, denn diefem waren die Z'lngvorstellnngen stets geläufig geblieben,

nnd es ist die nämliche Zeit, wo die Sage von dem entrückten Kaifer Friedrich entstand nnd überall gläubiger Aufnahme beThomas von Ehantimpre bietet die besten Beispiele

gegnete.3) für

die Ausgestaltung dieses Wahns.

Er berichtet

im Jehre

1256 ans feinem Brabanter Wirkungskreis, daß zn feiner Zeit, wie er

oft

gehört

habe,

Weiber plötzlich geraubt,

anscheinend auf den Tod erkrankte Scheinleiber von den Dämonen an

ihre Stelle gelegt und diefe Scheinleiber als die Toten begraben würden, während die Kranen anderwärts weiter lebten.4)

Als

Beweis für die Thatfächlichkeit genügt diefem anf dell Schulen zn Köln nnd Paris gebildeten Theologen, der fein trotz aller

Schwächen für die Geschichte des Dominikanerordens wie für die Kulturgeschichte feiner Zeit fehl' wichtiges Rtirakelbnch in1) Bgl. unten S. 209.

2) Speculurn naturale 1 3, c. 107, 108.

3) Knmpcrs, Kaiserprvphcticell lllld Knisersagell illl Mittelalter (L895), S. 107 ss" l.3.3 ss. *) Dhvmas Eailtipratauils 1. 2, c. 50: »Sic et nos teaiponbus modernoruin etiain frequenter audivimus, quasi in agone mortis positas mulieres subito rapi et earum loco a daemonibus figmenta deponi, et ipsa figmenta similia raptis corporibus quasi inortua sepeliri, vLsas vero feminas et inter honiines conversatas.e

20G

Drittes Kapitel.

solge eines Beschlusses des Drdensfapitels zn Paris schrieb1), der Hinweis daraus, daß die Zauberer Pharao’s ja doch ihre Stäbe in Schlangelt verwandelt, drösche herworgebracht nnd

Wasser zn Blut gemacht hatten. Wenn diese schwachen, mellschlichen Zauberer so etwas gekonnt hätten, so sei selbstverständlich kein Zweifel, daß die viel mächtigeren Dämonen stark geling

seien, jene anderen Thatell ansznführml.

Jen übrigen verweist

er ausdrücklich darauf, daß nach Augustinus die Dämonen wie

Diana menschliche Körper zn entrücken vermögen.*2) Roch deutlicher tritt die körperliche Vorstellung von dem auswandermden

Phautastikinn in einer Erzählung hervor, die Paulus Diacouus

zuerst aufgezeichnet hat, nnd die der Polphistor des Dominikaner-

Ordens, Vincenz von Beauvais, dem 13. Buch der vielgelefenen. Ehronik des 1227 gestorbenen Eistereiensers Helinand entlehnte nnd ilt fein Speculum naturale aufnahm.3)

Wie eingewurzelt die Seichtgläubigkeit in Bezug auf verwandte Wahnvorstellungen damals im Schoße des durch die

Ausübung des Prediger- und Ketzerrichteramtes für die Welt

so einflussreichen neuen Ordens der Dominikaner war, ersteht man ans weiteren Erzählungen dieses kritiklosen Thomas, der feinen älteren Zeitgenossen Eäsarius nach dieser Richtung womöglich noch übertrisst. gür feine Kenntnis wunderbarer Ge' schichten verweist er auf feine eigene Erfahrung, er fei 30 Jehre 1) Acta capitulorlirn generaliurn ord. Praed. I (ed. Speichert, 1898) ®. 83. Dieses Kapitel empfahl den Ordensbrüdern allgemein die Riederschrist vvn wunderbaren und erbaulichen Begebenheiten. 2) Dusii sunt daeinones, de quibus gloriosissirnus Augustinusin libro De civitate dei evidentissirne scribit, qui horninum viventium corpora ut Dyane subito ex hominibua rapiebant (vgl. vbell S. 29. Die Angabe über Augustinus stimmt nicht gauz,. Augustinus schreibt die Zähigkeit deu Dämonen allgemein zu, uicht dell Dusii; Thomas wirst De civ. des l. 15, c. 23 mit 1. 18, c. 18 zusmulucn). 3) Paulus Diacouus 1. 3, c. 34; Biuccuz 1. 3, c. 109: aus dem Muudc des Schlafenden fällst das Phantastifum iu F'vrul eines Wiesels" nnd den Weg, dell es nimmt samt deu Hiuderuiüell, erzählt der nach bcr Riietlehr des agieseis Erwachte als deu Inhalt seilles Traumes- Bgb «llch Divuhsius Earth. Opp. I, ©. ö33. (Das Bvlf dachte sich das Herunlschweisen der Seele meist iu Diergestalt, vgl. W- Herb, Der Werwolf 19,.Ankll-)--

207

Drittes Kapitel.

als bischöflicher Poenitentiar thätig gewesen1) und habe somit Gelegenheit gehabt, solche Dinge kennen zu lernen.

Er nnd-

sein Werk, das den Menschen die Vorbildlichkeit des Bienenstaats vor Angen führen, also durchaus lehrhaft sein wollte, sind eines der deutlichsten Beispiele dafür, wie eng der unter solchen, die DRitte zwischen theologischer Wissenschaft nnd dem Volk einnehmenden, kirchlichen Oberen verbreitete Wahn mit den Volks-

vorstellnngen sich berührte, wie sehr die letzteren eine Stütze erhielten nnd dauernd festwurzelten, weil sie sich des Beifalls der

mehrer, Berater nnd Seelsorger erfreuten. Sowohl Thomas von

Ehantimpre wie Eäsaritls von Heisterbach entfalteten eine besonders eifrige Thätigkeit als Beichtväter, nnd durch das ßateran-

konzil vom Jeihre 1215 war die jährliche allgemeine Ohrenbeichte in der Kirsche dnrehgeführt nnd allen Ehriften als strenge' Pflicht auferckegt worden2);

es liegt

uns schon mehrmals betonte

zn Tage,

daß die vom

verderbliche Wirkling

der alten

Poenitentialbücher nun noch übertroffen werden tunkte; in der häufigen Beichtprajis erhielt das Volk seitens seiner Seelsorger nicht etwa Belehrung gegen seinen Wahn, sondern wurde in

demselben nur stärker besestigt.

Solche ßehrer des Volkes haben

die • primitiven Volksvorstellnngen

mit dem Glanze kirchlicher

Autorität umkleidet, in Verbindung mit scholastischer Spekulation in die wirre sRenge von Unsinn DRethode gebracht nnd diese DRischnng als geistige Rahrnng dem unmündigen Volke dargereicht. Wessen sie ans diesem Gebiete fähig waren, foll noch;

ein letztes Beispiel illustrieren.

Die Tochter eines Grafen von Schwanenburg in Deutschland,, fo hatte Thomas von Ehantilnpre durch die bestimmtesten Ver1) l. 2, c. 29 am Ende: »expertas est, quia 30 annis in diversisregionibus vice episcoporurn Confessiones audiens.« Aus seiner Beichtpras'is war er auch über die Illcubi informiert: -Incubos duernones oppressisse ferninaa, alias venereia confabulacionibus ad concnbiturn allexisse, in confessione plures audivirnus« (l. 2, c. 56, er erzählt die BJarsälle eingehend; über die Zähigteit der Dämvjieu" Kinder zu zeugen, äußert er sich wie Wilhelmus Parisiellsis tritt» Eäsariusvben S. 14J), ' 2) Liea, Higtory of the auricular confeasiorl I, 2'27 ss.

208

Drittes Kapitel.

sichernngdl von Angehörigen des Franziskaner- und dos Domini-: kauerwrdeiis1) erfahren, wurde regelmäßig nachts für ein pQar Stunden von den Dämonen geranbt.*2) Einer ihrer Brüder, ein Riinorck, hielt fie eines Rachts ans Öeibeskrmften fest, aber

als die Stunde kam, wurde sie trotz seines Widerstrebens ans seinen Armen

entführt

Thomas

geht unter Berufung

auf

Ohrenzengen fo weit, zn behaupten, daß fein großer Zeitgenosse

lind eigener mehrer3), Albertus Magnus, sich in einer vor dem Bischos

von

Paris

veranstalteten

Disputation

»De

raptu

mulierum talium« ans dieses Beispiel berufen habe.4)

Wie

weit diefe Berufung zntrisst, können wir nicht feststellen.

Es

waren aber, wie wir schon ausführten, nicht die großen ^Reister scholastischer Shstenlatih welche dem Eindringen des Glaubens alt die Realität des menschlichen Ringes die Pforten der Wissen-

schast rückhaltlos össneten. Thomas van Aqnin schrieb damals eine besondere Abhandlung über die Entrückungen5), welche die nn-

entschiedene Haltung der Scholastik gegenüber diesem Wahn ossem bart. Er erörtert dann die grage, ob die Entrückung nur dem Geist oder auch dem Körper zn teil werde.

Er konstatiert

das Vorhandensein verschiedener Ansichten6), seine eigene De= dliktion führt aber nur zn dem Ergebnis eines »non liqueU;

für fein fpezielles Thema, die Entrückung des Paulus in den 1) »plenissirna fratrurn Predicatorurn et Minorurn attestacione percepi« 1. c. 1. 2, c. 56. 2) Iraucu stiegen übrigens nach diesem Autor besonders leicht, er feunt mehrere heilige Iungsrauen seiner Zeit, die wie ein Pfeil durch die ßiiste fliegen, wenn der Geist iiber sie kommt. (Kaufmann 1. c. 3.41 ss.). ©eine Gewährsmänner sind sast immer die eigenen CrchensgenviJun. 3) £luetis=Echard, Scriptores ordinis Praed. I, 164. 4) »Hoc exemplum mag. Albertus, frater ord. Praed, tlieologus, in disputatione Parisi bis adduxit, cum coram episcopo Parisiensi predicta questio de raptu mulierum talium moveretur, sicut ab illis fide plena percepimus, qui in disputacione fuerunt.e (Bgl. auch Petrus de Prussia, Vita Alberti Magni c. 50, 51, der sich gegen die Sagen wendet, irr denen davon die Rede war, daß Albertus selbst lllit däkllvarischer Hilfe geslvgen sei)5) Qnaestio XIII, De raptu. (Opera VIII, 79.5 sf.). 8) Art. 5, ©, 803: »Circa hoc est multiples opinio.e

209

Drittes Kapitel.

Himmel (2 Eor. 12, 2), schließt er sich der Rmsicht des Augustinus1) an, daß, da Panlus selbst nicht gewußt habe, ob er nur geistig oder auch körperlich entrückt worden sei, so auch nach ihm niemand das sicher ermitteln könne — die SRöglichkeit körperkicher Entrückung blieb also danach doch bestehen. Und die An-

lehnnng an die ältere kirchliche Autorität, die beliebte Krücke scholastischer Beweisführung, konnte später anch hier immer noch ausreichende Verwendung finden. Entschlossener lind vollständiger als in den beiden fragen

nach den Verwandlungen und dem fzckitge der SRenschen war der geistige Rückschritt, dell die fchoiastische Wissenschaft Unter der

Seitnng ihrer namhaftesten Führer in der (z’rage nach der Rblchk der Dämonen über das Wetter vollzog.

Hier bewies sie wieder

ihre llnfähigkeih den Wahnglanben des Volks zu besiegen, schon

in ihren Korhphäen während des 13. Jahrhunderts vollständig. Angnstinns hatte in seiner Erörterung über den ssisalm 77,

in welchem davon die Rede ist, daß Gott

durch die »angelí

also die Teufel, Wetter und andere Plagen über die

nuali« ,

SRenfcheu entfaudt habe, feine Ansichten niedergelegt.2) Die natürlichen Zweifel der Gläubigen an diesem Können der Dämonen werden nach seiner Ansicht durch das Buch Jeb widerlegt.3)

Das hatten allerdings die Väter ans dem Konzil zn

Braga, Agobard von schon und die anderen von uns erwähnten Zweifler überfeheu; das Volk anderseits wie die theologische Er-

baunngsliteratnr

hatte

seither stets

Dämonen weitergeglanbt.4)

an

die

wettermachenden

Anch hier ssel der Scholastik die

Aufgabe zn, das Können der Dämonen auf diefein Gebiete zu

ermitteln.

Ans den

theoretischen Erörterungen

des Thomas

1) Bgl. oben 6. 28. 2) Bgl. vben S. 13, 26, Auul. 3. 3) Legimus, diabolum potuisse etiam de coelo ignem immittere . . . ., lfuod diabolo tribuere nemo fidelium iortassis änderet, nisi sanctae scripturae autoritate legeretur (Opera VIII, 312). 4) Iiir Eäwrius v. .Heisterbach s. oben ©. J25. Thvmas Eantipratauus hat eilt ganzes Kapitel »De daemonibus aerem perturbantibus« (1. 2, c. 56). Der Glaube tnlu besvuders iu dem Liäuteu der Kirchenglvcleu bei Gewittern znlu Ausdruck. Historische Bibliothek.

Bd. xtt.

14

210

Drittes Kapitel.

von Aquino über die Kräfte der Dämonen ergab ssch, daß sie ltnr das nicht ansführeu können, was gegen die natürliche

Ordnung der Dinge direkt verstößt1), und dazu gehören allerdings Stürme Und Gewitter keineswegs.

Sn seinem Kommentar zum

Buch Sob erklärte Thomas denn auch bestimmt, daß die Dämonen

die 2uft bewegen, Winde nnd Gewitter hervorbringen können.2) Und Bona ventura rechnet das Wettemachen zu den regelmäßigen

Tätigkeiten der Dämonen.3) Daß diese Eingrisse in den Gang der Ratnr seitens der Dämonen wirklich erfolgen, bezweifeln

auch die heutigen Erklärer des Buches ÍIob katholischer Ejegeten nicht.4)

ans dem Kreis

Damit war denn aber selbstverständlich die Konsequenz zitgegeben, daß die Zauberer auch diese Kraft der Dämonen in ihren Dienst ziehen konnten, nachdem sie sich derselben durch

Die Scholastiker haben diese Konsequenz zwar nicht in den Kreis ihrer Erörterung einbezogen, einen

Pakt versichert hatten.

da sie sich eben nur theoretisch mit dieser $rage befassen; aber die Einschnürung des alten Wahnglanbens in den Panzer systematischer Theologie, die sich im 13. Jahrhundert vollzog, hatte

doch

auch

hier

wieder

eine Vorstellung verdichtet,

die

schon einmal im Begrisse gewesen war, vor den bescheidenen Ansätzen mittelalterlicher Kritik in Ranch auszugehen. Was nach diesen Ergebnissen der scholastischen Wissenschaft auf dem Gebiete der Dämonologie zur Anbahnung einer umfassenden Zauberer- uud Hejeuverfolguug noch fehlte, war 1) Summa 1. 1, qu. 110, art. 4. 2) -Necease est confiten., quod deo permitiente daemones possunt turbationes aéris inducere, ventos concitare et lacere, ut ignis de coelo cadat............... Venti et pluviae et aliae huiusmodi aéris perturbationes ex solo motu vaporum resolutorum ex terra et aqua fien possunt, unde ad huiusmodi procreanda naturalis virtus daemonis sufficit.« (*S. 95, Anm. 1). 3) Bonaventura, Compendium theologicae veritatis, De natura Dei 1. 2, c. 26: »Daemones .... morbos inferunt, tempestares concitant, in lucís angelos se transformant, magicae artes per eos fiunt (Opera, 1609, VII, 712). — Ganz ebenso c. 1450 Divnhsins Eartnsianus (Opera IV (1897), ©. 314 ss.). 4) Hagem der Teusel im Sicht der Glaubensqnerlen (1899) S. 8.

2ll

Drittes Kapitel.

unr das geistige Band, das alle diese einzelnen, von der Wissen-

schaft zergliederten nnd ganz oder zum Teil bekräftigten Sondervorssellnngen miteinander verknüpfte. Diefe Aufgabe haben sich die Shstematiker der Scholastik nicht gestellt, ihre ßösnng fiel vielmehr den 9Rännern der gerichtlichen Praxis zu, die aber zu

ihrem Berufe durch scholastisch-kanonistische Schulung vorbereitet wareu. Daß bei der inneren Verwandtschaft aller diefer Vorstellnngeu, die sämtlich in dem Können der Dämonen nnd in

den nahen Beziehungen zwischen DRenfch nnd Dämon gipfelten, einem geistlichen Richter, der einen Vrozest gegen Zauberer zn führen hatte, ganz von felbst Brücken der Wahrscheinlichkeit

sich darboten, die von der einen der Vorstellungen zur anderen hinüberführten, liegt zn Tage.

Die Kanonisten, die nicht von

der Theorie,

dem Können der Dämonen, sondern von der Praxis, den den Zauberern im einzelnen fjalle impntirten Handlnngen, ans an diese folgen herantraten, empfanden es nnbeqttem, daß ihnen die systematische Scholastik den Boden nicht völlig geebnet hatte. Einer der berühmtesten von ihnen, Jehlnnl Andreae, bedauert einmal nm 1340, daß Thomas von Aquino

wohl eingehend über Zauberei gehandelt, sich dabei aber über

die für die Prajns so wichtige Jeage, wann die Zauberei ketzerischen Eharakter besitze, nicht geäußert habe.1) Diese wichtige

Typice autem maléficos heréticos possumus accipere« (Kvntnientar zu Exodus, Colon. 1532, ©. 566). Ahnlich c. 900 der Canon Episcopi (’ S. 38, Z. 8). 2) Bgl. die weiter unten angeführte Anßernng des Zanchinns. 3) Bgl. vben S. 51, Annl. 5. 4) ©ie kommt c. 1220 anch inl Sachsenspiegel znnl Ausdruck (vgl. Kapitel 5); vgl. anch unten ©. 2.39 ss.

Biertes Kapitel.

217

Es kam ans diesem Wege dahin, daß, wie wir iln einzelnen noch erörtern werden, die Zauberei im Sauf des 14. Sschrchnndercks der Riehrzahl ihrer Bethätignngen nach unter die Kompetenz

der Ketzergerichte,

der päpstlichen Jeiqnisition,

gezählt wurde.

Sobald das aber einmal geschehen war, war für den weitern Gang der Entwicklung jenes besondere Verfahren ausschlaggebend, welches die Ketzerinqnisition gemäß den Bestimmungen ihrer Be-

gründen' befolgte.*1) Der nenbestellte päpstliche Jetqnisitor hatte, nm das Zusammen-

wirken von geistlicher Und weltlicher Gewalt zn sichern, sich zn-

nächst an den Sandesherrn, in dessen Gebiet er seine Thätigkeit eröffnete, zn wenden lind ihn zn ersuchen, ihm für die Sicherung feiner Perfon, die Verhaftung der Verdächtigen und die E¡re-

klltion feiner Urteile den weltlichen Arm zn Verfügung zn stellen, überhaupt den Anweisungen, die er für erforderlich hielt, fschlge

zn leisten.

War das geschehen — nnd das loar die felten ver-

letzte Regel — fo bestanden die weiteren äscheren Rfastnahmen darin2), daß der Jelqnisitor durch Vermittlung der Pfarrer des

Bezirks das Volk in eine Predigt entbieten liest, deren Besuch für

alle Anwefenden den Vorteil von 40 Tagen Ablaß brachte.3) Jet dieser Predigt forderte der Jelqnifitor alle Geistlichen nnd fíaien des Bezirks ans, ihm binnen wenigen Tagen bei Strafe der EJ-

kommnnikation alles anznzeigen, was sie über Personen wußten, die ihnen als Häretiker bekannt oder verdächtig waren, die gegen die Sakramente der Kirsche oder Glaubensartikel sprachen,

die in ßeben nnd Sitten sich vom Herkommen der Gläubigen Bgl. siir das Zvlgende E. Henner, Beiträge zur Crganisativn nnd Kompetenz der päpstlichen Ketzergerichte (1890) 243 ss.; Hinschius, Kirchenrecht V, 481 ss. Aus die Bedeutung des Ingnisitivllsversahrens siir die Bermehrnng der Hcjrenprvgessc hat zuerst Thvnlasius, Disputatio de origine ac progresan procesarla inquisitorii contra sagas (Diss. vvn I. P. Jestll, Halle 1729) nachdrücklich hingewiesen. Er ist aber iln Irr= tum, wenn er meint (©. 3): »processlim antem iinsuisitorium contra sagas incepisae delnum aub finem seculi decimi quinti«, d. i. mit der He,renbnllc Papst Inllveellz’ VIII. vvln Iahre 1484 (ebd. ©. 18). 2) Ich gebe iic hier: rrach Ehnleriens Dircctorium Pars III. 3) Hinschius V, 460, Alun. 5. 1)

Bierteö Kapitel.

-ly

entfernten, die Dämonen anriesen und ihnen opferten.

Diese

Dennnziationspflicht erstreckte sich auf alle Glieder der Kirche, also auch ans Eltern nnd Kinder, Geschwister nud sonstige Verwandte.1) Die Aufforderung wurde auch au den Kirchenthüreu angeschlagen: wer fie nur hörte oder las, deu erfreuten

drei Jelhre Ablast, wer ihr golge leistete, wurde mit drei weitern Jelhrcn belohnt.

Deu Ketzern uud Teufelsaurmferm selbst wurde

aufgegeben, sich binnen SRonatsfrist freiwillig zu melden, sse er-

hielten für diesen $all gnädige Behandlung zugefschert.

Rach

Ablauf des Gnadenmonats ordnete dann der Jelquisstor die in

der Regel zahlreich eingelanfenen Denunziationen uud eröffnete das speziell für deu Ketzerchrozest erfundene ansnahmsweife und fnmmarifche Verfahren, indem er die ssierfouen, deueu er Au-

zeigen verdankte, unter Eid ihre Ausfagen wiederholen uud demgemäß dann die Beschuldigten verhaften liest. Der Generaliuquisitor Echmericus, der Verfasser des wichtigsten Seitfadeus für KetzerrschterZ des Directorium inquisitorum aus dem

Jelhr 1376*2) ist aufrichtig genug, zu erklären, daß die Denunzianten ganz allgemein zu äußern pflegten, sie erstatteten ihre Anzeigen nur ans furcht vor der angedrohten Eickommnnikation. Deren folgert waren ja in der That höchst unangenehme: abge-

sehew von dem Ausschluß der Gebannten von der Kirche, war

den übrigen Ehristen der Umgang mit Exkommunizierten streng Untersagt, und wer Sahr und Tag ei'konimnuiziert blieb, ohne die Wiederaufnahme in den Schoß der Kirche nachzufnchen, der

wurde selbst als Ketzer betrachtet nnd verfolgt.

Das Verfahren beim Jetqnifitionsprozest fah, wie schon angedeutet wurde, von der alten Acenfation fo gut wie ganz abDie beiden regelmäßigen Verfahren waren vielmehr das Dennnziationsverfahren, bei welchem der Denunziant' unter Eid vor Rotar und Zengen feine SOlitteilungen machte, die nachher dem Angeklagten (aber ohne Rennnng des Denunzianten) vorgehalten

wurden, oder das eigentliche Jelqnifitionsverstlhrew welches ein­

1) Hinschuls 1. c. V, 481. 2) Bgl. nuten S. 233 ss.

219

Biertes Kapitel.

geleitet wurde, wenn keine förmliche Denunziation, sondern nnv allgemeinere Angaben dem Jelqnifitor zngingen, welche bewiesen, daß jemand im Rufe der Här'esie stand. Beide SRale eröffnete der Jetqnisstor, in dessen Händen alle fzmden zttsammenliefen,. das bezeichnete fnmmarifche Verfahren dann ex officio.

Das wefentliche Ziel des weitern Verfahrens bestand darin, ein Geständnis des Beschuldigten oder Verdächtigten herbmzn-

führen, ohne welches eine Verurteilung nicht erfolgen konnte1).

Ehmeriens führt eine ganze Slnzahl von niedrigen Mitteln an, dnrch Welche — fei es auf dem Weg der lügenhaften Drohung

oder der falschen Vorspiegelung nnd der Verheißung — der Inquisitor dem 9'lngeklagten ein Geständnis zn entlocken der-

suchen solle.

Auch die Aussagen des Augeschnldigten über sich

selbst hatten stets unter Eid zn erfolgen,

mit dem von der

Jetqnisstion überhaupt der größte SRistbranch getrieben wurde. Das Hanptmittel zur Erwirkung eines Geständnisses war nnd blieb aber die Jellter, die schon vorher gelegentlich angewendet,

von Papst Snnocenz IV. im Sahre 1252 nnd von Papst Elemens IV. im Jehre 1265 ansdrücklich anerkannt nnd dnrch die

Elementinen endgültig

in den Ketzerprwzeß eingeführt wurde*2),,

allerdings in der $orm, daß der Jeiqnisstor zn ihrer Anwendung der Zustimmung des zuständigen Bischofs bedurfte, dessen Rat

auch bei der Auslieferung au deu weltlichen Arm nnd bei der

Verhängung lebenslänglicher Kerckerftrafe eingeholt werden musste. Die Bischöfe haben aber allgemein den päpstlichen Inquisitoren in Bezng ans ihr eigentliches Gebiet, den Ketzerprwzefz, keine Schwierigkeiten gemacht, sondern sie schalten lassen, wie sie für gut fanden. Bestimmte Regeln, wann zur Anwendung der

Folter geschritten werden sollte, bestanden nichts man erklärte ausdrücklich, daß hier die Diskretion des Richters zn entscheiden habe, dessen Überzeugung von der Schuld des Beklagten alfo

1) Bgl. Mvliuier, L’inquisition dans le Midi de France S. 311 ss. 2) Bgl. vbeuS.llOs. und c. 1 Clern. 5, tit. 3. — Mall betrachtete die Häresie als Crimen laesae rnajestatis (livinae und wandte aus sie die Bestimmungen des römischen Rechts über die Ivlterung vvn Auges tlagteu wegen Majestätsverbrechcu au (vgl. Üca 1. c. I, 421).

220

Biertes Kapitel.

ausschlaggebend war.

Sowohl Zeugenaussagen als Indiciel! bei

rcchtigteu zu ihrer Anwendung, und zwar gegen Alt nnd Jenig, Reich nnd Arm, Hoch und Riedrig, da es sich hier- uni das

wichtige negotium fidei handelte. Galt es im allgemeinen als Regel, die Folter nicht zn wiederholen, wenn nicht etwa itene Verdachtsmomente entstanden waren, so hals inan sich gegen-

über widerstandsfähigen Angeklagten damit, daß inan eine zweite und dritte Folterung als gortfetznng der ersten, nicht als eine neue bezeichnete. Reben der Folter im eigentlichen Sinne bediente

man sich zur Herbeiführung von Geständnissen mit gutem Erfolg

beliebig langer Unterfnchnngshaft in den qualvollen Gefängnissen, deren Wirkling nach dem Ausspruch eines bewährten Ketzerrichters hänssg die Ablegung überraschender Geständnisse war.1) War dann ans diesem selten versagenden Weg durch die

fast schrankenlose gerichtliche Vollmacht des Inquisitors das Geständnis herbeigeführt, so handelte es sich um die Festsetzung

der Strafe. Die Bestrafung der reumütigen, zum erstenmal vor Gerücht stehenden und zur Abschwörung ihrer Irrtümer

bereiten

Ketzer

übernahm

die Kirche

selbst :

fie

legte

die

Pflicht zn Wallfahrten oder zlnn Tragen von Bnstkrenzen ans * den Kleiderit ans oder verurteilte zn Gefängnis anf kürzere oder

auf Lebenszeit ; diejenigen aber, welche dem Vertreter der Kirche als

hartnäckige nnd nnbnstfertige oder als rückfällige Ketzer erschienen, lieferte er dem weltlichen Arm ans, damit dieser ste mit der gebührenden Strafe, d. h. der Todesstrafe, belege. Denn feit

dein 13. Jahrhundert war endgültig die Ketzerei wieder, wie

früher in dem christlich gewordenen Rölnerreich des 4. Jelhrhnndercks nnd int Reich der Westgoten, als ein kirchliches nnd todeswürdiges weltliches Verbrechen gekennzeichnet.*2) Bis nm das Jehr 1000 war der Abfall vorn Glauben ansschließlich als kirchliches Verbrechen aufgefaßt nnd war durch die

1) Bern. Guidvnis, Practica inquisitionis (ed. Dvuais) ©. 302. 2) I'iir das folgende vgl. besonders Inder, Die gesetzliche Einsiihrllng der Todesstrafe für Ketzerei, in Mitt. d. österr. Iustit. I, 179 ff(vgl. I, 430) und 3-rensdvrsf ill Hans- Geschichlsbb 1876 S. 108 ss.; I. Habet, L'hérésie et le bras séculier au Moyen-Age (Oeuvres H, 117 ffh; Hinschius 1. c. IV, 790 ss., 844 ss.; V, 378 ss.; Sea I. c. I, 534 fs.

221

Biertes Kapitel.

kirchlichen Organe allein bestrast worden,

also, da die Kirche

grundsätzlich keine Todesstrafe verhängte, höchstens mit Exkomnnnlikativil und lebenslänglicher Einsperrung. Die staatlichen Ge-

walten hatten bis dahin im allgemeinen Toleranz ans dem Gebiet

religiösen Glaubens geübt. Sm 11- Sahrchnnderck war aber der kirchliche Geist ties genug in die weltlichen Gewalten eingedrnngen, nm sie mit ausreichendem »pins rigor«: gegen die Ketzerei

zu beseelen und zur Verhängung der schwersten weltlichen Strafen

über die Ketzer zu veranlassen. Gelegentlich zeigte sich nm diese Zeit auch das Volk so sehr vom Eifer für die Kirche durchdrungen,

daß

es

ohne

förmlichen Prozeß

durch ShnchjustiF

gegelt die Ketzer — ähnlich wie es srüher schon bei Zauberern

vorgekommen war — dem zaudernden weltlichen Arm zuvorkam.1) Die weltlichen Gewalten gingen bei der Ausnahme der Ketzerei in ihr Strafrecht aber keineswegs übereinstimmend vor. Zn den nördlichen Gegenden, in den ßändern französischer und deutscher Zunge', legten sie eine größere Schärfe an den Tag,,

als in den südlichen, den Ländern provenealischer, katalanischer und italienischer Zunge. Während sich in jenen, ohne daß die Gesetzgebnng ausdrücklich bestimmte Strafen normierte, gewohnheitsrechtlich die Todesstrafe für die Ketzer ansbildete, gestaltete sich

in diesen die Sache so, dast nm das Jelhr 1000 zwar auch hier einige Hinrichtungen vorkamen, dann aber von etwa 1030

an anderthalb Sahrchnnderte hindurch eine ziemliche Toleranz, geübt, und nm 1180 Gesetze erlassen wurden, die in der Regel nur dauernde Sandesverweissing nnd Güterkonssskation über die Ketzer verhängten.

Die im Rorden übliche Art der Todesstrafe für Ketzer war in Frankreich von vornherein (1022) nnd gemäß einer Besinnmnng des Königs der Scheiterhaufen, während in Deutschland zunächst der Galgen (1051) nnd erst allmählich, über die Rheinlande vermittelt2), anch der Scheiterhaufen üblich wurde. Die

lebendige

Verbrennung

war,

wie

wir

wissen,

eine

Strafe, die nach altem römischem, nach falifchem nnd anch ein1) Havet t. c. 135 (vgl. Oben s. 119). 2) In Köln 114.3 Lynchjustiz, 1163 förmlicher Prvzesz; 1160 iu Bvilu.

222

Biertes Kapitel.

zellten andern Rechten seit jeher deut tödtenden Zauberer luid dem Gistmörwer drohte; in Sachsen wurden in heidnischer Zeit anch die angeblichen Strigen verbrannt, wie KarPs des Groszen

Kapitnlar erweist.1)

Daß

der Jenerwd an gewissen Stellen

als Ketzerstrase ursprünglich deshalb gewählt worden ist, weil

man ans diese Weise die nahe Verwandtschaft zwischen Ketzerei und Zauberei habe zum Ausdruck bringen wollen*2), läßt ssch nicht erweisen, aber es sprechen doch mancherlei Umstände dafür. Die in Orleans im Jeihre 1022 verbrannten Ketzer sind die 'ersten,

bei denen die Art der Todesstrafe durch die Duellen

überliefert ist. Sn SRittelfrankreich war allerdings im Sahre 834,

wenigstens im burgundischen Gebiet, die Ertränkung der übliche Todesarck der DRalefiei3), aber vom 9. Jahrhundert ab drang,

wie bereits bemerkt wurde, das fränkische Recht immer stärker in die übrigen germlauifch-romanischen Rechte ein, nnd dieses

kannte den Verbrennungstod für Zauberer.

Hier wäre dem-

nach die Möglichkeit einer Anlehnung von vornherein nicht ab-

Fuweifen.

Wahrscheinlich

ist aber die im rohen DRittelalter

überhaupt und namentlich bei Verbrechen mit religiöser fzmrchnng nicht feltene Jenerstrmfe gegen Ketzer anch deshalb gewählt

worden, weil sie die schmerzhafteste ist4) nnd zugleich eine vollständige Vernichtung des Körpers bewirkt; der Geist der Ketzergerichtsbarkeit offenbarte von vornherein feine unmenschliche Rohheit besonders anch dnrsch das Wüten gegen die Körper

der Ketzer; schon im Jeihre 1022 in Orleans, alfo bei einer der frühesten Verfolgungen, wurde anf Befehl des Bischofs die

1) Bgl. oben 6. 51, 55, 56, 60. 2) ©v allgemein Inder 1. c. S 181; Havet I. c. S. 131. 3) S. vben S. 115; also anscheinend auch der männlichen Zanlberer. Z'iir Jeanen (welche mit Zaubereien mehr als die Männer in Berbindung gebracht wurden) blieb überhaupt: das Ertränken eine beliebte Hinrichtnngsart, während sie bei Männern seltener angewendet wurde. Zn Straßburg 1353 nnd in Basel 1407 ist üe ausdriiellich al'o die siir Zauberinnen übliche Ivrm der Hinrichtung bezeugt (vgl* nuten Kap. 7 nnd * Abschnitt VI ll. a. 1353, 1407). 4) Aus diesem ©runde war sie anch in römischer Zeit schon gelegene lich gegen Manichäer angewendet wurden (vgb vben ®- öl, Amw ö)-

Biertes Kapitel. Seiche eines vor drei Sichren

223

beerdigten Ketzers altsgegraben

nlld profaniert.1) Wie deln aber auch sei, in der zweiten Hälfte des 12. Jeihrhunderts war die Verbremttlng in Rordsrankreich wie in Deutschland gewohnheitsmäßig die übliche Strafe für die Ketzer, niid die Kirsche gab fich von da ab alle 9Rühe, einerseits die mildere

füdliche Praxis durch die schärfere nördliche zn ersetzen, anderfeits überall die Sicherung der letzteren durch die förmliche

Gesetzgebung herbeizuführen. Das gelang ihr denn anch votn Jehre 1200 ab: Jentocenz III., der den Höhepunkt kirchlicher iRacht des DRittelalters verkörpernde Papst, hat anch auf diesem Gebiete die großen und dauernden Erfolge angebahnh und Gregor IX. hat die Früchte der Bemühungen feines Vorgängers gepflückt. Sm Jehre 1198 bestimmte ein Edikt des Königs Peter

für Aragon und Barcelona Verbannttng der Ketzer und Verbreininug für diejenigen von ihnen, welche diesem Edikt nicht $wlge

leisteten. Sn Frankreich verfügten Ordonnanzen der Könige ßndwigVIII. und Sndwig IX. ans dem Sahre 1226 und 1228 den Scheiterhaufen als Strafe für die Ketzer.2) Jet. Kaiserreich endlich wurde durch Konstitutionen grüedrich’s II., des aufgeklärten Kaisers,

der, ein Vertreter eigner freier Anschauungen nnd selbst später vom Papst als Ketzer verdächtigt, doch ans politischen Gründen der Kirche die Mittel ztnn Kampf gegen die Ketzer darbot, im Jelhre 1224 für die ßornbardeh 1231 für .Sizilien, 1232 für

Deutschland, endlich 1238 noch einmal für das ganze Reich die Verbrennung als die weltliche Strafe für Ketzer bestimmt, alfo

reichsgefetzlich feftgefetzt nnd gefordert.

gür Deutschland sank-

tionierte der Kaiser gleichzeitig das mit den bisherigen Gewöhnheiten im Widerfprnch stehende Verfahren der .Inquisition ausdrücklich. Die Aufspürung nnd Aburteilung der Ketzer fiel also von

jetzt ab an Stelle der alten ordentlichen Richter, der Bischöfe, den befondern vom Papst bevollmächtigten Jetqnifitoren, den Ketzer­ 1) Havet S. 131, Anuk. 3 (nach Ademar v. Ehabaunes III, 59); ähnlich 1209 (ebd. 142).

2) Havet 1. c. S. 1G9.

224

Bierws Kapitel.

richtern ans dem Dominikanern nnd 5ranziskanerl)rdenz ttehntlich zll.

Seit diesen

vor-

ans päpstliche Anregung erlassenen

und von den Päpsten Jetnocenz IV. (1252 nnd 1254), Alejrander IV. (1258) nnd Elemens IV. (1265) ausdrücklich apprmbierten Ketzergesetzen Kaiser gnedrsch’s II. war es die von der

kanonistifchen Schule überall nnd allgemein angenommene Sehre,

daß der

von der Kirche

verurteilte hartnäckige

oder nnbnst-

fertige Ketzer dein weltlichen Arm zur Verbrennung überliefert

wurde.1)

Die gleiche Strafe erwartete den rückfälligen Ketzer,

auch dann, wenn er reumütig war nnd bereit, feine Ketzerei

wieder abzttfchwören.

Rnr die Sakramente gestattete man ihm in

letzten« fyall großmütig vor der Hinrichtung. Die übliche Schlußwendnng der Urteile, eine Bitte an den weltlichen Arm nm

Schonung des Verurteilten an 2eben nnd Gliedern, war nnr eine heuchlerische Phrafe, da die Verbrennnngsstrafe für die von der Kirche als rückfällige nnd hartnäckige Ketzer der weltlichen Gewalt

ansgeliefercken Perfonen eben anf Veranlassung und unter 9Ritwirkltng der Kirsche festgestellt worden war nnd im Weigerungsfälle von der Kirche durch Ejckomnnlnikation nnd Interdikt der Vertreter des weltlichen Arms erzwungen wurde; diese Zwangsmittel verfehlten in einer Zeit, wo das Seben durchaus von der Kirche

beherrscht und das religiöfe Bedürfnis der Menschheit nnr durch kirchliche Eereinonien nnd Riittel zn befriedigen war, felten ihre

Wirkttng. Jene Wendnng war alfo nichts weiter als eine formelle Verbeugung vor dem prinzipiell aufgestellten Satze, daß die Kirche nicht nach Blut dürfte, kein Blnt vergieße nnd bei der Ver-

hängnng von Todesstrafen nicht unmittelbar beteiligt fein wolle. Den bußfertigen Ketzer traf die erwähnte arbiträre Strafe bis zuin lebenslänglichen Gefängnis bei Wasser nnd Brot in den

1) Elnnerieus bezeichnet es 111,9,40 als »universalis reipublicae christianae consuetudo, quod Friderici lege cauturn est.< Die Ketzergesttze Z'riedrich’s II. wurden für Deutschland vvu Kaiser Heinrich VII. im Iahre 1312 ulld vvn Kaiser Karl IV. ink Jehre 1369 bestätigt. Berllard Gllidvuis ill seiner Practica inquisitionis (ß. 203) empfahl den Inguisitvreu, stets Abschrift dieser weltlichen Ketzergesepe bei sich zll sühreu.

2'25

Biertes Kapitel.

jammervollsten Gelassen, deren grausame Wirhntg ans die Verurteilten die Sentenzen der unerbittlichen Richter selbst durch die melancholische Wendung von dem "Wasser der Trübsal' *

und dem "Brot der Bedrängnis" auzudeuteu pflegen. Jedem Ultlt die Jetquisitiou im Verlauf ihrer Ketzerver-

folguilg dazu überging, die Zauberei unter die Ketzerei zu rechnen — woran noch Kaifer Friedrich II., wie fich deutlich erweifen läßt, gar nicht dachte1) —, wurden auch die Zauberer dieser un-

menschlichen Gesetzgebung unterworfen.

Um der weltlichen Ge­

walt Veranlassung zu geben, über sie die Todesstrafe zu verhängen,.. war alfo seitdem nicht mehr, wie bisher, eine ssirozestverchand-

lnng vor dem weltlichen Gericht und nach dem für das weltliche Recht maßgebenden Gesichtspunkt der verursachten Schädigung oder auch des Religionsfrevels erforderlich, sondern, wenn die Ketzer­

richter ihrerseits einen Zauberstr der eigenen Prozedur unterworfen, und dabei ermittelt hatten, daß er ein dein weltlichen Arm anszn--

liefernder Ketzer war*2), so hatte die weltliche Gewalt lediglich die Pflicht, ohne selbständige Prüfung des Tatbestandes ihn denr Scheiterhaufen zn überantworten.

Als Ketzerei qualifizierte Zart-

berei war alfo nicht mehr einDelictnm mixti fori im alten Sinne.3)

Und es waren von nun ab die beiden Orden der Dominikaner nnd der Franziskaner, die als nene Eiferer auch auf diesem Gebiete auf deu ssilatt traten. Es ist aber charakteristisch genug“

für die allgemeine Verbreitung der Zauberei, daß die Geuerab kapitel dieser beiden Orden4) eben fetzt bei Beginn des Kampfes. Stellung gegen den Gebranch von Zanberchtichern im eigenen: Hanfe, gegen die Beschäftigung ihrer Angehörigen mit Alchemie, 1) Seine Kvllstitutivll für das Königreich Sieilien vvul Iahre 1231 behandelt die Ketzerei ill Buch I, tit. Z dagegell die Maleficien al§ weitfiches Bergehell ill Buch in, tit. 72, 73 nnd kennt die Berbrennung als Strafe sirr sie nicht (vgl. unten Kap. 5). 2, Also Hartnäckig vder riietsällig. H Bgl. die Ausführungen aul Ende dieses Kapitels, H Das Geueralfapitel des Eistereiellservrdeus hatte im Iahre 1185 scharfe Bestimmungen gegell die Ausübung vvlk Wahrsagerei durch die Ordensbrüder erlassen müssen (vvlstell, Codex regularía II, 462). Historische Bibliothek.

Bd. xii.

fr".

22G

Biertes K apile!.

Rekromantie, Divination, JelCantatio nnd Anrufung der Da' motten zu nehmen fich genötigt fahen.si Es ist hier’ nicht der Crt, den Kvtzerverfolgnngen im allgemeinen unfere Anfmerckfamkeit zu schenken; wir haben vielmehr

nttr zn erörtern, wie infolge der durch die spürende Thätigkeit der Jelqnisstoren bewirkten Denunziationen nnd durch fonstige

Ermittlung von Zanbererm. die Snqnifition fich mit diesem Ver-

gehen abfinden mtlsste.

Aber wir müssen doch,

bevor wir in

diese Erörternng eintreten, einige Vorstellungen gleich hier ins Ange fassen, welche durch die Verfolgungen der dogmatischen Ketzer

lebendig wurden, im Prozeß gegen die hartnäckigen Härenen während des 13. Jahrhunderts allmählich immer feftern Boden

gewannen nnd dann, als man fich gewöhnte, die Zauberei als Ketzerei zn betrachten, auch mit ihr verknüpft wurden. Während

fie anfangs noch durchaus getrennt waren von dem Vorstellnngskomplex der Zauberei, verlnifchteli fie fich allmählich eben durch

die ^ßrmi'is der Verfolgung vom 14. Jahrhundert ab mit diesem, bildeten einen immer wefentlicheren Bestandteil desselben nnd

verblieben bis znm Schlnffe der Verfolgung unzertrennlich mit ihm in Verbindung.

Es kommen zwei folchcr Vorstellungen in Betracht: die des Ketzerfabbats, der fog. synagoga Satanae, nnd die bereits

näher von ttns erörterte von der ^ortbewegnng von Menschen durch die Stifte, nnd zwar nm an diefem Sabbat teilznnehmen. Der Fanatismus der Ketzerverfolgnng hat fich niemals von der phantastischen Vorstellung trennen können, daß die

Ketzer — welche eben durch die Verfolgung gezwnngen wurden, fich heimlich nnd beim Dunkel der Reicht zn ihren Gottesdiensten ztt vereinigen — bei diefen heimlichen nächtlichen Zusammenkiinften den christlichen Gott nnd die Sakramente verhöhnten, dem in irgend einer Gestalt unter ihnen erscheinenden Teufel

1) Der Dvnlinifallervrden auf dem Geueraltapitel vom Iahre 12^6 ll. ö.; vgl. syinke, Uugedrllrfste Dvluiuiiauerbriefe des 13. Iahrh- S 44 und Acta capitulorurn generaliurn ordinis Praedicatorurn I, (ed. Reichert, 1898), 170; der Irauzislauervrdeu aus dem Geueralfapitel vom Iahre 1312 (Sea in, 452).

227

Biertes Kapitel.

ihre Verehrung bezeugten, tanzten, schmausten und rituelle UuZucht verübten- ?lnch die grösste Sittenstrenge einzelner von der orthodoxen Bahn abweichender religiöser Richtungen hat sie doch vor diesen Vonvürstn nicht zn schützen vermocht.

Es ist das, wie wir bereits erwähnten, ein Vormntrss den anfänglich die Römer den ersten, in den Katakomben sich versammeln-

den Ehrästen gemacht haben: sie sollten dort Kinder schlachten und sich geschlechtlichen Ausschweifungen hingeben.1) liche Kirche hatte ihrerseits ebenfalls schon

Die christ-

in römischer Zeit

diesen Vorwurf gegen die SRanichäer erhoben; im RHttelalter erhob sse ihn zunächst gegen deren Rachfolger, die Katharer, lind

demnach

wurde

er

auch

gegen

die

gegen

die

Waldenser;

Hugenotten in

in

Frankreich

der

Reuzeit

nnd gegen

die Puritaner in England benutzt, auch heute taucht er in mittelalterlich gerichteten Köpfen von Zeit zn Zeit wieder alss,

wenn den frommen Ehristen Abschen vor der Freimaurerei und ihrer "Schwarzen R?esse" eingeflöstt werden soll — es ist eben

ein historisch bewährtes Kampfmittel der Orthodoxie gegen das

Geheimnis, mit dem fich im Jetteresse der Sicherheit religiöse Rl'inoritäten zn umgeben pflegen.

Sn der mittelalterlichen Ketzerwerfolgnng wurde die Vorstellttng sofort beim Beginn der Verfolgung der mit den Riani-

chäern identifizierten Katharer lebendig, welche ihren Kult mit mancherlei Rihsterien umkleideten nnd infolge ihrer dualistischen Weltanschauung die Beziehungen der SRenfchen zn den böfen Geistern befonders lebhaften Erörterungen unterzogen. So wird

fchon im Sahre 1022 über die erste Verfolgung von Katharern in Orleans von den orthodoxen Gegnern berichtet, daß in ihren Verfannnlnngen Ehrsstns verleugnet nnd unnennbare Schandthaten der Unzucht verübt wurden. Der Teufel erschien, wie die Verfolger festgestellt hatten, getreu seinem von der Christ--

lichen Sehre ermittelten Eharakter, der ihn dazu treibt, in ver-

ftockter Bosheit immer darnach zn streben, als gottähnlich be­

1) Th. Mvmmsen, Der Religivnssrevel nach römischem Recht (Histvr. Zeitschr. 64, S. 394); vgl. auch vben S. 2l. 15*

228

Biertes Kapitel.

trachtet Und von den sRenschcn verehrt zlt werdest, in diesen Versammlungen persönlich, nnd zwar bald als sRohr, bald als lichter Emgel; er wurde altgebetet und spendete dann den Auewesenden als Anerkennung reiche Geldmittel.1) Über diese großes Anffehen erregende Ketzerepisode in Orleans waren nm das Sahr 1100 schon weiter ansgeschmückte Berichte im Umlauf. Darnach war dort der Teufel in Tiergestalt erschienen, die Sichter wurden ausgelöscht, allgemeine Unzucht verübt nnd ein Kind

verbrannt*2), dessen Asche mit andern Speifen vermischt gegessen

wurde nnd fo als eine Art von Wegzehrung für Sterbende, zugleich aber als ein geheimnisvoll wirkendes SRittel diente, das die Teilnehmer dauernd an ihre Ketzerei fesselte.3) Um das Jehr 1190 schrieb der in Frankreich lebende Eng-

länder Walter R?apes nieder, was er über die von den Kn= tharern4) veranstalteten Znfammenkünfte diefer Art5) ans den

Geständnissen Bekehrter erfahren hatte.

Sie versammelten sich

darnach beim Einbruch der Racht in ihren "Shnagogen" ; an einem an

Seik stieg dann eitl großer schwarzer Kater znr Gemeinde herab; sobald dieser erschien, der Decke

befestigten

1) Bgl. den Bericht des Zeitgenossen Adenlar von Ehabanues M. G. SS. IV, 143; 2ea H, 334; ffi, 495; s. auch ©ieseler, Kirchengeschichte II1, 357 ff. 2) vrnore paganorurn.e Dieser erweiterte, das Zeugnis vvu Angenzeugen anruseude Bericht stammt vom Mönch Paul von Ehartres (nm 1190), gedr. ilt Collection des cartulaires de France I (1840), S. 112 ss. (vgl. Einleitung S. 214 ssh. 3) In Bezug auf dieses Pulver sagt Adenlar nur: »pulverern ex mortuis puérils securn ierebat, de quo si quem posset communicare, mox Manicheum iaciebat.« 4) Sie wareu nach seiner Angabe sehr stark ilt Aquitanien und Burgund, etwas weniger in Anjou, fast gar uicht in der Bretagne nnd England vertreten. B) De nugis curialium I c. 30 (ed. Wright ©• 61). Er unterscheidet noch scharf zwischen Patarenern (oder Pnblieani) nnd Baldeßern (letztere sind idiotae, illiterati 7c., cbd. c. 31). über den Raulen Patarener s. Wctjcr-SSelte 2IX, 1596. Katharer = Patarener = Pnblieani in den Eanvnes des Sateranivnzils von 1179 (Z'rederieg, Corpus I, nr. 47); s. auch Schmidt, Lea Cathares II, 275 ss.

229

Biertes Kapitel.

wurden die Sichter gelöscht und jeder suchte den Kater als seinen Herrn zu küssen, vor allem an ekelhafter Stelle;

dann gab

allgemeiner Unzucht hin. 5lnf diesen Sabbat der Katharer wesst auch der nm 1203 gestorbene Alauns von ßille hin, indem er den Ramen Katharer von dem Kater ableitet,

man stch

in dessen Gestalt Snzifer ihnen erscheinen soll1); der Pariser

Bischof Wilhelm endlich schreibt um das Sohr 1230 von der zu seiner Zeit üblichen Idolatrie, Suzifer in der Gestalt eines Katers oder einer Kröte zn verehren und zu küssen.*2) Diese Vorstellung vom Ketzerfabbat fand also die um das

Jelhr 1230 lleneingerichtete Ketzeriuqnifition bereits ausgebildet

Sie übernahm diefelbe sofort Auf Grund der Berichte, welsche er von deu iu Deutschland thätigen JelquisitorelJu speziell

vor.

voll Konrad

voll

SRarbnrg,

erhalten

hatte,

befahl

Papst

Gregor IX. iu einer Bulle oom 13. Jelni 1233 dem Jetquifitor, dem Bischof von Hildesheim und dem Erzbischof von

R?ainz

das Kreuz zn predigen gegen die schlimmsten am Rhein und iu Rk'itteldeutschland verbreiteten Ketzer, deren Versammlungen eingehend geschildert werden.3)

Rach dieser Schilderung pflegte

der Teufel hier als Kröte und drosch zn erscheinen oder als

schwarzer, rückwärts eine Seiter hinabsteigender Kater, als wnn-

derbar bleicher und magerer 9Rann mit schwarzen blitzenden 1) Alanus de Insults, Contra heréticos libri IV, 1.1, c. 62 (Migue, Patrol, lat. 210, @p. 266): Cathari dicuntur a cato, quia, ut dicitur, osculantur posteriora cati, in cuius specie, ut dicunt, apparet eis Lucifer. 2) Guileimus Parisiensis, De legibus c. 26 (Opp. S. 80): Sic et idolatría nostri ternporis, sub forma cati nigri vel bufonis apparere permittitur Lucifer cultoribus et adoratoribus suis et ab eis exigere deosculationes, alteram abominabilem (videlicet cati sub cauda), alteram horrificani (bufonis scilicet in ore), ut ipsa abominatio et horror huiusmodi formarum eos a tanta vesania averted:. Wilhelm erklärt sich aus diese Weise die Zulassung von selten Gottes. 3) Ripvll I, S. 52 (bei Pvtthast Rr. 9230). Die Bulle hat nichts mit den Stedingern zu thull, aus die sie vst bezogen wvrden ist (vgl, Schll= macher. Die ©tediuger S. 223 ff.; Knltner, Konrad von Marburg S. 56. Bgl. auch Haupt in der Deutscheu Zeitschr. siir Geschichtswissenschaft I, 323, 292, und unten S, 240).

230

Biertes Kapitel.

Angen, endlich auch als halbleuchtender, halb suit Tjerhaareil bedeckter R?ann; die gallze Versammlnng drängte ssch zn den obseönen Küssen an die Tiergestalten heran, und nach der Rblhlzeit zur gröbsten, auch holnofejn! eilen Unzucht bei ansgelöschten

Sichtern.1)

Uni

das Sahr 1250 äußerte sich ein

schon mehrfach von nils erwähnter in Frankreich thätiger JeJu qnisitor ans dem Dominikanerorden näher darüber, wie diese

Vorstellung verbreitet Und Ausgangspunkt von Verfolgungen

wurde. Stephanus de Borbone, geb. nm 1190 in der Diözese Shon, ausgebildet ans den Schulen zn Ritacon und Paris, lind seit 1235 im Südosten Frankreichs als Inquisitor thätig, be-

richtet in seinem Werk über die sieben Gaben des hl. Geistes,

wertvoller Rachrschten enthält2), über den Sabbat, daß es Weiber waren, die in der Gegend von Elerdas

eine SRenge

mont,

in

der Auvergne und

im ßhonnais dem

forschenden

Jetqnisitor durch Vermittlung von Pfarrern und Bischöfen R?it-

teilnngen über derartige nächtliche Versammlungen machten und einzelne Teilnehmer bezeichneten.3) Ans den dogmatisch

ketzerischen Eharakter der Beschuldigten wird hier nicht weiter verwiesen, es wird nnr betont, daß man sich in dieser Weise tun den Teufel verfammelte nlld die nächtlichen Orgien feierte.

Trotzdem die Beschuldigten leugneten, waren fie anf Veralt-

laffnng der Kirsche gefangen gefetzt worden; der Jetqnifitor wurde

herbeigermfen, ltln die dunkle Sache zll klären. R?an steht hier deutlich, wie entgegenkommend fich die Organe der kirchlichen Autorität solch albernen Erzählungen gegenüber verhielten. An das Vorkommen derartiger Sabbate wurde eben traditionell von der kirchlichen Autorität geglaubt, und der Glaube war fo

stark, daß die Denunziation eines alten Weibes genügte, tun Unterfuchnngshaft über eine ganze Gruppe von Perfonen zn

verhängen.

Wie oft aber wird das Ergebnis fo leichtfertigen

1) Rach dem Bericht Alberich’s voll Trvis-Jentaines salid 1-33 auch »ultra Coloniarn quedarn synagoga hereticorurn« statt, >ubi responsa dabat imago Luciferi« (M. G. SS. 23, 931). 2) Bgl. oben S. 136, Allm. 2, 137 s. 3) Anecdotes historiques 1. c. Ar. 366, 367.

231

Viertes Kapitel. Prozedierdls ein schlimmeres gewesen seilt,

als in dem von

Stephanus erzählten Jellle. Dieser Jelqnisitor, der überhaupt zil den weniger leichtgläubigen Rfänltern seines Jelches zählte,

entschloß sich in diesem galle an eine »diabólica ludificatio«

zn glauben; er sah nämlich, daß die Denunziation auch einen R?ann von gutem Rufe verdächtigte, dem er persönlich eine solche Schändlichkeit nicht zntrante-

Was sich aber so in der Phantasie der richterlichen Jetstanzen der Kirche während des 11.—13. Jehrhnnderts ans der

Verfolgung der Katharer entwickelt hatte, das wurde vom 13. Jahrhundert ab ohne alle sachlich begründete Veranlassung auch den Waldensern ilnpntiert, delt "Armen von schon". Diese christliche Sekte verdankt ihren Ursprung (nm das Jerhr 1170) dem Protest gegen die immer stärker als Glaubens-

zwangsanstalt sich entwickelnde, zngleich aber itt ihrem Klerus

immer

schlimmerer Sittenlosigkeit verfallende Kirche.

Diefer

Protest ergab sich naturgemäß aus der enthnsiaftifchen religiösen Stimmung der Zeit, die iu dell mannigfachsten Minderungen

zn

Tage

trat

und

befonders

der kirchlichen Hierarchie leugnete,

das

atlsfchliestliche

Öehranlt

sowie ans der vermehrten

Beschäftigung mit der Bibel, welche den kritischen Sinn gegen die Willkürlichkeit der kirchlichen Tradition und Schriftauslegitng

weckte. Die Sehre der Waldenser wird, wie sse thatsächlich grundverschieden war von der der Katharer, in den älteren literarischen Duellen, bei Walter SRapes, Alanus von Sille und

andern Zeitgenossen, auch in den Prozeßakten der südfranzösischen Inquisition ans der Rättc des 13. Jahrhunderts noch dent= lich getrennt vom Katharismns.1) An sich bot die Waldensische

itlehre in ihrer ursprünglichen Gestalt keinen geeigneten Anhaltspunkt für die Entwicklung

der Vorstellung eines vou ihnen

1) Bgt. die Litten des Iuguisitvrs Bernard vvli Eauj; ill Tvulvuse 1245/46; die Katharer heißen dvrn stets vhereticic, die Waldenser vVuldesiie. (Mvliniev, L'Inquisition S. tun ss.: Douais, Les hérétiques du comté de Toulouse 1245 (Paris ISnl) S. 5 ss.; vgl. auch I. Tvccv 1. c. 131 ss.; Hucf, Dvgmengeschichtlicher Beitrag zur Geschichte der BJasp derlser (1G)7; S. 4 sf.).

232

Bierstes Kapitel.

geübten

Satansdienstes.1)

Aber die

Waldenser nahmen

an

manchen Stellen die von den älteren Katharern geräumten Plätze ent; ihre Gegnerschaft gegen die herrschende Kirche beruhte znm Teil doch anf denselben Anschauungen, welche ihre Vorgänger vertreten hatten; mit ihnen wurden sie anf dem Satermnkonzil

vom Jehrc 1215 exkommuniziert und als todeswürdige Ketzer erklärt, und Vermischungen beider Systeme sind im Sans der Zeit häufig erfolgt; eine Anzahl von Prozessen der Jelqnisition mit den üblichen fragen

und Antworten anf der Folter ge-

nügten fomit, nm bei den Verfolgern die Vorstellung entstehen

zu lassen, auch die Waldenser, die mau mehr oder weniger mit den Katharern gleichstellte, pflegten diefen dämonischen Kult.

Da auch nach der Sehre der römischen Kirche felbft der Teufel dauernd damit beschäftigt ist, fein Reich dem Dieiche Gottes gegenüber anfznrichten — nnr im Unterschied von der Sehre der Katharcr unter ausdrücklicher Zulassung des über ihm stehenden Gottes, während diefe Teufel nnd Gott als gleichstehend nebeneinander betrachteten —, fo hat diefe Entwicklung nichts Befrem-

dendes, fobald man den krckiklofen Verfolgnngseifer der Ketzer-

richter nnd daneben die Thatfache in Betracht zieht, daß auch die Waldenfer ihren Gottesdienst forgfältig geheim zu halten gezwungen waren. Der nm 1265 schreibende Snqnifitor David von Augsburg

Er erklärt ansnicht daran, daß der von

zeigt deutlich, wie die Vermischung begann.

drücklich,

er

glaube

perfönlich

Vorwurf des Tenfelsdienftes nnd der Unzucht anf dem Sabbat richtig andern Zeitgenossen gegen die Waldenfer

fei.*2)

erhobene

Aber jene erwähnten Anschuldigungen des Jelqnifitors

Konrad von SRarbnrg ans dem Jehrc 1233 hatten fich znm

1) Eher traf das Gegenteil zu (vgl. das Zitat bei I- Keller, Die Reformation und die älteren Refvrmparteien ©• 60). 2) Preger, Der Traktat des David vvu Augsburg über die Walbester (1878) S. 210 s.: Qrlod autern, ut dicitur, osculentur ibi catos vel ranas vel videant dyabolum, vel extinctis lrlcernis pariter formcentrlr, non prlto istius esse secte, nee aliquod honirn veraciter intellexi ab illis, quibus fidem adliiberem. Quod arltein adorent Luciferrlm vel eum sperent restitrlendum in gloriam, alterius secte est.

233

Biertes Kapitel.

großen Teil auch schon gegen die Waldenser gerichtet, wie wir

ans gleichzeitigen Angaben bestimmt ersehen.1) Zn Ansang des 14. Jehlchnnderts wird, während gleichzeitig der Jetqnisitor

Bernard Gnidonis in Frankreich nichts von einem Sabbat berichtet, der Vorwnrf der Veranstaltung schändlicher Orgien mitVerehrinig des Teufels den Waldensern in Deutschland, befonders durch Papst Jechann XXII. (1318), erhoben, und der ums Sahr 1338

schreibende Schweizer Historiker Johann von Winterschnr schildert in seiner grotesken Art die angeblichen Zusammenkünfte der Waldenfer in Österreich mit ihrer Unzucht nach ausgelöschten Sichtern und ihrem Tcnfelsdienft, zu dem sie fich im Beifein des in aller

Rbljestät erscheinenden Satans in unterirdischen Höhlen zufammenfanden.*2) Es find also Reminiszenzen an die Katharer, die hier gewohnheitsmäßig mit den Waldensern verknüpft wurden. Und fo macht auch nm 1370 der Jelqnifitor Ehmericiis lins bekannt3), daß zu feiner Zeit im Kreife der Inquisition verwandte Vorwürfe gegen die sittenstrengen Waldenser in den

französischen Alpenländern

erhoben

wurden.

Ans der

lom-

bardischen Seite der Alpen aber, dem Sitz einer zweiten Gruppe der Waldenser, war zu Anfang des 14. Jahrhunderts gegen die Anhänger des im Jehre 1308 verbrannten Jem Doleiuo von

Rovara befonders hartnäckig die Beschuldigung erhoben worden, daß sse geschlechtlichen Kommunismus lehrten und übten.4) Und

1307—1314 waren die Tempelritter in Frankreich dem Verderben befonders dadurch überantwortet worden, daß man ihnen 1) Haupt, in fluidde’s Zeitschrift 1889, I, 290, Aulll. 1. Um 1230 wurde den österr. Lßaldenstrn auch die Ausübung widernatürlicher Unzucht imputiert (ebd. ©. 291 uud Kaltner 1. c. S. 57). 2) ed. SShß in Arch. siir Schweiz. Gesch. 11 (1856) 129—136; vgl. Haupt a. a. C1. I, 306, 311, der es wahrscheinlich macht, daß es sich hier lull Waldenser handelt. Z-iir Bernard Guidvnis vgl. unten ©. 243. 3) Directoriurn p. 2, qu. 14. Es geschah auch an andern Stellen. Bgl- Haupt in der Zeitschr. siir Kirchengeschichte 9, 114 ll. iu Culidde's Zeitschr- l, 306, 322 ss. 4) AJelche Bedeutung ihnen die Inquisition llvch alll Ende des 34. Iahrhunderts beinlaß, beweist Ehmerielts p. 2, qil. 12. Bgl. Haupt in der Realenehllvpädie 3I, 165; IU, 47t ; ßea 1. c. IU, 418 ff.

Biertes Kapitel.

in den von geistlichen Jelqnisstoren geleiteten Verhören ans der Z'olter das Geständnis dieses nächtlichen Tcnfelsdienstes mit ritueller Unzucht, Verleugnung Ehristi und Schändung des Kreuzes entlockt hatte. Der Templerchrozefz mit seiner Konstncktion der Ketzerei nach katharifchem Rischer findet einerfeits

fein Vorspiel in der Stedingerwerfolgnng1),

er ist anderfeits

ein vollständiges Gegenstück zur Zauberer- und Hejdtverfolgnng ; auch die Templer find willkürlich in den Ketzerznfannnenhang gezogen und fo durch das Znfainmenwirken zweier Verbrecher-

natnren auf dem französischen Thron und dem päpstlichen Stuhl

elendem Tod in den flammen des Scheiterhaufens Übermut-

wortet worden.

Denn dast die Vorstellungen von einer realen

ketzerischen Geheimlehre der Templer, von der durch sie erfolgten Entweihung des Kreuzes, ihrer ßeugnnng Ehristi, ihrem Küssen des Teufels oder eines seine Stelle vertretenden Sdols

irrig

sind, dürste hellte wohl niemand ernsthaft leugnen.*2)

Bei dieser ans dem Versolgnngseiser und der Unfähigkeit der Epoche zu gesunder Kritik gleichmäßig erklärlichen Reignng

zur Vermischung von getrennten Vorstellungen nimmt es denn nicht Wunder, daß, ebenso wie den Waldensern und den Templern, auch den mit dem Teufel so nahe, durch einen ssiach verbundenen Zauberern die Teilnahme an den Sabbatorgien durch

die Inquisitoren iinpntiert wurde, nm fo mehr, als die Zauberprozeffe der Jelqnifition unmittelbar ans Prozessen gegen Katharer

heranswuchfen.

Der erste $all dieser Art, der lins überliefert

ist, ereignete fich im Jeihre 1275 in Tonlonfe, wo in einem ssirozest der Snqnifition gegen Ketzer und Zauberer eine Angeklagte gestand, gewohnheitsmäßig den Sabbat besucht zu haben3), lind vom 14. Sahrchnnderck ab begann die Vorstellung allmählich in

größerem Umfang in die durch die Ketzerinqnifition geleiteten Prozeffe gegen Zauberer einzndringeil-

1) Bgl. oben ©. 229 und unten ®. 240. 2) Meuard, Histoire de Nîmes I, Preuves S. 166 ss.; Schvttuliillcr, Der Untergang des Templervrdens I, 627 ss.; £ea 1. c. IH, 238 ss.; Guletin, Schuld oder Unschuld des Templervrdens I (1893), 3!) ff. y) Bgl. Kapitel 5.

235

Biertes Kapitel.

Auch die andere uralte, für die spätere Hei'ellversolgtmg so bedeutungsvolle Vorstellung wurde in diesem Ringen der orthodoxen Kirche mit den Katharern wirksam nnd zunächst mit der Ketzerei in unmittelbaren Zusammenhang gebracht: die Vor-

stecknng vom fylng des sRenschen

durch die Stifte.

Richt die

Verfolgung der Zauberei hat diese Vorstellung zuerst in den

kirchlichen Strafprozeß eingeführt, fondent die Verfolgung der Ketzerei, der Teilnahme an dem angeblichen Ketzerfabbah nnd nicht dnrch einfache Verbindung der altüberlieferten Volksvorftellnng vom fliegen der Singen nnd der Genossinnen der Diana nnd

Herodias mit dem Glauben oolle Verbiildnllg

an Rlalefieien ist die verhängnis-

der Begnsse Striga nnd SRalefiea

herbei-

geführt worden. Der Volkswahn wird allerdings kaum Anstand genommen haben, diefe unmittelbare Vereinigung vorznnehlnen.1)

Die theologische Wissenschaft nnd demgemäß das Strafrecht haben aber einen Umweg eingeschlagen. Sie haben zunächst im 13. nnd 14. Jehrchnndert in den von derKetzerinqnisstion geführten

Prozessen die Vorstellung von der Entrückung des SRenschen, nnd zwar in der vergröberten gornt der körperlichen Entrücknng, verwertet2) ; sie sind dann im 15. Jahrhundert dazu übergegangen, den Transport eines Rlenschen dnrch den Teufet

in die strafrechtliche Praxis einzuführen, nnd erst als dieses Er-

gebnis erreicht war, haben sse Konzessionen an den alten Volkswahn von den hernnlschwebenden Rachtfahrerinnen gemacht, der

im kanonischen Recht als ein verderblicher Wahn bezeichnet nnd

streng verboten war, nnd daher nur auf dem Umweg scholastifcher und kanonistifcher Dialektik iu die Praxis des kirchlichen Rach der kano= nistischen Auffassung gehörte also das nächtliche Hernmschweben

Strafprozesses Hinübergeführt werden konnte.

zu den Bethätignngen des Ketzers,

und es ist mit den Bei

thätigungen des Zauberers im Bereich des Strafrechts nnr deshalb nnd infoweit in Verbindung gebracht worden, als der Zauberer als Ketzer angefehen lourde. Wir haben erörtert, daß im 13. Jelhrhnnderck die theologi-

schell Dnrchfchnittsgelehrten menschliche Entrückungen mit ernster 1) Bgl. dasitr Kap. l; am Anfang. 2) Bgl. vbeu S. 27, 201 ss. und utsteu S. 236.

23(i

Biertes Kapitel.

Riiene berschten Und als glaubwürdig hinstellen, daß an der Zentralstelle geistiger Bildung, an der Pariser Hochschule, feier--

liche Dispntationen über die körperliche Entrückung statthatten.1) So lag es nahe, daß auch die Inquisitoren, die Ordens- und Stndiengenossen dieser Literaten,

in ihren den Glanbensvor-

stellnngen der Menschen nachfpürenden Ketzerchrozeffen mit solchen Traum- und Wahnvorstellungen allen Ernstes operierten. Der Volksglaube hat die Vorstellung vom Rachtsahren stets mit sich geführt; sie mußte also anch beim Rachspüren durch die Jeiqni-

sitoren immer wieder an die Oberfläche treten.

Die £eiftnngen der systematischen Theologie, die den hervonmgendsten Gelehrten der Zeit verdankt wurden, boten, wie

wir wissen, Stützpunkte, nur solche Vorstellungen, wenn auch auf Umwegen, ans dem Range eines volkstümlichen Wahns zn dem einer wissenschaftlichen Anficht und Überzeugung zn erheben.

Zur

Erkenntnis

diefes Übergangs sind

die

erörterten

Ans-

führnngen von Durchschnittsgebildeten ihrer Zeit, wie Eäfarins von Heifterchach nnd Thomas von Ehantimpre, besonders lehr-

reich*2); sie zeigen nns, wie schon hervorgehoben wurde, den Weg, ans dem die theoretischen Anschauungen der leitenden 'Geister der Zeit allmählich in die ssirazsts des täglichen Sebens nnd der Rechtspflege eingedrungen sind.

Sn der That haben wir denn anch einen zeitgenössischen Bericht über eine schon im Sahre 1239 stattssndende Ketzerverfolgnng zn SRont-Aime bei Ehälons-snr-9Rarne,

der nns die

Verwertung dieser Vorstellung im Ketzerchrozest ossenbart

Dort,

wo im Beisein einer größeren Zahl von Bischöfen Unter ltngeheuerm Znlans des Volks an einem einzigen Tage 183 Katharer verbrannt wurden, gestand ans das Drängen des Jetqni-

sitors eine schatt ün gerichtlichen Verhör, sse sei am Eharsreitag nachts nach SOtailand entführt worden. Um dort den Katharern bei Tische aufzuwarten, nnd habe an der Seite ihre3 9Rannes

eilten Dämon znrlickgelaffen, der die Gestalt ihres Seibes on; 1) Bgl. oben ®. 208. 2) Bgl. vben 207.

237

Biertes Kapitel.

Das Gastmahl der Katharer in DRailand ist ohne Zweifel als eine der sabbatartigen Vermnstaltnngen ansznsasseiJu Der Inquisitor, dem es gelang, dieses Geständnis der grau ztt genommen.1)

erpressen, war der Dominikaner Robert mit dem Beinamen £e Bongre, der selbst früher zwanzig Sahre Katharer in Mailand gewesen war und seine Kenntnis der Sehren und Gebräuche der Ketzer nun in den Dienst der Orthodoxie stellte,

seit er im

Jeihre 1233 von Papst Gregor IX. zum Inquisitor in einer Reihe von französischen Diözesen ernannt worden war.2)

Dieser Bericht beweist unwiderleglich,

daß um die R?itte

des 13. Jahrhunderts iu eitlem Jequisitionsprozest gegen die Katharer die körperliche Eutrrickuug eitles Rlenschen iu einer einzigen Racht ans der Ehanlpagne über die Alpen nach Mailand als thatsächlich ersolgt angesehen wnrde, und daß der gleichzeitig iu einem benachbarten Eisterzienserckloster schreibende geistliche Ehronist diese im Prozeß gelungene Jeststellnng unbedenklich

seiner historischen Auszeichnung einverleibte.

Ans welchem Wege

die Verknüpfung der Vorstellung vont Sslng durch die Süste mit der Vorstellung vom Ketzerssabbat ersolgt ist, läßt sich aus

dem vorliegenden ^Raterial nicht beweisen, sondern nnr vermuten. Bei der prozessualischen Verfolgung der Ketzer und der Jeststellnng ihrer Teilnahme an der zum Ketzersabbat gestempelten Versammlung wird man eben bald aus die schwierige fzsrage ge-

stoßen sein, in welcher Weise der Weg znm Sabbat, wenn er weit vom Wohnort stattgesnnden, zurückgelegt worden sein kolntte. Der gall iu SRont-Aime gibt dafür einen Hinweis.

Den Sabbat,,

1) Alberich von Drvis=Zvntaines in M. G. SS. 23, 945: quaeelarn alia mutier recognovit ad inatanciam fratría Roberts (inquisitoris), qualiter ipsa translata fuit in sexta feria Parasceves usque ad Me­ diolanum, ut ibi .serviret ad mensam Bulgris, et daemonem reliquerit iuxta virlim euum in similitudinem eiusdem mulieris transformatam. Der bei der Untersuchung auwesende Stephanus de Bvrbvne erwähnt die Aussehen erregende Berbreuuuug auch (1, c. c. 170, 374, 382), aber nicht dieses Geständnis. — Ratiirlich darf man diesen Bvrsall nicht als „Hejrenverfvlgnng" bezeichnen, wie Riezler l. c. S. -39 thut. \ Bgl- Irederieg,. Corpus I, S. 90 ss. und I.. Irederichs, Robert le Bongre (Gent, ÍZ92).

23S

Biertey Kapitel.

an dem man nnn einmal teilgeHonnnen haben sollte, möglichst weit vom eigenen Wohnort entfernt zu verlegen, werden die Ge= soltertcu selbst gerne versucht haben, um nicht bestimmte Peri sollen ihrer Hingebung,

deren Raulen ihnen also bekannt sein

mußten, als anwesend bezeichnen und so dem Jelqnisttor in die Hände liefern

zu müssen.

Sie werden in solchen Fällen zur

Erklärung des Vorgangs zn der in den volkstümlichen Vor-

ssellnngen vorhandenen gahrt durch die Snft gegriffen haben, lind die Jeiqnifitoren haben an der Sache kein besonderes Bedenken gefunden,

da eben die körperliche Entrückung für die

Theologen der Epoche als erwiesen galt nnd ihre Reignng, vom

Teufel ausgeführte Transporte von SRenschen durch die Stifte

für reale Vorgänge zn halten, in der Entwicklung begriffen war. An die fahrenden Weiber im Dekret haben fie dabei zunächst nicht gedacht; erst der voll anderer Seite erhobene Einfprnch hat die

Jetqnifition im 15. Jeihrchnndert veranlaßt, fich in diesem Znsammenhang mit dem Canon Episcopi auseinaiiderznsetzeii. 1)

Jet welcher Weife die Vorstellung vom Sabbat nnd fylng

im 14. Sahrhnnderck auch mit der Zauberei verknüpft

dann wurde,

nnd

welche

Umstände

diesen Vorgang

erleichterten,

werden wir bei der Erörterung der Jelqnifitionsverfolgung in

Südfrankreich im einzelnen feftznftellen haben.2) Die Thatsache aber, daß die Ketzerei das Bindeglied für

die Verknüpfung der Vorstellung der Zauberei mit Sabbat nnd ging gewesen ist, ergibt fich mit aller Bestimmtheit daraus, daß diese. Verknüpfung während des 14. Sahrchnnderts nnd bis ins 15. Jehrhnndert hinein ausschließlich nur in denjenigen fßrozeffen erscheint, welche die Krtzerinquifition gegen Zauberer veranstaltete.

Sn den zahlreichen Prozessen, welche die ältere

bischöfliche nnd die weltliche Gerichtsbarkeit bis zum Llnfang des lo.Jehrchnndercks gegen Zauberer führten, tritt an keiner einzigen Stelle eine Spur der Vorstellung zn Tage, dass Zauberer nnd SRaleficae einen Sabbat besuchen nnd dahin fliegen fallen.

1) Das Rähere unten am Ende des 4. und im 6- Kapitel2) Bgl. Kap. 5 am Anfang.

239

Bi eines Kapitel.

Daß nnn aber die Zauberei überhaupt mit der Ketzerei

in Zusammenhang gebracht wnrde, sobald die Jelqnifition ihre umfassende Thätigkeit begann, war kaum zn venneiden. Wir haben früher erwähnt, daß die christliche Kirsche seit jeher die Zauberei als mit Götzendienst verbunden anfgefaszt hatte, also

als Apostaste; diese aber wurde mit Ketzerei gleichgestellt.1) Die Anwendung einer Art von Zattberpnlver wurde den Katharern

von

Orleans

bereits

im Sahre

1022

nachgesagt.2)

Zeitgenössische Schriftsteller wie Eäsarins von Heisterchach lind Alberich von Troisfvntaines zeigen uns, wie geneigt man war, beide Begriffe zn vermengen.

Die Ketzer in Befaneon im Sahre

1180, von denen Eäfarins berichtet, daß fie einen schriftlichen ssiakt

mit dein Teufel geschlossen hatten, vermochten auch zn zaubern.3) Die Zauberer wurden gewohnheitsmäßig ebenso als Diener der teuflischen

Dämonen

angefehen

wie

die Katharer;

ihre Ab-

machnngen nnd Verträge mit dem Teufel, kraft deren sie zan-

bern konnten, hatten eben nach theologischer Ansicht den Kult Satans zur Voraussetzung. Z Alberich verknüpft die nm 1230 auflebenden Ketzereien mit älteren

deren Anhänger

mit

teuflischer

ans

Hilfe

der Zeit nm 1160,

allerhand

wunderbare

Handlungen übten, Speise nnd Trank verwandelten; diefe Ketzerei

1234 in SRaastricht durch einen Regromanten ans Toledo eingeführt, der "dem Teufel ganz

wurde nach ihm im Sichre

ergeben war", verschiedene Dämonen zitierte nnd sie veranlaßte,

einigen Klerikern gewisse Wünsche zn erfüllen. Durch diefe Kleriker verbreitete ssch dann »infidelitas illa de cnltu Lnci1) Hinschius 1. c. V, 473 (vgl. vbell @. 23). 2) Bgl. oben S. 228. 3) Bgl. vbell ®. 169.

4) Sv meint Bischvs Wilhelm vvn Paris (c. 1230): Quid mirum, si convenit ínter daeknonea et cultores suos de diversis figuns, ut eas cleferrent, vel scriptas vel impressas vel insculptas, ut cultores eorum, hoc est per culturn subditi, se profiterentur et aguoscerentur eo ipso, quo huiusinodi figuras deferrent et propter hoc ab ipsis ea sibi fieri obtinerent, quae cultus eorum requireret. (De legibus c. 27, Opp. 1. c. 5. 87).

240

feri«

Bierchey Kapitel.

weiter. 1)

Rach Alberich sind die Ketzer eben auch sch('ln

Teufel ganz ergeben".*2)

Die Theologen verknüpften also g(>

wohnheitslnästig Ketzerei und Zauberei eng mit einander. Es ist ferner (was bereits angedentet wurde) unverkennbar, wie sehr- der Kathansnius infolge seiner dualistischen Weltanschauung den Vor= stellnngen von dämonischen Einwirkungen nnd von dem zwischen

Menschen nnd Dämonen möglichen Verkehr besonder« Vorschub

leistete. So warf Papst Gregor ix. im Jehre 1233, als er allf Grund

von Berichten,

die seitens

der Bischöfe von Lübeck,

Rlinden nnd Ratzebnrg bei ihm eingelaufen waren, die Stedinger der Härssie

beschuldigte, ihnen —

ohue Zweifel stand

das

schon in jenen Berichten — auch vor, daß sie Antworten vou den Dämonen zu erhalten suchten, zauberische Wachsbilder an=. fertigten und sich an Wahrsagerinnen wendeten.3) Es war also

nicht nnr eine traditionelle Auffassung über eine zwischen Zan= berei nnd Ketzerei bestehende Verwandtschaft4), welche die Aus= dehnung der Ketzergerschtsbarkeit auf das Gebiet der Zauberei er­

leichterte, fonderm die der Ketzerei der Epoche zu Grunde liegenden Vorstellungen legten der orthodoxen Auffassung diefe Ver­

mischung noch besonders nahe. Und es trat jetzt, wo Kirsche nnd 1) M. G. SS. 23, ©. 845, 931, 932. 2) ©. 937, 13: vtotus dernoni deditus.« 3) Ripvll 1. c. I, ©. 54 (Pvtthast Rr. 9236). 4) Auch im Canon Episcopi (vben ©. 216, Anln. 1) ïvnlnlt sie zum Ansdrnci, insvsern dort die Bezeichnung »haereticus« auf die »sortilegi« in dem ©inn angewendet wird, dasi der ©atz des Apvstcls Panlns (Titus 3): dHaereticum hominem post primam et secundam correptionem devita, sciens quia subversus est, qui huiusmodi este dieut, uni die Bvrschrist an die Bischvse, die Sortilegi und Magi ans ihren ©prengeln zu verjagen, zu stiitzen (s. vben ©. 216). Schvkl Ehmerwus (Directorium ]. 2. qu. 43) nlacht daraus ausluerisanl, und da der Canon Episcopi in Gra= tian’s Delret ausgenvlmuen wvrdetl, sv betvnen die Kanvnisten des 14. und 15. Jehrh. nicht selteu, dasi hier »expresse appellantrrr lieretici quaerentes auxilia a diabolo deo derelicto« (sv Iv. Aildrcac uitd Dvminicus vvn Gilnignanv, Lectnra super Sexto Décrétal., vgl. weiter nnten); aber daneben müssen sic dvch zugeben, dasi Zauberci und Harcsic stch nicht derfen, da sonst: die Trcnnnng der Dîubril >De sortilegiis« vvn der Rnbril »De haereticis« in den Defretalen nicht zn erïlfiren sei.

241

Biertes Kapitel.

Staat über die Bestrafung der Ketzerei ein Einverständnis erzielt hatten, das gerade Gegenteil zu der Sage im alten römischen Reich während der koustautiliischen Epoche mu. Hatte die össentliehe Gewalt dort, wie wir sahnt, die Heiden und Ketzer zu Zauberern gestempelt lind so die Anwendung der strengen römi-

sehen Gesttle wider die Zauberei gegen sie ermöglicht, so wurden jetzt, nachdem soeben die strengen Ketzergesetze in den verschie-

denen Staaten erlassen worden waren, umgekehrt die Zauberer

zn Ketzern gestempelt nnd der Ketzergesetzgebnng preisgegeben. Klarheit über den inneren Zusammenhang zwischen Ketzerei

nnd Zauberei war aber zunächst keineswegs vorhanden, es erforderte eine längere llntersnchintg, ehe diese erzielt wurde; dieJetqnifition nahm nnr von vornherein die Existenz eines solchen Znsammenhangs an, nnd zwar zunächst wohl in der Weise, daß sie

in einer ketzerischen Umgebung besonders leicht geneigt war, auch auf die Übung der zauberischen Künste zn schließen, daß sie also die Zauberei als eilte Art Begleiterscheinung der Ketzerei betrachtete.

Es ist scholl aus dem Sichre 1245 eiu Z'all beglaubigt, wo die Jelqnifition ill Südsrankreich sich mit einer Untersnchnng gegen

Zauberei beschäftigte.1)

Jene Reignng, dieselbe systematisch ill den

Bereich ihrer Thätigkeit zn ziehen, offenbart fich aber am delltlichften ans den ^nterrogatorien, den Formularen für Verhöre,

welche ans der Praxis des ersten Sahrchnnderts im Schoste der Jeiqnifition eruvnchsen nnd durch ihre schablonenhafte Anwendung jenen täuschenden Schein der Gleichmäßigkeit der mit der Volker

erzwungenen Geständnisse bewirkten, die dann ihrerseits als erwünschte, durch die Angeklagten selbst erfolgende Bestätigungen der ihnen stlggerircken Verbrechen ansgenntzt wurden.

Das älteste dieser Snterrogatorien, die »Forma et modns

interrogandi augnres et ydolatras« bildet einen Teil einer »Summa cle officio iillfnisitionis«, welche der Zeit tun 1270 angehört und anscheinend in engen Beziehungen zn einem dem Bischof Benedikt von Riarfeille (1229—1266) zllgefchriebelten Z Bgl. unten Kap. 5 am Allsang. Historische Bibliothek.

Bd. XII.

IG

242

Biertes Kapitel.

»Trlrctatus contra erroiDs catholicae fidci obviantes« stehl.1)

Es enthält die eingehendsten Anweisungen für die fragen, welche der Inquisitor den der Zauberei Verdächtigen vorznlegen hatte. Da erscheint alles 9Rögliche : Knlt und Anrufung der Dämonen,

Darbringung von Opfern für dieselben, Zauberei mit (Spiegeln,

Schwertern, Rägeln, elfenbeinernen Kugeln, mit Wasser, Jener und Blei, mit Ringen, Figuren, Schlangen Und andern Tieren,

Experimente mit Köpfen Verstorbener, mit Haaren, mit Blut nnd Gewändern, mit ßicbestränken nnd ßiebesknchen.

Als Zwecke

der Zauberei werden bezeichnet die Erwirkung der Zuneigung nnd Siebe von Jeanen und Männern, Erzeugung von Hast oder

Zwietracht,

Aufdeckung von Diebstählen

oder Schätzen, Ent-

hüllniig der Zukunft, Erlangung von Ehren, Reichtümern nnd Gunst, Befruchtung von Vieh nnd Saaten. Der Inqnifitor

wird hier angewiefen, weiter zu fragen uach Wahrqagerei aus deu Eiugeweiden oder Schultern der Tiere und den Händen der Rtenfchen, Träume,

ans

dem $lug

der Vögel, nach Beobachtung der

der sogenannten ägyptischen Tage, der Sonne, des

Riondes nnd der Sterne (nm ans ihnen auf Glück oder Unglück der SRenfchen zn schließen), nach der Übung heidnischer Reujahrs-

gebrauche nnd des ßosens in der heiligen Schrift; er soll feststellen, ob Beschwörungsformeln über Kräuter oder Zettel zur

Heilung von Krankheiten benutzt werden, ob fatalistische Be-

fprechnngen der neugeborenen Kinder stattfinden,

Speise nnd

Trank in der Racht für Zeen anfgeftellt, Wachsftatnetten angefertigt und getauft, oder sonstige Zaubereien mit der Eucharistie 1) Die ganze Summa ist noch nicht gedruckt, der Abschnitt über die Zauberei dagegen wohl. Handschristen beruhen 1) c. 1270 iu Ilvreuz, Bibi. Laurent, plut. VII sin. cod. 2 (fol. 159), 2) c. 1300 in Rvln, Bibi. Casanat. Msc. 1730 (A. IV, 49, fol. 308), 3) saec. 14. iil Paris Cod. lat. 4224 (vgl. Mvlinier in Archives des missions scientifiques XIII, 173 ; XIV, 158). Aus der Pariser Haudschr. haben E. Douais, Les hérétiques du Midi au 13. Siècle (1891) ©. 13, auch £. Iiluli int BoIIettirlo della R. deputazione di storia patria per l’Umbria III (1897), S. 445 den Abschnitt über die Augures und Zchvlatrae gedruckt. Rach der röiiiischeu und der slvrditiner Handschrift habe ich diesen Abschnitt * S. 42 ss. verösseutlicht.

243

Biertes Kapitel.

oder dem Tanswasstw geübt werden. Die Inquisitoren erachteten es

also schon um die Rlitte des 13. Jahrhunderts für ihre Aufgabe, nach diesen lnld noch einer Unzahl von anderen Dingen zn forschen, lnld zwar ganz in der Weife, wie fie bei der Ketzer-

spürnng vorgingen, das Verhör also mit der fyrage zn schließen,

ob der Inenlpat noch andere Sente kenne, die sich in diesen Dingen

bethätigten.1) Die Snqnifitoren behandelten alfo von vornherein die ganze Summe von zauberischen nnd verwandten Vor-

stellnngen als in ihren Bereich fallend, bezogen' alfo auch ans fie die allgemeine Dennnziationspflicht der Ehriften, die Androhtlng

der Ejstonnnnnikntion an die Verschweigenden, die Verleihung der Ablässe an die Denunzierenden.

Ein ähnliches, aber kürzeres Inventar solcher Vorstellnngen

enthält das »IntenDgatorium ad sortilegos et divinos et

illvocatores daemonum«, das eitlen Abschnitt der nln das

Jechr 1320 von dem bekannten nnd in feinem Kresse hochangesehenen Jelqnifitor Bernard Gnidonis ans dem Prediger-

orden (t 1331) verfaßten Practica inqnisitionis haereticae

pravitatis bildet.

Dieses Hand- nnd fyormelbnch für Ketzer-

richter ans der Jeder des eifrigsten Bekämpfers des Katharismns in Slidfrankreich hat, wie es scheint, nicht nur in Frankreich, wo es das größte Ansehen genoß, sondern anch in Deutschland Venvendnng gesunden2), wie denn sein Verfasser, der als weiter

1) vscit, aliquern aliurn peccasse in aliquo de predictis.« 2) Uber Bern. Gllidvllis vgl. Mvlinier. L’inquisition dans le Midi de la France au 13. et 14. siècle (1881) ®. 206 fs. und Haupt in der Realeuehtlvpädie,3VH, 230; die Practica ist herausgegeben vvu Eh. Douais /Paris lScSß), öle I-vrmel zur Befragung der Zauberer befindet sich dort 2. 2'J2 (wiederelbgedruett “'S. 47). Eine Handschr. der Practica in Rom wies Deuisle, Archiv siir Kirchen; nnd Siteratllrgcschichtc des Mittelalters ll, 1’JO, Allni. nach; eine andere unter dem Titel »Ars inquirendi haereticoH* beruht Rvm,Bmit. BibblJalat.GOchfol.43. Aus dem letzten Blatt dieser, vvu einer loaud des 14. Iahrhlluderts geschriebenen Haudschrist steht vvn gleichzeitiger Hand »Istc liber est cloinini Wernen (le Haselbeke«. iyast ganz mit ihrem Inhalt iiberciir stimmt das abgeturzte Iuterrvgatnriuiu tu der Bibliothèque Nationale zu Paris, Fonds lat. JulimO, fol.22S ss. (c. 1420 geschrieben), vvu dem eine Abschrift ebendas. Msc. Bout Bd. 37, 16*

24-t

Biedes Kapitel.

der Inquisition in Toulouse in dell Jechren 1307—1323 viele Häretiker der Folter miternlarst ans den Scheiterhaufen brachte

oder sonstigen Strafen überantwortete, anf die Znerckennnng befotlderer Sachverftändigkeit lind sicherer Erfahrung in Ketzersachen begründeten Anspruch zn erheben berechtigt loar.1)

In

diesem lehrreichen Werk, das n. a. auch ein syonnnlar sür das

Urteil des Jelqnisitionsgerichts gegen einen Priester enthält, der mit Wachsbildern linter Allrnsllng der Dämonen gezaubert hat,

nun aber Buße thnt und abschwört und daher- zu lebenslanglichetn Kerker

Verurteilt

wird2),

die Angeklagten gerichteten

ist

fragen3)

dem

am

Verzeichnis der an

Schlüsse

auch eine

fol. 258 ss. Dieser Tept ist gleichfalls aus das Bleist des Bernard Guidvnieb zuriichzufiihrell. 1) Bernard hat in einem Prozeß (gegen Bernard Delieieup, vgl. unten ©. 2.54) mit etilem Zauberbuch zu thuu gehabt, dessen Iuhalt er folgendermaßen angibt (Sinlbvrch, Historia inquisitionis (1692), S.271.: »Libellus auterrl liuiusmodi continet multos caracteres, plurilna de­ monum nomina, modum eos invocandi et eis sacrifiera offerendi, per eos et eis mediantibus domos et fortalicia diluendi, naves submergendi in mari, magnatnm et etiam aliorum limorem ac credulitatis et exauditionis graciam apud istos vel illos neenon musieres in conjugium et aliter ad venereos actus habendi, cecitatem, cassationem membrorum, infirmitates alias ac mortem etiam presentidas vel absentabas, mediantibus ymaginibus et aliis superstitiosis actibutz, inferendi, et multa mala alia faciendi.« 2) (Douais 1. c. S. 154; vgl. S.49). * Es wird ihm vvrgcwvrscn : »fecit et figuravit duas imagines de cera cum plumbo habito de reti piscatorum, formato capite earlindem, congregatis et collectis muscis, arañéis, ranis et buffonibus, spolio serpentis et quibnsdam rebus aliis plurimis infra imagines repositis et inclusis cum conjurationsbus et invocationibuB daemonum, extracto etiam sanguine de aligna parte sui corporis et commixto cum sanguine bufíonis et oblato seu dato daemonibus invocatis loco sacrificii in honorem et reverentiam eorundem, cum talibus et talibus conjurationibus, observantiis et ritibus superstitiosis, pestiferis et damnalis. ad procurandum talia et talla maleficia.« 3) Es figuriert hier auch die I'rage nach dein Glauben au die Rachtfahlsten der SSeiber »de satis mulieribu.s, quas voennt Bonns res, quae ut dicunt, vadunt de nocte« (vgl. oben ©. 136). Die Irage erfvlgte regelmäßig ; sie wurde nvch der Iuugsrau vvii Orleans 1431 vvrgelegt (Grimm, Mhthvl. 4II, 886).

245

Biertes Kapitel.

Torniel des Abschwörttngseides bcigefüqt.1)

Diese Abschwörnngs-

formel besagt, das) der Beschuldigte vor dem Jelqnifitor allen Jertum und jede Ketzerei abschwört, insbefoudere — anher den leichteren Vergehen dieser 9lrt — jegliche Rmflnckignng und Taufe

von zauberischen Bildern ans Blei oder Wachs und andern Gegenständen, jede Wiedertanfe richtig getaufter Perfonen, jedes Sortilegillln lind Rlaleficinnl mit Hilfe der Sakramente, der Eucharistie oder dos Ehrisma, jede Anrufung der Dämonen, befonders die mit Adoration und Opfern verbundene und auf

dem Homagium,

ruhende.

dem dem Teufel geleisteten Sehnseid2), be-

Diese Arten werden ausdrücklich als diejenigen

be-

zeichnet, welche nach Härefie schmecken, einen Srrtum gegen den

Glauben enthalten und also hanptfächlich für die Jeiqnisstoren in Betracht kommen.3) Diese Abschwörnngsformel weift also auf eine Einschränkung der Thätigkeit der Inquisition auf diesem Gebiete hin, lind zwar auf die nach Häresse schmeckenden Arten der Zauberei.

Die von dell Inquisitoren seither eigenmächtig befolgte ^sira^is,

Zauberei

aller Art

ohne weiteres in ihre Kompetenz einzn-

beziehen, war vermutlich von den Bischöfen als eine unrechtmäßige Beschränkung ihrer eigenen Gerichtsbarkeit empfunden worden.

Sie fuchtelt die Jelqllisstion auf das ihr vom Papst ausdrücklich

angewiesene Gebiet, die Verfolgung und Bestrafung der Ketzerei, einzlifchränken. Das war aber nicht ohne weiteres Dein! die Vorstellung von einem Znfammenhang Ketzerei und Zauberei war nun einmal vorhanden, wurde nur von dell verschiedenen Jelftauzen mehr oder

eug gefaßt.

möglich. zwischen derselbe welliger

Die Jetqnisitoren standen aber mit ihrer weiteren

Gedruckt Dvuais 1. c. S. 301 und * 6. 2) Bgl. dafür unten S. 275. 3) Iu der Überschrift: -Modus abiurandi pestera et errorern sortilepiorurn aut divinacionuln et invocacionurn (laernonurn, maxime ubi saperent haeresim contra veritatem ac pietatem. sacramenti eilcharistiae vel baptislni seli aliorurn sacralnentoruru, aut ubi in ilivocatione dclnonum exhiberetur aut fieret sacrificium vel ilnmolatio llemoni aut aliquid aliud errorern expressum continens contra fidem« (* S, 49). 1)

246

Biedes KJapite!.

Auffassung des Begriffs der Häresie keineswegs allein.1)

Sn

wurde die Streitfrage vor das Dornin des Papstes gebracht, und Alexander IV. entschied sie am 13. Dezember 1258 und am 10. Jennar 1260 durch eine den Jeqnifitoren aus dem Franziskaner- und Dominikanerorden in übereinstimmender Z'orm

erteilte Weisung.

Das Negotium fidei, so erklärte er, das die mit so großen Privilegien ausgestatteten Jeiqnisitoren zu pflegen hätten, fei zu

wichtig, als

daß es durch andere Beschäftigungen bcein-

nächtigt werden dürste; die Inquisitoren füllten fich also mir Divinationen und Sortilegien nur dann befassen, wenn dieselben

deutlich nach Härefie schmeckten, im übrigen fic den zuständigen Richtern, d. h. den Bischöfen, überlassen.2)

Demgemäß war

1) Bgl. z. B. die Statuten des Generallapitels des Eistereieuser= Ordens aus dem Iahre 1290: c. 2. Item ad detestandum crimen sortilegii, quod est quaedam species llaereticae pravitatis, definitioni olim editae de sortilegiis generale capitulum ducit provide hoc addendum, quod quaecumque persona ordinis seu monachus vel conversus super hoc tauto crimine fuerit deprehensus, non promoveatur ad aliquas dignitates, nec ad actus legitimos admittatur, sed ultimus omnium et omni sexta feria sit in pane et aqua usque ad nutum capituli generalis (Marteue, Thesaurus anecdot. IV, 1485). 2) Ad aliud autem, quod quaeritur, utrum ad inquisitores heresis pertinent de divinationibus et sortilegiis, quae contra aliquos sibi denunciantur, cognoscere ac punire talia exercentes, breviter respondetur, quod, cum negotium fideü quod summe privilegiatum existit, per occupationes alias non debeat impediri, inquisitores ipsi de iis, nisi manifeste saperent heresim, ratione huiusmodi ofiicii sibi commissi se nullatenus intromittant, sed eos relinquant suis iudicibus pena debita castigandos. (Bull. Taurin. 3, 663; Ripoll l.c.I, S. 387; Wadding Ann. II, S. 172; Ich Die Bersiiguug wurde von Bonifaz VIII. in die Defretalen Seytns 1. V, tit. 2, c. 8 ausgenominell, von Jehann XXII. iu der Extravagante »Super illius spe­ cular d. d. Avignon 1326 wiederholt, und fv iu das Direitvriullk des Ehmeriens 1. 2 qu. 4-3 (S. 341) (auch ill das Direttvriunk des schlesischen Inquisitors aus dem Anfang des lö- Jahrhunderts, SSattenbach in den Abhandlungen der Berliner Afadeluie 1888 ®. 15, 20) ausgenommen. — Die Erörterung bei Svldan I, 220 ist irrig. Bgl. auch Hinschins V, g. 472, Anm. 1. ’

247

Biertes Kapitel.

also die rechtliche Sage von jetzt ab so, das) von den in dem

päpstlichen Erlaß Unter den beiden Bezeichnungen Divination lllld Sortileginln znfammengefassten zauberischen Handlungen nnr die deutlich nach Häresie schmeckenden der Kompetenz der Snqnisitorcu zngewiesen waren. Rnr bei solchen Handlungen konkurrierte die Jurisdiktion der Jetquisitoren fernerhin mit der

der Bischöfe1),

lllld uur auf fie fauden

die Grundsätze der

KHtzergerichtsbarkeit Anwendung; alle übrigen zauberischen Handlnngcn nnterstandell dagegen,

soweit das kirchliche Dornin in

Betracht kam, ausschließlich der Jeirisdiktion der Bischöfe, und

ihre Bestrafung hatte nicht nach den Bestimmungen des kano-

loschen Rechts gegen Häresie, sondern nach feinen Bestimmungen

gegen Zauberei lind nach den etwaigen statutarischen Ergänznllgen zu erfolgen, welche die fpätcreu Shnoden für kleinere

oder größere Bezirke erließen.2)

Theoretisch war die Sage somit nunmehr völlig klar,

die

Schwierigkeit lag nnr in der Durchführung, in der Praxis.

Denn die Jelqnisttormi waren trotz der einschränkenden Bestimmilng des Papstes nach wie vor in ihrem Recht, wenn sie in ihren Jelten'ogatorien die Jemgen über Zauberei bestehen ließen und in ihrer Erössnnngspredigt unter Androhung der

Ei'kounnnnikation für Verschweigung zn Denunziationen auch gegen Zauberei aussorderteu.

Das Jelterrogatorium des Ber-

nard Guidonis vom Sahre 1320 und das gorlnnlar des Rikolaus Echlnerieus vom Jehre 1376 für eine Erössnnngspredigt3) bemessen denn allch, daß fie diefes Recht übten. Es blieb alfo

dabei, daß dell Jelqnisstoren die Denunziationen zugingen Und, wo das geschehen war, hatten natürlich auch fie dann feftzn1) Denen selbstverständlich das Recht, auch gegen vssenbar nach Ketzerei schmeckende Zauberei nach den Bestimmungen des Ketzerrechts vvrzngehen, dadurch nicht genommen wurde. 2) Bgl. die Dariegullgell am Ende dieses Kapitels. 3) Ehluerieus III, nr. 52, 54 (Ansg. 1585 @. 4.38): alle Kleriker und £aieu svlleti binnen sechs Dageli nobis revelare, ei sciverint, viderint vel audiennt aliquarn personarn............... daeraonibus invocando sacrificantern.

248

Biertes Kapitel.

stellen, ivic es mit der ketzerischen Qualität der zauberischen Handlung beschaffen war, mochte auch über' diese Kompetenz-

frage wiederum die Theorie weisen.1)

gelegentlich Schwankungen

ans-

9lber es mußten sich, je mehr die Jelquisstiou vom 14. Iahr-

hundert an die Züge ungesetzlicher Gewaltsamkeit ans ihrem Verfahren auszumerzen und ein festeres Gekeife für ihre Thätig-

keit zit gewinnen suchte, felbftverstäudlich auch anf diesem Gebiete

bestimmte Vorstellungen

gelvohnheitsrechtlich

allmählich

bilden, von denen ans die ketzerische Dualität zauberischer Handhingen beurteilt wurde.

Zunächst bildete steh eine bestimmte

Terminologie.

sortilegium,

beiden

in der Bulle

Alexander’s IV. wohl im Anschluß all Papst

Gregor’s IX.

Divinatio

nnd

die

Dekretalen*2) angewandten Bezeichnungen, nnd daneben als dritte

die invocatio daemonnm sind vom Ende des 13. Jehrchnnderws ab ans dem reichern Wortschatz der kanonistischen Duellen des

12. nnd 13. Sahrhnnderts

diejenigen

Ausdrücke,

welche

kanonistische Praxis für Zauberei mit Vorliebe anwendete. invocatio daemonnm erklärt sich selbst.

die

Die

Sie bezeichnete ledig-

lich die Art, in welcher die angebliche Verbindung der SReuschen mit dem Dämon bewerkstelligt wurde, nnd konnte sich als ein-

fache oder als qualifizierte, unter Benutzung von allerlei Hilfs-

mitteln vorgenommene Anrufung darstellen,

llber den Unter-

schied zwischen Divination nnd Sortileginm, durch welche die zauberischen Handlungen felbft bezeichnet wurden, verfaßte anf

den Wunsch eines nicht näher bezeichneten geistlichen Richters der im Jehre 1345

gestorbene berühmte Kanonist Friedrich

Petrucci ans Siena3) ein von den späteren Juristen ost zitiertes Konsslinnl.4) Wie sehr die Terminologie in diesen Dingen im 1) Bgl. unten W. eplscopus erat in. regno Anglie et alibi publice diffarnatus, quod diabolo hornagiuni fecexat et eurn iuerat osculatus in tergo eique locutus rnultotiens«. Rhuicr, Foedera II, 931—34; wiedcrabgcdruckt * S.2). Auch Papst Elemeus V. (1305—1314) war nicht frei vvll dem Berdacht, gelegentlich seine Zuflucht zu 3®ahrsagerll zrr nehmen (Hvrst, Däiuvnvmagie l, 115, nach Billaui VI, 58). ') Bgl. Kapitel 5. 5) Bgl. unten Kapitel 5. Bvn den ini Batifauischeu Archiv vvrlie= genden Burlenregisteru der Papste enthalten erst die vvu Papst Iv1)

252

Biertes Kapitel.

sammelt mit dem Pontifikat seines Rachsolgers nnb den gleichzeitigen Regierungen der französischen Könige geradezu als das eigentliche Vorspiel der großen ZanberNversolgnng

anzusehen.

Schon gleich der Beginn seiner Regierung, das Iahr 1.317, zeigt uns den Papst mit dem Kamps

schästigt.

Waren es anfangs

gegen die Zauberer beVergistnngsversuche, denen der

Papst sich ausgesetzt glaubte, und gegen welche er sich, wie sein Vorgänger Papst Elemens V., durch

ein wnnderkrästiges

Schlattgenhoni sicherte, das znr Erkenntnis von giftigen Speisen Und Tränken vorzüglich geeignet war Und dem nm sein Hellen

besorgten ssiapst nur gegen Verpfändung seiner ganzen Riobilien und Immobilien von der Besitzerin, einer Grästn Rlargareta

von goss, leihweise eine Zeitlang überlassen wurde1), so glaubte

er bald festgestellt zn haben,

daß auch eigentlich zauberische

Anschläge gegen ihn und einige Kardinale unternommen würden. Roch im Sahre 1317 machte er dem Bischof feiner Geburtsftadt Eahors, Hugo Ger'and, den ssirozest, weil derselbe ihm anf diefe

Weife nachgestellt haben follte.

Der Bischof wurde verurteilt,

dem weltlichen Arnt überliefert, anf der Hürde znm Richtplatz geschleift, mit Ruten gepeitscht und dann verbrannt.2)

An deit

Anschlägen füllten aber noch mehr Personen beteiligt gewesen, nnd zwar sollte

vermittelst der gefürchteten Wachsbilder, die

unter Beschwörungen nnd Aurnfnngen des Teufels angefertigt nnd dann durchstochen oder znm Schmelzen gebracht wurden,

nm so, ohne daß der zn Schädigende irgend etwas davon merkte, Krankheit und Tod des im Bilde Dargestellten herbeiznsühren3), hann XXII. Bullen, welche sich mit Zauberprvzesstll besauen; ältere liegen nicht vor. 1) Auch hierbei handelt es sich um einen damals (und nach lauge nachher) weitverbreitete» Wahnglauben (vgl. Pvgatscher, Bvu Schlangelthörnern und ©chlangenzuugen vvruehlulich illk 14. Iahrhuudert, iu der Römischen nuartalschrist XII (1898), 162 ss.). Der Papst behielt das Schlangeuhvrn bis zum Iahre 1331. 2) Gallia Christiana I (1715), @p. 140. Rahnaldus a. a. 1317 nr. 54. 3) Bgi. die BirÜe d. d. Aviguvu (1318) Jebr. 27 illl Batist Geheimarchiv, Keg. Vatic. 109, foi. 133 V, z. T. gedruckt bei Rahuald a, a. 1317, nr.52,53; Rahuald und Enbel (im Histvrischen Zahrlmch 18 (1S97)

25.3

Biertes Kapitel.

gegen den Papst tntd einige Kardinale konspiriert worden sein. Es war das diejenige Art des Zaubers, lveiche nm diese Zeit durchaus im Vordergrnnde stand und erst nach dem Jeihre 1400 allmählich

anderen Arten Platz machte. Llnf eilten Llrzt lntd einen Barbier, sowie einige zllin päpstlichen Hof gehörige Kleriker lenkte sich der Verdacht ; der Papst eröffnete durch die Bischöfe Galhardus von

Riez und Bartholomäus von Srejns tntd einige Juristen gegen sie eine Ilnterfnchnng, indem er ihnen vorstvars, daß sie mit

Rekromalltie tntd

Geomantie

sich

abgäben,

mit bezauberten

Spiegeln und Bildern operierten, die Dämonen in Zanberfreise hinein bannten1) und mit ihrer Hilfe die SRenfchen töteten oder

krank machten, daß sie ferner die Dämonen in Spiegel, Kreise tntd Ringe einschlössen, nm die Znknnst von ihnen ztt erfahren, daß fie iiebestränke brauten, endlich auch gelegentlich mit Sne-

rnbi2) zn schassen hätten.

Shren Schöpfer hätten

fie schnöde

verlassen, dagegen die Dämonen für würdig erlichtet, ihnen den

Kultus der Sdololatrie

nnd Adoratio zu

leisten lind fich ge-

rühmt, nicht nur durch Speife nnd Trank', fondent durch bloße

Worte das Seben der Menschen verkürzen oder verlängern, fie töten oder von aller Krankheit heilen zn können nnd das oft

thatfächlich ansgefühlck zn haben. denn auch

Die Angeklagten gestanden

— natürlich auf der fschlter — nnd wurden hin-

gerichtet; daß sie wirklich solche Wachsbilder zur Tötung des Papstes ans der Jerne angefertigt hatten, ist bei der allge= meinen Verbreitung diesem Wahns natürlich sehr wohl möglich.

Eine

der Beschuldigungen,

die

1319

von

dem

durch

Johann XXII. bestellten Gericht gegen den DRinoriten Bernard S. 627 ss.) gebejl den Bzvrtlant einiger weiterer einschlägiger päpstlicher Bkillelt. In meinen iluellen und Untersuchungen sind die wichtigsten päpstlichen Bullen in Sachen der Zauberei abgedr'Urft (*@. 1—38). 1) >uc in circulie se ponentes inalignos Spiritus saepius invocaruiit, 11t per eos contra salutem hominum molirentur’ aut eos interimendo violentia curminis aut eorum abbreviando vitam violentia ilnknig.sa lnnguoris (!UlS. .3). 2) »Diani.s iitJu ähnlich wie in der svg. Hepenbnlle Papst Inllvcellz’ Vllt. vvin Iahre 1484 »clemonibns inellbis et sliccubis lllIutie, *

fichten in dellt bereits erwähnten Directorium inqnisitornm, dem

System der Jerqnisitionsgerschtsbarkeih welches im Jelhrc 1376 der damals eine Zeitlang auch in Avignon thätige Generalillqnisitor von Aragon, Rikolans Ehmericus aus dem Domini-

kanerwrden, in starker Anlehnung au das Werk von Bernard

Guidants, verfaßte*2), nud das itt den Kreiselt der Inquisition als "goldenes Buch angesehen wurde, dessen Jethalt den Wäch1) Der ganze Traktat des Zauchiuus erscheint irrtümlich auch unter dem Ramen des berühmten Bologneser Kauvnisteu Jehannes Ealderini (f 1365), des Advptivsvhns vvn Ivl). Audreae. ©v ist er (1484) im spanischen Repertorium inquisitiorlis (ed. 1575) S. 246 zitiert, und auch 1571 iu Benedig (bei Dalniau Zelter) gedruckt (eiu Exemplar dieses Drucks itt München). 2) Gedr. Bareelvua 1503, Rvul 1578, 1585, 15S7, Benedig 1591, Rvln 1597, 1607 (vvu 1578 ab mit Pegna’s Kommentar). Ehmericus, geb. aus Gervua bei Bareelvlta, lebte 1320—1399. Bgl. siir ihn Cnétif-Echard 1. c. I, 709; Tvurvu l. c, II (1745), ©. 632 ss.; Schulte 1. c. II, 400; Mvliuier, L’inquisition S. IV, S. 221; Üca 1. c. II, 174 ss.; DenifieEhrle, Archiv sür Kirchen- nnd ßiteraturgeschichte 1, 143,1V, 352; Deuisie, Chartulariurn 11, S. 141 ss.

271

Biertes Kapitel. tern

des Glaubens wie ein Kanon galt."1)

Der fruchtbare

Verfasser behandelte die einschlägigen fragen im Sahre 1369 auch gesondert in einem noch nngedriickten, umsangreichen, fünf

Teile nmfaffeuden »Tractatus contra daeirionnm invocatores« lind einem andern »De iurisdictione ecclesiae et inqnisitorurn contra infideles daemones invocantes.«*2) Zmr unsere

Zwecke aber sind seine von denselben Gesichtspunkten bestimmten

Ausführungen im Direktorium ausreichend/ lvo er unter den Titeln »De sortilegis et divinatoribus« und »De invocan-

tibus daemones« (Pars 2 qn. 42, 43) die einschlägigen fragen in Anlehnung an das 6. Buch der Dekretalen behandelt lind mit

allen Riitteln nachzuweifen sticht, daß die Zauberer in der Regel als Ketzer anznfehen und zu behandeln sind.3) Zwar leugnet er nicht durchaus, daß es auch "reine sortilegi" und »divinatores«

gibt, die nicht unter die Kompetenz der Inquisition fallen;

es

find das die Sente, die ans den Sinien der Hand oder der Sänge der Strohhalme wahrfagen oder verwandte Übelthaten

begehen. Daneben aber stehen die andern, welche den Dämonen den Kult der Satria und Dnlia anbieten, Kinder aufs neue taufen, Bilder taufen, mit dem hl. Öl mißbrauch treiben oder ähnliches thuu, und zwar, um die Zukunft oder die Geheimnisse der Herzen

zu erfahren;

deren Thaten schmecken ohne allen

Zweifel deutlich nach Ketzerei, sie unterstehen als »sortilegi haereticales« der Jelrüsdiktion der Jelqnisstoren und verfallen den durch die Ketzergefetze bestimmten Strafen. Rur wenn es wirklich zweifelhaft ift, ob die voll den Übelthätern angewandten Mittel nach Häresse schmecken (st) wenn sie ihr Gesicht nach

Ripvll 1. c. 2, 271; nähere Angaben über seine einschlägigen Ausführungen habe ich * S. 66 zusaunuengestellt. 2) Der erste der beiden Draltate ist handschristlich (suec. 15) vvrchandeu iki der Pariser Rativnalbiblivthet Cocí. lat. 1464, iol. 100—161. Bgl. darüber Burr, The literature of witchraft (Papers of the American historical Association 1890, ©. 250) und die Inhaltsangabe bei Menendez Pelahv l. c. 1, 594. Auch uber Astrvlvgie uud Alchemie schrieb er besondere Traktate (handschriftlich ill Paris Cod. lat, 3171, 6674). a) Quod rnagicarn artero aechantes et exercentes ut haei'etici sunt habendi. 1)

272

Biertes Kapitel.

Östen wenden, nnverftändliche Worte murmeln n. ä.)z sollen die Jelqllisitoren sich nicht nm sic bemühen, sondern sie ihren ge-

wöhnlichen Richtern, also den Bischöfen, fiberlassen.

Ein solcher

Zweifel ist aber nicht vorhanden bei jeder wirklichen Anrufung des Teufels: »Daemones invocare et consulere, etiam .sine sacrificio, apostasia est a fiele, et per consequens haeresis.«

Das ist also eine entschiedene Weiterbildung gegenüber

der Ansicht in Dldrado’s Gutachten, die von den späteren Kano-

nisten außerhalb des Krwifes der Jelqnisition acceptiert worden war1); die Doktrin der Inquisition geht hier darüber weit hinaus, wie sie denn überhaupt nicht mehr von einem »hneresim sapere«

spricht, sondern die Zauberei als eine Art der Ketzerei ansseht.

innerhalb dieser Anrufung unterscheidet Ehmericns drei Gruppen.

SRnnche Zauberer leisten dem Dämon den vollen Kult der Satria, indem sie ihm opfern, ihn anbeten, Gebete an ihn richten, ssch ihm weihen, ihm Gehorfam geloben,

vor ihm auf die Knie

fallen, ihm Tiere opfern, ihm zuliebe Keuschheit beobachten, ihr eigenes Blut vergießen und eiue SReilge ähnlicher hier angeführter

Dinge begehen*2), die nur Gott als wirkliche Opfer dargebracht werden dürfen. Die andern leisten nur den Kult der Dulia, indem sie dieRamen von Teufeln in Gebetsform zwischen die von Engeln

nnd Heiligen mischen, fie als Rüttler zwischen SRenschen und Gott

anrufen, Kerzen für fie anzünden, alfo Dinge begehen, die nur den

heiligen nnd seligen Geistern geleistet werden dürfen. Die dritten endlich begehen Handlungen, ans denen fich nicht deutlich ergibt, ob fie den Kalt der ßatria oder Dnlia bedeuten, fo wenn der Zauberer einen Kreis auf der Erde Zieht, einen Kilaben hinein-

fetzt, vor ihm einen Spiegel, ein Schwert oder ein Gefäß anfstellt nnd felbst ein negromantifches Buch in die Hand nimmt,

daraus liest nnd fo den Dämon anruft. Sind schon diese Ausführungen des Ehmericns, der in ge-

wissen! Sinne einen Höhepunkt der mittelalterlichen Inqllisttioll 1) Bgl. unten ©. 280. 2) Iede einzelne dieser Handlungen genügte (11. 2, qu. 43, nl’. 10; S. 364 der Arlsg. 1585).

273

Bienes Kapitel.

lind der ans das praktische Seben angewandten Scholastik darstellt, von besonderem Jelteresfe, so nicht minder seine Darlegungen über die diesen Teuselsbeschwörerm gebührenden Strafen. Jet es all sich nicht auffallend, daß er im Hinblick aus die Aussührnugeu der Theologen1), aus die Erklärungen

der Kliuouisteu*2) und aus die kirchlichen Entscheidungen3) die erste Gruppe genau so angesehen lind behandelt wissen will, wie schwere Ketzer — d. h. also die Bußfertigen sollen nach Abschwörung Ivie bussfertige Häretiker ans Sebenszeit gefangen gehalten, die-

¡eiligen aber, die ihre Schandthaten nicht anfgeben und abschwören wollen fowie die Rückfälligen sollen

dem weltlichen

Arm zur Verhängung der Todesstrafe ansgeliefert werden —, fo überrascht es schon einigermaßen, dass die zweite Gruppe

keine andere Beurteilung erfahren fall4), lind diefe Empssndttng wird noch verstärkt, wenn anch bei der dritten Gruppe kein Unterschied gemacht wird. Überall entdeckt Ehnlericns den engen

Znfannnenhang zwischen Zauberei und Ketzerei;

ist

derselbe

bei Gruppe 1 nnd 2 sicher, fo konstatiert Ehnlericns bei Gruppe 3

mit faschistischer Dialektik: Wo immer ein Dämon von einem Ehriften angenifen wird, ohne daß die Umstände klar zn er1) Augustinus, Thvlnas vvll Aguinv, Albertus Magnus, Peter von Darautasia, Alexander vvu Hales, Bonaventura siihrn er ausdriirflich an; vgl. oben ü. 25 ss., 153 ss., 173 ss. 2) Ivhallu Audreae, Archidiakvnus (d. i. Guidv de Bahsiv), Ivhauues Mvuachus, Cldradus da Pvute, Guileliuus de Monte ßauduuv, Bar'= thvlvniäus Rahnluudi; vgl. vbeu S. 240 und unten S. 279 ss., 286. 3) »Dieta ecclesiae deterlninationurne, außerdem aus dem Gra= tiauischeu Dekret 26 qu. 5 c. Episcopi, wv die »sortilegi« als »haeretici« bezeichnet werden (vgl. vbeu ©. 216, 240) und Ivauues XXII. Kvu-r stitivu Super illius specula alls dem Iahte 1326, vgl. vbeu ©. 255. 4) Ulld zwar weil »Exhibens honorem duliae daemons invocato ex huinsmodi facto et opere exterilis convmcitur, se corde et mente repntare ac credere interius, daemonem fore sanctum et dei amicum et ideo sanctitllte venerandrlm vel fore in mundo rectorem et gubematorem a sleo constitutum et ideo iuriedictione et potestate reverendiim — quorum duorurn utruuque plane est haereticum et perversum, quia Hacrae scripturae contrarium et determinationibus ecclesiae abaonuln.

274

Biertes Kapitel.

kennen sind, da wird dem Dämon der Kult der ßatria auge-

boten, »quod sapit hneresim manifeste«; denn »invocare« bedeute iln Sprachgebranch der Bibel den Akt der patria, Um so mehr sei das natürlich dann der galle wenn die Anrnsnng des Dämons geschehe, nm etwas zu erlangen, was über dessen Kräfte hinansgehe — so die Kenntnis der Zukunft; wer ihn

in solcher Absicht anrnse, der gebe zu erkennen, daß er glaube, der Dämon sei Gott. Und iln übrigen habe Thomas von Aquino recht, wenn er sage, daß bei allen diesen Handlungen Apostaste vom Glauben vorliege wegen des entweder durch Wort oder

durch Handlung vermittelten Pakts mit dem Dämon, der hier stets eingegangen werde.1)

Jet diesen Darlegungen des ¡Inquisitors Ehmeriens*2) ist demnach zunächst der Gedankengang der Vorgänger aeeeptiert. Die Wirkung des Zaubers, die mehr oder welliger grosse Schädi-

guug des Riitmenscheu, die dadurch herbeigeführt wird, ist für seine

juristische Würdigung nicht ausschlaggebend. Das DRalesscium als

solches, also die schadeustisteude Zauberei, bildet hier keiue Gruppe für sich, sondern fällt unter die Divinatio und das Sortilegium. Entscheidend sür den juristischen Eharakter des Zaubereiverbrechens ist stets die Art der Verbindung des DReuscheu mit dem Dämon

und die Jeage, ob vom Dämon etwas verlangt wird, was nach

kirchlicher Sehre nur Gott zu leisten vermag. Aber in der Aus-

leguug geht Ehmerieus weit über seilte Vorgänger hinaus; denn nach seinen Ausführungen (1. 2, qu. 42) waren für die Praxis im Grunde doch alle Unterscheidungen ohne größere Bedeutung, da

eben jede Anrufung des Dämons schon als ketzerisch angefeheu wnrde, also in jedem $alle vom Jetqnifitor, nachdem durch Indizien eine »suspicio vehemens« oder »levis«, oder wenigstens die »sama publica« feftgeftellt worden war, eine Überführung bewirkt

und demgemäß die entfprechende Strafe verhängt werden konnte. 1) Bgl. vben ©. 170. 2) Dieselben wurden ill deln Repertorium inquisitionls vvm Iahre 1494 (ecl. 1575), ©. 242 ff., einfach reprvduziert; sie wurden, Ivie ans Pegnas’ Kvnnnentar (c. 1570) hervvrgeht, fast ausnahmslos maßgebend sür die Praxis der Ingllisitivll.

275

Viertes Kapitel.

Jet Bezug auf das eigentliche Weficinm, den schädigenden Zauber,

lag nach diesen Grundsätzen die Sache in der Regel so, daß der ein solches ausübende Riensch nach der Llnffassnng des Ketzerrichtens, der ihn altznnrteilen wünschte, entweder etwas vom Dämon verlangte, was über dessen Krliste hinausging — dann war der ketzerische Eharakter seiner Manipulationen schon in der

Anrufung gegeben —, oder aber der Inquisitor nahm an, dost der Tensel dem Rt'aleficns nur deshalb so wirksam seine Hilfe zur Verfügung stellte,

weil er ihm eine ungehörige Verehrung

zollte — dann war eine deutlich nach Ketzerei schmeckende Hand-

lang von dem ZattberTr vorgenomlnen worden. Zweifellos geschah es in diesem letzteren Zusammenhang,

daß sich in der Vorstellung über das dnrch den Pakt begründete

Verhältnis zwischen SRensch nud Tensel allmählich eine nnverkennbare Weiterbildnng und mit ihr eine weitere Verknüpfung der Zauberei mit der Ketzerei vollzog.

Die älteren Rachrichten über

solche Pakte (S. 167 fs.) besagen, daß der SRensch entweder den

Teufel zitiert oder daß dieser ans eigener Initiative erscheint, ohne die Aufforderung des Rienfchen abznwarten, und daß beide

danu verhandeln allf dem fällst zweier gleichberechtigter Vertrag-

schließendem

Beide übernehmen darnach Rechte und Pflichten.

Der Ehrift schwört den Glauben ab, dem er durch die Taufe

angehört, und verpflichtet fich dem Dämon, wogegen dieser dem Rienschen feine thätige Hilfe znfagt, und zwar in der Regel, nm etwas Großes, dem SReufchen Unerreichbares, Reichtinn,

Ehre n. f. w., zu erwirken.

Die spätere Vorstellung dagegen

ändert sowohl die äußeren Umstände der Verhandlung als auch das dnrch sie begründete Verhältnis zwischen Tensel und SRenfch; nach ihr erscheint der Rtenfeh in tieser Unterwürfigkeit vor dem

Tenfel, dem er den Tribut der Verehrung zollt, wie es sonst der Ehrist nur Gott und den Heiligen thnt. Diefe Vorstellung,

welche bei der einmal diirchgeführtcn Betrachtung der Zandern

als ketzerischer Tenfesverehrnng nahelag,

wurde den Jelqnifi-

torell wohl noch besonders dadurch vermittelt, daß mall in theologischen Kreisen gelegentlich schon zn Beginn des 1.3. Jelhrhnnderts den Pakt mit dem Tensel

Unter dem Gesichtswinkel

276

Biertes Kapitel.

desjenigen Vertrages betrachtet hattef der inl Zeitalter des Jendalismns als Analogie am nächsten lag, des Vafallitäts-

vertrags. Dieser letztere beruhte durchaus ans Gegenseitigkeit nnd schloß die Verpflichtung des Herrn in sich deut Vasallen stets Recht nud Hilfe zu bieten; weigerte er dies, so war das

Verhältnis ohne weiteres gelöst.

R?an nahm also an, daß der

mit dem Teufel paktierende DRenfch Vafall des Teufels werde,

ihm demnach auch das Homagium, den Sehnseid, leiste, dadurch ans der Sehnsherrlichl'eit Gottes iu die des Teufels trete und fomit festen Anfprnch auf die Hilfe seines Herrn

erlange.1)

Diese Ansicht wurde mindestens seit dem Jehre 1,320 auch vom Papsttum und von der päpstlichen Jeiqnisitian geteilt.*2) Zum Homagium gehörte aber in manchen Gegenden, namentlich in

Frankreich, neben dem Eid nnd dem Handschlag noch die Kniebeuge des Vasallen und der Kuß auf Hand oder Riuud des

Herrin3)

Diesen Kuß, der also den Pakt zwischen Rt'ensch und

Teufel besiegeln follte, vermischte mau dann augenscheinlich inl Kreist

der Ketzerachter mit dem Kuß,

welchen angeblich die

Ketzer iu ihren Versammlungen dem persönlich in SRenschenoder Tiergestalt unter ihnen erscheinenden nnd von ihnen vor-

ehrten Teufel als Zeichen der Unterwürfigkeit aufzndrücken pflegten. So trat auf diesem Wege wiederum ein folgenschwerer Shnkre?

1) Als »horniniume wird das pactum cum daemone bezeichnet bei Eäsarüls vvn Heisterbach, Dialog, (c. 1220) I, 18; II, 12; Ar, 56; XII, 23; Lib. mirac. I, 35; Spvtkkilien (ed. Evppeustein 1615) 11,63; vgl. Martin v. Trvppau (SS. 22, 421). — In den Erörterungen der Schvla-stiter Über das pactum cum daemone, die wir oben S. 170 ss. au= führten, tritt die Bvrstenung des Hvknagilnu dagegen nicht zu Tage. 2) Sie erscheint ill voller Deutlichfeit uku 1320 iu der Practica des Inguisitvrs Bernard Guidvnis (ed. Douais S. 301): »invocatio daemonum cum adoratione sen reverentia eis exibita seu exibenda aut cum homagio facto seu faciendo eis« und clieusv 1320 in dem Erlaß an die Inquisitoren zu Toulouse ulld Eareaschune, angedeutet 1-326 iu der Konstitution Papst Ivhauu’s XXII. (s. vben S. 255). Das denk Teufel geleistete Hvulagiuul findet sich in französischen Kirchen aus Bildwerteu des 14. Iahrh. vst dargestellt (A. de Martvune, La piété au MoyenAge, 1855, S. 108, 137). 2) Bgl. Ducauge a. v. hominium; Schröder, Rechtsgeschichte 391.

Biertes Kapitel.

277

tismlls der ans dem Ketzer- nnd ans dem Zanberwesen entnommenell, von einander Unabhängigen Vorstellungen in die Erscheinung, dessen Entstehung noch verständlicher wird, wenn man einerseits berücksichtigt, das) Papst Johann XXII. schon nm das Jehr 1320 die Überzeugung anssprach, die Zauberer leisteten dem Tettsel die Adoratiou, anderseits sich erinnert, daß

gelegentlich auch in Bezug ans Ketzer scholl llnl da£ Sahr 1200

angenommen worden war, daß sie einen Bnnd mit dem Teufel geschloffen hätten.1) Diese Vermischung der Zailbereivorftellnngen

mit dem Kotzersabbat, die Annahme, dast die Zauberer, welche früher stets als isolierte Persönlichkeiten betrachtet worden waren,

ssch wie die Ketzer zn nächtlichen Versammlungen vereinigten oder vielmehr -zunächst noch eben au deu voll Ketzeru veraustatteten Sabbaten teiluahmeu, tritt zuerst iu Südsrankreich, und

zwar schon gegen Ende des 13. Jehrchnnderts in die Erscheinung.2) Ilm das Sahr 1330 wurde diese Vorstellung hier völlig durch-

geführt und dann im 14. nnd 15. 3ahrchlindert durch die Ver-

folger immer weiter auf die Spitze getrieben; die SRenfchen, welche znm Zwecke des Zauberns nnd Hebens mit dem Teufel iu Verbiuduug treten, müssen — das wird allmählich felbftverftändliche Vorausfetzuug



die fchimpflichste, ja ekelhafte Unter-

wiirfigkeit gegen ihren neuen Herrn au deu Tag legen, wenn

er ihnen helfen foll. Das Inventar der Vorstellungen des KPtzerfabbats mit feinen obseönen Küssen wurde also in den Köpfen der Ketzerrichter vermengt mit dem im mittelalterlichen

Sehnsverhältnis üblichen Homagialknst, nm eine gorm der Beziehungen zwischen sRenfch nnd Dämon zn konstatieren, welche

ssch als angehörige Tenfelsverehrmng, also als Handlung mit

ketzerischem Eharmkter, darstellte, die den sRenfchen der Ketzergerichtsbarkeit bedingungslos anslieferte. Es ergab ssch aber ans den im 14. Jahrhundert im Kreife

der Ketzerinqnisitioii ausgebildeten Anschaltungen noch eine weitere wichtige Konsequenz. Jeüher hatte fiel) die gerichtliche Behände llnig des Zanberwefens folgendermaßen gestaltet. Von kirch1) Bgl. oben S. 253 und ®. 239. ’) Bgl. das 5. Kapitel.

278

Biertes Kapitel.

sicher Seite war, je nach der Schwere des Vergehens, Strafe

bis zltr Eickoininnnikation als der äußersten Grenze, van staat-

liehet' Seite je nach der verursachten Schädigung Strase bis znm Jenertode oder einer andern $orm der Hinrichtung verhängt worden. Jen 14. Jehrchnndert aber wurde es anders. Von kirchlicher Seite blieb einerseits die alte 3orm der Be-

ftrafnng dann bestehen, wenn man die zauberische Handlung auch ferner nach den Bestimmungen des Dekrets nnd der De-

kretalen gegen die Sortilegi nnd Divinatores beurteilte.1)

Da-

neben aber bestand nunmehr die Gefahr, von feiten der Jelqnisitoren schon bei Vornahme von ganz harmlosen Zaubereien, ja lediglich beim forschen nach der Znkiinst, als Ketzer ange-

gesehen, also nach den Bestimmungen des Ketzerrechts schweren Bestrasungen überantwortet, eventuell sogar als hartnäckiger oder rückfälliger Ketzer dem weltlichen Arm zur Verbreuutlug

ausgeliesert zu werden.

Von staatlicher Seite blieb es zunächst

noch beim alten; erst das 15. Jehrhnnderck brachte hier einen Fortschritt zum Schlimmern, als die von der KPtzerinqnisition

entwickelten netten Gesichtspunkte auch für die Aussassnng der weltlichen Gerichte maßgebend wurden, fyür das 14. Jehrhundert aber leuchtet eilt, daß grade die neue chikauöse Art der

Jelqnifitionsverssolgnng der Zauberei sür das Volk die drückendste sein mußte, weil sie den systematisch spürenden Eharakter der

Ketzerwerfolgnng trng nnd die RZotive sür die Verurteilungen entweder durch die ans der Je)lter vorgelegte Jeage nach dem Pactum cum daemone nnd seinen angeblichen gonnalitäten

gewann oder aber ans einer subtilen nnd verfänglichen 9lnsgeftaltnng der scholastischen Teuselslehre entnahm, die dem Volk nicht gelänssg sein konnteDie harmlosesten jOianipnlationen konnten hier ohne weiteres als schwere Ketzerei bezeichnet, im

Rückfall also mit dem Tode bestraft werden, wenn es dem Inquisitor schien, dost die im einzelnen Salle dem Teufel zn5 gennltete Kenntnis der Znknnft dessen Kräfte überstieg.2) 1) Bgl. die Ausführungen unten ®- 284 sf.

2) Bgl. vbell ©. 177 ss.

Biertes Kapitel.

279

Diese Anschauungen waren die seit der RlittC des 14. Jehrhunderts im Kreise der Jelqnisitoren, in welchem die Consnetndo eine so bedeutsame Rolle spielte1),, allgemein geltenden ; in

ihrer schärfsten Zuspitzung waren sie nm diese Zeit auch nur erst in diesem Kreise vertreten.

Das Vorgehen der päpstlichen Jet-

qnisttion gegen Ketzerei war ebell ein nach jeder Richtung selbst-

ständiges und nur dem Papsttum, ihrem Austraggeber, verantwortlich, und wenn auch in den sonstigen kanonistischen Kreisen

gelegentlich einzelne Bedenken gegenüber den von der Jetquifi-

tioll befolgten Grundsätzen geäußert wurden, fo waren fie doch keineswegs von durchschlagender Kraft und wurden außerdem im Verlauf der Entwicklung immer bescheidener.

Die kauoniftische Doktrin hatte regelmäßig Gelegenheit, fich mit der rechtlichen Behandlung der Zauberei unter dem Gesichts-

punkt der Ketzerei zn befassen,, seitdem Papst Bonifaz VIII. den erwähnten ErlafZ Papst Alexander’s IV. vom Sahre 1258

und 1260 in den im Jelhre 1299 veröffentlichten Liber sextus der Dekretalen anfgenommen, also dem geltenden Kirchenrecht

Wie die in den älteren Bestandteilen des Corpus jnris canonici, im Dekret Gratian’s und in den Dekre-

einverleibt hatte.2)

taten Papst Gregor IX., enthaltenen Bestimmungen gegen die

Zauberei voll den Kommentatoren dieser Rechtsbücher immer wieder erörtert und in ihrer Bedeutung für die gerichtliche Praxis der Zeit untersucht wurden3), fo behandelten die Kommentatoren des Liber sextus ihrerseits die vom Papst Alexander IV. genossene Einschränkung der Jenfuisitionsgerschts=

barkeit anf das »si haeresim sapiant manifeste.«

Einen

der ersten Kommentare zn diefein Buch verfaßte um das Jehr

1310 der unter dem Rainen Archidiaconus bekannte Bologneser Kanonist Guido de Bahsio.4) Er erörterte die Arteu der Divi--

natiou aus Grund von Gratian’s Dekret nnd stellte dann knrz Bedeutung derConsuetudo sür die Ingllisitivn s.Henllerl.c.S.219ss. 2) Sextus 1. 5, t, 2 (De haereticis)' c. 8, § 4. Die Glvsse dazu s, Hinschius 1. c. V, 472, Anm, 2. 3) Bgl. dafür unten £. 285 ss, 4) . Bgl. Schulte IJ, l88. 1)

280

Biedes Kapitel.

sest, daß die Snquisstorell, im Jelle es zweifelhaft sei, ob die zauberischen Handlungen deutlich nach Häresie schmeckten, die

Entscheidnng den ordentlichen Richtern, d. h. den Bischöfen, zu überlassen hätten.1)

Guido’s Zeitgenosse, der ili engen Beziehungen*2) zu Papst Sohallu XXII. stehende berühmte Bologneser Kanouist Sohauu Altdreae, behandelte die Jelige in seiner um 1.340 verfaßten Rovelle zum 6. Buch der Dekretalen3), die eine Renbearbeitnng

seines Jetgendwerks, der Glosse zn demselben Blich (c. 1.305), darstellt, ebenfalls nur mit wenigen Worten.

Auch er bezieht

sich für die verschiedenen Arten der Zauberei aus Gratian’s Dekret und bezeichnet dann als die Richter, denen die Zauberer

überlassen bleiben sollen, falls ihr Vergehen nicht deutlich nach

Häresie schmeckt, die Bischöfe uud ßegateu•

diese sollen eifrig

nach solchen Zauberern spüren uud sie mit scharfer Strafe be-

legen,

gemäß der von den spätem Kanonisten mit Vorliebe

zitierten, im Dekret wiedergegebenen Slnstermng Papst Gregor’s I.

ans dem Jechre 601 an den Rotar Adrüanus, wonach die »incantatores et sortilegi« als Jeinde Ehrssti mit scharfer Strafe belegt werden folien.4) Über die ketzerische Dualität des Sorti=

legiums handelt AndrTae näher in feinen Zusätzen zn dem noch

zn erwähnenden Speknlnm des Wilhelm Dnrmndns, welche er im Jehre 1346 beendete.5) Er bemerkt hier zunächst, daß diese Jeage 1) Archidiaconus super Sexto Decretaliurn (Lugduni 1547) fol.109 : »In dubio (inquisidores) habent dimitiere suis ordinariis; et die manifeste, id est clare, perspicue et certe, ita quod probatione non egeat.e 2) Ziir diese Beziehungen s. Brieger, Wesen des Ablaßes (1897) ©, 45. 3) ed. Beliebig 1499. Bgl. dazu Schulte II, 213. 4) Bgl. oben ©. 47. 6) Bgl. Schulte II, 221 und nuten ©, 289, 298. Additiones ad Speculum Durantis (Hain 1083) zu 1. 4 De sortilegiis. Andreac beginnt hier: »Non tractaverunt de hoc practici auctores. De materia recurre ad summistas.« Er fährt dann svrt: »Etiam licet ecclesia sortilegia reprobet, tarnen credit maleficia, ut patet in Rubrica: De maleficiatis«. Er erklärt, daß die Inquisitoren nur dann »se intromittunt«, wenn die Handlung »haeresiin sapit manifeste«, verweist für die Sache aus die Summa des Thomas v. Aquino 2, 2, qu. 93—97 und erwähnt dell

Bicrtes Kapitel.

281

von den Kalloniften nicht behandelt werde, daß man sich über

sse also bei den Snmmisten, den systematischen Theologen, Rats

holen müsse.

Thomas von Aqnino spreche sich aber nicht dent-

lieh darüber ans1), und so könne er nnr die Ansicht einiger Theologen wiedergeben, die dahin gehe, daß es daraus ankonnne, ob man entweder ein Ansinnen an den Teufel stelle, das diesem

göttliche Eigenschaften unterschiebe, oder ob man die Anrnsnng des Teufels mit Adoration verbinde. Sn beiden Fällen sei kein Zweifeh daß die Handlungsweise des SRenschen deutlich nach

Häresie schmecke.

Johann Andreae vertritt also dieselbe 5ln-

ssckst, die zwanzig Jelhre vorher schon das Gutachten des Öl-

dradns da Ponte zntn Ansdrnck gebracht hatte.*2) Viel benutzt wurde der Kommentar, welchen lnn 1380 der in Bologna, Siena nnd Venedig lehrende Petrus de Ancharano verfaßte3), dessen kanoniftische Darlegungen sich allgemein eines großen Ansehens erstellten. Seine Ausführungen über die vor-

liegende fyrage übernehmen ebenfalls einfach die Gedanken des Gutachtens von Dldradns da Ponte.4)

Der große Kommentar znm Liber sextus endlich, welchen

nm das Diahr 1430 Dominicas von S. Gimignano verfaßte5), Inhalt von dessen Auseinandersetzung, »sed an haereticlirn Bit, non exprirnit. Propter quod sciendum, aliqrlibuB theologis v ideri ponderandum effectum, ad quem tendit invocans daemonem. Si erlim invocat ad mulieria amorem provocandum, attribueretur superBtitioni, non lleresi potissime, quia hoc ipsius est proprium, homines temptare contra prldicitiam et ad animarrlm lapaum. . . Licet igitur hoc sit trlrpe, fedum, mortale et grave, non tarnen sapit heresim manifeste. < Erfolge die Anrufung aber mit Adoration oder habe sie den Zwecl, die Zrlfnnst zu ellthiillen, sv werde dadurch »attribuitrlr creature, quod eßt proprium creations, propter quod videretur, quod heresim saperet manifestum.« 1) Andreae gibt die Ausführungen des Thomas von Aguin also richtiger wieder, als Dldradus da Pvllte (oben g. 265, Anlkl. 3). 2) Andreae nennt Oldradus nicht. 3) Schulte H, 278. Petrus starb inl Iahre 1416. '*) Petrus de Aucharauv, Super sexto Decretalium Comlnentarinbl (Bvlvgua 1583 ©. 388); ganz ebeusv schort inl Kommentar zuiu 5. Buch der Dcfretaleu (Bvlvgua 1581 6. 120). ö) Lectlira aurea doctors J)oininici de S. Geininillno super

282

Bielies Kapitel.

tnid der sich in der Definition der Sortilegieu eng ass das er;

wähnte Gutachten des ftfridericns Petrucci (oben S. 248) anlehnte, folgt im allgemeinen ebenfalls wörtlich diesen Ansfüh-

rullgeu des Dldradns und denen des Jehanu Aitdreae.

Er

greift aber weiterhin aus eitle Ansicht -zurück, die ein Zeitgenosse des letztem, der Abt 2apns Tactns von S. DRiniato bei glorenz,

geäschert hatte, von dem gleichfalls Vorlefnngen ans der Zeit

nm 1330 über den Liber sextns vorlagen.1) Diefem gegenüber

war die Ansicht vertreten worden, einer, der Dämonen angerufen, dann aber vor dem Jelqnifitor diese häretische Handlang zwar abgeschworen, fpäter aber doch wiederholt hatte, könne

nicht als rückfälliger Ketzer bestraft, d. h. also nicht dem weitlichen Arm znr Verbrennung überliefert werden. Der Abt hatte darauf das Gegenteil für. richtig erklärt. Dominicas bescheidet ssch

in dieser praktisch fo wichtigen Jeltge mit der Erklärung, daß jede der beiden Anfichten etwas für ssch habe.*2) kommt

er zn

einem

bestimmten

Ergebnis

Und eben fo wenig in

einer andern

Streitfrage, die für die Praxis der Zanberwerfolgnng von nicht

minder großer Bedeutung war. Er begnügt fich wiederum zn konstatieren, daß die Anfichten der Kanonisten darüber anseinander gingen, welcher Richter im Zweifelsfalle zn entscheiden

habe, ob eine zauberische Handlung deutlich nach Härefie schmecke.

Guido de Bahfio hatte diefes Recht noch unbedingt den Bischöfen, nicht den Jeiqnifitoren, zngefprochen; aber der Zeitgenosse des

sexto Decretaliurn (Beliebig I486) zu 1. 5, t. 2, c. 8 >Sane« und >Sacerdotes«. — Ziir die Persönlichkeit des Bers. s. Schulte 1. c. U, 294. Der Kommentar', welchen sein berühmter fiehrer, Antonius de Butriv (s* 1408), zu demselben Liber eextus verfaßte (ed. Bcncdig 1575), behandelt bloß dessen erstes bis bis drittes Buch, also nicht die einschlägige Stelle. Bgl. Schulte 1. c. II, 238. 2) »Quaerit hie Lapuig abbas, nunquid si invocator daernonuni in iudicio coram inquisitore abiuraverit heresim et proinisit, nunquam invocare eos, postea invocaverit, sit dicendus relapsus et debeat vel possit relapsorurn poeua puniri. Die, quod fuit consul­ turn quod non; sed ipse credit contrarium, ut videlicet debeat dici relapsus et ut relapsus puniri . . . Credo, quod posset utr.aque opinio salvari« (was er dann näher zu begründen sucht)1)

283

Biertes Kapitel.

Dominicas,

der unter dem Ramen sßanormitanns berühmte

Kanonist Rnwlans Tildeschi (f 1445),

der

diese Jeage ein-

gehender in seinem Kommentar zum fünsten Buch der Dekretaten erörtert, ist ebenso wie Dominicas zweifelhaft, wie die ?ln-

gelegenheit in der Praxis geregelt werden soll;

auch er führt Autoritäten für die eine wie für die andere Ansicht an.1) Es ergibt sich somit, daß es bei dem fehlen jedes ernsthasten

Widerwrnchs für die Praxis in dieser Sfrage lediglich alts die Ent; schlossenheit und die Thatkrast des einzelnen Jeiqnifitors ankam.

Und da die Ketzerinqnisition nnn einmal das eigentlich forschende und spürende Organ der Kirsche war, so kam sie insolge der dnrCh die Drohnllg mit Ei'konnnnnikation bei ihr entlausenden Denunziationen am häufigsten mit angeblichen Zauberern in Berührung, und es wird ihr in der Regel nicht schwer gefallen

fern, in dem Wettbewerb mit den Bischöfen nm die Jelnsdiktion den Vorrang zn gewinnen;

die Jelqnifitoren werden ill der

Regel freihändig entschieden haben, ob eine der Zauberei be-

schuldigte Perfon unter ihre Jurisdiktion ssel.

Eine wirkfame

Unterstützung dafür fanden fie in dem Gutachten, welches am

19. September 1-398 unter dem Vorfitz des Kanzlers der Universstät Johann Gerfon die theologische Jelknltät zn Paris auf

Grnnd eines Spezialfalls nach langer lind reiflicher Erwägnng abgab.

Sn diesem, 28 Artikel umfassenden Gutachten wurde

ausdrücklich festgestellt,, daß SRalcsicien eine reale Wirkung hätten, 1) Rievlaus de Tudeschis, Cornrnentarius in 5 libros Decretaliurn (Beuedig 1617) VIT, fol. 165. Zu Bezug auf die ketzerische Dualität des Svrtilegiums folgt auch er ciusach dem Evusililuu des Dldradus. Er fährt daun fort: vEt advertc, quod inquisitor non potest sc irnpeclire, eciarn si sapuerit heresirn, durninodo non manifestum sit, nec potest cognoscerc, an sapiat heresim, quia iurisdkctio est sibi tributa existente illa qualitate notorietatis, ut dielt ibi glossa et bene, secus dico, ubi ipse vellet cognoscere, an sapiat heresim manifeste, et ita intellige c. fi. de Offi- dcle. libr. 6, que iura sunt contraria illi glo8sae in c. Accusatus. Die Lectura in Sextum Decretaliuln desselben Panorlilitalills, die nach Schulte II, 313 in Beuedig 1592 gcdruckt sein soll, war mir nicht zugänglich. (Die Haiu’sche Rr. 12 33.5 ist wohl uur eine Berwechsluug mit * 12326h eyiir das Todesjahr Tudeschis’ vgl. Deutsche Zeitschr. sür Kircheurecht IX (189!)), 40.

28.1

Biertes Kapitel.

daß jede durch Anrnfnng des Teufels und durch magische Künste, lRalcficicn nnd Jelvokatioiien bewirbst .Verbindung van Rienfchen

mit Dämonen, und vor allem jedes Pnctnln tacitnrn oder ex-

pres.snm mit ihnen, Idolatrie nnd Apostasie fei.1) Daß Achoftafic fo gnt wie Ketzerei war, hatte die Jelqnisstion längst anerkannt nnd hatte Ehlnericns kodifiziert; daß ein Pakt mit dem Teufel, der eben Apoftafie in sich schloß, deutlich nach

Ketzerei schmeckte, nicht minder.

Endlich aber bestand anch die

Konstitution Papst Sohann’s XXII. vom Jehre 1326 zn Recht,

welche über alle, die einen Pakt mit den Dämonen schlossen, ihnen opferten oder dienten, die Exkommunikation ipso facto

verhängte nnd sie der KHtzergerichtsbarkeit unterstellte. So konnte denn anch dieses Gutachten der Sorbonne nur dazu beitragen, die Thätigkeit der Ketzerinqnisition ans dem Gebiet der Zanbereiverfolgnng zu stützen nnd zn erleichtern. —

Die grundsätzliche Veränderung in der Stellung der richter-

lichen Jetstanzen der Kirsche zur Zauberei, welche in der Benrteilnng derselben nach den Gesichtspunkten der im 13. Jehrs hundert begründeten Ketzergerichtsbarckeit zum Ausdruck kam, bot,

Ivie angedeutet wurde, die entscheidenden Handhaben für die Ausbreitung der kirchlichen Zaubereiprozesse, für ihre Ausbildung

zn SRassenverfolgnngen; fie wurde bald anch vorbildlich für die Haltung der weltlichen Gerichtsbarkeit.

Bevor wir aber in eine

Betrachtung der in der Epoche von 1230—1430 nachweisbaren Zanbereiprozesse selbst eintreten, nm feftznftellen, in welcher Weife sich in dieser Epoche des Übergangs die geistlichen nnd

weltlichen Gewalten2) in die Bestrafung der Zauberer teilten,

1) Das Gutachten ist vst gedruelt wvrden, u. a. auch in einer ganzen Anzahl vvn Handbüchern sur Keper- und Zauberprvzeüe. Der beste Druck bei Denisle-Ehatelain, Chartulariurn universitatis Parisienans IV, 32, wv auch näheres über die Ivrln der Teuselsbeschwörung, welche der Iaiultät Beranlassung zn ihren Erörterungen bvt (vgl. auch Öea 1. c. IH, 464). Auch die Fiainltät ist der Ansicht, daß die Zauberei zu ihrer Zeit »plus solitoe im Schwange sei (vgl. oben De sortí­ legas* (1. 5, tit. 21); vgl. vben S 98. 2) Bgl. vben S- 52 s.; 61 ss.: 264; tinten S. 297. 3) Bgl. dasiir Kap. 5. 4) l. 5, tit. 12, c. 5 (De homicidio voluntario vel casuali).

291

Biertes Kapitel.

Bezug ans das »soi'tileginm«1) erklärt Hostiensts,

daß der

überführte Saie vor dem Forum internum mit vierzigtägiger Buße und, im Jelll der Rotorietäh mit Llrtsschlust vvn dem Abendmahl, vor dem Forum contentiosum aber*2) mit der Ei'koininiiuikation bestrast werden soll- Wird die ESkommunikation mißachtet, so sollen die Verurteilten niederen Standes

mit Schlägen gezüchtigt, die dreien dagegen eingesperrt werden, der Jeisamie verfallen oder vom Bischof alts dem Sprengel vertrieben werden.3)

Kleriker, die dieses Verbrechens überführt

werden, soll Degradation4) und Verweisung in ein Kloster tressen. Jehanu Andreae (c. 1320) sührt in Bezug aus die Stern-

litätsträuke5) aus, daß sie gegeben und genommen wurden eut-

weder zur Beschräukuug der Kinderzahl oder weil die trauen

ihren Begierden sröhueu wollten, ohne die Cast der Schwangerschart ans sich zu nehmen. Über die Bestrafung handelt Audreae 1) 1. 5, tit. 21. Hvstiensis stellt es mit »ars divinandie gleich und zählt eitle Menge vvu einschlägigen Handlungen aus, die zu seiner Zeit üblich waren; unter sie fällt das »rnaleficiurne. Er sügt hier noch aus= driirflich hinzu »Ecclesia in casu sortilegia credit et propter ipsa matrimonia separat (33 qu. 1 et 1. 4, tit. 15 De frigidis et maleficiatis). < 2) Und zwar wwvhl ans Grund einer Accusatio als auch ohne solche, wenn er die vorn Beichtsvrunl auserlegte Buße zu leisten sich weigert. — Das Forum internum urteilt vvlll Standpunkt des »peccatume, das Forum externum (contentiosum) vvnl Standpunkt des >crimen< (vgl. den vben S. 268 erwähnten Traktat des Zanchinus c. 34, § 3). 3) Gemäß Decr. Grab. 2 qu, 8, Quisquis und 26 qu. 5 Episcopi. Hvstiensis siigt hinzu: »quia episcopus decalvare potest eos, id est veates et capillos ante et retro incidere, sicut in quibusdam locis de consuetudine observatur. Et de hac decalvatione loquitur 32 qu. l.< Ahnlich Panvrlnitanlls im Kommentar zu Deiretalen V (Benedig 1G17, VII, 37): »potest episcopus sortilegos dehonestare rnitrando (ut fit in quibusdam locis) vel ponendo ad scalam cum vitupeno.« Eiu Urteil dieser Art ilu Bistum Meude im Jochre 1347 bei E. syalgairvlle. Un envoûtement en Gévaudan en 1347 (Nîmes, 1892) ©. 108. Bgl. Hiltschitls 1. c. V, 36, 39, 41, 43 lllld •©. 213. *) Bgl. dazu Hiuschius 1. c. V, 59, 563. 5) »stenlitatis sortilegia vel venena libidinis«. (Eiue alte Unsitte, vgl. die Manipulativuen der Mutter des h. Germauus, Bischvss vvu Paris, iu deüen Vita, Acta SS. Mai VI S. 778). 19"'

292

Biertes Kapitel.

ebenso wie Hostiensis; auch er will das Darreichen von Siebestränken geahndet wissen, unter ausdrücklicher Berufung ans das alte römische Kaiserrecht und die in demselben festgesetzte Todes-

strase.1) Bei der Erörterung der Sortilegien stellt auch er fest,, daß die Sortilegi nach kanonischem Recht mit der Exkommllnikation bestraft werden, fügt aber wieder hinzu, daß sie

nach weltlichem Recht als »matliematiciC dem Tode und der Konstskation der Güter verfallen sind.*2)

Auch der Astronomie

und Astrologie widmet er in diesem Zusammenhang eine ans kanonistischen

und

zivilistischen

Argumenten

zusammengesetzte

Darlegung; das Verbot der letztem vom kirchlichen Standpunkt erfolgte, wie schon bemerkt wurde, vornehmlich unter dem Ge-

sschtspnnkt, daß ihre Pflege der Sehre der Kirsche vom freien Willen des 2Renfchen znwiderlanfe.3) Die Erörterungen des Petrus von Ancharano (ck 1416), des Llntonius von Butrio (t 1408), des granz Zabarella (t 1417) und des Panormitanns

(t 1445) bewegen sich in demselben Geleise; sie betonen samtlich die häustge Einwendung zauberischer Abortiv- und Siebestränke, durch welche nicht selten der Tod der Jeanen herbeigeführt njerde, sie erörtern die immer noch fortbestehende Thatsache, daß besonders hänstg Priester sich mit Sortilegien und

astrologischen sRanipnlationen befaßten, und bieten mancherlei

schätzbares ^Raterial zur Erkenntnis der im 14. und 15. Jehrhundert üblichen, außerordentlich vielgestaltigen Betätigungen der christlichen Welt ans zauberischem Gebiete.4)

Jet diesen Darlegungen der kanonistischen Schule über den 1) >quia dabat operara illicite rei et ultimo supplicio supponitur« (nach ff. de pe. Si aliquis § Si quis); vgl. oben ©. 51 ff. 2) Gemäß 1. De maleficia et mathem. c. Nemo. 3) Bgl. oben 6.177. — Bei der Erörternlug von l- 5, t. 21 fvllllut Andreae auch iln Bvriibergehen daraus, daß die Inquisidores liaereticae pravitatis nur dann gegen Sortilegien vvrgehen dürfen, wenn sie »haeresim sapiunt manifeste« (vgl. vbelk ®. 280). De magorum daemonomania« ist die Bc= hauptung in die Siteratur fiber die He)je1lprvzesse iibergegangeu, ilu Iahre 1390 sei die Iurisdittivn über die Zauberer und Hei'en, die bis dahin allein der geistlichen Gewalt zugestanden habe, ihr durch Parlaments-beschulst genommen und den weltlichen Gerichten überwiesen worden. (@. 319: »Olim act ecclesiasticos indices, non autem ad laicos liaec cognitio pertinebat, quam in sententiam perßequente episcopo Parisiensi decretum Parlaments factum est a. 1282 [s. oben sen und in Hamburg. Ahulich wurde »bougrerie« in Irauireich für Sodomie angewendeü wenn das SBvrt auch ursprünglich den Katharismus (Bvugres-Bulgari-Katharcrh bezeichnet hatte (Régistre criminel du Châtelet I, 97, 190, 231, 567 ; Livre de jostice et de plet [ed Rapetti] I, 3 § 7; Le grand coutumier ©. 618, 637). 6) Bgl. ösenbniggell, Das alamannische Strafrecht im deutschen Mittelalter ©.289,375; ©egesser, Rechtsgesch. v. Srizern H, 648; IV, 205. °) Bgl. vbeu ®. 222, ulltell ©. 381, 383.

371

Joiustes Kapitel.

Eüustuß des Sachsen- und Schwabenspiegels und des neu aufgenommene!! römischen Rechts, liebelt der Verquickung voll Zauberei und Ketzerei hier auch der Umstand, wie bereits angedentet wurde, uiitgewirkt, daß zu den den Zauberern und Hexen nach dem Vorgang der Ketzerillquifitioll null auch iu weltlichen Prozessen regelmäßig illlplltiertell Verbrechen die Sodomie und die

angebliche Unzucht mit dem Teufel gehörte, welch letztere die katholifche Kirche damals, wie noch heute, unter die Bestialität zählte.1) Auf Gruud der biblischen Überlieferung vou dem göttlichen

Strafgericht, welches einst Sodoma durch Jener vernichtet hatte, pflegte die mittelalterliche Jelftiz die widernatürliche Unzucht aller-

lvärts mit der Strafe des Scheiterhaufens zu ahnden.

Von

den oberdeutschen Städten haben foust uur wenige Bestimmungen gegen Zauberer iu ihre Statuten aufgenommen. Sie fehlen z. B. selbst iu Städten, die, wie Bamberg, für die Entwicklung des Strafrechts und in der Geschichte der Hexenprozesse später eine

besonders wichtige Rolle gefpielt haben.2)

Wie wenig aber ans

diesem fehlen zu schließen ist, beweist deutlich das Beifpiel von Bern. Auch das dortige Stadtrecht enthält keine einschlägige Be-

aber nach der Rtitteilnng des im Jehre 1435 schreibenden ortskundigen lind sachverständigen Dominikaners

ftimmllng3),

Johann Rider erfolgten die

durch

den Berner Richter

im

Simmenthal, Peter von Greherz, nm das Jechr 1400 gefällten zahlreichen Verchrennnngsnrteile gegen Zauberer, auf die wir noch zurückkvmmen, nach dem heimischen städtischen Recht.4) Sn ganz Süddeutschland drang eben vom 14. Jahrhundert ab das

1) Bgl. vben S. 324. 2) Zvepfl, Das alte Bamberger Recht als Duelle der Carolina (Heidelberg 1839) S. 121. Das Bamberger Recht stammt aus dem 14. Iahrhundert. 3) Bgl. Gaupp, Deutsche Stadtrechte II, 44. Das Stadtrecht voll Sivu (Sitten) aus T)eu Zahreu 1217, 1269 uud 1339 enthält ebensowenig eine solche Bestimmung wie das Sßalliser Sandrecht (Greluaud 1. c. I, nr. 265, II, nr. 751, IV, nr. 1720, 1741); trotzdem saud hier die große Bersvlguirg vvul Zahre 1428 statt, vgl. unten Kap. 6. 4) Rider, Forrnicarius 1. c. V, 7: »inxni patriae rnunicipalia« (vgl. * S. 91 ss., 3. 98, Z. 41; näheres unten im Kap. 6). 24*

Z-mlües Kapitel.

römische Reckst stärker eiu, dessen Spuren schm! im Schwabenspiegel au einzelnen Stellen henwrtreteu. Seine Bestimmungen gegen die Zauberei werden in diesen Gegenden ebenso wie die

des SschwabNlspiegels häustg einfach augelveudet lvordeu sein, auch wo sw nicht ausdrücklich i!l dou Wortlaut der Statuten

einzelner Städte übernommen wurden,

wie das ill Prag iu

dem dortigen Rechtsluicll des 14. Jahrhunderts (aus der Zeit um 1327) geschah.1)

Jet den uiederdeutscheu Städten läßt sich die Aufnahme der Bestimmung des Sachsenspiegels au einer gauzeu Anzahl van fetadtuschten enveifeu. Allerdings erfolgte sie nicht immer ohne Auderung. Wenn das Hamburger Recht voll 1270 und nach ihm das Bremer Recht von 1303

und das

spätere Lübecker

Recht von c. 1400 iu wörtlicher Anlehnung au deu Sachseuspiegel die Verbreuuuug aus eitler Hürde für deu Unglauben,

die Zauberei und Vergiftung festfetzen, fo beschränken sto doch

diefc Strafe ausdrücklich auf deu auf frischer Thal ertappten Verbrecher.2)

Verfahren

Es war das gegenüber deut anderwärts gebenden

eine

außerordeutlich

durchgreifende

Beschränkung.

Deut! Zauberer auf frischer That zu ertappen, hat allezeit feine

große Schwierigkeit gehallt.

Einfache wörtliche Aufnahme der

Bestimmung des Sachfeussliegtcks fand dagegen statt im Berliner

Schöffeurecht des 14. Jeihrhuuderts3), ill dell Goslarer Statuten*111

1) Rößler, Deutsche Rcchtsdemmäler aus Böhmen lllld Mähren I, 111, Art. 34: „Wer uugelvubig ist, der nicht eristejr ist oder mit zaivber unlbglu, den schvl mall verbrennen." a) »So welk kerstennrnn ot'te vKjf, de urlgelovicli is offte mit toverye uurmegeit ofifte mit vergiftenisse, unde mit der versehen dat begrepen wert, de schal nie uppe der hort beruen.4 ^Halllbllrger Redltsaltertiilller, ed. Sappenberg I, 69, lüS, 305: vgl. irlulllller, Bvr träge über Tortur, Hei'euversvlguugeu .'e. I [Hamburg 1844j S. 101 ss.\ Z-iir Bremen vgl. Celnchs, Bvllst. Sammlung der GeseVbürfler voll Bremen (1771) S. 111: sirr Siiberf vgl. Hach, Da? alte silbische Recht 373 (si 247, III, § 400).

’) Berliller Stadtbuch (1883) S. 152, § 26 (vgl. Hälsdluer, Ge schichte des bralldellburgisch-preußischeu Strafrechts I. ü4''-

373

Iiillftes Kapitel.

von 135O1), im Groninger Stadtbnch voll 1425*2), im Rigischen Recht ans dem 15. S'ahrhtindert.3) Dem Sinne nach rezipierte auch das jüngere Rülgdcbnrger Recht ans der zweiten Hälfte des

14. Jahrhundert die Bestimmung.4) Das nm 1390 niedergeschriebene Knlmifche Recht beweist wieder beforiders deutlich, wie stark die kirchlichen Anschauungen an manchen Orten in das

weltliche Recht eingedrnngen waren. häufen oder

Hier wird der Scheiter-

follft der schmerzhafteste Tod,

den

der Richter

bestimmen kamt, verfügt für die Zanberer, die den Teufel zn

fich laden.

Als Grnnd wird lediglich angegeben, daß die Be-

treffenden Gott verleugnet und sich dem Teufel ergeben haben5);

es ist alfo hier von der Schädigung durch die Zauberei nicht nur keine Rede, sondern es wird für die weltliche Bestrafung ansdrücklich eine religiöse Begründung geboten. wilder war die

Strafe nach dem Ofener Stadtrecht, dessen nm 1420 verfaßte Göschen, Die Gvslarischen Statuten (1840) @. 38, 317. 2) Ieith in Rishvss's Bijdragen voor vaderlandsche geschiedenis N. R. I, 45. 3) Oclrichs, Das Rigische Recht (1773) § 132. 4) Das ältere Magdeburger Recht, welches unmittelbar aus dem Sachsenspiegel snßte, enthält leine einschlägige Bestimmung (vgl. Saband, Magdeburger Rechtsqnelleu [1869] ©. 14 ss.; ebenso das MagdeburgBreslauer Schösseurecht aus der Mitte des 14. Iahrlmnderts [ed. Saband, Berlin 1863]); wohl aber die spätere „Blume von Magdeburg" voll Ritvlans Wurm, vgl. Böhlau, Die Blume von Magdeburg (1868) ©. 38, 167: 11,5,5 »Alle czouberer und czouberinnen und vorgiftiger und keczer sol man uf dy hurt burnen.« 5) Seman, Das alte Knlmische Recht (vvr 1394 geschrieben) ©. 193; V, § 67: vis sint wyb adir man, dy mit tzoubernysse umme gen. Und dy das kunnen und triben, daB sy mit Worten den tuvil tzu sich laden, dy sal man alle burnen adir toten, welchis todes der richter wil, der ergir ist und ouch wyrser tut, denne yener, domite sal en der richter iren lyp nemen, wenn si hau veistoukeut unsirs hern gotis und haben sich deine tuvil irgeben. Und dy das wissen unde verswygen, und dy is raten adir helfen, werden sy des beweret, alse recht ist, den aal man das houbt abe slan.» Abortivzanberei wurde dagegen iu Kulm mit Echrabschncidell, Brandmarken und Berbannnng bestraft (Bvigt, Gesch. Preußen VI, 717, 752; Silieuthal l. c. @. 70). 1)

374

Iiillstes Kapitel.

Schlnfn'edaktion wenigstens für Verabreichtuig zauberischer Siebes, tränke bei der ersten Überführung nlir Ausstellung am Pranger

festsetzte mit einer Riütze, aus der Teufel abgebildet waren; erst

für

Wiederholungsfälle

bestimmte

es

den Tod

durch Vev5

brennnng.1)

Wie hartnäckig und dauerhaft gewisse Vorstellungen ans diesem Gebiete auch in Deutschland waren, ohne daß wir längere Zeit hindurch ans den Duellen etwas darüber erfahrest, beweist

die im Stadtbuch vou Zwolle aus dem 14. Jahrhundert enthaltene Bestimmung, daß man sein Kind enterben durfte, wenn

es mit Zauberei umging, wie eilt sqialesscus*2), und daß die Ehe bürgerlich getrennt werden konnte, wenn eilt Riwnn durch seine

Ehefrau oder auf dereu Veranlassung

bezaubert worden war.3)

Die letztere Bestimmung knüpst an die Bestimmungen des alten römischen Rechts und ihre Ausnahme im 6.—8. Jahrhundert in den germanischen Reichen an4);

ihre Begründung ist hier

nicht (wie im kanonischen Recht im gleichen met toverije omgaet, ut maleficus.« Mvihuiseji, Heksenprocessen in Gelderland (Rijhvss, Bydragen N. R. I. 194). 3) »off een man betoevert worde, en zyn wyff dat gedaen bat of doen liet.< 4) S. oben S. 57. Bgl. dazu Gefielen, Ehescheidung vor Gratian @. 25, 36, 40.

Zwistes Kapitel.

375

ausgehenden Riittelalter war das Eindringen des netten Verfahrens voll Amtswegen auch in den deutschen Strafprozeß, welches die

auf dem Weg des alten Akblfationsverfahrens schwierige und für dell Ankläger der Talion wegen nicht ungefährliche Überführung

des Angeklagten oder Verdächtigen erleichterte. Die durch den Riedergang der karolingischen SRoitarschie bewirkte Eüttfchränknng

des Rügeverfahrens als richterlicher Jetqnifition nach Amtsrecht war zwar keine ganz vollständige gewesen, diefes Rügeverfahren hörte vielmehr wohl niemals ganz anf1), aber im allgemeinen

war doch an den deutschen Gerüchten feither wieder in alter Weife das Auftreten eines Anklägers abgewartet worden, bevor ein

Strafprozeß erössnet wurde.

Vom 13. Jehrchnnderck ab, mit

der Ewstarknng der territorialen Staatsbildungen, beginnt aber der Übergang zn netten Verfahrett, da die Strafjustiz ihre Ans-

gabe, die verletzte Rechtsordnung des Staates zn schützen, mit den alten Mitteln allein nicht zn erfüllen vermochte. Diefer Übergang war hier bei der territorialen Zerfplitternng Deutsch-

lands ein vielgestaltiger, nm fo mehr, als die allmähliche, von Süden nach Rorden vorschreitende Rezeption des römischen Rechts die Entwicklung in delt einzelnen Gegenden Deutschlands

verschieden stark beeinflußte; es ergab fich daraus, daß die Umgeftaltnng in Süddeutschland im allgemeinen durch die schnellere

Aufnahme der Elemente des fremden Rechts, in Rorddentfch-

land dagegen durch Z'ortentwicklnng der Elemente des heimischen Rechts*2) ihre Signatur empstng. So war im Rorden wie im Süden des Reichs, in Österreich und Bahern einerfeits, in glattderli lind Holland andererfeits neben dem regelmäßigen AkktJu fationsverfahren das vom Sandesherrn ausgehende anßerordent-

liche Verfahren mit Hilfe von Rügezengen oder mittels rschterlicher ¡Inquisition im 13. Sahrhnnderck wieder aufgelebt, und zn

den sogenannten "stillen Wahrheiten", den "stillen fragen" oder deln "Geranne" ausgebildet worden, welche besonders gegen die Bgl. vben S. 104 ss. und siir das Riigeversahren Siegel in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie Bd. 125 (1891). 2) In den Riederlauden wirlte daneben der französische Einfluß stärler eill (vgl. Bieuer 1. c. S. 192 ss.). 1)

376

Iiinstes Kapitel.

"landschädlichen ßente", Raubritter lind Gewohnheitsverbrecher, Anwendung sanden.1) A schliche Entwicklungen haben jedenfalls auch au andern Stellen stattgesuildeu; so loar die westfälische Vente ein Versuch, durch die Einführung der Anklagepslicht der Schöffen und des Geheimnisses in das Verfahren den herköminliehen Strafprozeß fachgemäß anf der alten Grundlage der Rüge-

geruhte weiter zn entwickeln, in einer Zeit, wo in Süddeutsch * land dasfelbe Ziel schneller und umfassender durch Übernahme der Elemente des römisch-kanonischen Prozeßverfahrens angei strebt wurde. Allerdings die Übernahme des förmlichen schuft-

liehen Snqnifitionsprmzesses nach dem allster des kanonischen Ketzerprozesfes fand in Deutschland überhaupt nicht fo früh statt, wie in Frankreich und in Italien-*2)

Es entwickelte viel-

mehr hier die mehr lind mehr hervortretende Reignng zllm Einschreiten von Amtswegen zunächst ein Úbergangsglied, den Centnundsprozesj, der im 13. Jahrhundert sich ansbildend und vom 14. Jahrhundert ab allmählich von Süd- nach Rorddentsch-

land vordringend den alten formalistischen Prozeß beseitigte, fo zwar, daß der letztere in Riederdentschland fiel) an manchen Stellen

noch

bis

zum

16. Jehrchunderck

konservierte.

Seit

deu großen Rechtsreformeu vom Ende des 15. Jahrhunderts

drang dann das sorgfältige schriftliche Jetqnifitionsverfahren in Deutschland allgemein ein, und das nach römischer Anschauung

zur Vernrtheilnng unbedingt notwendige Geständnis des Beschuldigten wurde die Grundlage des richterlichen Erkenntnisses.-. Es ist die schon erwähnte Trenga Heinrici vom Jeihrc

1224, die zum erstenmale ausdrücklich von einem Richten anf Senmnnd spricht: Senmnnd ist hier »sama publica«.3) Dein vor

Gericht

stehenden

übel

Beleumdeten

kann

der Richter

1) Bgl. oben ©. 104 ss.; Bennerfe, Zur Geschichte des deutscheu Strafprozesses ©. 25 ss.; Zallinger 1. c. S. 85 ss. 2) Planet, Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter I, 155 ss.; Kries, Der Beweis iln Strafprozeß des Mittelalters ©■ 210 ss. 3) Treuga Henrici § 8, 14. Bgl. siir das ßetlmundsversahren Wächter, Beiträge 1. c. ©. 68 ss.; Eichhorn, Deutsche Rechtsgeschichte III, 441; Biener 1. c. gründet war und daß die Zaubereien schweres Siechtum, Jen-

potenz4),

vielleicht sogar deck Tod herbeigeführt hatten;

die

Strafe lautete vielmehr aus ewige, durch keinerlei Vermittlung

zli kürzende Verbannung

von

3—10 R?eileu.56 )

aus der Stadt llud einem Umkreis gür etwaige Rückkehr

iu die Stadt

wurde aber Ertränkung augedrwht (1407 nnd 1416).

Vermut-

Unter dell Mitteln sind solche, deren Kenntnis aus die Böhmen, d. h. die eben damals zuerst iu Westeurvpa austretendell Zigeuner, zuriirfgesiihrt wird (vgl. ©. XII, 24, ein „briiderlin aus .Heidenland" steht iu der Haudschrist). Drechsel ilu Berner Taschenbuch 1870 S. 159 und Dnliqllerez im Musée Neuchatelois IV (1867), ©. 4 suchen das stärkere Anwachsen des Hejenwahns inl 15. Iahrhlmdert durch das Austreten der Zigeuner zu erklären, von denen man dell zauberischen Gebrauch voll allerlei Kräuterll gelernt habe (vgl. neuerdings Meter, Die Periode der Hejeuprvzesse ©. 80 ss. und • S, 238, Anin. 1). Bvkl einer irgendwie ausschlaggebenden Bedeutung dieses Umstandes ialln aber teilte Rede sein. 1)

2) Ochs, Geschichte von Basel IU, 168.

2) 1. c. S, XII, ©. 4, 21, — die Erträntnilg ist nicht spezifisch weiblich nnd trisst auch Kuppler. Z 1. c. S. 14.

6) Bgl. Basler Ehrvnilen IV (herausgegeben voir Berlivuini), 123 f.

381

Joiustes Kapitel.

lieh erhielt das Urteil eine mildere gassnug, weil cs sich hier um Angeklagte aus den oberen Ständen handelte; vielleicht hatte aber Basel auch wohl das Recht, aus Grund von ßeu-

mund das Verfahren zn eröffnen, aber nicht, ahne Überführung durch Thatzeugell Todesurteile zu fälleu, Jeu Sahre 1401 wurde in Genf gegen eine Zauberin ver=

handelt, welche auf Verlangen eines Bestohlenen den Teufel in ihre Kammer zitiert und durch ihn die Rainen der Diebe erfahren haben sollte; das Verbrechen wurde auf »karna publica« hin

voll Amtswegen verfolgt nnd als »haeretica pravita.s« bezeichnet ; bei der Verhandlung des Gerichts — der Bischof von Genf war Jethaber der weltlichen Gerichtsbarkeit — wurde die Hilfe eines Geistlichen in Anspruch genommen nnd die Beschuldigte

der gwlter unterworfen.

aber nicht zn ermitteln,1)

Das Ergebnis der Verhandlung ist

Am 27. September 1417 ssel zn

Ehamberh auf dem Schassot das Haupt des langjährigen, hoch-

angesehenen nnd vielbegüterwn herzoglichen Rats Dr. Johann ßageret; sein Seib wurde am Galgen aufgehängt.

Er war be-

schuldigt, den Versuch der Vezanbernng des Herzogs Amadeus von Savohen durch allerlei auf Goldmünzen nnd Holzstücke

eingegrabene Figuren gemacht zu haben, nnd das Appellationsgeeicht zn Bresse hatte ihn deshalb unter diesem Vorwande, der ossenbar nur eine Hofintrigne verdeckte, zlnn Tode verurteilt.*2) Wir werden noch zn erörtern haben, daß während der Regiernngs-

zeit dieses seit 1391 regierenden nnd im Sichre 1416 ztint Herzog erhobenen Grafen Amadeus VIII. von Savohen, eines wohl bizarren aber im übrigen tüchtigen nnd nm die Gefetzgebnng feines Candes befonders verdienten Fürsten, der vom Sahre

1439—1449 als Gegenpapst Jelii' V. eine Rolle schielte und im 1) Staatsarchiv zu Genf, Procès criminels nr. 4: 1401 Mai 2—10; vgl. * Abschnitt VI a. a. 2) B. de S. Genis, Histoire de Savoie I (Ehamberh 1868), 400. Das von ihm vermißte Tvdesurteil beruht im Staatsarchiv Turin, Criminan, Marzo 1, nr.3; vgl. llvch ebd. Conti di tesorería generale 34, fol.166, 65 fol.208 (seit 1382 als Rat erwähnt); vgl. auch * quod ipse olim. simplex clericus et etatis 20 annorum vet circa existens, videns quod multi homines portabant lignorum fascículos ad comburendam. quandam mulierem. ad incendium condempnatam............ una cum dictis hominibus ad locum, ubi dicta mulier combnri debebat, solum lignorum fasciculum portabat et ibidem proiecit, ex quibus fasciculis lignorum combusta fuit mulier memorara.« Es fallu sich allcrdings anch nul cille eiusache Keperiu l)audeln (vgl. die Taïrvlle venu Iahre 1338 bei Deuisie-Ehrle, Archiv IV, 224).

387

Joiuües Kapitel.

mit dem Ehrisma und der Eucharistie, sowie die Ergebung au den Teufel wohl bekannt war1), zeigte sich während der erstell Snhrzehnte des 14. Jahrhundert, im Zeitalter $apsk Sohaiin’sXXII.,

in dell fürstlichen Kreisen die allgemeine gnrckst vor der Zauberei

einerseits, anderseits die Benutzung des Glanbens an die Zauber-

künste als bequemen Vorwands. So machte im sahre 1322 ein Zauberer nach der Schlacht bei 9Rühldors einen Versuch, den Herzog Friedrich voll Österreich aus der Gefangenschaft zu befreien*2); lnld als am 28. Februar 1326 ^riedrschs Bruder, der Herzog Seopold vou Österreich, plötzlich, anscheinend an Gist, starb, wurde

sofort der Verdacht rege, daß wiederum ein Zauberer daran die

Schuld trage.3) Knrze Zeit daraus erlebte man hier in den fürst-

lichen Kreisen einen Aussehen erregenden Ehefcheidlntgsprozest, in welchem die Impotentia ex maleficio in dem von den Kanonisten befürchteter! Sinne, als Vorwand für die Befeitignng lästiger Ehe-

fesseln4), verwertet wurde. Als im Sahre 1341 die Trennung des jungen Grafen Jechann Heinrich von ßuxembnrg, des Bruders des späteren Kaifers Karl IV., von feiner ersten Gemahlin, der

energischen

Grässn

SRargaretha

DRanltafch,

ans

politischen

Gründen erforderlich schien, damit diefe den Riarkgrafen Zndwig, den Sohn des Kaifers ßlldwig des Baiern, heiraten und ihm

die Grafschaft Tirol znführen könnte, erstatteten die Hoftheologen lnld Unlüsten KaiferSndwig’s, Wilhelm von Dccaln und SRarsslins

von Padna, die erforderlichen Gutachten über die Bezauberung des Grafen, und fo konnte Margarete am 10. Jebrmar 1342 bei ihrer unter dem Schutz des Kaifers stattssndenden zweiten

Hochzeit mit denl Jeingfrmnenkranz geschmückt erscheinen, trotz-

dem sie zehn SahrT mit Johann Heinrich vermählt gewesen 1) Predigten 1. c. I, 298, 342; II, 71; Gildemeister 1. c, ©. 45 (vgl. auch vbeu ©. 288). 2) £ea 1. c. III, 456; vgl. Math. v. Reubnrg, bei Böhmer, Fontes rerum Germanicarllm IV, 99; Köuigshvsen in ©tadtechrvniken 7, 467 (Herzog Friedrich weigerte sich jedoch, dem aus Beranlassnng des Rigrv= luanten bei ihm erscheinenden Teufel zu fvlgen). 3) Je. Billaui 1. 9, c. 315 (danach Rahnald, Annaloa 1326 kir, 7; vgl. Zindiler, Deutsche Gesch. 1273—1437, I, 346). die sect Gazariorum, das ist der unholden und die bei der nacht faxen uf besamen, offengabeln, katzen, bocken oder uf anderen dingen darzu dienend.«

2) Uber ihr Selben lllld ihre Thätigicit vgl. unten @. 474 ss. und meine eingehenden Darlegungen * Abschnitt III, aus die ich mich hier ein firr allemal beziehe. 3) Die Orte, welche sie iln Malletts erwähnen, liegen alle südlich vvn Speher und Hagenau; nur einmal wird Koblenz genannt, aber mit dem Ausdruck des Bedauerns, daß die dvrtige Gerichtsprapis die Bei strasung einer Hei'e nicht ermöglichte. Das Sßvrt ,,Hej;e" wurde jetzt iu Deutschland ähnlich lvie iu F-ranfreich „Baudvis" allmählich die übliche Bezeichnung (vgl. oben 6. 409, 414).

426

Sechstes KJupitel.

SijstuL» IV.

elteilte

31. Oltober 1483 dem Dolniuitaner-

ans

kloftir zu tochlettstadt ciixcii eintraglichcn Ablast als Anerkeunilng sür die Vcrdienstc, wclchc fein Prior Jelstitoris sich bercits anf diesem Gebicte

cvworbcn hatte.1)

Aber Geistlichc

nnd £aicn

in Dentfchland widersprachcn in grostcr Zahl dicscni Vorgehen

der Snqiiisitoren, so dasj diese sich nach Rom wandtcn, nm sich

ihre Kolnpeteuzen ansdrücklich bestatigen zss (nssen. statignng

erfolgte

dnrsch

die

vielbernfene

Diese Be-

HQ'enbnlle

Papst

Sunoeeltz VIII. vom 5. Dezeulber 1484, anf welche wir noch

zllrückkoinmen werden.*2) Zwar hatte ein mit Hofintrignen ver-

knüpster Hei'enprozest,

den Snstitoris im Augnst 1485, wohl

anf der Heimreife von Rom, anf Grnnd der püpftlichen Bnlle

zn Jentsbruck in Szene fetzte, nicht den gewunschtcn Erfolg; der Snqnifitor nulstte vielmehr hier mit Hohn bedeckt das Jeld ralimen, weil der Bifchof Georg Golfer von Bricen, ein verftandiger SRann, Einfprnch gegen fein Treiben erhob.3) Da= gegen konnten die beiden Amtsgenossen in dem Hej-enhammer,

dantals ansarbeiteten nnd im Jehre 1486 zn Ende ftihrtcn, berschten, dafz fie in den letzten fünf Jehren allein den fie

in der Dibzefc Konftanz 48 Hejen anf den Scheiterhanfen ge-

bracht hatten.4) Es war ihnen das vornehmlich in den Gegenden gelungen, in denen derfelbe fchwachkbpfige Erzherzog Sigmnnd von Tirwl fiandesherr war,

der anch in Jenlsbrmck

dem Jetqnifitor Jelstitoris fein Entgegenkonnnen bewiefen hatte. Papft Jelnocenz VIII. erkannte die Verdienste, die Sigmnnd ssch dnrsch die Unterftütznng

der beiden Jerqnisstoren bei der Ver-

1) Diese Ablasibnlíe habe ich * ®. 21—24 abgedrllrft.

2) Bgl. unten @. 467 ss. a) Bgl. Rapp, Die Hezxnprvzesse nnd ihre Gegner aus Tirvl (2. Ausg.) S. 9 ss.; Egger, Geschichte Tirvls I, 606 ss'. und besvnders Aunnann im Z-erdiuaudellm siir Tirvl nnd Bvrarlberg 1890 @. 6 fi. Bgl. * Abschnitt VI a. a. 1485. Im Malleus tvunnt Institvris (1669 S. 148 ss.) eingehend ans diesen Prvzesz lllld riihmt den besvnderen Eiser des Epzherzvgs Sigmnnd gegen die Hei'en >curn revera uti catholicus princeps et praecipuus zelator in exterrniniurn earurn curn assistentia rcverenclissirni ordinañi Brixensis non rnediocriter laboravit < '■) Mafíeits 1. 1, c. 4.

427

Sechstes Kapitel.

solgnng der Hei'ensekte als wahrhaft katholischer lind gottes; sülschtiger Je’irst erworben hatte, durch ein warmes Belobiglnlgsbreve vom 18. Jellli 1485 an1) und sorderte zugleich den Er(? bischos Berthold von 9Ramz ans, den beiden allen Beistand zn

leisten

lind

ersorderlichensalls in

den

Diözesen

verschiedenen

seiner Kirschenprovinz noch besondere Jelqnisitoren zn ihrer Unterstützung zu ernenlleu.*2) Die Rlassenversolgnng der Hei’en wurde somit nm das Jeihr 1480 unter dell besonderen Anspicien des Papsttums auch nach Dberdentschland übertragen. Ilberblickt man dagegen die in derselben Zeit nachweisbaren

Zanbereiprozesfe der weltlichen Behörden,

so zeigen

diese iln

allgemeinen noch dasselbe Bild, wie wir es oben sür die Epoche von 1230—1430 kennen lernten. Es sind Einzelprozesse, bei denen das RialesiCillln im alten Sinn die öffentliche Gewalt in Bewegung fetzt;

von dem llenen Hexenbegriff

mit feiner

Kumulation verschiedenartiger Vergehen, voll einer planmäßigen

Allffpürnllg der Heien nnd einer Rfassenversolgnng ist hier anch jetzt in der Regel noch nicht die Rede. Jet Italien, wo die Zauberei in ihrem vielgestaltigen Wesen

nach wie vor lebhaft im Schwange war3), tritt in den zngäng5 lichen Duellen der Zanbereiprozest besonders im Lllpen- nnd

Apenninengebiet in die Erscheinung.

1431 stand zn $aido im

Val Seventina am St. Gotthard eine 3'oni wegen todbringender Rialesteien vor Gericht, wurde aber freigesprochen4);

dagegen wurden 1445 zn Perngia und 1455 zu ßoeärno zwei Kranen,

1) Abgedrurft * ©. 28; auch der Abt Ivhauli vvn Weingarten bei Kwustauz erhielt eilt solches Breve aus derselbe» Beranlassung (ebd. *®. 29). 2) Ebd. *©.27. Der Papst erwähnt in diesem Breve: »conceasirnug per bullaru noatratn diversis fraternitatibus seu societatibus, que protectionein fidei ipsius eiusque inquisitorurn aasurnent, influlgentiarn plenarie rernissionis in rnortia articulo.« Dell SSvrilaut dieser Bulle ialllt ich nicht uachweisell. 3) Burrfhardt, Kultur der Renaissance 6II, 254—293 hat den Zauberund Herenglaubeu in Italien während dieser Zeit behandelt (über Rocera S. 279). 1) Bollettlno storico della Svizzera italiana 1884 ®. 144.

428

Sechstes Kapitel.

1457 zu Rsailaud uud 1481 zu fiugaito drei tRäuncr als »maloficae, indivino e fatmmio« uud als »stregoni« vcrbrauut.1)

Jet Frankreich lourde 1437 zu Rtacon, 1447 zu Rouen eilt DRaml als Zauberer uud Teuselsaurtiser hiugerichtet, 1448

uud 1452 wurde iu der (Grafschaft Beatm gegen eine $rml und

einen stJtann wegen tödlichen Wleficieu verhandelt, 1456 be= flieg zu Jeckaisc ein Zauberer, 1460 zn Soissons eine gran

wegen Ausübung

schädlicher SorHlegien deu Scheiterhansen;

1463 wurde ein Zanberbnch zn Dijon feierlich vom Gericht verbrannt.*2) 1470 wurde zn Virlon bei SiijTmbnrg anf Urteil

des ssirevot eine grau als » sorcière « verbrannt; zwei Winner nnd eine fzwan, die sie ans der Folter auch als Zauberer be-

schuldigt hatte, wurden gefangen genommen nnd ebenfalls gefoltert; es entstand darüber ein Streit zwischen dem Prevöt

lind dem Stadtgericht, der zn einer Appellation an den Gonvernenr von Luxemburg führte, das Schicksal der drei Perfonen

kennen wir nicht.3)

1472 erscheint das königliche Hans von

grmlkveich wieder in einen Zanbereiprozeß verwickelt : durch Vermittlung eines Abts und nicht ohne Vorwissen König ßndwig’s XI. sollten gegen den Herzog Karl von Gnienne zauberische Anschläge

unternommen worden sein; der Abt wurde eingekerkert und im Kerker angeblich vom Teufel geholt.4)

1) Ebd. 1881 S. 62, 1883 ©. 62, 1885 ©. 113; Archivio storico Italiano XVI1, 565. (Zwei Priester, welche an diesen Zaubereien in Perugia beteiligt waren, wurden zn lebenslänglichem Kerfer verurteilt.) 1468 wurde in Bologna ein ©ervitenprivr vernrteilt, der ein Bvrdell mit Dämonen als Znenbi gehalten hatte (Bnrefhardt l. c. 279). 2) Annuaire du Département de la Côte d’Or II, 73 ; Giraud, Etude sur les procès de sorcellerie en Normandie (1897), 9 ; £espi). Les sorcières dans le Béarn 1393—1672, im Bulletin de la société de sciences de Pau IV (1874) S. 28 ss., nr. 2, 3; Gannet, Histoire de la magie en France S. 108; * Abschnitt VI a. a. 1460 Joui 14. Einen Prozeß von 1455 erwähnt Dueange s. v. Sortiarius. 3) * Abschnitt VI a.ll. 1470 Dez. 7. 4) Revue des sociétés savantes IT, 94 ; Argentré, Histoire de Brétagne 1. 12, c. 16 (ed Paris 1588 ®. 692), Garinet 1. c. 111 s.

429

Sechstes Kapitel.

Was Deutschland betrifft1),

so zeigt für Oberdentschland

jenes vielbenntzte, von einem schwäbischen Juristen kurz vor dem Sahrc 1450 verfaßte Handbuch für Richter, welches sich die Ausgabe stellte, das römische Recht in der „Kblgstüegel'Z

die deutsche Gerichtsprai'is überznleiten, daß die schweren Strafen dieses Rechts für die verschiedenen Arten der Zauberei, für Siebestränke in s. w.

inl Zusammenhang mit der jetzt siegreich fort-

schreitenden Reeeption des fremdelt Rechts stärker eindrmtgeli.*2)

An nachweisbaren Prozessen ist besonders die

Schweiz reich.

Sn den Jethren 1426, 1437 und 1458 fanden mehrere Prozesse zn Freiburg im Üchtlaiid gegen schädliche Zauberer männlichen und weiblichen Geschlechts statt, drei von ihnen wurden

verbrannt, mehrere zn Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt.3) 1433 wurde in einem Prozeß zn Bafel

über eine

auf einem

Wolf rücklings reitende Jean ansgefagh 1451 wurde hier eine

Jeltn als Zauberin hingerichtet; dasfelbe Sos traf 1482 eine

f^ran zn Siestal bei Bafel.4)' 1447 wurde zn Büren bei Solothnrn eine 3ran verbrannt, die mit Hilfe der Eucharistie SRalefielen ansgeübt lind Wetter gemacht hatte.5)

Sn ßnzern, wo,

wie wir fehen werden, nm 1450 in einer größeren Anzahl von

Prozessen des Stadtgerichts anch der erweiterte HQ'enbegriss schon in die Erscheinung tritt, fanden daneben anch 1454 und 1460

1) Iür Deutschland sind mir aus naheliegenden Gründen zahlreichere Orlenen zugänglich als sur die übrigen Zander. 2) Die betr. Stelle *S. 122. Iiir das ABeri vgl. Stintziug, Ge= schichte der deutschen Rechtswissenschaft I, 43 st., Gesch. der populären Siteratur des rölu.-fanvn. Rechts in Deutschland S. 337 ff.; siir die Réception vgl. ßaband, Bedeutung der Reeeptivn des römischen Rechts siir das deutsche Staatsrecht (1880) S. 6 ss.

s) Berchtvld, Histoire du canton de Fribourg I, 238; Ochsenbeill, Aus dem Schweizer Bvlislebeu des 15. Jahrhunderts (1881) ©. 366 (vgl. Staatsarchiv zu Zreiburg, Compte du trésorier nr. 69, 111, * Abschnitt VI a. a.). q Bupvrf-fralieisen 1. c. IV, S. XIII; vgl. Svldan 1. c. I, 263; Staatsarchiv Basel, Ußgebenbuch 11 fol. 47,5.

S) Geschichtsfreund 2.3, S. 367.

430

Sechstes Kapitel.

mehrfach Verbrennungen wegen einfacher RZalesieien statt.1) Die Häufigkeit der Verbrennungen nm diese Zeit beweisen ganz allgemein die ans den eidgenössischen Landtagen im Jehre 1461 und 1482 zumeist ans Veranlassung von Luzern geführten Ver'-

handlnngen.*2) Jet Konstanz wurden 1453 zwei, 1458 ein Wetterwacher verbrannt;

Rl'ilch weg.3)

der

letztere zauberte

anch den Kühen die

Unsicher ist eine Rachricht über He^enverbren-

nnngen zn Bern und Solothurn in dem Jeihre 1454; daß aber

an beiden Orten nm diese Zeit solche Exekutionen vorkamen, so int Sahre 1467 zu Bern, ist zweifellos.4)

1462 wurde in

Zürich eine gran wegen des ßeumundes, daß sie hejen könne, ansgewiesen, eine andere, die beschuldigt war, Menschen nnd Vieh

zu bezaubern, wurde verhört, aber wir kennen nicht das Urteil.5*)

1482 wurde zn SRurten eine Helse wegen Wettermachens nnd DRischranchs der Sakramente verbrannt.0)

Ans dem übrigen Süddentschland erwähnen wir verschiedene Verbrennungen von Zauberinnen in fíothringen: 1445 zn Verdun, 1448 zn GorFe, 1468 zn Bar; 1482 wurden in verschiedenen kleinen lothringischen Orten drei SRänner nnd eine s5ran ver-

brannt.7)

Sn R¿etz selbst fanden nm diese Zeit sehr zahlreiche

1) Die hvchst intéressante» und zahlreichen Suzerner Prvzesse silld neuerdings vvn E. Hvssnlann-Kraher iul Schweizerischen Archiv siir Bvlls= tunde III (1899), ®. 22 ss., 81 ss., 291 ss. verisssentlicht ivvrdeu. 2) Eidgeltvsüsche Abschiede III1, 20. 3) Schultheisi’sche Stadtchrvnii I, 159, 162; I. Z. Spetl), Drciteilige Beschreibung der Et quia publica farna de huiusrnodi transvectionibus etium apud vulgares continue volat, non expedit, plura ad hoc probandurn de his inserere.« 2) ©. 111, 115. Die Ansicht der Zweifler ist dhaeretica et contra sacrae scripturae intentionern et ad ecclesiae intolerabile damnurn, ubi maleficae iam multis annis impune ex hac pestifera opinione permanserunt, saeculari brachio puniendi facultatem amputando, unde et in immensum sic creverunt, ut iam non sit possibile, eas eradicare. e 3) Oder gleich bei der Geburt, vor der Taufe, ulu sie dem Teufel darzubriugeu; daher sind Hebammen besonders häufig Hei'eu (Mallens S. 68, 106, 151, 293 ssh. Bgl. dazu oben @. 449, Annl. 1. I Mailens S. 178 ss., 193—203; vgl. dazu oben ©. 160.

480

Sechstes Kapitel.

Rianne1), daneben Unsrnchtbarkcit beim Weibe oder unordentliche geschlechtliche Zuneigung hervor.*2) Dor theoretische Grund

dafür ist die voll deu großen Scholastikern festgestellte »lHeditas actus generativ!« und die voll denselben Gelehrten betonte Thatsache, daß durch denselben die Erbsünde fortgepflanzt wird.3)

Jelfolgedesseu

sind

kraft

göttlicher Zulassung

diese

Beziehungen deu Einwirkungen des Teufels mehr ausgefetzt als andere.4) Daraus ergibt sich denn ohue weiteres die Konsequenz, daß einerseits die Rläuller häufiger durch Behebung geschädigt

werden, anderseits die Weiber die Hexerei häufiger ausüben; die geschlechtliche Bethätigung kann eben beim Rtanue leichter verhindert

werden als beim Weibe.

Das

tritt im täglichen

Selten befonders bei deu Hexenkünsten der verlassenen Bräute

tu die Erscheinung, welche ihre ungetreuen Geliebten selbst oder

1) Interessant ist, daß um diese Zeit die Königin Isabella vvn Kastilien diese Art von Malesieien bezweifelte und sich in einer Erörterung, die sie darüber mit dem Generalinquisitor Deza führte, durch diesen nicht von ihrer Realität überzeugen ließ (vgl. * S. 262).

2) Ein .klassisches Beispiel dafür wird 50 ausgesührt: dNovirnus vetularn, tres successive abbates, ut publica omnium fratrum fama in illo monasterio etiam in hodiernum diem refert, non solum in his (d. i. inordinatus amor) maleficiasse, sed et interemisse, quartum iam simili modo dementasse. Quod et ipsa publica voce fatetur nec veretur dicere: feci et facio, nec desistere a meo amore poterunt, quia tantum de meie etercoribus ederunt (quantitatem per exteneum brachium demonstrando). Quia nobis non aderat ulciacendi et inquirendi super earn facultas, ideo adhuc superest.«

3) Bgl. oben ©. 157 ss. 4) Bgl. ©. 3, 55, 56, 91, 126: >Deue ampliua permittit .super vim generativam propter maiorem eitle corruptsonem, quam super alios actus hllmanos; deus plus permittit super hunc actum, per quem primum peccatum diffunditur; propter foeditatem illius actuse; die Ausübung der dpotentia generativae wird unter die »spurcitiaee gerechnet (©. 98). Die Erörterung dieser Dinge bietet den besten Einblick in die geistige Bersassung der beiden Antvren, vgl. besonders die nach scholastischem Schema geführte Untersuchung ©.59; »An inaleficae praestigioea illrlsiorle operentur circa membra virilia, quasi illa olnnino sint a corporibue evuleat 6. 127: »De modo, quo membra virilia auferre solente, dazu die »Remedia« ©. 187.

481

Sechstes Kapitel.

durch Vermittlung alter Weiber in dieser Weise bezaubern, nm ihnen den Vollzug der Ehr mit ihren Rebenbnhlerinnen lnn

möglich

zu

Da

machen.

die 9Renge solcher Rtädchen

ohne

Zahl ist, wie die tägliche Erfahrung lehrt, so sind anch die

ans dieser Gruppe herworgehenden Hel'en unzählbar-1)

Dieses numerische

Übergewicht der Kranen kommt aber

vor allem anch in der Tenselsbnhlschast znm Ausdruck.

Jede

Äbel’e, das ist ein Lli'iom des 9Ralleus, steht in geschlechtlichem Verkehr mit dem Teufel-2)

Dieser Verkehr vollzieht ssch nach der fchlilmäszigen scholastischen Sehre vom Jetenbtis und Sucenbns3); die Verfasser vergessen nicht zu betonen, daß ssmher

die Jelenbi die uralten gegen deren Willen mißbrauchten, dast

aber jetzt die HeiTn freiwillig diesen schändlichen Verkehr sticheltDie 48 Hei’en, welche sse bereits selbst, lind ebenso die 41 He Jen,

welche der Jelquisitor

zu Bormio

im Jehre 1485

auf den

Scheiterhaufen brachten, haben sämtlich gestanden, daß sse frei-

willig in zehn- bis dreißigjährigem geschlechtlichen Verkehr mit dem Teufel gestanden

haben.

Grade

durch

diesen Verkehr

wird das dauernde Verhältnis zwischen Hei'e und Teufel unterhalten.4) Run hatte zwar die scholastische Theorie neben dem

1) S. 43, 103 (vgl. dazu unsere Darstellung oben ©. 93). Die »Remedia« werden Malleus 181 ff. behandelt. — Daß der Bruch der Ehegelöbnisse um diese Zeit wenigstens an einzelnen Orten sehr häusig — und zwar in steigender Progression — vvríakn, beweisen die Alten des Dssizialatgerichts zu Blerl in Westfalen 1438 und 1495—1516 (AJestdeutsche Zeitschr. s. Gesch. und Kunst VII, 35; Annalen des Hist, Bereins s. d. Riederrhein 65, 151 ssh. Sv mag die Impotentia ex maleficio in der oben ©. 93, Annr. 2 erwähnten szvrnk, und demgemäß die Denunziation der angeblichen Hefen beim Gericht gleichfalls häusig gewesen sein. Daß Ehescheidungen wegen Impotentia ex maleficio inl 15. Iahrhundert häusig waren (vgl. oben ©. 164, 289), erwähnt auch Mantvris 1. c, Kap. 1. 5) S 105 »hoc est commune omniunl maleficarum, spurcitias carnales cuín claemonibua exergere.«

3) Diese wird Malleus S. 18 ss. eingehend dargelegt. 4) S. 119 »incubi daemones in retroactis ternporibus infesti fuerunt mulierculis contra ipBarum volúntateme .... »lnoderuae Historische Bibliothek.

Bd. xli

31

482

Sechstes Kapitel.

Sncubns anch den Snecnbns behandelt. Die Verfasser deH fallens konstatieren jedoch als sichern Ersahrnugssatz ihrer Zeit, daß diese Riedertracht des fleischlichen Umgangs mit dein Teufel mehr bei Weibern als bei DRännern gesunden wird1);

ja alH

Rtänner preisen sie Gott,

der das männliche Geschlecht vor

so großer Sünde bewahre,

offenbar ans Grund eines besinn

deut ssirivileginnls dieses Geschlechts, da Ehristns in diesem seine SRenschwerdnng vollzogen habe.*1 2) Demgemäß nennen ste denn auch ihr Werk »Mailens maleficanim«, nicht »maleficorum«.3) Keiner ihrer literarischen Vorgänger hatte sich in dieser Weise grundsätzlich gegen das weibliche Geschlecht gewandt.

Zwar hatten

auch

von ihnen i manche ihre Beobachtung zum

Ausdruck gebracht, daß das weibliche Geschlecht in der neuen Hei'ensekte zahlreicher vertreten sei4), aber, wie wir schon cri wähnten (S. 450), die Disserenz war nach ihnen doch nicht bJu dentend, und das Sabbattreiben, das bei ihnen im DRittelpnnkt stand, erforderte eine ziemliche Übereinstimmung der Zahl von

Riännern nnd Weibern.

Dieses letztere SRoment fiel für die Antoren des fallens weg; indem sie den Sabbat nnd die schmecken Exzesse der an ihm teilnehmenden Rlenschen nur nebenher erör-

terten, konnten sie hinsichtlich der geschlechtlichen Ausschweifungen auf die geheimen, privaten Beziehungen zwischen DRensch nnd Teufel den Rachdruck legen, und dabei wurde schon von felbft

eine stärkere Beteiligung des weiblichen Geschlechts wahrscheinlich, da der Tettfel eben doch in der Regel männlich gedacht wurde.

rnaleficae non iarn, ut hactenus, invitis anirnis sed sponte pro vo­ lúntate foeditissirna miserabili servituti se subjiciunt.c In diesem Schema find die Autvren unerschbpslich : ©. 103, 110 (sex annis incuburn claemonem habuerat, etiam in latere viri dormientis in lecto), 116 st., 177 ft. 1) ®. 42. Manner geben sich dazu nicht her, »cum ex naturali vigore rationis, quo viri mulieribus praeeminent, talia plus ab­ horrent« (S. 177). 2) S. 46 (vgl. dazu I. B. Schwab, Ivhauues Gersvu S. 393). a) S. 46 »Conaequenter haeresia dicenda est non maleficoruni, sed maleficarura, ut a potiori flat denominatio.e 4) *®. 205, 220 Z. 22, 238 Z. 30.

483

Sechstes Kapitel.

Der Gedankengang der Antoren iu dieser fyrage ist aber allsterdem durchaus voll grundsätzlichen religiösen Erwägungen bestimmt. Aus dem Schatze ihrer Belesenheit tragen die Verfasser

in längerer Darlegung emsig alles znsannnen, was sich irgend zu Ungnnsten der grauen sagen läßt.1) Reben dem nach dieser dienen ihnen dabei als Arsenal die Hanptvertreter der Eölibatsliteratnr der

Richtung

besonders

ergiebigen Alten Testament

nrchristlichen Zeit, Sactantins, Hieronhmns, Ehrhsostomus, neben

greifen

Sokrates

lind

fie aber anf Easch Eieero

Theophrast

zurück.2)

und Seneca,

Selbst

die

daauf

homerische

Helena und die Sirenen müssen gegen ihr Geschlecht zeugen,

"forschen wir nach, fo werden wir finden, dasZ fast alle Reiche der Welt inn der Schatten willen zn Grunde gegangen find".

Als Beweis dienen Helena, Jezabel und Kleopatra.

"Wäre

nicht die Schlechtigkeit der Weiber, fo wäre die Welt von nni zähligen Gefahren befreit".

"Das Weib

ist bitterer als der

Und dem hl. "Was ist das Weib anders

Tod", entnehmen sse dem Buche Jefns Sirach. Ehrhfoftomns schreiben fie nach:

als eine Jeindin der Freundschaft, eine Strafe, der lnan nicht entrinnen kann, ein notwendiges Übel, eine natürliche Verfnchnng, ein Unglück, das das Verlangen reizt, eine häusliche Gefahr, ein füst schmeckender Schaden, ein Übel der Ratnr mit schöner Jelrche übertüncht".

Das Weib ist nach dem Hexen-

hannner dem Rbnnie überlegen an Aberglauben, Rachfucht, Eitelkeit, Sügenhaftigkeü, Leidenschaft und nnerfättlicher Sinn-

lichkeit.

Da ihnen die körperliche Kraft fehlt,

fo fischen

die

Zwanen im Teltfel ihren Helfer nnd im Hejenwefen die Hilfsquellen für ihren Rachedurst; da fie an allen Kräften der Seele nnd des Selbes schwächer find als der R?annz fo ist es nicht wunderbar, daß fie lnnfomehr dafür forgen, durch Zaubereien gegen die SRänner, anf die fte neidisch find, zn wirken. Da das Weib, von Ratnr schlecht, schneller am Glauben

zweifelt, fo schwört es auch leichtfertiger den Glanbeu ab, und

1) Malleus 1. c. S. 40 ff. 2) Zuvenal's bekannte auch int Mittelaster viel gelesene 6. Satire erwähnen sie nicht.

31 *

484

Sechstes Kapitel.

das ist das Jelndament des HejTnwesens. Die vornehmste Ursache für die Vermehrung der Hei'en bildet der schmerzvolle Kamps zwischen verheirateten nnd unverheirateten Kranen und Riännerm.1) Die unersättliche $lcischcslnst der Weiber führt fie

endlich dahin, daß sie, tnn ihren Begierden zn frönen, sogar

den Umgang mit den Teufeln fnchen. Diese Anffasfltng ergab sich ntin keineswegs ohne weiteres ans der bekannten Thatsache, daß seit jeher die Jeanen in der Volksmeinnng mit Zauberei nnd Gist hänssger in Verbindung

standen als die Riänner, und daß auch die volkstümliche Vorstellung vou der Striga vorwiegend weiblich war. Seit jeher hatte allerdings die $ran den Ersatz für die ihr fehlende phhfische Kraft dell Zauberkünsten entnommen*2), nnd nach der Volks-

meitnntg waren anch jetzt zweifellos die Kranen immer noch der eigentlichen Zauberei mehr ergeben, fo daß an und für fich die

ssiräfumtion der Zauberei gegen grauen stärker war als gegen Riänner.3) Das hatte fich anch in den AUsführnngen der älteren

Theologen über die »vetnlae sortilegae« geäußert, nnd äußerte fich noch immer.4)

Aber grade die durch die Inquisition fest-

gestellte ketzerische Eigenschaft der Zauberei hatte unwillkürlich diefe Einseitigkeit gemäßigt, da sich die Häretiker stets aus beiden Geschlechtern rekrutierten, nnd der isiakt mit dem Teufel, den nach

theologischer Auffassung die Zauberei involvierte, Ursprünglich sogar vorwiegend männlichen Eharakter trug. So bessnden sich denn anch unter den nachweisbaren Personen, welche in Renchätel die Jeiqnisition 1430—1481 als Mitglieder der netten Vanderie 1) Bgl. dafür oben S. 93. 2) Bergistungsverbrechen sind — wie sich aus der körperlichen Schwäche der grau erklärt — stets von dem weiblichen Geschlecht mehr geübt worden als vom männlichen (Gengler, Die strafrechtliche Sehre von der Bergistung ©. 2, 1Ö8, 113). 3) • ©. 238 Z. 30. 4) Wilhelmus Parisiensis, Thomas von Aqnin, Bonaventura (vbell ©. 135, 159, 336 Annl. 2). Bgl. auch Alexander von Haies L c. S. 75G (Summa II qu. 167), sowie Rievlans von Zauer *S 70, Zvhanlt v. Dieburg * S. 76, Ivhann Hartlieb * S. 132. Auch in den Statuten des oben ©. 301 erwähnteil Konzils zu SallgrTs 1404 kam in längerer'

Sechstes Kapitel.

485

ans deil Scheiterhansen führte, 29 sÜiänner und mir 7 (ynnlen1), lind auch in! übrigen kommt in nnsernl Übersichten über die nach-

weisbaren Prozesse deutlich znm Ausdruck, daß das numerische Übergewicht der Kranen, wenn überhaupt vorhanden, so jedenfalls

nur linbedentend war. Sn der jüngsten Entwicklung lag also keineswegs begründet, daß das weibliche Geschlecht, wenn es auch traditionell mit eigentlicher Zauberei stärker in Verbindung

gebracht wurde als das männliche, nun auch ohne weiteres der ganzen Summe voll scheusslichen Verbrechen und niederträchtiger Gesinnung in größerm Ulnsalig verfallen erschien, welche das neue Hei'euwesen verkörperte. Jet dieser grundsätzlichen Tendenz des DRalleiis gegen das Weib liegt also eine Weiterführnng gegenüber der älteren Anschannng.

Was aber die Verfasser des fallens veranlaßt, das

weibliche Geschlecht so hart zu beurteilen, geben sse von vornherein zu erkennen, indem sse die angeblich weibliche Reignng zn

geschlechtlichen Ausschweifungen znm Ausgangspunkt ihres Raifonnements nehmen. Es ist die'alte asketische Richtung der christlichen

Theologie, die hier ihre Auferstehung feierte und jetzt zn einer unmittelbaren Gefahr für das weibliche Geschlecht wurde, da ihre

Vertreter in der Jelqllifitionsgerschtsbarkest eine furchtbare Wasse befaßen, nm ihr Werturteil über die grauen in der Praxis zur

Geltung zn bringen. Sn der Erörterung des Rta'llens fehlt nicht die Einschränkling, daß die Verfasser das weibliche Geschlecht als solches

keineswegs verachten. Das konnten sse schon nicht als Angehörige eines Ordens, der sich seit jeher dem SRarienknltns mit besonderer Hingabe gewidmet hat. Beweist aber schon ihre Eth-

mologie des Worts »sernina«*2), wie wenig ernst diese Reservation

Erörterung zum Ausdruck »quia mulieres iragiliores sunt natura quam viri, ideo inimicus, prout fecit in prima mutiere, etiam hodie plus tentat mulieres de istis sortilegiis quam viros.4 Bgl. auch Gesfdell 1. c. 301, 1) Ehablvz 1. c. (Ahulich ilu Dallphille, Bal Ceveutiua ll. s. wh, 2) Sie leiten es vvlu geringen Glauben der Weiber (fe = fides und minus) ab, einer der seltsamsten Bvrwiirse, die dem weiblichen Ge= schlecht gelllacht werden fönnell.

486

Sechstes Kapitel.

zn nehmen ist, so ergiebt sich weiter, daß sich ihs'e günstigen Urteile stets ans das jnugsrälilich bleibende, alsl) win Geschlechtsleben führende Weib beziehen.1) Dio Verfasser gehören einer

eben damals in der Ordens-, und Klosterreform die Cberhaud

gewinnenden asketischen Richtung an, welche den in den Klöstern und anderwärts eingeriffenen fíibertinismns durch Betonung der Vorzüge des jungfräulichen Standes bekämpfte.

Diese Reform

bewirkte aber wiederum eine Stärkung des Satanisnlns der Zeit. Denn je ernster der Kampf mit der Sinnlichkeit geführt wurde,

nm fo mehr häuften fich natürlich die Anfechtungen von feiten des Teufels*2),

und grade hpiligmästigen Winnern erschien der

Teufel feit jeher meist in der Gestalt von Schlaugen nut) Jeanen.3) Den Führern dieser Resorlnbewegnng galt das Weib wieder wie den von orientalischen ideell bestimmten Asketen der früh-christlichen Zeit vor allem als Verführern!, als ein Rüttel znr Sünde in der Hand des Teufels; alle Argumente wurden zusammengesucht, nm seine Schlechtigkeit zn erweisen; es wurde besonders

betont, daß nach der Bibel der Teufel im Paradies zunächst Eva verführt hatte, daß sie von Gott erst ans einer krnnnnen Rippe

Adam’s hervorgebracht wurde4), während Adam schon durch seine 1) Dieser Gegensatz bildet überhaupt den roten Iaden durch die leineswegs einheitliche Stellung der Kirche zum weiblichen Geschlecht (vgl- im allgemeinen I. Müller', Die Keuschheitsideen in ihrer geschicht­ lichen Entwicklung, 1897, ®. 34 ss.). 2) Die Rönnen im Riirnberger Dvminifanerllvster hatten nach der Reform (c. 1430) den Teusel immer im Hause. Sie erklärten dem Resvrmatvr Ivhann Rider: »Ecce, quando latarn viarn et antiquarn arnbulavirnus, tlaec nobis nunquarn acciderunt« (* S. 90). Der 3Zelt= ilerus, der allerwärts im Konkubinat lebte, hatte naturgemäß weniger Ansechtungen des Teufels zu bestehen, ©eine relativ geringere persönliche Kenntnis vvkn Wirten des Teufels fvrnrnt dann wieder in seinem Einsprach gegen den vvn den Mönchen konstruierten neuen Heienbegriss zum Ausdruck. 3) Sölls). Parüsiensis Opera 1. c. @. 1000. 4) Altere Erklärer hatten aus der Rahe der Rippe beim Herzen Adam's Schlüsse aus das eheliche Berhältnis gezogen (Rabanus Mannte?, Comment, ad Genesim [1532] @.69; Petrus Svnlbardus 1. 2, dist. 18, dazu die Kommentare vvn Thvinas vvll Aguilt, Bvllavelttnra, Peter

487

Sechstes Kapitel.

Erschaffung Gott näher stand-

Jel Bezug auf die geschlechtlichen

Beziehungen trat eine Rngnng zn immer abfälligerer Benrteilnng zn Tage.

Auch unter dem Schutz der zwar als Sakra-

ment bezeichneten, aber vornehmlich von der sinnlichen Seite be-

trachteten Ehe unterlagen sse der schärfsten theologischen Kritik*1),

auch hier voll steter Gefahr schwerster Versündigung mannigfach umgeben erschienen; der demselben Kreis der Reform-

der fie

bewegung als einer ihrer vornehmsten Führer angehörige Dolninikaner Johann Rider, ein als 9Roraltheologe lind Prediger namhafter 9Rann, konnte (c. 1430) die Ehe demnach nnbedenk-

lich als einen Abschnitt feistes Werkes "Vom moralischen Rusfasch behandeln.2)

Da

man

aber

einmal

gewohnt war,

die

menschlichen Dinge vom männlichen Standpunkt zn betrachten, fo galt das Weib, mochte man auch anerkennen, daß es den

Werken äußerer Frömmigkeit befonders zngethan war, vor allein

als die sinnliche Verführerin des Cannes; in sittlichen Dingen galt dieses beliebte Werkzeug des Teufels durchaus als eilt Wusch

zweiter Klasse, wenn es nicht etwa zeitlebens die Virginität bewahrte; die überschwängliche Schätzung der letztem, die nach kirchlichcr Sehre unter allen Umständen Vorzüge vor dem Eheleben besstzt, und deren Erhaltung selbst in der Ehe als befonderes

Verdienst gepriefen wird, stieg eben damals immer höher; fie v. Darautaüa, Thomas v. Straßburg u. a.; vgl. auch z. B. Secvh, La chaire 1. c. S. 397 ss.), jetzt wurde der Rachdruei aus die „lruuune" Rippe gelegt, uw den krummen Sinn der Iran zu erklären. 1) d Actu.9 meritoriusi wurden sie nur durch die Absicht der Kinder= erzeugung oder die Pflicht des »redclere debitume, d. h. der Berhiitnng außerehelichen Bertehrs. 3) Es ist unmöglich, die widerlichen Ausführungen dieser Theologen über das sexuelle Gebiet hier eingehender zu behandeln; sie stehen durchaus aus der Höhe der befanuteu Erörterungen des Iesuiten Sanchez. Um einen Eiublicf in diese Dinge zn ermöglichen, habe ich * Abschnitt V den entsprechenden Passus ans Rider’s Lepra rnoralia abgedrnrft Es handelt sich übrigens auch hier mir nm die Al?eiterentwieflung von Bvrsteslnngejl, lvie fie inl 13. Iahrhundert schon bei Bertold von Regensburg (vgl. Kvtel= mann 1. c. S. 145), inl 14. Jahrhundert besonders bei Petrus de Palude hervvrtreten. Auch diese Dinge verdienen eine entwirflungsgeschichtliche Untersuchung, hier föuneu nur Andeutungen geboten werden.

488

Sechstes Kapitel.

sand ihre Krönung ans dem Baseler Konzil in der Sehre voll der nllbesteckten Empfängnis der Jelngssan 9Raria1) (zn fast der­ selben Zeit, wo ans die dem Geschlechtsgenust ergebene grau

die finstere Ansgebllrt des theologischen Helfenbegriffs zngessjitzt wurde.

Eilt befonderes Verhängnis fügte ech daß die brutale, grob

sinnliche Anschauung des ausgehenden DRittelalters diese entwürdigende Beurteilung

des Weibes

aceeptierte.

Die

foziale

Erziehung der Zeit wies dem Weib die elendeste, abhängigste

Stellung an und erzeugte, indem fie die Entwicklung feiner

geistigen Gaben unterließ, den Wahn von seiner geistigen Sn-

feriorität, der sich mit dem vom Riönchtnm entwickelten aller Erfahrung hohnsprechenden Wahn van seiner moralischen Jelferiorität paarte.

Von der gekünstelten, Schwärmerei der Zeiten

ritterlichen 9Rinnefangs war nichts mehr übrig geblieben; mit

der über das Ziel hinanstreibenden Schwungkraft der Reaktion hatte

die bürgerliche Knltnr

vielmehr

an

deren Stelle

die

Satire gefetzt, welche im Roman de la Rofe ihre erste große Znfammenfassung erhalten hatte nnd dnrch die ungemeine Verbreitung

diefes

Buches

geradezu

populär

wurde2);

die

1) Bg(. dazu die eingeheude Darlegung von 2ea 1. c. III, 597 ss. — Ein Mann, wie der Pariser Kanzler Ivhann Gersvn (c. 1415), führte aus: »Certissirnurn est de Maria, quod ex convictu seu associatione viri (Joseph) nulla earn carnis titillatio, nullus pruritus, nulla illecebra preveniens rationern vel inobediens sibi vexabat earn, alioquin peccasset saltern venialiter.............. tradit d. Bonaventura, hoc se habuisse a Judeorurn fideli relatione, quod nullus ex aspectu gloriosae Virginia, quarnvis esset pulchra nirnis, urebatur vel inflarnmabatur ad fedam carnis concupiscenciam, sed earn potius extinguebat ille divinus aspectus, quasi frigidus quidam ex oculis ros virgíneas spiraret vel efflueret«, das habe auch alls ihren Manu gewirkt (De sanctificatione Marie et Joseph in utero. Opera I, ed. 1483, fol.246): vgl. auch seinen vst gedrueiten »Sernio de conceptione gloriosissime der genitricis«. a) Bgl. oben @. 149. Aus die zunehmende sittliche Berwildernng der Zeit kann hier nur nebenbei verwiesen werden. F-iir Deutschland genügt ein Hinweis ans die Fastnachtsspiele des 15. Siahrchnndcrts (Gvedecle, Gnlndriß zur deutschen Dichtung 2I, 325).

489

Sechstes Kapitel.

nächsten Jahrhunderte erschöpften alle denkbaren Vorwürfe gegen das weibliche Geschlecht, Und der sittigeude Einstich der Renaifflnlee allf diefem Gebiete kam nur kleinen Kressen in Italien Der wohl gemeinte Verfnch des scholl erwähnten fnnizössschcn Dichters Rlartin le Tratte, in feinem dem Herzog Philipp von Burgund gewidmeten Ehatnpion des Dames (1440)

zn Gute.

ein Gegengewicht

gegen

den Roman

de la Rofe

zu bieten,

hatte keinen Erfolg, da das weitansgefponnene Werk nur wellige

2cfer fand.1) Aus diefem Grunde kauten auch feine fehr verständigen Ausführungen gegen den Hexenwahn in feiner neuen Gestalt*2), dessen Entwicklung dieser Dichter

der mangelhaften

intellektuellen Erziehung der Welt durch die Priester zur Saft legte, nur wenigen zn Geficht.

fassuug der Zeit und

ans

der

Die aus der geistigen Verbeschweren ökonomischen lind

sozialen Sage der Kranen erklärlichen immer wiederholten Ver-

suche der letzteren, sich durch angebliche Zaubermittel die Siebe der DRäinier zu sichern, vor ihren rohen RTisthaudluugeu zu schützen, für ihren Betrug zn rächen und die drückenden folgen

außerehelichen Umgangs zn

vernichten,

kamen

als

weiteres

nm bei der Männerwelt den Boden für die Darlegungen des Hexenhannners über das Weib vorznbereiten. Rtoment hinzu,

Schon das nächste literarische Erzeugnis ans dem Gebiete des

Hei'enwahns,

eine

1489

erschienene

Schrift

des

weltlichen

Juristen Ulrich DRolitoräs zn Konstanz, wandte sich unmittelbar an die Weiber nnd legt ihnen ans Herz, gegen die Versuchungen des Teufels fich

mit dem Krenzzeichen zn

wappnen nnd die

heiligen Jentgfrauen der hegenden znm Vorbild zn nehmen, nm

den ihnen vor allem beschiedenen Anfechtungen widerstehen zn können.3) Der berühmte Straßburger DRünfterprediger Geiler von KaifersberZ aber nahm itn Jehre 1508 sogar keinen Anstand,

auf der Kanzel eingehend zn erörtern nnd zn konstatieren, daß auf zehn Hexen nnr ein diesem fiafter ergebener

diefes Thema

Arthur Plaget, Martin le Franc @. 24 ff., 239. 2) Abgedruett * S. 100—104 (vgl. vbeu S. 441). 5) Bgl. Ulrich MvlitvriS, De laniis et phitonicis mulieribus, teutonice unholden vel hexen J4Z9), * ©. 246. 1)

490

¿echsley Kapitel,

9Ranu komme1), eine Proportion der Geschlechter, die seitdem von der öffentlichen Meinung als den Thatsachen entsprechend

anerkannt wurde,

gür diese besonders schmachvolle Wendung

der Hezjenprozesse ist aber del' vom Hexen ha Jiliner eingenommene und

mit theologischen Argumenten gestützte Standpunkt ans-

schlaggebend geworden, und er hat ans diesem Gebiete eine ganz unberechenbare Schädigung der DRenschheit bewirkt, §ür den von ihnen dargelegten Hei'enbegriff beanspruchen

die beiden Verfasser die Anerkennung nnbezweifelter Realität,

Sie machen keinen Hehl daraus, daß sie selbst keinen dringendem Wunsch haben, als daß 'das Hejentreiben nur Jelnsson, daß die Kirsche Gottes rein sei von diesem schändlichen DRakel; ober­ ste gestehen, wenn schon die Bulle Jeniocenz’ VIII. seine Realität

bestätige,

so hätte ihnen ihre eigne Erfahrung dazu noch den

vollen Beweis

erbracht,

fo

daß

sse

ohne Gefährdung

ihres

eignen Seelenheils nicht von der Verfolgung abstehen dürften.*2)

So erklären

sie denn die Seugnnng der Realität des Heren-

wesens kurzer Hand als Häresie und alle von ihrer eignen Sehre abweichenden Meinungen als »errores haereticales«.3)

Sn Bezug aus die Prozestführnng und die Bestrafung der Heien gilck der fallens im allgemeinen gleichfalls die Ansführnngen

der Vorgänger

wieder.

Die Folter

ist

das

nni

1) Emeis (ecl. Straßburg 1517) fol. 46 ss. »wen man ein man verbrent, so brent man wol zeben frawen.« Bgl. ebd. fol. 17 und 32. Er behandelt da die septellen Berhältnisse in der Ehe in dem oben ge= fennzeichneten Sinn, indem er von einem Satz des Ambrosius ausgeht: »Malier est ianua diaboli et via iniquitatis.« Die syraueu waren in diesen Predigten anwesend; nach dem Malleus ®. 40: >ipsa rnateria pro rnulierurn admonitione bene est praedicabilis affec'tantque audire, ut experientia eaepe docuit, dummodo diacrete proponatur.e 2) ®. 18 veui tarnen heu obstat et Apostolicae Sedis per bullam determinatio, verum, et experientia rerum magißtra, quae nos ex propriis eorum fassionibus ac Üagitiia perpetratis in tantuni certificavit, quod absque dispendio propriae salutis iam ab eorum inquisitionibns desistere nequimus.« 3) ®. 6, 7, 267 Priester, die ans der Kanzel Zweifel äußern (nach Art des Wilhelm Adeline vhen ©.422) sind als »manifeste deprebenei in haere.si« auszusassen.

491

sechstes Kapitel.

entbehrliche Rlitteh nm das znr Hinrichtung erforderliche Geständnis

zn

erzwingen1),

nnd es ist im allgemeinen die auf

den Hei'enprozeß angewandte Pralls des Direktoriums von Rieolans Echmeriens, die im dritten Buch des Riallens dargelegt wird.

Aber in einer fehr wefentlichen Jemge wird hier von

diesem abgewichen. Als Echtnerücus schrieb, lag die Vorstellung von der neuen Hezrnsebe noch nicht abgeschlossen vor; Ehmeriens vertrat, nachdem es ihm gelungen war, schuft

fast

aller zauberischen Handlungen zn erstveifen*2),

feqnenterweife

Zauberer

die ketzerische Eigen-

kondie Auffassung, daß es mit der Bestrafung der

durch

die Inquisition

gerade

müsse, wie mit der der fonftigen Ketzer:

fo

gehalten

werden

hartnäckige nnd rück-

fällige sollten alfo dem weltlichen Arm znr Verbrennung ansgeliefert, reumütige dagegen zn lebenslänglichem Gefängnis begnadigt werden.3) Wir kennen bereits die eigenartige Schwierig-

reit, in der die jüngeren Jelqnifitoren fich befanden, weil die

íRitglieder der neuerdings ermittelten Hei'eufekte meist reumütig waren und demgemäß diefe Anhänger der boshaftesten nnd scheußlichsten unter allen feither von der Kirsche ermittelten Ketzereien, die dem Kultus einer vollendeten diabolischen Kari-

katur der christlichen Kirche gewidmet war, in der Regel begnadigt werden mußten.4)

Die Verfasser des fallens nun waren mit

dieser feit Jahrzehnten

hervorgetretenen

Schwierigkeit

wohl

vertrant nnd auch über die feither in Theorie nnd isirai'is er-

mittelten Auswege unterrichtet,

schr eigner theoretischer Stand-

punkt deckte fich mit dem von Rieolans Jecqnier vertretenen:

1) Aus die widerwärtigen Einzelvvrschristell ist es nicht nötig, näher eiuzugehen; IansseniPastvr 1. c.VIlI, 519 ss. haben aus eiuzelueu Redensarten schließen wollen, daß die Zvlterregeln des Malleus im Berchältnis zu späteren Schristen maßvvll schell; Riezler 1. c. 112 und Hinschius 1. c. VI, 421 haben das schon als unhaltbar erwiesen. Überhaupt aber geht es nicht au, die niedrige Gesinnung der Bersasser des Malleus da-= durch zu rechtfertigen, daß nach ihnen einmal eitle nvch brutalere Auschaumig ans Sicht trat. 2) Bgl. oben ®. 270 ss. 3) Directorium 1. 2, qu. 43, nr. 5, 11. 4) Bgl. vbell S. 321, 463 ss.

492

Sechslev Kapitel.

die Hei’erei erschien auch ihnen als eine so schändliche Ketzerei, daß Rene lind Abschwörung ihre Adepten nicht vor dem Verbrennnilgstode retten dürfe ss, und zwar nm so weniger, als schon die Rlakssicien, welche dieselben ausübten, nach göttlichem wie auch nach weltlichem Recht den Tod verdienten2), nnd bei

dem Versagen

der kirchlichen Ei'orcismen wirksam nur dnrck)

andere Rtaleficien bekämpft werden könnten.3) Aber die seitherige Erfahrung

auf diesem Gebiete hatte die Verfasser des Hejseu-

hammers anscheinend darüber belehrt,

daß es sich bei dieser

Aussicht um einen nicht sehr ansfichtsvollen Vorstoß gegen ein Grundprinzip des gesamten kanonischen Strafrechts handelte; sse wagen denn auch nur, ihre Überzeugung als eine "probable" SReinnng vorzntrmgeli.4) Da es ihnen aber vor allem darauf ankommt, die Vernichtung der HeiTn zu sichern, so suchen sie nach einem andern zuverlässigeren Ausweg, der zwar die Jet-

qitifitoren da, wo sie allein den Kamps gegen das Hejenwesen

zu führen hatten, nicht von der Pflicht des Einschreitens befreite, sie aber da,

wo die weltlichen

Gewalten

ihre eigne Pflicht

1) > Qrlantumcunque poeniteant et ad fidem revertantur, non debent sicut alii haeretici carceribus perpetuia mancipari, sed ultimo supplicio puniri.t Malleus 1. c. @. 80, 110, 174—201. 2) @. 3 s.; der Malleus weist siir das göttliche Recht auf Ervdus 22,17,18 (vgl. oben @. 13), stir das weltliche aus Azv (vben 346) hin. An ihrer ßeidenschast macht die Bersasser auch die Erfahrung nicht irre, daß die Hefen in der Regel die Malesieien nur gezwungen ausüben : S. 13 »Licet post expressum pactum initum cum daemonibus maleficae non iam. sind suae libertatis, quia (ut ex eal'um fassionibus accepimus — et loquor de mulierculis combustis) ad plurima maleficia coactae, si verbera daemonum subterfugere volunt, cooperantur, prima tarnen professione, qua sponte se daemonibus subiecerunt, manent ligatae.« @.108 vExperientia nos saepe docuit, cum omnes, quas incinerari fecimus, ex earum coniessionibus patuit, ipsas fuisse involuntarias circa maleficia inferenda. Nec hoc sub spe evadendi dicebant, cum ex plagis et verberibus eis a daemonibus illatis, ubi ad eorum nutum non aerviebant, veritas constabat, saepissime viaae sunt cum faciebus tumidis et lividis. < 3) Malleus 1. c. @. 174—201. 4) Daß bei Hezleu »impenitentia rarissime irlvenitur«, sagen sie selbst S. 280.

493

Sechstes Kapitel.

recht erkanntem, dieser Ausgabe überhob und so ans der Verlcgcnheit befreite, in die aus Grund des nett konstruierten HQ'enbegriffs das eigne Ketzerrecht wider Erwarten die Ketzerrichter gebracht hatte. Sie. wählten den in unserer früheren Darlegung an dritter Stelle erwähnten Ausweg.1)

Ihre Erörterung geht von der durch Papst Alexander VI. 1258 festgelegteil Basis ans: »rnnleficae« gehören, insoweit ihr

Verbrechen »haeresirn sapit manifeste«, zweifellos unter die Kompetenz der Snqnisitoreu.*2) Sofort aber zeigt fich eine über­

raschende, der ganzen feitherigen Entwicklung

widerwrechende

Reigtlng der Verfasser, diese ketzerische Dnalität mit den Mitteln negativer Kritik auf den kleinsten Umfang zu beschränken. Es wird ansgeführt,

die

Verleugnung des

christlichen

Glaubens

-flutens der Hexen fei wohl Apostaste, aber keine Härefie, mache

alfo das Einschreiten der Jeiqnisttoren nicht erforderlich, während doch Ehmeriens und feine Vorgänger im 14. Jahrhundert mit

allem Aufwand an Scharfsinn grade aus der Apostasie

die

ketzerische Qualität der Zauberei abgeleitet und die Vertreter der Spezialliteratur über das Hexmlweseu int 15. Jahrhundert auf

dieser Grundlage ihr System errichtet hatten.

Gegenüber den

spanischen JelqUisitoren, welche in der Weise des Ehnlericns ans Grund der scholastischen und fanonistischen Autoritäten auch aus der Anrufung des Teufels anf Apostaste und Härefie schlossen,

vertreten Jelstitorüs und Sprenger den Umgekehrten Standpunkt Und stützen sich dabei

ans die Autorität des Florentiner. Erzi bischofs Antoninus (1448—1459), nach welcher das Taufen von Bildern, das Anbeten der Dämonen, das Schänden des

Krmzisches zwar fchreckliche Sünden,

feien, wenn

ein

aber nur dann Ketzerei

»error in intellectn« hinzntrete,

Glaube, daß die Dämonen Götter feien

Willen Gottes handeln könnten.3) 1) 2) s) cientes, latriae

d. h. der

und auch gegen den

Es wird im fallens fermer

Bgl. oben 6. 466. Mailens S. 210 (vgl. vbell S. 246). »Si adorantes daernones et sacrificantes ei hoc t’aciunt cre­ divinitatern esse in daemonibus, vel crecientes quod cultus sit ei exhibendus, vel quod ornnino ex exhibitione talis

494 mit Rachdnlck

Sechstes Kapitel. betont,

daß

das Verbrechen

der

»mero ecclcsiasticum« sondern »mixtum« sei,, mit Stücksicht ans die voll ihnen geübten 9Ralesicien.

Hessen

nicht

nnd zwar Ebesi diese

zauberischen Schädigungen gehören aber — nnd neben ihnen die Teuselsbnhlschast —

nach dem Willens ausnahmslos zu den

regelmäßigen Delikten der Hei'eil, während Häresie durchaus nicht

immer hinzuzutreten braucht.

Der fallens findet es demzufolge

naturgemäß, daß die weltliche Gewalt mit Rücksicht ans diese SRalesieien stets einschreitet, nnd zwar nach den Grundsätzen des

römischen Rechts, welches die Todesstrafe über alle verhängt, welche das Volk »malefici« nennt, nnd vorschreibt, sse mit der Folter zum Geständnis zu zwingen. Dieselbe Versatilität der Dialektik, welche srüher gedient hatte, nm die Kompetenz der ¡Inquisitoren über die Zauberei möglichst

weit anszudehnen, widmet sich also hier dem entgegengesetzten Zweck. Allerdings betonen die Verfasser, sse dächten nicht daran, die Kompetenz der Inquisition über wirklich ketzerische Heien zu

leugnen; nm diefe zu sichern, hätten sie ja grade die Bnlle ssiapst Jetnoeenz’ VIII. erwirkt.

Aber ihre eigentliche Tendenz ist doch,

lvie sie selbst gestehen, den weltlichen Arm in erster ßinie mit dem Hejenprozesz zn beschäftigen, die geistliche Jelrisdiktiou dagegen

von demselben zu befreien*1); sic wollen die weltliche Autorität über die ganze Schwere des komplizierten Verbrechens der Hei'en

anfklärelt, sie zur Aufspürung der Hjei'en nnd zur selbständigen cultus assequantur j quod requirunt a diabolo, non obstante del prohibitione seu etiarn perrnissione, tales essent haeretici« (S. 216).

1) @. 212 »cum principalis intentio nostra in hoc opere sit, ab inquisitione maleficarum, quantum cum deo fieri possit, nos inquisitores partium superioris Alemanniae exonerate, suis iudicibus ea.s relinquendo.« Das ist in voller Benennung der Sachlage vst als Ironie gedeutet worden, besonders wieder von Svldan I, 279, 328. Eharafteristisch ist noch, daß sie auch die Kvmpetenz der Diözesanbischöse neben den Znqitisitvren im Prinzip betvnen, aber sofort hinznsiigen (S. 211): »Quod si dioecesani etiam se ipsos exonerate vellent, prolit inqliisitores praefatis iam tactis arglimentis rationabiliter facere videntur, vellentque maleficarum punitionem ad temporales iudices retorquere, his arglimentis probabiliter hoc facere possent.c

Sechstes Kapitel.

495

Bestrafung ans Grund der strengen Gesetze gegen »malefici«

veranlassen. Alls dieser Tendenz der Verfasser erklärt ssch denn auch, warum sse nicht wie ihre literarischen Vorgänger und Rachfolger

fich damit abmühen, eillell zutreffenden Rainen für die nene Sekte zn finden; sse wrechen nicht von »Gnzarn, Vaudenses, ilaeretici fascinara, strigimagae, lamiae, phitonissae«, sondern einfach von »maleficae«, S'hr Werk ist eben auf welkliehe Richter vornehmlich berechnet, und für diefe war das vmnleficinm« das ansfschlaggebende.1) Über die Absicht, welche die Verfasser leitete, kann aber nicht der mindeste Zweifel be-

stehen: kein Skrupel, kein Riitleid, kein inneres Schwanken oder die Absicht, den kirchlichen Organen die Blntarcheit zn ersparen, ist ihre Triebfeder, sondern lediglich der leidenschaftliche Drang,

die llene Hejensekte vom Erdboden vertilgt zn sehen, und die Einsicht, daß das Ketzerrecht dazn nicht ohne willkürliche Bell-

gnng brauchbar war, veranlaßt die Verfasser zn ihrer Unerhörten Abkehr hon aller kirchenpolitischen Tradition. Die ill den weit-

lichen Gerüchten ihrer Zeit übliche Willkür war ihnen wohl bekannte, aber sie hielten es dennoch für ihre Aufgabe, grade die weltliche Gewalt sorgfältig zit belehren,

daß die ^wallen,

darüber anfznklären, welche maleficien ansübten, außerdem mich

Gott verleugneten, den Sabbat befischten, mit dem Teufel Unzucht

trieben nnd die übrigen Schandthaten begingen, welche die Theo-

logen seither ermittelt hatten, daß fie also des Todes .unter

allen Umständen würdig warnt. schr Werk pichten fie durch Beifüglntg der Bulle Papst Jelnocenz’ VIII

und der von ihnen selbst gefälschten Approbation der Kölner Universität als znverlässiges Handbuch vor allem auch den weltlichen Richtern zn empfehlen, nnd auf die eigne Jenüsdiktion verzichteten fie gerne, wenn nur die staatliche Autorität mit der scharfen Waffe des

1) Daneben die als ©vdvnlie tllld Bestialität charakterisierte Teufelsbuhlschast, welche die Bersasser demgemäß gleichfalls ilt den Bvrdergrllud schieben. 2) S.270: »saeculares iudices variis suis utuntur rnodis, iuxta rigorern et non sernper iuxta aequitatern procedentes.»

Sechstes Kapitel. römischen Rechts ihre Ausgabe selbständig dlirchsührte und die

Hei'ell vernichtete. Die ?liiweüsnngen für die gührmng der HQ-enprozesse, welche der fallens in sorgfältiger Detailierung znsammenstellt, find sämtlich sür geistliche lind weltliche Jelftiz zugerichtet.1) Wenn der Inquisitor den Prozeß führt, so findet derselbe nach den alten Regeln des summarischen Ketzerprozesses statt.*2) Die überführte Hejse fall, wenn sse geständig ist und Reue erweckt, zwar nicht dem weltlichen Arm

zur Verbrennung übergeben, sondern zu ewigem Kerker verurteilt,

dem weltlichen Richter aber die Rlöglichkeit geboten werden, sich ihrer zu bemächtigen linb sie wegeu der vou ihr geübten sRale-

fieielt dem Scheiterhausen zu überantworten.3) gührt jedoch der

weltliche Richter den Prozess erfolgt also das, was die Ver= sasser vor allem wünschen, so empfehlen sie ein genau dem Snqnisitionsverstchren gegen Ketzer entsprechendes Verfahren, bei welchem einerseits alle Erschwerungen der Verteidigung, anderfeits

die Anzeigen durch Komplizen und die geheimen Denunziationen durchgeführt find, wie im KetzerProzeß, obgleich die Verfasser

sich vorher alle SRühe gegeben haben, die ketzerische Qualität der Zanbereiverbrechen auf ein SRinimnm zn reduzieren.

Ad-

vokaten folien zwar zngelaffen werden, doch warnt der DRallens

die Richter, ihnen Glauben zn schenken.4)

Sm übrigen fall der

1) >Ut ergo irldices tarn in foro ecclesiastico quam, civili modos cognoscendi, iudicandi et sententiandi semper in promptu habere valeant« (®. 221). 2) »summarie, simpliciter et de plano« (@. 255, vgl. vbeli S.217); vgl. dazu Hiuschius 1. c. VI, 412, der das Bersahren in diesem Z-alle eingehend erörtert. 3) @. 238: »Si crimen fatetrlr et poenitet, non relinquitrlr brachio saeculari ad punitionem sanguinis, sed per ecclesiasticum iudicem ad perpetuos carceres iudicatur. Per secularem tarnen ilidicem, non obstante quod ad perpetuos carceres sit per ecclesiasticum iudicem iudicatus, potest propter damna temporalia tradi igni, iuxta cap. Ad abolendam § praesenti, et iuxta c, excommunicamus 2 de haeret (vgl. ®. 277; @. 275 ist mehrfach »impoenitense statt »poenilens« gedruckt). Bgl. dazu die Aussühruugeu über die delicia mixti fori bei Hiuschius 1. c. VI, 41 ss., besonders 43, Aulu. 4. Z ®. 238.

497

Sechstes Kapitel.

Richter die Aufspürung der Hei’en in seinem Bezirk durch einen

der Erössnllngspredigt des Inquisitorsx) entsprechenden Anschlag

am Rathans beginnen*2), und dann ans Grund der DenunziaHonen oder Angaben über bösen Sennnlnd ex officio einschreiten.

Ausdrücklich soll daraus hingewiesen werden, daß kein Dentinziant die Gefahr der Talion wie ein ?lkkufator lanfe.3) Das dann weiter empfohlene, ans mehr-hundertjähriger Praxis der Inquisition entnommene rassinierte Shftem von Kreuz- und

Cnerfragen, Gefängnis4), heuchlerischem Zureden, Erwecken der Hoffnung auf Begnadigung nnd wiederholter gwlterqnal machte

es der Angeklagten unmöglich, einem Richter zu entrinnen, der einmal Verdacht geschöpft hatte. 9Iuf das Geständnis der Hei'e war das ganze Verfahren zngefpitzt, denn Ohne dasfelbe konnte

keine Hinrichtung stattfinden.5)

Anch die Verfasser des Riallens

wissen, wie ihre Vorgänger, daß die Beschuldigten in der Regel

zunächst alles leugneten.6)

Um die schärfsten Folterqualen gegen

sse anzuwenden, genügen ihnen aber Senmnnd nnd ¡Indizien irgend welcher Art, fo wenn plötzlich Kinder oder Haustiere erkrankt

waren nnd festgestellt wurde, daß die Beschuldigte vorher eine Drohung ausgestosten hatte.7)

Den schwersten Kampf hatte der

Bgl. oben ® 217. 2) Der Anschlag soll besagen, daß alle Einwvhner »nobis revelent, si quis seit, vidit vel audivit, aliquarn esse personam haereticam. et maleficam difiamatam vel suspectam et in specials talia practicantern, quae in nocumentum hominum, iumentorum aut terrae frligum et damnum reipublicae cedere valeant.e 3) »specificare, quod nemo estimet se poenalem fieri, etiamsi in probatione defecerit, quia offert se non ut accusans sed ut denun cians. < 4) »per annum ad minus squaloribus carceris mancipanda et crucianda, saepissime etiam examinanda (d. i, mit der I-olter), praecipue sacratioribus diebus (©. 270). fi) »ut communis exigit iustitia, ad poenam sanguinis non iudicatur, nisi propria confessione convincature (S. 241). fl) quid agendum sit, ut plurimum contingit, quando persona delata omnia negate (©. 231), 7) »quia morbus supervenit absque alia praevia debilitatione, cum tarnen naturales infirmitates successive solent debilitate« 1)

Historische Bibliothek.

Bd. XII.

32

498

Sechstes Kapitel.

Richter mit dem vom Teufel bewirkten »inaleficinm tacitnr-

nitatis«, d. h. dem hartnäckigen Schweigen der Gefolterten, zn bestehen. Da die armen Opfer wussten, daß das endlose Kreuzverhör sie verwirren lind zn irgend welchen gefährlichen Amßernnlgell

verleiten

würde,

fo

schwiegen

stärksten Rc'arter lind vergossen keine Thräne.1)

sse

anch bei der

Da mußte denn

der Richter durch tagelang fortgesetzte Folter den teuflischen Widerstand der armen Cpfer brechen, die man vorher schon ans der Suche nach dem Hei'enmal durch die schamlose Rasur

des ganzen Körpers*2) d^r unmenschlichsten Entwürdigung preisgegeben hatte.

Das Werk der beiden deutschen Jelqnisstoren bildet alfo

einen Angelpunkt in der Geschichte des HQ'enwahns und der Hei’enverfolgnng. Anfgebant auf dem von den Vorgängern gelieferten nnd durch die eigene Erfahrung der Verfasser im

wefentlichen bestätigten Riaterial, diente es zunächst dazu, der bereits im Gang bessndlichen epidemischen Verfolgung die ihr seither noch fehlende systematische Grundlage zn verschaffen, jedem Hei’enrschter ein bequemes Handbuch von der Art zn bieten,

wie es das ältere Direktorium des Ehmeriens für die Ketzerrichter bildete. Über den Einfluß des Hejenhammers auf die

Ausbreitung der Hej-enverfolgnng

ist oft gehandelt worden.3)

Dast die Annahme, der HQ'enprmzejz gehe überhaupt erst anf

die Bnlle Jetnoccnz’ VIII. nnd den Riallens zurück, irrtümlich ist, (®. 239); »tu es varius in confessionibus, utpote quia dicis tales Ulinas te protulisse, non autern in eo nocendi anikxlo, et tarnen nihilominus sunt indicia, quae sunt sufficientia ad te exponendum quaestionibus et tormentis« (S. 243).

1) ©. 233 ss.; vgl. die perside Außerung ©. 246 über die »gratia lacrimarum«. 2) Malleus @. 247, 248, 264. Die Bersaüer sagen »in Alemannie partibus talis abrasura, praesertim circa loca secreta, plurimum censetur inhonesta, qua de causa nec nos inquiBjtores usi sumus ... tarnen in aliis regnis inquisitores talem per totum corpus rasuram fieri mandant«; daß es auch in deutschen Gebieten sowohl iln Kesterprvzeß als int weltlichen Bersahrell geübt wurde, s. vbell S. 442, 463.

3) Bgl. das jüngste Urteil vvll Hinschius 1. c. VI, 403.

499

sechstes Kapitel.

braucht an dieser Stelle nicht mehr nachgewieselt zn werden-

Daß aber die Wirkling des fallens eine höchst umfassende ge-

wefen ist,

ergiebt sich ohne Weiteres ans feiner ungewöhnlich

großen Verbreitung, die, anch abgefehen von feinem Appell an

die gerichtlichen Jetstanzen, schon durch die Gewöhnung weiterer

Kreife an den seither nnr im engertt theologischen Bereich gepflegten Wahn1) einen schwer zn taiüerenden aber jedenfalls höchst

verderblichem Einfluß geübt hat, znmal nach späteren Angaben der fallens ein gradeztt antoritatives Ansehen ans dem Gebiete des

Hei'enwahns erlangte,

jüngeren Werken der Hejenliteratnr, neuzeitlichen

Gegenstück

des

seine Verfasser in den

und

besonders

fallens,

den

anch

in

dem

Disquisitiones

magicae des Jesuiten Delrio (1599), immer wieder als Antoritäten erwähnt wurden- So war sein Einfluß zunächst nnd

allgemein eilt den Wahn vermehrender nnd die Verfolgung ansbreitender.

Rach zwei Richtungen fuchte aber der fallens nicht

nnr eine Belebung der Verfolgung, fondern eine Verschiebung der feitherngen Tradition anzubahnen: eiumal durch die grttnd-

fätzliche Zufpitzuug der Hei’enprozeffe auf das weibliche Geschlecht;

wir erwähnten bereits, daß das Buch hier als verhängnisvolles Vorbild den schlimmsten Erfolg gehabt hat.

Dann aber fischten

feine Erörterungen über die zweckmäßigste Verteilung der Rollen im Heienprozesz eine Veränderung des feither zwischen geistlicher

und weltlicher Gewalt auf diefem Gebiet durchgeführten Verhältuisses zu bewirken.

Um zn einem in den Thatfachen be-

gründeten Urteil über die Tragweite des Werkes

nach

dieser

Richtung zn gelangen, ist es erforderlich, fowohl die Hebelt-

Prozesse der geistlichen*2) nnd der weltlichen Instanzen in der

Außerhalb dieses Bereichs wurde der gelehrte Hefenbegnss seither wvhl nur durch die Erössuungspredigten der Inauisitvreu bekannt 2) Aus die bischöfliche Inrisdiftivn int alten ©inne nnd ans die Dhätigteit der bischöflichen Shnvden einzngehen, ist nicht erforderlich, sie haben am Hei'enprvzeß leinen Allteil, sondern blieben beim altert Schema (so die Shnvden zn Bamberg 1491, Heilsberg 1497, Sevilla 1512, Ilv= renz 1517, vgl. Zea 1. c. II, 42.3; Zilienthal 1. c. 6. 71, Hechle 1. c. VIII, 546. Bgl. dazu Hinschins 1. c. Vr 405). 32* 1)

500

Sechstes Kapitel.

Unmittelbar alls das Erscheinen des fallens folgenden Zeit Qlo;

auch die Ausnahme, welche die Deduktionen der Verfasser ans selten der juristischen Fachmänner im Kreise der Jelqnisstion wie der weltlichen Jelrisprmdenz gesunden haben, in einer- kurzen Darlegung vorznsühren.

Eine von etwa 1500—1525 dauernde HejenverZolgnng

durch die Jelqnisition sand in der Diözese Eomo statt.1)

Über

ihren Umfang berichtet der Dominikaner Bartholomäus de Spina (1523), daß damals im Bistum Eomo durchschnittlich tausend

grauen jährlich vor Gericht gezogen und etwa hundert dem

Scheiterhaufen überliefert

wurden.*2)

Aus diese unmenschliche

Verfolgung, mit welcher der Jeiquisitor uud 8—10 Stellvertreter dauernd beschäftigt waren, bezieht sich wohl die SRitteilnng des

Mailänder Jelristen Alciatns (c. 1515),

daß

die Bauern in

einem Alpenthass nachdem einmal mehr als hundert Personen verbrannt worden waren, ossen gegen den Jelqnisstor revoltierten.3)

Um dieselbe Zeit fand eine ähnliche Verfolgung in dem benachbarten Val Eamoniea, das sich bei Brescia öffnet, statt.

Sm

Jehre 1510 wurden hier 60 Hexen nnd He jeumeister verbrannt, die bis zum letzten Augenblick gehasst hatten, der Teufel werde sie vor dem Tode retten4); im Sahre 1518 begab sich auf die

Aussorderuug der dortigen Priester der Bischof Panl von Brescia mit einem Jelqiiifitor

dahin,

5000 von den insgesamt ans

1) Bernard von Evniv, Tractatus de strigibus c. 3 (* ©. 279—284). Bernard war selbst als Inquisitor im Beltlin gegen HeiTn thätig. Daß die Bersvlguug sich auch über die Grenzen dieser Diözese weit ausdehnte, beweist seine Außerung : »ornnia clarisairne patent per strigiarurn Con­ fessiones in processibua contra eas per inquisitores forrnatis . . . . .....................Confessiones ubique locorurn per totarn Italiarn in rnanibus inquisitorum nostrorum factas.e ’) Bartholomäus de Spina, Quaestio de atrigibus c. 12 (ed. 1669 S. 97 Malleus) vgl. * Abschnitt II a. a. 1523. 3) Bgl. das Gutachten des Aleiatus (unten ©. 509), »donee rustics arreptis armis vim illam inhibèrent et negotium ad episcopi indi­ cium deterrent.« Der Bischof ersuchte daraus Alciatus um Erstattung, eines Gutachtens. 4) Eantu, Eretici d’Italia III, 143, nach beit handschriftlichen Anualeu von Brescia (vgl. auch vben ©- 419); vgl. auch £ea 1. c. III, 547.

501

Sechstes Kapitel.

etwa 50000 veranschlagten Einwohnern des Thales waren als

verdächtig bezeichnet, ihrer 2500 sollten sich zu Sabbaten ans der Spitze des 9Ronte Tonale versammeln, wohin sie sich ans Zauberrossen, ans Gabeln nnd Stecken begaben, nm den Teufel zn verehren nnd Riittel zlnn Wettermachen nnd Zaubern ans

feiner Hand zn erhalten. 64 ^erschien in vier kleinen Ortschaften

waren bereits ein Opfer der plantillen geworden, als der Senat von Venedig dem Wahnsinn ein Ende’machte, indem er die Sendnng der Angeklagten nach Venedig verlangte.1) Um das Suhr

1520 begann die Hei'enversolgnng auch in sßiacenza lebhafter zn werden*2), nnd sie pflanzte sich weiter nach dem Apennin fort. Der

im Jehre 1520 schreibende Dominikaner Silvester ssirierias, der umher selbst Jelqnisitor in der Gegend von Mailand nnd Brescia

gewesen war, spricht von den unzähligen zn seiner Zeit stattbildenden sßrozeffen der Jetqllisition gegen die Heien nnd er-

klärt, die Sekte wachse ans dem Apennin so stark an, dast ihre Anhänger glaubten, sie würden bald zahlreicher sein als die gläubigen Ehristen.3)

1522

begann

eine mehrere Sichre

an-

dauernde Verfolgung in Bologna, wo der Snqnifitor eine SRenge fyranen dem Scheiterhaufen überantwortete, und zwar im Widersprach mit der Volksmemnng, welche den Sabbat als Wahn,

die Verurteilten als Unschuldige betrachtete.4) Aus Savoheu und der französischen Schweiz erfahren wir

von der

Hinrichtung

einer

Hege durch

die

Inquisition

im

1) Echvrici, Storie Bresciane 9 (1860), 160—164. Die AngeschnJu digtell waren »bárbaramente torméntate.« Bgl. auch ©vldau I, 515 ss. 2) Das veranlaßte den Juristen Pvnzinibins zur Ausarbeitung seines unten ©. 514 erwähnten Traktats.

S) Silvester Prierias, De strigimagarum daemonumque rnirandis libri tres (versaßt 1520, gedr. Rvm 1521) Bl. 78, 93: »Nunc in Apennino tantum exereverunt, ut dicant, se brevi plures fidelibus futuras et se propalandum in publicum, et putrita erit, sicut de Valdensibus in valle Lucerna (vgl. * Abschnitt II a. a. 1520). Z-iir Rvln und das Sabinergebirge s. unten ©. 504 Ankn. 7.

4) Bgl. Pievs' Drattat Strix sive de ludificatione daemonum aus dem Zahre 1523 (unten S. 518 ultd * Abschnitt II ll. ll. 1523).

502

Sechstes Kapitel.

Jeihre 1534 zu Virch1); ans Gens liegt ein Prozeß ans dem Jehre 1527 vor, der mit der Übergabe der Beschuldigten an den weltlichen Arm zur Verbrennung endete,*2) Was Spanien betrifft, so sand itn Phrenäengebiet,

wo

nach der schon erwähnten Ansternng des nm 1515 schreibenden

Professors lind Kanonikus zu ssiampeloua, DRartin von Arles, der Glaube au die nächtlichen Hexeufahrten besonders stark vorbreitet war3), im Jelhre 1507 die Verbrennung einer größeren

Zahl von Hexen zu Ealahorra in Ravarra statt4); in Aragon wurde 1512 ans einem Reichstage angeregt, die Kompetenz der

Jetqnisition in Sachen der Zauberei ans die in der Konstitution

Papst ÍIohann’s XXII. vom Jehre 1326- (obell S. 255) er-

wähnten Vergehen zu beschränken5); 1521 verhandelte die JeJu quisstion hier ztt Saragossa gegelt zwei Hexeu, Papst Hadrian VI.

griff in den ssirozest ein, lntd seilt Vertreter machte anscheinend mit Erfolg Bedenken gegen die Exekution der Kranen geltend.6)

1527 wurden zn Pampelona mehr als 150 granen auf die Aussagen zweier Kinder gefangen genommen lind ihre Eigen-

schaft als Heren,

ihre Teilnahme am Sabbat nnd ihr ging

dorthin dnrch die Jetqnifition nnd die weltliche Gewalt gemeinfam

ermittelt. Die Rachricht, die das Ereignis erzählt, ist besonders

bemerkenswert,

weil nach

ihr

einer der HQ'en das gestattet

wurde, was man in Rom im Jelhre 1420 noch nicht gewagt hatte znzngeben7), sich vor allem Volk mit ihrer Zanberqalbe entznreiben, worauf sie denn auch einen Turin erstieg nnd thatsächlich davon flog. Herenflng

als

Realität

So war hier nttn auch der nlhsterivfe

dnrch

den

öffentlichen

Angenschein

1) Savanchh 1. c. ®. 23, 31 sf. (Birh südlich vvn Gens). 2) 1527 April 13, Staatsarchiv zu Geus, abgedr.i: Abschnitt VI ll. ll. 3) Tractatus insignia de superstitionibus contra maleficia seu sortilegia (Paris 1517) vgl. * Abschnitt II a. a. 1515. 4) Slvrente-Höcl 1. c. II, 54. 6) Ebd. ®. 50 (vgl. Hinschins 1. c. VI, 405). a) Arnaldns Albertini, De agnoscendis assertionibus catholicis et haereticia qu. 24 (in Tractatus illustrium iurisconsultorum XI2 Bl.86V)j er war hier selbst päpstlicher Kommissar (vgl. unten S. 519). Z Bgl. oben ®. 350.

503

sechstes Kapitel. erwiesen,

also

allen

Geheimnisses

entkleidet;

das

Ereignis

— eine willkommene Bestätigung der theologischen Theorie — wurde ohne jede Ansterniig des Zweifels literarisch verbreitet, und zwar durch keinen geringem als den Bischof von

Pampelona, Prudencio de Sandoval,

den

Biographen

Karsts V.1) Die Kranen entgingen zwar dem Scheiterhaufen, wurden aber ansgepeitfcht und erhielten mehrjährige Kerkerstrafe.*2) Um 1540 erfahren wir wieder, daß in Saragossa und in

Ravarm die Jeiqnisstion gegen Hejen thätig lvar, welche nachts durch die Fenster des Hanfes ansflogen; eine ganze Llnzahl derselben starb den Flammentod.3)

Jet Z'rankreich fanden im Vivarais 1490, 1497 und 1519 Hlei’enverbrennnngen statt; der Jelqnisitor, hier ein Franziskaner,

hatte in herkömmlicher Weife den Sabbat mit Tenfelsbnhlschafh

Sodomie und Ritt ans dem gesalbten Stecken ermittelt.4)

Jet

Dijon war 1518 ein Inquisitor in einem Hei’enprozest thätig5), ebenso 1519 und 1520 in Rietz; Agrippa von Rettesheim ver-

eitelte hier den Erfolg des Dominikaners,

der als Inquisitor

1) Bgl. Sandvval’s Historia de la vida y hechos del emperador Carlos V. 1. 16 § 15 (ed. 1681 ©. 621 s.): Die Heje nahm danach tun bote de ungüento que le avian tornado, con el qual se puso en la ventana de una torre muy alta, y en presencia de mucha gente se unto con aquel unto, en la palma de la mano yzquierda y en la muñeca y en el juego del codo y debaxo del brapo y en la ingle y en el lado yzquierdo. Y e.sto hecho, dixo en voz alta: Ay. A la qual voz respondió otra, dixo: Si, aquí estoy. Y luego la dicha muger se baxo por la pared á baxo, la cabepa ä baxo, andando de pies y manos, como una largatija. Y quando llego á inedia pared, levantóse en el ayre á vista de todos, y se fue vo­ lando por el.» Sie wird daun drei Meilen entfernt wieder ausgefundeu. (Sandoval f 1620, sein Bericht geht aber augenscheinlich aus eine ältere Auszeichnung zurüelh 2) Slvrente-Höel 1. c. H, 57. 3) Arnaldus Albertilli 1. c. qu. 24 (Tractutus XI2 Bl. 85 v). Bgl. Clórente II, 61.

4) Baiswe, Le.s grands jours de la sorcellerie 500 sorciers« verbrannt worden sein sollen (Ehablvz 1. c. ©. 82; Bvurguelvt 1, c. ©. 105, Anm.), Die Genfer Stadtgeschichten (I. Picot, Histoire de Genève (1811) II, 278 ss.; Spvn, Hiat. d. Genève, ebenso Bvnivard wissen nichts davon, nnd im Staatsarchiv zu Gens findet sich feine ©pur).

3) Bgl. dafür unten ©. 508.

506

Sechstes Kapitel.

1498, Daß ill den Riederlanden damals dio Anssasssnig der Zauberei als ketzerisches Vergehen auch in den weltlichen Gerichten ditrschgesührck wurde nud das römische Recht die Rönnen

für seine Beurteilung lieferte, beweist das Rechtsbnch dos Brabanter Jelristen Wilhelm von der Taverijen ans dem ^Qhre

1495.1)

Prozesse ans

den

Riederckanden

nnd

ans

Rieder-

dentschland sind nachweisbar in Angermnnd 1499—1504,

in

Bergheim 1491, in Bommel 1529, in Bonn 1507, ill Boppard

1494, in Brannsberg 1504, 1534, in Braunschweig 1501, in Breslan 1499, 1503, in Eleve 153.5, in Eorbach 1514, in Dinslaken 1.516, in Dort-

Brauweiler 1502, 1518, 1519,

in

mund 1514, 1521, in Duisburg 1514, in Erkelenz 1502, in Geldern 1517, in Ginsberg (Raffan) 1522, in Hamburg 1524, in Hannover 1523,

in

Hildesheim 1496,

in

Hochkirch

bei

Jeilich 1491, iu Horchheim bei Koblenz 1500, iu Kampelt 1515, iu Kölu 1487, 1502, 1506, 1507, 1.510, 151.5, 152l, iu 2aach

1512—1514, in Sichtenberg (Hessen) 1526, iu Osnabrück 1501, in Recklinghausen 1514, in Roermond 1.522, 1525, in Schlawe

(Pommern) 1537,1538, in Siegburg 1493, iu Valkeubnrg 1529, in Viersen 1500, iu Walsum 1513, iu Wernigerode 1521, 1523,

iu Zutpheu 1491, iu Zwickau 1510. Was bei dieser Übersicht, die von mancherlei Zufälligkeiten ee der zugänglichen Überlieferung abhängig ist, im Gegensatz zn der Sifte der Prozesse von 1430—1486 anf den ersten Blick aitffällt, ist neben der Vermehrnng der Prozesse überhaupt die

viel stärkere Beteiligung Riederdentschlands.

Der Wahn nnd

die Verfolgung gewannen jetzt auch hier weitere Ausdehnung. Diefe Thatfache kommt deutlich in der westfälischen Veme zum

Ausdruck, der grundsätzlichen Vertreterin des alten konservativen Akkusationsprinzips im Strafprozeß, welche im Jeihre 1490 das

Hexenwefen

ausdrücklich

unter

die

vemewrogigeu

Verbrechen

1) Bist- Jeederäeg, Corpus 1. c. II, ©. 280 ff., aus dem * S. 251 bis 253 ein Auszug verössentlicht ist. Das Sandrecht der Ommelande aus dem Iahre 1550 bestimmte kurzer Hand: »Item de mit toverije ummegaen otfte mit vergiffnisse, de sal man barnen to pulvere (Jeith, iu Rijhvfs’s Bijdragen N. R. I, 46).

507

Sechstes Kapitel.

ansnahnl.1) Die HeiPnversolgnng begann ebelt damals alle deutscher!

Gerichte ohne Unterschied in erhöhtem Rische zn beschästigen.*2) Jet diesen weltlichen Prozessen handelte es sich ferner, foweit die meist knappen Rachrichten eitt Urteil erlauben, zwar in der Siegel

noch nm schädigende Zauberei im alten Sinn, aber es tritt doch deutlich in die Erscheinung, daß die Sehre vom Hei'enflng und

Sabbat stärker in die Praxis der weltlichen Gerichte eindrang,

die Koaleszenz der Elemente des Sammelbegriffs alfo auch hier

immer inniger wurde.3) Ganz befonders war das aber da der Z-all, wo es zn SRaffenverfolgnngen dnreh die weltlichen Gerichte kam.

Eine solche fand 1488—1492,

dann wieder 1500 und

1508 in der Grafschaft Bearn statt, die schon 1317 und 1336, in den Tagen Papst Sohann’s XXII., stärker auf diefem Gebiet herworgetreteu war.4) Em befonderer Kommissar zur Aufssn’iruug der Hebelt

wurde

hier ernannt,

viele Verhaftungen

erfolgten und die Zwlter wurde reichlich angewandt, doch gelang

es nicht immer, felbst mit diefem SRittel die Zwanen zn überführen, fo daß die Dbrigkeit fich mit Verbannnngsdekreten und Geldstrafen begnügen musste.5)

Weitere größere Verfolgungen

find 1495 und 1501—1505 int fz'leimfer

1506 zn Völs in Südtirol nachweisbar.6)

Thal

bei Trient,

Jel 2Retz und UnJu

1) Öindner, Die Benke @.475,543; vgl. Ohbel’s Zeitschr. 68, ®. 13. 2) Jel Bistum Ernlialtd wurden 1441 und 1483 die alten Sandesi Ordnungen gegen Zauberer (vgt. vben S.369) erneuert (Bvigt, Geschichte Preußens IX, 138; Silienthal 1. c. ©, 71). Zstir Riga vgl. vben 0.373, Allnl. 3. s) @v besonders ilt ßaach 1514. Über die dvrügen Prozesse — es wurden sechs Heïen durch das Gericht des Abts zum Scheiterhansell verurteilt — liegt ein längeres Gedicht des Augenzeugen Butzbach vor (abgedr. * Abschnitt VI a. a. 1512—14). 4) Bgl. vben S. 252, 259. 6) -cornrnissari general et députât aus acteß et crimes de pozoerie et faytilherie« ; vgl. die oben S. 428, Annl. 2 zitierte Unter-snchung von B. Sesph nr. 8 ff. (vgl. ‘Abschnitt VI a. a. @. auch H. Barthetl), La Borcellerie en Béarn et dans le pava Basque, Pau 1879, @. 12 ffh. H Panizza im Archivio Trentino VH, l, 199; VIII, 131 ; IX, 49; Rapp, Heïekkprvzcsse in Tirvl (2. Ansgh S. 58, 145 ss.

508

Sechstes Kapitel.

gegend sand 1488 wiederum eine Aufspürung und Verfolgung von Wettermachern und Wettermacherinnen statt; 26 Jeanen nnd 4 Winner starben damals ans dem Scheiterhaufen.1) Und

auch nach Riederdentschland, nnd zwar zunächst nach dem Riedencheitt, drang jetzt die Epidemie vor: 1492—1494 wurden in Knrtrier, in der Bopparder Gegend, 30 Hez'en verbrannt*2),

nnd von 1490 ab nahm in den niederrheinischen Gebieten, ist Knrcköln nnd in den jülich-bergischen Sandern ans Grund der Vorstellung vom Sabbat

nnd

von

der Teufelsbuhlschaft

die

Verfolgung deutlich den Rtassencharllkter an.3) Das Eingreifen der Obrigkeit fand iss diefem gall stets (ruf Grnnd von Denunziationen oder böfem Senmnnd von Amtswegen statt;

sobald

ihre Anssnerckfamkeit rege

schritt die Obrigkeit

wurde,

ein, folterte und erzielte Geständnisse.4)

Die Abstumpfung des

Wirklichkeitssinnes war nm das Jehr 1500 auch bei der weitlichen ^5nrüsprndenz weit genug vorgeschritten, nm der Fortdauer

der Verfolgung den Weg zn ebnen, nnd wir werden noch fehen,

daß hier der Maliens maleficarnrn unmittelbar feine verderbliche Wirkung in weitem Umfang äußerte. Betrachtet man daneben die literarische Erörterung der ein-

fchlägigen fragen im Anschluß an das Erscheinen des fallens,

fo zeigt sich zunächst, daß die scholastische Sehre vom Hejjenflng doch noch nicht ganz so festbegründet war, als die Verfasser an-

znnehmen schienen, indem sie von ihr als von einer ganz selbstverständlichen Sache handelten. Ans die Hejenfahrck verzichten

konnten die Inquisitoren nicht, wenn sie nicht den mit so viel Auf­ 1) Sobald hier abnorme Witterung eintrat, »on murmurait des sorcières«, ßvthringen blieb auch fernerhin ein besonders fruchtbarer Herd siir Hejenversvlgungen. Das beweist des dvrtigen Richters Rievlaus Remigius Daemonolatria (1594). 2) Grvtesend 1. c. VI, 73 (vgl. das Aktenstück * VI a. a. 1494 Iebr. 14). 3) Pauls im. Riederrheinischen Iahrbuch XII (1897), 210, 228. 4) Alu Riederrhein, z. B. in Köln, behandelte man die Hefen wvhl als "schädliche Seule", gegen die man allgemein vvn Dbrigleitswegen einschritt nnd kurzen Prvzeß mit der F'vlter machte (vgl. Stein, Alten zur Gesch. der Bersassuug und Berwaltnng von Köln II, nr. 332 d. d. 1473; sonst war hier die Aeensativ noch üblich ebd. I, nr. 319, @. 610).

509

Sechstes Kapitel.

wand

an Gelehrsamkeit konstruierten

HQ'eit begriff

überhaupt

preisgeben wollten; denn ohne sie klasste in dem Schnldbeweis, den die gerichtlichen Behörden zn erbringen hatten, eine bedenk-

fiche, den

gefunden Rfenscheitverstand

stutzig

machende ßücke-

Der Hexensabbat der nichts anders war, als der nur wenig

modifizierte, feit Jehrhnnderten aeeeptierte Ketzersabbat,

galt

null einmal als feststehend, und immer wieder wurde mit der

Zolter aus den gepeinigten Kranen das Geständnis erwirb, daß sie nächtlicherweile am Sabbat teilgenommen hatten. Es ergab sich hierbei- aber eine hältssg wiederkehrende SchwierigkeitEhemänner von Kranen, die gestanden hatten, ans dem Sabbat gewesen zu seilt, traten mit der Erklärung ans, dast ihre Gat-

tinnen das Hans nicht verlassen hätten. Die von den Kranen bezeichneten Versammlungsplätze befanden sich, wie wir wissen, häufig weit entfernt von ihren Wohnungen, und vorderhand wollte es noch nicht in einwandfreier Weife gelingen, eine $ran

auf dem Wege znln Sabbat oder vom Sabbat zn beobachtet!,

obgleich die Inquisition längst wnstte, dass die Rocht von Donners-

tag ans Freitag zu diesen Zusammeltkünsten mäßig diente.

besonders regel-

Wäre die Verblendung der theologischen Richter

nicht so vollständig gewesen, so hätten auch ihnen Zweifel an

der Richtigkeit der erzwungenen Ansfagen der Kranen anffteigen müssen. Aber dazu kant es nicht- Die Einwände der Ehemänner erschienen ihnen vielmehr leicht zn befeitigen: liest ssch doch mit

dem Schatz scholastischer Gelehrsamkeit ohneIRühe darchttn, dast der Tetifel mit Hilfe höllischen Blendwerks einen Scheinleib im

Haufe des Gatten znrückzu lassen pflegte, der die Gestalt der f^ran hatte.1) Z'ür den Weg zum Sabbat mußte aber auch danu noch

1) Bgl. das interessante Gutachten, welches um das Iahr 1515 der später w berühmte Jelnst Andreas Aleiatus einem Inquisitor erteilte (im Parergon iuris 1.8, c. 22, Opera, Basel 1582, 4, 498; wiederabgedruckt *Abschn. II a. a. 1515). Bgl. oben ©. 500. Bartholomäus de Spina, Quaestio de strigibus c. 11 (vgl. unten 51Z) erklärt 1523 ausdrürflich: »Igitur affirrnantibus strigibuB, quod corporaliter vadant ad curBurn, credendutn est, et si videantux interim alicubi dormiré, estimandum est, esse diabolum in illarum forma seu figura. < Einen

£510

Sechstes Kapitel.

ans den Transport durch die £üstc znrückgegrissei! werden, wenn man die Bedenken ansrlinmen und nicht ans die einzige Gelegenheck verzichten wollte, wo die HejTu ihre Komplizen ans nah

und fern sahen, wo also die eigentliche Duelle für die fassen-

versolgnng lag.

Jenmer wieder war zwar betont worden, daß

die Sehre der Theologen vom Hexenflug Zweifeln begegne, und

daß der weltliche Arm Bedenken zeige, die anf Sabbat und Jeng gegründeten Snqnifitionsnrteile zu vollstrecken. Es wird denn auch noch von dem weltlichen Juristen Ulrich SRolitoris in Konstanz,

der im Jehre 1489 ans Veranlassung des mit Hejenprozessen

vielbeschäftigten Herzogs Sigmund

von Tirol den erwähnten

Traktat über das Hei'enwefen verfaßte, die Anficht bestimmt ge= äußert, daß der faltig uur iu der Jelufion ftattfiude. 9Rolitoris

ist im übrigen gut hei’engkänbig, und die Hei’en selbst entgehen auch nach feiner Theorie keineswegs etwa deshalb der Verbreitnnng, weil es sich bei ihrer Ausfahrt nm eine sIllnfion handelt1);

aber die durch eine Hei'e erfolgende Beschuldigung, daß sse auf dem Sabbat andere Perfonen gefehen habe, konnte doch in diefem

Znfannnenhang keine schädliche Wirkung herbeiführen. Rach dem Erscheinen des Rtallens nnd unter dem Eindruck der immer

stärker anschwellenden Verfolgung diefe Mirage kebhafter.

wurde

die Diskussion über

Ern iRinorit zu Rtailand, Samuel de

Eassinis, verössentlichte im Sahre 1505 einen kleinen Traktat »Question de le strie«, in welchem er den grnndfätzlichen Kampf gegen die Realität des Hejenflngs anfnahm und wenigstens

diefem einen, aber integrierenden Bestandteil des ganzen Wahngebildes mutig die Stirn bot.

Diefe Schrift*2) eines im übrigen

vom Glauben an die Realität des 9Ralesseinms nnd der Teufels-

svlchen I'all erzahlt auch Grnlandus (c. 1525) in seinenl unten @. 517, Anm. 6 erwiihnten Traitai c. 7, nr. 6. 1) Ulrich Mvlitvris 1. c., Auszug *S. 243—246. 2) Sie ist auszervrdentlich sellen, nur in eineul Exemplar in der Biblioteca Arnbrosiana zu Mailand liachweisbar. (Question de le strie. Quaestio lamiarum fratris Samuelis de Cassinis ord. Minorum observantiae regularis, 1505 Mai 6.) Ich habe sic *S. 262—273 wiederabgedrucft.

511

Sechstes Kapitel.

bnhlschaft durchaus erfüllten Theologen beansprucht in der Ge-

schichte

des Hei'enwahns einen bevorzugten Platz

systematischer Anguss

Hei'diflug.

gegen

die

als erster

verhängnisvolle Sehre

vom

Eaffini’s Beweisführung ist eine rein theologische.

Da der menschliche Körper nach seiner natürlichen Beschaffenheit

zweifellos nicht znm fliegen geeignet

so

sei,

könne

auch

die

Kraft des Tettfels ihn nur dann durch die Stifte entführen, weint

Gott die von ihm selbst eingerichteten Raturgefetze im einzelnen Jeill anfhebe, alfo ein Wunder wirke.1) Das könne Gott ja nun zweifellos dann thnn,

wenn

es

fich

nm

die Erreichung

eines guten Endzwecks handle, und fo fei der $lng des von

eiuem Emgel entführten Habakuk, fo auch die Entführung Ehristi durch Satan zu erklären.

Beides fei geschehen, um die Größe

und Herrlichkeit Gottes unmittelbar oder mittelbar deutlich zu

osseubareu.

Gott költue aber unmöglich mit feiner Gerechtig-

leit vereinbaren, feine eignen Ratnrgefetze anfzuheben, damit ein fo schändlicher Endzweck wie der Hexensabbat ermöglicht werde, der sich doch nur als eine Häufung der allerschwersten Sünden und Verbrechen wider die göttliche SRajestät darstelle. Die ein-

fälligen und naseweisen Inquisitoren*2),

welche das Gegenteil

Annahmen, sogar gegen die ehrwürdige Autorität des alten Eauotl Episeopi haltlose Einwände vorbwchten3) und ans Grund von Geständnissen

einzelner Hexen andere grauen,

die

von

jenen als auf dem Sabbat anwesend bezeichnet wurden, gefangen

nähmen tnld ihnen den Prozeß machten, feien vielmehr. felbst schwerster Sünde, ja der Ketzerei verfallen.

Rach unfern frühem Darlegungen ist es deutlich, daß Eafssui thatfächlich den wunden ssinnkt in der Beweisführung der Dominikaner getroffen hatte.

Die Ausführungen der großen

Scholastiker des 13. Jahrhunderts über die Kräfte der Dämonen

1) Bgl. dazu die vben S. 190, Anm. 3 zitierte Schrift pvn Dessen S. 36 ss. 2) »inquisitorea grossi atque scioli.«

3) Der erwähnte Barthvlvmäns de ©pina füllte im Iahre 1523 fünf Kapitel seiner Quaeatio de atrigibus (c. 21—25) mit Argumenten, aus dellen die geringe Bedeutung des Canon Episcopi sich ergeben soll.

512

Sechstes K'apilet.

hatten wohl ergeben, daß ste Körper bewegen rönnen, aber doch nur deren natürlicher Beschaffenheit gemäß.1) Allerdings lagen auch unklare ÿluszeningen der scholastischen Rleister vor über die Kräfte der Dämonen,

nnd

zwar

besonders

von Thomas

von Aquino.*2) Aber erst durch Verschmelzung dieser Sehre mit der jüngeren BibelQ'egese3) nnd dem alten volkstümlichen Wahn

vom Hentmschweben hatte die Spätscholastik der Jelqnisstion den Beweis sür die Realität der Hejensahrt zn erbringen vermocht. Jet den südfranzösischen Prozessen llm 1335 hatte man sich

noch mit der unklaren Sehre von der körperlichen Entrückung begnügt, seitdem aber war man entschlossen dazu übergegangest,

die scholastische Sehre von

den

Krassen

der Dämonen unter

Hinweis ans die Beispiele der Bibel nnd Gegenden auf diese

$rage anznweitden.

Das war jetzt schon fest in die Tradition

aitfgenonnnen nnd durch zahllose Prozesse funktioniert, fo daß

man nicht mehr davon ablassen mochte. Als Kämpe gegen den Angriss Eassini’s trat im Jeihre 1506 im benachbarten Pavia der-Dominikaner Vincenz Dodo mit einer Streitschrift in die

Schranken, in welcher er mit heftiger, ans der Gegnerschaft der

beiden Orden untereinander nnd der Schärfe des Eafstnischen Angrisss erklärlicher Erregung nnd

mit nnverhüllter Gering-

schätznng der geistigen Unzulänglichkeit feines Gegners diesen glätt1) Bgl. oben S. 197 ss. 2) namentlich die Außerung in der Expositio zum Buch Ivb 1.1, lect. 3, welche das Wettermachen des Teusels wissenschaftlich erklärte, aber auch sür andere Z-ähigieiten Satans als beweiskräftig angesehen und viel benutzt wUrde : >Ad rnoturn localem natura corporea nata est epirituali obedire . . . quaecunque ergo solo motu locali fieri poseunt, hec per naturalem virtutem non solum Spiritus boni sed etiam mais facere poesunt, nisi divinitue prohibeantur« (vgl. oben S. 210 und *©. 95, Anm.). 3) Daß die ältere, verständigere Ejegese noch nicht ganz vergessen war, belveist Aleiatus inl Iahre 1515 (vbeu ©. 509).. Gegenüber dem Hinweis ans den Transport Ehristi durch den Teusel verweist Aleiatus aus die ältere Eregese : >Nec rne rnovet evangelii locus, quia sponte, et quidern spiritu eancto ducente, super pinnaculum ascendisse Christum veteres tradiderunt, non autem a diabolo latum ; id enim incredibile est.< Bgl. dazu unsere Ausführungen oben S. 202 ss.

513

Sechstes Kapitel. zend ad absurdum führte.1)

Rach Dodo’s Überzengnug be-

weisen die Bibelstellen, daß die Dämonen ans sich herans stark

genug sind, tun RZenschen durch die Öüfte zu tragen; die guten

Emgel bewegen das ganze Weltall und die Kräste der bösen sind durch ihren Sündenfall nur nm ein geringes geschwächt, ein Wunder ist also hier gar nicht erforderlich, sondern mir die

herkömmliche »permissio dei«; was übrigens den $htg zu dem schändlichen Sabbat betrifft, fo fei die Abficht des Teufels,

als er Ehriftus durch die Stifte entführte,

auch

eilte

schlechte

gewefeu; das Argument des Gegners trifft also nicht zn; der Z'lng der Hewett znm Sabbat kommt vielmehr sowohl als tenslische Sllnsion wie als vom Teufel bewirkter realer Transport vor;

die Geständnisse der Hei'en find demnach durchaus glaubwürdig. Diefe Beweisführung griffen bald darauf Dodo’s gelehrte Ordensgenoffen Benlard von Eonto (1508), Silvester Prierias (1520)

und Bartholomäus de Spina (1523) alss, von denen die beiden ersten ans ihrer eignen Snqnifitionspraiüs neue gewichtige Thalfacheu für die Realität des Ausfahrens der Hegen Und ihrer

Verfanlmlnng

auf dem Sabbat ins geld zu führen hatten.*2)

R?an hatte inzwischen auch weitere Beispiele gesammelt, wo nnberufene Zuschauer auf Anstiften des Teufels von den Teil­ Apologia fr. Virlcentii Docli ord. Praed. pro inquisitoribus hereticorurn et larnianirn, contra Questionern de lamijB fr. Samuelis de Cassinis, 1506 Dftvber 9. Auch diese Schrift, welche zwei Ausgaben erlebte, ist sehr selten. Auszug * Et licet in sirnplici haeresi penitentes et abju­ rantes ad penitentiam et perpetuos carceres admittantur, in hac Historische Bibliothek. Bd. xli. 34

530

Sechstes Ktipitel.

Rnsweg, den auch die Verfasser des fallens für die Z'älle, wo das Ketzergericht eingriss, empfohlen hatten.1) Aber auch dieses Verfahren stieß ans Bedenken; anch beseitigte es nicht die

Unbequemlichkeit, daß die weltliche Jeistauz bei seiner Anwendung den Anspruch ans Vorlage der Akten des_Ketzerprozesses erheben konnte*2), den die Kirche ans prinzipiellen Gründen anznerkennen sich sträubte.3)

Es wurde von anderer (Seite geltend gemacht,

daß die Inquisitoren sich nm die von den HejTn eingestandenen

9Rorde lind anderen nichtketzerischeu Verbrechen nicht zn kümmern hätten, sondern verpflichtet feien, den reumütigen Helsen ohne Einschränkung Gnade zn gewähren.4) Befonders lebhaft vertrat diesen Standpunkt der frühere Jelqnisitor Arnold Albertini5)

(c. 1540). Rur für deu Jelli, daß eine Hexe zunächst vom weib­ lichen Richter gefangen genommen und dem geistlichen zur Ermitt= kling des Thatbeftaudes, der ketzerischen Eigenschaft des Delikts,

übergeben worden sei, köuue uach ergangenem geistlichen Urteil

die reumütige und nicht rückfällige Gefangene dem weltlichen Richter wieder ansgelieferck werden.6)

Jeirüft der

Kurie,

Der mehrfach von uns erwähnte

granz Pegna,

der

vertraute Berater der

Päpste fsiius V. uud Gregor XIII., stellte um das Sohr 1570 auch in dieser 3stage einen gewissen Abschluß der Erörterung dar, tarnen haereBs, licet eccleaiasticus index recipiat ad poenitentiarn, laicus tarnen potest propter darnna forte facta ultimo .supplicio interimere« (also vhue daß der weltliche Richter eineu besvuderen Prvzeß über diese Maleficien eröffnete). Bgl. unten ©. 531. 1) Bgl. oben .)• Daß das in Wirtlichkeit vvrfam, beweist der Bvrsall in Arras 1460 * ©. 180 Z. 33 ss.

531

sechstes Kapitel. indem er fsch die Ansicht eines

machte.

andern Kanonisten zll eigen

Ans eine persönliche Anfrage hatte ihm der Assessor

bei dem im Jelhre 1542 an die Stelle der älteren Jelqnifitionsgerechte getretenen Sacro Ufficio in Rom, ssietrns Dnsina, der zugleich als Datar bei der Pönitentiarie fungierte, erklärt, jener

von Sprenger, Jeistitoris nnd Prierias anfgeftellte und manchmal auch fernst befolgte Grnndfatz, nach welchem die Hei'en mit Rückstcht auf die von ihnen verübten Kindermorde stets, auch bei der ersten Verurteilung,

von den Jelqnisitoren dem weitlichen Arm ohne dessen felbständige Verhandlung zur Verbrennung überliefert werden follten, fei vom Sacro Ufficio in Rom nicht

acceptiert worden, diefes felbft behandle vielmehr die Hez'en wie

sonstige Ketzer; nur wenn fie vom weltlichen Gericht gefangen genommen nnd ihm zur Jeftstellnng der ketzerischen Dualität

ihrer Vergehen übergeben würden, erfolge stets ihre Rückgabe

an den weltlichen Arm, sobald der kirchliche Prozeß beendet fei. Auch fei wohl die Dbferwanz beobachtet wordeil, daß die Hexen mit Rückficht auf die zahlreichen SRorde und anderen gravierenden

Umstände ihres Verbrechens nach erfolgter Abschwörung

von

dem Sacro Ufficio im Auftrage des Papstes dem weltlichen Richter übergeben würden, damit dieser einen netten selbständigen

Prozeß wegen der 9Rorde erössne, nnd die Hexen nach Rischgabe

des Zivilrechts strafe.1) Daß aber die Jelqnifition trotz aller solchen 1) >Quainvis auctor Mallei rnaleficarurn et Sylvester (Prierias) teneant, lamias ob infanticidia etiam in primo lapsu tradi posse curiae saeculari, et ita aliquando observatum ait in certis inquisiLionibus particularibus, et praesertim Pedemontanis, ubi multura invaluit haec pestis, non consuevit tarnen hoc s. Officium illas tradere nec aliter punire, quam sacri canones puniri mandant apostatas a fide Christi. Si tarnen iudex secularis illas prius officio Inquisitionis consignasset, suspensa aliorum criminum cognitione, expedita haeresis causa 8. Officium debet et solet eidem iudici illas restituere, de quo extat etiam particularis constitutio Pii V. Observatum est etialn aliquando, quod propter frequeutiam homicidiorum et aliquas circumstantias aggravantes lamiae facta abiuratione connignantur de mandato Sanctisaimi illi iudici saeculari, qui processum format de novo super eisdem hornicidiis, ut quas repent culpabiles

34*

532

Sechstes Kapitel.

theoretischen Bedenken auch ihrerseits nach wie vor den Het'L'n dell Weg znm Scheiterhansen zll ebnen wußte, beweist eine Angabe des nm 4590 schreibenden Zndwig von Paramo. Danach mar cs

zur großen Befriedigung dieses Autors, der selbst in Siziliess als

JelqnisitoV die Verbrennung zahlreicher Hejleu veranlaßt hatte, den Jetqnisitorml gelungen, in den letzten 150 fahren mindestens 30000 Hexen znm Heile der QRcnschheit den flammen zn überliefern.1) Wochtc also das weltliche oder das in der Theorie

skrupulösere Gerächt der geistlichen Jeiqnisition die Hejellprozesse führen, die R¿assenverfolgnng war ist beiden Fällen Thatsache,

das Endziel der Verfasser des Hejenhammers also in beiden Fällen verwirklicht.

Und diefe SRassenverssolgnng fetzte sich dnrch das

16. und 17., bis znm 18. Sahrchnndert fort; Einzelprozesse vor beiden goren fanden sogar noch bis znm Ende des 18. Je hr-

hunderts

statt:

noch

im Jechre

1781

wurde

zn

Sevilla

auf das Urteil der iöuqnifitiou ein Weib verbraullh weil es mit dem Teufel

eilten ssiakt geschlossen und Unzucht getrieben

hatte2), und im Jelhre 1782 wurde zu Glarus durch die welt=

liche Obrigkeit eiu Riädchen mit dem Schwert gerichtet, weil es auf Grund eines Teufelpakts ein Kind krank gezaubert hatte.3) puniat secundum leges.« (Pegna im Kommentar zu Ambrosius de Bignate, Quaestio de strigibus, am Schluß; die Constitutio Pius’ V. ist gedruckt im Anhang zu Pegna’s Ausgabe des Directoriurn Eyrnerici, Rom 1585, ®. 174). 1) Sudvvicus a Paramo, De origine et progresan officii s. Inquisitionis eiusque dignitate et militate (Madrid 1598) ©. 296: >Nec siientio involvenduni arbitror, quam bene rneriturn de humano genere sit s. Inquisitionis officium, quod ingentem lamiarum multitudinem adusaerit. .. ., contra quas adeo acerrime ab inquiaitoribus depugnatum est, ut 150 annis ad hanc diem triginta lamiarum millia ut minimum fuerint concremata, quae si impunitae abirent, facile totum terrarum orbem. ad exitium et vastitatem vocarent. Non solum enim in veram religionem, sed in bona etiam temporalia perniciosiasimae sunt; sic enim refert Innocentius papa VIII, in bulla edita a. d. 1484 . . ,< ’) ßlorente-Höci 1. c. IV, 299. 3) Binz, Jehann Weher 2©. 129.

53.3

Sechstes Kapitel.

Wir ssnd am Ende Unserer Darlegtntgen angelangh die nicht das Zeitalter der epidemischen HQTuverfolgnng zmn Gegen-

stande haben, sondern nnr deren Entstehung erklären sollen. überblicken wir beim Rbschlnsi unserer nntersnchmig die gesamte Entwicklung in großen Zügen, so stellt sich lln» fül=

gendes Bild dar.

Die Grundlage der gerichtlichen Verfolgung

und Bestrafung von Zauberern nnd Hel’Cn war in dcln all£ älteren religiöfen Vorstellungen stammenden, überall verbreiteten nnd eingewurzelten Däulonenwahn mit ferner Jeille von Einzel-

vorstellnugen ans dem Gebiet des RMesszintns nnd der Striga ge= geben, als die christliche Kirche fick) anschickte, dießeitung der abendländischenRienschheit zu übernehmen. Von den entscheidenden Wahnvorsiellnngen trug sie selbst die wichtigste, die Vorstellung von der ^Möglichkeit und Wirklichkeit der Zauberet, in sich und kodissziercke die-

selbe in ihren Gesetzen nnd in ihrem Sehrshstein, indem sie dieselbe ' k» als sündhaften Teufelsdienst brandmarkte nnd verbot. Sn Uberenlstilmnllng mit

dem

römischen

Staat nnd

der

staatlichen

Autorität in den germanischen Reichen lehnte sie dagegen die

Gruppe der volkstümlichen Vorstellungen, welche das gespenstige Rachtsahren der ©trügen nnd die Verwandlung von Rfenscheu

iu Tiere zum Gegenstand hatten, ab nnd behandelte sie als überwundenen Volkstvahn. Jeldetn die Kirsche dann in der

Epoche der Scholastik dazu überging, die Kräfte des von ihr anerkannten Dämonenreichs theoretisch zu nnterfnchen, wurde sie durch ihre besondere Riethode dazu geführt, die formlofe

DRasse ihres welches

dämonischen Wahns

iu

eilt Shstem zu bringen,

mancherlei Konzessionen an den volkstümlichen Wahn

machte und nunmehr schnllnäßig der Weltanschauung einverleibt wurde; sse konstatierte ferner in der engen Verbindung der Zauberer mit den Dämonen, welche mit Hilfe der kirchlichen

Sehre von der Möglichkeit eines Verckragsverhältnisses und eines

Geschlechtsverkehrs zwischen DRensch nnd Teufel phantastisch ans-

gestaltet wurde, ein ketzerisches Element nnd ermöglichte es dadurch, daß auf das Zaubereiverbrechen die befondere spürexibe

nnd durch die Art ihres Verfahrens notwendig den überall aufgedeckten Volkswahn bekräftigende Jelrüsdiktion der Ketzerinqnisi-

534

Sechstes Kapitel.

tion angewendet werden konnte. Dadurch wurde zunächst die massenhafte Beschäftigung der Gerichte mit dieser Klasse von

Verbrechen veranlaßt, welche zn der Annahme einer Vermehr

rinlg derselben lind schließlich zn deln Glauben an die Existenz einer beschilderen Zaubererfekte führte,

ferner aber wurden in

diesen! Znfammenhaug anch noch die abenteuerlichen Vorfteb lllngen vom Ketzerfabbat und von dem mit teuflischer Hilfe bei wirkten Zckng zn diefem Sabbat, dessen Realität schnlmäßig ans

der kirchlichen ßehre von den Kräften der Dämonen nnd ans

Bibelftellen erwiesen wurde, ans die Zauberer übertragen.

Jel-

dem dann die Ketzer- nnd Zanbererverfolgnng durch die kirchliche

Jelqllisition vom 14. Jelhrchllndert ab sich besonders in den Gebirgsländerm der Alpen nnd Phrenäen sestsetzte, wo die ganze Sülle der alten Volksvorstellnngen

erhalten

war,

geblieben

dauerhafter als anderwärts

verlieh die

Jelquisstiou

durch Ver-

mifchnng mit ihrer von der Kirche selbständig entwickelten Wahnvorftellnng

von dem teuflischen Transport znm Sabbat jener

alten, von der Kirsche als Wahn bekämpften Vorstellung vom Rachtfahren der Strigen neue Kraft, nnd

mit

Hilfe

dieser

theologischen Umdentnng gelang es der kirchlichen Autorität, ihrem aberwitzigen Sammelbegriff vom Hei’enlvefen anch die Anerkennung der staatlichen Autoritäten zn verschaffen, welche dem Strigenwahn durchweg ablehnend gegenüber gestanden nnd sich ans die Bestrafung der eigentlichen Zauberei, insbefondere

des SRalessennns, beschränkt hatten. Von der DRitte des 15. JehrHunderts ab wurde somit von Kirsche nnd Staat die Existenz

einer

befonderen

HQPnfekte angenommen,

gegen ste,

welche

wiederum mit Rücksicht auf theologische Erwägungen auf das

weibliche Geschlecht zngefpitzt wurde,

der Apparat des beider-

festigen, mit der Folter operierenden Strafrechts in Thätigkeit gefetzt, jeder Einspruch durch eine besondere kanonistische Speziallitteratnr behoben oder abgewiesen, nnd so jener von den Auto-

ritäten über ßeben

nnd

Tod

allgemein

anerkannte,

in der

religiösen Weltanschauung der Zeit sestbegründete strafrechtliche Begriff vom Hexenwefen geschaffen, welcher dauerhaft genug war, um fo lauge wie diese Weltanschauung selbst auszuhalteu.

Sechstes Kapitel.

535

ist demnach von der Theologie der christlichen Kirsche gestochten worden. Riemals Die

Geißel

der

Hejenverfolgnng

würde trotz alles alten Volkswahns lind trotz aller in Wirklichreit vorhandenen und mißdeuteten pathologischen Erscheinungen in den Strafprozessen der weltlichen Gewalten die absurde Vorstellnug von der Tenfelsbnhlschaft platzgegrissen haben, wenn nicht die den Geist der Zeit bevormundende Kirche sie wissen-

schaftlich

erwiesen

und

mit

ihrer Verwertung gegenüber den

Cpserm der Ketzerinqnisition voransgegangen wäre. Riemals würde auch die Vorstellung vom Hexensabbat nnd vom Hei’eustng im weltlichen Strafrecht ihre verderbliche Rolle haben spielen

können, wenn nicht der Ketzerprozest der Kirche diese Aitsge-

burwn rekigiöfen Wahns durch mehrchnnderckjährige Praxis den verwirrten Köpfen der von ihr abhängigen Menschen glaubhaft

gemacht hätte.

Jet diesen SRomenten vor allem liegt aber die

Quelle der erbarmungslosen, aller Regungen der Humanität baren

Rtafsenverfolgnng;

die

Ahndung der traditionell als

wirksam angesehenen nnd gefürchteten 9Ralesseien allein würde

das beweist der Verlauf der Entwicklung, die wir kennen gelernt haben, unwiderleglich — stets den Eharakter strafrecht—

licher Einzelfälle behalten haben. Ans diefem Entwicklungsgang erklärt fich denn auch ohne weiteres die vielerörterte Thatfache, daß die Reformation keinen unmittelbar befreienden Eiuflust auf die Ungeheuerlichkeit des Hejenwahus geübt hat. Um die Wende des 16. Jahrhunderts, also vor dem Auftreten finthers, war diefer Wahn bereits kein

ausschliesslich theologischer mehr, Gemeingut

der

gebildeten

Welt,

fouderu er war schon zum ein Theil der allgemeinen

Weltansscht geworden, welchen die dem Wirklichkeitsfinn fhfte-

entfremdete SRenschheit ans den Händen derjenigen Autorität entgegengenommen hatte, von der fie ■ gewohnheitsmäßig Glanbensvorftellnngen überkam nnd als unerklärliche Gewißheiten acceptierw. Jene verblendeten Theologen, welche matisch

ml 15. Jehrchnndert den Klnnnlativbegrssf vom Hei'enwefen auf die Spitze trieben nnd gegen die letzten Einwendungen des gefunden Rienschenverftandes verteidigten, gehörten zu den au-

536

Sechstes Kapitel.

erkannten

geistigen

JeihiTrn

der Zeit;

die Rider, Iacqllier,

Snftitoris und Sprenger waren außerdem leitende Persönlichfeiten

bei den Bestrebungen der DrdensrTsorm des

15. .Zahl’-

hunderts, der man heute in historischen Betrachtungen über das ausgehende SDeittelalter so gern eine besondere Bedeutung beimessen möchte. Wenn es der mittelalterlichen Scholastik auch

ill dem iydeenkreise dieser gefährlichen grage befchieden war, die innerhalb ihres beschränkten Horizontes möglichen Einseitige feiten bis zur Erschöpfung ansznbeuten r), fo waren also ihre Führer auch hierbei DRänner,

welche

bei

ihren Zeitgenossen

in hohem Anfehen standen, deren Deduktionen infolgedessen leicht Glauben fanden. Diese wahnerfüllten lind menschenfeindlichen Ausführungen von Männern, welche ssch wieder einmal in eschatologischer Weife felbst am Eude der Tage der Welt angelangt fühlten*2) und in ihren trübfeligen Phan-

taftereien also

wohl

das Jeeal

der

dem Rtenschen

erreich-

baren Weltanficht erblickten, zählen folnit zu den letzten Vermächtniffen,

welche

die Allgewalt der mittelalterlichen Kirsche

der Renzeit überliefert hat.

stellungskompleK

zn

Grunde

Gerade den diesem ganzen Vorliegenden mhftifchen

Rebel

Teufelsglanbens hat aber der Protestantismus nicht

des

gelichtet,

fondern die Empfänglichkeit für denfelben durch die wuchernde

Fruchtbarkeit der einander als teuflische Produkte bekämpfenden

1) Bgl. dazu Prantl, Svgil II, 81.

2) Das spricht Iaequier (1. c. ©. 44) und besonders der Malleus rnaleficarurn aus (Apologia: Cum inter mentis seculi calamitatea, quas proh dolor non tarn legimus quam passim experimur, vetus oriens damno sue ruine irrefragabili dissolutus ecclesiam, quam novus oriens [homo Christus JeeusJ aspersione .sui sanguinis fecundavit, licet ab initio variis heresum contagionibus inficere non ceSBat, illo tarnen precipue in tempore his conatur, quando rnundi vespere ad occasum déclinante et malicia hominum excrescente novit in ira magna [ut Johannes in Apocalipsi testatuig, se modi­ cum ternpus habere, quare et insolitam quandam hereticam pravitatem in agro dominico succxescere fecit, heresim inquam maleficarum).

537

Sechstes Kapitel.

Und verfluchenden theologischen Shsteme noch gesteigert.1) Der

Gegensatz der Reformation gegen die mittelalterliche Kitsche, der

durch die Aufstellung eines neuen sittlichen Sebeusideals, fo wohlthätig äußerte, kam sich

auf

anderen Gebieten,

besonders

fomit auf diefem Gebiet nicht zur Geltung. Es ist überhaupt nicht die Theologie gewefen, welche die Rlenschheit voll der Plage des HlQ'euwahns wieder befreite, welche fie über dieselbe gebracht hatte, mögen auch einzelne Riänner ans theologischem Kreise ans katholischer wie protestantischer Seite gelegentlich ihre Stimme gegen die Ei’Cesse der Verfolgung erhoben hüben. Es lullst aber doch hervorgehoben werden,

daß einerseits der

Protestantisnnls, wie die Renzeit überhaupt, dem vom Riittel-

des Hejenwahns keinen einzigen nenett Zng hinzngesügt hat, nnd daß anderseits der Zerstörung anch dieses Wahns jene weltgeschichtliche Bedeutung der Reformation zu gute kam, daß sie durch die 9Racht der Thatsachen alter

überlieferten Spstem

die sRenschheü zwang, sich dem Toleninzgedanken wieder zn erschließen nnd durch die Beseitigung jener naiven, gewaltsam aufrecht erhaltenen einheitlichen Weltanschauung des RCittelalters

dem freien Spiel der Gedanken, der geistigen Freiheit endlich, wenn auch nur widerwillig, Raum zn geben. Die Hejenverfolgnng durch die katholische uud die protestantische Autorität datierte zwar als eingewurzeltes Übel vorderhand noch fort,

aber unter dem Schutze dieser erzwungenen Toleranz konnte nunmehr der während des Rftttelalters immer wieder gewaltfam nnterdrückw und erstickte gefnnde DRenfchenverftand fich wieder

im Gegenfatz

zn

der

theologischen Abirrung von

der Ratnr

bethätigen, indem er von der einseitigen Spekulation grnndsätzlich absah, die hemmenden Geistessesseln mutig zerbrach nnd die Erkenntnis der realen Ratnrkräste, der wahren Be­ schaffenheit der Welt nnd des Rtenschen ans der mittelalterlichen Verbildung siegreich einporznsührmi begann. Jedem diese nene

geistige Bewegung,

die eigentlich moderne Welt? nttd gebens-

Es genügt hier der Hinweis aus Haruaef, Dvgmeugeschichte 3in, 727 ss.

Sechste« Kapitel.

auficht, vom 17. Iqhrhuildcrt ab über den phantastischen Dämonen, spnr zur Tagesordnung überging, indem sie einer im Gegensatz zu erstell Spielraum verschaffte und im Zeitalter des aufgeklärten sofort auch politisch mündig zu werden und ihren Einzug ili das

durch theologische Trübung entstellte Strafrecht zu halten, wurde sie die erlösende Riaelst, welche die Welt vou der schmachvollen

Hexeuversolglulg befreite, der entwürdigendsten wohl voll allen Verfolgungen, welche die Knltnrnienfchheit sich auserlegt hat. Der HCJenprozessz mit den abschreckenden Absurditäten,

welche

seine Voranssetznng bildeten, erscheint dem modernen, der mittelalterHehen Denkungsart entrückten Sinn leicht wie ein nnheim-

licher,

weck zurückliegender Traum,

Jahrhunderte

sind,

Kulmination trennen.

wenn es auch nur zwei

die unsere Zeit von

der Epoche seiner

Von der Verantwortung für feine Ent-

ftehnng wird die 9Renschheit steh aber doch erst dann ganz ent-

lastet fühlen können,

wenn sse auch den kläglichen,

noch nicht

überwundenen Rest der ihm zu Grmlde liegenden Wahuvor-

stellnngen

ausgefchieden haben

wird,

der

trotz aller

ilnieru

Haltlofigkeit in dell herrschenden religiösen Shftemeu noch heute sein Dafein stiftet.



«Ty

MVNCHEN uno LEIPZIG VERLAQ

von

R.OLDENBOVRCi