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German Pages 336 Year 2014
EDITION ANTIKE Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose
Gaius Iulius Solinus
WUNDER DER WELT Lateinisch und deutsch
Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Kai Brodersen
Verantwortlicher Bandherausgeber: Kai Brodersen
Die EDITION ANTIKE wird gefördert durch den Wilhelm-Weischedel-Fonds der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Wissenschaftliche Redaktion und Schriftleitung: Federica Casolari-Sonders (Ludwig-Maximilians-Universität München)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2014 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-18162-9 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-26670-8 eBook (epub): 978-3-534-26671-5
INHALT EINFÜHRUNG Das Werk und sein Autor................................................................................... 7 Solinus’ Vorlagen ............................................................................................. 9 Solinus’ Werk für eine heutige Leserschaft .................................................... 10 Richtungen – Sterne – Winde – Etymologien – Maße, Gewichte und Geld – Zeitangaben Zu dieser Ausgabe ........................................................................................... 12 GAIUS IULIUS SOLINUS COLLECTANEA / POLYHISTOR VORREDE ............................................................................................... 16/17 STADT UND MENSCH Stadt .......................................................................................................... 20/21 Roms Name – Roms älteste Heiligtümer – Roms Stadtgründung – Roms Könige – Datierung von Roms Gründung – Roms Geschichte vom Königtum bis zum Principat – Kalender – Kalenderreformen – Augustus Mensch ...................................................................................................... 34/35 Entstehung – Gestalt – Charakter ITALIA Festland ..................................................................................................... 58/59 Bekanntes – Land und Meer – Bemerkenswertes – Ausgänge Inseln ......................................................................................................... 78/79 Einführung – Corsica – Sardinia – Sicilia – Hephaestische Inseln MITTELMEER: DRITTER GOLF Festland ..................................................................................................... 94/95 Molossi bis Aetolia – Peloponnesus – Graecia – Thessalia – Magnesia – Macedonia – Thracia – Meerengen Inseln ..................................................................................................... 122/123 Aega – Creta – Carystus – Cyclades – Sporades MITTELMEER: VIERTER GOLF Festland ................................................................................................. 134/135 Hellespont bis Histermündung – Scythae am Pontus – Jenseits der Scythae – Der Pontus als Quelle des Mittelmeers Inseln ..................................................................................................... 154/155
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Inhalt NÖRDLICHER OZEAN
Scythia ................................................................................................... 156/157 Ozean bei Scythia – Inseln Germania .............................................................................................. 162/163 Land – Inseln Gallia ..................................................................................................... 166/167 Land Brittannia .............................................................................................. 168/169 Land – Inseln (Hibernia bis Thule) Hispania ................................................................................................ 174/175 Land – Inseln MITTELMEER: LIBYA BIS ASIA Einführung: Meere .............................................................................. 178/179 Mittelmeer – Ozean Länder an der Küste ............................................................................ 182/183 Einführung – Atlas – Mauretania – Numidia – Eigentliches Africa – Syrten – Jenseits der Syrten Binnenland Libyas ............................................................................... 214/215 Aethiopia – Wüste – Aegyptus Küste jenseits von Pelusium ................................................................ 240/241 Arabia – Von Cassius bis Cassius – Mesopotamia – Cilicia – Taurusgebirge – Küste Asias ........................................................................................... 264/265 Lycia mit Chimaera – Asia (minor) – Phrygia bis Caria – Völker am Pontus – Assyria bis Bactria ÖSTLICHER BIS SÜDLICHER OZEAN Küste ...................................................................................................... 288/289 Seres – Attacenischer Golf und Ciconae – India Insel ....................................................................................................... 308/309 Taprobane SÜDLICHER BIS ATLANTISCHER OZEAN Küste ...................................................................................................... 316/317 Einführung – Städte – Carmania – Parthia – Babylonia – Atlantischer Ozean Inseln ..................................................................................................... 324/325 Gorgades – Hesperides – Fortunatae NORWEGIANA ................................................................................... 328/329 ANHANG Weiterführende Literatur .............................................................................. 331 Register ......................................................................................................... 333
EINFÜHRUNG DAS WERK UND SEIN AUTOR Das Orakel von Delphi schätzte allein einen gewissen Aglaus als glücklich ein; er war der Eigentümer eines mageren Landstücks im hintersten Winkel Arcadias und hatte, wie man findet, nie die Grenzen seines Erblands verlassen. (Solinus I 127) Kann man ohne Kenntnis der Welt und ihrer Wunder glücklich sein? In dem Werk, das im vorliegenden Band im lateinischen Original und in der ersten Übersetzung ins Deutsche überhaupt vorgestellt wird, gibt der spätantike Autor Gaius Iulius Solinus eine Antwort auf diese Frage implizit: Indem er zunächst alles Wissenswerte über das Haupt der Welt – Rom – und über den Menschen und dann über die Welt und ihre Wunder darstellt, macht Solinus deutlich, welches Glück ein Wissen von der Welt und ihren Wundern bedeuten kann, auch wenn man noch keinen Menschen gefunden habe, „der zu Recht als glücklich angesehen wird“ (I 127). Explizit erklärt Solinus in seiner Widmung, das Werk sei „eher vom Sauerteig der Erkenntnis durchzogen als mit dem Blattgold der Eloquenz furniert“ (Pr I 2): Wissen ist kein Luxus, sondern so wichtig wie das tägliche Brot! Solinus’ Werk ist in zwei Ausgaben erhalten, deren erste sich der Widmung zufolge an einen gewissen Adventus wendet und als Kompendium (liber ad conpendium praeparatus, Pr I 2) präsentiert wird, das geographische Tatsachen in der richtigen Ordnung (Pr I 3) und darüber hinaus einige Angaben zu exotischen Bäumen, zur Gestalt und zu den Bräuchen ferner Völker und zu anderen Denkwürdigkeiten bietet (Pr I 4). Die zweite Ausgabe wird in einer eigenen Widmung als revidierte Edition vorgestellt, die den Titel Polyhistor („Weiß-Vieles“) rechtfertige (Pr II). Beide Ausgaben entsprechen dem schon in der ersten Widmung angekündigten Programm und bieten eine Darstellung Roms, des Menschengeschlechts und der ganzen Welt – von Rom bis zu den Inseln der Seligen – in einem Kompendium, in dem zugleich vielerlei Wunder aus der Pflanzen- und Tierwelt und unter den weiteren Denkwürdigkeiten insbesondere Edelsteine dargestellt werden. Der Autor ist nur durch sein Werk bekannt. Zum Entstehungsort hat man in der Sonderstellung, die Rom darin einnimmt, einen Hinweis auf Solinus’ Wirkungsstätte gesehen, was freilich bei der Hauptstadt der Römischen Reichs nicht verfängt. Zur Entstehungszeit bietet einen terminus post quem der letzte im Werk (XXIX 6) erwähnte römische Kaiser, Vespasian, der von 69 bis 79 n. Chr. herrschte. Der erste verlässliche terminus ante quem für Solinus’ Werk sind Zitate daraus bei Ammianus Marcellinus und Servius im 4. Jh. (s. u. S. 8). Man hat versucht, die Entstehungszeit mittels sprachlicher Beobachtungen näher einzugrenzen. Solinus’ Werk weist nämlich bereits in seiner ersten Version eine bemerkenswert große Zahl von Wörtern auf, die sonst erst ab dem 4. Jh. belegt sind. Je nachdem, ob man Solinus für einen sprachlichen
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Innovator oder einen geistlosen Kompilator hält, datiert man diese erste Version ins spätere 3. Jh. oder eben ins 4. Jh. Die Datierung der zweiten Version ist noch heftiger umstritten: Die Thesen reichen von einer zweiten Auflage desselben Autors über Versionen, die für Constantius I. (Kaiser 293–306) oder Constantius II. (Kaiser 337–361) erstellt wurden, bis zu einer Fälschung des 6. oder 7. Jh.s. Während also die Sprachform des Werks letztlich keine Entscheidung über die Datierung zulässt, macht der Inhalt eine Entstehung im späteren 3. Jh. wahrscheinlich: Dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer „jetzt“ Seidengewänder tragen (L 3), steht in Solinus’ Vorlage nicht, kann aber in Verbindung zu diesbezüglichen Angaben für die Zeit des Kaisers Elagabal (Kaiser 218–222) gesehen werden (Herodianos 5,54; Historia Augusta, Elagabalus 26,11). Solinus’ ausführliche Schilderung der Geschichte des Kalenders (I 34–47) ähnelt der in Censorinus’ De die natali, einem sicher in das Jahr 238 datierten Werk (s. Brodersen 2012, 14–15). Während Rom im langen ersten Kapitel Solinus’ gefeiert wird, findet keine der im 4. Jh. immer bedeutender werdenden Provinzen des römischen Reichs Erwähnung, wie man das für ein Werk aus jener Epoche erwarten möchte, ebenso wenig Antiochia am Orontes, Sitz des Praefectus der in den 290er Jahren eingerichteten Dioecesis Orientis, oder Constantinopolis, das so seit 330 benannt wurde (Solinus erwähnt nur ganz kurz die Vorgängerstadt Byzantium). Für ,christliche‘ Werte schließlich gibt es allenfalls wenige oberflächliche Hinweise. Keine dieser Beobachtungen reicht, für sich genommen, für eine Datierung aus; zusammen gesehen weisen sie aber wohl ins spätere 3. Jh. als Entstehungszeitraum zumindest der ersten Version von Solinus’ Werk. Der Erfolg dieses Werks war in der Spätantike, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit enorm. Bereits Ammianus Marcellinus (325/330 – nach 391) und sein Zeitgenosse Maurus (oder Marius) Servius Honoratius zitieren Solinus in ihren Werken, und manche Zeugnisse nehmen Bezug auf eine in der Herrschaft des Theodosius II. (Kaiser 408–450) gefertigte Abschrift. Der Hl. Augustinus verwendete das Werk im 5. Jh. ebenso wie Marcianus Capella, Priscianus in seiner Übersetzung des Dionysios Periegetes und Isidoros von Sevilla in seinen enzyklopädischen Etymologiae; im 6. und 7. Jh. gehören dann Aldhelmus und Beda Venerabilis zu den Nutzern. Vor allem aber zeugen von der Beliebtheit des Werks über 250 mittelalterliche Abschriften, Exzerpte, Kollationen und Kommentare (s. Brodersen 2014, 201–208), die den Text auch gelegentlich erweitern – so um Angaben zu dem (zu Solinus’ Zeit unbekannten) Norwegen (s. u. S. 328/329) oder Hexameter-Verse über den Pontus (s. Brodersen 2001). Die früheste Druckausgabe stammt aus dem 15. Jh., die frühesten Übersetzungen in moderne Sprachen – ins Spanische, Italienische und Englische – entstanden alle im 16. Jh. und blieben mit wenigen Ausnahmen auch die letzten. Solinus war in der Tat ein Jahrtausend lang der wichtigste lateinische Geograph. Dann freilich geriet das Werk in Vergessenheit. Die letzte und nach wie vor maßgebliche Edition erschien im vorletzten Jahrhundert; auch gibt es bis-
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lang keine moderne Gesamtübersetzung ins Deutsche, Englische, Französische oder Italienische. So bietet die vorliegende Ausgabe die erste deutsche Übersetzung und zugleich die erste moderne zweisprachige Ausgabe überhaupt von Solinus’ Werk über die Wunder der Welt.
SOLINUS’ VORLAGEN Solinus führt über 70 verschiedene Autoren als „Gewährsleute“ an. Sicher hat er diese Werke nicht direkt genutzt, sondern aus zweiter Hand angeführt. Zwei Autoren bleiben hingegen unerwähnt, sind aber längst als Solinus’ wichtigste Vorlagen erkannt worden: Pomponius Mela, dessen Werk De Chorographia 43/44 n. Chr. entstand, und vor allem der eine Generation später wirkende Plinius d. Ä. mit seiner enzyklopädischen Naturalis Historia. Der niederländische Gelehrte Gerardus Iohannes Vossius (Gerrit Janszoon Vos, 1577–1649) stellte 1627 fest, Solinus habe „so viel aus Plinius kopiert, dass er als ,Plinianischer Affe‘ bezeichnet zu werden verdiene“ (tam multa ex Plinio exscribit, ut etiam Pliniana simia dici meruerit). Dieser Schimpfname des Solinus fand bald seinen Weg in die Enzyklopädien – ja, ein Übersetzer der „Geschichten aus 1001 Nacht“ im 19. Jh. hielt Plinii Simia, „Plinius’ Affe“, für Solinus’ Alternativnamen! Tatsächlich macht Solinus extensiv Gebrauch von Plinius’ Naturalis Historia, insbesondere ihren geographischen Büchern (3–6) sowie denen zur Anthropologie (7), zu den Tieren (8–11), Pflanzen (12–13) und Edelsteinen (37). Gelegentlich zieht er auch die Bücher zur Kosmologie (2), zu Bäumen (16), Gartengewächsen (19), Blumen (21), weiteren Pflanzen (22), Kräutern (25) sowie zum medizinischen Gebrauch von menschlichen (28), tierischen (30) und Meeresprodukten (31), zu Meerestieren (32), Metallen (33) und Erden (35) heran. Etwa drei Viertel von Solinus’ Werk sind dem des Plinius entnommen; zum übrigen Viertel steht nur fest, dass Solinus auch Pomponius Mela nutzte. Umstritten ist, welche Werke er noch heranzog. Im Geiste der Quellenforschung des 19. Jh.s vertrat Theodor Mommsen (1817–1903) die Meinung, dass Solinus’ Werk auf einer (heute verlorenen) Chorographia Pliniana beruhe, die aus Pomponius Mela, Plinius und einigen Ignoti zusammengestellt gewesen sei; Solinus’ Leistung bestehe in der Abschrift dieser Chorographia, die bis in die Zeit Theodosius’ II. bewahrt worden sei. Anders, doch in derselben Denkrichtung, argumentierte Gaetano Mario Columba (1861–1947), dass Solinus’ Quelle über einen „compilatore soliniano“ und dessen Quelle (eine auch von Plinius genutzte „corografia ignota“) eine (heute verlorene) Geographia VarroSallustiana gewesen sei, die auch Pomponius Mela herangezogen habe. In einer Weiterentwicklung von älteren Thesen kam Hermann Walter (*1934) zu dem weniger aufwändigen und plausiblen Schluss, dass die Kompilationen sowohl der ersten als auch der zweiten Version Solinus’ eigenes Werk seien, das ins 3. Jh. zu datieren sei.
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SOLINUS’ WERK FÜR EINE HEUTIGE LESERSCHAFT Solinus’ Angaben zu Richtungen, Sternen und Winden, zu Etymologien, Maßund Zeitangaben bedurften für das antike Lesepublikum keiner weiteren Erklärung. Um einer heutigen Leserschaft den Zugang zum materialreichen Werk des Solinus zu erleichtern, sind im Folgenden einige Sacherklärungen zusammengestellt, auf die in der Übersetzung mit hochgestellten Buchstaben verwiesen wird. Ein Kommentar mit ausführlichen Erläuterungen ist in der „Edition Antike“ nicht vorgesehen, soll aber in einem eigenen Band folgen. R – Richtungen Richtungsangaben bietet Solinus meist nach den Sonnenständen: der Osten, oriens, heißt eigentlich „Sonnenaufgang“ (und bei Solinus erstmals auch „Orient“), der Süden, meridies, „Mittag“ und der Westen, occidens, „Sonnenuntergang“. Gelegentlich verwendet Solinus auch (ex)ortus, „Sonnenaufgang“ und occasus, „Sonnenuntergang“ für Osten bzw. Westen, für letzteren auch vesper, „Abend“. Feinere Richtungsangaben werden durch Zusätze für die Jahreszeit des Sonnenaufgangs wiedergegeben: oriens brumalis ist die Richtung des Sonnenaufgangs am Tag der Wintersonnenwende (bruma), also der südlichste Südosten; entsprechend ist oriens solstitialis die Richtung des Sonnenaufgangs am Tag der Sommersonnenwende, also der nördlichste Nordosten. Dazwischen liegen oriens hibernus („Winter-Osten“) im Südosten und oriens aestivus („Sommer-Osten“) im Nordosten, gegenüber occidens hibernus („Winter-Westen“) im Südwesten und occidens aestivus („Sommer-Westen“) im Nordwesten. Für die Zeit, in der die Sonne nicht scheint, richten sich die Angaben nach den Sternen (s. u. S), insbesondere heißt septentrio / septemtrio „Norden“; ferner können auch Winde (s. u. W) – insbesondere aquilo, „Nordostwind“, allgemeiner als „Nordwind“ aufgefasst – zur Beschreibung der Richtung genutzt werden. Wiederholt bezieht sich Solinus auch auf Himmelsregionen, die er als plaga bezeichnet (vgl. Brodersen 2011). Auch für diese werden Richtungsangaben gemacht, und es gibt zudem eine solstitialis plaga, „SommersonnenwendePlaga“ im nördlichsten Nordosten sowie eine vesperalis plaga, „AbendPlaga“, und eine am occiduus solis, „Sonnenuntergang“, jeweils im Westen. S – Sterne Solinus nennt mehrere Fixsterne, nämlich Arcturus (Arktur, im Sternbild „Bootes“/„Rinderhirte“), Canis oder Sirius („Hundsstern“, Sirius, im Sternbild „Großer Hund“) und Canopus (im Sternbild „Schiffskiel“), außerdem den Sternhaufen Vergiliae (Pleiaden, im Sternbild „Stier“) und das sidus Helenae (wohl das Elmsfeuer; I 57). Das ganzjährig im Norden sichtbare Sternbild „Großer Wagen“ erscheint als Septemtriones oder Septentriones. Die Planeten Jupiter, Saturn, Venus, Mars und Mercur sowie Sonne und Mond werden von
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Solinus u. a. im Zusammenhang mit den Tierkreiszeichen Fische, Skorpion, Stier und Waage (I 18) genannt. W – Winde Solinus erwähnt folgende Winde: Aquilo (Nordost), Vulturnus (Südost), Auster (Süd), Africus (Südwest), Favonius (West) und Corus (Nordwest), ferner die Etesiae (Passatwinde). E – Etymologien Wie Plinius d. Ä. bietet auch Solinus vielfach Etymologien zur Erklärung eines Namens, die dabei freilich oft voraussetzen, dass man einen griechischen oder lateinischen Begriff versteht. In diesen Fällen bietet unsere Übersetzung eine entsprechende Erläuterung in runden Klammern. M – Maße, Gewichte und Geld Für Längenmaße ist das Grundmaß der „Fuß“ (pes, ca. 30 cm). 1/16 Fuß heißt „Fingerbreit“ (digitus), 1/12 Fuß „Zoll“ (uncia). Als „Elle“ (cubitus) werden 11©2 Fuß bezeichnet, als „Doppelschritt“ (passus) 5 Fuß und als „Klafter“ (ulna) 6 Fuß, während der „Hundertfuß“ (iugerum) 100 Fuß umfasst; die „Meile“ (mille passuum) schließlich besteht aus 1000 Doppelschritt, also 5000 Fuß. An nichtrömischen Maßen nutzt Solinus das stadion (1©8 Meile) und bezieht sich LIV 15 auf parasangi und schoini. Als Flächenmaß erscheint bei Solinus der „Morgen“ (iugerum), eine Fläche von 120 x 240 Fuß (etwa 1©4 Hektar). Bei Gewichten ist das Grundmaß das „Pfund“ (libra, ca. 330 g); als „Unze“ (uncia) wird 1/12 Pfund bezeichnet, als „Sesterz“ (sestercius) ursprünglich 21©2 Pfund, bald jedoch Geld im Wert von einem „Sesterz“, weshalb amplo sestertio (LIII 89) „für viel Geld“ bedeutet. Z – Zeitangaben Für Jahresangaben nutzt Solinus Datierungen nach Jahren seit der Eroberung Trojas, die traditionell auf 1184 v. Chr. datiert wurde, dann die nach (von den ersten Olympischen Spielen im Jahr 776 v. Chr. aus in Vierjahreszeiträumen berechneten) Olympiaden und die nach Jahren seit Gründung der Stadt Rom (ab urbe condita) im Jahr 753 v. Chr., aber auch die nach den jeweils für ein Jahr in Rom amtierenden Konsuln. Folgende Jahre werden dabei genannt: 509 v. Chr. – Lucius Iunius Brutus und Lucius Tarquinius Collatinus 454 v. Chr. – Spurius Tarpeius Montanus Capitolinus und Aulus Aternius (bei Solinus: Aterius) Varus Fontinalis 354 v. Chr. – Marcus Fabius Ambustus und Titus Quintius Pennus Capitolinus Crispinus 326 v. Chr. – Gaius Poetelius Libo Visolus und Lucius Papirius Cursor 253 v. Chr. – Gnaeus Servilius Caepio und Gaius Sempronius Blaesus 61 v. Chr. – Marcus Pupius Piso Frugi Calpurnianus und Marcus Valerius Messalla (bei Solinus: Messala) Niger
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49 v. Chr. – Gaius Pompeius (bei Solinus: Pomponius) Gallus und Quintus Veranius 44 v. Chr. – (nach den Iden des März) Marcus Antonius und Publius Cornelius Dolabella 43 v. Chr. – (bis April) Gaius Vibius Pansa Caetronianus und Aulus Aulus Hirtius (bis April) 28 n. Chr. – Gaius Appius Iunius Silanus und Publius Silius (bei Solinus: Sicinius) Nerva 36 n. Chr. – Sextus Papinius Allenius und Quintus Plautius 59 n. Chr. – (bis Juni) Gaius Vipstanus (bei Solinus: Vipsanus) Apronianus und Gaius Fonteius Capito Zum römischen Kalender, der den Monat anhand der Kalenden (1.), Nonen (7. oder 9.) und Iden (13. oder 15). einteilt und von diesen jeweils zurückrechnet, bietet Solinus selbst ausführliche Darlegungen (I 34–47); die Umsetzung in heute vertraute Datumsangaben bietet die Übersetzung in runden Klammern.
ZU DIESER AUSGABE Die letzte kritische Edition des Textes (21895) wird Theodor Mommsen (1817– 1903) verdankt. Sie beruht auf Vorarbeiten von Karl Ludwig Roth (1811– 1860) und Gustav Parthey (1798–1872), auf Autopsie ausgewählter Codices und auf Kollationen anderer Gelehrter. Mommsen hielt wenig von Solinus, brachte aber zwei Auflagen seiner Edition heraus, die trotz des Bekanntwerdens von weiteren über 100 Codices seit mehr als einem Jahrhundert nicht ersetzt worden sind. Grundlage des lateinischen Lesetexts ist diese Edition. Mommsen hat anhand einer Auswahl aus den zahlreichen mittelalterlichen handschriftlichen Abschriften versucht, Solinus’ ,eigenen‘ Text zu rekonstruieren und dabei dessen zwei Versionen (s. o. S. 7) zu unterscheiden. Dabei schien es ihm und anderen Gelehrten nötig, an mehr als 50 Stellen eine Textgestalt anzunehmen, die in keiner der späteren Abschriften belegt ist, und Korrekturen, Tilgungen oder Ergänzungen vorzunehmen. Solche Änderungen, die auf Mommsens Edition zurückgehen, sind in unserer Ausgabe mit einem Sternchen* markiert, zu solchen anderer Gelehrter geben die Fußnoten den genauen Beleg (die bibliographischen Daten bietet das Literaturverzeichnis u. S. 331–332). Übersetzt wird der so korrigierte Text; dabei wird dessen implizite Struktur durch die Hinzufügung von Zwischenüberschriften und Einrückungen expliziert. Tilgungen stehen in [eckigen] Klammern und bleiben unübersetzt, Ergänzungen in Klammern werden mitübersetzt. In {geschweiften} Klammern finden sich die Zusätze der sog. zweiten Ausgabe, die Mommsen in einem Anhang (21895, 217–221) verzeichnet (wo die zweite Ausgabe ein Wort der ersten ersetzt, ist das mit ð markiert); diese werden {ebenfalls in geschweiften Klammern} mitübersetzt.
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Die Überschriften sind zum besseren Verständnis eingefügt, ebenso (in runden Klammern) einige Erläuterungen. Hochgestellte Buchstaben verweisen auf den entsprechenden Abschnitt im Kapitel „Solinus‘ Werk für eine heutige Leserschaft“ (S. 10-12). Um nachvollziehbar zu machen, welche Angaben des Solinus sich auf Pomponius Mela und Plinius d. Ä. zurückführen lassen, bietet die vorliegende Ausgabe in der deutschen Übersetzung entsprechende Hinweise und nutzt dafür folgende Kürzel: PL ME IG SO
verweist auf Plinius, Naturalis Historia; der Zusatz „+“ (Mommsens „auct.“) deutet an, dass das dort vorgefundene Material vermehrt ist verweist auf Pomponius Mela, De Chorographia, verweist – mit Mommsen – auf einen Ignotus (Unbekannten) und verweist auf Solinus selbst.
Grundlage sind die – für diese Ausgabe überprüften und u. a. im Blick auf Brodersen 1994 aktualisierten – Hinweise Mommsens, der allerdings wiederholt auktoriale Bemerkungen nicht dem Solinus, sondern seinen vermuteten Vorlagen zugewiesen hat, ohne dass sich diese Bemerkungen dort bereits fänden. Die vorliegende Ausgabe weicht daher bei den Zuweisungen an folgenden Stellen von Mommsen ab und nennt SO zu II 1 (statt IG), IX 7b (statt PL 4,32), IX 10a (statt IG), X 1a (statt PL 4,40), X 23 (statt PL 4,44; 4,43; 4,51), XI 29 (statt PL 4,68), XX 8 (statt PL 8,39 auct.), XX 13b (statt PL 37,36), XXIII 1a (statt ME 2,6,2 [86]), XXXI 6b (statt PL 5,45), XXXII 9a (statt PL 5,55), XXXVII 11a (statt PL 37,173), XL 1a (statt PL 5,47), XLIX 8 (statt PL 6,51), LII 34 (statt IG). Umgekehrt werd die Einschübe XX 2b und XXVII 5 nicht (wie Mommsen vermutete) auf SO, sondern auf IG zurückzuführen zu sein. Am Beginn von Absätzen bezieht sich die Angabe jeweils auf alles, was bis zum nächsten Absatz folgt, sonst bezieht sich die Angabe nur auf das von °halben eckigen Klammern± Umschlossene. Auch wenn Solinus’ Werk, wie der Autor in seinem Widmungsbrief betont, nicht durch das „Blattgold der Eloquenz“ ausgezeichnet ist (Pr I 2), hofft es auch in dieser ersten zweisprachigen Ausgabe bei seiner Leserschaft auf „Milde des Zuhörens“ und „Hingabe zu den besten Wissenschaften“ (Pr I 1).
Für das Mitlesen der Korrekturen danke ich Cordula Bachmann, Veit Rosenberger und meiner lieben Frau Christiane, für die engagierte verlegerische Betreuung Julia Rietsch und Daniel Zimmermann. Erfurt und Hermannstadt, im Oktober 2014
Kai Brodersen
C. Iulii Solini collectanea rerum memorabilium Des Gaius Iulius Solinus Sammlungen denkwürdiger Dinge
{C. Iuli Solini sive Grammatici Polyhistor ab ipso editus et recognitus: De situ orbis terrarum et de singulis mirabilibus quae in mundo habentur} {Des Gaius Iulius Solinus oder Grammaticus Polyhistor, von ihm selbst herausgegeben und revidiert: Über die Lage des Erdkreises und über die einzelnen Wunder, die man auf der Welt hat}
(Pr I) Solinus Advento salutem (1) Cum et aurium clementia et optimarum artium studiis praestare te ceteris sentiam idque oppido expertus de benivolentia tua nihil temere praeceperim, e re putavi examen opusculi istius tibi potissimum dare, cuius vel industria promptius suffragium vel benignitas veniam spondebat faciliorem. (2) Liber est ad conpendium praeparatus, quantumque ratio passa est ita moderate repressus, ut nec prodiga sit in eo copia nec damnosa concinnitas. cui si animum propius intenderis, velut fermentum cognitionis magis ei inesse quam bratteas eloquentiae deprehendes. (3) Exquisitis enim aliquot voluminibus studuisse me inpendio fateor, ut et a notioribus referrem pedem et remotis largius inmorarer. Locorum commemoratio plurimum tenet, in quam partem ferme inclinatior est universa materies. Quorum commeminisse ita visum est, ut inclitos terrarum situs et insignes tractus maris, servata orbis distinctione, suo quaeque ordine redderemus. (4) Inseruimus et pleraque differenter congruentia, ut si nihil aliud, saltem varietas ipsa legentium fastidio mederetur. inter haec hominum et aliorum animalium naturas expressimus. Addita pauca de arboribus exoticis, de extimarum gentium formis, de ritu dissono abditarum nationum, nonnulla etiam digna memoratu, (5) quae praetermittere incuriosum videbatur quorumque auctoritas, quod cum primis industriae tuae insinuatum velim, de scriptoribus manat receptissimis. Quid enim proprium nostrum esse possit, cum nihil omiserit antiquitatis diligentia, quod intactum ad hoc usque aevi permaneret? Quapropter quaeso, ne de praesenti tempore editionis huius fidem libres, quoniam quidem vestigia monetae veteris persecuti opiniones universas eligere maluimus potius quam innovare. (6) Ita si qua ex istis secus quam opto in animum tuum venerint, des velim infantiae meae veniam: constantia veritatis penes eos est quos secuti sumus.
VORREDE (Pr I)
Solinus sagt dem Adventus einen Gruß (1) Weil ich weiß, dass Du sowohl in der Milde des Zuhörens als auch in der Hingabe zu den besten Wissenschaften andere übertriffst – ich sage dies nicht mutwillig, da ich oft Dein Wohlwollen erfahren haben –, habe ich es für richtig gehalten, die erste Einschätzung dieses meines Werkchens Dir zu überlassen, da Deine Sorgfalt ein zügigeres Urteil oder aber Deine Großzügigkeit leichtere Nachsicht versprechen. (2) Dieses Buch ist als Kurzdarstellung entworfen und, so weit es die Vernunft erlaubt, gemäßigt zusammengefasst, so dass weder die Menge des Behandelten verschwenderisch noch die Kürze verdammenswert sind. Wenn Du ihm deinen Geist nahe zuwendest, wirst Du es eher vom Sauerteig der Erkenntnis durchzogen als mit dem Blattgold der Eloquenz furniert finden. (3) Dass ich mehrere ausgewählte Bücher gewissenhaft studiert habe, bekenne ich; ich wollte meinen Schritt von den bekannteren Themen abwenden und eher bei den entlegeneren verweilen. Erwähnungen von Orten nehmen die Mehrheit ein, und fast das ganze Material ist diesen eher zugeneigt. Diese so zu erwähnen schien mir richtig, dass wir die berühmten Orte auf dem Land und die bedeutenden Meeresgegenden unter Beachtung der Unterschiede auf dem Erdkreis in ihrer jeweiligen Ordnung wiedergeben. (4) Eingefügt haben wir auch vielerlei anderweitig passende Dinge, damit wenn schon sonst nichts, zumindest die Vielfalt selbst der Langeweile der Leserschaft abhilft. Darunter haben wir der Natur des Menschen und der anderen Tiere Ausdruck verliehen. Hinzugefügt ist einiges Wenige über exotische Bäume, die Gestalten entfernter Stämme und die ungewöhnlichen Bräuche entlegener Völkerschaften, auch manches andere Erwähnenswerte, (5) was zu übergehen nachlässig zu sein schien und wofür die Autorität – und dies wollte ich besonders Deiner Aufmerksamkeit empfehlen – von den am meisten akzeptierten Schriftstellern herrührt. Was nämlich könnte denn unser Eigenes sein, da die Sorgfalt der Vergangenheit nichts übergangen hat? Deshalb bitte ich Dich, den Wert dieser Ausgabe nicht an der Gegenwart abzuwägen, da wir es ja vorgezogen haben, den Spuren alter Prägungen zu folgen und so die allgemeinen Meinungen auszuwählen anstatt Neuerungen einzuführen. (6) Wenn Dir also dazu etwa anderes in den Sinn kommt, als ich wollte, dann gewähre bitte meiner Unverständigkeit Nachsicht; die Beständigkeit der Wahrheit liegt in den Händen derer, denen wir gefolgt sind.
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(7) Sicut ergo qui corporum formas aemulantur, postpositis quae reliqua sunt, ante omnia effigiant modum capitis, nec prius lineas destinant in membra alia, quam ab ipsa ut ita dixerim figurarum arce auspicium faciant inchoandi, nos quoque a capite orbis, id est ab urbe Roma principium capessemus, quamvis nihil super ea doctissimi auctores reliquerint, quod in novum praeconium possit suscitari, ac supervacuum paene sit relegere tramitem decursum tot annalibus. (8) Ne tamen prorsus dissimulata sit, originem eius quanta valemus persequemur fide. {(Pr II) Solinus Advento Quoniam quidam inpatientius potius quam studiosius opusculum quod moliebar intercipere properarunt idque etiamtum inpolitum prius in medium dederunt, quam inchoatae rei summa manus inponeretur, et nunc exemplaribus corruptis quae damnata sunt quasi probata circumferunt, praeteritis quae ad incrementum cognitionis accesserunt cura longiore: ne forte rudis et inperfecta materia velut spectatus a me liber in manus tuas deferretur, corpusculum sententia mea digestum ut nosceres misi: primo quod referendus ad industriam tuam fuit tenor dispositionis, deinde ut scabrae adhuc informitatis proditio editione vera extingueretur. erit igitur operi isti titulus Polyhistor: nam quem in exordio designaveram, scilicet Collectanea rerum memorabilium, cum his quae inprobavimus placuit oblitterari. conlata igitur hac epistula cum ea, quae auspicium scriptionis facit, intellegis eodem te loco habitum quo eum, cui laboris nostri summam dedicavimus.}
Praefatio
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(7) So wie diejenigen, welche die Gestalten von Körpern nachahmen und dabei den Rest hintanstellen, vor allem anderen die Gestalt des Kopfs abbilden und nicht vorab die Umrisse der anderen Glieder festlegen, bevor sie nicht den Anfang sozusagen mit der Festung gemacht haben, so wollen wir mit dem Kopf der Welt, also mit der Großstadt Rom, den Anfang machen, auch wenn die gelehrtesten Autoritäten nichts übrig gelassen haben, was man neuerdings zu ihrem Lob sagen könnte; ja, es könnte fast überflüssig sein, der Spur nachzugehen, die schon in so vielen Annalen begangen worden ist. (8) Damit sie aber nicht ganz unerwähnt bleibt, wollen wir mit so großer Treue wie möglich ihren Ursprung verfolgen.
{(Pr II)
Solinus an Adventus Angesichts dessen, dass manche sich eher zu ungeduldig als zu sorgfältig das Werkchen, das ich bearbeitete, abzufangen beeilt und es, obgleich ungeglättet, in die Öffentlichkeit gebracht haben, bevor ich an die begonnene Sache letzte Hand anlegen konnte, und nun in verderbten Exemplaren das, was verurteilt wurde, als sei es gebilligt, herumtragen und so übergingen, was zur Erweiterung der Erkenntnis durch länger währende Sorgfalt hinzugekommen ist, und damit nicht etwa roher und unvollendeter Stoff so, als sei sie ein von mir geprüftes Buch, in Deine Hände übertragen werde, habe ich Dir das meiner Meinung nach nun ausgetragene Körperchen geschickt, damit Du es kennen lernst, erstens, weil die Haltung des Aufbaus Deiner Sorgfalt ausgesetzt werden soll, und zweitens, damit die Auslieferung der schäbigen Unförmigkeit durch eine wirkliche Ausgabe ausgelöscht wird. Es soll also diesem Werk der Titel „Polyhistor“ („Weiß-Vieles“) zu eigen sein; der nämlich, den ich am Anfang bestimmt hatte, nämlich „Sammlungen denkwürdiger Dinge“, haben wir mit dem, was wir nicht gebilligt haben, zu streichen beliebt. Wenn Du also diesen Brief mit dem vergleichst, der den Anfang der Schrift bildet, wirst Du verstehen, dass Du dieselbe Stellung wie der innehast, dem wir den Gipfel unserer Mühe gewidmet haben.}
(I 1) Sunt qui videri velint Romae vocabulum ab Evandro primum datum, cum oppidum ibi offendisset, quod extructum antea Valentiam dixerat iuventus Latina, servataque significatione inpositi prius nominis, Romam Graece Valentiam nominatam. Quam Arcades quoniam habitassent in excelsa parte montis, derivatum deinceps, ut tutissima urbium arces vocarentur. (2) Heraclidi placet Troia capta quosdam ex Achivis in ea loca ubi nunc Roma est devenisse per Tiberim, deinde suadente Rome nobilissima captivarum quae his comes erat, incensis navibus posuisse sedes, instruxisse moenia et oppidum ab ea Romen vocavisse. (3) Agathocles scribit Romen non captivam fuisse, ut supra dictum est, sed Ascanio natam Aeneae neptem appellationis istius causam fuisse. (4) Traditur etiam proprium Romae nomen, verum tamen vetitum publicari, quoniam quidem quo minus enuntiaretur caerimoniarum arcana sanxerunt, ut hoc pacto notitiam eius aboleret fides placitae taciturnitatis, (5) Valerium denique Soranum, quod contra interdictum eloqui id ausus foret, ob meritum profanae vocis neci datum. (6) Inter antiquissimas sane religiones sacellum colitur Angeronae, cui sacrificatur ante diem XII k. Ian.; quae diva praesul silentii ipsius praenexo obsignatoque ore simulacrum habet.
STADT UND MENSCH Roms Frühgeschichte
STADT
Roms Name [IG] S (I 1) Manche wollen den Anschein erwecken, dass der Name “Roma“ zuerst von Evander vergeben worden ist, als er dort auf eine Stadt stieß, die bereits errichtet und von der latinischen Jugend „Valentia“ („Kraft“) genannt worden war; er behielt die Bedeutung dieses zuvor vergebenen Namens bei und nannte Valentia auf Griechisch „Roma“ (rhome: „Kraft“).E Da die Arcades es auf dem höchsten Teil des Hügels bewohnten, leitete man später daraus ab, dass die sichersten Teile von Großstädten (lat.) „arces“ („Festungen“) genannt werdenE. S (2) Heraclides bevorzugt, dass nach der Einnahme von TrojaZ manche von den Achivi zu jenen Orten, wo jetzt Rom ist, über den Tiber gekommen seien, dann – wozu Rome, eine sehr vornehme Frau unter den Gefangenen, die als Begleiterin bei ihnen war, sie überredete – ihre Schiffe verbrannt, ihre Wohnsitze festgelegt, Mauern errichtet und die Stadt nach ihr „Rome“ genannt hätten. S (3) Agathocles schreibt, Rome sei nicht eine Gefangene gewesen, wie eben gesagt worden ist, sondern es sei eine Tochter des Ascanius und Enkelin des Aeneas der Grund für diese Benennung gewesen. S (4) °[PL 3,65] Überliefert wird auch ein eigener Name von Rom, doch sei es verboten, dass man ihn bekannt macht, und damit er jedenfalls nicht ausgesprochen würde, haben sie zu den Geheimnissen der Zeremonien vereinbart, dass die dem akzeptierten Schweigen gegebene Verehrung die Kenntnisse der Sache selbst abschaffen könnte. (5) Valerius Soranus freilich, der es wagte, diesen Namen gegen das Verbot auszusprechen, wurde wegen seines gottlosen Redens zum Tod verurteilt.± Roms älteste Kultpraktiken [IG] S (6) °[PL 3,65] Unter den wohl ältesten Kultpraktiken gibt es die am kleinen Heiligtum der Angerona, wo man am 12. Tag vor den Kalenden des Januar (21. Dezember)Z opfert. Diese Gottheit ist die Beschützerin des Schweigens selbst und hat deshalb ein Götterbild mit verbundenem und versiegeltem Mund.±
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(7) Ambiguitatum quaestiones excitavit, quod quaedam ibi multo ante Romulum culta sint. Quippe aram Hercules, quam voverat si amissas boves repperisset, punito Caco patri Inventori dicavit. (8) Qui Cacus habitavit locum, cui Salinae nomen est; ubi Trigemina nunc porta. Hic, ut Gellius tradidit, cum a Tarchone Tyrrheno, ad quem legatus venerat missu Marsyae regis, socio Megale Phryge, custodiae foret datus, frustratus vincula et unde venerat redux, praesidiis amplioribus occupato circa Vulturnum et Campaniam regno, dum adtrectare etiam ea audet, quae concesserant in Arcadum iura, duce Hercule qui tunc forte aderat oppressus est. (9) Megalen Sabini receperunt, disciplinam augurandi ab eo docti. (10) suo quoque numini idem Hercules instituit aram, quae maxima apud pontifices habetur, cum se ex Nicostrate, Evandri matre, quae a vaticinio Carmentis dicta est, inmortalem conperisset. consaeptum etiam, intra quod ritus sacrorum, factis bovicidiis, docuit Potitios, sacellum Herculi in Boario foro est, in quo argumenta et convivii et maiestatis ipsius remanent. (11) Nam divinitus neque muscis illo neque canibus ingressus est. Etenim cum viscerationem sacrificolis daret, Myiagrum* deum dicitur inprecatus, clavam vero in aditu reliquisse, cuius olfactu refugerunt canes; id usque nunc durat. (12) Aedem etiam, quae Saturni aerarium fertur, comites eius condiderunt in honorem Saturni, quem cultorem regionis illius cognoverant extitisse. Iidem et montem Capitolinum Saturnium nominaverunt. (13) Castelli quoque quod excitaverunt portam appellaverunt Saturniam, quae postmodum Pandana vocitata est. Pars etiam infima Capitolini montis habitaculum Carmentae fuit, ubi Carmentis nunc fanum est, a qua Carmentali portae nomen datum. (14) Palatium nemo dubitaverit quin Arcadas habeat auctores, a quibus primum Pallanteum oppidum conditum; quod aliquamdiu Aborigines habitarunt, propter incommodum vicinae paludis, quam praeterfluens Tiberis fecerat, profecti Reate postmodum reliquerunt. (15) Sunt qui velint a balatibus ovium mutata littera, vel a Pale pastorali dea, aut ut Silenus probat a Palantho Hyperborei filia, quam Hercules ibi conpressisse visus est, nomen monti adoptatum.
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S (7) Zu Kontroversen geführt hat die Frage, ob dort lange vor Romulus bestimmte Formen des Kults bestanden. Tatsächlich weihte Hercules einen Altar, den zu errichten er für den Fall, dass er seine Rinder wiederfände, versprochen hatte, nach der Bestrafung des Cacus für seinen Vater Inventor. (8) Dieser Cacus lebte an einem Ort namens „Salinae“, wo heute die Porta Trigemina ist. Als er – wie Gellius berichtet – von dem Tyrrhener Tarchon gefangen genommen wurde, zu dem er mit dem Phryger Megales als seinem Gefährten von König Marsyas entsandt gekommen war, zerbrach er die Fesseln, kehrte dahin zurück, von wo er gekommen war, besetzte dann mit einer größeren Zahl von Truppen das Königreich um Vulturnus und Campania, und als er wagte, auch das anzugreifen, was in das Rechtsgebiet der Arcades übergeben worden war, wurde er unter Führung des Hercules überwältigt, der zufällig dort anwesend war. (9) Den Megales nahmen die Sabini auf und lernten vom ihm die Systematik der Zukunftsvorhersage. S (10) Für sein eigenes Numen errichtete derselbe Hercules einen Altar, der bei den Pontifices (Priestern) in höchster Ehre steht, und zwar nachdem er von Nicostratis, der Mutter des Evander, die wegen ihres Prophezeiens „Carmentis“ (lat.: „Sängerin“) genannt wurdeE, erfahren hatte, dass er unsterblich werden würde. Er schuf eine Einfriedung, innerhalb derer er die Potitii die Riten der heiligen Handlungen nach Durchführung der Rinderopfer durchzuführen lehrte. °[PL 10,79+] Das Heiligtum für Hercules liegt auf dem Forum Boarium (dem Viehmarkt), wo Belege für seine Opfermahle und für seine Bedeutung erhalten sind. (11) Wegen der Göttlichkeit gibt es weder für Fliegen noch für Hunde einen Zugang.± Als er nämlich die Verteilung des Opferfleisches vornahm, soll er den Gott Myiagrus (griech.: „Fliegenvertreiber“) angerufen und seine Keule am Eingang zurückgelassen haben, vor deren Geruch (auch) die Hunde flohenE; das dauert bis heute an. S (12) Einen weiteren Tempel, der jetzt als Schatzhaus des Saturnus bezeichnet wird, errichteten seine Begleiter zu Ehren des Saturnus, der, wie sie erfahren hatten, ein Urbarmacher jenes Gebiets gewesen sei. S Dieselben benannten auch das Capitol als „Saturnus-Hügel“. (13) Von dem Kastell, das sie (dort) errichteten, nannten sie ein Tor Saturnus-Tor, das später zu „Pandana“ umbenannt wurde. Der niedrigere Teil des Capitol-Hügels war die Wohnstätte der Carmenta – wo heute das Carmentis-Heiligtum ist –, nach der dem Carmentis-Tor der Namen gegeben wurde. S (14) Dass das Palatium (Palatin) die Arcades als Urheber hat, von denen zuerst die Stadt Pallanteum gegründet wurde, wird niemand bezweifeln; diese hatten eine Zeitlang die Aborigines bewohnt. Wegen der Unannehmlichkeit des nahe gelegenen Sumpfs, der durch das Vorbeifließen des Tiber entsteht, zogen sie jedoch nach Reate und ließen es zurück. (15) Es gibt manche, die denken möchten, der Name des (Palatin-)Hügels sei vom Blöken (lat.: balatus) durch Änderung eines Buchstabens oder von der Schäfergöttin Palis oder – wie Silenus für richtig hält – von Palantho, der Tochter des Hyperboreus übernommenE, die – wie man sah – Hercules dort ergriffen hatte.
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(16) Sed quamquam ista sic congruant, palam est prospero illi augurio deberi gloriam Romani nominis, maxime cum annorum ratio faciat cardinem veritati: (17) nam, ut adfirmat Varro auctor diligentissimus, Romam condidit Romulus, Marte genitus et Rea Silvia, vel ut nonnulli Marte et Ilia; dictaque primum est Roma quadrata, quod ad aequilibrium foret posita. (18) Ea incipit a silva quae est in area Apollinis, et ad supercilium scalarum Caci habet terminum, ubi tugurium fuit Faustuli. Ibi Romulus mansitavit, qui auspicato murorum fundamenta iecit duodeviginti natus annos, XI k. Mai., hora post secundam ante tertiam {plenam}, sicut L. Tarruntius prodidit mathematicorum nobilissimus, Iove in piscibus, Saturno Venere Marte Mercurio in scorpione, Sole in tauro, Luna in libra constitutis. (19) Et observatum deinceps, ne qua hostia Parilibus caederetur, ut dies iste a sanguine purus esset, cuius significationem de partu Iliae tractam volunt. Idem Romulus regnavit annos septem et triginta. (20) De Caeninensibus egit primum triumphum, et Acroni regi eorum detraxit spolia, quae Iovi Feretrio primus suspendit et opima dixit. Rursum de Antemnatibus triumphavit, de Veientibus tertio. Apud Caprae paludem nonis Quintilibus apparere desiit. (21) Ceteri reges quibus locis habitaverunt dicemus. Tatius in arce, ubi nunc aedes est Iunonis Monetae; qui anno quinto quam ingressus urbem fuerat a Laurentibus interemptus est. Septima et vicesima olympiade hominem exivit. Numa in colle primum Quirinali, deinde propter aedem Vestae in regia quae adhuc ita appellatur; qui regnavit annis tribus et quadraginta. {sepultus sub Ianiculo.} (22) Tullus Hostilius in Velia, ubi postea deum Penatium aedes facta est; qui regnavit annos duos et triginta, obiit olympiade quinta et tricesima. (23) Ancus Marcius in summa sacra via, ubi aedes Larum est; qui regnavit annos quattuor et viginti, obiit olympiade prima et quadragesima. (24) Tarquinius Priscus ad Mugoniam portam supra summam novam viam; qui regnavit annos septem et triginta.
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Roms Stadtgründung [IG] (16) Doch auch wenn das nur insofern übereinstimmt, ist offensichtlich, dass jenem (bekannten) günstigen Vorzeichen der Ruhm der Römer verdankt wird, besonders weil der Jahresbericht (annorum ratio) die Überprüfung der Wahrheit ermöglicht: (17) Wie nämlich Varro, ein sehr sorgfältiger Gewährsmann, bestätigt, gründete Rom Romulus, ein Abkömmling des Mars und der Rea Silvia, oder – nach manchen – des Mars und der Ilia; zunächst wurde es „Roma quadrata“ genannt, weil es ganz gleichmäßig angelegt war.E (18) Es beginnt an dem Wald, der im Gebiet des Apollo liegt; sein Ende liegt an der Oberseite der Cacus-Treppen, wo die Hütte des Faustulus war. Dort war Romulus über Nacht geblieben, der an günstiger Stelle die Fundamente der Mauern legte, als er 18 Jahre alt war, am 11. Tag vor den Kalenden des Mai (21. April)Z, nach der zweiten und vor der dritten {vollen} Stunde, wie Lucius Tarruntius, ein sehr bedeutender Mathematiker, aufgezeichnet hat; Jupiter stand in den Fischen, Saturn, Venus, Mars und Mercur im Skorpion, die Sonne im Stier und der Mond in der Waage.S (19) Geachtet hat man danach darauf, dass an den Parilia kein Opfertier getötet wird, damit dieser Tag frei vom Blut sei; dessen Bedeutung will man als vom Kind der Ilia abgeleitet ansehen.E Roms Könige [IG] Eben dieser Romulus war 37 Jahre lang König. (20) Über die Caeninenses hielt er seinen ersten Triumph ab, und ihrem König Acron nahm er Beute ab, die er als erster dem Jupiter Feretrius weihte und als „opima“ (lat.: „fett“) benannte. Erneut triumphierte er, und zwar über die Antemnates, ein drittes Mal über die Veientes. Beim Sumpf von Capra wurde er an den Nonen des Quintilis (7. Juli)Z unsichtbar. (21) Für die weiteren Könige wollen wir jetzt sagen, an welchen Orten sie wohnten: S Tatius in der Festung, wo jetzt der Tempel der Iuno Moneta ist; dieser wurde im fünften Jahr, nachdem er in die Großstadt gekommen war, von den Laurentes umgebracht: In der 27. OlympiadeZ verließ er die Menschheit. S Numa zuerst auf dem Quirinalis-Hügel, dann in der Nähe des Tempels der Vesta in dem Königspalast, der bis heute so heißt; er herrschte 43 Jahre lang {und ist unter dem Ianiculum begraben}. S (22) Tullus Hostilius in der Velia, wo später das Heiligtum der PenatesGötter gemacht wurde; er herrschte 32 Jahre lang und starb in der 35. OlympiadeZ. S (23) Ancus Marcius am obersten Ende der Sacra Via („Heiligen Straße“), wo das Heiligtum der Lares ist; er herrschte 42 Jahre lang und starb in der 41. OlympiadeZ. S (24) Tarquinius Priscus an der Porta Mugonia über dem obersten Ende der Nova Via („Neuen Straße“); er herrschte 37 Jahre lang.
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(25) Servius Tullius Esquilinus supra clivum Urbium; qui regnavit annos duos et quadraginta. (26) Tarquinius Superbus et ipse Esquilinus supra clivum Pullium ad Fagutalem lacum; qui regnavit annos quinque et viginti. (27) Cincio Romam duodecima olympiade placet conditam, Pictori octava, Nepoti et Lutatio, opiniones Eratosthenis et Apollodori comprobantibus, olympiadis septimae anno secundo, Pomponio Attico et M. Tullio olympiadis sextae anno tertio. Conlatis igitur nostris et Graecorum temporibus invenimus incipiente olympiade septima Romam conditam, anno post Illium captum quadringentesimo tricesimo tertio. (28) Quippe certamen Olympicum, quod Hercules in honorem atavi materni Pelopis ediderat, intermissum Ifitus Eleus instauravit post excidium Troiae anno quadringentesimo octavo. Ergo ab Ifito numeratur olympias prima. Ita sex mediis olympiadibus interiectis, quibus singulis anni quaterni inputantur, cum septima coeptante Roma condita sit, inter exortum urbis et Troiam captam iure esse annos quadringentos triginta tres constat. (29) huic argumento illud accedit, quod cum C. Pompeius Gallus et Q. Veranius urbis conditae anno octingentesimo primo fuerint consules, consulatu eorum olympias septima et ducentesima actis publicis annotata est. Quater ergo multiplicatis sex et ducentis olympiadibus erunt anni octingenti viginti quattuor, quibus septima olympiade adnectendus primus annus est, ut in solidum conligantur anni octingenti viginti quinque. Ex qua summa detractis quattuor et viginti annis olympiadum retro sex, manifeste anni octingenti et unus reliqui fient. (30) Quapropter cum octingentesimo primo anno urbis conditae ducentesima septima olympias computetur, par est Romam septimae olympiadis anno primo credi conditam. (31) In qua regnatum est annis ducentis quadraginta uno. Decemviri creati anno trecentesimo secundo. Primum Punicum bellum anno quadringentesimo* octogesimo nono, secundum quingentesimo tricesimo quinto, tertium sescentesimo quarto, sociale sescentesimo sexagesimo secundo.
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S (25) Servius Tullius Esquilinus über dem Clivus Urbium; er herrschte 42 Jahre lang. S (26) Tarquinius Superbus, wie schon Esquilinus selbst, über dem Clivus Pullius am Lacus Fagutalis; er war 25 Jahre lang König. Datierung von Roms Gründung [IG] S (27) Dem Cincius gefällt es zu meinen, dass Rom in der 12. OlympiadeZ gegründet wurde, S dem Pictor in der 8., S dem Nepos und dem Lutatius – wobei sie die Meinungen von Eratosthenes und Apollodorus übernehmen – im 2. Jahr der 7., S dem Pomponius Atticus und dem Marcus Tullius (Cicero) im 3. Jahr der 6. S Nach dem Vergleich der Urteile von uns (Römern) mit denjenigen der Griechen finden wir heraus, dass Rom am Anfang der 7. OlympiadeZ, im 433. Jahr nach der Einnahme von Ilium (Troja)Z gegründet wurde. (28) Freilich war der Olympische Wettkampf, den Hercules zu Ehren des Pelops, seines Vorfahren mütterlicherseits, verkündet hatte, für einen Zeitraum unterbrochen, doch Ifitus der Eleate erneuerte ihn im 408. Jahr nach der Einnahme von TrojaZ. Deshalb zählen wir die 1. Olympiade von Ifitus an. Wenn man also 6 Olympiaden, von denen jede zu 4 Jahren gerechnet wird, dazwischen einrechnet, seit Rom am Anfang der 7. Olympiade gegründet wurde, steht fest, dass es zwischen dem Beginn der Großstadt (Rom) und der Einnahme von TrojaZ 433 Jahre gab. (29) Zu diesem Argument kommt folgendes hinzu: Als Gaius Pomponius Gallus und Quintus VeraniusZ Konsuln waren, im 801. Jahr seit Gründung der Großstadt (Rom)Z, wurde in ihrem Consulat in den Acta Publica (Öffentlichen Berichten) niedergeschrieben, dass es die 207. Olympiade war. Viermal 206 Olympiaden ergeben 824 Jahre, zu denen man das 1. Jahr der 7. Olympiade hinzufügen muss, so dass insgesamt 825 Jahre herauskommen. Wenn man dieser Summe die 24 Jahre der 6 Olympiaden, die zuvor lagen, abzieht, ist es offenkundig, dass 801 Jahre bleiben. (30) Deshalb – da eben das 801. Jahr seit Gründung der Großstadt (Rom) als 207. Olympiade angesehen wird – ist es richtig zu glauben, dass Rom im 1. Jahr der 7. Olympiade gegründet wurde. Roms Geschichte vom Königtum bis zum Principat [IG] (31) In Rom wurde 241 Jahre lange von Königen die Herrschaft ausgeübt. Schaffung des Zehnmännerkollegiums im 302. Jahr. Erster Punischer Krieg im 489. Jahr, Zweiter im 535., Dritter im 604., Bundesgenossenkrieg im 662.
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(32) Ad * Hirtium et C. Pansam consules anni septingenti decem; quorum consulatu Caesar Augustus est consul creatus, octavum decimum annum agens, qui principatum ita ingressus est, ut vigilantia illius non modo securum, verum etiam tutum imperium esset. (33) Quod tempus ferme solum repertum est, quo plurimum et arma cessaverint et ingenia floruerint, scilicet ne inerti iustitio langueret virtutis opera, bellis quiescentibus. (34) Tunc ergo primum cursus anni perspecta ratio, quae a rerum origine profunda caligine tegebatur. Nam ante Augustum Caesarem incerto modo annum conputabant, qui apud Aegyptios quattuor mensibus terminabatur, apud Arcadas tribus, apud Acarnanas sex, in Italia apud Lavinios tredecim, quorum annus trecentis septuaginta quattuor diebus ferebatur. (35) Romani initio annum decem mensibus computaverunt a Martio auspicantes, adeo ut eius die prima de aris Vestalibus ignes accenderent, mutarent veteribus virides laureas, senatus et populus comitia agerent, matronae servis suis cenas ponerent, sicuti Saturnalibus domini; illae ut honore promptius obsequium provocarent, hi quasi gratiam repensarent perfecti laboris; maximeque hunc mensem principem testatur fuisse, quod qui ab hoc quintus erat Quintilis dictus est, (36) deinde numero decurrente December sollemnem circuitum finiebat intra diem trecentesimum quartum; tunc enim iste numerus explebat annum, ita ut sex menses tricenum dierum essent, quattuor reliqui tricenis et singulis expedirentur. (37) Sed quoniam ratio illa ante Numam a lunae cursu discreparet, lunari computatione annum peraequarunt, quinquaginta et uno die auctis. (38) Ut ergo perficerent duodecim menses, de sex mensibus superioribus detraxerunt dies singulos, eosque quinquaginta istis et uno diebus adnexuerunt, factique quinquaginta septem divisi sunt in duos menses, quorum alter viginti novem, alter viginti octo dies detinebant. (39) Sic annus habere quinque atque quinquaginta et trecentos dies coepit. Postmodum eum perspicerent temere annum clausum intra dies quos supra diximus, quandoquidem appareret solis meatum non ante trecentesimum sexagesimum quintum diem, abundante insuper quadrantis particula, zodiacum conficere decursum, quadrantem illum et decem dies addiderunt,
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(32) Bis zum Consulat von Aulus Hirtius und Gaius PansaZ 710 Jahre. Während deren Consulat wurde Caesar Augustus zum Consul gemacht, als er im 18. Lebensjahr stand; er trat den Principat so an, dass durch seine Wachsamkeit das Reich nicht nur sorgenfrei, sondern auch sicher blieb. (33) Tatsächlich hat man das fast als die einzige Zeit gefunden, in der am meisten sowohl die Kriege aufhörten als auch Talente gedeihen konnten, wobei nämlich nicht durch müßigen Stillstand die Werke der Tugend schwach werden sollten, wenn die Kriege eine Ruhepause machten. Kalender [IG] (34) Damals also wurde erstmals das System des Jahreslaufs durchschaut, das seit dem Anbeginn der Dinge in einem tiefen Dunkel gelegen hatte. Vor Augustus Caesar berechnete man das Jahr nämlich auf eine unsichere Weise: Bei den Aegyptii war es auf vier Monate begrenzt, bei den Arcades auf drei, bei den Acarnanes auf sechs, in Italia bei den Lavinii auf 13; deren Jahr – so wurde überliefert – umfasste 374 Tage. (35) Die Römer berechneten anfangs ihr Jahr mit zehn Monaten, jeweils im März beginnend, und zwar so, dass sie an dessen erstem Tag auf den vestalischen Altären Feuer entzündeten und die alten Lorbeerkränze gegen grüne austauschten; Senat und Volk hielten Wahlversammlungen ab, und die Herrinnen trugen ihren Sklavinnen das Essen auf, so wie an den Saturnalia die Herren; jene taten dies, um durch diesen Ehrenerweis einen besseren Dienst zu fördern, diese, um gleichsam eine Dankesschuld für die getane Arbeit abzuleisten. Dass dieser Monat der erste im Jahr gewesen ist, wird am besten dadurch bezeugt, dass der fünfte Monat danach „Quintilis“ (lat.: „Fünfter“) genannt wurdeE (36) und dann nach Durchschreiten der Zahlenreihe der Dezember (lat.: „Zehnter“) den feierlichen Jahreslauf beendeteE, und zwar binnen 304 Tagen; damals nämlich vollendete diese Anzahl an Tagen das Jahr, denn sechs Monate umfassten 30 Tage und die übrigen vier je 31. (37) Da aber jenes System, das vor Numa (vgl. SO I 21) galt, vom Mondlauf abwich, glichen sie das Jahr an die Mond-Berechnung an, indem sie 51 Tage hinzufügten. (38) Um also 12 Monate zu schaffen, nahmen sie von den vorherigen 6 Monaten je 1 Tag weg und fügten sie zu jenen 51 zusätzlichen Tagen hinzu, und die so gemachten 57 Tage wurden in 2 Monate aufgeteilt, von denen einer 29, der andere 28 Tage umfasste. (39) So begann das Jahr, 355 Tage zu haben. Später wurde zufällig wahrgenommen, dass das Jahr innerhalb der Tage, die wir eben genannt haben, fälschlich beschränkt war, weil der Sonnenlauf offensichtlich den Lauf des Tierkreises nicht vor dem 365. Tag vollendete, sondern einen weiteren Vierteltag darüber hinausging. So fügten sie 101©4 Tage
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ut ad liquidum annus diebus trecentis sexaginta quinque et quadrante constaret, hortante observatione inparis numeri, quem Pythagoras monuit praeponi in omnibus oportere. (40) Unde propter dies inpares diis superis et Ianuarius dicatur et Martius, propter pares Februarius quasi ominosus diis inferis deputatur. (41) Cum itaque haec definitio toto orbe placuisset, custodiendi quadrantis gratia a diversis gentibus varie intercalabatur, nec umquam tamen ad liquidum fiebat temporum peraequatio. (42) Graeci ergo singulis annis undecim dies et quadrantem detrahebant, eosque octies multiplicatos in annum nonum reservabant, ut contractus nonagenarius numerus in tres menses per tricenos dies scinderetur; qui anno nono restituti efficiebant dies quadringentos quadraginta quattuor, quos embolismos vel hyperballontas nominabant. (43) Quod eum initio Romani probassent, contemplatione numeri parilis offensi neglectum brevi perdiderunt, translata in sacerdotes intercalandi potestate; qui plerumque gratificantes rationibus publicanorum pro libidine sua subtrahebant tempora vel augebant. (44) Cum haec sic forent constituta modusque intercalandi interdum cumulatior, interdum fieret imminutior, vel omnino dissimulatus praeteriretur, nonnumquam accidebat, ut menses qui fuerant transacti hieme, modo aestivum modo autumnale tempus inciderent. (45) Itaque C. Caesar universam hanc inconstantiam, incisa temporum turbatione, composuit, et ut statum certum praeteritus acciperet error, dies viginti unum et quadrantem simul intercalavit; quo pacto regradati menses de cetero statuta ordinis sui tempora detinerent. Ille ergo annus solus trecentos quadraginta quattuor dies habuit, alii deinceps trecentenos sexagenos quinos et quadrantem. Et tunc quoque vitium admissum est per sacerdotes. (46) Nam cum praeceptum esset, anno quarto ut intercalarent unum diem, et oporteret confecto quarto anno id observari, antequam quintus auspicaretur, illi incipiente quarto intercalarunt, non desinente. (47) Sic per annos sex et triginta cum novem dies tantummodo sufficere debuissent, duodecim sunt intercalati. Quod reprehensum {ð deprehensum} Augustus reformavit, iussitque annos duodecim sine intercalatione decurrere, ut tres illi dies, qui ultra novem necessarios temere fuerant intercalati, hoc modo possent repensari. Ex qua disciplina omnium postea temporum fundata ratio est.
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Tage hinzu, womit das Jahr dann aus 365¼ Tagen bestand. Sie lobten die Genauigkeit der krummen Zahl, von der Pythagoras lehrt, es sei passend, sie allen anderen gegenüber zu bevorzugen. (40) Deswegen sagt man, dass Januar und März, da sie eine krumme Zahl von Tagen haben, den Olympischen Göttern zugewiesen sind, während der Februar infolge seiner geraden Zahl von Tagen dem Bereich der Unterweltsgottheiten zufällt. Kalenderreformen [IG] (41) Während diese Definition dem ganzen Erdkreis gefiel, wurde das Viertel von verschiedenen Stämmen unterschiedlich eingefügt, doch wurden die Zeiten nicht mit jeder Gewissheit vollkommen gleich gemacht: (42) Die Griechen nahmen von jedem Jahr 11¼ Tage weg, und indem sie diese Zahl mit 8 multiplizierten, reservierten sie diese Tage für das 9. Jahr; wenn sie die Zahl 90 erzeugt hatten, teilten sie es in 3 Monate von je 30 Tagen, und stellten sie zum 9. Jahr wieder her; damit kamen sie auf 444 Tagen, die sie „embolismoi“ („eingeschoben“) oder „hyperballontes“ („überschüssig“) nannten. (43) Dem stimmten anfangs die Römer zu, aber wegen der unangenehmen geraden Zahl wurde es vernachlässigt und nach kurzer Zeit vergessen. Die Macht des Interkalierens (der Hinzufügung von Schalttagen) wurde den Priestern übergeben, die gegen Bezahlung hauptsächlich den Systemen der Steuerpächter entgegenkamen und nach ihrem Belieben die Zeiten verkürzten oder verlängerten. (44) Da die Dinge so waren, wurde die Art des Interkalierens manchmal zu lang, manchmal zu kurz oder aber ignoriert und gänzlich unbeachtet gelassen; manchmal geschah es, dass die Monate, die im Winter verliefen, bald in der Sommers- und bald in der Herbstzeit eintraten. (45) Daher brachte Gaius Caesar dieses allgemeine Durcheinander mit der eingetretenen Verwirrung des Kalenders in Ordnung: Damit der Fehler der Vergangenheit einem sicheren Status weiche, interkalierte er auf einmal 21¼ Tage. Damit erhielten die von der sonst bestehenden Ordnung zurückgewanderten Monate wieder ihre gewohnten Zeiten. Jenes Jahr also hatte nur 344 Tage; danach hatten alle anderen 365¼. Doch selbst damals wurde von den Priestern ein Fehler zugelassen: (46) Als sie nämlich beauftragt wurden, alle 4 Jahre einen Tag zu interkalieren, was am Ende jedes 4. Jahres hätte getan werden sollen, bevor das 5. Jahr mit den Auspizien begann, fügten sie es stattdessen am Anfang des 4. Jahres ein. (47) So kam es, dass nach 36 Jahren, als eigentlich nur 9 Tage hätten genügen müssen, 12 interkaliert worden waren. Diesen Fehler tadelte {ð verstand} Augustus und beseitigte ihn: Er ordnete an, dass 12 Jahre ohne Interkalation verlaufen sollten, so dass jene 3 Tage, die über die notwendigen neun hinaus übereilt hinzugefügt worden waren, zurückverlegt würden. Durch diese Systematik wurde ein System für alle späteren Zeiten begründet.
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(48) Verum cum et hoc et multa alia Augusti temporibus debeantur, qui paene sine exemplo rerum potitus est, tanta et tot in vita eius inveniuntur adversa, ut non sit facile discernere, calamitosior an beatior fuerit. (49) Primum quod apud avunculum in petitione magisterii equitum praelatus est ei Lepidus tribunus, cum quadam auspicantium coeptorum nota; mox triumviratus collegium praegravi potestate Antonii, Philippensis, inde proscriptionis invidia; abdicatio Postumi Agrippae post adoptionem, deinde desiderio eius insignis paenitentia; naufragia Sicula; turpis ibi in spelunca occultatio; seditiones militum plurimae; Perusina cura; detectum filiae adulterium et voluntas parricidalis; nec minore dedecore neptis infamia; incusatae mortes filiorum et amissis liberis non solus orbitatis dolor; urbis pestilentia, fames Italiae, bello Hillyrico angustiae rei militaris, corpus morbidum, contumeliosa dissensio privigni Neronis, uxoris etiam Tiberii cogitationes parum fidae, atque in hunc modum plura. (50) huius tamen suprema quasi lugeret saeculum, penuria insecuta est frugum omnium; ac ne fortuitum quod acciderat videretur, inminentia mala non dubiis signis apparuerunt; (51) nam Fausta quaedam ex plebe partu uno edidit quattuor geminos, mares duos, feminas totidem, monstruosa fecunditate portendens futurae calamitatis indicium; quamlibet Trogus auctor adfirmet in Aegypto septenos uno utero simul gigni; quod ibi
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Augustus [PL 7,147-150] (48) Obwohl das und viele andere Dinge der Herrschaft des Augustus geschuldet werden, der sich fast beispiellos der Herrschaft bemächtigt hatte, findet man so großes und so häufiges Unglück in seinem Leben, dass man nicht leicht sagen kann, ob er mehr Unglück oder mehr Glück hatte: (49) Zuerst wurde bei seinem Onkel bei der Bewerbung um das Amt des Magister Equitum ihm der Lepidus als Tribun wegen irgendeines Zeichens bei der Vogelschau vorgezogen. Bald danach gab es das Kollegium des Triumvirats mit der lästigem Macht des Antonius, (die Schlacht von) Philippi, dann die Verhasstheit der Proskriptionen, die Verstoßung des Postumus Agrippa nach der Adoption, dann aus der Sehnsucht nach ihm großes Bedauern, die Schiffbrüche vor Sicilia, das schändliche Verstecken in einer dortigen Grotte, die vielen Erhebungen der Soldaten, die Angst bei Perusia, die Entdeckung des Ehebruchs seiner Tochter und ihren vatermörderischen Wunsch, die Ehrlosigkeit seiner Enkelin – keine geringere Schande als die andere, Beschuldigungen, den Tod der Söhne verursacht zu haben, nach dem Verlust der Kinder nicht nur den Kummer der Kinderlosigkeit, die Pest in der Großstadt, die Hungersnot in Italia, im (H)illyrischen Krieg militärische Schwierigkeiten, einen kranken Körper, den beleidigenden Zwist mit seinem Stiefsohn Nero, die treulosen Anschläge seiner Frau und auch des Tiberius und viele andere Dinge von solcher Art. [PL 7,33-34] (50) Auf seine letzte Stunde folgte, als ob das Jahrhundert trauere, eine Knappheit aller Ernten, und damit das nicht einem bloßen Unfall gleichgesetzt würde, der sich ereignete, war das drohende Übel durch unzweifelhafte Zeichen angekündigt worden: (51) Eine gewisse Fausta, eine Frau von niedriger Abstammung, brachte bei einer einzigen Geburt zwei Sätze von Zwillingen zur Welt, zwei männliche und ebenso viele weibliche Kinder; diese ungeheure Fruchtbarkeit wies auf die bevorstehende Katastrophe voraus; wenn freilich der Gewährsmann Trogus angibt, dass in Aegyptus sieben Kinder bei einer einzigen Geburt hervorgebracht wurden, ist das dort kein
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minus mirum, eum fetifero potu Nilus non tantum terrarum sed etiam hominum fecundet arva. (52) Legimus Cn. Pompeium Eutychidem feminam Asia exhibitam, quam constabat tricies enixam, cum viginti eius liberis in theatro suo publicasse. (53) Unde competens hoc loco duco super hominis generatione tractare. Etenim cum de animalibus quae digna dictu videbuntur, prout patria cuiusque admonebit simus notaturi, iure ab eo potissimum ordiemur, quod rerum natura sensus iudicio et rationis capacitate praeposuit omnibus. (54) Itaque ut Democritus physicus ostendit, mulier solum animal menstruale est, cuius profluvia non parvis spectata documentis inter monstrifica merito numerantur. (55) Contactae his fruges non germinabunt, acescent musta, morientur herbae, amittent arbores fetus, ferrum robigo corripiet, nigrescent aera, si quid canes inde ederint in rabiem efferabuntur, nocituri morsibus quibus lymphaticos faciunt. (56) Parva haec sunt. Bitumen in Iudaea quod Asphaltites gignit lacus adeo lentum mollitie glutinosa, ut a se nequeat separari, enimvero si abrumpere partem velis, universitas sequetur scindique non potest, quoniam in quantum ducatur extenditur. Sed ubi admota fuerint cruore illo polluta fila, sponte dispergitur,
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großes Wunder, denn in diesem Land lässt der Nil mit seinem fruchtbaren Wasser nicht nur die Felder auf dem Land (s. u. SO XXXII 9-16), sondern auch die Gebärmütter der Frauen gedeihen. (52) Wir lesen, dass Gnaeus Pompeius eine Frau aus Kleinasien namens „Eutychis“, die 30-mal niedergekommen war, mit ihren 20 Kindern in seinem Theater öffentlich ausstellte. [SO] (53) Daher halten wir es für richtig, von hier zu einer Untersuchung der Entstehung des Menschen überzugehen.
Entstehung
MENSCH
Einführung [SO] Obgleich wir eigentlich dabei sind, alle Lebewesen, die der Nennung wert scheinen, zu behandeln, wie mir auch das Land von jedem in Erinnerung rufen wird, wollen wir zu Recht mit dem als dem Wichtigsten beginnen, das die Natur mit dem Urteil seiner Sinne und dem Vermögen seiner Vernunft allen anderen vorangestellt hat. Menstruation [PL 7,63-65] (54) Wie der Naturphilosoph Democritus beobachtet, ist die Frau das einzige „Monats“-Tier; ihre Monatsblutungen, wie sie von vielen beobachtet werden, sind zu Recht zum Monströsen zu rechnen: (55) Eine von ihnen berührte Frucht wird nicht sprießen, neuer Wein wird sauer, Kräuter sterben, die Bäume verlieren ihre Früchte, Eisen wird von Rost angegriffen, Erze werden schwarz, wenn Hunde davon kosten, werden sie in Tollwut versetzt und jeder, der von ihren Bissen verletzt wird, wird verrückt. (56) Aber dies sind kleine Dinge: Das Bitumen aus Judaea, das der Asphaltites-See (s. u. SO XXXV 2) hervorbringt, ist so klebrig und hat eine so zähe Biegsamkeit, dass man es nicht auseinander reißen kann; wenn man es in Teile zerbrechen möchte, wird das Ganze sicher zusammen bleiben und kann nicht zerrissen werden, weil es sich so weit ausstreckt, wie es gedehnt wird. Wenn aber diese Fäden in die Nähe von jenem unreinen Blut gebracht werden, kann man sie leicht trennen;
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et adplicita tabe diducitur paulo ante corpus unum, fitque de tenacitate conexa contagione partitio repentina. (57) Habet plane illud in se solum salutare, quod avertit sidus Helenae perniciosissimum navigantibus. (58) Ceterum ipsae feminae, quibus munus est necessitatis huius, quamdiu sint in sua lege, non innocentibus oculis contuentur; aspectu specula vitiant, ita ut hebetetur visu fulgor offensus et solitam aemulationem vultus extinctus splendor amittat faciesque obtunsi nitoris quadam caligine nubiletur. (59) Mulierum aliae in aeternum steriles sunt, aliae mutatis coniugiis exuunt sterilitatem, nonnullae tantum semel pariunt, quaedam aut feminas aut mares semper. Post annum quinquagesimum fecunditas omnium conquiescit; nam in annum octogesimum viri generant, sicuti Masinissa rex Mathumannum filium septuagesimum et sextum annum agens genuit, Cato octogesimo exacto ex filia Salonis clientis sui avum Uticensis Catonis procreavit. (60) Compertum et illud est, quod inter duos conceptus cum intercessit paululum temporis, uterque residet, sicut in Hercule et Iphicle apparuit fratre eius, qui gestati eodem onere, intervallis tamen quibus concepti fuerant nati videntur; (61) et de Proconnesia ancilla, quae e duplici adulterio geminos edidit, utrumque patri suo similem. Hic Iphicles Iolaum creat, qui Sardiniam ingressus, palantes incolarum animos ad concordiam eblanditus, Olbiam atque alia Graeca oppida extruxit. Iolenses ab eo dicti sepulcro eius templum addiderunt, quod imitatus virtutem patrui malis plurimis Sardiniam liberasset.
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wenn die schädliche Flüssigkeit in die Nähe von jedem Material gebracht wird, verteilt sie sich; die plötzliche Aufteilung geschieht dadurch, dass die Zähigkeit sich der Ansteckung anschließt. (57) °[PL 28,77] Dieser Stoff hat allerdings auch eine einzige vorteilhafte Eigenart: Er wehrt den Helenastern (das Elmsfeuer)S ab, der den Seeleuten am meisten schadet.± (58) °[PL 28,82] Im Übrigen haben die Frauen selbst – denen diese Notwendigkeit Aufgabe ist – keine harmlosen flüchtigen Blicke während sie diesem ihrem Naturgesetz unterworfen sind; die Helligkeit von Spiegeln wird durch ihr Hineinschauen verdorben; der Spiegel wird stumpf und der gelöschte Glanz verliert seine Fähigkeit, Gesichter zu reflektieren; die Schönheit des Glanzes wird von Finsternis verdunkelt.± Fruchtbarkeit, Zeugung und Schwangerschaft [PL 7,57-61] (59) Einige Frauen sind für immer unfruchtbar. Andere verlieren, wenn sie ihre Männer auswechseln, ihre Unfruchtbarkeit, manche gebären nur einmal, andere bringen immer nur weibliche oder nur männliche Kinder zur Welt. Nach dem 50. Lebensjahr ruht die Fruchtbarkeit aller Frauen; Männer aber können noch im 80. Lebensjahr zeugen, wie König Masinissa seinen Sohn Mathumannus in seinem 76. Jahr zeugte, Cato, als er das 80. Lebensjahr vollendet hatte, mit der Tochter seines Klienten Salo den Großvater des Cato Uticensis hervorbrachte. [PL 7,48-49] (60) Auch ist bekannt, dass sich zwei Kinder, die innerhalb einer kurzen Zeit nacheinander empfangen werden, beide (in der Gebärmutter) niederlassen, wie dies offenbar war bei Hercules und seinem Bruder Iphicles, die in derselben Schwangerschaft ausgetragen wurden, aber mit demselben Abstand geboren wurden, mit dem sie empfangen worden waren, (61) und bei einer Sklavin aus Proconnesus, die aus einem zweifachen Ehebruch Zwillinge empfing, die ihrem jeweiligen Vater ähnelten. [IG] Dieser Iphicles zeugte Iolaus, der, nachdem er Sardinia betreten hatte, durch Schmeichelei die ängstlichen Haltungen der Einwohner zur Eintracht brachte und Olbia sowie andere griechische Städte errichtete. Die nach ihm genannten IolensesE fügten über seinem Grab einen Tempel hinzu, weil er in Nachahmung der Leistung seines Onkels Sardinia (s. u. SO IV 1-7) von sehr vielen Übeln befreit hatte.
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(62) Ante omnia subolem cogitantibus sternutatio post coitus cavenda, ne prius semen excutiat inpulsus repentinus, quam penetralibus se matris insinuet umor paternus. Quod si natalis materia haeserit, decimus a conceptu dies dolore gravidas admonebit. Iam inde incipiet et capitis inquietudo, et caligine visus hebetabitur; ciborum quoque fastidiis stomachi claudetur cupido. Convenit inter omnes, corda primum ex universa formari carne, eaque in diem quintum et sexagesimum crescere, dein minui; at ex ossibus spinas. {ea propter capitale si pars alterutra noceatur.} (63) Plane si corpusculum in marem figuretur, melior est color gravidis et pronior partitudo uteri, denique a quadragesimo die motus. alter sexus nonagesimo primum die palpitat et concepta femina gestantis vultum pallore inficit, crura quoque praepedit languida tarditate. (64) In utroque sexu cum capilli germinant, incommodum maius est fitque pleniluniis auctior aegritudo, quod tempus etiam editis semper nocet. Cum salsiores escas edit gravida, unguiculis caret partus. At cum prope ad uterum liberandum venerint momenta maturitatis, enitenti spiritum retinere plurimum congruit, quoniam quidem letali mora oscitatio suspendit puerperia. (65) Contra naturam est in pedes procedere nascentes, quapropter velut aegre parti appellantur Agrippae. Ita editi minus prospere vivunt et de vita aevo brevi cedunt. (66) Denique in uno M. Agrippa felicitatis exemplum est, nec tamen usque eo inoffensae, ut non plura adversa pertulerit quam secunda; namque misera pedum valitudine et aperto coniugis adulterio et aliquot infelicitatis notis praeposteri ortus omen luit. (67) Feminis perinde est infausta nativitas, si concretum virginal fuerit, quo pacto genitalia fuere Corneliae, quae editis Gracchis ostentum hoc piavit sinistro exitu liberorum.
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[PL 7,41-42] (62) Vor allem sollten sich Frauen, die Kinder empfangen wollen, nach dem Beischlaf vor dem Niesen hüten, damit nicht der plötzliche Impuls den Samen zurückweist, bevor der väterliche Saft zu den inneren Teilen der Mutter vordringen kann. Wenn der Geburtsstoff hängen bleibt, wird dies am 10. Tag nach der Empfängnis durch Schmerz den Schwangeren angezeigt werden. Von dieser Zeit an wird eine Unruhe des Kopfes beginnen und der Blick durch Verdunkeln stumpf werden; Widerwille gegen Speisen wird das Begehren des Magens schließen. °[PL 11,181] Alle stimmen darin überein, dass es das Herz ist, das als erstes von allem Fleisch gebildet wird,± °[IG] und dass es bis zum 65. Tag wächst, sich dann aber vermindert; von den Knochen ist das erste das Rückgrat. {Deshalb ist es lebensgefährlich, wenn einem dieser Teile geschadet wird.}± (63) Wenn freilich der kleine Körper zu einem männlichen Kind geformt wird, ist die Farbe der Schwangeren besser und die Niederkunft leichter, auch gibt es vom 40. Tag an Bewegung. Das andere Geschlecht rührt sich erst nach dem 96. Tag, und die Empfängnis eines weiblichen Kindes versieht den Gesichtsausdruck der schwangeren Mutter mit Blässe und behindert die Beine mit einer schwachen Trägheit. (64) Bei beiden Geschlechtern wird, wenn die Haare zu wachsen anfangen, die Unpässlichkeit größer, zu Vollmondzeiten wird die Krankheit schlimmer; diese Zeit ist immer auch für Gebärende schädlich. Wenn die Schwangere recht salzige Nahrung isst, hat das Kind bei der Geburt keine Nägel. Wenn aber die Momente der Reife zur Befreiung der Gebärmutter gekommen sind, ist es für die Frau am passendsten, ihren Atem anzuhalten, weil nämlich Gähnen mit einer tödlichen Verzögerung die Geburt aufhält. Besonderheiten bei der Geburt [PL 7,45-47] (65) Es ist gegen die Natur, dass die Kinder mit den Füßen zuerst geboren werden: Wie auch andere mit Schwierigkeiten Geborene werden diese „Agrippa“ genannt. Die so Geborenen leben meist weniger glücklich und scheiden nach kurzer Spanne aus dem Leben. (66) Doch bei einem einzigen Mann, Marcus Agrippa, gab es Beispiele für Glück, aber für ein nicht so sehr unbelastetes, dass er nicht mehr Widrigkeiten als Günstiges zu ertragen hatte: Durch die schlechte Gesundheit seiner Füße, den offenen Ehebruch seiner Frau und mehrere andere bekannte Unglücke löste er das Vorzeichen seiner verkehrten Geburt ein. (67) °[PL 7,69] Für weibliche Kinder gibt es eine andere ungünstige Art der Geburt, wenn die Scheide zusammengewachsen ist; von dieser Art waren die Geschlechtsorgane der Cornelia, die nach der Geburt der Gracchen für das Vorzeichen durch den unglücklichen Tod ihrer Kinder büßte.±
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(68) Rursum necatis matribus natus est auspicatior, sicut Scipio Africanus prior, qui defuncta parente, quod excisus utero in diem venerat, primus Romanorum Caesar dictus est. (69) E geminis si remanente altero alter abortivo fluxu exciderit, alter qui legitime natus est Vopiscus nominatur. (70) Quidam et cum dentibus procreantur, ut Cn. Papirius Carbo et M‘.* Curius, Dentatus ob id cognominatus. Quidam vice dentium continui ossis armantur soliditate, qualem filium Bithynorum rex Prusias habuit. (71) Ipsum dentium numerum discernit qualitas sexus, cum in viris plures sint, in feminis pauciores. Quos cynodontas vocant, quibus gemini procedunt ab dextera parte, fortunae blandimenta promittunt, quibus ab laeva, versa vice. (72) Nascentium vox prima vagitus est; laetitiae enim sensus differtur in quadragesimum diem. Itaque unum novimus eadem hora risisse qua erat natus, scilicet Zoroastren, mox optimarum artium peritissimum. At Crassus, avus eius quem rapuerunt bella Parthica, quod numquam riserit Agelastus cognominabatur. (73) Inter alia Socratis magna praeclarum illud est, quod in eodem vultus tenore etiam adversis interpellantibus perstitit. Heraclitus et Diogenes Cynicus nihil umquam de rigore animi remiserunt, calcatisque turbinibus fortuitorum adversus omnem dolorem vel misericordiam uniformi duravere proposito. (74) Pomponium poetam consularem virum numquam ructuasse habetur inter exempla; Antoniam Drusi non spuisse percelebre est. Nonnullos nasci accepimus concretis ossibus, eosque neque sudare consuesse neque sitire, qualis Syracusanus Lygdamus fertur, qui tertia et tricesima olympiade primus ex Olympico certamine pancratii coronam reportavit, cuiusque ossa deprehensa sunt medullam non habere. (75) Maximam virium substantiam nervos facere certissimum est, quantoque fuerint densiores, tanto propensius augescere firmitatem.
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(68) Umgekehrt ist, wenn die Mütter umkommen, die Geburt von günstigerem Vorzeichen, so beim ersten Scipio Africanus, der nach dem Tod seiner Mutter, weil er aus dem Mutterleib geschnitten ans Tageslicht kam, als erster Römer „Caesar“ genannt wurde.E (69) Wenn bei Zwillingen einer der beiden bleibt, der andere durch einen abtreibenden Strom umkommt, dann wird der tatsächlich richtig lebend Geborene „Vopiscus“ genannt. Besonderheiten bei Neugeborenen [PL 7,68-81] (70) Manche werden auch mit Zähnen geboren, wie Gnaeus Papirius Carbo und Manius Curius, dem deshalb der Beiname „Dentatus“ (lat.: „gezähnt“) gegeben wurde.E Manche wiederum werden mit einer Zahnreihe geboren, die ein durchgehender Knochen ist, so der Sohn des Prusias, des Königs der Bithyni. (71) Die Zahl der Zähne selbst wird vom Geschlecht eines Kindes bestimmt, da es bei Männern mehr sind, bei Frauen weniger. Denjenigen, die man „Cynodontes“ (griech.: „Hundezähnige“) nennt, denen paarweise vorspringende Zähne auf der rechten Seite hervortreten, versprechen diese die Schmeicheleien des Glücks, denjenigen (mit dem Zahnpaar) auf der linken Seite das Gegenteil. (72) °[PL 7,2] Der erste Ton, der von Neugeborenen gemacht wird, ist Schreien; der Sinn für Fröhlichkeit ist bis zum 40. Tag verzögert.± Wir wissen nur von einem, der in derselben Stunde, in der er geboren wurde, schon lachte, nämlich Zoroastres, der bald in den besten Künsten größte Fertigkeiten hatte. Crassus hingegen, der Großvater des Crassus, den die Parthischen Kriege dahinrafften, erhielt, da er nie lachte, den Beinamen „Agelastus“ (griech.: „Nichtlacher“).E (73) Unter den anderen großen Dingen des Sokrates ist jenes besonders berühmt, dass bei ihm das Gesicht denselben Ausdruck behielt, selbst wenn er von Widrigkeiten bedrängt wurde. Heraclitus und der Kyniker Diogenes gingen nie auch nur ein wenig von der Strenge ihres Geistes ab; auch wenn sie vom Wirbelwind des Schicksals getroffen wurden, setzten sie gegen den ganzen Kummer und das Mitleid ihre Vorhaben unverändert fort. (74) Pomponius, der Dichter und ehemalige Consul, soll zu den Menschen gehört haben, die nie gerülpst haben. Dass Antonia, die Gattin des Drusus, nie ausgespuckt hat, ist sehr bekannt. Wir haben von einigen erfahren, die mit gehärteten Knochen geboren wurden und weder zu schwitzen noch Durst zu haben gewohnt waren, °[IG] so wie es über Lygdamus den Syracusaner gesagt wird, der in der 33. OlympiadeZ als erster aus dem Olympischen Wettstreit den Siegeskranz für das Pankration errang und dessen Knochen, wie man erkannte, kein Knochenmark in sich hatten.± (75) °[SO] Dass den größten Beitrag zur Kraft die Muskeln leisten, ist völlig sicher: Je dichter sie sind, desto eher ist die Kraft bereit zu wachsen.±
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Varro in relatione prodigiosae fortitudinis adnotavit Tritannum gladiatorem natura Samnitem fuisse, qui et rectis et transversis nervis non modo crate pectoris, sed et manibus cancellatis et brachiis omnes adversarios levi tactu ac paene securis congressionibus vicerit. (76) Eius filium, militem Cn. Pompeii, pari modo natum, ita sprevisse hostem provocantem, ut inermi eum dextera et superaret et captum digito uno in castra imperatoris sui reportaret. Milonem quoque Crotoniensem egisse omnia supra quam homo valet; etiam hoc proditur quod ictu nudae manus taurum fecit victimam eumque solidum qua mactaverat die absumpsit solus non gravatim. Super hoc nihil dubium; nam factum elogium extat. Victor ille omnium certaminum obiit. (77) Sane alectoria* usus traditur, qui lapis specie crystallina, fabae modo, in gallinaceorum ventriculis invenitur, aptus ut dicunt proeliantibus. Milon porro Tarquinii Prisci temporibus emicuit. (78) Iam vero qui deflexum animum referat ad similitudinum causas, quantum artificis naturae ingenium deprehendet! Interdum enim ad genus spectant, et per subolem in familias transitus faciunt, sicut plerumque parvuli modo naevos modo cicatrices modo qualescumque originis suae notas ferunt; ut in Lepidis, quorum tres intervulsa tamen serie ex eadem domo obducto membrana oculo similes geniti reperiuntur; (79) vel in Byzantio nobili pycta, qui cum matrem haberet adulterio ex Aethiope conceptam, quae nihil patri comparandum reddidisset, ipse in Aethiopem avum regeneravit. (80) Sed hoc minus mirum, si respiciamus ad ea quae spectata sunt inter externos. Regem Antiochum Artemon quidam e plebe Syriatica sic facie aemula mentiebatur, ut postmodum Laudice1 uxor regia, obiecto populare isto, tamdiu dissimulaverit defunctum maritum, quoad ex arbitratu eius regni successor ordinaretur.
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Laudice Mommsen (cum codice uno), Laodice Fernández Nieto 2001, 92 (cum codicibus allis).
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Varro bemerkt in seinem Bericht über die übernatürliche Kraft, es habe einen als Samniten auftretenden Gladiator namens „Tritannus“ gegeben, der mit seinen sowohl gerade als auch quer nicht nur über seinen Brustkorb, sondern auch über seine Hände und Arme verlaufenden Muskeln alle Gegner mit einer leichten Berührung und fast ohne Mühe bei den Zusammentreffen besiegte. (76) Dessen Sohn, ein Soldat des Gnaeus Pompeius, sei auf eine ähnliche Weise geboren worden und habe einen Feind, der ihn herausforderte, so gering geschätzt, dass er ihn mit seiner unbewaffneten rechten Hand überwand und als Gefangenen an einem einzigen Finger zum Lager seines Feldherrn zurückbrachte. °[IG] Auch der Crotonienser Milo soll alles mit übermenschlicher Kraft vollbracht haben; es wird sogar gesagt, dass er mit dem Schlag seiner bloßen Hand einen Stier zum Opfertier machte und ihn ganz und gar an dem Tag aufaß, an dem er ihn getötet hatte, ohne Beschwerden. Darüber gibt es keinen Zweifel, denn man hat ein Elogium (Lobgedicht) darüber gemacht. Als Sieger in allen Wettkämpfen starb er schließlich.± (77) °[PL 37,144] Dass er Alectoria nutzte, wird berichtet; dieser Stein von der Erscheinungsform eines Crystallus (vgl. SO XV 29-31) und der Art einer Bohne wird in den Mägen von Hähnen gefunden und ist, wie man sagt, für Kämpfende geeignet.± Milos Blütezeit war im Zeitalter des Tarquinius Priscus (s. o. SO I 24). Ähnlichkeiten [PL 7,50-56+] (78) °[SO] Nun möge, wer den Geist umlenkt auf die Ursachen der Ähnlichkeit, verstehen, wie groß das Talent der schöpferischen Natur ist! Manchmal sieht man sie in einer Sippe, und durch die Nachkommenschaft macht sie ihren Durchgang durch die Familien,± wenn etwa kleine Kinder Muttermale oder Hautveränderungen oder auch andere Zeichen ihrer Vorfahren tragen wie bei den Lepidi, von denen drei, wenn auch nicht in ununterbrochener Folge, aus demselben Haus ähnlich mit einer das Auge überspannenden Membran geboren waren, (79) oder bei dem in Byzantium berühmten Boxer, der eine Mutter hatte, die aus einem Ehebruch mit einem Mann aus Aethiopia empfangen worden war; obwohl sie in nichts mit ihrem Vater zu vergleichen war, zeugte er selbst wiederum Kinder, die ihrem aethiopischen Großvater ähnelten. (80) °[SO] Aber das ist weniger erstaunlich, wenn wir an die Ähnlichkeiten denken, die man zwischen ganz Fremden beobachtet hat:± Als den König Antiochus gab sich fälschlich ein gewisser Artemon aus, der aus der syrischen Plebs stammte, mit Verweis auf sein sehr ähnliches Gesicht, so dass später Laudice, die Königsgemahlin, indem sie diesen Mann aus dem einfachen Volk vorführte, den Tod ihres Mannes so lange verbergen konnte, bis für die Königsherrschaft ein Nachfolger ihrer Wahl gefunden war.
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(81) Inter Cn. Pompeium et C. Vibium humili loco natum tantus error extitit de paribus lineamentis, ut Romani Vibium Pompeii nomine, Pompeium Vibi vocabulo cognominarent. Oratorem L. Plancum Rubrius histrio sic implevit, ut et ipse Plancus a populo vocaretur. (82) Armentarius murmillo et Cassius Severus orator ita se mutuo reddiderunt, ut si quando pariter viderentur, dinosci non possent, nisi discrepantiam habitus indicaret. M. Messala censorius et Menogenes e faece vulgari hoc fuerunt uterque quod singuli, nec alium Messalam quam* Menogenem nec Menogenem alium quam Messalam putaverunt. (83) Piscator ex Sicilia proconsuli Surae praeter alia etiam rictu oris comparabatur; ita in eadem vocis inpedimenta et tardatae sonum linguae naturalibus offendiculis congruebant. (84) Interdum non modo inter externos, sed etiam inter deductos ex diversissima parte orbis miraculo indiscreti vultus fuere. Denique cum Antonio iam triumviro Toranius quidam eximios forma pueros velut geminos trecentis sestertiis vendidisset, quorum alterum de Transalpina Gallia, alterum ex Asia comparaverat, adeoque una res viderentur, nisi solus sermo fidem panderet, (85) atque ideo inrisum se Antonius gravaretur, non infacete Toranius id vel praecipue quod emptor criminabatur pretiosius probavit; neque enim mirum si forent pares gemini; illud nullis posse taxationibus aestimari, quod tantis spatiis diversitas separata plus quam geminos attulisset. (86) Quo responso adeo Antonius mitigatus est, ut deinceps nihil se habere carius in substantia sua iactitaret. (87) Nunc si de ipsis hominum formis requiramus, liquido manifestabitur nihil de se antiquitatem mendaciter praedicasse, sed corruptam degeneri successione subolem nostri temporis per nascentum detrimenta decus veteris pulchritudinis perdidisse.
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(81) Zwischen Gnaeus Pompeius und Gaius Vibius, einem Mann von niedriger Abstammung, gab es eine so große Verwechslungsmöglichkeiten, dass die Römer Vibius mit dem Namen des Pompeius riefen und Pompeius mit dem Namen des Vibius. Den Redner Lucius Plancus füllte der Schauspieler Rubrius so aus, dass er sogar selbst vom Volk Plancus gerufen wurde. (82) Ein bewaffneter Murmillo-Gladiator und der Redner Cassius Severus waren einander so ähnlich, °[SO] dass, wann immer sie zusammen gesehen wurden, niemand sie auseinander halten konnte, es sei denn, dass ihre Bekleidung den Unterschied verriet.± Marcus Messala, der ehemalige Censor, und ein gewisser Menogenes, der aus dem Bodensatz des gemeinen Volks stammte, hatten ein so ähnliches Aussehen, dass man, gleich welchen man gerade sah, Messala für niemand anderen als Menogenes und Menogenes für niemand anderen als Messala hielt. (83) Ein Fischer aus Sicilia wurde mit dem Proconsul Sura verglichen, da er unter anderem auch immer mit offenem Mund erschien. °[SO] Sie ähnelten einander in derselben Sprachbehinderung, nämlich im natürlichen Hindernis der Langsamkeit im Hervorbringen von Wörtern. (84) Manchmal gab es nicht nur unter Fremden, sondern auch unter Leuten, die von den entferntesten Weltteilen zusammengekommen sind, wundersam ununterscheidbare Gesichter:± Als dem Antonius, der schon Triumvir war, ein gewisser Toranius zwei Knaben von außergewöhnlicher Schönheit als Zwillinge für 300 SesterzenM verkaufte, hatte er den einen davon aus Gallia Transalpina erworben, den anderen aus Asia; man hätte sie so sehr für eins gehalten, wenn sie nicht allein ihre Sprache verraten hätte; (85) als Antonius darüber, so sehr getäuscht worden zu sein, zornig war, wandte Toranius nicht ohne Witz ein, dass die Sache, gegen die der Käufer solche Einwände erhebe, doch von größerem Wert sei; es sei ja kein Wunder, wenn sich echte Zwillinge ähnlich sind; überhaupt nicht mit Kaufpreisen einschätzen aber könne man, dass diese beiden, obwohl sie eine so große Distanz trennt, noch ähnlicher als Zwillinge erschienen. (86) Durch diese Antwort wurde Antonius so besänftigt, dass er später angab, er habe unter seinen Besitztümern nichts lieber.
Gestalt Einführung [SO] (87) Wenn wir jetzt die Gestalt der Menschen selbst untersuchen wollen, ist es ganz offensichtlich, dass das Altertum nichts falsch verkündigte, aber dass die Nachkommenschaft unserer Zeit, die von degenerierten Nachfolgern und durch den allmählichen Verfall der jetzt geborenen Kinder verdorben ist, die Eleganz der alten Schönheit verloren hat.
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(88) Licet ergo plerique definiant nullum posse excedere longitudinem pedum septem, quod intra mensuram istam Hercules fuerit, deprehensum tamen est Romanis temporibus sub divo Augusto, Pusionem et Secundillam denos pedes et amplius habuisse proceritatis, quorum reliquiae adhuc in conditorio Sallustianorum videntur; (89) postmodum divo Claudio principe Gabbaram nomine ex Arabia advectum novem pedum et totidem unciarum. Sed ante Augustum annis mille ferme non apparuit forma huiusmodi, sicut nec post Claudium visa est. (90) Quis enim iam aevo isto non minor parentibus suis nascitur? Priscorum autem testantur molem etiam Orestis suprema, cuius ossa, olympiade quinquagesima et octava Tegeae inventa a Spartanis oraculo monitis, discimus implesse longitudinem cubitorum septem. Scripta quoque quae ex antiquitate memorias accersunt in fidem veri hoc etiam receperunt, quod bello Cretico, (91) cum elata flumina plus quam vi amnica terras rupissent, post discessum fluctuum inter plura humi discidia humanum corpus repertum sit cubitum trium atque triginta; cuius inspectandi cupidine L. Flaccum legatum, Metellum etiam ipsum inpendio captos miraculo, quod auditu refutaverant, oculis potitos. (92) Non omiserim Salamine Euthymenis filium crevisse in triennio tria cubita sublimitatis, sed incessu tardum, sensu hebetem, robusta voce, pubertate festina, statimque obsessum morbis plurimis, inmoderatis aegritudinum suppliciis conpensasse praecipitem incrementi celeritatem. (93) Mensurae ratio bifariam convenit; nam quantus manibus expansis inter digitos longissimos modus est, tantum constat esse inter calces et verticem; ideoque physici hominem minorem mundum indicaverunt. (94) Parti dexterae habilior adscribitur motus, laevae firmitas maior; unde altera gesticulationibus promptior est, altera oneri ferundo accommodatior.
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Körperlänge [PL 7,73-77] (88) °[IG] Auch wenn die Meisten behaupten, dass niemand eine Länge von 7 FußM überschreiten könne, was genau die Körperlänge des Hercules war,± fand man in der römischen Zeit unter dem vergöttlichten Augustus Pusio und Secundilla je 10 FußM und mehr an Körperlänge; deren Überreste kann man noch heute in der Grabanlage der Sallustii sehen; (89) später, im Principat des vergöttlichten Claudius, einen Mann namens Gabbara, der aus Arabia gebracht worden war und 9 FußM und nochmals so viele ZollM lang war. Vor Augustus aber war 1000 Jahre lang nie eine solche Gestalt erschienen, °[SO] wie auch nach Claudius keine mehr gesehen wurde.± (90) Wer in diesem Zeitalter wird nicht kleiner geboren als seine Eltern waren? Von der Größe der Männer in der Vorzeit zeugen auch die Überreste des Orestes (vgl. PL 7,74), dessen Knochen – sie wurden in der 58. OlympiadeZ in Tegea von den Spartanern auf Anregung eines Orakels entdeckt –, wie wir erfahren haben, eine Länge von 7 EllenM umfassten. Auch bewahren Schriften getreue Erinnerungen aus der Antike an ein Ereignis im Cretischen Krieg: (91) Als die Flüsse mit mehr als der üblichen Strömungs-Gewalt angeschwollen waren und den Boden aufgebrochen hatten, sei nach dem Rückgang der Fluten unter vielen Spalten in der Erde ein menschlicher Körper gefunden worden – von 33 EllenM Länge! Von der Begierde, ihn zu besichtigen, seien Lucius Flaccus, der Legat, und sogar Metellus selbst ergriffen worden und hätten, was sie nach dem Hörensagen abgelehnt hatten, dann mit eigenen Augen bestätigt.± (92) Ich darf nicht übergehen, dass der Sohn des Salaminers Euthymenes in drei Jahren 3 EllenM in die Länge wuchs, aber von der Gehweise langsam, vom Geist her schwach, mit stürmischer Stimme, zu früher Reife und gleich von sehr vielen Erkrankungen bedrängt, mit unmäßigen Krankheiten für sein allzu schnelles Wachstum büßte. (93) Das System der Maße hat eine doppelte Passung, denn bei ausgestreckten Armen ist die Entfernung zwischen den zwei längsten Fingern ebenso groß wie von der Fußsohle zum Scheitel; °[IG] Deshalb haben die Naturphilosophen den Menschen als eine kleine Welt bezeichnet.± Rechts und Links [IG] (94) Der rechten Seite wird mehr manövrierfähige Bewegung zugeschrieben, der linken größere Festigkeit; daher ist die eine für das Gestikulieren passender, die andere für das Tragen von Lasten.
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(95) Pudoris disciplinam etiam inter defuncta corpora natura discrevit; ac si quando cadavera necatorum fluctibus evehuntur, virorum supina, prona fluitant feminarum. (96) Verum ut ad pernicitatis titulum transeamus, primam palmam velocitatis Ladas quidam adeptus est, qui ita supra cavum pulverem cursitavit, ut {in} harenis 1 pendentibus nulla indicia relinqueret vestigiorum. (97) Polymestor Milesius puer cum a matre locatus esset ad caprarios pastus, ludicro leporem consecutus est et ob id statim productus a gregis domino olympiade sexta et quadragesima, ut Bocchus auctor est, victor in stadio meruit coronam. (98) Philippides biduo mille ducenta quadraginta stadia ab Athenis Lacedaemonem decucurrit. Anystis Lacon et Philonides, Alexandri Magni cursores, Elin abusque Sicyone mille ducenta stadia uno die transierunt. Fonteio* Vipsanoque2 consulibus in Italia octo annos puer natus quinque et LXX milia passuum a meridie transivit ad vesperum. (99) Visu deinde plurimum potuit Strabo nomine, quem superspexisse per centum triginta quinque milia passuum Varro significat, solitumque exeunte a Carthagine classe Punica numerum navium manifestissime ex Lilybitana specula notare. (100) Cicero tradit Iliadam omnem ita subtiliter in membranis scriptam, ut testa nucis clauderetur. Callicrates formicas ex ebore sic scalpsit, ut portio earum a ceteris cerni nequiverit. (101) Apollonides perhibet in Scythia feminas nasci, quae bitiae vocantur: has in oculis pupillas geminas habere et perimere visu si forte quem iratae aspexerint. {Hae sunt et in Sardinia.}3
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pedibus add. Laurens 1973, 91. *Fonteio ... Vipsanoque Mommsen, Pompeio Vipsanoque codd., Fonteio ... Vipstano ci. Fernández Nieto 2001, 92 (collato Plinio). 3 del. Mommsen (collato Plinio). 2
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Sittsamkeit [PL 7,77] (95) Für die Systematik der Sittsamkeit hat sich die Natur sogar für Leichname Vorkehrungen getroffen: Wann immer die Körper von Toten durch Wellen getragen werden, schwimmen die Leichname von Männern auf dem Rücken, die von Frauen auf dem Bauch. Schnelligkeit [IG] (96) Damit wir nun aber zum Kapitel über die Schnelligkeit übergehen: Den ersten Rang für die Geschwindigkeit gewann ein gewisser Ladas, der gewöhnt war, so schnell auf losem Staub zu laufen, dass er {in} dem Sand mit schwebenden Füßen keine Abdrücke seiner Füße hinterließ. (97) Als dem Polymestor, einem Knaben aus Miletus, von seiner Mutter aufgetragen war, die Ziegen zu weiden, holte er aus Spaß einen Hasen ein; er wurde deshalb vom Anführer seiner Herde sogleich zur 46. OlympiadeZ gebracht, wofür Bocchus der Gewährsmann ist, und verdiente sich als Sieger im Stadionlauf den Siegeskranz. (98) °[PL 7,84] Philippides rannte binnen zwei Tagen die 1240 StadienM von Athen nach Lacedaemon. Anystis der Lacedaemonier und Philonides, Boten Alexanders des Großen, liefen die 1200 StadienM nach Elis von Sicyon an einem Tag. Im Consulat von Fonteius und VipsanusZ rannte ein achtjähriger Junge in Italia 75 MeilenM von Mittag bis Abend.± Scharfsichtigkeit [PL 7,85] (99) Mit der Scharfsichtigkeit vermochte sodann am meisten ein Mann namens Strabo, der den klarsten Blick hatte und mehr als 135 MeilenM weit sehen konnte, wie Varro angibt: Vom Wachtturm in Lilybaeum war er im Stande, die Anzahl an Schiffen der Punischen Flotte genau zu erkennen, die gerade Carthago verlassen hatte. (100) Cicero berichtet, dass die ganze Ilias so klein auf Leinen geschrieben worden war, dass man sie in einer Nussschale einschließen konnte. Callicrates schnitzte einige Ameisen aus Elfenbein; es war nicht möglich, sie von den echten in der Säulenhalle zu unterscheiden. (101) °[PL 7,17] Apollonides erwähnt einige Frauen in Scythia, die man Bitiae nannte. Sie haben doppelte Pupillen in ihren Augen, und wenn sie jemanden verärgert anschauen, können sie ihn durch ihren flüchtigen Blick töten.± °{[IG] Sie gibt es auch in Sardinia.}±
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(102) Praevaluisse fortitudine apud Romanos L. Sicinium1 Dentatum titulorum numerus ostendit. Tribunus hic plebi fuit non multo post exactos reges, Sp. Tarpeio A. Aterio2 consulibus. Idem ex provocatione octies victor XLV adversas habuit cicatrices, in tergo nullam notam; spolia ex hoste tricies et quater cepit; (103) in phaleris hastis puris armillis coronis CCCXII dona meruit; novem imperatores, qui opera eius vicerant, triumphantes prosecutus. (104) Post hunc M. Sergius duobus stipendiis primis adverso corpore ter et vicies vulneratus, secundo stipendio in proelio dexteram perdidit; qua de causa postea sibi manum ferream fecit, et cum neutra paene idonea ad proeliandum valeret, una die quater pugnavit et vicit sinistra, duobus equis eo insidente confossis; (105) ab Hannibale bis captus refugit, cum viginti mensibus, quibus captivitatis sortem perferebat, nullo momento sine conpedibus fuerit et catenis; omnibus asperrimis proeliis, quae tempestate illa Romani experti sunt, insignitus donis militaribus, a Trasimenno Trebia Ticinoque coronas civicas rettulit; Cannensi quoque proelio, de quo refugisse eximium opus virtutis fuit, solus accepit coronam; beatus profecto tot suffragiis gloriarum, nisi heres in posteritatis eius successione Catilina tantas adoreas odio damnati nominis obumbrasset. (106) Quantum inter milites Sicinius aut Sergius, tantum inter duces, immo ut verius dicam inter omnes homines Caesar dictator enituit. huius ductibus undecies centena XC et II milia caesa hostium; nam quantum bellis civilibus fuderit noluit adnotari. Signis conlatis quinquagies et bis dimicavit, M. Marcellum solus supergressus, (107) qui novies et tricies pari modo fuerat proeliatus. Ad haec nullus celerius scripsit, nemo velocius legit: quaternas etiam epistolas perhibetur simul dictasse; benignitate adeo praeditus, ut quos armis subegerat clementia magis vicerit.
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Sicinium codd., Mommsen; Siccium ci. Fernández Nieto 2001, 92. Aterio codd., Mommsen; Aternio ci. Fernández Nieto 2001, 92.
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Tapferkeit [PL 7,101-106] (102) Herausragende Tapferkeit zeigte sich unter den Römern bei Lucius Sicinius Dentatus als jemandem, der durch die Anzahl seiner Titel als mutigster Mensch erscheint. Er war kurz nach der Vertreibung der Könige (vgl. SO I 31) Volkstribun im Consulat von Spurius Tarpeius und Aulus Aterius.Z Er war achtfacher Sieger in Zweikämpfen, hatte 45 Narben auf der Vorderseite und keine auf seinem Rücken. Er nahm 34-mal dem Feind die Spolia (Rüstungen) ab. (103) Er verdiente 312 Phalerae, Hastae Purae, Armillae und Coronae (militärische Ehrungen). Er folgte neun Feldherren in ihren Triumphen; sie hatten wegen seines Zutuns gesiegt. (104) Nach ihm kommt Marcus Sergius, der zweimal im Militär diente. Das erste Mal wurde er 32-mal auf der Vorderseite verwundet, das zweite Mal verlor er im Kampf seine rechte Hand. Deshalb ließ er sich später eine Eisenhand machen, und obwohl die Hand für das Kämpfen kaum zu gebrauchen war, kämpfte er viermal an einem Tag und siegte mit der linken Hand. Zweimal war ein Pferd unter ihm als Reiter getötet worden; (105) zweimal entkam er als Gefangener dem Hannibal. Während der 20 Monate, in denen er das Schicksal der Gefangenschaft erlitt, war er zu keinem Moment ohne Fesseln und Ketten. Er wurde in allen härtesten Kämpfen, die von den Römern in jenen Zeiten durchgemacht wurden, militärisch geehrt. Er wurde mit Coronae Civicae (militärischen Ehrungen) für (die Schlachten bei) Trasimene, Trebia und Ticinus geehrt; auch für Cannae, wobei es schon für eine außergewöhnliche Leistung gehalten wurde, überhaupt lebend davongekommen zu sein. Er allein erhielt eine Corona. Sicher wäre er mit so vielen Ruhmeszeichen gesegnet gewesen, hätte nicht sein Nachkomme Catilina in der Abfolge seiner Nachkommenschaft seine Siegespreise mit seinem gehassten Namen verdunkelt. [PL 7,92-93] (106) So viel wie Sicinius und Sergius unter den Soldaten glänzten, so leuchtete unter Heerführern – ja, ich könnte mit größerer Wahrheit sagen: unter allen Menschen – der Dictator Caesar. Unter seiner Führung wurden 1 192 000 Feinde getötet; er wollte gar nicht registrieren, wie viel er während der Bürgerkriege vernichtete. Er kämpfte 52-mal in offenen Feldschlachten. (107) Er allein übertrifft damit Marcus Marcellus, der 39-mal kämpfte. Außerdem schrieb keiner schneller, keiner las schneller; er vermochte es, vier Briefe gleichzeitig zu diktieren. °[SO] Er war auch so sehr mit Güte ausgestattet: Diejenigen, die er im Kampf besiegt hatte, überwand er dann noch mehr durch seine Milde.±
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(108) Cyrus memoriae bono inclaruit, qui in exercitu, cui numerosissimo praefuit, nominatim singulos adloquebatur. Fecit hoc idem in populo Romano L. Scipio. Sed et Cyrum et Scipionem consuetudine credamus profecisse. (109) Cineas Pyrrhi legatus postero die, quam ingressus Romam fuerat, et equestrem ordinem et senatum propriis nominibus salutavit. Rex Ponticus Mithridates duabus et viginti gentibus, quibus imperitabat, sine interprete iura dixit. Memoriam et arte fieri palam factum est, sicut Metrodorus philosophus, qui temporibus Diogenis cynici fuit, in tantum se meditatione assidua provexit, ut a multis simul dicta non modo sensuum, sed etiam verborum ordinibus detineret. (110) Nihil tamen in homine aut metu aut casu aut morbo facilius intercipi saepe perspectum est. Qui lapide ictus fuerat accepimus oblitum litterarum, Messalam certe Corvinum post aegritudinem, quam pertulerat percussum proprii nominis oblivione, quamlibet alias ei sensus vigeret. (111) Memoriam metus perimit; invicem vocis interdum est incitamentum, quam non solum acuit, sed etiam si numquam fuerit extorquet. (112) Denique cum olympiade octava et quinquagesima victor Cyrus intrasset Sardes Asiae oppidum, ubi tunc Croesus latebat, Atys filius regis, mutus ad id usque temporis, in vocem erupit vi timoris; exclamasse enim dicitur: parce patri meo, Cyre, et hominem te esse vel casibus disce nostris. (113) Tractare de moribus superest, quorum excellentia maxime in duobus enituit.
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Gedächtnisleistung [PL 7,88-90] (108) Wegen seiner guten Gedächtnisleistung war Cyrus berühmt. In der Armee, die er führte und die äußerst umfangreich war, konnte er jeden Mann namentlich anreden. Lucius Scipio machte unter den Römern dasselbe. Aber wir können glauben, dass Cyrus und Scipio dies aus Gewohntheit machten. (109) Cineas, der Gesandte des Pyrrhus, begrüßte am Tag nach seiner Ankunft in Rom sowohl die Angehörigen des Ritterstands als auch die des Senats mit ihren eigenen Namen. Der Pontische König Mithridates sprach über die 22 Völkerschaften, die er beherrschte, ohne einen Dolmetscher Recht. Dass Gedächtnis auch durch Training gestärkt wird, ist offenbar geworden: So brachte der Philosoph Metrodorus, °[IG] der in der Zeit des Kynikers Diogenes lebte, sich durch das regelmäßige Üben so weit voran, dass er sich nicht nur an die Aussagen von vielen gleichzeitig sprechenden Menschen erinnerte, sondern auch an die Reihenfolge der gesprochenen Wörter.± (110) Nichts jedoch kann, wie man bei Menschen oft sehen kann, so leicht verloren gehen wie das Gedächtnis, ob aus Angst, wegen eines Unfalls oder einer Krankheit: Ich habe gehört, dass jemand, der (im Unfall) von einem Stein getroffen worden war, vergaß, wie man liest. Sicherlich wurde auch Messala Corvinus nach einer Krankheit, die er erlitt, damit geschlagen, dass er seinen eigenen Namen vergaß, °[IG] obwohl seine Sinne zuvor in Blüte standen.± (111) Angst zerstört das Gedächtnis; sie ist ihrerseits manchmal ein Anreiz für das Sprechen. Angst regt nicht nur unter gewöhnlichen Umständen zu sprechen an, sondern kann auch denen Sprache entreißen, die zuvor stumm waren. (112) Als in der 58. OlympiadeZ der siegreiche Cyrus schließlich in die asiatische Stadt Sardis einmarschiert war, wo sich Croesus verborgen hielt, brach Atys, der Sohn des Königs, der bis zu dieser Zeit stumm war, angesichts seiner gewaltigen Todesangst in Rede aus (vgl. PL 11,270). Man sagt nämlich, er habe ausgerufen: „Verschone meinen Vater, o Cyrus, und lerne aus unserer Notlage, dass du ein Mensch bist!“±
Charakter Exzellenz [PL 7,100] (113) Es bleibt jetzt noch, sich über die Charaktere der Menschen zu verbreiten. Exzellenz trat am meisten bei folgenden zwei Männern hervor:
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Cato princeps Porciae gentis, senator optimus, orator optimus, optimus imperator, causam tamen quadragies et quater dixit, diversis odiorum simultatibus adpetitus, {semper absolutus}1. (114) Unde Scipionis Aemiliani laus propensior, qui praeter bona, quibus Cato clarus fuit, etiam publico amore praecessit. (115) Vir optimus Nasica Scipio iudicatus est non privato tantum testimonio, sed totius senatus sacramento; quippe quod inventus dignior non fuit, cui praecipuae religionis crederetur ministerium, cum oraculum moneret arcessi sacra deum matris Pessinunte. (116) Plurimi inter Romanos eloquentia floruerunt; sed hoc bonum hereditarium numquam fuit nisi in familia Curionum, in qua tres serie continua oratores fuere. Magnum hoc habitum est sane eo saeculo, quo facundiam praecipue et humana et divina mirata sunt. (117) Quippe tunc percussores Archilochi poetae Apollo prodidit, et latronum facinus deo arguente detectum. (118) Cumque Lysander Lacedaemonius Athenas obsideret, ubi Sophoclis tragici inhumatum corpus iacebat, identidem Liber pater ducem monuit per quietem, sepeliri delicias suas sineret; (119) nec prius destitit, quam Lysander cognito qui obisset diem et quid a numine posceretur, indutias bello daret, usque dum congruae supremis talibus exequiae ducerentur. (120) Pindarum lyricum e convivii loco, cui imminebat ruina, ne cum ceteris interiret, forinsecus Castor et Pollux vocaverunt, inspectantibus universis; quo effectum, ut solus impendens periculum evaderet. (121) Numerandus post deos Cn. Pompeius Magnus intraturus Posidonii domum, clarissimi tunc sapientiae professoris, percuti ex more a lictore fores vetuit, summissisque fascibus, quamlibet confecto Mithridatico bello et Orientis victor, sententia propria cessit ianuae litterarum. (122) Africanus prior Q. Ennii statuam imponi sepulcro suo iussit.
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Ad additamentum cf. Plinium.
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Cato, der Stammvater der Gens Porcia, ein ausgezeichneter Senator, Redner und Feldherr, musste sich dennoch 44-mal gegen den Vorwurf verteidigen, in der feindlichen Rivalität des Hasses gekämpft zu haben. {Er wurde aber immer freigesprochen.} (114) Daher ist Scipio Aemilianus mehr zu loben, da er den Cato außer in den Dingen, für die jener berühmt war, auch in der öffentlichen Beliebtheit übertraf. (115) °[PL 7,120] Scipio Nasica, ein ausgezeichneter Mann, wurde nicht nur durch private Zeugnisse, sondern auch durch eine feierliche Aussage des Senats als solcher eingeschätzt.± °[IG] Ja, kein würdigerer Mann als er konnte gefunden werden, den man mit der Durchführung einer besonderen Kultaufgabe betrauen konnte, als ein Orakel anmahnte, man solle die heiligen Zeremonien der Mutter der Götter aus Pessinus herbeibringen.± Beredsamkeit von Dichtern und Denkern [PL 7,109-118] (116) Unter den Römern gediehen viele in der Beredsamkeit. °[PL 7,133] Diese gute Begabung war aber nie erblich außer in der Familie der Curiones. Unter ihnen gab es drei Redner in Folge. Sicher war dies in jenem Jahrhundert etwas Großes, in dem man die Beredsamkeit bei Menschen und Göttern besonders bewunderte.± (117) Freilich stellte dann Apollo die Mörder des Dichters Archilochus bloß, und das Verbrechen der Räuber wurde vom beschuldigenden Gott aufgedeckt. (118) Und als der Lacedaemonier Lysander Athen belagerte, wo der unbestattete Leichnam des Tragödiendichters Sophocles lag, mahnte Liber Pater (Bacchus) den Lysander fortwährend in seinem Schlaf, dass er seinen Liebling zu bestatten erlauben solle. (119) Er hörte damit nicht auf, bis Lysander, nachdem er erfahren hatte, wer gestorben war und welcher Gott ihm befahl, eine Waffenruhe ausrief, damit man den großen Mann angemessen begraben könne. (120) °[IG] Den lyrischen Dichter Pindar riefen vom Ort eines Gastmahls, dem die Zerstörung bevorstand, Castor und Pollux zu sich, damit er nicht mit dem Rest zugrunde ging. Durch dieses Tun entkam allein Pindar der drohenden Gefahr.± (121) Gnaeus Pompeius Magnus muss in nächste Nähe zu den Göttern gerechnet werden. Als er vorhatte, in das Haus des Posidonius – des damals berühmtesten Weisheits-Lehrers – einzutreten, verbot er dem Lictor, an die Tür zu schlagen, wie es sonst Brauch war. Indem er die Rutenbündel senken ließ, obwohl er Sieger über den Orient war und Mithridates unterworfen hatte, gab er sich aus eigenem Willen an der Tür der Gelehrsamkeit geschlagen. (122) Schon früher einmal hatte Scipio Africanus angeordnet, dass eine Statue des Quintus Ennius in seiner Grabstätte aufgestellt werde.
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Uticensis Cato unum ex tribunatu militum philosophum, alium ex Cypria legatione Romam advexit, professus plurimum se eo facto senatui et populo contulisse, quamlibet proavus eius saepissime censuisset Graecos urbe pellendos. (123) Dionysius tyrannus vittatam navem Platoni obviam misit; ipse cum albis quadrigis egredientem in litore occurrens honoratus est. Perfectam prudentiam soli Socrati oraculum Delphicum adiudicavit. (124) Pietatis documentum nobilius quidem in Metellorum domo effulsit, sed eminentissimum in plebeia puerpera reperitur. Humilis haec atque ideo famae obscurioris cum ad patrem, qui supplicii causa claustris poenalibus continebatur, aegre obtinuisset ingressum, exquisita saepius a ianitoribus ne forte parenti cibum administraret, alere eum uberibus suis deprehensa est; (125) quae res et locum et factum consecravit; nam qui morti destinabatur, donatus filiae in memoriam tanti praeconii reservatus est; locus dicatus suo numini Pietatis sacellum est. (126) Navis a Phrygia gerula sacrorum, dum sequitur vittas castitatis, contulit Claudiae principatum pudicitiae. At Sulpicia Paterculi filia, M. Fulvii Flacci uxor, censura omnium matronarum e centum probatissimis haud temere detecta est, quae simulacrum Veneris, ut Sibyllini libri monebant, dedicaret. (127) Quod attinet ad titulum felicitatis, necdum repertus est, qui felix censeri iure debuerit; namque Cornelius Sulla dictus potius est quam fuit felix. Solum certe beatum cortina Aglaum iudicavit, qui in angustissimo Arcadiae angulo pauperis soli dominus numquam egressus paterni cespitis terminos invenitur.
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Cato Uticensis brachte aus dem Militärtribunat einen Philosophen und aus der Cyprischen Gesandtschaft einen weiteren nach Rom. Er erklärte, dass er durch diese Handlungen dem Senat und dem Volk viel geschenkt habe, selbst wenn sein Vorfahr sehr oft empfohlen hatte, dass man die Griechen aus der Großstadt (Rom) vertreiben solle. (123) Der Tyrann Dionysius sandte mit Girlanden geschmückte Schiffe aus, um Plato zu begrüßen, und er selbst ehrte ihn, indem er ihm, als er an Land ging, in einem von vier Schimmeln gezogenen Wagen entgegenkam. Die vollkommene Klugheit hat allein dem Socrates das Delphische Orakel zuerkannt. Elternliebe [PL 7,121] (124) °[IG] Für Elternliebe (pietas) glänzt ein hoch geachtetes Beispiel aus dem Haus der Metelli,± aber das prominenteste findet man im Fall einer plebeischen Frau, die kürzlich ein Kind zur Welt gebracht hatte. Diese Frau war von niederer Abstammung und deshalb von geringem Ruf. Als ihr erlaubt wurde, zu ihrem Vater zu gehen, der zur Verbüßung einer Strafe im Gefängnis saß, wurde sie oft von den Gefängniswärtern durchsucht, damit sie nicht heimlich Nahrung für ihn mitbrächte; später jedoch fand man heraus, dass sie ihn mit ihrer Brustmilch ernährt hatte. (125) Sowohl der Ort als auch die Tat wurden geheiligt. Der Vater nämlich, der zum Tod verurteilt gewesen war, wurde der Tochter übergeben und zur Erinnerung einer solchen Verherrlichung bestimmt; der Ort wurde als Heiligtum für die Göttin Pietas geweiht. Keuschheit [IG] (126) Das Schiff, das die heiligen Dinge aus Phrygia herantrug, wobei es den Girlanden der Keuschheit folgte, übertrug der Claudia den ersten Rang der Keuschheit. Aber Sulpicia (vgl. PL 7,120), die Tochter des Paterculus und Gattin des Marcus Fulvius Flaccus – sie wurde von den Matronen aus 100 der am meisten geschätzten Frauen sorgfältig ausgewählt –, wurde bestimmt, das Bild der Venus zu weihen, wozu die Sibyllinischen Bücher geraten hatten. Glück [PL 7,137] (127) Was das Erreichen von Glück angeht, hat man noch keinen Menschen gefunden, der zu Recht als glücklich angesehen wird: Man sagt, Cornelius Sulla sei glücklicher gewesen, als er tatsächlich war. °[PL 7,151] Der Dreifuß (das Orakel von Delphi) schätzte allein einen gewissen Aglaus als glücklich ein; er war der Eigentümer eines mageren Landstücks im hintersten Winkel Arcadias und hatte, wie man findet, nie die Grenzen seines Erblands verlassen.±
(II 1) De homine satis dictum habeo. Nunc, ut ad destinatum revertamur, ad locorum commemorationem stilus dirigendus est atque adeo principaliter in Italiam, cuius decus iam in urbe contigimus. (2) Sed Italia tanta cura ab omnibus dicta, praecipue M. Catone, ut iam inveniri non sit, quod non veterum auctorum praesumpserit diligentia, largiter in laudem excellentis terrae materia suppetente, dum scriptores praestantissimi reputant locorum salubritatem, caeli temperiem, ubertatem soli, aprica collium, opaca nemorum, innoxios saltus, vitium olearumque proventus, nobilia pecuaria, tot amnes, lacus tantos, bifera violaria; (3) inter haec Vesubium flagrantis animae spiritu vaporatum, tepentes fontibus Baias, colonias tam frequentes, tam assiduam novarum urbium gratiam, tam clarum decus veterum oppidorum, quae primum Aborigines Aurunci Pelasgi Arcades Siculi, totius postremo Graeciae advenae et in summa victores Romani condiderunt; ad haec laterum portuosa,
ITALIA FESTLAND
Bekanntes Lob Italias [SO] (II 1) Über den Menschen habe ich genug gesagt. Jetzt muss, damit wir zum Vorbestimmten zurückkehren, der Griffel zur Erwähnung von Stätten bewegt werden – und deshalb zuerst nach Italia, dessen Pracht wir bereits (SO I 153) in der Großstadt (Rom) berührt haben. [PL 3,41+] (2) °[IG] Freilich ist Italia schon mit solcher Sorgfalt von allen besprochen worden, insbesondere von Marcus Cato, dass es nichts gibt, was man jetzt noch finden könnte, was die Sorgfalt der alten Gewährsmänner nicht vorweggenommen hätte,± da reichlich Material für das Lob dieses ausgezeichneten Landes vorhanden ist, während die herausragendsten Autoren hervorheben die Gesundheit von Italias Gebieten, die Gemäßigtheit des Himmels (Klimas), die Fruchtbarkeit des Bodens, die Sonnenplätze der Hügel, die Schattenplätze der Haine, die ungefährlichen Gebirge, die Erzeugnisse der Weinstöcke und Ölbäume, die edlen Herden, so viele Flüsse, so große Seen, Veilchenfelder, die zweimal jährlich blühen, (3) dann den mit dem Atem eines glühenden Geistes befeuerten Vesubius, den mit Quellen warmen Ort Baiae, die so zahlreichen Kolonien, die andauernde Schönheit von neuen Großstädten, den so berühmten Glanz der alten Städte, °[PL 3,56+] die zuerst von Aborigines, Aurunci, Pelasgi, Arcades und Siculi, schließlich von den Ankömmlingen aus ganz Griechenland und zuletzt von den siegreichen Römern erbaut worden sind;± dazu die an Häfen reichen Küsten,
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orasque patentibus gremiis commercio orbis adcommodatas. (4) Verum ne prorsus intacta videatur, in ea quae minus trita sunt animum intendere haud absurdum videtur et parcius depasta levibus vestigiis inviare. (5) Nam quis ignorat vel dicta vel condita a Iano Ianiculum, a Saturno Latium atque Saturniam, a Danae Ardeam, a comitibus Herculis Polyclen, ab ipso in Campania Pompeios, qua victor ex Hispania pompam boum duxerat; (6) in Liguria quoque lapidarios campos, quod ibi eo dimicante creduntur pluvisse saxa; regionem Ionicam ab Ione Aulochi filia, quam procaciter insidentem vias Hercules ut ferunt interemit; Archippen a Marsya rege Lydorum, quod hiatu terrae haustum dissolutum est in lacum Fucinum; (7) ab Iasone templum Iunonis Argivae; a Pelopidis Pisas; a Cleolao Minois filio Daunios; Iapygas ab Iapyge Daedali filio; Tyrrhenos a Tyrrheno Lydiae rege; Coram a Dardano; Agyllam a Pelasgis, qui primi in Latium litteras intulerunt; ab Haleso Argivo Faliscam; a Falerio Argivo Falerios; Fescenninum quoque ab Argivis; portum Parthenium a Phocaensibus; Tibur, sicut Cato facit testimonium, a Catillo Arcade praefecto classis Evandri; sicut Sextius, ab Argiva iuventute? (8) Catillus enim Amphiarai filius, post prodigialem patris apud Thebas interitum, Oeclei avi iussu cum omni fetu ver sacrum missus tres liberos in Italia procreavit, Tiburtum Coram Catillum, qui depulsis 1 veteribus Sicanis a nomine Tiburti fratris natu maximi urbem vocaverunt.
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ex oppido Siciliae induxit Salmasius 1629, 13, includit Mommsen in textum, del. Lapini 1998, 474-477; Siciliae solum del. Fernández Nieto 2001, 92.
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die Küsten mit ihren offenen Buchten, die für den Handel mit der Welt geeignet sind. Weniger Vertrautes [IG] (4) Damit es aber nicht so scheint, als ob ich Italia völlig unberührt gelassen habe, scheint es keineswegs absurd, sich mit den Dingen zu befassen, die weniger vertraut sind, und durch jene Gebiete zu reisen, die seltener untersucht worden sind. (5) Wer weiß denn nicht, dass benannt oder gegründet wurden von Ianus Ianiculum, von Saturnus Latium und Saturnia, °[PL 3,56] von Danaë Ardea,± von den Gefährten des Hercules Polycles, von ihm selbst in Campania Pompeii, wo er nach seinen Siegen in Hispania den Zug seiner Rinder geführt hatte, (6) in Liguria auch die steinigen Ebenen, weil es, als er dort kämpfte, Steine geregnet habe, wie man glaubt, das ionische Gebiet von Io, der Tochter des Aulochus, die, als sie sich unverschämt auf die Straße setzte, Herakles erschlagen haben soll, °[PL 3,108] Archippe von Marsyas, dem König der Lyder, später dadurch zerstört, dass es in einer Öffnung im Boden in den Fuciner See verschlungen wurde,± °[PL 3,70] (7) von Iason der Tempel der Argivischen Iuno,± °[PL 3,50] von den Pelopiden Pisae,± von Cleolaus, dem Sohn des Minos, die Daunii, °[PL 3,102] die Iapygi von Iapyx, dem Sohn des Daedalus,± °[PL 3,50] die Tyrrheni von Tyrrhenus, dem König von Lydia,± °[PL 3,63] Cora von Dardanus,± °[PL 3,51] Agylla von den Pelasgern,± °[PL 7,193] die als erste die Buchstaben nach Latium brachten,± °[PL 3,51+] von dem Argiver Halesus Falisca, von dem Argiver Falerius Falerii,± Fescennium ebenfalls von den Argivi, °[PL 3,72] der Hafen von Parthenius von den Phocaeenses,± Tibur – wie Cato bezeugt – von dem Arcader Catillus, dem Präfekten der Flotte des Evander (s. o. SO I 1), oder, wie Sextius angibt, durch die Jugend von Argos? (8) Catillus war der Sohn des Amphiaraus. Nach dem verhängnisvollen Tod seines Vaters in Theben wurde er auf Geheiß seines Großvaters Oecleus als ver sacrum (Opfer einer Kultpraxis) mit allen seinen Kindern fortgeschickt. In Italia zeugte er drei weitere Kinder: Tiburtus, Coras und Catillus; sie nannten nach Vertreibung der alten Sicani die Großstadt nach dem Namen des ältesten Bruders, Tiburtus.
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Mox in Bruttiis ab Ulixe extructum templum Minervae. (9) Insula Ligea* appellata ab eiecto* ibi corpore Sirenis ita nominatae; Parthenope a Parthenopae Sirenis sepulcro, quam Augustus postea Neapolim esse maluit; Praeneste, ut Zenodotus, a Praeneste Ulixis nepote Latini filio; ut Praenestini sonant libri, a Caeculo, quem iuxta ignes fortuitos invenerunt, ut fama est, Digoidiorum sorores. (10) Notum est a Philoctete Petiliam constitutam, Arpos et Beneventum a Diomede, Patavium ab Antenore, Metapontum a Pyliis, Scylaceum ab Atheniensibus, Sybarim a Troezeniis et a Sagari Aiacis Locrii filio, Sallentinos a Lyctiis, Anconam a Siculis, Gabios a Galatio et Bio Siculis fratribus, ab Heraclidis Tarentum, insulam Tempsam ab Ionibus, Paestum a Dorensibus, a Myscello Achaeo Crotonam, Regium ab Chalcidensibus, Cauloniam et Terinam a Crotoniensibus, a Nariciis Locros, Heretum a Graecis in honorem Herae – sic enim Iunonem Graeci vocant –, Ariciam ab Archilocho Siculo, unde et nomen, ut Heminae placet, tractum. (11) Hoc in loco Orestes oraculo monitus simulacrum Scythicae Dianae, quod de Taurica extulerat, prius quam Argos peteret consecravit. A Zanclensibus Metaurum locatum, a Locrensibus Metapontum1 quod nunc Vibo dicitur, Bocchus absolvit. Gallorum veterum propaginem Umbros2 esse M. Antonius refert; hos eosdem, quod tempore aquosae cladis imbribus superfuerint, Umbrios Graece nominatos.
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Hypontum P2, Hipponium cum Salmasio Fernández Nieto 2001, 92-93. Ombrios ci. Fernández Nieto 2001, 92-93.
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Bald danach wurde bei den Bruttii von Ulixes (Odysseus) der Tempel der Minerva erbaut. (9) Die Insel Ligea wird so genannt, weil der Leichnam einer Sirene dieses Namens dort an Land geworfen wurde. °[PL 3,62+] Parthenope, das Augustus später als „Neapolis“ benannt zu werden vorzog, nahm seinen Namen nach der Grabstätte der Sirene Parthenopa, die an diesem Platz gelegen ist,± Praeneste, wie Zenodotus schreibt, nach Praenestus, dem Enkel des Ulixes (Odysseus) und Sohn des Latinus; wie die Bücher der Praenestini angeben, von Caeculus, über den der Sage nach aber die Schwestern der Digoidii durch ein zufälliges Feuer herfielen. Bekanntes [IG] (10) Es ist bekannt, dass Petilia von Philoctetes gegründet wurde, Arpi (vgl. PL 3,104) und Beneventum von Diomedes, Patavium von Antenor, Metapontum von den Pylii, °[PL 3,95] Scylaceum von den Athenern,± Sybaris von den Troezenii und von Sagaris, dem Sohn des Lokrischen Aias, das Land der Sallentini von den Lyctii, °[PL 3,111] Ancona von den Siculi,± Gabii von den siculischen Brüdern Galatius und Bius, von den Heraclidi Tarentum, die Insel Tempsa von den Ionii, Paestum von den Dorern, Kroton von dem Achaeer Myscellus, Regium von den Chalcidenses, Caulonia °[PL 3,72] und Terina von den Crotonieneses,± von den Naricii Locri, Heretum von den Griechen zu Ehren der Hera – so nennen die Griechen ja die Iuno –,E Aricia durch den Siculer Archilochus, von dem – wie es Hemina zu sagen gefällt – der Name abgeleitet wurde. (11) An diesem Ort weihte Orestes, von einem Orakel ermahnt, das Bild der scythischen Diana, das er aus Taurica fortgetragen hatte, bevor er sich nach Argos aufmachte. Von den Zanclenses wurde Metaurum gegründet, von den Locrenses Metapontum, das – wie Bocchus behauptet – jetzt „Vibo“ genannt wird, während Marcus Antonius berichtet, dass die Umbrii von den alten Galliern abstammen, °[PL 3,112] und diese, weil sie in der Zeit der schrecklichen Überschwemmung die Flut überlebt hatten, auf Griechisch „Umbrii“ (griech. ombrios: „regnerisch“) genannt wurden.E
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(12) Liciniano placet a Messapo Graeco Messapiae datam originem, versam postmodum in nomen Calabriae, quam in exordio Oenotri frater Peucetius Peucetiam nominaverat. (13) {Par sententia est inter auctores}a gubernatore Aeneae appellatum Palinurum, a tubicine Misenum, a consobrina Leucosiam* insulam ×inter omnes perspicue convenit×1; a nutrice Caietam*, ab uxore Lavinium, quod post Troiae excidium, sicuti Cosconius perhibet, quarto anno extructum est. (14) Nec omissum sit Aenean aestate ab Ilio capto secunda Italicis litoribus adpulsum, ut Hemina tradit, sociis non amplius sescentis, in agro Laurenti posuisse castra; ubi dum simulacrum, quod secum ex Sicilia advexerat, dedicat Veneri matri quae Frutis dicitur, a Diomede Palladium suscepit, tribusque mox annis cum Latino regnat socia potestate, quingentis iugeribus ab eo acceptis; (15) quo defuncto summam biennio adeptus apud Numicium parere desiit anno septimo. Patris Indigetis ei nomen datum. (16) Deinde constituta ab Ascanio longa Alba, Fidenae, Aricia; Nola a Tyriis, ab Euboensibus Cumae. Ibidem Sibyllae sacellum est, sed eius quae rebus Romanis quinquagesima olympiade interfuit cuiusque librum ad Cornelium usque Sullam pontifices nostri consulebant; (17) tunc enim una cum Capitolio igni absumptus est; nam priores duo, Tarquinio Superbo parcius pretium offerente quam postulabatur, ipsa exusserat. huius sepulcrum in Sicilia adhuc manet. (18) Delphicam autem Sibyllam ante Troiana bella vaticinatam Bocchus autumat, cuius plurimos versus operi suo Homerum inseruisse manifestat. Hanc Herophilen Erythraea annis aliquot intercedentibus insecuta est Sibyllaque appellata est de scientiae parilitate, quae inter alia magnifica Lesbios amissuros imperium maris multo ante praemonuit quam id accideret. Ita Cumanam tertio fuisse post has loco ipsa aevi series probat.
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par sententia est inter auctores add. et inter omnes perspicue convenit del. editio altera; non accipit Mommsen, probat Macé 1888, 517 et 1899, 186.
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(12) °[PL 3,99+] Es gefällt Licinianus zu sagen, dass der Name „Messapia“ ursprünglich von dem Griechen Messapus dem Gebiet gegeben wurde,E das später „Calabria“ genannt wurde; am Anfang hatte Peucetius, der Bruder des Oenotrus, es „Peucetia“ genannt.± (13) Zwischen den Gewährsmännern besteht Übereinstimmung in der Meinung, dass Palinurus nach dem Steuermann des Aeneas benannt wurde,E Misenum nach seinem Trompeter und die Insel Leucosia nach seiner Cousine. Caieta wurde nach der Amme des Aeneas benannt und Lavinium, das – wie Cosconius festhält – im 4. Jahr der Einnahme von TrojaZ erbaut wurde, nach seiner Frau. Sonstiges [IG] (14) Es soll nicht übergangen werden, dass Aeneas im 2. Jahr nach der Einnahme von TrojaZ an italischen Küsten mit nicht mehr als 600 Begleitern landete, wie Hemina überliefert. Er stellte sein Lager im Laurentinischen Gefilde auf. Hier widmete er ein Bild, das er aus Sicilia mitgebracht hatte, seiner Mutter Venus, die „Frutis“ genannt wird, erhielt von Diomedes das Palladium und herrschte drei Jahre lang gemeinsam mit Latinus, nachdem er 500 IugeraM Land von ihm erhalten hatte. (15) Nach dessen Tod herrschte Aeneas zwei Jahre lang allein und verschwand dann im siebten Jahr am Fluss Numicius. Der Name „Pater Indiges“ wurde ihm gegeben. (16) Danach gründete Ascanius Alba Longa, Fidenae und Aricia; Nola wurde von den Tyrii (gegründet), von den Euboenses (s. u. SO XI 24) Cumae. Eben dort ist das Heiligtum der Sibylle, die an römischen Angelegenheiten in der 50. OlympiadeZ beteiligt war °[PL 13,88] und deren Buch von unseren Priestern bis in die Zeit von Cornelius Sulla befragt wurde; (17) dann wurde das Buch – zusammen mit dem Kapitol (s. o. SO I 12) – durch ein Feuer verzehrt. Die zwei vorherigen Bücher hatte die Sibylle selbst verbrannt, als Tarquinius Superbus (s. o. SO I 26) ihr einen geringeren Preis anbot, als sie erbeten hatte.± Ihre Grabstätte bleibt bis heute in Sicilia. (18) Dass die delphische Sibylle vor den trojanischen Kriegen Prophezeiungen machte, behauptet Bocchus und erklärt, dass Homerus sehr viele ihrer Verse in sein Werk eingefügt habe. Dieser Herophile folgte nach einiger Zwischenzeit die Erythraea und wurde wegen der Ähnlichkeit ihrer Talente ebenfalls Sibylle genannt; unter vielen anderen großartigen Dingen sagte sie auch warnend vorher, dass die Lesbii die Seeherrschaft verlieren würden, lange bevor dies eintrat. So zeigt die Abfolge der Zeit selbst, dass die Cumaeische Sybille die dritte war.
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(19) Ergo Italia, in qua Latium antiquum antea a Tiberis ostiis ad usque Lirim amnem pertinebat, universa consurgit a iugis Alpium, porrecta ad Reginum verticem et litora Bruttiorum, quo in maria meridiem versus protenditur. (20) Inde procedens paulatim se Appennini montis dorso attollit, extenta inter Tuscum et Adriaticum, id est inter supernum mare et inferum, similis querneo folio, scilicet proceritate amplior quam latitudine. (21) Ubi longius abiit, in cornua duo scinditur, quorum alterum Ionium spectat aequor, alterum Siculum; inter quas prominentias non uno margine accessum insinuati freti recipit, sed linguis proiectis saepius ac procurrentibus distinctum promunturiis pelagus accipit, (22) ibi, ut obvia sparsim notemus, arces Tarentinae, Scylacea regio cum Scyllaeo oppido et Crateide flumine Scyllae matre, ut vetustas fabulata est, Regini saltus, Paestanae valles, Sirenum saxa, amoenissimus Campaniae tractus, Phlegraei campi, Circae domus Tarracina insula ante circumflua inmenso mari, nunc aevo nectente addita continenti diversamque fortunam a Reginis experta, quos fretum medium a Siculis vi abscidit, Formiae etiam Laestrygonibus habitatae, multa praeterea pollentissimis ingeniis edissertata, quae praeterire quam inferius exequi tutius duximus.
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Land und Meer Grenzen und Gestalt [ME 2,58] (19) Italia also – °[PL 3,56] das alte Latium reichte hier einst von der TiberMündung bis zum Liris-Fluss± – entspringt als Ganzes am Kamm der Alpen und reicht bis zum Kap von Reginum und den Küsten der Bruttier, wo es sich zu den Meeren nach Süden ausstreckt. (20) Darauf geht es weiter, wobei es sich selbst allmählich zum Appennin-Rücken erhebt. Es erstreckt sich zwischen dem Tuscischen und dem Adriatischen Meer, also zwischen dem oberen und dem unteren. [PL 3,43] In seiner Gestalt ähnelt es einem Eichenblatt, nämlich in der Länge größer als in der Breite. [ME 2,58 und 68] (21) Wo Italia weiter entfernt verläuft, wird es in zwei Hörner gespalten, von denen eines das Ionische und das andere das Siculische Meer ansieht. Zwischen diesen Vorsprüngen nimmt es nicht mit nur einem Rand den Zulauf des sich anschmiegenden Golfs auf, sondern lässt mit jeweils einzeln vorspringenden Vorgebirgen die See ein. [IG] (22) Dort gibt es, damit wir das auf dem Weg liegende hier und da notieren, die Festungen von Tarentum, °[PL 3,73] das Gebiet von Scylacea mit der Stadt Scyllaeum und dem Fluss Crateis – die Mutter von Scylla, wie eine Sage aus alter Zeit besagt –,± die Waldgebirge von Reginum, die Täler von Paestum, die Felsen der Sirenen, die lieblichen Gegenden von Campania, die Phlegraeischen Felder, °[PL 3,57] das Haus der Circe, Tarracina, das einst eine Insel war, die vom grenzenlosen Meer umflossen war, jetzt aber nach langer Zeit mit dem Festland verbunden ist± °[PL 3,68] und damit ein dem der Regini entgegengesetztes Geschick erfuhr, die das Meer, indem es selbst eindrang, gewaltsam von den Siculi trennte,± °[PL 3,59] Formiae, das von den Laestrygones bewohnt wurde,± °[SO] und viel mehr daneben, das von sehr fruchtbaren Geistern erforscht ist und das wir deshalb am ehesten übergehen wollten, um so nicht das Risiko einzugehen, es auf eine eher unbefriedigende Weise zu verfolgen.±
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(23) Verum Italiae longitudo, quae ab Augusta Praetoria per urbem Capuamque porrigitur usque ad oppidum Regium, decies centena et viginti milia passuum colligit, latitudo ubi plurimum quadringenta decem, ubi minimum centum triginta sex; artissima est ad portum quem Hannibalis castra dicunt, neque enim excedit quadraginta milia; umbilicum, ut Varro tradit, in agro Reatino habet. At in solidum spatium circuitus universi vicies centena* quadraginta novem sunt. (24) In quo ambitu adversa Locrensium fronte ortus a Gadibus finitur Europae sinus primus; nam secundus a Lacinio auspicatus in Acroceraunio metas habet. (25) Ad haec Italia Pado clara est, quem mons Vesulus superantissimus inter iuga Alpium gremio suo fundit, visendo fonte in Ligurum finibus, unde se primum Padus proruit summersusque cuniculo rursus in agro Vibonensi extollitur, nulli amnium inferior claritate, a Graecis dictus Eridanus. Intumescit ex ortu canis tabefactis nivibus et liquentibus brumae pruinis auctusque aquarum accessione triginta flumina in Adriaticum defert mare. (26) Memorabilibus inclutum et insigniter per omnium vulgatum ora, quod perpaucae familiae sunt in agro Faliscorum quos Hirpos vocant. Hi sacrificium annuum ad Soractis montem Apollini faciunt; ad operantes gesticulationibus religiosis impune exultant ardentibus lignorum struibus, in honorem divinae rei flammis parentibus. cuius devotionis mysterium munificentia senatus honorata Hirpis perpetuo consulto omnium munerum vacationem dedit.
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Länge, Breite, Nabel [PL 3,43-44] (23) Die Länge Italias, das sich von Augusta Praetoria durch die Großstadt (Rom) und Capua bis hin zur Stadt Regium erstreckt, beträgt 1020 MeilenM. Die Breite ist am weitesten Ort 410 MeilenM und am schmalsten 136 MeilenM. °[PL 3,95] Der schmalste Teil ist tatsächlich in der Nähe des Hafens, der „Hannibalis castra“ („Hannibals Lager“) genannt wird, denn dort wird es nicht breiter als 40 MeilenM.± °[PL 3,109] Der Nabel Italias ist – wie Varro dargelegt hat – im Reatinischen Gefilde.± °[PL 3,44] Aber an ununterbrochener Distanz ist der Umfang des Ganzen 2049 MeilenM.± Gewässer: Erster und Zweiter Golf, Padus [PL 3,95-97] (24) In diesem Umkreis hat der erste Golf Europas, °[PL 3,3] der bei Gades begonnen hat,± sein Ende und blickt zum Anfang des Landes des Locrenses; der zweite, der bei Lacinium begonnen hat, hat seine Wendemarken bei Acroceraunium. [PL 3,117-118] (25) Italia ist wegen des Flusses Padus berühmt, den Vesulus, der höchste Berg, aus seinem Schoß unter den Kämmen der Alpen ausgießt. Der Padus (Po) springt zuerst aus dieser Quelle hervor, die man an den Grenzen von Liguria sehen kann, taucht dann in einem unterirdischen Tunnel ab und kommt danach im Gefilde von Vibo wieder hervor. Der Padus ist an Berühmtheit nicht geringer als jeder andere Fluss und wird von den Griechen „Eridanus“ genannt. Er schwillt an seiner Quelle beim Steigen des Hunds-SternsS an, und zwar mit der Schneeschmelze und der Auflösung des Winterreifs, wird durch den Zustrom anderen Wassers vermehrt und trägt 30 Flüsse ins Adriatische Meer.
Bemerkenswertes Berühmtes [PL 7,19] (26) Unter anderen bemerkenswerteren Dingen ist das Folgende berühmt und mit großer Wirkung durch aller Mund besprochen: Es gibt einige wenige Familien im Gefilde der Falisci, die Hirpus heißen. Sie veranstalten alljährlich ein Opfer für Apollo auf dem Berg Soracte, in dessen Lauf sie mit Gesten der Kultpraxis unbeschadet in brennenden Holzhaufen tanzen, da die Flammen der Gottheit gehorchen. Der Senat hat das Geheimnis ihrer Hingabe in großartiger Weise geehrt, indem er die Hirpi mit einem Dauerbeschluss die Freiheit von allen Abgaben gewährt hat.
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(27) Gentem Marsorum serpentibus inlaesam esse nihil mirum; a Circae filio genus ducunt et de avita potentia deberi sibi sciunt serbitium venenorum; ideo venena contemnunt. (28) C. Coelius1 Aeetae tres filias dicit Angitiam Medeam Circen; Circen Circeios insedisse montes, carminum maleficiis varias imaginum facies mentientem; (29) Angitiam vicina Fucino occupavisse ibique salubri scientia adversus morbos resistentem, cum dedisset homines vivere, deam habitam; (30) Medeam ab Iasone Buthroti sepultam filiumque eius Marsis imperasse. (31) Sed quamvis Italia habeat hoc praesidium familiare, a serpentibus non penitus libera est. (32) Denique Amunclas, quas Amyclas ante Graeci condiderant, serpentes fugavere. Illic frequens vipera insanabili morsu; brevior haec ceteris quas in aliis advertimus orbis partibus ac propterea, dum despectui est, facilius nocet. (33) Calabria chersydris frequentissima et boas gignit, quem anguem ad inmensam molem ferunt convalescere. Captat primo greges bubulos et quae plurimo lacte rigua bos est, eius se uberibus innectit, suctuque continuo saginata longo in saeculo ita fellebri satietate ultimo extuberatur, ut obsistere magnitudini eius nulla vis queat, postremo depopulatis animantibus regiones quas obsederit cogit ad vastitatem. (34) Divo Claudio principe, ubi Vaticanus ager est, in alvo occisae boae spectatus est solidus infans.
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Gellius ci. Fernández Nieto 2001, 93.
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[PL 7,15] (27) Dass der Stamm der Marsi gegen Schlangenbisse widerstandsfähig ist, ist nicht verwunderlich: Sie betrachten ihre Familie als vom Sohn der Circe abstammend; wegen dieser ererbten Kraft wissen sie, dass sie Gifte unterdrücken sollten. Deshalb schätzen sie Gifte gering. [IG] (28) Gaius Coelius sagt, dass Aeëtes drei Töchter hatte: Angitia, Medea und Circe: Circe habe sich in den Circeïschen Bergen niedergelassen und mit bösen Zaubersprüchen verschiedene Gespensterbilder erlogen. (29) Angitia habe die Nachbarschaft von Fucinus besetzt und sei dort, weil sie mit heilsamer Weisheit gegen Krankheiten Widerstand leistete, womit sie den Menschen Leben gab, als Göttin betrachtet worden, (30) Medea sei von Iason in Buthrotum bestattet worden und ihr Sohn habe über die Marsi geherrscht. Tiere [IG] °[SO] (31) Aber obwohl Italia diesen vertrauten Schutz hat, ist es nicht völlig frei von Schlangen:± °[PL 3,59 und 8,104] (32) Tatsächlich wurden die Einwohner von Amunclae, das die Griechen zuvor als Amyclae gebaut hatten, aus ihrer Großstadt von Schlangen (serpentes) vertrieben.± Es gibt in Italia zahlreiche Giftschlangen (vipera) mit unheilbaren Bissen. Sie sind kürzer als diejenigen, die in anderen Teilen der Welt gefunden werden; sie schaden umso leichter, weil sie aus diesem Grund gering geschätzt werden. (33) Calabria ist voll von Wasserschlangen (chersydrae) und bringt die Boae hervor; diese ist eine Art Schlange, von der man sagt, dass sie zu einer gewaltigen Größe anwächst. Erstens jagt sie Viehherden und hängt sich am Euter jeweils der Kuh mit dem größten Milchfluss fest. Durch das dauernde Saugen gesättigt schwillt sie zu einem solchen Sättigungsgrad an, dass keine Kraft mehr im Stande ist, ihrer Größe zu widerstehen. Hat sie die Tiere verheert, bringt sie die Gebiete, von denen sie Besitz ergriffen hat, zur Verwüstung. (34) °[PL 8,37] Im Principat des vergöttlichten Claudius kam im Bauch einer Boa, die dort, wo das Vaticanische Gefilde ist, getötet worden war, ein ganzes Kind ans Licht.±
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(35) Italia lupos habet quod cum ceteris simile non sit, homo quem prius viderit conticescit, et anticipatus obtutu nocentis, licet clamandi votum habeat, non habet vocis ministerium. (36) Sciens de lupis praetereo multa: spectatissimum illud est. Caudae animalis huius villus amatorius inest perexiguus, quem spontivo damno abicit, cum capi metuit; nec habet potentiam, nisi viventi detrahatur. Coeunt lupi toto anno non amplius dies duodecim. Vescuntur in fame terram. (37) At hi quos cervarios dicimus, quamvis post longa ieiunia repertas aegre carnes mandere coeperint, ubi quid casu respiciant obliviscuntur, et inmemores praesentis copiae eunt quaesitum quam reliquerint satietatem. (38) In hoc animalium genere numerantur et lynces, quarum urinas coire in duritiem pretiosi calculi fatentur qui naturas lapidum exquisitius sunt persecuti. Istud etiam ipsas lynces persentiscere hoc documento probatur, quod egestum liquorem ilico harenarum tumulis quantum valent contegunt, invidia scilicet ne talis egeries transeat in nostrum usum. (39) Ut Theophrastus perhibet. lapidi isti ad sucinum color est, pariter spiritu adtrahit propinquantia, dolores renum placat, medetur regio morbo, lyncurium Graece dicitur. (40) Cicadae apud Reginos mutae, nec usquam alibi*; quod silentium miraculo est, nec inmerito, cum vicinae quae sunt Locrensium ultra ceteras sonent. Causas Granius tradit, cum obmurmurarent illic Herculi quiescenti, deum iussisse ne streperent; itaque ex eo coeptum silentium permanere. (41) Ligusticum mare frutices procreat, qui quantisper fuerint in aquarum profundis, fluxi sunt tactu prope carnulento; deinde ubi in supera tolluntur natalibus derogati saxis lapides fiunt; nec solum qualitas illis sed et color vertitur; nam puniceo protinus erubescunt.
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[PL 8,80-84] (35) Italia hat Wölfe; wenn der Wolf auch nicht mit den anderen ähnlich ist, wird der Mensch, den der Wolf als erster erblickt, stumm: Durch den Blick des Schädlings gefesselt, kann er, auch wenn er die Möglichkeit zu schreien hätte, nicht mehr über seine Stimme verfügen. (36) Ich übergehe vieles von dem, was ich über Wölfe weiß – das Spektakulärste ist folgendes: Am Schwanz dieses Tieres ist eine sehr kleine Zotte als Liebeselixier. Wenn der Wolf nach einer Verletzung fürchtet, gefangen zu werden, wirft er diese bereitwillig ab; sie hat aber nicht diese Kraft, wenn sie nicht vom lebenden Tier abgezogen wird. Wölfe paaren sich an nicht mehr als zwölf Tagen pro Jahr. Bei Hunger fressen sie Erde. (37) Wenn die Wesen, die wir Cervarii nennen, nach langem Hunger wieder Fleisch fressen, beginnen sie unter Schmerzen zu kauen und vergessen ihre Nahrung, so sie unerwartet etwas anderes erblicken. Den gegenwärtigen Überfluss missachtend suchen sie nach der Sattheit, die sie zurückließen. [PL 37,52-53] (38) Luchse werden zu dieser Art von Tieren gezählt. Der Urin des Luchses sammelt sich und verhärtet sich zu Edelsteinen, wie diejenigen sagen, die die Natur von Steinen genauer untersucht haben. Dass dies den Luchsen selbst bekannt ist, wird durch folgenden Beleg bewiesen: Wenn sie Flüssigkeit absondern, decken sie sie, soweit sie können, sofort mit kleinen Sandhügeln zu. Zweifellos tun sie dies aus Missgunst, damit ihre derartige Ausscheidung uns nicht nützlich sein kann. (39) Wie Theophrastus festhält, haben diese Steine die Farbe von Bernstein. Die Substanz zieht durch einen Atem Dinge an, die in der Nähe liegen. Sie heilt Nierenschmerzen und wirkt gegen die Gelbsucht; sie wird auf Griechisch „Lyncurium“ („Luchs-Urin“) genannt.E [PL 11,95] (40) Die Zikaden sind bei den Reginern, sonst aber nirgenwo still. Dieses Schweigen ist ein Wunder und darf nicht beklagt werden, da die benachbarten Zikaden aus Locri mehr Lärm machen als der ganze Rest. °[IG] Granius gibt den Grund für ihr Schweigen an: Als sie gegen HerculesG, der sich dort ausruhte, zirpten, befahl der Gott ihnen, keinen so lauten Lärm zu machen. Von da an ist das damals begonnene Schweigen geblieben.± Pflanzen [PL 32,22-23+] (41) Das Ligustische Meer bringt Büsche (Korallen) hervor, die unabhängig davon, wie lange sie in den Tiefen des Wassers gewesen sind, üppig und bei Berührung fleischartig sind. Werden sie von ihren heimatlichen Felsen entfernt und in die obere Welt gezogen, so werden sie zu Steinen. Nicht nur ihre Qualität, sondern auch ihre Farbe verändert sich, denn sie werden sofort
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Ramuli sunt, quales arboris visimus, ad semipedem frequentius longi; rarum est pedaneos deprehendi. Excluduntur ex illis multa gestamina. (42) Habet enim, ut Zoroastres ait, materia haec quandam potestatem, ac propterea quidquid inde sit, ducitur inter salutaria. (43) Curallium alias dicunt: nam Metrodorus gorgiam nominat. Idem quod resistat typhonibus et fulminibus adfirmat. Eruitur gemma in parte Lucaniae facie adeo iucunda, ut languentes intrinsecus stellas et sub nubilo renidentes perfundat color croceus. Ea quoniam in litore Syrtium inventa primum est, Syrtitis vocatur. (44) Est et Veientana a loco dicta, cui nigricolor facies propria, quam ad gratiam varietatis limites albi intersecant notis candicantibus. (45) Insula quae Apuliae oram videt tumulo ac delubro Diomedis insignis est et Diomedeas aves sola nutrit; nam hoc genus alitis praeterquam ibi nusquam gentium est, idque solum poterat memorabile iudicari, nisi accederent non omittenda. Forma illis paene quae fulicis, color candidus, ignei oculi, ora dentata; (46) congreges volitant nec sine ratione pergendi; duces duo sunt, qui regunt cursum: alter agmen anteit alter insequitur; ille ut ductu certum iter dirigat, hic ut instantia urgeat tarditatem. Haec in meantibus disciplina est. (47) Cum fetificum adest tempus, rostro scrobes excavant, deinde surculis inversum superpositis imitantur texta cratium; sic contegunt subtercavata et ne operimenta si* desint, forte lignorum cassa venti auferant, hanc struicem premunt terra quam egesserant cum puteos excitarent. (48) Sic nidos moliuntur bifori accessu, nec fortuitu, adeo ut ad plagas caeli metentur exitus vel ingressus; aditus qui dimittit ad pastus in ortum destinatur, qui excipit revertentes versus occasui est, ut lux et morantes excitet et receptui non denegetur. Levaturae alvum
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karminrot. Ihre kleinen Zweige sind so, wie wir sie auf Bäumen sehen, meistens bis zu ½ FußM lang; es ist selten, einen 1 FußM langen zu finden. Aus diesen Pflanzen werden viele Schmuckstücke gemacht. (42) Wie Zoroastres sagt, hat diese Substanz tatsächlich eine Art Kraft. Deshalb wird sie, was auch immer aus ihr kommen mag, für gesund gehalten. (43) °[PL 37,164+] „Curallium“ sagt man auch dazu, Metrodorus nennt sie „Gorgia“. Derselbe versichert auch, dass sie Wirbelstürmen und Blitzschlägen widersteht.± Steine [PL 37,182-184] Ausgegraben wird ein Edelstein in einem Teil von Lucania mit einem so angenehmen Erscheinungsbild, dass in ihm eine safrangelbe Farbe Sterne schwebend und unter einer Wolke glitzernd durchscheinen lässt. Da er zuerst an den Küsten der Syrten entdeckt wurde, nennt man ihn „Syrtitis.“E (44) Es gibt auch die Veientana, die so nach ihrem Fundort benannt werden. Die eigene Farbe des Steins ist schwarz und wird in einem schönen Kontrast von weißlichen Linien durchzogen. Vögel des Diomedes [PL 10,126-127] (45) Eine Insel, die Apulias Küste sieht, ist wegen des Grabhügels und des Heiligtums von Diomedes berühmt und ernährt als einzige die Vögel des Diomedes; diese Art von Vögeln gibt es außer dort nirgendwo bei den Stämmen, und das allein könnte man als bemerkenswert einschätzen, wenn nicht andere Dinge dazukämen, die nicht zu übergehen sind: Ihre Gestalt ist fast dieselbe wie die eines Blässhuhns, die Farbe weiß, glühend die Augen, die Schnäbel gezähnt; (46) sie fliegen in Schwärmen, nicht ohne ein System des Vorankommens: Es gibt zwei Anführer, die den Kurs bestimmen; einer fliegt vor der Schar, der andere dahinter; ersterer tut dies, um mit seiner Führung den sicheren Weg zu lenken, zweiterer, um die Langsamen anzutreiben. Das ist die Systematik ihres Fliegens. (47) Wenn die Zeit für die Befruchtung kommt, graben sie mit ihren Schnäbeln Gräben und legen Zweige über sie, wobei sie das Flechtwerk von Körben nachahmen. So decken sie den unten ausgehöhlten Raum zu, und damit nicht, wenn diese Abdeckungen fehlen, die Holzhöhlen von einem unerwarteten Wind weggetragen werden, drücken die Vögel den von ihnen bei ihren Grabungen ausgehobenen Erdhaufen fest. (48) So bauen sie ihre Nester mit je zwei Zugängen, und zwar nicht zufällig, sondern so, dass sie Ausgänge und Eingänge an den Himmelsregionen ausrichten: der Zugang, der sie zu den Nahrungsgebieten entlässt, weist nach Sonnenaufgang, der, der sie beim Ruhen empfängt, nach Sonneruntergang, so dass sie das Licht weckt und ihnen ihren Rückweg nicht verweigert. Zur Entleerung ihrer Bäuche
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adversis flatibus subvolant, quibus proluvies longius auferatur. Iudicant inter advenas: (49) qui Graecus est propius accedunt et quantum intellegi datur ut civem blandius adulantur, si quis erit gentis alterius, involant et inpugnant. Aedem sacram omni die celebrant studio eiusmodi: aquis imbuunt plumas alisque inpendio madefactis confluunt rorulentae; ita aedem excusso umore purificant; tunc pinnulis superplaudunt, inde disceditur quasi peracta religione. (50) Ob hoc ferunt Diomedis socios aves factos. Sane ante adventum Aetoli ducis nomen Diomedeae non habebant, inde sic dictae. (51) Italicus excursus per Liburnos, quae gens Asiatica est, procedit in Dalmatiae pedem, Dalmatia in limitem Illyricum, in quo sinu Dardani sedes habent, homines ex Troiana prosapia in mores barbaros efferati. (52) At ex altera parte per Ligurum oram in Narbonensem provinciam pergit, in qua Phocaenses quondam fugati Persarum adventu Massiliam urbem olympiade quadragesima quinta condiderunt. (53) Et C. Marius bello Cimbrico factis manu fossis invitavit mare, perniciosamque ferventis Rodani navigationem temperavit; qui amnis praecipitatus Alpibus primo per Helvetios ruit, occursantium aquarum agmina secum trahens, auctuque magno ipso quod invadit freto turbulentior, nisi quod fretum ventis excitatur, Rodanus saevit et cum serenum est, atque ideo inter tres Europae maximos fluvios et hunc computant. (54) Aquae quoque Sextiae illic obclaruerunt, quondam hiberna consulis, postea excultae moenibus; quarum calor olim acrior exhalatus per tempora evaporavit nec iam par est famae prioris. Si Graecias cogitemus, praestat respicere litus Tarentinum; unde a promunturio, quod Acran Iapygiam vocant, Achaiam destinantibus citissima navigatio est.
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fliegen sie aufwärts den Winden entgegen; so können ihre Körperausscheidungen weiter weg von ihnen geblasen werden. Sie unterscheiden zwischen Besuchern: (49) Wer Grieche ist, kann näher zu ihnen kommen, und so weit man es verstehen kann, schwänzeln sie schmeichelnd um sie als ihre Mitbürger; wer aus einem anderen Stamm ist, dem fliegen sie entgegen und greifen ihn an. Das Heiligtum besuchen sie jeden Tag, und ihr Eifer nimmt folgende Form an: Mit Wasser benetzen sie ihre Federn und mit den eingeweichten Flügeln fliegen sie in einem Schwarm; so reinigen sie durch Abschütteln der Feuchtigkeit das Heiligtum. Dann klatschen sie ihre Flügel aneinander und fliegen fort, als ob sie ihre Kultpraxis vollendet haben. (50) Aus diesem Grund also sind, wie man sagt, diese Vögel die Begleiter des Diomedes gewesen. Sicher wurden sie vor der Ankunft des aetolischen Anführers nicht mit dem Namen von Diomedes bezeichnet, aber von da an sind sie so genannt worden.
Ausgänge nach Dalmatia, Narbonensis, Graecia [IG] (51) Ein Ausgang Italias läuft durch das Land der Liburner, die ein asiatischer Stamm sind, zum Fuß von Dalmatia. Dalmatia erstreckt sich bis zur Grenze von Illyria, an dessen Golf die Dardani ihre Wohnstatt haben, Menschen, die von trojanischer Abstammung zu barbarischen Bräuchen verwildert sind. (52) Von der anderen Seite aber geht es die Ligurische Küste hinab in die Provincia Narbonensis weiter. Hier bauten die Phocaeenses, die einst durch die Ankunft der Perser vertrieben worden waren, in der 45. OlympiadeZ die Großstadt Massilia. (53) Gaius Marius ließ im Cimbern-Krieg das Meer in von Menschenhand gegrabene Kanäle fließen (vgl. PL 3,34) und linderte so die Gefahr, auf dem angeschwollenen Fluss Rodanus (Rhone) zu segeln. Dieser Fluss, der von den Alpen herabstürzt, läuft zunächst durch das Gebiet der Helvetier, wobei er Ströme von ihm entgegenlaufendem Wasser mit sich schleppt. Er nimmt dann um eine große Menge zu und wird unruhiger als das Meer, in das er mündet, außer wenn das Meer durch Winde aufgewühlt ist. Der Rodanus wütet, selbst wenn das Wetter ruhig ist, und aus diesem Grund wird er auch als einer der drei größten Flüsse Europas gerechnet. (54) Auch Aquae Sextiae (lat.: „Die Sextischen Wasser“, Aix) waren dort einst berühmt. Einst waren sie nur das Winterquartier eines Consuls, später wurden sie durch Mauern ausgebaut. Ihre Gluthitze, die sie einst scharf aushauchten, verdampfte mit der Zeit, und jetzt genießen sie nicht mehr ihren vorherigen Ruf. Wenn wir an Graeciae (die griechischen Lande) denken, ist es am besten, die Tarentiner Küste zu beachten; von dort, also von diesem Kap an, das sie Acra Iapygia nennen, ist es die schnellste Überfahrt nach Achaia.
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(III 1) Flectendus hinc stilus est: terrarum vocant aliae, et longum est, ut moratim insularum omnium oras legamus, quascumque promunturia Italica prospectant; quamvis sparsae recessibus amoenissimis et quodam naturae quasi spectaculo expositae non erant omittendae; (2) sed quantum residendum est, si dilatis quae praecipua sunt per quandam desidiam, aut Pandateriam aut Prochytam dicamus, aut ferri Ilvam feracem, aut Caprariam quam Graeci Aegilon dicunt, aut Planasiam de facie supinati {vel Ulixi erroribus}1 sic vocatam, vel Columbariam avium hoc nominis matrem, vel Ithacesiam Ulixis speculam, vel Aenariam, Inarimen Homero nominatam, aliasque laetas non secus? Inter quas Corsicam plurimi in dicendo latius circumvecti plenissima narrandi absolverunt diligentia, nihilque omissum quod retractanti non sit supervacuum: (3) ut exordium incolis Ligures dederint, ut oppida extructa sint, ut colonias ibi deduxerint Marius et Sulla, ut ipsam Ligustici sinus aequor adluat. Sed haec facessant. (4) Verum ager Corsicanus, quod in eo agro unicum est,2 solus edit quem catochiten vocant lapidem fatu dignissimum. Maior est ceteris qui ad ornatum destinantur nec tam gemma quam cautes. Idem inpositas manus detinet, ita se iunctis corporibus
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additamentum contradicit Plinium. quod in eo agro unicum est delendum deliberavit Mommsen, delet Fernández Nieto 2001, 93.
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INSELN
[PL 3,81-85] (III 1) °[SO] Abweichen lassen muss man von hier den Griffel: Andere Länder rufen, und es wäre zu langwierig, geruhsam entlang den Küsten aller Inseln zu reisen, auf die jeweils die italischen Kaps hinausblicken. Diese Inseln sind in den entzückendsten Ecken verstreut, und scheinen durch die Natur wie für ein Schaustück aufgestellt, damit sie nicht übergangen werden können. (2) Wie lange aber müssten wir zaudern, wenn wir es durch Untätigkeit verzögern würden, die wichtigen Dinge zu behandeln± und zu sprechen von Pandateria oder Prochyta oder Ilva, die viel Eisen hervorbringen, oder von Capraria, das die Griechen Aegilon nennen, oder von Planasia, das so wegen seines ebenmäßigen (lat.: planus) Äußeren {oder nach den Irrfahrten (griech. planein: „Herumirren“) des Ulixes (Odysseus)} genannt wird,E oder von Columbaria, Mutter der so (lat. columba: „Taube“) benannten Vögel, oder von Ithacesia, dem Wachtturm des Ulixes, oder von Aenaria, das von Homerus „Inarime“ genannt wird, und von anderen ebenso angenehmen Inseln?
Corsica Allgemeines [IG] Unter diesen ist Corsica, über das viele recht umfassend geschrieben haben, nachdem sie es umfahren hatten. Sie haben ihre Berichte mit dem größten Fleiß vollendet, und nichts ist übrig gelassen worden, das erneut zu unternehmen nicht überflüssig wäre. (3) Sie beschreiben, wie die Ligurier den Anfang mit den Bewohnern machten, wie Städte gebaut wurden, °[PL 3,80] wie Marius und Sulla dorthin Kolonisten entsandten und wie das Wasser des Ligustischen Golfs es bespült.± Doch dies soll genug sein. Stein [PL 37,152] (4) Das Corsicanische Gefilde aber bringt, was in diesem Gefilde einzigartig ist, als einziges den Stein hervor, den sie Catochitis nennen, der höchst erwähnenswert ist. Er ist größer als andere Steine, die man zu Schmuckzwecken nutzt, und ist nicht so sehr ein Edelstein als ein gewöhnlicher Stein. Er hält auf ihn gelegte Hände fest, wobei er sich selbst angrenzenden Körpern auf solche
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adnectens ut cum ipso haereant quibus tangitur; sic* ei inest velut de glutino lentiore nescio quid par atque gummi. (5) Accipimus Democritum Abderiten ostentatione scrupuli huius frequenter usum ad probandam occultam naturae potentiam in certaminibus quae contra magos habuit. (IV 1) Sardinia quoque, quam apud Timaeum Sandaliotin legimus, Ichnusam apud Crispum, in quo mari sita sit, quos incolarum auctores habeat, satis celebre est. Nihil ergo attinet dicere [ut]* Sardus Hercule, Norax Mercurio procreati cum alter a Libya, alter ab usque Tartesso Hispaniae in hosce fines permeavissent, a Sardo terrae, a Norace Norae oppido nomen datum, (2) mox Aristaeum regnando his proximum in urbe Caralis, quam condiderat ipse coniuncto populo utriusque sanguinis, seiuges usque ad se gentes ad unum morem coniugasse, imperium ex insolentia nihil aspernatas. Sed ut 1 haec et Iolaum, qui ad id locorum agros ibi insedit, praeterea et Ilienses et Locrenses transeamus, Sardinia est quidem absque serpentibus. (3) Sed quod aliis locis serpens, hoc solifuga Sardis agris, animal perexiguum* aranei forma, solifuga dicta quod diem fugiat. In metallis argentariis plurima est, nam solum illud argenti dives est; occultim reptat et per inprudentiam supersedentibus pestem facit. (4) huic incommodo accedit et herba Sardonia, quae in defluviis fontaneis provenit iusto largius. Ea si edulio fuerit nescientibus,
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et add. Macé 1888, 515 et 1899, 185/195.
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Art und Weise anfügt, dass diejenigen, die er berührt, an ihm hängen bleiben. Es gibt in ihm eine Art – ich weiß nicht, welche – von sehr klebrigem Leim wie Gummi. (5) °[IG] Wir haben vernommen, dass Democritus von Abdera häufig diesen kleinen Stein verwendete, um bei seinen Wettstreiten mit Zauberern die verborgene Kraft der Natur zu beweisen.±
Sardinia Allgemeines [IG] (IV 1) Zu Sardinia, °[PL 3,85+] über das wir bei Timaeus als „Sandaliotis“ und als „Ichnusa“ bei Crispus lesen,± sind die Fragen, in welchem Meer es liegt und was es als Vorfahren seiner Bewohner hat, hinreichend oft behandelt worden. Es nützt daher nichts zu sagen, dass Sardus von Hercules und Norax von Mercurius gezeugt wurden, da der eine von ihnen aus Libya, der andere von Tartessus in Hispania her in dieses Gebiet gereist ist, dem Land sein Name von Sardus und der Stadt Nora ihr Name von Norax gegeben wurden, (2) bald danach Aristaeus durch seine Herrschaft in der Großstadt Caralis, die er selbst, sich Volk jeden Geblüts anschließend, gegründet hatte, die getrennten Stämme unter einer Regel vereinigte, wobei sie diese wegen ihrer Eigenartigkeit nicht missachteten. Doch wollen wir sowohl diese als auch Iolaus, der das Land in jenen Gefilden besiedelte, außerdem auch die Ilienses und Locrenses übergehen; bemerken wollen wir aber, dass Sardinia tatsächlich ohne Schlangen ist. Tier [IG] (3) Was aber an anderen Plätzen Schlangen sind, das ist in den Sardischen Gefilden der Solifuga, ein sehr kleines Tier von der Gestalt einer Spinne; „Solifuga“ (lat.: „Sonnenflieher“) wird es benannt, weil es aus dem Sonnenlicht flieht.E Es ist am häufigsten in Silbergruben, denn der Boden Sardinias ist reich an Silber; es kriecht heimlich herum und ruft Pest auf diejenigen herab, die sich unabsichtlich auf es setzen. Pflanze [IG] (4) Zu diesem Problem kommt das Kraut Sardonia hinzu, das reichlich an herabströmenden Quellen besonders groß wächst. Wenn es von unwissenden
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nervos contrahit, diducit rictu ora, ut qui mortem oppetunt intereant facie ridentium. (5) Contra quidquid aquarum est varie commodis seruit. Stagna pisculentissima. Hibernae pluviae in aestivam penuriam reservantur, nam homo Sardus opem plurimam de imbrido caelo habet: hoc collectaneum depascitur, ut sufficiat usui ubi defecerint scaturrigines. (6) Fontes calidi et salubres aliquot locis effervescunt, qui medelas afferunt aut solidant ossa fracta aut abolent a solifugis insertum venenum aut etiam ocularias dissipant aegritudines. (7) Sed qui oculis medentur, et coarguendis valent furibus; nam quisquis sacramento raptum negat, lumina aquis adtrectat; ubi periurium non est, cernit clarius, si perfidia abnuit, detegitur facinus caecitate, et captus oculis admissum fatetur. (V 1) Si respiciamus ad ordinem temporum vel locorum, post Sardiniam res vocant Siculae. Primo quod utraque insula in Romanum arbitratum redacta iisdem temporibus facta provincia est, cum eodem anno Sardiniam M. Valerius, alteram C. Flaminius praetor sortiti sint. Adde quod freto Siculo excipitur nomen Sardi maris. (2) Ergo Sicilia, quod cum primis adsignandum est, diffusis prominentibus triquetra specie figuratur. Pachynus aspectus in Peloponnesum et meridianam plagam dirigit, Pelorias adversa vespero Italiam videt, Lilybaeum in Africam extenditur.
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Leuten gegessen wird, zieht es die Muskeln zusammen und macht den Mund zu einem aufgesperrten Rachen, so dass diejenigen, die so ihren Tod finden, mit dem Anschein des Lachens sterben. Gewässer [IG] (5) Andererseits haben die Gewässer Sardinias verschiedene Vorteile. Die Sümpfe sind überreich an Fischen. Die Winterschauer werden für die Sommerknappheit bewahrt, weil der Sarder sehr viel an regnerischem Himmel (Wetter, Klima) hat. Man nutzt das gesammelte Wasser und es genügt für den Gebrauch, wo es keine sprudelnden Bäche gibt. (6) Heiße und gesunde Quellen entspringen vielerorts. Sie sind ein Heilmittel für Knochenbrüche und für die Zerstreuung des Giftes, das durch Solifugae (s. o. SO IV 3) eingetragen wird, und auch für die Heilung von Augenleiden. (7) Aber das Mittel, das Augen heilt, wirkt auch stark zur Aufdeckung von Dieben: Wer auch immer nämlich einen Diebstahl unter Eid leugnet und seine Augen mit diesem Wasser wäscht, sieht, wenn er keinen Meineid geleistet hat, klarer; wenn ein Mensch zu Unrecht Meineidigkeit bestreitet, wird sein Verbrechen durch Blindheit offenbart – und von seinen Augen überführt wird er zu einem Geständnis getrieben.
Sicilia Einführung [IG] (V 1) Wollen wir auf die Ordnung der Zeiten und Orte achten, rufen uns nach Sardinia nun die Angelegenheiten Sicilias erstens, weil beide Inseln, die unter die römische Rechtsprechung gebracht worden sind, zu derselben Zeit auch zu Provinzen gemacht wurden, da in demselben Jahr Marcus Valerius die Insel Sardinia, Gaius Flaminius die andere Insel jeweils als Praetor erlosten; zweitens muss man sagen, dass das Meer, wenn man aus der siculischen Meerenge herauskommt, den Namen „Sardisches“ trägt. Gestalt [PL 3,87] (2) Sicilia also – das muss man zuallererst zur Kenntnis nehmen – ist wie ein Dreieck geformt, und zwar wegen seiner weit herausragenden Kaps: Kap Pachynus hat seinen Ausblick zur Peloponnes und zur südlichen Himmelsregion, Kap Pelorias dem Westen (Abend) gegenüber sieht Italia, Kap Lilybaeum reckt sich nach Africa.
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Inter quae Pelorias praestat laudata unico soli temperamento, quod neque umido in lutum madefiat neque fatiscat in pulverem siccitate. (3) Ea ubi introrsum recedit et in latitudinem panditur, tres lacus optinet, quorum unus quod piscium copiosus est, non equidem ad miraculum duxerim. Sed quod ei proximans condensus arbustis inter virgultorum opaca feras nutriat et admissis venantibus per terrenos tramites, quibus pedestres accessus excipit, duplicem piscandi venandique praebeat voluptatem, numeratur inter eximia. (4) Tertium ara sacrum adprobat, quae in medio sita brevia dividit a profundis. Qua ad eam pergitur, aqua crurum tenus pervenit; quod ultra est, nec explorari licet nec attingi et si fiat, qui id sit ausus malo plectitur quantamque sui partem ingurgitaverit, tantam perditum it. Ferunt quendam in haec alta quam longissimam poterat iecisse lineam, eam ut recuperaret dum merso brachio nisum adiuvat, cadaver manum factam. (5) Peloritana ora habitatur colonia Tauromenia, quam prisci Naxum vocabant, oppido Messana Italiae Regio opposita. Quod Regium a dehiscendi argumento Rhegion Graeci dictitabant. (6) Pachyno multa thynnorum inest copia ac propterea semper captura larga. (7) Lilybitano Lilybaeum oppidum decus est Sibyllae sepulcro. Sicaniae diu ante Troiana bella Sicanus rex nomen dedit, advectus cum amplissima Hiberorum manu, post Siculus Neptuni filius. (8) In hanc plurimi Corinthiorum Argivorum Iliensium Doriensium Cretensium confluxerunt, inter quos et Daedalus fabricae artis magister. Principem urbium Syracusas habet, in qua etiam cum hiberno conduntur serena, nullo non die sol est. Adde quod Arethusa fons in hac urbe est.
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°[IG] Von diesen sticht Pelorias hervor; es wird wegen der einzigartigen Ausgewogenheit seines Bodens gelobt, der weder durch die Feuchtigkeit von Sümpfen zu Schlamm verwandelt noch durch Wassermangel zu Staub aufgebrochen wird.± Seen [IG] (3) Wo sich Kap Pelorias landeinwärts zurückzieht und sich in der Breite ausdehnt, gibt es drei Seen: Dass der eine von diesen an Fischen reich ist, sehe ich jedenfalls nicht als Wunder an. Aber dass beim nächsten das Land dicht mit Bäumen bestanden ist und in den Wäldchen des Unterholzes wilde Tiere ernährt und Jägern durch Landpfade, auf denen es den Fußgängern den Zugang ermöglicht, das doppelte Vergnügen der Fischerei und der Jagd bietet, kann zu den herausragenden Eigenschaften gerechnet werden. (4) Die Heiligkeit des dritten Sees belegt ein Altar, der in seiner Mitte steht und die seichten von den tiefen Gewässern trennt. Auf die Weise ist das Wasser, wenn man zur Insel geht, knietief; das, was jenseits von ihr liegt, darf man weder erforschen noch berühren; wer das zu tun wagt, wird durch ein Unglück bestraft, und wie rasch er vergeht, kann man daran ermessen, wie viel von ihm im Wasser versinkt. Sie sagen, dass ein bestimmter Mann einmal eine LotSchnur in diese Tiefen warf, so weit er konnte; als er sich von der Anstrengung, sie wieder einzuholen, dadurch erholen wollte, dass er seinen Arm ins Wasser tauchte, wurde seine Hand zum Kadaver. Küsten: Pelorias, Pachynus, Lilybaeum [PL 3,87-89] (5) Die Peloritanische Küste ist durch die Kolonie Tauromenium besiedelt, die man einst Naxus nannte. Der Stadt Messana liegt Regio in Italia gegenüber. Die Griechen nannten Regium „Rhegion“ wegen der Abtrennung (griech. rhegnymmi: „ich trenne ab“).E (6) Für Pachynus gibt es einen großen Überfluss an Thunfisch und deshalb ist der Fang dort immer groß. (7) °[IG] Die Stadt Lilybaeum ehrt die Lilybaeische Grabstätte der Sibylle. Lange vor dem trojanischen Krieg kam der König Sicanus hier mit einer sehr großen Gruppe von Hiberi an und nannte den Ort nach sich selbst „Sicania“. Danach benannte es Siculus, ein Sohn des Neptun. (8) Sehr viele Corinthii, Argivi, Ilienses, Dorienses und Cretenses strömten hier zusammen. Unter ihnen war Daedalus, der Meister der Baukunst. Als höchstrangige Großstadt hat es Syracusae,± °[PL 2,153] wo das Wetter sogar im Winter heiter ist; es gibt keinen Tag ohne Sonnenschein.± Hinzufügen muss man, dass die Quelle Arethusa in dieser Großstadt ist.
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(9) Eminet montibus Aetna et Eryce. Vulcano Aetna sacer est, Eryx Veneri. In Aetnae vertice hiatus duo sunt, crateres nominati, per quos eructatus erumpit vapor, praemisso prius fremitu, qui per aestuantes cavernarum latebras longo mugitu intra terrae viscera divoluitur, nec ante se flammarum globi attollunt quam interni strepitus antecedant. {(10) Mirum hoc est: nec illud minus quod in illa ferventis naturae pervicacia mixtas ignibus nives praefert, et licet vastis exundet incendiis, apicis canitie perpetua brumalem detinet faciem. (11) invicta in utroque violentia nec calor frigore mitigatur nec frigus calore dissolvitur.} (12) Laudant alios montes duos Nebroden et Neptunium. E Neptunio specula est in pelagus Tuscum et Adriaticum. Nebroden dammae et hinnulei gregatim pervagantur: inde Nebrodes. (13) Quidquid Sicilia gignit sive soli sive hominis ingenio, proximum est his quae optima iudicantur, nisi quod fetu terrae Centuripino croco vincitur. Hic primum inventa comoedia; hic et cavillatio mimica in scaena stetit; hinc domo Archimedes qui iuxta siderum disciplinam machinarius commentor fuit; hinc Lais illa quae eligere patriam maluit quam fateri. (14) Gentem Cyclopum testantur vasti specus; Laestrygonum sedes adhuc sic vocantur. Ceres inde magistra sationis fructuariae. Hic ibidem campus Hennensis in floribus semper et omni vernus die;
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Berge [IG] (9) Es ist herausragend durch die Berge Aetna (vgl. ME 2,119) und Eryx. Dem Vulcanus ist der Aetna heilig, der Venus der Eryx. Im Aetna-Gipfel gibt es zwei Spalten, „Krater“ genannt, durch die Dampf austritt, nachdem er lautstark aufgestiegen ist. Laute Geräusche gehen ihm voran, die in verschiedene Richtungen mit ausgedehntem Brüllen tönen, durch die kochenden Unterschlupfe der Höhlen in den Gedärmen der Erde. Feuerbälle heben sich nicht hoch empor, bevor nicht zuvor der innere Lärm vorgekommen ist. {(10) Das ist ein Wunder; und es ist nicht weniger erstaunlich, dass in der brennenden Hitze des Aetna der Eigensinn der Natur mit den Flammen vermischten Schnee zeigt (vgl. PL 2,136): Obwohl der Aetna ungeheuerliche Hitze ausschwitzt, ist der Gipfel fortwährend weiß, hält also am Erscheinungsbild des Winters fest. (11) Es gibt eine unüberwindliche Gewalt in beiden: Die Hitze wird durch die Kälte nicht gemindert und die Kälte nicht von der Hitze geschmolzen.} (12) Man lobt auch zwei andere Berge, Nebrodes und Neptunius. Auf dem Neptunius steht ein Wachtturm, der in das Tuscische und Adriatische Meer blickt. Durch den Nebrodes streifen Damhirsche und Kitze (griech. nebros: „Kitz“), die dorthin in Schwärmen wandern – daher Nebrodes.E Talente Sicilias [IG] (13) Was Sicilia erzeugt – sei es aus dem Boden oder durch das Talent der Menschen –, können wir als dem Besten nahe kommend einschätzen; °[PL 21,31] die Früchte der Erde werden allerdings durch den Safran von Centuripe übertroffen (vgl. SO V 3):± Hier wurde erstmals die Komödie erfunden und hier stand auch die Neckerei des Mimus auf der Bühne; von hier stammt Archimedes, der über die Systematik der Gestirne hinaus auch als Ingenieur und Erfinder tätig war; von hier auch Laïs, die Frau, die es vorzog, ihre Heimat zu wählen statt zu gestehen. Mythische Gestalten [IG] (14) °[PL 3,89] Die riesigen Höhlen bezeugen den Stamm der Cyclopes; die Sitze der Laestrygones werden bis jetzt so genannt± Ceres ist von dort, die Lehrerin des Ackerbaus und des Obstanbaus. Ebenfalls hier ist die Hennensische Ebene, immer in Blüte und jeden Tag frühlingshaft.
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(15) quem propter est demersum foramen, qua Ditem patrem ad raptus Liberae exeuntem fama est lucem hausum. Inter Catinam et Syracusas certamen est de inlustrium fratrum memoria, quorum nomina sibi diversae partes adoptant: si Catinenses audiamus, Anapius fuit et Amphinomus; si quod malunt Syracusae, Emantiam putabimus et Critonem; Catinensis tamen regio causam dedit facto. In quam se cum Aetnae incendia protulissent, iuvenes duo sublatos parentes evexerunt inter flammas inlaesi ignibus. Horum memoriam ita posteritas munerata est, ut sepulcri locus nominaretur campus piorum. (16) De Arethusa et Alpheo verum est hactenus, quod conveniunt fons et amnis. Fluminum miracula abunde varia sunt. Dianam qui ad Camerinam fluit si habitus inpudice hauserit, non coibunt in corpus unum latex vineus et latex aquae. (17) Apud Segestanos Helbesus in medio flumine subita exaestuatione fervet. Acidem, quamvis dimissum Aetna nullus frigore antevertit. Himeraeum caelestes mutant plagae; amarus denique est, dum in aquilonem fluit, dulcis ubi ad meridiem flectitur. (18) Quanta in aquis, tanta novitas in salinis. Salem Agrigentinum si igni iunxeris, dissolvitur ustione; cui si liquor aquae proximaverit, crepitat veluti torreatur. Purpureum Aetna mittit, in Pachyno translucidus invenitur. (19) Cetera salinarum metalla, quae sunt aut Agrigento aut Centuripis proximantia, funguntur cautium ministerio; nam illinc excuduntur signa ad facies hominum vel deorum. Thermitanis locis insula est harundinum ferax: hae accommodatissimae sunt in omnem sonum tibiarum, seu praecentorias facias, quarum locus est ad pulvinaria praecinendi, sive vascas quae foraminum numeris praecentorias antecedunt, seu puellatorias quibus a sono clariore vocamen datur, sive gingrinas quae breviores licet subtilioribus tamen modis insonant, aut milvinas quae in accentus exeunt acutissimos, aut Lydias quas et turarias dicunt, vel Corinthias vel Aegyptias aliasve a musicis per diversas officiorum et nominum species separatas.
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(15) In der Nähe davon ist das versunkene Loch, aus dem Dis Pater zum Raub der Libera herauskam und Licht schöpfte, wie die Sage erzählt. Zwischen Catina und Syracusae besteht ein Streit über die Geschichte zweier berühmter Brüder, deren Namen beide Seiten so wählen, dass sie jeweils zu ihr passen: Wenn wir den Catinenses zuhören, waren es Anapius und Amphinomus, wenn wir glauben wollen, was Syracusae bevorzugt, Emantia und Crito. Allerdings weist das Gebiet die Ursache der Tat den Catinenses zu: Als dort die Feuer aus dem Aetna ausbrachen, hoben die zwei jungen Männer ihre Eltern auf und trugen sie durch die Flammen hindurch, ohne durch die Feuersbrunst verletzt zu werden. Ihr Andenken wurde der Nachwelt überliefert, indem der Ort, an dem ihr Grab ist, als „Feld der Pii (Elternliebenden)“ (s. o. SO I 124-125) benannt wurde. Gewässer [IG] (16) °[PL 2,225] Zu Arethusa und Alpheus ist so viel wahr, dass Quelle und Fluss zusammenkommen.± Die Wunder der Flüsse Sicilias sind äußerst vielfältig. Bei der Diana, die in Camerina fließt, wird sich, wenn jemand, der unkeusch lebt, daraus schöpft, die Flüssigkeit des Weins und die Flüssigkeit des Wassers nicht zu einer Substanz verbinden. (17) Bei den Segestanern wird der Fluss Helbesus in der Mitte seines Stroms mit plötzlichem Aufkochen heiß. Der Fluss Acis ist, obwohl er vom Aetna herunterkommt, kälter als alle. Den Himeraeus ändern die Himmelsregionen: Er ist bitter, während er zum AquiloWindW fließt, und süß, wenn er sich zum Süden hin windet. (18) °[PL 31,85-86] Auch in den Salinen gibt es so viel Eigenartiges wie in den Gewässern. Wenn man Salz aus Agrigentum in ein Feuer wirft, wird es durch die Verbrennung aufgelöst; wenn sich Wasser nähert, knistert es, als ob es verbrannt wird. Der Aetna bringt Salz von dunkelroter Farbe hervor; das Salz, das man am Kap Pachynus (s. o. SO V 2) findet, ist durchsichtig.± (19) Andere Salzbergwerke (vgl. PL 31,77) in der Nähe von Agrigentum und Centuripe arbeiten wie Steinbrüche, ja, dort werden Statuen in Gestalt von Göttern und Menschen geschnitzt. An dem Ort, wo die heißen Quellen sind (vgl. PL 16,168), gibt es eine Insel mit einem Überfluss an Schilfrohr. Dieses ist sehr gut für die Erzeugung von Tönen auf Flöten aller Art, gleich, ob man Praecentoriae macht, die für das Spielen vor den Lagerstätten der Götter geeignet sind, oder Vascae, die mehr Löcher haben als die Praecentoriae, oder Puellatoriae („Mädchenflöten“), die wegen ihres reinen Tons so genannt werden, oder Gingrinae, die zwar kürzer sind, aber einen feineren Ton erzeugen, oder Milvinae, die den schärfsten Ton hervorbringen, oder Lydiae, die man auch „Turariae“ nennt, oder Corinthiae oder Aegyptiae oder andere, die von den Musikern nach Funktion und Namen unterschieden werden.
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(20) In Halesina regione fons alias quietus et tranquillus cum siletur, si insonent tibiae, exultabundus ad cantus elevatur, et quasi miretur vocis dulcedinem, ultra margines intumescit. (21) Gelonium stagnum taetro odore abigit proximantes. Ibi et fontes duo, alter de quo si sterilis sumpserit fecundatur, alter quem si fecunda hauserit vertitur in sterilitatem. (22) Stagnum Petrensium serpentibus noxium est, homini salutare. In lacu Agrigentino oleum supernatat; hoc pingue haeret harundinum comis de assiduo volutabro, e quarum capillamentis legitur unguentum medicum contra armentarios morbos. (23) Nec longe inde collis Vulcanius, in quo qui divinae rei operantur ligna vitea super aras struunt nec ignis adponitur in hanc congeriem; cum prosicias intulerint, si adest deus, si sacrum probetur, sarmenta licet viridia sponte concipiunt et nullo inflagrante halitu ab ipso numine fit accendium. (24) Ibi epulantes adludit flamma, quae flexuosis excessibus vagabunda quem contigerit non adurit nec aliud est quam imago nuntia perfecti rite voti. Idem ager Agrigentinus eructat limosas scaturrigines et ut venae fontium sufficiunt rivis subministrandis, ita in hac Siciliae parte solo numquam deficiente aeterna reiectatione terram terra evomit. (25) Achaten lapidem Sicilia primum dedit in Achatae fluminis ripis repertum, non vilem, cum ibi tantum inveniretur, quippe interscribentes eum venae naturalibus sic notant formis, ut cum optimus est varias praeferat rerum imagines. Unde anulus Pyrrhi regis, qui adversus Romanos bella gessit, non ignobilis famae fuit, cuius gemma achates erat, in quo novem Musae cum insignibus suis singulae et Apollo tenens citharam videbantur, non inpressis figuris sed ingenitis. Nunc diversis locis paret. (26) Dat Creta quem curalliachaten vocant curallio similem, sed
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(20) Im Gebiet von Halesa gibt es eine Quelle, die, wenn die Umgebung still ist, auch selbst ruhig und still ist; wenn aber Flöten erklingen, erhebt sie sich voll Freude über die Töne; sie schwillt, als ob sie die Süße der Stimme bewundert, über ihre Ufer hinaus an. (21) Der Gelonische Sumpf mit seinem widerlichen Gestank vertreibt diejenigen, die sich ihm nähern. Dort gibt es zwei Quellen: Wenn von der einen eine unfruchtbare Frau trinkt, wird sie fruchtbar; wenn von der anderen eine fruchtbare Frau trinkt, wird sie unfruchtbar.± (22) Der Petrensische Sumpf ist für Schlangen schädlich und für Menschen gesund. °[PL 35,159] Auf dem Agrigentinischen See schwimmt Öl oben auf; wegen des ständigen Wogens bleibt das Fett am Laub der Rohre kleben; von den haarartigen Fasern der Rohre wird eine medizinische Salbe zur Anwendung gegen die Krankheiten von Rinderhirten gesammelt.± (23) Nicht weit von dort gibt es den Vulcanius-Hügel. Männer, die dieser Gottheit opfern, gehen dorthin und legen Rebholz auf den Altar. Kein Feuer wird in der Nähe des Haufens entfacht; ist nämlich der Gott anwesend, wenn sie das zugeschnittene Fleisch bringen, fangen die Zweige, wenn das Opfer angenommen wird, von sich aus Feuer, auch wenn sie grün sind; das Entzünden des Feuers wird ohne jedes Entfachen von der Gottheit selbst getan. (24) Wenn sie dann tafeln, springt die Flamme umher und wandert auf gewundenen Pfaden; wer sie berührt, wird nicht versengt. Dies ist nichts anderes als eine Botschaft, dass der Ritus richtig und vollständig durchgeführt worden ist. Dasselbe Agrigentinischen Gefilde lässt lehmige Quellen heftig emporspringen. Die Adern der Quellen versorgen die Bäche mit Wasser; so hat in diesem Teil Sicilias der Boden nie Mangel. Das Land erbricht mit ewigen Verwerfungen neues Land. Steine [PL 37,139-141] (25) Den Achates-Stein (Achat) hat als erstes Sicilia hervorgebracht, der an den Ufern des Flusses Achates gefunden wird. Er ist von keiner geringen Bedeutung, wenn er dort gefunden wird, weil die sich schneidenden Adern natürliche Gestalten auf ihm einzeichnen. Im besten Fall werden so Bilder von vielerlei Dingen gezeigt. °[PL 37,5] Der nicht unberühmte Ring von König Pyrrhus – das ist derjenige, der Krieg gegen die Römer führte – kam von dorther. Sein Edelstein war ein Achat, auf dem man die neun Musen mit ihren jeweiligen Wahrzeichen sowie Apollo mit seiner Cithara in der Hand sehen konnte. Diese Figuren waren dort nicht eingetragen, sondern eingeboren.± Heute wird Achates auch an anderen Orten gefunden. (26) Creta bringt einen Stein hervor, den man „Curalliachates“ („KorallenAchat“) nennt; er ist dem Curallium (s. o. SO II 41–43) ähnlich, aber
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inlitum guttis auro micantibus et scorpionum ictibus resistentem. Dat India reddentem nunc nemorum nunc animalium facies, quem vidisse oculis favet quique intra os receptus sedat sitim. (27) Sunt et qui usti redolent myrrhae odorem: haemachates sanguineis maculis inrubescit; sed qui maxime probantur vitream habent perspicuitatem, ut Cyprius: nam qui sunt facie cerea abundantes trivialiter negleguntur. Omnis ambitus huius insulae clauditur stadiorum tribus milibus. (VI 1) In freto Siculo Hephaestiae insulae viginti quinque milibus passuum ab Italia absunt. Itali Vulcanias vocant, nam et ipsa natura soli ignea: per occulta commercia aut mutuantur Aetnae incendia aut subministrant. Hic dicta sedes deo ignium. Numero septem sunt. (2) Liparae nomen rex dedit Liparus, qui eam ante Aeolum rexit. Alteram Hieran vocaverunt; ea praecipue Vulcano sacrata est et plurimum colle eminentissimo nocte ardet. (3) Strongyle tertia, Aeoli domus, vergitur ad exortus solis minime angulosa, quae flammis liquidioribus differt a ceteris. Haec causa efficit, quod ex eius fumo potissimum incolae persentiscunt quinam flatus in triduo pertendant; quo factum, ut Aeolus rex ventorum crederetur. Ceteras Didymen Eriphusam Phoenicusam Evonymon quoniam similes sunt dictas habemus.
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überall mit Flecken besetzt, die wie Gold funkeln, und er widersteht den Angriffen von Skorpionen. India bringt einen Achat hervor, der für die Augen angenehm anzusehen ist und bald die Gestalt von Hainen, bald die von Tieren hat; wenn man ihn in den Mund nimmt, löscht er Durst. (27) Es gibt auch Achate, die, nachdem sie verbrannt worden sind, nach Myrrhe duften. Haemachate sind rot mit blutartigen (griech. haima: „Blut“) Flecken.E Aber die Achate, nach denen man am meisten sucht, so wie die cyprischen, haben eine Klarheit, die der von Glas ähnelt; diejenigen hingegen, die ein wächsernes Äußeres haben, sind reichlich vorhanden und werden gewöhnlich ignoriert. Umfang [IG] Der gesamte Umkreis dieser Insel beträgt 3000 StadienM.
Hephaestische Inseln Einführung [PL 3,92-93] (VI 1) In der siculischen Meerenge liegen die hephaestischen Inseln, die 25 MeilenM von Italia entfernt sind. Die Itali nennen sie Vulcaniae, °[IG] denn die Natur ihres Bodens ist selbst feurig: Durch verborgene Austausche werden entweder die Brände vom Aetna (s. o. SO V 9) geliehen oder herangebracht.± Hier ist der Sitz dem Gott der Feuer geweiht. An der Zahl sind es sieben: Lipara, Hiera, Strongyle u.a. [PL 3,92-93] Der Insel Lipara hat der König Liparus den Namen gegeben, der dort vor Aeolus herrschte. Die zweite Insel nennt man „Hiera“ (griech.: „Heilige“). Sie ist besonders dem Vulcanus geheiligt und hat einen äußerst hohen Hügel, der meistens nachts aufflammt. Strongyle ist die dritte, die Heimat des Aeolus. Sie liegt zum Sonnenaufgang hin °[IG] und ist am wenigsten eckig;± ihre Flammen erscheinen flüssiger als die der übrigen Inseln. Hauptsächlich durch den Rauch wissen die Einwohner drei Tage im Voraus, welche Winde wehen werden; aus diesem Grund hielt man Aeolus für den König der Winde. Die anderen – Didyme, Eriphusa, Phoenicusa und Euonymon – sind so ähnlich, dass wir sie in jeder Hinsicht bereits beschrieben haben.
(VII 1) Tertius Europae sinus incipit a Cerauniis montibus, desinit in Hellespontum. In eo apud Molossos, ubi Dodonaei Iovis templum, Talarus mons est, circa radices nobilis centum fontibus, ut Theopompo placet. (2) In Epiro fons est sacer, frigidus ultra omnes aquas et spectatae diversitatis, nam ardentem si in eo demergas facem, extinguit; si procul ac sine igne ammoveas, suopte ingenio inflammat. (3) Dodone Tmaro celsa est. Delphi Cephiso flumine, Castalio fonte, Parnasi iugis celebres. Acarnania Aracyntho eminet. Hanc ab Aetolia Pindus dividit, qui Acheloum parit cum primis Graeciae amnibus praeditum veteri claritate; nec iniuria, cum inter calculos quibus ripae eius micant inveniatur galactites, qui scrupulus ipse ater si teratur, reddit sucum album ad lactis saporem. (4) Feminis nutrientibus inligatus fecundat ubera, subnexus parvulis largiusculos haustus facit salivarum. Intra os receptus liquescit: cum solvitur, tamen memoriae bonum perimit. Quem post Nilum Achelous dat nec alter alius.
MITTELMEER: DRITTER GOLF FESTLAND
Von den Molossi bis Aetolia Allgemeines [PL 4,1-8] (VII 1) Der dritte Golf Europas (vgl. SO II 24) fängt bei den Ceraunischen Bergen an und endet am Hellespont. An dieser Küste, im Land der Molossi, wo der Tempel des Dodonaeischen Jupiter ist, befindet sich der Talarus-Berg. Es ist berühmt für die 100 Quellen an seinem Fuß, wie es Theopompus zu sagen gefällt. (2) °[ME 2,43] In Epirus gibt es eine heilige Quelle (vgl. PL 2,228), die mehr als alle anderen Gewässer kalt und erkennbar einzigartig ist: Wenn man nämlich eine brennende Fackel in ihr versenkt, verlöscht sie; wenn man die Fackel ohne Feuer wieder entfernt, entzündet sie sich ganz von selbst.± (3) Durch den Tmarus-Berg ist Dodona erhoben. Delphi ist wegen des Flusses Cephisos bekannt, wegen der Castalia-Quelle und wegen des Bergs Parnasus. Acarnania ragt wegen des Bergs Aracynthus heraus. Der Berg Pindus trennt dieses Gebiet von Aetolia und bringt den Fluss Achelous hervor, der seit alter Zeit als einer der Hauptflüsse Griechenlands berühmt ist. Stein [PL 37,162] Dies geschieht nicht zu Unrecht, da man unter den Kieselsteinen, die an seinem Ufer glitzern, den Galactites findet; wenn dieser kleine schwarze Stein gerieben wird, schwitzt er einen weißen Saft aus, der nach Milch (griech. gala: „Milch“) schmeckt.E (4) Wenn er von stillenden Frauen getragen wird, werden ihre Brüste fruchtbarer. Wenn man ihn Kindern anbindet, veranlasst er sie dazu, mehr Speichel zu schlucken, und wenn man ihn in den Mund nimmt, schmilzt er; wenn er aber aufgelöst ist, vernichtet er die Gabe des Erinnerns. Außer vom Nil wird dieser Stein nur vom Achelous gegeben, sonst von keinem anderen Fluss.
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(5) Propter oppidum Patras Scioessa locus novem collium opacitate umbrosus et radiis solis ferme invius nec aliam ob causam memorabilis. (6) In Laconia spiraculum est Taenaron; est et Taenaron promunturium adversum Africae. In quo fanum Methymnaei Arionis, quem delphine eo advectum imago testis est aerea ad effigiem casus et veri operis expressa; praeterea tempus signatum: olympiade enim undetricesima, qua in certamine Siculo idem Arion victor scribitur, id ipsum gestum probatur. (7) Est et oppidum Taenaron nobili vetustate; praeterea aliquot urbes, inter quas Leuctrae non obscurae iam pridem Lacedaemoniorum foedo exitu; (8) Amyclae silentio suo quondam pessum datae; Sparta insignis cum Pollucis et Castoris templo tum etiam Othryadis inlustris viri titulis; Therapne unde primum cultus Dianae; Pitane quam Arcesilaus stoicus inde ortus prudentiae suae merito in lucem extulit; Anthia1 et Cardamyle ubi quondam fuere Thyrae, nunc locus dicitur, (9) in quo anno septimo decimo regni Romuli inter Laconas et Argivos memorabile fuit bellum. Nam Taygeta mons et flumen Eurotas notiora sunt quam ut stilo egeant.
———————————— 1 Cum ubi sententiam incipit Mommsen, cum Anthia incipiunt et Urlichs 1866, 47-48 et Walter 1963, 135 et Fernández Nieto 2001, 94.
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Peloponnesus Scioessa [PL 4,13] (5) In der Nähe der Stadt Patrae gibt es einen Ort namens „Scioessa“ (griech. skia: „Schatten“), den neun Hügel mit Finsternis überschattenE. Es ist aus keinem anderen Grund erwähnenswert, als dass er für die Sonnenstrahlen fast unerreichbar ist. Laconia [IG] (6) °[ME 2,51] In Laconia gibt es eine Lufthöhle namens „Taenaron“.± Taenaron ist auch der Name eines Kaps, das Africa gegenüberliegt. Hier liegt das Heiligtum des Arion von Methymna. Arion (vgl. PL 9,28) war, wovon sein bronzenes Bild zeugt, von einem Delphin hierher gebracht worden. Das Bild zeigt die Wiedergabe seiner Notlage und seiner wahren Großtat. Außerdem wird die Zeit auf der Statue benannt: Es ist die 29. OlympiadeZ, in der eben dieser Arion als Sieger beim siculischen Wettbewerb verzeichnet ist. So wird der Akt selbst bezeugt. (7) Es gibt auch eine Stadt von berühmtem Alter namens „Taenaron“ (vgl. PL 4,16). [IG] Außerdem gibt es mehrere andere Großstädte in Laconia, darunter Leuctra, das heute nicht unbekannt ist wegen des erbärmlichen Endes, das die Lacedaemonii dort einst gefunden haben. (8) Amyclae, das einst durch sein eigenes Schweigen zerstört wurde; Sparta, das wegen des Tempels von Castor und Pollux bekannt ist und auch wegen der Denkmäler jenes berühmten Mannes Othryades; Therapne, von wo der Kult von Diana als erstes kam; Pitane, das der Stoiker Arcesilaus, der von dort stammte, durch das Verdienst seiner eigenen Weisheit ans Licht gebracht hat. Wo einst Anthia und Cardamyle waren, wird nun der Ort „Thyraa“ genannt, (9) an dem im 17. Jahr der Herrschaft des Romulus (s. o. SO I 16) ein denkwürdiger Krieg zwischen den Lacedaemoniern und den Argivern geführt worden sein soll. Der Taygetus-Berg und der Fluss Eurotas sind so gut bekannt, dass sie keine schriftliche Beschreibung brauchen.
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(10) Inachus Achaiae amnis Argolicum secat tractum, quem rex Inachus a se nominavit, qui exordium Argivae nobilitati primus dedit. Epidauro decus est Aesculapii sacellum, cui incubantes aegritudinum remedia capessunt de monitis somniorum. (11) Pallanteum Arcadiae quod Palatio nostro per Evandrum Arcada appellationem dederit, sat est admonere. In qua montes Cyllene et Lycaeus, Maenalus etiam diis alumnis inclaruerunt; inter quos nec Erymanthus in obscuro est. Inter flumina Erymanthus Erymantho monte demissus et Ladon ille Herculis pugna*, hic Pane* clara sunt. (12) Varro perhibet fontem in Arcadia esse cuius interimat haustus. In eadem parte de avibus hoc solum est non indignum relatu, quod cum aliis locis merula furva sit, circa Cyllenen candidissima est. (13) Nec lapidem spreverimus quem Arcadia mittit: asbesto nomen est, ferri colore, qui accensus semel extingui nequitur. (14) In Megarensium sinum Isthmos exit, ludis quinquennalibus et delubro Neptuni inclitus; quos ludos eapropter institutos ferunt, quod sinibus quinque Peloponnesi orae alluuntur, a septentrione Ionio, ab occidente Siculo, a brumali oriente* Aegaeo, a solstitiali oriente Myrtoo, a meridie Cretico. Hoc spectaculum per Cypselum tyrannum intermissum Corinthii olympiade quadragesima nona sollemnitati pristinae reddiderunt. (15) Ceterum Peloponneson a Pelope regnatam nomen indicio est.
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Achaea [IG] (10) Der Inachus (vgl. PL 4,17), ein Fluss in Achaea, teilt die argolische Gegend. König Inachus nannte ihn nach sich selbst. Er war der Gründer des argivischen Adels. Die Zierde von Epidaurus (vgl. PL 4,18) ist das Heiligtum des Aesculapius; diejenigen, die sich darin zum Schlafen legen, finden durch den in Träumen gegebenen Rat Heilmittel gegen ihre Erkrankungen. Arcadia [IG] (11) In Arcadia liegt eine Großstadt namens „Pallanteum“ (vgl. PL 4,20). Es genügt sich zu erinnern, dass sie ihren Namen unserem eigenen Palatium (vgl. SO I 14) durch den Arcader Evander gab. Dort sind auch die Berge Cyllene und Lycaeus (vgl. PL 4,21). Dann gibt es Maenalus, der durch die Götter berühmt ist, die dort aufgezogen wurden. Der Berg Erymanthus ist nicht unbekannt. Unter den Flüssen sind Erymanthus, der vom Berg Erymanthus herabkommt, und Ladon; der erstere ist wegen eines Kampfes des Hercules berühmt, der letztere wegen des Pan. (12) Varro behauptet, dass es eine Quelle in Arcadia gibt, deren Wasser den Tod bringt (vgl. PL 2,231). °[PL 10,87] Über die Vögel an diesem Ort ist nur dies nicht unwürdig eines Berichts, dass die Amsel, obwohl sie an anderen Orten schwärzlich ist, um Cyllene äußerst weiß ist.± (13) Wir sollten auch nicht einen Stein (vgl. PL 37,146) verachten, den Arcadia hervorbringt. Sein Name ist Asbesto und er hat die Farbe von Eisen. Wenn er in Brand gesteckt wird, kann er nicht gelöscht werden. Isthmus [PL 4,18-19] (14) In den Golf der Megarenser geht der Isthmos hinaus, wegen der fünfjährigen (also alle vier Jahre stattfindenden) Wettspiele und des Tempels von Neptun berühmt. Diese Spiele wurden – so sagt man – zur Erinnerung an die fünf Küsten der Peloponnes eingerichtet, die durch fünf Meere bespült werden: vom Norden her durch das Ionische, vom Westen her durch das Aegaeische, vom südlichsten SüdostenR durch das Sicilische, vom nördlichsten NordostenR durch das Myrtoische und vom Süden durch das Cretische. °[IG] Dieses Schaustück wurde von dem Tyrannen Cypselus eingestellt, aber in der 49. OlympiadeZ von den Korinthern zur einstigen Feierlichkeit wiederhergestellt. (15) Im Übrigen steht der Name als Beleg dafür, dass die Peloponnesus von Pelops beherrscht wurde.±
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Ea ut platani folium recessibus et prominentiis figurata divortium facit inter Ionium et Aegaeum mare, quattuor non amplius milibus dispescens utrumque litus excursu tenui, quem Isthmon dicunt ob angustias. (16) Hinc Hellas incipit, quam proprie veram habent Graeciam. Quae nunc Attice, Acte prius dicta; ibi Athenae. cui urbi saxa Scironia propinqua sunt, porrecta sex milibus passuum, ob honorem ultoris Thesei et memoriam nobilis poenae sic nominata. (17) Ex istis rupibus Ino se cum Palaemone filio in profunda praecipitem iaculata auxit maris numina. (18) Nec Atticos montes partitim tacebimus. Est Icarius, est et Brilessus*, est Lycabettus et Aegialus;1 sed Hymetto meritissime ac iure tribuitur principatus, quod adprime florulentus eximio mellis sapore et externos omnes et suos vincit. (19) Callirhoen stupent fontem, nec ideo Crunescon2 fontem alterum nullae rei numerant. Atheniensibus iudicii locus Arios pagos. Marathon campus factus memorabilis opinione proelii cruentissimi. (20) Multae quidem insulae obiacent Atticae continenti, sed suburbanae ferme sunt Salamis Sunium Ceos Coos, quae, ut Varro testis est, suptilioris vestis amicula arte lanificae scientiae prima in ornatum feminarum dedit. (21) Boeotia Thebis enitet. Thebas condidit Amphion, non quod lyra saxa duxerit, neque enim par est ita gestum videri, sed quod adfatus suavitate homines rupium incolas et incultis moribus rudes ad obsequii civilis
———————————— 1
Agialeus ci. Fernández Nieto 2001, 94. cruneson codd. plerique, Mommsen; crunescon Curtius 1886, 199-200 (Κρουνι' σκον); Fernández Nieto 2001, 94. 2
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Gestalt [ME 2,38] Sie ist wie ein Platanenblatt geformt mit Einbuchtungen und Landvorsprüngen (vgl. PL 4,9). Sie bildet die Trennungslinie zwischen dem Ionischen und dem Aegaeischen Meer, wobei der schmale Pfad zwischen beiden Küsten nicht mehr als 4 MeilenM misst; ihn nennt man „Isthmos“ (griech.: „Enge“) wegen seiner Engen.E
Graecia Attica [PL 4,21-23] (16) Hier beginnt Hellas, das man zu Recht als das eigentliche Griechenland ansieht. Was jetzt „Attica“ genannt wird, war vorher als „Acte“ bekannt. Hier ist Athen gelegen. Die Felsen des Sciron sind nahe an dieser Großstadt. Sie erstrecken sich 6 MeilenM weit °[IG] und wurden so zu Ehren von Theseus, dem Rächer, und seiner bemerkenswerten Rache benannt. (17) Von diesen Klippen warf Ino sich selbst und ihren Sohn Palaemon mit dem Kopf voran in die Meerestiefen und vergrößerte so die Zahl der Meeresgottheiten.± (18) Wir wollen die Attischen Berge nicht übergehen: Es gibt Icarius, Brilessus, Lycabettus und Aegilaus, aber dem Hymettus °[IG] wird nach Verdienst und zu Recht der erste Rang zugewiesen, weil er an Blumen besonders reich ist und weil der ausgezeichnete Geschmack seines Honigs den aller Honige aus diesem und anderen Ländern übertrifft.± (19) Die Quelle Callirhoe findet man erstaunlich, die Quelle Crunescon hingegen zählt man zu den unbedeutenden. Der Ort des Gerichts für die Athener ist am Arios Pagos. Die Ebene von Marathon wurde durch den Bericht über eine äußerst blutige Schlacht dort berühmt. [PL 4,62+] (20) Viele Inseln liegen gegenüber dem attischen Festland: Salamis, Sunium, Ceos und Coos sind fast Vorstädte. Letzere war, wie Varro angibt, die erste, in der dank der Technik des Spinnens feine Kleider für Frauen verfertigt wurden. Boeotia [PL 4,25-27+] (21) Boeotia glänzt durch Theben. °[IG] Theben gründete Amphion, nicht indem er den Steinen mit seiner Leier Befehle gab – es ist ja nicht wahrscheinlich, dass dies so vollbracht wurde –, sondern indem er die wilden Einwohner, die durch ungehobelte Bräuche rau waren, mit süßen Reden von den Felsen herablockte und zur Disziplin
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pellexerit disciplinam. (22) Urbs ista numinibus apud se ortis gloriatur, ut perhibent qui sacris carminibus Herculem et Liberum celebrant. Apud Thebas Helicon lucus est, Cithaeron saltus, amnis Ismenus, fontes Arethusa Oedipodia Psamathe Dirce, sed ante alios Aganippe et Hippucrene; (23) quos Cadmus litterarum primus repertor quoniam equestri exploratione deprehendisset, dum rimatur quaenam insideret loca, incensa est licentia poetarum, ut utrumque pariter disseminaretur, et quod aperti forent alitis equi ungula, et quod poti inspirationem facerent litterariam. (24) Euboea insula laterum obiectu efficit Aulidis portum, saeculis traditum Graiae coniurationis memoria. (25) Boeoti iidem sunt qui Leleges fuerunt; per quos defluens Cephisos amnis se in maria condit. (26) In hac continentia Opuntius sinus, Larisa oppidum, Delphi, Ramne quoque, in qua Amphiarai fanum et Phidiacae signum Dianae. (27) Varro opinatur duo in Boeotia esse flumina, natura licet separi, miraculo tamen non discrepante: quorum alterum si ovillum pecus debibat, pullum fieri coloris quod induerit, alterius haustu quaecumque vellerum fusca sint in candidum verti. (28) Addit videri ibi puteum pestilentem, cuius liquor mors est haurientibus. Perdices sane cum ubique liberae sint ut aves universae, in Boeotia non sunt nec cum volant sui iuris, sed in ipso aere quas transire non audeant metas habent; inde ultra notatos iam terminos numquam exeunt nec in Atticum solum transmeant. (29) Hoc Boeotiis proprium: nam quae communia sunt omnibus, generatim persequemur. Concinnantur a perdicibus nidi munitione sollerti; spineis enim fruticibus receptus suos vestiunt, ut animalia quae infestant arceantur asperis surculorum.
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bürgerlichen Gehorsams brachte.± (22) Diese Großstadt wurde durch die Geburt von Göttern innerhalb ihrer Mauern verherrlicht, wie von denjenigen erzählt wird, die Hercules und Liber Pater (Bacchus) in heiligen Liedern feiern. Bei Theben sind der Hain Helicon, der Wald Cithaeron, der Fluss Ismenus und die Quellen Arethusa, Oedipodia, Psamanthe und Dirce, aber vor allen anderen Aganippe und Hippucrene: (23) °[IG] Als Cadmus, der erste Erfinder der Buchstaben, sie bei einer Erkundung zu Pferd wahrnahm, während er erforschte, welche Orte er in Besitz nehmen wolle, wurde die Freiheit der Dichter dadurch entfacht, dass sich beide gleichermaßen ergossen, und zwar die eine, die durch den Hufschlag des geflügelten Pferdes geöffnet wurde, und die andere, deren Trunk literarische Inspiration schafft.± (24) Die Insel Euboea (s. u. SO XI 24) bildet durch ein Hervortreten ihrer Seiten den Hafen von Aulis, der durch die Jahrhunderte als Denkmal für das griechische Bündnis (gegen Troja) überliefert wird. (25) Die Boeoti sind dieselben, die einst Leleges waren; durch ihr Gebiet fließt der Fluss Cephisos und ergießt sich ins Meer. (26) Auf diesem Festland sind die Opuntische Bucht, die Stadt Larisa sowie Delphi. °[ME 2,46] Es gibt auch Ramne, in dem das Heiligtum des Amphiaraus und das von Phidias verfertigte Bild der Diana sind.± [IG] (27) Varro vermutet, dass es in Boeotia zwei Flüsse gibt, die zwar durch die Natur getrennt werden, sich aber in ihrer Wunderbarkeit nicht unterscheiden (vgl. PL 2,230). Wenn eine Schafsherde aus dem einen von ihnen trinkt, werden die Felle bunt, durch den Trunk aus der anderen werden alle dunklen Felle weiß (vgl. SO XXIII 1). (28) Er sagt außerdem, dass es dort einen Pest bringenden Brunnen gibt, dessen Wasser für die, die es trinken, tödlich ist. Tiere [PL 10,78] Während überall die Rebhühner sicherlich wie alle Vögel frei sind, sind sie dies in Boeotia nicht. Sie können nicht dorthin fliegen, wo sie wollen, sondern haben in der Luft selbst Grenzen, die sie nicht zu überqueren wagen. Sie fliegen nie über diese Grenzen hinaus und überqueren daher auch nie attischen Boden. [PL 10,100-103] (29) °[SO] Das ist den boeotischen eigen; was für alle Rebhühner üblich ist, wollen wir jetzt verfolgen.± Rebhühner machen ihre Nester mit klugen Verteidigungsanlagen. Sie bekleiden die Ausgänge der Nester mit dornigem Gestrüpp; so werden die Tiere, die ihnen zusetzen wollen, durch die harten Stacheln abgewehrt.
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Ovis stragulum pulvis est, atque clanculo revertuntur, ne indicium loci conversatio frequens faciat. (30) Plerumque feminae transvehunt partus, ut mares fallant, qui eos saepissime adfligunt inpatientius adulantes. Dimicantur circa conubium victosque credunt feminarum vice venerem sustinere; ipsas libido sic agitat, ut si ventus a masculis flaverit fiant praegnantes odore. (31) Tunc si quis hominum ubi incubant propinquavit, egressae matres venientibus sese sponte offerunt et simulata debilitate vel pedum vel alarum, quasi statim capi possint, gressus fingunt tardiores. Hoc mendacio inlicitant obvios et eludunt, quoad provecti longius a nidis avocentur. (32) Nec in pullis studium segnius ad cavendum: cum visos se persentiscunt, resupinati glebulas pedibus attollunt, quarum obtentu tam callide proteguntur, ut lateant deprehensi. (VIII 1) Thessalia eadem est et Haemonia, quam Homerus Argos Pelasgicon* nominat, ubi genitus est Hellen, a quo rege Hellenes nominati. huius a tergo Pieria ad Macedoniam protenditur, quae devicta sub Macedonum venit iugum. (2) Multa ibi oppida, multa flumina. De oppidis egregia sunt Phthia, Larisa Thessala et Thebae, de amnibus Peneus, qui praeter Ossam Olympumque decurrens collibus dextra laevaque molliter curvis nemorosis convallibus Thessalica facit Tempe, undisque apertior Macedoniam ac Magnesiam interluens in Thermaeum sinum decidit.
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(30) Sie bedecken ihre Eier mit Staub und kehren nur heimlich zu ihnen zurück, damit ihre häufigen Ortswechsel keinen Anhaltspunkt für den Platz geben. Die weiblichen Tiere bewegen die Eier wiederholt umher, um die männlichen Tiere zu betrügen, die nämlich sonst oft mit ihrem ungeduldigen Geflatter Eier zerquetschen. Die männlichen Tiere kämpfen um die weiblichen, und man glaubt, dass die Verlierer zulassen müssen, dass die Sieger sie wie weibliche Tiere begatten. Die weiblichen Tiere sind so von sexueller Lust erregt, dass sie, wenn ein Hauch von den Männern herweht, durch den Geruch trächtig werden. (31) Wenn sich ein Mensch dem Ort nähert, an dem sie nisten, kommen die Mütter freiwillig heraus und bieten sich dem an, der sich nähert. Sie simulieren eine Schwäche an den Füßen oder Flügeln, womit sie den Anschein erwecken, man könne sie nach und nach einfangen, und tüschen einen hinkenden Gang vor. Dieser Betrug regt ihre Feinde an und verwirrt sie, bis sie, lange Zeit in die Irre geführt, von den Nestern abgelenkt werden. (32) Auch die Küken sind in der Kunst der Verteidigung nicht weniger eifrig. Wenn sie wahrzunehmen beginnen, dass sie selbst sichtbar geworden sind, werfen sie sich auf ihren Rücken und heben mit ihren Füßen kleine Erdschollen auf. Sie werden von diesen so klug verborgen, dass sie, wenn sie angegriffen werden sollen, nicht erkannt werden.
Thessalia Einführung [PL 4,28-29+] (VIII 1) Thessalia ist dasselbe wie Haemonia, das Homerus „Argos Peslagicon“ nennt, wo Hellen gezeugt wurde, der König, nach dem die „Hellenes“ benannt sind. An dessen Rückseite erstreckt sich Pieria bis nach Macedonia; es kam erobert unter das Joch der Macedones. Städte und Flüsse [PL 4,29-30] (2) Viele Städte gibt es dort und viele Flüsse. Von den Städten sind herausragend Phthia, das thessalische Larisa und Thebae, unter den Flüssen der Peneus, der am Ossa und am Olympus vorbei fließt und das thessalische Tempe-Tal bildet, ein bewaldetes Tal mit freundlich steigenden Hügeln auf jeder Seite. °[IG] Zwischen Magnesia und Macedonia, breit und wellig fließend, mündet er in den thermaeischen Golf.±
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(3) Thessaliae sunt Pharsalici campi, in quibus civilium bellorum detonuerunt procellae. Ac ne in montes notos eamus, Pindum et Othryn agitent qui Lapitharum originem persequentur, Ossam quos Centaurorum stabulis immorari iuvat. (4) Pelium autem nuptiale convivium Thetidis atque Pelei in tantum notitiae optulit, ut taceri de eo magis mirum sit. (5)1 Nam Olympum ab Homero non per audaciam celebratum docent, quae in eo visitantur. Primum excellenti vertice tantus attollitur, ut summa eius caelum accolae vocent. (6) Ara est in cacumine Iovi dicata, cuius altaribus si qua de extis inferuntur, nec difflantur ventosis spiritibus nec pluviis diluuntur, sed volvente anno cuiusmodi relicta fuerint, eiusmodi reperiuntur; et omnibus tempestatibus a corruptelis aurarum vindicatur quidquid ibi semel est deo consecratum. {litterae in cinere scriptae ad usque alteram anni caerimoniam permanent.} (7) In regione Magnesia Mothona oppidum est, quod cum obsideret Philippus Macedonis Magni pater, damnatus est oculo iactu sagittae, quam iecerat Aster oppidanus inscriptam suo nomine, loco vulneris, nomine quem petebat. Populum istum callere arte sagittaria credere possumus vel de Philocteta, quoniam Meliboea in hoc pede conputatur. Sed ne transeamus praesidium poetarum. Fons Libethrius et ipse Magnesiae est.
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VIII 5-6 transponit editio altera inter IX 9 et 10.
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Ebenen und Berge [IG] (3) °[PL 4,29+] Zu Thessalia gehören die Ebenen von Pharsalos. Die Stürme des Bürgerkriegs donnerten an diesem Ort.± Wir werden die berühmten Berge anderen überlassen (vgl. PL 4,30) – sollen doch diejenigen, die den Ursprung der Lapithen verfolgen, Pindus und Othrys behandeln, und Ossa diejenigen, denen es eine Freude ist, Aufmerksamkeit auf die Ställe der Centauren zu lenken. (4) Pelium hat durch das Hochzeitsfest von Thetis und Peleus eine so große Berühmtheit erlangt, dass es erstaunlicher sein mag, zu diesem Thema zu schweigen als zu sprechen. (5) Die Dinge, die man am Olymp sehen kann, zeigen, dass Homerus ihn nicht mutwillig feierte: Vor allem erhebt er sich mit einer herausragenden Spitze so hoch, dass die Einwohner seine Spitze als Himmel bezeichnen. (6) Ein Altar ist auf dem Gipfel (vgl. ME 2,10), dem Jupiter gewidmet. Wenn auf dessen Altäre Brandopfer von Eingeweiden gebracht worden sind, werden sie weder durch den windigen Lufthauch verjagt noch durch den Regen fortgespült; vielmehr bleibt im Lauf des Jahres, was auch immer zurückgelassen wird, dort unverändert zu entdecken; zu allen Zeiten ist vor den Verderbnissen der Winde befreit, was dort einmal dem Gott geweiht ist. {In die Asche geschriebene Buchstaben bleiben bis zur Zeremonie des nächsten Jahres stehen (vgl. SO XI 33 zum Athos)}.
Magnesia [IG] (7) Im Gebiet Magnesia liegt die Stadt Mothona. Als Philipp, der Vater Alexanders des Großen von Macedonia, es belagerte, wurde er von einem Pfeil am Auge verwundet. Der Pfeil war von einem Stadtbewohner namens „Aster“ abgeschlossen worden; der Pfeil wurde mit seinem eigenen Namen beschrieben, dem Ort der Verwundung und dem Namen des Angegriffenen. Dass dieses Volk in der Kunst des Bogenschießens erfahren ist, können wir auch wegen Philoktetes gut glauben, °[SO] weil (dessen Herrschaftsgebiet) Meliboea zu diesem Fuß des Landes gerechnet wird. Aber wir wollen über die sicheren Angaben der Dichter nicht hinausgehen. Der Brunnen Libethrius ist selbst auch in Magnesia (vgl. PL 4,32).±
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(IX 1) Qui Edonii olim populi quaeque Mygdonia erat terra aut Piërium solum vel Emathium, nunc omne uniformi vocabulo Macedonica res est, et partitiones quae specialiter antea seiugabantur, Macedonum nomini contributae factae sunt corpus unum. (2) Igitur Macedoniam praecingit Thracius limes; meridiana Thessaliae Epirotae tenent; a vesperali plaga Dardani sunt et Illyrii; qua septemtrione tunditur Paeonia ac Pelagonia protegitur a Triballis. Montanis excessibus aquilonio frigori obiecta. (3) Inter ipsam et Thraciam Strymon amnis facit terminum, qui ab Haemi iugis inrigat. Verum ut sileam aut Rhodopen Mygdonum montem aut Athon classibus Persicis navigatum continentique abscissum mille quingentorum passuum longitudine, simul de auri venis et argenti, quae optimae in agris Macedonum et plurimae eruuntur, Orestidem dicam. (4) Populi sunt qui ut Orestae dicerentur inde coeptum. Mycenis profugus matricida cum abscessus longius destinasset, natum sibi in Emathia parvulum de Hermiona, quam in omnes casus sociam adsciverat, hic mandaverat occulendum. (5) Adolevit puer in spiritum regii sanguinis, nomen patris sui referens, occupatoque quidquid est quod procedit in Macedonicum sinum et Adriaticum salum, terram cui imperitaverat Orestidem dixit. (6) Admonet Phlegra, ubi antequam oppidum fieret rumor est militiam mundi dimicatam cum gigantibus, ut penitus persequamur quantis probationibus imperii indicia divinae expeditionis in hoc saeculo perseveraverint. (7) Illic si quando – ut accidit – nimbis torrentes excitantur et aucta aquarum pondera ruptis obicibus valentius se in campos ruunt, eluvione ossa etiam nunc ferunt detegi ad instar quae sunt e corporibus humanis sed modo grandiora, quae ob enormem magnitudinem monstrosi
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Macedonia Nachbarn [PL 4,33-40] (IX 1) Die einstigen Edonii-Völker und das Land, das Mygdonia oder piërischer oder emathischer Boden war, ist jetzt mit einem einheitlichen Wort die macedonische Sache, und die Teile, die zuvor speziell getrennt waren, sind dem Macedones-Namen zugefügt und zu einem einzigen Körper gemacht worden. (2) Deshalb wird Macedonia vom thracischen Limes begrenzt; die Südteile haben die thessalischen Epirotae inne; von der abendlichen (westlichen) HimmelsregionR her sind die Dardani und Illyrii; wo er sich nach Norden ersteckt, schützen Pelagonia und Paeonia das Land vor den Triballern. In den bergigen Ausbuchtungen ist es der Kälte des Aquilo-WindesW ausgesetzt. (3) Zwischen ihm selbst und Thracia bildete der Strymon-Strom die Grenze, der vom Kamm des Haemus herabströmt. Mythische Gestalten [IG] °[PL 4,37] Um von Rhodope, einem mygdonischen Berg, zu schweigen und auch vom Athos, der vom Festland durch eine Entfernung von 1½ MeilenM abgeschnitten wurde, damit die persische Flotte hindurch fahren konnte,± und auch von den Gold- und Silber-Adern, von denen viele von bester Qualität in den Gefilden der Macedones ausgegraben werden, will ich die Orestis besprechen. (4) Hier gibt es Völker, die man wegen des Folgenden „Orestae“ zu nennen begonnen hat: Aus Mycenae war Orestes als Muttermörder geflohen und entschlossen, sehr weit weg zu gehen. So befahl er, dass sein kleiner Sohn, der in Emathia von Hermiona geboren worden war und mit dem er als seinem Begleiter während aller seiner Abenteuer verbunden gewesen war, hier versteckt werde. (5) Der Junge wuchs im Bewusstsein königlichen Geblüts auf, wobei er den Namen seines Vaters trug. Nachdem er das Gebiet, das sich bis zum macedonischen Golf und zum adriatischen Meer erstreckt, in Besitz genommen hatte, nannte er das Land, das er erobert hatte, „Orestis“. (6) Phlegra, wo vor der Errichtung der Stadt einem Gerücht zufolge das Weltheer mit den Giganten gekämpft hat, erinnert uns, die wir solche großen Beweise von Herrschaften gründlich verfolgen, daran, dass Zeugnisse für Götterkriege bis in dieses Zeitalter fortbestehen. (7) Wenn dort zu irgendeiner Zeit – wie das ja geschieht – die reißenden Ströme mit den Regenfällen anschwellen, mit dem vergrößerten Gewicht des Wassers ihre Ufer durchbrechen und sich auf die Ebenen werfen, sollen sogar heute noch durch die Überschwemmung Knochen aufgedeckt werden, die zwar die Gestalt menschlicher Knochen haben, aber viel größer sind. Wegen ihrer riesigen Größe sagt man, dass
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exercitus iactant extitisse, idque adiuvatur argumento saxorum inmanium quibus oppugnandum impetitum caelum crediderunt. (8) Pergam ad residua quae in Thessaliam et Athamaniam contendunt. Sunt enim arrectiora quam usquam proceritas montana attolli valet, nec est in terris omnibus quod merito ad istas eminentias comparetur, quippe quas solas diluvialis inruptio cum universa obduceret umido situ, inaccessas reliquit. (9) Durant vestigia non languidae fidei quibus apparet hos locos superstites undosae tempestati fuisse; nam in latebrosis rupium cavaminibus quae fluctuum confligiis tunc adesa sunt, reduviae conchyliorum resederunt et alia multa quae adfatim mari incito expuuntur, ita ut, sint licet facie mediterranea, appareant tamen specie litorali.1 (10) Nunc de incolis reddam. Emathius qui primus in Emathia occepit principatum, seu quia indago originis eius aevo disperiit seu quia ita res est, genuinus terrae habetur. (11) Post hunc in Macedonis exortum Emathiae nomen perstitit; sed Macedo Deucalionis maternus nepos, qui solus cum domus suae familia morti publicae superfuerat, vertit vocamen Macedoniamque a se dixit. (12) Macedonem Caranus insequitur dux Peloponnesiae multitudinis, qui iuxta responsum dictum deo, ubi caprarium pecus resedisse adverterat urbem condidit quam dixit Aegas, in qua sepeliri reges mos erat; nec alter excellentium virorum bustis apud Macedonas priscos dabatur locus. (13) Succedit Carano Perdicca, secunda et vicesima olympiade, primus in Macedonia rex nominatus. cui Alexander Amyntae filius dives habitus, nec inmerito; ita enim affluenter successus eius proficiebant, ut ante omnes Apollini Delphos, Iovi Elidem statuas aureas dono miserit. (14) Voluptati aurium indulgentissime deditus: sicut plurimos qui fidibus sciebant, dum vivit, in usum oblectamenti donis tenuit liberalibus, inter quos et Pindarum lyricum.
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Cf. ad VIII 5-6.
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sie von den Leichnamen der Soldaten jenes monströsen Heeres stammen. Dieses Argument wird durch das Zeugnis gewaltiger Felsbrocken gestärkt, mit denen, wie man glaubt, der Himmel angegriffen wurde. (8) Weitergehen möchte ich zum übrigen Macedonia, das sich nach Thessalia und Athamania ausstreckt. Die gebirgigen Höhen hier steigen höher an als andernorts. Es gibt nichts in irgendeinem anderen Land, das man recht mit diesen ragenden Bergen vergleichen kann, ja, der Angriff der Urflut, die alle anderen Gebiete mit feuchter Nässe bedeckte, erreichte diesen unzugänglichen Grund nicht. (9) Erhalten sind Spuren von nicht zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit, aus denen hervorgeht, dass diese Orte oberhalb der Fluten lagen. In den in den Klippen verborgenen Grotten, die durch die Gewalt des Wassers ausgewaschen worden waren, blieben Reste von Schalentieren und von den vielen anderen Sachen zurück, die durch das aufgebrachte Meer reichlich ausgespuckt wurden. Obwohl also dieser Ort im Binnenland liegt, hat er dennoch das Erscheinungsbild einer Meeresküste. [SO] (10) Jetzt will ich wieder über die Einwohner sprechen. Könige Macedonias [IG] Emathius, der als erster den Principat in Emathia gewann, wurde, wie man meint – sei es, dass die Wahrheit über seine Herkunft verloren gegangen ist oder weil es tatsächlich so ist –, aus der Erde geboren. (11) Danach blieb der Name Emathia, der mit ihm begonnen hatte, in Macedonia bestehen. Macedo jedoch, ein Enkel mütterlicherseits des Deucalion, der allein mit der Familie seines Hauses das allgemeine Sterben überlebte, änderte den Namen und nannte das Gebiet Macedonia nach sich selbst.E (12) Caranus, der Anführer des peloponnesischen Heeres, folgte auf Macedo. Einem Orakel gehorchend baute er dort eine Großstadt, wo er eine Ziegenherde sich ausruhen geheißen hatte, und nannte sie Aegae (griech.: „Ziegen“)E. °[PL 4,33] Dort wurden gewöhnlich die Könige bestattet;± ein anderer Ort war für die Gräber der ausgezeichneteren Männer unter den alten Macedonii nicht gegeben. (13) Auf Caranus folgte in der 22. OlympiadeZ Perdiccas. Er war der erste, der in Macedonia König genannt wurde. Nach ihm kam Alexander, Sohn des Amyntas, der als reich angesehen wurde, und zwar nicht ohne Ursache: Er hatte so viele Erfolge, dass er als erster von allen Menschen goldene Standbilder für Apollo nach Delphi und für Jupiter nach Elis (Olympia) als Weihegaben schickte. (14) Er war ganz und gar dem Vergnügen der Ohren ergeben; so hielt er zu seinen Lebzeiten sehr viele, die sich auf Saiteninstrumente verstanden, zum Nutzen des Zeitvertreibs mit großer Freigiebigkeit frei, darunter auch den Dichter Pindar.
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Ab hoc Archelaus regnum excepit, prudens rei bellicae, navalium etiam commentor proeliorum. (15) Hic Archelaus in tantum litterarum mire amator fuit, ut Euripidi tragico consiliorum summam concrederet; cuius suprema non contentus prosequi sumptu funeris, crinem tonsus est et maerorem quem animo conceperat vultu publicavit. (16) Idem Pythias et Olympiacas palmas quadrigis adeptus, Graeco potius animo quam regali gloriam illam prae se tulit. (17) Post Archelaum Macedonica res dissensione iactata in Amyntae regno stetit, cui tres liberi, sed Alexander patri succedit. Quo exempto, Perdiccae primo data copia amplissimae potestatis indupiscundae. Qui obiens hereditarium regnum fratri Philippo reliquit, quem captum oculo dextro apud Mothonam supra diximus; cuius debilitatis omen praecesserat: nam cum nuptias ageret, acciti tibicines carmen cyclopium quasi de colludio concinuisse traduntur. (18) Hic Philippus Magnum procreat, quamlibet Olympias Alexandri mater nobiliorem ei patrem adquirere adfectaverit, cum se coitu draconis consatam adfirmaret. Ita tamen et ipse egit ut deo genitus crederetur. (19) Peragravit orbem, rectoribus Aristotele et Callisthene usus, subegit Asiam Armeniam Hiberiam Albaniam Cappadociam Syriam Aegyptum; Taurum Caucasumque transgressus est; Bactros domuit; Medis et Persis imperavit; cepit Indiam, emensus omnia quae Liber et Hercules accesserant. (20) Forma supra hominem augustiore, cervice celsa, laetis oculis [inlustribus]*, malis ad gratiam rubescentibus, reliquis
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Von ihm übernahm Archelaus die Herrschaft, kenntnisreich im Kriegswesen und ein Pionier von Seeschlachten. (15) Dieser Archelaus war ein so großer Liebhaber der Gelehrsamkeit, dass er dem Tragiker Euripides höchstes Vertrauen schenkte; bei dessen Tod gab sich Archelaus nicht damit zufrieden, die Kosten des Begräbnisses zu übernehmen, sondern ließ auch sein Haar abschneiden und zeigte jedermann in seinem Gesicht die Trauer, die er in seinem Sinn trug. (16) Er gewann Preise im Viergespann-Rennen bei den Pythischen und den Olympischen Spielen. Er trug diesen Ruhm eher mit dem Geist eines Griechen als mit dem eines Königs. (17) Nach Archelaus wurde Macedonia durch Uneinigkeit gebeutelt, kam aber während der Herrschaft des Amyntas wieder zur Ruhe, der drei Söhne hatte, doch Alexander folgte seinem Vater nach. Als dieser entfernt worden war, wurde dem Perdiccas als erstem der Reichtum dieser sehr großen Macht vollständig übertragen. Im Sterben hinterließ dieser das Königreich seinem Bruder Philippus, der – wie wir oben (SO VIII 7) gesagt haben – sein rechtes Auge bei Mothona verlor. Diese Behinderung wurde durch ein Omen angekündigt: Als nämlich Philippus Hochzeit feierte, stimmten die Flöten-Spieler, die man aus der Ferne gebracht hatte, wie zum Spaß ein Lied vom (einäugigen) Cyclops an. (18) Dieser Philippus zeugte Alexander den Großen, auch wenn Olympias, dessen Mutter, die für ihn einen edleren Vater zu gewinnen gesucht hatte, behauptete, dass sie von einem Drachen (einer Schlange) geschwängert worden sei. Trotzdem verhielt sich Alexander selbst auf eine solche Art und Weise, dass man glaubte, er sei von einem Gott gezeugt worden: [PL 4,39] (19) Alexander zog durch jeden Teil der Welt, wobei er von seinen Lehrern Aristoteles und Callisthenes Gebrauch machte, eroberte Asia, Armenia, Hiberia, Albania, Cappadocia, Syria und Aegyptus, überquerte den Taurus und den Caucasus, unterwarf die Bactri, herrschte über die Medi und die Perses, gewann India und betrat alle Gebiete, denen sich Liber (Bacchus) und Hercules genähert hatten. [IG] (20) In seiner Gestalt war er mehr als alle Menschen ausgezeichnet, mit einem langen Hals, fröhlichen Augen und angenehm geröteten Wangen. Der Rest
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corporis non sine maiestate quadam decoris. Victor omnium vino et ira victus: sicut morbo vinolentiae apud Babylonem humiliore quam vixerat fortuna exemptus est. (21) Post quem qui fuerunt magis ad segetem Romanae gloriae quam ad hereditatem tanti nominis ortos invenimus. (22) Macedonia lapidem gignit quem paeanitem vocant. Hunc eundem et concipere et parere et parturientibus opitulari fama prodiga est. Circa Tiresiae sepulcrum plurimus invenitur. (X 1) Nunc in Thraciam locus pergere et ad validissimas Europae gentes vela obvertere. Quas qui sedulo experiri velint, non difficulter deprehendent Thracibus barbaris inesse contemptum vitae ex quadam naturali sapientiae disciplina. (2) Concordant omnes ad interitum voluntarium, dum nonnulli eorum putant obeuntium animas reverti, alii non extingui, sed beatas magis fieri. Apud plurimos luctuosa sunt puerperia, denique recens natum fletu parens excipit; (3) contraversum laeta sunt funera, adeo ut exemptos gaudiis prosequantur. Uxorum numero se viri iactant et honoris loco iudicant multiplex matrimonium. Quae feminae tenaces sunt pudicitiae, insiliunt defunctorum rogos coniugum et, quod maximum insigne ducunt castitatis, praecipites in flammas eunt. (4) Nupturae non parentum arbitrio transeunt ad maritos, sed quae prae aliis specie valent subhastari volunt et licentia taxationis admissa non moribus nubunt,
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seines Körpers war nicht ohne eine bestimmte anmutige Erhabenheit. Dieser Eroberer aller Menschen wurde dennoch selbst vom Wein und von seinem Jähzorn überwunden. Auf diese Weise wurde er in Babylon durch die Krankheit der Trunksucht fortgerissen – ein niedrigeres Schicksal als das, das er gelebt hatte. (21) Wir finden, dass diejenigen, die nach ihm kamen, mehr für den Gewinn des römischen Ruhms als für das Erbe eines so großen Namens geboren waren. Stein [PL 37,180] (22) Macedonia bringt einen Stein hervor, den man „Paeanites“ nennt. Die Sage ist verbreitet, dass dieser Stein Frauen bei der Empfängnis und Geburt hilft und Gebärenden beisteht. Er wird rings um das Grab des Tiresias am häufigsten gefunden.
Thracia Allgemeines [SO] (X 1) Nun gilt es, weiter nach Thracia zu gehen und die Segel zu den mächtigsten Stämmen Europas (vgl. PL 4,40) zu setzen. Riten [ME 2,20-21] °[SO] Diejenigen, die eifrig über diese etwas erfahren möchten, werden unschwer verstehen, dass es bei den Barbaren-Thraces eine Missachtung des Lebens gibt. Folgendes ist die Systematik ihrer Denkweise:± (2) Jeder von ihnen stimmt einem freiwilligen Tod zu, während nicht wenige von ihnen meinen, dass ihre Seelen zurückkehren. Andere denken, dass ihre Seelen durch den Tod nicht zerstört werden, sondern glücklicher werden. Die meisten von ihnen halten Geburten für etwas Trauriges. Tatsächlich nehmen diejenigen, die eben zu Eltern geworden sind, die Geburt mit Weinen auf. (3) Umgekehrt sind Begräbnisse fröhliche Anlässe, und zwar so sehr, dass der Verstorbene mit Freude zum Scheiterhaufen begleitet wird. Die Männer prahlen mit der Zahl der Frauen, die sie haben, und halten viele Ehen für eine Ehre. Die Frauen halten an ihrer Treue fest. Sie werfen sich auf die Scheiterhaufen ihrer toten Männer, und diejenigen, die man als mit der größten Treue ausgezeichnet ansieht, gehen Hals über Kopf in die Flammen. (4) Frauen, die heiraten wollen, lassen ihre Männer nicht durch ihre Eltern auswählen. Diejenigen, die am schönsten sind, ziehen es vor, versteigert zu werden, und mit der Freiheit der Abschätzung, die man ihnen zugesteht, heiraten sie nicht den Mann mit dem besten
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sed praemiis; quas formae premit dedecus, dotibus emunt quibus coniungantur. (5) Uterque sexus epulantes focos ambiunt, herbarum quas habent semine ignibus superiacto, cuius nidore perculsi pro laetitia habent imitari ebrietatem sensibus sauciatis. (6) De ritu ista sunt, de locis et populis quae secuntur. Strymonem accolunt dextro latere Denseletae, Bessorum quoque multa nomina ad usque Mestum amnem, qui radices Pangaei circumfluit. (7) Hebrum Odrysarum solum fundit, qui fluvius excurrit inter Priantas Dolongos Thynos Corpilos aliosque barbaros; tangit et Ciconas. Deinde Haemus sex milibus passuum arduus, cuius aversa Moesi Getae Sarmatae Scythae et plurimae insidunt nationes. (8) Ponticum litus Sithonia gens obtinet, quae nato ibi Orpheo vate inter principes iudicatur; quem sive sacrorum sive cantuum secreta in Spergivo {ðSperchivo}1 promunturio agitasse tradunt. Deinde stagnum Bistonium. (9) Nec longe regio Maronia, in qua Tirida oppidum fuit equorum Diomedis stabulum; sed cessit aevo solumque turris vestigium adhuc durat. (10) Inde non procul urbs Abdera, quam Diomedis soror et condidit et a se sic vocavit, mox Democriti domus physici ac si verum rimere, ideo nobilior. Hanc Abderam2 olympiade prima et tricesima senio conlapsam Clazomenii ex Asia ad maiorem faciem restitutam oblitteratis quae praecesserant nomini suo vindicaverunt. (11) Locum Doriscon inlustrem reddidit Xerxis adventus, quod ibi recoluit militis sui numerum. Polydori tumulum ostendit Aenus*. In parte, quam Aroteres Scythae *, celebrant quondam urbem Geraniam – Cathizon vocant barbari –, unde a gruibus Pygmaeos ferunt pulsos.
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sperchivo cum editione altera Mommsen („debuit esse Serrium”); Serrhio Bursian 1869, 642 ad Melam 2,28 (Seriphion cod., Serrhion Bursian collato Herodot. 7,59; Plin. n.h. 4,43; Suda s.v. Serrheion); Fernández Nieto 2001, 94. 2 Abderam del. ut glossema Macé 1888, 516 et 1899, 185/195, quod probat Fernández Nieto 2001, 94.
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Charakter, sondern mit den meisten Brautgaben. Jene Frauen aber, die durch ein abstoßendes Äußeres behindert werden, erhalten Mitgiften, die sie dafür verwenden, einen Mann zu bekommen. (5) Wenn sie tafeln, laufen sowohl die Männer als auch die Frauen um die offenen Herde und werfen dabei die Samen ihrer Kräuter auf die Flammen. Durch die Dämpfe überwältigt haben sie zur Fröhlichkeit eine Art Trunkenheit in ihren berauschten Sinnen. Völker und Orte [PL 4,40-44] °[SO] (6) So viel über ihre Riten; von den Orten und Völkern handelt, was folgt:± Am Strymon wohnen auf der rechten Seite die Denseletae, auch von den Bessi viele Gruppen bis zum Mestus-Strom, der die Wurzeln des Pangaeus umfließt; (7) den Hebrus bringt der Boden der Odrysae hervor; dieser Fluss verläuft unter den Priantae, Dolongi, Thyni, Corpili und anderen Barbaren; °[ME 2,2728] er berührt auch die Ciconae;± dann der Haemus(-Berg), 6 MeilenM (!) hoch, dessen abgewandten Teil die Moesi, Getae, Sarmartae, Scythae und sehr viele andere Völkerschaften besiedeln; (8) die pontische Küste hat der sithonische Stamm inne, der zu den höchstrangigen gezählt wird, weil der Dichter Orpheus dort geboren wurde; °[ME 2,27-28] man berichtet, dass er auf dem Kap Spergivum {ðSperchivum} Geheimnisse von Riten oder Gesängen ausübte;± dann der Bistonische Sumpf. (9) Nicht weit davon ist das Gebiet Maronia, in dem die Stadt Tirida lag, der Stall der Pferde des Diomedes; sie ist aber mit der Zeit verfallen; nur Spuren des Turms sind noch erhalten. (10) °[ME 2,29] Nicht weit von dort ist die Großstadt Abdera, die von der Schwester des Diomedes sowohl gegründet und auch nach sich selbst benannt wurde; später war es die Heimat des Naturphilosophen Democritus; deshalb ist es – um Wahrheit zu sagen – berühmter.± °[IG] Dieses Abdera, das in der 31. OlympiadeZ infolge des hohen Alters verfallen war, haben die Clazomenii aus Asia zu noch größerer Schönheit wiederhergestellt; diese nahmen das Vorausgegangene und Untergegangene für ihren eigenen Namen in Anspruch.± (11) Die Ankunft des Xerxes machte Doriscos berühmt, weil die Gesamtheit seiner Soldaten dort gemustert wurde. Aenus hat den Grabhügel des Polydorus in dem Gebiet, das von den Aroteres-Scythae gehalten wird. Eine bestimmte Großstadt namens „Gerania“ – die Barbaren nennen sie „Cathizon“ – wird dort gefeiert. Man sagt, dass die Pygmäen von dort durch Kraniche (griech. geranos: „Kranich“) vertrieben worden seien.E
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(12) Manifestum sane est in septemtrionalem plagam hieme grues frequentissimas convolare. Nec piguerit meminisse quatenus expeditiones suas dirigant. Sub quodam militiae eunt signo, et ne pergentibus ad destinata vis flatuum renitatur, harenas devorant sublatisque lapillulis ad moderatam gravitatem saburrantur. (13) Tunc contendunt in altissima, ut de excelsiori specula metentur quas petant terras. Fidens meatu praeit catervas, volatus desidiam castigat voce quae cogit agmen, ea ubi obraucata est succedit alia. (14) Pontum transiturae angustias captant, et quidem eas – nam promptum est oculis deprehendere –, quae inter Tauricam sunt et Paphlagoniam, id est inter Carambim et Criumetopon. Cum contra medium alveum adventasse se sciunt, scrupulorum sarcina pedes liberant. (15) Ita nautae prodiderunt conpluti saepe ex illo casu imbre saxatili. Harenas non prius revomunt quam securae sedis suae fuerint. Concors cura omnium pro fatigatis, adeo ut si qua defecerit congruant universae lassatasque sustollant usque dum vires otio recuperentur. Nec in terra cura segnior. (16) Excubias nocte dividunt ut exsomnis sit decima quaeque. Vigiles ponduscula digitis amplectuntur, quae si forte exciderint somnum coarguant. Quod cavendum erit clangor indicat. Aetatem in illis prodit color: nigrescunt senectute. (17) Veniamus ad promunturium Ceras Chryseon Byzantio oppido nobile, antea Lygos dictum, quod a Dyrrhachio abest septingentis undecim milibus passuum: tantum enim patet inter Hadriaticum mare et Propontidem.
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Tiere [PL 10,59-60+] (12) °[IG] Es ist ganz offensichtlich, dass sich in dieser nördlichen Himmelsregion im Winter Kraniche in großer Zahl versammeln. Es soll auch nicht verdrießen, in Erinnerung zu rufen, wie sie ihre Unternehmungen durchführen:± Sie bewegen sich wie eine militärische Gruppe unter einer Standarte voran. Damit die Kraft der Winde sie nicht vom Kurs abbringt, nehmen sie Sand zu sich und beladen sich als Ballast mit kleinen Steinen bis zu einem mäßigen Gewicht. (13) Dann streben sie in eine große Höhe, so dass sie wie von einem erhobenen Posten die Länder erfassen können, die sie zu erreichen suchen. Ein mit dem Kurs vertrauter Vogel fliegt dem Schwarm voran, züchtigt Trödeleien beim Flug mit der Stimme, die eine Truppe sammelt; wenn er heiser geworden ist, nimmt ein anderer diese Stelle ein. (14) Zur Vorbereitung der Überquerung des Pontus zielen sie auf die schmalste Passage. Diese – sie ist durch Hinsehen leicht auszumachen – liegt zwischen Taurica und Paphlagonia, also zwischen Carambis und Criumetopos. Wenn sie wissen, dass sie die Mitte der Meerenge passiert haben, lassen ihre Füße die Bündel von kleinen Steinen fallen. (15) °[IG] Seeleute berichten, dass sie aufgrund dieses Umstands häufig mit Steinschauern beregnet werden.± Die Kraniche bringen den Sand solange nicht wieder hervor, bis sie sich so sicher wie möglich festgesetzt haben. °[IG] Die Vögel sind einer Meinung bei der Fürsorge für diejenigen, die müde werden; tatsächlich strömen sie, wenn einige schwach werden, alle zusammen und ermutigen unaufhörlich die Erschöpften, bis diese nach einer Ruhepause ihre Kraft wiedererlangen. Ihre Fürsorge ist auch auf dem Land nicht träger.± (16) Sie teilen die Nachtwachen so ein, dass zu jeder Zeit zehn von ihnen Wache halten. Diese Wächter befestigen kleine Gewichte an ihren Krallen und beschimpfen diejenigen, die sie unerwartet fallen lassen, wegen ihrer Schlaffheit. Gibt es etwas, gegen das sie Vorsorge treffen müssen, zeigt ihnen der Lärm das an. °[PL 10,80] Ihre Farbe offenbart ihr Alter: Sie werden mit dem Alter dunkel.±
Meerengen Goldenes Horn [PL 4,46] (17) Wollen wir nun zum Kap Ceras Chryseon (griech.: „Goldenes Horn“) kommen, berühmt wegen der Stadt Byzantium, zuvor „Lygos“ genannt. Die Großstadt ist 711 MeilenM von Dyrrhachium entfernt, denn so viel liegt zwischen dem Adriatischen und dem Propontischen Meer.
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(18) In Ceniensi regione non longe Flaviopolim coloniam Bizye oppidum, quondam area Terei regis, invisum hirundinibus et deinceps alitibus illis inaccessum, quamquam et Thebas, quod illa moenia saepius capta sint, negentur subire. (19) Nam inter cetera habere illas quiddam praescium inde noscitur, quod lapsura non petunt culmina et aspernantur peritura quoquo modo tecta. Minime certe a diris avibus impetuntur nec umquam praeda sunt ut sacrae. Cibos non sumunt resistentes, sed in aere capiunt escas et hauriunt. (20) Alter isthmos in Thracia est similibus angustiis et pari latitudine arti maris. huius litora urbes utrimque secus ostentant. Propontidis oram insignit Pactye, Melanes sinum Cardia; quae quod in cordis faciem sita sit, dicta Cardia est. (21) Ille autem magnus Hellespontus stringitur in stadia septem, quibus ab Europa Asiaticam plagam vindicat. Hic quoque urbes duae: Abydos Asiae est, Sestos Europae. (22) Deinde contraria inter se promunturia: Mastusia Chersonesi, ubi finitur Europae sinus tertius, Sigeum Asiae, in quo tumulus est Cynossema dictus Hecubae sepulcrum et turris Protesilai delubro data. (23) Finibus Thraciae a septemtrione Hister obtenditur, ab oriente Pontus ac Propontis, a meridie Aegaeum mare.
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Tiere [IG] (18) °[PL 4,47] Im ceniensischen Gebiet, nicht weit von der Kolonie Flaviopolis, ist die Stadt Bizye, einst das Gebiet des Königs Tereus. Sie ist bei Schwalben verhasst und ihrerseits für jene Vögel unzugänglich.± °[PL 10,70] Schwalben weigern sich auch, nach Theben zu gehen, weil dessen Mauern sehr häufig eingenommen worden sind.± (19) Unter anderem haben Schwalben ein bestimmtes Vorherwissen, das so bewiesen wird: Sie machen sich nicht an Dächer heran, die demnächst einstürzen, und vermeiden Häuser, die irgendwie zugrunde gehen werden. Sie werden sicher nicht von schrecklichen (Greif) Vögeln angegriffen und sind nie Beute, als seien sie heilig. °[PL 10,73] Sie nehmen Futter nicht im Stehen auf, sondern fangen und verschlucken es in der Luft.± Hellespont [PL 4,48-50] (20) Es gibt einen anderen (vgl. SO VII 14) Isthmus in Thracia, der durch die Enge des Meeres eine ähnlich schmale Passage hat und von der gleichen Breite ist. Pactye kennzeichnet die propontische Küste und Cardia den Golf von Melane. Letzteres wurde „Cardia“ (griech.: „Herz“) genannt, weil er in einer Herzform gelegen ist.E (21) Der große Hellespont, der bis zu einer Distanz von 7 StadienM zusammengezogen ist, trennt Europa von der asiatischen Himmelsregion. Hier sind auch zwei Großstädte: Abydos gehört Asia, Sestos Europa. (22) Danach gibt es zwei gegenüberliegende Kaps: Mastusia an der Chersones, wo der dritte Golf Europas (s. o. SO VII 1) endet, und Sigeum in Asia, wo der Grabhügel Cynossema ist, der als Grabstätte der Hecuba bezeichnet wird. Es gibt auch den Turm des Protesilaus, verwendet als ein Heiligtum. [SO] (23) An den Grenzen Thracias vom Norden her streckt sich der Hister aus, vom Osten der Pontus und die Propontis, vom Süden das aegaeische Meer (vgl. PL 4,44; 4,43; 4,51).
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Solinus
(XI 1) Inter Tenedum et Chium, qua Aegaeus sinus panditur, ab dextera Antandrum navigantibus saxum est – hoc enim verius quam insula meruit cognominari; (2) id quoniam visentibus procul caprae simile creditur, quam Graeci aega nuncupant, Aegaeus sinus dictus. A Phalario Corcyrae promunturio ad navis effigiem scopulus eminet, in quem transfiguratam Ulixis navem crediderunt. Cytherae, quae a Malea abest quinque milibus passuum, Porphyris antea nomen fuit. (3) Pronius est Cretam dicere quam absolvere, in quo mari iaceat. Ita enim circumflui illius nomina Graeci permiscuerunt, ut dum aliis alia inferunt, paene oblimaverint universa. Quanta potest tamen in designando operam locabimus, ne quid haereat sub ancipiti. (4) Inter ortum porrigitur et occasum tractu longissimo, hinc Graecia illinc Cyrenis obiacentibus. A septentrione Aegaeis et suis aestibus verberatur, id est Creticis; ab austro Libycis undis perfunditur et Aegyptiis, non stipata C urbibus, sicut perhibent qui prodige lingua largiti sunt, sed magnis et ambitiosis oppidis, quorum principatus est penes Gortynam, Cydoneam, Cnoson, Therapnas, Cylisson.1 (5) Dosiades eam a Crete nympha Hesperidis filia,
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Tylisson mavult Fernández Nieto 2001, 94.
XI
Aega
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INSELN
[PL 4,51-56] (XI 1) Zwischen Tenedus und Chius, wo sich der aegaeische Golf erstreckt, gibt es auf der rechten Seite der nach Antandrus Segelnden einen Felsen – er verdient es wahrhaftig, Fels genannt zu werden, nicht Insel; (2) weil er von weitem in der Form einer Ziege ähnlich sieht, die von den Griechen „aega“ genannt wird (vgl. SO IX 12), heißt der Golf AegaeischerE. Von Phalarium, einem Kap von Corcyra, ragt in Form eines Schiffs ein Felsen hervor; in diesen sei, so glaubt man, das Schiff des Ulixes (Odysseus) verwandelt worden. Cythera, das 5 MeilenM von Malea entfernt ist, hatte einst den Namen Porphyris.
Creta Einführung [IG] (3) Es ist leichter, von Creta zu sprechen als zu erschließen, in welchem Meer es liegt. So nämlich haben die Griechen die Namen der Gewässer in der Umgebung durcheinander gebracht, dass sie immer wieder andere Namen eingeführt und so das Ganze verunklart haben. Soweit möglich wollen wir uns aber beim Bezeichnen Mühe geben, damit es keine Unsicherheiten gibt. Städte [PL 4,58-59] (4) Zwischen Sonnenauf- und -untergang erstreckt sich Creta °[IG] in einem sehr langgestreckten Gebiet, hier liegen Griechenland auf der einen Seite, Cyrene gegenüber auf der anderen. Vom Norden her wird Creta durch seinen eigenen Teil von der aufgewühlten Aegaeis – also durch das Cretische Meer – gepeitscht, vom Auster-WindW her wird es von den Libyschen und den aegyptischen Wogen bespült.± Es ist nicht von 100 Großstädten befüllt, wie von denen angegeben wird, die verschwenderische Reden führen, sondern von großen und ehrgeizigen Städten, deren ersten Rang Gortyna, Cydonea, Cnosos, Therapnae und Cylissos innehaben. Namen [PL 4,58] Überliefert haben, (5) Dosiades, dass es nach der Nymphe Crete, einer Tochter der Hesperides,
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Solinus
Anaximander a Crete1 rege Curetum2, Crates Aeriam prius dictam, mox Curetum, nonnulli etiam a temperie caeli Macaronneson appellatam prodiderunt. Prima potuit remis et sagittis, prima litteris iura fixit. Pyrrhicho repertore equestres turmas prima docuit lascivas vertigines implicare, ex qua disciplina bellicae rei usus datus. (6) Studium musicum inde coeptum, cum Idaei dactyli modulos crepitu ac tinnitu aeris deprehensos in versificum ordinem transtulissent. (7) Albet iugis montium Dictynnaei et Cadisti, qui ita excandescunt, ut eminus navigantes magis putent nubila. Praeter ceteros Ida est qui ante solis ortum solem videt. Varro in opere quod de litoralibus est etiam suis temporibus adfirmat sepulcrum Iovis ibi visitatum. (8) Cretes Dianam religiosissime venerantur, Britomartem gentiliter nominantes, quod sermone nostro sonat virginem dulcem. Aedem numinis praeterquam nudus vestigia nullus licito ingreditur. Ea aedes ostentat manus Daedali. (9) Gortynam amnis Lenaeus3 praeterfluit, quo Europam tauri dorso Gortynii ferunt vectitatam. Iidem Gortynii et Adymnum colunt Europae fratrem: ita enim memorant. Videtur hic et occurrit, sed die iam vesperato augustiore se facie visendum offerens. (10) Cnosii Minervam civem deam numerant, primumque apud se fruges satas audacter cum Atticis contendunt.
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Creteo mavult Fernández Nieto 2001, 94. Curetim mavult Fernández Nieto 2001, 94. Lethaeus ci. Salmasius 1629, 29; Fernández Nieto 2001, 94.
XI
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Anaximander, dass es nach Cretes, dem König der Curetes, Crates, dass es zunächst Aeria, bald danach dann Curetus, manche auch, dass es wegen der Milde des Himmels (Klimas) „Macaronnesus“ (griech.: „Insel der Seligen“) benannt worden sei.E Talente Cretas [IG] Als erstes hat Creta durch Ruder und Pfeile Macht gewonnen, schriftlich seine Gesetze festgehalten, nach der Erfindung des Pyrrhichos Reiterstaffeln gebildet und sich mit schadbringenden Wirbeln zu verweben gelehrt (vgl. PL 16,181; PL 7,204); aus dieser Systematik entstand die militärische Praxis. (6) Das musische Studium hat seine Ursprünge in Creta, als die Idaei die Maße des Dactylus durch das Rasseln und Klingen von Bronze erfassten und in eine Verse schaffende Ordnung übertrugen. Berge [IG] (7) Weiß erscheint Creta wegen der Gebirgsketten Dictynnaeus und Cadistus (vgl. PL 4,60; 16,142). Diese Berge glitzern, so dass Leute, die in weiter Entfernung segeln, sie für Wolken halten. Ida übertrifft die anderen: Dieser Berg sieht die Sonne noch vor dem Sonnenaufgang. Varro versichert in seinem Werk über die Küsten, dass man dort auch zu seiner Zeit die Grabstätte Jupiters besuchen konnte. Mythen [IG] (8) Die Creter sind in ihrer Verehrung der Diana bei der Kultpraxis sehr eifrig. In ihrer Muttersprache nennen sie sie „Britomartis“, was in unserer Sprache wie „süßes Mädchen“ klingt. Keinem ist es erlaubt, in das Heiligtum dieser Gottheit zu treten, es sei denn, barfüßig. Dieses Heiligtum zeigt das Werk des Daedalus. (9) Der Fluss Lenaeus strömt an Gortyna vorbei, wo – wie die Gortynii sagen – Europa auf dem Rücken eines Stiers fortgetragen wurde. Die Gortynii ehren auch den Bruder der Europa, Adymnus. Sie sagen, dass er etwa dort gesehen wird und umherläuft, um Leute zu treffen, dass er aber, wenn der Tag zum Abend neigt, sich mit einem majestätischeren Äußeren dem Anblick darbietet. (10) Die Cnosii zählen die Göttin Minerva zu ihren Bürgern und streiten sich eifrig mit den Attici darum, bei wem zuerst Getreide ausgesät wurde.
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(11) Ager Creticus silvestrium caprarum copiosus est, cervo eget. Lupos vulpes aliaque quadrupedum noxia nusquam educat. (12) Serpens nulla, larga vitis, mira soli indulgentia, arborarii proventus abundantes; nam in huius tantum insulae parte repullulant caesae cupressi. Herba alimos dicitur: ea admorsa diurnam famem prohibet; proinde et haec Cretica est. (13) Phalangium araneae genus est; si nisum quaeras, nulla vis corporis, si potestatem, ictum hominem veneno interficit. (14) Lapis quoque Idaeus dactylus dicitur insulae isti familiaris, coloris ferrei, humano pollici similis. Avem noctuam Creta non habet et si invehatur, emoritur.1 (15) Carystos aquas calentes habet – Ellopias vocant – et carystias aves quae flammas inpune involant: carbasa etiam quae inter ignes valent. Chalcis eadem habita est apud priscos, ut Callidemus auctor est, aere ibi primum reperto. (16) Titanas in ea antiquissime regnasse ostendunt ritus religionum: Briareo enim rem divinam Carystii faciunt, sicut Aegaeoni Chalcidienses; nam omnis ferme Euboea Titanum fuit regnum. (17) Cycladas autumant inde dictas, quod licet spatiis longioribus a Delo proiectae, in orbem tamen circa Delum sitae sunt, et orbem cyclon Graii loquuntur.
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Cf. ad XI 24-25.
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Tiere, Pflanzen, Steine [IG] (11) Das cretische Gefilde hat viele wilde Ziegen, °[PL 8,227-228] aber keine Hirsche, nie Wölfe, Füchse oder andere schädliche Vierfüßler hervorgebracht,± (12) keine Schlange, eine Vielzahl von Weinstöcken, wundersame Milde des Bodens, reichhaltige Früchte von Bäumen; °[PL 16,141-142] ja, in nur einem Teil der Insel lassen Zypressen, die beschnitten worden sind, neue Triebe sprießen.± Ein Kraut wird „Alimos“ (griech.: „Nichthunger“) genannt; wenn man es kaut, verhindert es einen Tag lang Hunger.E (13) °[PL 11,79] Phalangium ist eine Spinnenart (vgl. PL 8,228). Wenn man deren Energie erforscht, findet man, dass sie keine Körperkraft hat; erforscht man aber ihre Macht, findet man, dass sie mit ihrem Gift einen Menschen töten kann.± (14) °[PL 37,170] Auch der Stein Idaeus Dactylus soll auf dieser Insel heimisch sein; er hat die Farbe von Eisen und ähnelt in der Gestalt einem menschlichen Daumen.E± °[PL 10,76] Einen Nachtvogel hat Creta nicht; wenn einer eingeführt wird, geht er zugrunde.±
Carystus [PL 4,64+] (15) Carystus hat heiße Quellen namens „Ellopiae“. Es hat Vögel namens „Carystiae“, °[IG] die unversehrt durch Flammen fliegen können. Es hat auch Leinen, das im Feuer stark bleibt.± Chalcis (griech.: „Erz“) wurde eben dieses von den Alten genannt, wofür Callidemus der Gewährsmann ist, weil dort erstmals Erz entdeckt wurde. (16) °[IG] Dass die Titanen dort vor sehr langer Zeit herrschten, zeigen die Riten der Kultpraxis: Für Briareus nämlich führen die Carystii die göttliche Sache durch, wie für Aegaeon die Chalcidenses; fast ganz Euboea (s. u. SO XI 24) war nämlich das Königreich der Titanen.±
Cyclades Name [PL 4,65] (17) Die Cyclades wurden später so genannt, weil sie, auch wenn manche von ihnen in weiterer Distanz von Delus liegen, in einem Kreis um Delus gelegen sind und die Graii (Griechen) vom Kreis als „cyclos“ sprechen.E
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Chios1 Homeri tumulo ceteras antecedit. (18) Meminisse hoc loco par est post primum diluvium Ogygi temporibus notatum, cum novem et amplius mensibus diem continua nox inumbrasset, Delon ante omnes terras radiis solis inluminatam, sortitamque ex eo nomen, quod prima reddita foret visibus. Inter Ogygum sane et Deucalionem medium aevum DC annis datur. (19) Eadem est Ortygia quae clarissima in Cycladum numero multifarie traditur; nunc Asteria a cultu Apollinis, nunc a venatibus Lagia vel Cynetho, Pyrpile etiam, quoniam et ignitabula ibi et ignis inventa sunt. (20) In hac primum visae coturnices aves, quas ortygas Graeci vocant. Has easdem in Latonae tutela aestimant constitutas. Nec semper apparent: adveniendi habent tempora aestate depulsa. Cum maria tranant, impetus differunt et metu spatii longioris vires suas nutriunt tarditate. (21) Ubi terram persentiscunt, coeunt catervatim, deinde globatae vehementius properant. Quae festinatio plerumque exitium portat navigantibus: accidit enim noctibus ut vela incidant et praeponderatis sinibus alveos vergant. Austro numquam exeunt, nam metuunt vim flatus tumidioris. Plurimum se aquilonibus credunt, ut corpora pinguiuscula atque eo tarda facilius provehat siccior et vehementior spiritus. (22) Ortygometra dicitur quae gregem ductitat: eam terrae proximantem accipiter speculatus rapit ac propterea opera est universis, ut sollicitent ducem generis externi, per quam frustrentur prima discrimina. (23) Cibos gratissimos habent semina venenorum, quam ob causam eas damnavere prudentium mensae. Solum hoc animal praeter hominem morbum patitur comitialem.
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Ios ci. Salmasius 1629, 30; Fernández Nieto 2001, 95.
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Chius [IG] Chius übertrifft die anderen, weil es die Grabstätte des Homerus hat. Delus [PL 4,66+] (18) Es ist passend, hier zu bemerken, dass nach der Urflut, von der man annimmt, dass sie in der Zeit des Ogyges stattfand, während dauernde Nacht insgesamt neun Monate lang die Tage überschattete, Delos als erstes von allen Ländern durch die Strahlen der Sonne beleuchtet wurde und daraus seinen Namen erhielt, weil es als erstes dem Sichtbaren (griech. delos: „sichtbar“) zurückgegeben wurdeE. °[IG] Die Zeit zwischen Ogygus und Deucalion wird mit 600 Jahren angegeben.± (19) Es ist dasselbe wie Ortygia, die berühmteste Cycladen-Insel, und wird auch vielfältig anders genannt: bald „Asteria“ nach dem Kult des Apollo, bald nach den verschiedenen dortigen Jagdmöglichkeiten „Lagia“ oder „Cynetho“, und auch „Pyrpile“, weil sowohl Feuergerätschaften als auch das Feuer (griech.: pyr) selbst dort entdeckt wurden.E Tiere [PL 10,61-69] (20) °[IG] Auf dieser Insel wurden erstmals Wachteln gesehen, die von den Griechen „Ortygae“ genannt werden. Diese Vögel werden, so meint man, zum Schutz der Latona eingesetzt.± Sie sind nicht zu allen Jahreszeiten sichtbar: Sie kommen an, wenn der Sommer zu Ende geht. °[IG] Wenn sie das Meer überqueren, verschieben sie die Anstrengung und bewahren sich aus Angst vor dem größeren Raum ihre Kräfte durch die Langsamkeit ihrer Bewegung.± (21) Wenn sie aber das Land klar wahrnehmen können, versammeln sie sich zu großen Schwärmen und bewegen sich heftiger. Ihre Hast bringt häufig Zerstörung für die Seeleute: Nachts zerreißen die Vögel die Segel von Schiffen und drücken die Falten des Segeltuchs nieder; so verlieren die Schiffe das Gleichgewicht. Wachteln fliegen nie auf dem Auster-WindW, weil sie die Kraft dieses recht heftigens Wehens fürchten. Sie verlassen sich gewöhnlich auf die Aquilo-WindeW, weil diese stärker und trockener sind, so dass sie besser im Stande sind, die Körper der Wachteln zu tragen, die etwas fett und deshalb langsam sind. (22) „Ortygometra“ heißt der Vogel, der den Schwarm anführt. Wenn er sich dem Land nähert, raubt ihn ein zusehender Greifvogel; so geht diese Aufgabe an alle gemeinsam über, so dass sie einen Anführer von anderer Art einsetzen, durch den sie der ersten Gefahr entkommen. (23) Ihre Lieblingsnahrung sind die Samen von Giftpflanzen. Aus diesem Grund verdammen die Tische der Klugen das Wachtelfleisch. Dies ist das einzige Lebewesen außer dem Menschen, das an Epilepsie erkrankt.
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(24)1 Euboea tam modico aestu dividua est a Boeotiae continente, ut dubitandum sit an numerari inter insulas debeat; nam latae quam vocant terrae ponte iungitur et per fabricam brevissimae machinae aditur pede. Cenaeo promunturio vadit in septentrionem, duobus aliis in meridiem extenditur; quorum Geraestos spectat Atticam, Caphereus prominet in Hellespontum. (25) Ubi post Ilii excidium Argivam classem vel Minervae ira vel, quod certior prodit memoria, sidus Arcturi gravibus adfecit casibus. (26) Marmore Paros nobilis, Abdelo2 oppido frequentissima: prius tamen Minoia quam Paros dicta, nam subacta a Minoe, quoad in Creticis mansit legibus, Minoiam loquebantur. (27) Praeter marmor dat et sardam lapidem, qui marmore quidem praestat, inter gemmas vero vilissimus ducitur. (28) Naxon a Delo duodeviginti milia passuum separant, in qua Strongyle oppidum; sed Naxos Dionysias quam Naxos prius dicta, vel quod hospita Libero patri vel quod fertilitate vitium vincat ceteras. (29) Sunt praeterea Cyclades plurimae, sed in supra dictis praecipuum est quod memoriae debeatur.
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XI 24-25 inter XI 14 et 15 transponit Walter 1963, 141-142, quod probat Fernández Nieto 2001, 94. 2 ab Delo : oppido ci. Becker 1874, 497 (cum Plinio); Fernández Nieto 2001, 95.
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Euboea [PL 4,53] (24) Euboea wird von einer so schmalen Meerenge vom boeotischen Festland getrennt, dass man zweifeln musst, ob man es zu den Inseln rechnen soll. Man sagt nämlich, dass diese Insel mit dem sogenannten „breiten Land“ (Festland) durch eine Brücke verbunden ist und dass es durch das Bauwerk dieses sehr kurzen Gerüsts zu Fuß besucht werden kann. Über das cenaeische Kap hinaus erstreckt es sich nach Norden, über zwei andere nach Süden. Von diesen blickt Geraestos nach Attica, Caphereus ragt in Richtung Hellespont vor. (25) °[IG] Dort verursachte nach der Einnahme von Ilium (Troja)Z entweder der Zorn der Minerva oder – wie eine sicherere Erinnerung angibt – der Arcturus-SternS für die argivische Flotte ernste Verluste.± Parus [PL 4,67] (26) Wegen des Marmors ist Paros berühmt, wegen der Stadt Abdelos vielbesucht. Zuvor wurde Paros „Minoia“ genannt; °[IG] weil es von Minos erobert worden war und lange dem cretischen Recht unterstand, sprach man von „Minoia“.± (27) °[PL 37,105] Außer Marmor gibt Paros den Stein Sarda, der tatsächlich vortrefflicher als Marmor ist, aber unter den Edelsteinen als wertlosester betrachtet wird.± Naxus [PL 4,67] (28) Naxos trennt von Delus eine Entfernung von 18 MeilenM; auf dieser Insel liegt die Großstadt Strongyle. Naxus wurde aber zuerst „Dionysias“ genannt, °[IG] entweder weil es Gastgeberin für Liber Pater (Bacchus, griech.: Dionysos) war oder± weil es in der Fruchtbarkeit seiner Weinreben alle anderen Orte übertraf.E Weitere Cyclades [SO] (29) Es gibt außer diesen sehr viele Cyclades, aber die oben genannten sind diejenigen, die man besonders erwähnen muss.
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(30) De Sporadibus est Icaros quae Icario mari nomen dedit. Haec inter Samum et Myconum procurrentibus saxis inhospita ac nullis sinibus portuosa ob inhumana litorum infamis est. Vult ergo Varro Icarum Cretem ibi interisse naufragio et de exitu hominis inpositum nomen loco. (31) Nam in Samo nihil nobilius quam Pythagoras civis, qui mox offensus fastu tyrannico relicta domo patria Bruto consule, qui reges urbe exegit, Italiam advectus est. (32) Melos, quam Callimachus Memallida dixit, omnium insularum rotundissima est iuxta Aeoliam. Nam Carpathus, a qua Carpathium sinum dicimus. Numquam ita caelum nubilum est ut in sole Rhodos non sit. Lemnii Vulcanum colunt, ideo in Lemno metropolis Hephaestia. (33) Praeterea oppidum Myrina, in cuius forum mons Athos in Macedonia umbram iacit. Quod non frustra inter miracula notaverunt, cum Athos a Lemno VI et LXXX milibus passuum separetur. Est sane Athos sublimis adeo, ut altior aestimetur quam unde imbres cadunt. Quae opinio in eo fidem concipit, quod in aris quas cacumine sustinet numquam cineres eluuntur nec quicquam ex aggeribus suis perdunt, sed quo relicti cumulo permanent. (34) In summo eo oppidum Acroton fuit, in quo dimidio longior quam in aliis terris incolentium aetas prorogabatur; ideo inde homines macrobios Graeci, nostri appellavere longaevos.
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Sporades [PL 4,68-72] (30) Von den Sporaden ist Icaros diejenige, die dem icarischen Meer seinen Namen gibt. °[PL 4,51] Diese Insel zwischen Samos und Myconos± °[IG] wird durch hervorstehende Felsen ungastlich gemacht und ist, da sie keine Häfen bietet, wegen der Unmenschlichkeit ihrer Küsten berüchtigt. Deshalb möchte Varro glauben, dass Icarus aus Creta dort durch einen Schiffbruch umkam und dass wegen dieses Todes dem Ort dieser Name gegeben wurde. (31) In Samos hat es keinen berühmteren Bürger als Pythagoras gegeben. Vom Widerwillen gegen die Tyrannenherrschaft über die Insel bewegt gab er sein Haus und seine Heimat auf. Er kam im Consulat des BrutusZ, der die Könige aus der Großstadt (Rom) vertrieben hatte, in Italia an.± (32) Melos, das Callimachus Memallida nannte, ist neben Aeolia (vgl. SO VI 3) die rundeste aller Inseln. Carpathus ist der Grund dafür, dass wir den carpathischen Golf so nennen. °[IG] Der Himmel ist nie so bewölkt, dass Rhodos (vgl. PL 4,71-72) nicht in der Sonne liegt. Die Lemnii verehren den Vulcanus (griech.: Hephaistos), weshalb auf Lemnos der Hauptort Hephaestia heißt.E± (33) Außerdem gibt es hier die Stadt Myrina, auf deren Forum der macedonische Berg Athos (s. o. SO IX 3) einen Schatten wirft. Das hat man nicht umsonst unter die Wunder gerechnet, da Athos von Lemnos 86 MeilenM weit entfernt ist. °[ME 2,31] Tatsächlich ist der Athos in solchem Maß erhoben, dass er als höher angesehen wird denn der Ort, von dem die Regengüsse herabkommen. Diese Meinung wird durch Folgendes beglaubigt: Die Asche wird nie von den Altären abgewaschen, die an seiner Spitze stehen, noch werden die Asche-Haufen in irgendeiner Weise zerstört, sondern bleiben in den Haufen, in denen sie verlassen worden sind (vgl. SO VIII 6 zum Olympus). (34) Auf diesem Gipfel liegt die Stadt Acroton. Die Leben der Einwohner währten anderthalbmal so lange wie die derjenigen, die in anderen Ländern leben.± °[SO] Deshalb wurden diese Menschen auf Griechisch „Macrobioi“ genannt, was in unserer Sprache „langlebig“ heißt.E±
(XII 1) Quartus Europae sinus Hellesponto incipit, Maeotis ostio terminatur. Atque omnis haec latitudo, quae Europam Asiamque dividit, in septem stadiorum angustias stringitur. (2) Hic est Hellespontus: hac Xerxes ponte navibus facto permeavit. Tenuis deinde euripus porrigitur ad Asiae urbem Priapum, qua magnus Alexander potiundi orbis amore transcendit et potitus est. Inde diffusus aequore patentissimo rursus stringitur in Propontidem; mox in quingentos passus coartatur fitque Bosporos Thracius, qua Darius copias transportavit. (3) Haec profunda delphinas plurimos habent, in quibus causae miraculi multiformes. Ante omnia nihil velocius habent maria, sic ut plerumque salientes transvolent vela navium. Quoquo eant, coniuges evagantur. (4) Catulos edunt; decimus mensis maturum facit partum; lucinam aestivus dies solvit; uberibus fetus alunt; teneros in faucibus receptant; invalidos aliquantisper prosecuntur. In tricesimum annum vivunt, quod exploratum est in experimentum caudis amputatis. Ora non quo ceterae beluae loco habent sed ferme in ventribus. Contra naturam aquatilium soli linguas movent. (5) Aculeatae sunt pinnae dorsuales; cum ira subiacet inhorrescunt; cum animi conquieverint, quibusdam receptaculis operiuntur.
MITTELMEER: VIERTER GOLF FESTLAND
Vom Hellespont bis zur Histermündung Hellespont, Propontis, Bosporos [PL 4,75-76] (XII 1) Der vierte Golf Europas beginnt am Hellespontus und endet am Mund der Maeotis. Diese ganze Breite, die Europa und Asia teilt, zieht sich in einer Meerenge von 7 StadienM zusammen. (2) Dies ist der Hellespontus; hier ging Xerxes auf einer aus Schiffen erbauten Brücke hinüber. Ein schmaler Kanal erstreckt sich dann zu Asias Großstadt Priapus, wo der große Alexander aus Streben nach Eroberung des Erdkreises übersetzte und sich seiner bemächtigte. Von da an breitet sich der Golf ins ganz offene Meer aus und zieht sich wieder zur Propontis hin zusammen; bald verengt er sich zu ½ MeileM und wird zum Thracischen Bosporos, wo Darius seine Armeen übersetzte. Tiere [PL 9,20-25] (3) °[SO] Diese Tiefen haben sehr viele Delphine, bei denen es vielerlei Gründe für Wunder gibt:± Vor allem haben die Meere nichts Schnelleres, so sehr, dass sie häufig hochspringen und über die Segel von Schiffen springen. Wohin auch immer sie gehen, ziehen sie paarweise umher. (4) Sie bringen Junge hervor; der zehnte Monat macht die Frucht reif; der Sommertag bringt die Jungen hervor; mit ihren Zitzen ernähren sie die Jungen; die Kleinen nehmen sie in ihre Mäuler; den Schwachen folgen sie eine Zeitlang nach. Sie leben bis ins 30. Jahr, was man in einem Experiment untersucht hat, bei dem manchen die Schwänze abgehauen wurden. Delphine haben ihre Mäuler nicht an derselben Stelle wie andere Seewesen, sondern fast auf dem Bauch. Entgegen der Natur anderer Wassertiere können allein sie ihre Zungen bewegen. (5) Scharf sind ihre Rückenflossen (vgl. PL 8,91); wenn sie zornig werden, stellen sie diese auf, wenn ihre Gemüter in Ruhe sind, sind diese mit bestimmten Rezeptakeln bedeckt.
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Spirare eos in aquis negant et vitales auras nonnisi in aere supero recuperare. Pro voce gemitus est similis humano. Certum habent vocabulum quo accepto vocantes secuntur: nam proprie simones nominantur. (6) Voces hominum aquilonis flatu celerius hauriunt; contra austro spirante auditus obstruuntur. Mulcentur musica, gaudent cantibus tibiarum, ubicumque symphonia est gregibus adventant. (7) Divo Augusto principe in Campania delphinem puer fragmentis panis primo inlexit, et in tantum consuetudo valuit, ut alendum se etiam manui ipsius crederet. Mox cum profluxisset puerilis audacia, intra spatia eum Lucrini lacus vectitavit; unde effectum, ut a Baiano litore equitantem puerum Puteolos usque veheret. (8) Hoc per annos plurimos tamdiu gestum, donec assiduo spectaculo desineret miraculum esse quod gerebatur. Sed ubi obiit puer, sub oculis publicis desiderio eius delphin interiit. Pigeret hoc adseverare, ni Maecenatis et Fabiani multorumque praeterea esset litteris conprehensum. (9) In Africo mox litore apud Hipponem Diarrhytum delphin ab Hipponensibus pastus est tractandumque se praebuit, impositos quoque frequenter gestitavit. Nec populi tantum manibus acta res est; nam etiam pro consule Africae Flavianus ipse eum contigit, unguentis etiam delibuit; qua odoris novitate obsopitus aliquantisper pro exanimi iactatus est multisque mensibus descivit a solita conversatione. (10) Apud Iasum urbem Babylonem puerum delphinus adamavit, quem dum post adsueta conludia recedentem inpatientius sequitur, harenis invectus haesit. Alexander magnus amorem illum numinis fuisse interpretatus praefecit puerum Neptuni sacerdotio. (11) Iuxta eandem urbem, ut Hegesidemus auctor est, alium puerum Hermian nomine per maria similiter insidentem cum undosior fluctus necavisset, delphin ad terram revexit et velut fateretur reatum, paenitentiam suam morte multavit nec reverti voluit amplius in profunda. (12) Suppetunt et alia exempla, ut Arionem transeamus, cuius exitum annalium conprobavit fides.
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Dass sie im Wasser atmeten, verneint man, vielmehr nähmen sie den lebenswichtigen Atem nur oben in der Luft zu sich. Als Stimme haben sie ein Ächzen, dem menschlichen ähnlich. Ein bestimmtes Wort haben sie; wenn sie es hören, folgen sie denen, die es rufen; passend nämlich nennt man sie „Simo“ („Stupsnase“). (6) Stimmen von Menschen nehmen sie beim Wehen des Aquilo-WindesW leichter auf; umgekehrt wird beim Wehen des Auster-WindesW ihr Gehör blockiert. Sie genießen Musik; sie freuen sich über die Klänge von Flöten. Wo immer es Melodien gibt, kommen sie in Scharen an. [PL 9,25-33] (7) Im Principat des vergöttlichen Augustus lockte in Campania ein Junge einen Delphin mit Brotbrocken an, und so große Macht hatte diese Gewohnheit, dass der Delphin ihm vertraute und sich aus der Hand füttern ließ. Als bald die jungenhafte Kühnheit wuchs, trug er ihn innerhalb der Distanzen des Lucriner Sees; danach kam es dazu, dass er den Jungen rittlings von der BaiaeKüste bis hin nach Puetoli brachte. (8) Das geschah über sehr viele Jahre und so lange, bis noch während dieses Schaustücks das, was stattfand, nicht mehr als Wunder galt. Doch als der Junge starb, ging der Delphin vor aller Augen aus Sehnsucht zugrunde. Es würde mich verdrießen, dies anzugeben, wenn es nicht in den Schriften des Maecenas, des Fabianus und außerdem vieler anderer berichtet würde. (9) Bald wurde an der Africa-Küste bei Hippo Diarrhytus ein Delphin von den Leuten von Hippo gefüttert und bot sich an, angefasst zu werden; auch trug er häufig die auf seinen Rücken Gesetzten. Das wurde nicht nur durch die Hände des Volks getan; vielmehr berührte sogar der Proconsul von Africa, Flavianus, selbst diesen Delphin und salbte ihn mit Öl; durch die Neuartigkeit des Geruchs eine Zeitlang zum Schlafen gebracht, wurde er als tot verworfen und ließ danach viele Monate lang von seinem gewohnten Umgang ab. (10) Bei Iasus, einer babylonischen Großstadt, verliebte sich ein Delphin in einen Jungen, dem er, als er sich nach ihren gewohnten gemeinsamen Spielen zurückzog, ganz ungeduldig folgte, auf den Sand sprang und dort umkam. Alexander der Große deutete jene Liebe als etwas Heiliges und stellte den Jungen an die Spitze des Priesteramts für Neptun. (11) Neben derselben Großstadt ritt, wofür Hegesidemus der Gewährsmann ist, ein anderer Junge namens Hermias auf einem Delphin über die Meere, als ihn ein starker Wellengang tötete; der Delphin trug ihn dann zurück ans Land; als ob seine Schuld eingestehe, bestrafte er seine Reue mit dem Tod und wollte nicht mehr ins tiefe Meer zurückkehren. (12) Es gibt andere Beispiele, selbst wenn wir das des Arion übergehen, dessen Tod die Verlässlichkeit der Annalen bezeugt hat.
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Ad haec si quando lasciviunt novi fetus, a maioribus datur adultior custos, quo magistro discant eludere impetus incursantium beluarum; quamquam ibi praeter phocas rara belua est. (13) Plurimus thynnus in Ponto, nec alibi paene fetificant; nusquam enim citius adulescunt, scilicet ob aquas dulciores. Ingrediuntur veris tempore, intrant dextero litore, laevo exeunt; hoc inde accidere credunt quod dexteris oculis acutius cernant quam sinistris. (XIII 1) Hister Germanicis iugis oritur, effusus monte qui Rauracos Galliae aspectat. Sexaginta amnes in se recipit ferme omnes navigabilis. Septem ostiis Pontum influit, quorum primum Peuce, secundum Naracustoma, tertium Calonstoma, quartum Pseudostoma; nam Borionstoma ac deinde Spilonstoma1 languidiora sunt ceteris, septimum vero pigrum ac palustri specie non habet quod amni comparetur. Priora quattuor ita magna sunt, ut per longitudinem quadraginta milium passuum non misceantur aequori dulcemque haustum incorrupto detineant sapore. (2) Per universum Pontum fiber plurimus, quem alio vocabulo dicunt castorem. Lytris similis est, animal morsu potentissimum, adeo ut cum hominem invaserit, conventum dentium non prius laxet quam concrepuisse persenserit fracta ossa. Testiculi eius adpetuntur in usum medellarum; idcirco cum urgeri se intellegit, ne captus prosit, ipse geminos suos devorat.
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„debuit esse Psilonstoma” Mommsen, quod probat Fernández Nieto 2001,
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Zu diesen Dingen können wir hinzufügen, dass, wenn jemals neue Delphin-Junge übermütig werden, ihnen von den älteren Delphinen ein reiferer Hüter gegeben wird; von diesem Lehrer lernen sie, Angriffe räuberischer Tiere abzuwehren, °[PL 9,50] auch wenn dort außer Robben solche Tiere selten sind.± [PL 9,47-50] (13) Es gibt sehr viele Thunfische im Pontus; sie laichen kaum andernorts, denn nirgends sonst werden sie rascher erwachsen, nämlich wegen der süßeren Gewässer. Sie kommen in der Frühlingszeit, gehen über die rechte Küste hinein, über die linke heraus; man glaubt, dass dies geschieht, weil sie mit ihren rechten Augen schärfer sehen als mit ihren linken. Histermündung [PL 4,79] (XIII 1) Der Hister entspringt in den germanischen Gebirgen; er kommt von einem Berg, der die Rauraci Gallias erblickt. 60 Ströme nimmt er in sich auf, fast alle schiffbar. °[IG] In sieben Mündungen fließt er in den Pontus,± davon ist die erste Peuce, die zweite Naracustoma, die dritte Calonstoma, die vierte Pseudostoma; Borionstoma und danach Spilonstoma °[IG] sind träger als die übrigen; die siebente aber ist faul und ein sumpfiges Erscheinungsbild und hat nichts, was man mit einem Strom vergleichen kann.± Die ersten vier sind so groß, dass auf eine Entfernung von 40 MeilenM ihr Wasser sich nicht mit dem Meer vermischt; sie behalten ihr Süßwasser mit einem unverdorbenen Geschmack. Tier [PL 8,109] (2) Überall im ganzem Pontus ist der Biber sehr häufig, den sie mit einem anderen Namen nennen, nämlich „Castor“. Er ist dem Otter ähnlich, ein wegen seines Bisses sehr mächtiges Tier, so sehr, dass er, wenn er einen Menschen angreift, die zusammengebissenen Zähne solange nicht lockert, bis er das Knacken brechender Knochen spürt. Seine Hoden sind zur Nutzung als Heilmittel gesucht; deshalb verschlingt er, wenn er versteht, dass er umzingelt ist, damit sein Fang nicht nützlich ist, seine eigenen ,Zwillinge‘ (Hoden).
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(3) Mittit Pontus et gemmas quas a patria Ponticas dicimus genere diverso: aliae aureas, aliae sanguineas habent stellas, et hae quidem inter sacras habentur; nam quae ostentationi potius quam usui deliguntur, non guttis aspersae sunt, sed longis colorum ductibus liniuntur. (XIV 1) Hypanis oritur inter Auchetas Scythicorum amnium princeps, purus et haustu saluberrimus, usque dum Callipidum terminis inferatur, ubi fons Exampaeus infamis est amara scaturrigine; qui Exampaeus liquido admixtus fluori amnem vitio suo vertit, adeo, ut dissimilis sibi in maria condatur. (2) Ita inter gentium opiniones fama de Hypane discordat: qui in principiis eum norunt, praedicant, qui in fine experti sunt, non iniuria execrantur. (XV 1) Apud Neuros nascitur Borysthenes flumen, in quo pisces egregii saporis et quibus ossa nulla sunt nec aliud quam cartilagines tenerrimae. (2) Verum Neuri, ut accepimus, statis* temporibus in lupos transfigurantur; deinde exacto spatio, quod huic sorti adtributum est, in pristinam faciem revertuntur. (3) Populis istis deus Mars est; pro simulacris enses coluntur; homines victimas habent. Ossibus adolent ignes focorum. Geloni ad hos proximant. De hostium cutibus et sibi indumenta faciunt et equis suis tegmina. Gelonis Agathyrsi conlimitantur, caerulo picti, fucatis in caerulum crinibus, nec hoc sine differentia: nam quanto quis anteit, tanto propensiore nota tinguitur, ut sit indicium humilitatis minus pingi. (4) Post Anthropophagi, quibus execrandi cibi sunt humana viscera; quem morem impiae gentis adiacentium terrarum prodit tristissima solitudo, quas ob nefarium ritum finitimae nationes profugae reliquerunt.
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Steine [PL 37,179] (3) Der Pontus bringt auch Edelsteine, die wir nach ihrer Heimat Ponticae nennen, von unterschiedlicher Art hervor: Einige haben goldene Sterne in sich, andere blutrote, und diese werden tatsächlich für heilig gehalten; sie werden mehr für die Zurschaustellung als für einen Nutzen gesammelt; sie sind nicht mit Flecken bestreut, sondern mit langen farbigen Linien gestreift.
Scythae am Pontus Europaeische Scythae [ME 2,6-15] (XIV 1) °[PL 4,88] Der Hypanis entspringt bei den Auchetae± als höchstrangiger scythischer Strom, rein und sehr gesund zu trinken, bis er dann zu den Grenzen der Callipides gebracht wird, wo die Quelle Exampaeus wegen ihres bitteren Wassers berüchtigt ist; dieser Exampaeus vermischt sein Wasser mit dem des reinen Stroms und verkehrt den Fluss so sehr zu seinem eigenen Schaden, dass der Hypanis als ein sich ganz ungleicher ins Meer ergießt. (2) °[SO] So besteht zwischen den Meinungen der Stämme beim Ruf des Hypanis ein Unterschied: Diejenigen, die ihn an seinen Anfängen kennen, preisen ihn; diejenigen aber, die ihn an seinem Ende kennen, verfluchen ihn nicht zu Unrecht.± (XV 1) °[PL 4,88] Bei den Neuri entsteht der Fluss Borysthenes,± in dem Fische von ausgezeichnetem Geschmack sind; abgesehen von einem sehr zarten Knorpel haben sie keine Gräten. (2) Die Neuri aber werden, wie wir gehört haben, zu feststehenden Zeiten in Wölfe verwandelt; wenn dann der Zeitraum abgelaufen ist, in dem ihnen dieses Los zuteil geworden ist, in ihre vorherige Gestalt zurück. (3) Für diese Völker ist Mars der Gott; als Götterbilder verehren sie Schwerter; Sie haben Menschenopfer. Sie versorgen ihre Brand-Altäre mit den Knochen. Die Geloni sind ihnen am nächsten. Aus den Häuten ihrer Feinde machen sie Kleidungsstücke für sich selbst und Decken für ihre Pferde. An die Geloni grenzen die Agathyrsi, himmelblau bemalt, mit himmelblau gefärbten Haaren, wenn auch nicht unterschiedslos: Je mehr einer herausragt, desto mehr ist er mit dichter Zeichnung gefärbt, so dass es ein Anzeichen für Bedeutungslosigkeit ist, wenn man weniger gefärbt ist. (4) Danach sind die Anthropophagi, deren verdammenswürdige Nahrungsmittel menschliche Fleischbrocken sind. °[PL 6,53-54] Die düstere Einöde der Länder in der Umgebung ist das, was diese Gewohnheit jenes unfrommen Stamms hervorbrachte. Wegen ihrer abscheulichen Gewohnheit meiden sie die Völkerschaften in der Umgebung und sind Flüchtlinge aus Angst. Deshalb
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Ea causa est, ut usque ad mare quod Tabin vocant per longitudinem eius orae, quae aestivo orienti obiacet, sine homine terra sit et inmensa deserta, quoad perveniatur ad Seras. (5) Chalybes et Dahae in parte Asiaticae Scythiae crudelitate ab inmanissimis nihil discrepant. At Albani in ora agentes, qui posteros se Iasonis credi volunt, albo crine nascuntur, canitiem habent auspicium capillorum: ergo capitis color genti nomen dedit. Glauca oculis inest pupula: ideo nocte plus quam die cernunt. (6) Apud hos populos nati canes feris anteponuntur, frangunt tauros, leones premunt, detinent quicquid obiectum est; ex quibus causis meruerunt etiam annalibus tradi. (7) Legimus petenti Indiam Alexandro a rege Albaniae duos missos, quorum alter sues sibi et ursos oblatos usque eo sprevit, ut offensus degeneri praeda ignavo similis diu accubaret; quem per ignorantiam velut inertem Alexander extingui imperavit. Alter vero monitu eorum qui donum prosecuti fuerant leonem missum necavit; mox viso elephanto notabiliter exultans beluam primum astu fatigavit, deinde cum summo spectantium horrore terrae adflixit. Hoc genus canes crescunt ad formam amplissimam, terrificis latratibus ultra rugitus insonantes. (8) Haec sunt de canibus Albanis: reliqua communia universis. Dominos aequaliter omnes canes diligunt, sicut exemplis patet. In Epiro denique domini percussorem in coetu agnitum latratu canis prodidit. Iaso Lycio interfecto canis ipsius aspernatus cibum inedia obiit. (9) Lysimachi regis canis flammae se iniecit accenso rogo domini et pariter igni absumptus est. Garamantum regem CC canes ab exilio reduxerunt proeliati adversus resistentes. Colophonii et Castabalenses canibus in bella ductis primas acies instruebant.
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nennen sie den ganzen Weg zum Meer Tabis, und über die ganze Länge seiner Küste, die im Nordosten liegt, ist das Land ohne einen Menschen und völlig verlassen, bis man zum Land der Seres (s. u. SO L 2) kommt.± °[IG] (5) Die Chalybes und die Dahae, die in einem Teil des asiatischen Scythia leben, unterscheiden sich an Grausamkeit nicht von den entsetzlichsten Leuten.± °[PL 6,38] Die Albani aber, die an der Küste leben und wollen, dass man glaubt, sie seien die Nachkommen des Iason,± °[PL 7,12] werden mit weißem Haar geboren; sie haben helles Haar beim Beginn des Haarwachstums; also gibt die Farbe ihrer Köpfe dem Stamm den Namen.E Eine blaue Pupille ist in ihren Augen; deshalb sehen sie nachts mehr als am Tag.± Tiere [PL 8,142-150] (6) Die bei diesen Völkern geborenen Hunde übertreffen alle wilden Tiere, überwinden Stiere, überwältigen Löwen und halten fest, was immer ihnen vorgeworfen wird; aus diesen Gründen haben sie es auch verdient, in den Annalen besprochen zu werden. (7) Wir lesen, dass auf dem Zug nach India Alexander vom König Albanias zwei Hunde geschickt wurden, von denen der eine ihm angebotene Schweine und Bären so sehr verachtete, dass er durch minderwertige und unwürdige Beute beleidigt lange still dalag; Alexander befahl aus Unwissen, ihn als unnötiges Tier zu vernichten. Der andere aber tötete auf Rat derjenigen, die ihn als Geschenk überbracht hatten, einen ihm gesandten Löwen; als er bald danach einen Elefanten sah, war er merklich erfreut, ermüdete listig das Tier und warf es dann zum größten Schrecken der Zuschauer zu Boden. °[SO] Hunde dieser Art wachsen zu einer sehr umfangreichen Größe und übertönen mit ihrem schreckenerregenden Gebell das Gebrüll. (8) Dies gilt für die albanischen Hunde;± das Übrige ist allen gemeinsam. Ihre Herren schätzen alle Hunde gleichermaßen, wie aus Beispielen hervorgeht: In Epirus etwa erkannte ein Hund den Mörder seines Herrn in einer Menge und offenbarte ihn durch sein Bellen. Nachdem der Lycier Iason getötet worden war, verschmähte sein Hund die Nahrung und starb durch Verhungern. (9) Der Hund des Königs Lysimachus warf sich in die Flammen, als der Scheiterhaufen seines Herrn entzündet worden war, und wurde ebenso vom Feuer verbrannt. Den König der Garamantes (s. u. SO XXVIII 1 – XXIX 8) führten seine 200 Hunde aus dem Exil zurück, nachdem sie diejenigen bekämpft hatten, die sich ihnen entgegenstellten. Die Colophonii und Castabalenses führten Hunde in Kriege und bildeten mit ihnen die vordersten Kampflinien.
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(10) Ap. Iunio P. Sicinio1 cos. damnatum dominum canis, cum abigi non posset, comitatus in carcerem, mox percussum ululatu prosecutus est; cumque ex miseratione populi Romani potestas ei cibi fieret, ad os defuncti escam tulit; ultimo deiectum in Tiberim cadaver adnatans sustentare conatus. (11) Canes soli nomina sua recognoscunt, itinerum meminerunt. Indi coitus tempore in saltibus religant canes feminas, ut cum his tigrides coeant, quarum ex primis conceptibus ob nimiam feritatem inutiles partus iudicant, itidem secundos, tertios educant. (12) Aegyptii canes e Nilo numquam nisi currentes lambitant, dum a crocodilis insidias cavent. (13) Inter Anthropophagos in Asiatica parte numerantur Essedones qui et ipsi nefandis funestantur inter se cibis. Essedonum mos est parentum funera prosequi cantibus et proximorum corrogatis coetibus corpora ipsa dentibus lancinare ac pecudum mixta carnibus dapes facere; capitum etiam ossa auro incincta in poculorum tradere ministerium. (14) Scythotauri pro hostiis caedunt advenas. Nomades pabula secuntur. Georgi in Europa siti agros exercent. Asiatae perinde in Europa siti neque mirantur aliena neque sua diligunt. Satarchae usu auri argentique damnato in aeternum se a publica avaritia vindicarunt. (15) Scytharum interius habitantium asperior ritus est: specus incolunt; pocula non ut Essedones, sed de inimicorum capitibus moliuntur; amant proelia; interemptorum cruorem e vulneribus ipsis bibunt; numero caedium honor crescit, quarum expertem esse apud eos probrum est; haustu mutui sanguinis foedus sanciunt non suo
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Silio ci. Fernández Nieto 2001, 95.
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(10) Im Consulat von Appius Iunius und Publius SiciniusZ begleitete (in Rom) ein Hund seinen verurteilten Herrn, da man ihn nicht vertreiben konnte, in den Kerker, und als der Mann dann hingerichtet wurde, folgte er ihm heulend nach; als ihm aus Mitleid des römischen Volkes Zugang zu Nahrung gewährt wurde, trug er die Speise zum Mund des Toten; als schließlich der Leichnam in den Tiber geworfen wurde, schwamm er heran versuchte ihn über Wasser zu halten. (11) Nur Hunde erkennen ihre eigenen Namen und erinnern sich an ihre Wege. Die Indi schicken zur Zeit der Paarung ihre Hündinnen in die Wälder, damit sich die Tiger mit ihnen paaren; die aus der ersten Empfängnis Geborenen beurteilen sie wegen ihrer übermäßigen Wildheit als nutzlos, ebenso die zweiten, die dritten ziehen sie auf. (12) Aegyptische Hunde trinken nie aus dem Nil außer im Vorbeilaufen, womit sie sich vor den Nachstellungen der Krokodile hüten. Asiatische Scythae [ME 2,9-10] (13) Zu den Anthropophagi (vgl. SO XV 4) in dem asiatischen Teil werden die Essedones gerechnet, die sich auch selbst durch ihre gottlose Nahrung als Mörder beflecken. Unter den Essedones ist es Brauch, den Leichenzügen der Eltern mit Gesängen zu folgen. Die hinterbliebenen Kinder holen eine Gruppe ihrer nächsten Verwandten ab, zerreißen die Leichname mit ihren Zähnen und bereiten aus dem Fleisch, das sie mit dem von Schafen mischen, ein Essen. Die Schädel der Eltern werden mit Gold umfasst und dienen fortan als Trinkbecher. (14) Die Scythotauri ermorden Ankömmlinge als Feinde. Die Nomades folgen ihren Herden. Die Georgi, die in Europa sind, bebauen ihre Felder. Die Asiatae, die es ebenso auch in Europa gibt, bewundern fremden Besitz nicht und schätzen auch ihren nicht. Die Satarchae haben den Gebrauch von Gold und Silber verurteilt und sich für immer von öffentlicher Habgier befreit. Scythae im Binnenland [ME 2,12+] (15) Die Gebräuche der weiter innen wohnenden Scythae sind noch wilder. Sie bewohnen Höhlen. Ihre Trinkbecher sind nicht so wie die der Essedones, sondern werden aus den Schädeln ihrer Feinde gemacht. Sie lieben Kämpfe und trinken das Blut direkt aus den Wunden derjenigen, die sie töten. Die Ehre eines Mannes entspricht der Zahl der von ihm begangenen Morde. Es gilt bei ihnen als Schande, keinen Mord begangen zu haben. Sie bestätigen Verträge dadurch, dass sie das Blut des jeweils anderen trinken. °[IG] Das ist nicht
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tantum more, sed Medorum quoque usurpata disciplina. (16) Bello denique, quod gestum est olympiade nona et quadragesima, anno post Ilium captum sescentesimo quarto, inter Alyatten Lydum et Astyagen Mediae regem, hoc pacto firmata sunt iura pacis. (17) Colchorum urbem Dioscuriadem Amphitus et Cercius aurigae Castoris et Pollucis condiderunt, a quibus Heniochorum gens exorta est. (18) Ultra Sauromatas in Asia sitos, qui Mithridati latebram et quibus originem Medi dederunt, confines sunt Thali his nationibus quas ab oriente contingunt Caspii maris fauces; quae fauces mirum in modum maciantur imbribus, crescunt aestibus. (19) Heniochorum montes Araxen, Moschorum Phasidem fundunt. Sed Araxes brevibus intervallis ab Euphratis ortu caput tollit ac deinde in Caspium fertur mare. (20) Arimaspi circa Gesclithron positi uniocula gens est. Ultra hos et Riphaeum iugum regio est assiduis obsessa nivibus; Pterophoron dicunt, quippe casus continuantium pruinarum quiddam ibi exprimit simile pinnarum. (21) Damnata pars mundi et a rerum natura in nubem aeternae caliginis mersa ipsisque prorsus aquilonis conceptaculis rigentissima. Sola terrarum non novit vices temporum nec de caelo aliud accipit quam hiemem sempiternam. (22) In Asiatica Scythia terrae sunt locupletes, inhabitabiles tamen; nam cum auro et gemmis affluant, grypes tenent universa, alites ferocissimi et ultra omnem rabiem saevientes. Quorum inmanitate obsistente ad venas {divites} accessus rarus est, quippe visos discerpunt, velut geniti ad plectendam avaritiae temeritatem. (23) Arimaspi cum his dimicant ut intercipiant lapides, quorum non aspernabimur persequi qualitatem. Smaragdis hic locus patria est, quibus tertiam inter lapides dignitatem Theophrastus dedit; nam licet sint et Aegyptii et Calchedonii et Medici et Laconici, praecipuus est honos Scythicis. Nihil his iucundius, nihil utilius vident oculi
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nur ihr eigener Brauch, sondern auch die Systematik, die sie sich von den Medi angeeignet haben. (16) Tatsächlich wurden in dem Krieg, der zwischen dem Lyder Alayttes und Astyages, dem König von Media, in der 49. OlympiadeZ im 604. Jahr nach der Einnahme von Ilium (Troja)Z, geführt wurde, die Eide über den Friedensschluss auf diese Weise bestätigt.± (17) °[PL 6,16] Die Großstadt der Colchi, Dioscurias, gründeten Amphitus und Cercius, die Wagenlenker von Castor und Pollux, von denen der Stamm der Heniochi abstammt.± (18) °[PL 6,17-19] Jenseits der in Asia gelegenen Sauromatae, die dem Mithridates ein Versteck gewährt und denen die Medi ihren Ursprung gegeben haben, sind die Thali Anrainer dieser Völkerschaften, die vom Osten her die Meerenge des Caspischen Meeres berühren; diese Meerenge wird in wundersamer Weise durch Regen schmaler, durch die Hitze größer.± (19) °[PL 6,26] Die Berge der Heniochi gießen den Araxes aus,± °[PL 6,13] die der Moschi den Phasis.± Der Araxes hebt sein Haupt in geringer Entfernung von der Quelle des Euphrates und wird dann zum Caspischen Meer geführt. (20) °[PL 7,10] Die Arimaspi, die um Gesclithron siedeln, sind ein einäugiger Stamm.± °[PL 4,88] Jenseits von ihnen und dem Riphaeischen Bergrücken ist ein Gebiet, das von ständigem Schnee bedeckt wird. Man nennt es „Pterophoros“ (griech.: „Federnträger“), weil der anhaltende Schneefall dort etwas Ähnliches wie Federn ausdrückt.E (21) Dieser verdammte Teil der Welt wird von der Natur der Dinge in eine Wolke ewigen Nebels versenkt und durch die eigentlichen Behälter des Aquilo-WindesW äußerst starr. Als einziges unter den Ländern kennt es keinen Wechsel der Jahreszeiten und empfängt vom Himmel nichts anderes als ewigen Winter.± Steine [PL 7,10] (22) Im asiatischen Scythia sind die Länder reich, aber dennoch unbewohnbar, denn während sie an Gold und Edelsteinen Überfluss haben, haben die Greife alles in ihrer Macht, äußerst wilde und jenseits aller Tollwut wütende Vögel. Da deren Wildheit den Ankömmlingen entgegensteht, ist der Zugang zu den {reichen} Goldadern selten, da sie alle, die sie sehen, zerreißen, als wären sie dafür geboren, die Frechheit der Habsucht zu bestrafen. (23) Die Arimaspi kämpfen mit ihnen, um Steine von einer Art abzufangen, deren Qualität nachzugehen wir nicht verachten wollen: [PL 37,62+-74] Für Smaragde ist dieser Ort die Heimat, denen unter den Steinen Theophrastus den dritten Rang zuweist. Freilich gibt es auch aegyptische, calchedonische, medische und laconische, doch kommt die größte Ehre den scythischen zu. Nichts Angenehmeres, nichts Nützlicheres als diese sehen die Augen.
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(24) In primis virent ultra aquaticum gramen, ultra amnicas herbas; deinde obtutus fatigatos coloris reficiunt lenitate, nam visus quos alterius gemmae fulgor retuderit smaragdi recreant. Nec aliam ob causam placuit, ut non sculperentur, ne offensum decus imaginum lacunis corrumperetur: quamquam qui verus est difficulter vulneretur. (25) Probantur hoc pacto, si aspectus transmittant; si cum globosi sunt proxima sibi inficiant aere repercusso, aut cum concavi sunt inspectantium facies aemulentur; si neque umbra neque lucernis neque sole mutentur. Optimos tamen sortiuntur situs quibus planities resupina est et extenta. (26) Inveniuntur etesiis flantibus; tunc enim detecto solo facillime internitent; nam etesiae plurimum harenas movent. Alii minus nobiles in commissuris saxorum vel in metallis aerariis apparent, quos chalcosmaragdos nuncupant. (27) Vitiosi eorum intrinsecus quasdam sordes habent, vel plumbo vel capillamentis vel etiam sali similes. Laudantur austeri. Sed mero viridi proficiunt oleo, quamvis natura inbuantur. (28) Et cyaneus e Scythia est, optimus si caerulo coruscabit. cuius gnari in marem et feminam genus dividunt: feminis nitor purus est, mares punctillis ad gratiam interlucentibus auratilis pulviculus variat. (29) Istic et crystallus, quem licet pars maior Europae et particula Asiae subministret, pretiosissimum tamen Scythia edit. Multus ad pocula destinatur, quamlibet nihil aliud quam frigidum pati possit. (30) Sexangulus invenitur. Qui eligunt purissimum captant, ne quid rufum, ne nubilum vel spumis obsitum arceat perspicuitatem; tunc ne duritia iusto propensior obnoxium fragilitati magis faciat. (31) Putant glaciem coire et in crystallum corporari, sed frustra: nam si ita foret, nec Alabanda Asiae nec Cypros insula hanc materiam procrearent, quibus admodum calor iugis est. Livia Augusti ad magnitudinem CL librarum inter Capitolina donaria crystallum dedicavit.
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(24) Zum ersten sind sie grüner als Wassergras und Flusskraut; dann stellen sie müde Blicke durch die Milde ihrer Farbe wieder her, denn solchen Augen, die von der Helligkeit eines anderen Edelsteins geschwächt worden sind, bieten Smaragde Erholung. Sie werden nur aus einem Grund nicht geschätzt, nämlich dass man sie nicht schnitzen kann, damit nicht ihre Schönheit durch die Eingrabungen von Bildern beschädigt und so verdorben wird. (25) Man macht den Wert von Smaragden daran fest, ob sie durchsichtig sind; wenn sie kugelförmig sind, färben sie die ihnen nächstliegenden Dinge durch die zurückgeworfene Luft; wenn sie konkav sind, spiegen sie die Gesichter ihrer Betracher wider, sofern sie weder vom Schatten noch von Öllampen oder vom Sonnenlicht verändert werden. Auf die besten Ränge setzt man die, bei denen oben eine Fläche geebnet und geglättet worden ist. (26) Man findet sie, wenn die Etesien-WindeW wehen; wenn dann nämlich der Boden weggeblasen wird, glitzern sie am einfachsten, denn die Etesien-WindeW bewegen die Sande am meisten. Andere weniger vornehme sind in den Fugen von Felsen oder in Erzminen zu sehen; man nennt sie „Chalcosmaragde“ („Erz-Smaragde“). (27) Die fehlerhaften von ihnen haben innen gewisse Schmutzeinschlüsse, die Blei, Haaren oder gar Salz ähneln. Die dunklen werden gelobt. Aber sie sind mit unverdünntem grünen Öl wirksam, als wären sie von Natur aus nass. [PL 37,119] (28) Auch der Cyaneus ist aus Scythia; er ist am besten, wenn er mit einer himmelblauen Farbe glitzert. Kundige teilen diese Steine in ein männliches und ein weibliches Geschlecht ein: den weiblichen ist ein reiner Glanz eigen, die männlichen macht ein Staub von goldenen, anmutig durchscheinenden Fleckchen bunt. [PL 37,23-28] (29) Dort ist auch der Crystallus (Bergkristall), den zwar auch der größere Teil von Europa und ein kleiner Teil Asias hervorbringt, am wertvollsten aber Scythia aufweist. Er wird viel für die Herstellung von Trinkbechern verwendet, doch kann er nichts anderes fassen als kalte Getränke. (30) Er wird in sechseckigen Formen gefunden. Diejenigen, die eine Auswahl treffen, zielen auf den reinsten, damit nicht etwas Rotes, Wolkiges oder durch Schaum Eingelagertes die Durchsichtigkeit verhindert. (31) Man glaubt, dass Eis sich sammelt und zu Crystallus geformt wird, doch nicht zu Recht: Wenn dem so wäre, würden weder Alabanda in Asia noch die Insel Cypros dieses Material erzeugen, weil es an diesen Bergrücken übermäßige Hitze gibt. Livia, die Gattin des Augustus, weihte einen Crystallus einer Größenordnung von 150 PfundM in die capitolinische Schatzkammer.
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(XVI 1) Fabulae erant Hyperborei et rumor irritus, si quae illine ad nos usque fluxerunt, temere forent credita; sed cum probissimi auctores et satis vero idonei sententias pares faciant, nullus falsum reformidet. De Hyperboreis rem loquemur. Incolunt pone Pterophoron, quem ultra aquilonem accipimus iacere. Gens beatissima. (2) Eam Asiae quidam magis quam Europae dederunt. Alii statuunt mediam inter utrumque solem, antipodum occidentem et nostrum renascentem; quod aspernatur ratio tam vasto mari duos orbes interfluente. Sunt igitur in Europa. (3) Apud quos mundi cardines esse credunt et extimos siderum ambitus, semenstrem lucem, aversum una tantum die solem; quamquam existant qui putent non cotidie ibi solem, ut nobis, sed vernali aequinoctio exoriri, autumnali occidere: ita sex mensibus infinitum diem, sex aliis continuam esse noctem. De caelo magna clementia: aurae spirant salubriter, nihil noxium flatus habent. Domus sunt nemora vel luci: in diem victum arbores sumministrant. (4) Discordiam nesciunt, aegritudine non inquietantur, ad innocentiam omnibus aequale votum. Mortem accersunt et voluntario interitu castigant obeundi tarditatem; (5) quos satias vitae tenet, epulati delibutique de rupe nota praecipitem casum in maria destinant; hoc sepulturae genus optimum arbitrantur. Aiunt etiam solitos per virgines probatissimas primitiva frugum Apollini Delio missitare; (6) verum hae quoniam perfidia hospitum non inlibatae revenissent, devotionis quam peregre prosequebantur pontificium mox intra fines suos receperunt.
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Jenseits der Scythae Hyperborei [PL 4,89-91] (XVI 1) Märchen wären die Hyperborei und ein nichtsnutziges Gerücht, wenn man das, was von ihnen bis zu uns geflossen ist, überstürzt glauben würde; da aber die glaubwürdigsten Gewährsmänner und diejenigen mit ausreichender Zuverlässigkeit gleiche Meinungen vertreten, möge niemand Schwindel befürchten. Über die Hyperborei wollen wir die Tasachen nennen: Sie bewohnen das Land hinter Pterophoros (s. o. SO XV 20), von dem wir annehmen, dass es jenseits des Aquilo-WindesW liegt. Sie sind ein sehr glücklicher Stamm. (2) Dass diese in Asia eher als in Europa wohnen, hat man überliefert. Andere halten zwar fest, dass sie die Mitte zwischen beiden Sonnen einnehmen, der untergehenden der Antipoden und der wieder aufgehenden von uns; die Vernunft aber widerlegt diese Theorie, weil es ja ein riesiges Meer gibt, das zwischen den zwei Erdkreisen wogt. Sie sind also in Europa. (3) Bei ihnen sind die Achsen der Welt, wie man glaubt, und der äußerste Umlauf der Sterne, sechs Monate Helligkeit, wobei die Sonne nur einen einzigen Tag abgewandt ist; doch gibt es manche, die glauben, dass die Sonne dort nicht wie bei uns täglich aufgeht, sondern nur zur Frühjahrs-Tagundnachtgleiche, und zur Herbst-Tagundnachtgleiche untergeht; so sei es sechs Monate endlos Tag und sechs dauernde Nacht. Vom Himmel kommt große Milde; die Lüfte wehen gesund und es gibt keine schädlichen Winde. Die Wohnung der Hyperborei sind Wäldchen und Haine; die Bäume statten sie mit der täglichen Nahrung aus. (4) Zwietracht kennen sie nicht und werden auch nicht durch Krankheit beunruhigt; alle haben denselben Wunsch nach Unschuld. Sie beschleunigen den Zugriff des Todes und verhindern durch freiwilligen Untergang die Langsamkeit des Sterbens; (5) wenn sie lebenssatt sind, schmausen sie, salben sich und springen dann mit dem Kopf voran von einer bekannten Klippe ins Meer; diese Art von Grab hält man für die beste. Man sagt auch, die Hyperborei seien gewohnt gewesen, durch ihre höchst geschätzten Jungfrauen die Erstlingsgabe ihrer Ernte an den delischen Apollo überbringen zu lassen; (6) seit jedoch durch die Treulosigkeit ihrer Gastgeber die Jungfrauen nicht unbeeinträchtigt zurückkehrten, nahmen sie die PriesterWeihegaben, die sie in die Fremde zu begleiten pflegten, bald nach innerhalb ihrer eigenen Grenzen zurück.
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(XVII 1) Altera in Asia gens est ad initium orientis aestivi, ubi deficiunt Riphaeorum montium iuga. Hyperboreis similes dicunt Arimphaeos. et ipsi gaudent frondentibus arbustorum: bacas edunt. Iuxta viros ac feminas taedet crinium: uterque sexus comas tondent. Amant quietem, non amant laedere. (2) Sacri habentur attrectarique eos etiam a ferocissimis nationibus nefas ducitur. Quicumque periculum a suis metuit, si ad Arimphaeos transfugerit, tutus est, velut asylo tegatur. (3) Ultra hos Cimmerii et gens Amazonum porrecta ad Caspium mare, quod dilapsum per Asiaticae plagae terga Scythicum inrumpit Oceanum. (4) Magnis deinde spatiis intercedentibus ostia Oxi fluminis Hyrcani habent, gens silvis aspera, copiosa inmanibus feris, feta tigribus. (5) Quod bestiarum genus insignes maculis notae et pernicitas memorabile reddiderunt. Fulvo nitent: hoc fulvum nigrantibus segmentis interundatum varietate adprime decet. Pedum motum nescio velocitas an pervicacia magis adiuvet. Nihil tam longum est quod non brevi penetrent: nihil adeo antecedit, ut non ilico adsequantur. (6) Ac maxime potentia earum probatur, cum maternis curis incitantur, cum catulorum insistunt raptoribus; succedant sibi equites licet et astu quantolibet amoliri praedam velint, ni in praesidio maria fuerint, frustra est ausum omne. (7) Notantur frequentissime, si quando latrones suos renavigantes vident, in litore irrita rabie cernuari, velut propriam tarditatem voluntaria castigantes ruina; quamquam de fetu universo vix unus queat subtrahi. (8) Pantherae quoque numerosae sunt in Hyrcania, minutis orbiculis superpictae, ita ut oculatis ex fulvo circulis vel caerula vel alba distinguatur tergi supellex. Tradunt odore earum et contemplatione armenta mire adfici atque ubi
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Arimphaei bis Hyrcani [PL 6,34-36] (XVII 1) Ein anderer Stamm in Asia ist am Anfang des Nordostens, wo die Rücken der Riphaeischen Berge aufhören. Den Hyperborei ähnlich werden sie „Arimphaei“ genannt (vgl. ME 1,117). Auch sie erfreuen sich an knospenden Obstgärten; die Beeren essen sie. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen ekelt man sich vor Haaren; beide Geschlechter scheren ihre Köpfe. Sie lieben Ruhe, sie lieben Schädigungen nicht. (2) Man hält sie für heilig, und sie anzugreifen, gilt sogar bei den wildesten Völkerschaften als gottloses Vergehen. Wer immer eine Gefahr von seinen Leuten fürchtet, ist, wenn er zu den Arimphaei flieht, sicher, als werde er in einem Asyl beschützt. (3) Jenseits von ihnen sind die Cimmerii und der Stamm der Amazones bis zum Caspischen Meer ausgebreitet, das, nachdem es durch die Rückseite der asiatischen Himmelsregion geflossen ist, in den Scythischen Ozean eindringt. (4) Nachdem dann große Distanzen dazwischengetreten sind, haben die Hyrcani die Mündungen des Flusses Oxus inne, °[PL 8,66] ein durch die Wälder rauer Stamm, reich an sehr wilden Tieren, wimmelnd von Tigern.± Tiere [PL 8,62-66] (5) Diese Art von Untieren (Tiger) haben die berühmten Flecken bekannt und die Behändigkeit bemerkenswert gemacht. Sie glänzen gelbbraun; diese Gelbbraunheit ist von schwarzen Streifen durchzogen und wegen des Kontrasts ist dies besonders auffällig. Ich weiß nicht, ob zur Schnelligkeit ihrer Füße die Geschwindigkeit oder die Ausdauer mehr beitragen. Nichts ist so weit, dass sie es nicht in kurzer Zeit durchmessen könnten; nichts liegt so weit vor ihnen, dass sie es nicht sofort einholen könnten. (6) Die Kraft der Tigerinnen erweist sich besonders, wenn sie durch ihre mütterlichen Sorgen angetrieben werden und die Räuber ihrer Jungen verfolgen. Auch wenn die Diebe sich eine Reihe frischer Pferde bereitstellen und mit jedweder Gerissenheit versuchen, die Beute fortzutragen, ist ihre ganze Kühnheit vergebens, wenn nicht die Meere ihnen dann Schutz bieten. (7) Wie man sehr häufig beobachtet, springen Tigerinnen, wenn sie sehen, dass die Räuber ihrer Jungen zurückkehren, von der Küste in ohnmächtigem Wahn kopfüber herab, als wollten sie ihre eigene Langsamkeit mit ihrem freiwilligen Untergang bestrafen; allerdings kann man von ihren Jungen kaum je eines entführen. (8) Panther sind ebenfalls in Hyrcania zahlreich, mit kleinen Kringeln oben bemalt, so dass ihre Rücken mit augenartigen Kreisen aus gelbbrauner, himmelblauer oder weißer Farbe verziert sind. Man berichtet, dass Vieh durch den Geruch und Anblick von ihnen wundersam beeinflusst wird, und wo sie
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eas persentiscant properato convenire nec terreri nisi sola oris torvitate; (9) quam ob causam pantherae absconditis capitibus quae corporis reliqua sunt spectanda praebent, ut greges stupidos in obtutum populentur secura vastatione. Sed Hyrcani, ut hominibus intemptatum nihil est, frequentius eas veneno quam ferro necant. (10) Aconito carnes inlinunt atque ita per compita spargunt semitarum; quas ubi esae sunt, fauces angina obsidentur. Ideo gramini nomen pardalianchem dederunt. Sed pantherae adversus hoc virus excrementa humana devorant et suopte ingenio pesti resistunt. Lenta illis vivacitas, adeo ut eiectis interaneis mortem diu differant. (11) In his silvestribus et pardi sunt, secundum a pantheris genus, noti satis nec latius exequendi; quorum adulteris coitibus degenerantur partus leaenarum et leones quidem procreantur, sed ignobiles. (XVIII 1) Quoniam in Ponticis rebus sumus, non erit omittendum, unde mediterranea maria caput tollant. Existimant enim quidam sinus istos a Gaditano freto nasci, nec aliam esse originem quam eliquia inrumpentis Oceani; cuius spiritu pervadente apud aliquot mediterranea litora sicut in Italiae parte fieri accessus vel recessus. (2) Qui contrarium sentiunt, omnem illum fluorem aiunt a Ponticis faucibus inundare, idque fulciunt argumento non inani, quod aestus e Ponto profluus numquam reciprocetur. (XIX 1) Insula Apollonitarum octoginta milibus passuum abest a Bosphoro Thracio citra Histrum sita, ex qua M. Lucullus Apollinem Capitolinum nobis extulit. Ante Borysthenem Achillis insula est cum aede sacra, quam aedem nulla ingreditur ales; et quae forte advolaverit, raptim fugam properat
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sie erkannt haben, eilends zusammen kommen und auch durch nichts außer der Wildheit des Mauls erschreckt werden; (9) aus diesem Grund verbergen die Panther ihre Köpfe und bieten nur ihren übrigen Körper dem Blick dar, damit sich die unverständigen Herden in Sicherheit wiegen und durch sichere Verwüstung entvölkert werden. °[PL 8,100-101] Aber da den Menschen nichts unversucht bleibt, töten die Hyrcani sie häufiger mit Gift als mit Eisen. (10) Mit Aconitum reiben sie Fleischbrocken ein und streuen sie an den Kreuzwegen aus. Wenn diese gefressen sind, wird der Rachen durch Enge verstopft. Deshalb hat man dem Kraut den Namen Pardalianches gegeben.E Die Panther aber verschlingen gegen dieses Gift menschliche Exkremente und widerstehen so durch ihre eigene Klugheit der Krankheit. So zäh ist ihr Lebenswille, dass sie, wenn ihre Gedärme herausgezogen werden, den Tod noch lange herauszögern.± (11) In diesen Wäldern sind auch Pardi, eine zweite Art von Panthern, hinreichend bekannt und nicht breiter zu untersuchen; °[PL 8,43] die Nachkommenschaft von Löwinnen wird von ehebrecherischen Vereinigungen mit ihnen (den Panthern) degeneriert; zwar werden so Löwen hervorgebracht, aber minderwertige.±
Der Pontus als Quelle des Mittelmeers [PL 4,93] (XVIII 1) Da wir bei den pontischen Dingen sind, darf nicht übergangen werden, wo die binnenländischen Meere ihr Haupt haben. Manche nämlich meinen, dass diese Golfe aus der Meerenge von Gades entstehen °[SO] und keinen anderen Ursprung hätten als die Ausflut des eindringenden Ozeans; durch dessen durchgehenden Schwall geschähen bei einigen binnenländischen Küsten wie in einem Teil Italias Zugänge oder Rückzüge.± (2) Die das Gegenteil annehmen, sagen, dass jener ganze Strom von den pontischen Meerengen geflutet werde, und unterstützen dies durch ein nicht unvernünftiges Argument, dass nämlich die Flut, die aus dem Pontus einströmt, nie zurückkehrt.
INSELN
[PL 4,92-94] (XIX 1) Die Insel der Apollonitae ist 80 MeilenM vom Thracischen Bosporus entfernt diesseits des Hister gelegen; von dort brachte Marcus Lucullus den capitolinischen Apollo zu uns. Vor dem Borysthenes ist die Insel des Achilles °[PL 10,78] mit ihrem heiligen Tempel, in den kein Vogel hineinkommt; wenn einer versehentlich hineinfliegt, wendet er sich hastig zur Flucht.±
(2) Oceanum septemtrionalem ex ea parte, qua a Propaniso amne Scythia adluitur, Hecataeus Amalcium appellat, quod gentis illius lingua significat congelatum. Philemon a Cimbris ad promunturium Rubeas Morimarusam dicit vocari, hoc est mortuum mare; ultra Rubeas quicquid est Cronium nominat. (3) Mare autem Caspium ex altero Ponti latere ultra Massagetas et Apalaeos Scythas esse in Asiatica plaga dulce Alexandro Magno probatum est, mox Pompeio Magno, qui bello Mithridatico, sicut commilito eius Varro tradit, ipsis haustibus periclitari fidem voluit. (4) Id evenire produnt e numero fluminum, quorum tanta copia ibi confluit, ut naturam maris vertant. Non omiserim quod per idem tempus eidem Magno licuit ex India diebus octo ad Bactros usque ad Alierum1 flumen, quo influit Oxum amnem, pervenire, deinde mare Caspium, inde per Caspium ad Cyri amnis penetrare fluentum, qui Armeniae et Hiberiae fines interluit. (5) Itaque a Cyro diebus non amplius quinque itinere terreno subvectis navibus ad alveum Phasidis pertendit; per cuius excursus in Pontum usque Indos advehi liquido probatum est.
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Alerium codd.; Iacrum Plinius; Bactrum Fernández Nieto 2001, 95.
NÖRDLICHER OZEAN Ozean bei Scythia
SCYTHIA
Name [PL 4,94] (2) Den Nördlichen Ozean nennt an dem Teil, an dem er vom Scythischen Strom Propanisus bespült wird, Hecataeus „Amalcium“, was in der Sprache jenes Stamms „eingefroren“ bedeutet; Philemon sagt, dass er von den Cimbri bis zum Kap Rubeas als „Morimarusa“ bezeichnet wird, das heißt „Totes Meer“E; was immer oberhalb von Rubeae liegt, nennt er „Cronisches (Meer)“. Caspisches Meer [PL 6,50-52] (3) Dass das Caspische Meer aber auf der anderen Seite des Pontus jenseits der Massagetae und der Apalaeischen Scythae (vgl. SO XLIX 7) in der asiatischen Himmelsregion Süßwasser hat, ist von Alexander dem Großen erwiesen worden, dann auch von Pompeius dem Großen, der im mithridatischen Krieg – wie sein Kriegskamerad Varro überliefert – durch eigenes Trinken die Zuverlässigkeit der Angabe erproben wollte. (4) Dass dies geschieht, liegt – wie man überliefert – an der Vielzahl der Flüsse, deren übergroße Zahl dort so zusammenfließt, dass sie die Natur des Meeres verändert. Seeweg von Pontus nach India [PL 6,52] Ich will nicht übergehen, dass es zu derselben Zeit demselben Großen gelang, innerhalb von acht Tagen aus India bis zu den Bactri und zum Fluss Alierus zu gelangen, wo dieser in den Oxus-Strom mündet, von dort zum Caspischen Meer, und von dort durch das Caspische Meer zum Fließen des Cyrus-Stroms, °[PL 6,39] der zwischen den Grenzen Armenias und Hiberias fließt.± (5) Vom Cyrus drängte er dann auf einem Landweg, bei dem ihm die Schiffe nachfolgten, von nicht mehr als fünf Tagen zum Kanal von Phasis vor; durch diesen Zug wurde bewiesen, dass es möglich ist, die ganze Strecke zum Pontus bis zu den Indi zu Wasser zu befahren.
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(6) Auctor est Xenophon Lampsacenus a litore Scytharum in insulam Abalciam triduo navigari; eius magnitudinem inmensam et paene similem continenti; nec longe Oeonas separari, quas qui habitent vivant ovis avium marinarum et avenis vulgo nascentibus; (7) perinde alias propter constitutas aeque insulas, quarum Hippopodes indigenae humana usque ad vestigium forma in equinos pedes desinunt; (8) esse et Phanesiorum, quorum aures adeo in effusam magnitudinem dilatentur, ut reliqua viscerum illis contegant nec amiculum aliud sit quam ut membris membra vestiant. (9) Antequam digrediamur a Scythia, religio est praeterire, quaenam peculiares sint ferae Scythiae. Cervi plurimi in hac terra; igitur cervos persequemur. Mares generis huiusce cum statum tempus venerem incitavit, saeviunt rabie libidinis. (10) Feminae licet prius conserantur, non concipiunt ante Arcturi sidus. Nec qualibet partus suos educant. Teneros studio occulunt et absconditos inter profunda fruticum vel herbarum pedum verbere castigant ad latendum. (11) Cum maturuit ad fugam robur, exercitio docent cursu et adsuescunt salire per abrupta. Acceptis canum latratibus secundo vento vias dirigunt, ut odor cum ipsis recedat. Mirantur sibilum fistularum: rectis auribus acutissime audiunt, submissis nihil. Stupent omnia; propterea facilius obvios se praebent sagittantibus.
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Inseln Abalcia, Hippopodes, Phanesii [PL 4,95] (6) Xenophon von Lampsacus ist Gewährsmann dafür, dass man von der Küste der Scythae zur Insel Abalcia in drei Tagen segeln kann; deren riesige Größe ist einem Kontinent fast ähnlich; sie sei nicht weit entfernt von den Oeonae, deren Einwohner von den Eiern von Seevögeln und wild wachsendem Hafer lebten; (7) andere nahe gelegene Inseln ebenfalls gebildet werden, von denen die einheimischen Hippopodes menschliche Gestalt bis zu den Knöcheln hätten, doch endeten ihre Beine in Pferdefüßen; (8) es auch die Insel der Phanesii gibt, deren Ohren sich zu so einer solchen Größe ausbreiten, dass der Rest ihrer Körper mit ihnen bedeckt wird und sie keine andere Kleidung haben, als dass sie mit ihren Körperteilen ihre Körperteile bekleiden. Tiere [PL 8,112-119] (9) °[SO] Bevor wir aus Scythia abreisen, ist es eine heilige Pflicht, das zu streifen, was Scythias einzigartige wilde Tiere sind: Hirsche gibt es sehr viele in diesem Land; deshalb wollen wir den Hirschen nachgehen:± Wenn die männlichen Tiere dieser Art während der Zeit für die Paarung erregt sind, rasen sie mit einer Tollwut des Begehrens. (10) Auch wenn die weiblichen Tiere vorher besamt werden, empfangen sie nicht vor dem Erscheinen des Arcturus-Sterns. °[IG] Sie erziehen ihre Nachkommenschaft nicht beliebig: Ihre Jungen verstecken sie sorgfältig, und wenn sie in den Tiefen des Gebüschs oder der Kräuter verborgen sind, trampeln sie mit ihren Füßen darauf, so dass sie unsichtbar liegen. (11) Wenn ihre Kraft für die Flucht gereift ist,± unterrichten sie sie durch Training und gewöhnen sie daran, über Abgründe zu springen. Wenn sie Gebell von Hunden hören, wählen sie Pfade hinter dem Wind, damit ihr Geruch mit ihnen zurückgeht. Sie bewundern das Tönen von Hirtenflöten: Mit aufgestellten Ohren hören sie am deutlichsten, mit gesenkten nichts. Alles setzt sie in Erstaunen; deshalb begeben sie sich leichter in eine Lage, in der sie sich Bogenschützen aussetzen.
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(12) Si maria tranent, non aspectu petunt litora, sed olfactu; infirmos ponunt in ultimo et lassorum capita clunibus per vices sustinent. (13) E cornibus quod dextrum fuerit efficacius est ad medellam; si fugare angues gestias, utrum velis ures, quae ustrina praeterea nidore vitium aperit ac detegit, si cui inest morbus comitialis. Pro aetate ramos augent. Id incrementum in sexennes perseverat; deinceps numerosiora non possunt fieri cornua, possunt crassiora: (14) quae quidem castratis numquam crescunt nec tamen decidunt. (15) Dentes monstrant senectutem, cum aut pauci inveniuntur aut nulli. Serpentem hauriunt et spiritu narium extrahunt de latebris cavernarum. Dictamnum ipsi prodiderunt, dum eo pasti excutiunt accepta tela. (16) Herbam quoque quam cinarem vocant contra noxia edunt gramina. Adversus venena mirificum est innulei coagulum occisi in matris suae utero. Patuit numquam eos febrescere, quam ob causam confecta ex medullis ipsorum unguina sedant calores hominum languentium. (17) Legimus plurimos matutinis diebus cervinam carnem degustare solitos sine febribus longaevos fuisse; quod demum proderit si uno vulnere fuerint interempti. (18) Ad dinoscendam vivacitatem Alexander Magnus torques plurimis cervis innexuit, qui post annum centesimum capti necdum senii indicium praeferebant. (19) Eadem paene specie sunt quos tragelaphos dicunt, sed non alibi quam circa Phasidem apparent; tantum quod illi villosos habent armos et menta promissis hirta barbis.
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(12) Wenn sie über das Meer schwimmen, suchen sie die Küsten nicht durch Sehen, sondern durch Riechen; sie reihen die Schwachen am letzten Platz ein und heben die Köpfer der Müden abwechselnd durch ihre Hinterteile hoch. (13) Von ihren Geweihen ist das rechte für die Heilung wirksamer; wenn man Schlangen (vgl. PL 28,149; 28,226) in die Flucht schlagen will, kann man aber jedes von beiden verbrennen. Außerdem decken die Ausströmungen des Brandes Defekte auf und offenbaren, ob jemand an Epilepsie leidet. Mit dem Alter wachsen die Geweihstangen. Dieses Wachstum geht sechs Jahre lang weiter; danach kann die Zahl der Geweihenden nicht mehr größer, die Geweihe können aber dicker werden. (14) Nachdem Hirsche kastriert worden sind, wachsen die Geweihe nicht mehr, fallen aber auch nicht ab. (15) Die Zähne zeigen ihr hohes Alter, wenn entweder wenige oder keine mehr gefunden werden. Schlangen verschlucken sie und mit dem Atem ihrer Nüstern zwingen sie sie aus den Verstecken ihrer Höhlen. [PL 8,97] Sie finden Dictamnus (Diptam, Aschwurz); wenn sie davon gefressen haben, schütteln sie Pfeile ab, von denen sie getroffen worden sind. (16) [PL 8,101] Sie fressen auch das Kraut, das man „Cinaris“ nennt, als ein Gegenmittel für schädliche Pflanzen. °[PL 28,150] Gegen Gifte ist wundersam das Lab eines in der Gebärmutter seiner Mutter getöteten Kitzes.± Es ist weithin bekannt, dass Hirsche nie fiebrig sind, °[SO] weshalb aus ihrem Knochenmark hergestellte Salben Hitzeleiden von Kranken heilen.± (17) Wir lesen, dass viele Menschen, die in den morgendlichen Tagesteilen Hirsch-Fleisch essen, daran gewöhnt sind, ohne Fieber langlebig zu sein; das geschieht jedoch nur, wenn die Hirsche nur durch eine einzige Wunde getötet wurden. (18) Um ihre Lebensspanne zu erkennen, band Alexander der Große Halskrausen um viele Hirsche, die nach 100 Jahren eingefangen wurden °[SO] und noch immer keine Anzeichen von Greisentum zeigten.± [PL 8,120] (19) Von fast derselben Erscheinungsform sind die Tiere, die man „Tragelaphus“ nennt, die aber nirgends außer um den Phasis erscheinen; nur sie haben zottige Flanken und wollige Kinne mit hängenden Bärten.
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(XX 1) Mons Saevo ipse ingens nec Riphaeis minor collibus initium Germaniae facit. Inguaeones tenent, a quibus primis post Scythas nomen Germanicum consurgit. (2) Dives virum terra, frequens populis numerosis et inmanibus. Extenditur inter Hercynium saltum et rupes Sarmatarum. Ubi incipit Danuvio, ubi desinit Rheno perfunditur. De internis eius partibus Alba Guthalus Vistla amnes latissimi praecipitant in Oceanum. (3) Saltus Hercynius aves gignit quarum pennae per obscurum emicant et interlucent, quamvis obtenta nox denset tenebras. Unde homines loci illius plerumque nocturnos excursus sic destinant, ut illis utantur ad praesidium itineris dirigendi, praeiactisque per opaca callium rationem viae moderentur indicio plumarum refulgentium. (4) In hoc tractu sane et in omni septentrionis plaga visontes frequentissimi, qui bovis feri similes, saetosi colla, iubas horridi, ultra tauros pernicitate, capti adsuescere manu nesciunt. (5) Sunt et uri, quos inperitum vulgus vocat bubalos, cum bubali paene ad cervinam faciem in Africa procreentur. Istis porro quos uros dicimus taurina cornua in tantum modum protenduntur, ut dempta ob insignem capacitatem inter regias mensas potuum gerula fiant. (6) Est et alce mulis comparanda, adeo propenso labro superiore, ut nisi recedens in posteriora vestigia pasci non queat. (7) Gangavia insula e regione Germaniae mittit animal quale alce, sed cuius suffragines ut elephantis flecti nequeunt; propterea non cubat, cum dormiendum est, tamen
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Land [IG] (XX 1) °[PL 4,96] Der Saevo-Berg, der selbst riesig ist und von nicht geringerer Höhe als das Riphaeen-Gebirge, bildet den Anfang von Germania. Die Inguaeones haben ihn inne; nach ihnen, den ersten nach den Scythae, kommt der germanische Name auf.± (2) Reich an Männern ist das Land und voll von zahlreichen wilden Völkern. °[PL 4,80] Es erstreckt sich zwischen dem Hercynischen Wald und den Klippen der Sarmatae.± °[ IG] Wo es beginnt, wird es durch den Fluss Danuvius bewässert, wo es endet, durch den Fluss Rhenus.± °[PL 4,100] Von seinen inneren Teilen fließen die sehr breiten Ströme Alba, Guthalus und Vistla in den Oceanus.±
Tiere [PL 10,32] (3) Der Hercynische Wald bringt Vögel hervor, deren Flügel in der Dunkelheit hervorblitzen und leuchten, auch wenn die Nacht die Schatten verstärkt. °[IG] Deshalb planen die Menschen jenes Ortes meist ihre nächtlichen Ausfälle so, dass sie jene als Schutz für die Lenkung ihrer Reise nutzen können; die Leute werfen sie vor sich über die Dunkelheit der Pfade und werden auf das System der Reise geleitet dank der Führung durch ihre glitzernden Federn.± [PL 8,38-40+] (4) In dieser Gegend und auch in der ganzen nördlichen Himmelsregion sind Bisons äußerst häufig, die einem wilden Rind ähneln, aber zottige Hälse und borstige Mähnen haben °[SO] und Stiere an Geschwindigkeit übertreffen und in Gefangenschaft nicht handzahm gemacht werden können.± (5) Es gibt auch Auerochsen, die das unwissende Volk „Bubali“ nennt, obwohl Bubali fast im Erscheinungsbild von Hirschen in Africa hervorgebracht werden. °[PL 11,126] Jenen also, die wir zuvor Auerochsen genannt haben, wachsen stierartige Hörner in einer so großen Art, dass sie wegen ihres auffallenden Umfangs abgeschnitten und an königlichen Tafeln zu Trinkgefäßen gemacht werden.± (6) Es gibt auch ein Tier namens „Elch“, mit Mauleseln vergleichbar, mit einer so langen Oberlippe, dass es nichts fressen kann, wenn es nicht rückwärts in seine eigenen Fußstapfen tritt. (7) Die Insel Gangavia über dem Gebiet von Germania bringt ein Tier wie den Elch hervor, doch sind dessen Sprunggelenke wie bei Elefanten nicht zu biegen; deshalb legt es sich nicht hin, wenn es schlafen muss, sondern ein
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somnulentam arbor sustinet, quae prope casuram secatur, ut fera dum adsuetis fulmentis innititur faciat ruinam. Ita capitur: alioqui difficile est eam mancipari, nam in illo rigore poplitum inconprehensibili fuga pollet. (8) De Germanicis insulis Gangavia maxima est, sed nihil in ea magnum praeter ipsam. (9) Nam Glaesaria dat crystallum, dat et sucinum: quod sucinum Germani gentiliter vocant glaesum. Qualitas materiae istius summatim antea Germanico autem Caesare omnes Germaniae oras scrutante conperta: arbor est pinei generis, cuius mediale autumni tempore sucino lacrimat. Sucum esse arboris de nominis capessas qualitate; pinum vero, unde sit gignitum, si usseris, odor indicabit. Pretium operae est scire longius, ne Padanae silvae credantur lapidem flevisse. (10) Hanc speciem in Illyricum barbari intulerunt; quae cum per Pannonica commercia usu ad Transpadanos homines foret devoluta, quod ibi primum nostri viderant, ibi etiam natam putaverunt. (11) Munere Neronis principis adparatus omnis sucino inornatus est: nec difficulter, cum per idem tempus tredecim milia librarum rex Germaniae donum ei miserit. (12) Rude primum nascitur et corticosum, deinde incoctum adipe lactentis suis expolitur ad quem videmus nitorem. (13) Pro facie habet nomina: melleum dicitur et Falernum, utrumque de similitudine aut vini aut utique mellis. In aperto est quod rapiat folia, quod trahat paleas; quod vero medeatur multis vitalium incommodis, medentium docuit disciplina. Et India habet sucinum, sed Germania plurimum optimumque. Quoniam ad insulam Glaesariam veneramus, a sucino coeptum.
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Baum stützt es, wenn es schläfrig ist; deshalb spaltet man diese Bäume bis fast zum Umfallen, damit die Tiere, wenn sie sich gegen ihre gewohnten Stützen lehnen, umkommen. So fängt man es; sonst ist es schwierig, es zu ergreifen, denn in dieser Steifheit des Knies hat es eine unglaubliche Schnelligkeit bei der Flucht.
Inseln [?IG] (8) Von den germanischen Inseln ist Gangavia (s. o. SO XX 7) am größten, aber es gibt dort außer der Größe der Insel selbst nichts Großes. (9) °[?SO] Glaesaria (vgl. PL 4,97) bietet Crystallus (vgl. PL 37,23)±, es bietet auch Bernstein.
Steine [PL 37,42-50] Diesen Bernstein nennen die Germani in ihrer Sprache „Glaesus“. Die Eigenschaften dieses Materials waren zuvor nur allgemein bekannt, bevor Germanicus Caesar alle Küsten Germanias erforschte: Es gibt einen Baum von Art einer Pinie, aus dessen Mitte in der Herbstzeit der Bernstein austränt. Dass Bernstein (lat. sucinus) der Saft (lat. sucus) eines Baums ist, kann man am Charakter des Namens erkennen;E wenn man ihn verbrennt, deutet der Geruch eine Pinie an, aus der er ja stammt. Es ist die Mühe wert, mehr zu wissen, damit man nicht glaubt, dass die padanischen Wälder diesen Stein austränen. (10) Die Barbaren haben diese Art nach Illyricum gebracht; sie ist durch pannonischen Handel zum Gebrauch zu den transpadanischen Menschen gebracht worden, und weil unsere Leute sie zuerst dort gesehen hatten, glaubten sie, dass sie dort entstanden sei. (11) Durch eine Leistung des Princeps Nero wurde der ganze Prunk mit Bernstein geschmückt; dies war nicht schwierig, da ihm zu derselben Zeit 13 000 Pfund davon der König von Germania als Geschenk schickte. (12) Wenn Bernstein erstmals gebildet wird, ist er rau und berindet; dann wird er im Fett eines Spanferkels gekocht und zu dem Glanz poliert, den wir sehen. (13) Nach seiner Erscheinungsform hat er Namen: Es wird „Melleum“ und „Falernum“ nach seiner Ähnlichkeit mit (Falerner-)Wein oder aber Honig (lat. mel) genannt.E Es ist offenbar, dass er Blätter schnappt und Spreu anzieht. Dass er viele Beschwerden der lebenswichtigen Organe heilt, hat die Systematik der Mediziner gelehrt. Auch India hat Bernstein, aber Germania den meisten und besten. °[SO] Weil wir zur Insel Glaesaria gekommen waren, haben wir mit dem Bernstein angefangen.±
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(14) Nam in Germaniae continentibus gallaica reperitur, quam gemmam Arabicis anteponunt: vincit enim gratia. Arabes quidem dicunt non alibi eam deprehendi quam in nidis avium quas melancoryphos vocant; quod nullus recepit, cum apud Germaniae populos quamvis rara in saxis tamen appareat. Honore et pretio ad smaragdos viret pallidum. Nihil iucundius aurum decet. (15) Cerauniorum porro genera diversa sunt. Germanicum candidum est: splendet tamen caerulo et si sub divo habeas, fulgorem rapit siderum. (XXI 1) Galliae inter Rhenum et Pyrenaeum, item inter Oceanum et montes Cebennam ac Iuris porriguntur, praepinguibus glebis accommodae proventibus fructuariis, pleraeque consitae vitibus et arbustis, omni ad usum animantium fetu beatissimae, riguae aquis fluminum et fontium, sed fontaneis interdum sacris et vaporantibus. {detestabili sacrorum ritu} infamantur ritu incolarum, qui – ut aiunt, veri enim periculum non ad me recipio – iniuria religionis humanis litant hostiis. Ex isto sinu quoquo orbis velis exeas: in Hispanias et in Italiam terra marique, in Africam mari tantum;
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[PL 37,110-112] (14) In den Festlandsgebieten Germanias findet man den Gallaica-Edelstein, den man den arabischen Arten voranstellt; er übertrifft sie nämlich an Anmut. Die Arabes sagen zwar, dass er nirgendwo außer in den Nestern der Vögel gefunden wird, die sie „Melancoryphi“ nennen; das aber akzeptiert niemand, denn bei den Völkern Germanias erscheint er, wenn auch selten, unter den Steinen. An Wertschätzung und Preis dem Smaragd nahe ist er grünlich mit einer blassen Farbe. Nichts passt besser zu Gold. [PL 37,134] (15) Es gibt viele Arten von Ceraunia; die germanische ist weiß; sie glänzt aber in himmelblauer Farbe, und wenn man sie im Freien hat, zieht sie die Helligkeit von Sternen zu sich.
Land
GALLIA
Allgemeines [PL 4,105] (XXI 1) Galliae (die gallischen Lande) sind zwischen Rhenus und Pyrenaeus; sie erstrecken sich zwischen Oceanus und den Cebenna- und Iura-Bergen. [IG] Sie haben hervorragend fette Erde und sind sehr geeignet zum Anbau von Feldfrüchten; sehr viel davon wird mit Weinreben und Obstgärten bebaut; sie sind mit jeder für Lebewesen nützlichen Ernte bestens gesegnet, durch Flüsse und Quellen gut bewässert, manchmal freilich von heiligen und dampfenden Quellen. Riten [PL 30,13] Es ist {durch einen abscheulichen Opferritus} wegen der Riten der Bewohner berüchtigt, die – wie man sagt, denn das Risiko, ob dies wahr ist, übernehme ich nicht – rechtlos ihre Kultpraxis mit menschlichen Opfertieren vollbringen. Verbindungen [IG] Von diesem Golf aus kann man in jeden beliebigen Teil der Welt hinausgehen: nach Hispania und Italia (vgl. PL 3,133) zu Land oder zur See, nach Africa nur zur See;
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(2) si Thracia sit petenda, excipit ager Raeticus optimus et ferax {Brigantino lacu nobilis}, inde Noricus frigidus et parcius fructuosus, {qua subducitur a iugis Alpium admodum laetus}, (3) tum Pannonia viro fortis et solo {plano ubertoque} laeta, {Dravo Savoque inclutis amnibus circumfluae}, deinde Moesiae, quas maiores nostri iure Cereris horreum nominabant. (4) In quarum parte quae Pontica est apparet herba, qua inficitur oleum quod vocant Medicum: hoc ad incendium excitatum si obruere aqua gestias, ardet magis nec alio sopitur quam iactu pulveris. (XXII 1) Finis erat orbis ora Gallici litoris, nisi Brittania insula non qualibet amplitudine nomen paene orbis alterius mereretur: octingenta enim et amplius milia passuum longa detinet, ita ut eam in Calidonicum usque angulum metiamur. In quo recessu Ulixem Calidoniae adpulsum manifestat ara Graecis litteris scripta [votum]*1. (2) Multis insulis nec ignobilis circumdatur. Quarum Hibernia ei proximat magnitudine, inhumana incolarum ritu aspero, alias ita pabulosa, ut pecua, nisi interdum a pastibus arceantur, ad periculum agat satias. (3) Illic nullus anguis, avis rara, gens inhospita et bellicosa. Sanguine interemptorum hausto prius victores vultus suos oblinunt. Fas ac nefas eodem loco ducunt. {(4) puerpera si quando marem edidit, primos cibos gladio inponit mariti inque os parvuli summo mucrone auspicium alimentorum leviter infercit et
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votum del. Mommsen, quod probat Fernández Nieto 2001, 95.
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(2) wenn man Thracia zu erreichen sucht, nimmt einen das beste und fruchtbare raetische Gefilde auf, {berühmt wegen des Brigantinischen Sees,} darauf (vgl. PL 3,146-149) das norische, kalt und weniger fruchtbar, {dem durch die Kämme der Alpes das angenehme Land ganz vorenthalten wird,} (3) dann Pannonia, an Männern stark und an Boden {flach, fruchtbar und} angenehm, {von den berühmten Flüssen Dravus und Savus umströmt,} dann Moesiae, die unsere Vorfahren zu Recht „Scheune der Ceres“ nannten.
Pflanze [IG] (4) Im dem Teil von ihnen, der am Pontus liegt, erscheint ein Kraut, das ein Öl namens „Medicum“ hervorbringt (vgl. PL 2,235). Wenn das in Brand gesteckt ist, brennt es umso mehr auf, wenn man es eifrig mit Wasser bedeckt; es kann durch nichts anderes gelöscht werden als dadurch, dass man Sand darauf wirft.
Land
BRITTANNIA
[PL 4,102] °(XXII 1) [SO] Die Grenze des Erdkreises war die gallische Meeresküste, wenn nicht die Insel Brittannia wegen ihrer Größe fast den Namen eines anderen Erdkreises verdiente:± 800 MeilenM und mehr erstreckt sie sich in der Länge, wenn wir bis zum calidonischen Winkel ausmessen. Dass in jenen entlegenen Ort Calidonias Ulixes (Odysseus) verschlagen wurde, offenbart ein Altar, der mit griechischen Buchstaben beschriftet ist.
Inseln (Hibernia bis Thule) [PL 4,103-104] (2) Von vielen Inseln ist es umgeben und nicht unberühmt: °[ME 3,53] Von diesen kommt Hibernia ihm an Größe nahe, unmenschlich durch den rauen Brauch der Bewohner, sonst aber reich an Weidegrund, so dass das Vieh, wenn es nicht gelegentlich von den Wiesen ferngehalten wird, durch den Überfluss gefährdet ist.± (3) °[IG] Dort gibt es keine Schlangen, Vögel sind selten, der Stamm ist abweisend und kriegerisch. Nachdem sie vom Blut der Getöteten getrunken haben, beschmieren sie als Sieger sich zuerst ihr Gesicht damit. Sie halten göttliches Recht und Unrecht für gleichrangig. {(4) Wenn eine Schwangere ein männliches Kind gebiert, legt sie seine erste Nahrung auf das Schwert ihres Ehemanns, füllt in den Mund des Kleinen mit der äußersten Spitze die erste Nahrung leicht hinein und wünscht mit
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gentilibus votis optat, non aliter quam in bello et inter arma mortem oppetat. (5) qui student cultui, dentibus mari nantium beluarum insigniunt ensium capulos. candicant enim ad eburnam claritatem. nam praecipua viris gloria est in armorum nitella.} (6) (4) Apis nusquam: advectum inde pulverem seu lapillos si quis sparserit inter alvearia, examina favos deserent. (7) (5) Sed mare quod inter hanc et Brittaniam interluit undosum inquietumque toto in anno nonnisi pauculis diebus est navigabile. {navigant autem vimineis alveis, quos circumdant ambitione tergorum bubulorum. quantocumque tempore cursus tenebit, navigantes escis abstinent.} (8) (6) idque in centum viginti milia passuum latitudinis diffundi qui fidem ad verum ratiocinati sunt aestimarunt. (9) (7) Siluram quoque insulam ab ora quam gens Brittana Dumnonii tenent turbidum fretum distinguit. cuius homines etiamnunc custodiunt morem vetustum: nummum refutant; dant res et accipiunt; mutationibus necessaria potius quam pretiis parant; deos percolunt; scientiam futurorum pariter viri ac feminae ostentant. (10) (8) At Tanatus insula adspiratur freto Gallico, a Brittaniae continente aestuario tenui separata, felix frumentariis campis et gleba uberi, nec tantum sibi verum et aliis salubris locis; nam cum ipsa nullo serpatur angue, asportata inde terra quoquo gentium invecta sit angues necat. (11) (9) Multae et aliae circa Brittaniam insulae, e quibus Thyle ultima, in qua aestivo solstitio sole de cancri sidere faciente transitum nox {paene} nulla: brumali solstitio perinde nullus dies. Ultra Thylen accipimus pigrum et concretum mare. {(12) a Calidoniae promunturio Tylen petentibus bidui navigatio est. inde excipiunt Ebudes insulae quinque numero, quarum incolae nesciunt fruges, piscibus tantum et lacte vivunt. (13) rex unus est universis, nam quotquot sunt, omnes angusta interluvie dividuntur. rex nihil suum habet, omnia universorum. (14) ad aequitatem certis legibus stringitur ac ne avaritia devertat a vero, discit paupertate iustitiam, utpote cui nihil sit rei familiaris, verum alitur e publico. (15) nulla illi femina datur propria, sed per vicissitudines, in quamcunque commotus sit, usurariam sumit. unde ei nec votum nec spes conceditur liberorum.
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Stammes-Gebeten, dass er nicht anders als im Krieg und unter Waffen den Tod finden möge. (5) Diejenigen, die nach Stil streben, markieren mit Zähnen von wilden Meerestieren die Griffe ihrer Schwerter. Diese sind weißlich von elfenbeinfarbiger Helligkeit: Der größte Ruhm für Männer besteht nämlich in der Pracht ihrer Waffen.} (6) Es gibt nirgends Bienen; wenn jemand herangebrachten Staub oder Steine unter die Bienenstöcke streut, verlassen die Schwärme die Honigwaben. (7) Das Meer aber, das zwischen dieser Insel und Brittannia wogt, ist wellig und unruhig und das ganze Jahr über, von einigen wenigen Tagen abgesehen, befahrbar. {Sie fahren in Booten aus Flechtwerk, die sie mit einer Umhüllung aus Rindshäuten umgeben. So lange Zeit der Kurs gehalten wird, enthalten sich die Seeleute des Essens.}± (8) Dass sich dieses zu einer Breite von 120 Meilen M ausdehnt, haben die angenommen, die wahrheitsgemäß gerechnet haben. (9) °[IG] Auch die Insel Silura trennt von der Küste, die die Dumnonii, ein brittannischer Stamm, innehaben, die aufgewühlte Meerenge. Deren Menschen bewahren auch jetzt noch einen alten Brauch: Sie verweigern Münzen; sie geben und nehmen Dinge; durch Tausch erlangen sie das Notwendige, nicht durch Geld; sie verehren Götter; Kenntnisse von der Zukunft zu haben geben sowohl Männer als auch Frauen an. (10) Die Insel Tanatus wird von der gallischen Meerenge her beweht, ist vom brittannischen Festland durch einen schmalen Kanal getrennt, ist mit fruchtbaren Ebenen und fettem Boden gesegnet, ist nicht nur für ihre eigenen Leute, sondern auch für die aus anderen Orten gesund, denn da sie von keiner Schlange bekrochen wird, tötet Erde, die man dort wegbringt und bei irgendeinem Stamm einführt, Schlangen.± (11) Es gibt viele andere Inseln rings um Brittannia, von denen Thyle die letzte ist: Wenn dort Sommersonnenwende ist und die Sonne vom Sternbild des KrebsesS herunterkreuzt, gibt es {fast} keine Nacht; entsprechend gibt es zur Wintersonnenwende keinen Tag. Jenseits von Thule ist, wie wir annehmen, das Meer träge und eingefroren. {(12) Vom calidonischen Kap dauert für diejenigen, die nach Tyle kommen wollen, die Seefahrt zwei Tage. Dann empfangen sie die Ebudes-Inseln: Sie sind fünf an der Zahl, ihre Einwohner kennen keine Früchte, sondern leben von Fisch und Milch. (13) Ein einziger König ist für sie alle da, denn so viele sie auch sind, werden sie alle nur durch schmale Kanäle getrennt. Der König hat nichts Eigenes, vielmehr gehört alles allen gemeinsam. (14) Zur Billigkeit ist er durch bestimmte Gesetze verpflichtet; damit nicht Habgier ihn von der Wahrheit ablenkt, lernt er in der Armut Gerechtigkeit, indem ihm nichts zu eigen ist, sondern er aus öffentlichen Mitteln ernährt wird. (15) Keine eigene Frau wird ihm gegeben, aber in Zeiten von Wechselfällen erhält er die, der er gerade zugeneigt ist, als Leihgabe. So werden ihm weder der Wunsch nach Kindern noch die Hoffnung auf Kinder gewährt.
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(16) secundam stationem euntibus Orchades praebent. sed Orchades ab Ebudibus porro sunt septem dierum totidemque noctium cursu numero tres. vacant homine, non habent silvas, tantum iunceis herbis inhorrescunt. cetera earum nudae harenae et rupes tenent. (17) ab Orchadibus Tylen usque quinque dierum ac noctium navigatio est. sed Tyle larga et diutina Pomona copiosa est. qui illic habitant, principio veris inter pecudes pabulis vivunt, dein lacte, in hiemem conpercunt arborum fructus. utuntur feminis vulgo: certum matrimonium nulli.} (18) (10) Circuitus Brittaniae quadragies octies septuaginta quinque milia sunt. In quo spatio magna et multa flumina, fontes calidi opiparo exculti apparatu ad usus mortalium; quibus fontibus praesul est Minervae numen, in cuius aede perpetui ignes numquam canescunt in favillas, sed ubi ignis tabuit vertit in globos saxeos. (19) (11) Praeterea, ut taceam metallorum largam variamque copiam quibus Brittaniae solum undique generum pollet venis locupletibus, gagates hic plurimus optimusque est lapis: si decorem requiras, nigrogemmeus; {si qualitatem, nullius fere ponderis;} si naturam, aqua ardet, oleo restinguitur; si potestatem, attritu calefactus adplicita detinet atque sucinum. (20) (12) Regionem partim tenent barbari, quibus per artifices plagarum figuras iam inde a pueris variae animalium effigies incorporantur, inscriptisque visceribus hominis incremento pigmenti notae crescunt; nec quicquam mage patientiae loco nationes ferae ducunt, quam ut per memores cicatrices plurimum fuci artus bibant.
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(16) Die Orchades stellen die zweite Station für die Reisenden bereit. Aber die Orchades sind von den Ebudes sieben Tage und ebenso viele Nächte weiter entfernt. Sie sind drei an der Zahl. Sie sind frei von Menschen, haben keine Wälder und wogen nur mit Binsenkraut. Die anderen von ihnen sind von Sand entblößt und haben Klippen. (17) Von den Orchades bis nach Tyle ist es eine Seefahrt von fünf Tagen und Nächten. Aber Tyle ist mit reichlichen langwährenden Früchten fruchtbar. Die dort wohnen, leben am Frühlingsbeginn unter den Herden vom Tierfutter, dann von Milch, und im Winter von den Baumfrüchten, die sie aufbewahrt haben. Sie haben die Frauen gemeinsam; keiner hat eine feste Ehe.} Umfang [PL 4,102] (18) Der Umfang Brittannias beträgt 4875 MeilenM. Steine [IG] In diesem Raum sind viele große Flüsse und heiße Quellen, die mit der reichen Pracht für den Gebrauch durch sterbliche Menschen geschmückt sind; für diese Quellen bestimmt das Numen der Minerva, in deren Heiligtum die fortwährenden Feuer nie zu weißer Asche verbrennen, sondern wo das Feuer verlöscht, verwandelt es sich in steinige Kugeln (erster Beleg für Steinkohle). (19) Außerdem – ich will schweigen von dem reichen und vielfältigen Vorrat an Metallen, an denen der Boden Brittannias überall mit reichhaltigen Minen stark ist – ist hier der Gagates der häufigste und beste Stein; °[PL 36,141] wenn man nach seinem Schmuck fragt: ein schwarzer Edelstein; wenn nach seiner Eigenschaft: fast schwerelos; wenn nach seiner Natur: brennt in Wasser, von Öl wird er ausgelöscht;± wenn nach seiner Kraft: durch Reiben erwärmt hält er Nahes fest, wie Bernstein (vgl. SO XX 13). Tätowierungen [IG] (20) Dieses Gebiet haben teils Barbaren inne, denen von Künstlern Figuren von Himmelsregionen bereits von Kindheit an und auch verschiedene Tierbilder aufgemalt werden; wenn der Körper eines Menschen beschriftet ist, wachsen die farbigen Zeichen mit dem Körperwachstum an, und nichts halten die wilden Völkerschaften dort für einen größeren Beweis für Geduld, als dass durch die unvergänglichen Narben ihre Körper den größten Teil des Färbemittels trinken.
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(XXIII 1) Reversos ad continentem res Hispanienses vocant. Terrarum plaga conparanda optimis, nulli posthabenda frugis et soli copia, sive vinearum proventus respicere sive arborarios velis. (2) Omni materia affluit, quaecumque aut pretio ambitiosa est aut usu necessaria. argentum vel aurum requiras, habet; ferrariis numquam defecit; non cedit vitibus, vincit olea. (3) Dividua est provinciis tribus, secundo Punico bello nostra facta. Nihil in ea otiosum, nihil sterile: quicquid cuiuscumque modi negat messem, viget pabulis; etiam quae arida sunt, ab sterilitate rudentum materias nauticis subministrant. Non coquunt ibi sales, sed effodiunt. (4) Depurgant in minium nitellas pulveris. Fucant vellera, ut ad ruborem merum depotent cocci venenum. (5) In Lusitania promunturium est quod Artabrum alii, alii Olisiponense dicunt. Hoc caelum terras maria distinguit, terris Hispaniae latus finit; caelum et maria hoc modo dividit, quod a circuitu eius incipiunt Oceanus Gallicus et frons septentrionalis, Oceano Atlantico et occasu terminatis. (6) Ibi oppidum Olisipone Ulixi conditum, ibi Tagus flumen. Tagum ob harenas auriferas ceteris praetulerunt. (7) In proximis Olisiponis equae lasciviunt mira fecunditate; nam aspiratae
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HISPANIA
Lob Hispanias [SO] (XXIII 1) Zum Festland zurückgekehrt rufen uns die hispanischen Angelegenheiten. [ME 2,86-87] Die Himmelsregion der Länder kann man mit den besten gleichstellen, ob man nun an den Reichtum des Bodens und der Getreideernten oder an den der Weinreben denkt. (2) An allen Stoffen ist es reich, solchen, die vom Preis her wertvoll sind und solchen, die zum Gebrauch notwendig sind. Sucht man Silber oder Gold, hat Hispania es; an Eisengruben gibt es nie Mangel; es steht mit seinen Weinreben keiner Gegend nach und übertrifft sie mit seinen Oliven. (3) Es wird in drei Provinzen geteilt, °[SO] die durch den Zweiten Punischen Krieg (s. o. SO I 31) zu unseren wurden.± Nichts in diesem Ort ist müßig, und nichts ist unfruchtbar. Jene Teile, die keine Ernten geben, gedeihen mit Futterpflanzen, und sogar die Dürre der trockenen Gebiete liefert Materialien für die Taue von Seeleuten. Steine [IG] Salz kocht man dort nicht ein, sondern gräbt es aus (vgl. PL 31,80). (4) °[PL 33,114] Sie gewinnen Zinnober aus dem hellen Sand.± °[PL 9,141; 16,32; ?22,3] Sie färben Wolle, damit sie für ihre rote Farbe das unverdünnte Gift des Coccum abschöpfen können.± Lusitania, Baetica, Tarraconensis [PL 4,113-116] (5) In Lusitania gibt es ein Kap, das manche „Artabrum“ nennen, andere das „Olisiponiense“. Es teilt den Himmel, die Länder und die Meere. Im Fall der Länder endet hier die Seite Hispanias. Auf diese Weise teilt das Kap den Himmel und die Meere, weil der gallische Ozean und die nördliche Stirn an seinem Außenrand beginnen, während es vom Atlantischen Ozean und dem Sonnenuntergang begrenzt wird. (6) °[IG] Hier wurde die Stadt Olisipo von Ulixes (Odysseus) gegründet.± Hier ist auch der Fluss Tagus. Den Tagus hat man anderen vorgezogen wegen seiner Gold tragenden Sande. (7) °[PL 4,116 und 8,166] Im Gebiet nahe Olisipo lassen sich die Stuten mit erstaunlicher Fruchtbarkeit gehen: Sie empfangen, nachdem sie durch ein Wehen des
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favonii vento concipiunt et sitientes viros aurarum spiritu maritantur. (8) Hiberus amnis toti Hispaniae nomen dedit, Baetis provinciae, uterque nobilis. Carthaginem apud Hiberos, quae mox colonia facta est, Poeni condiderunt, Tarraconem Scipiones; ideo caput est provinciae Tarraconensis. (9) Lusitanum litus floret gemma1 ceraunio plurimum, quod etiam Indicis praeferunt; huius ceraunii color est e pyropo; qualitas igni probatur; quem si sine detrimento sui perferat, adversum vim fulgurum creditur opitulari. (10) Cassiterides insulae spectant adversum Celtiberiae latus, plumbi fertiles, et tres Fortunatae, e quibus solum vocabulum signandum fuit. (11) Ebusus quae a Dianio abest septingenta stadia, serpentem non habet, utpote cuius terra serpentes fuget. Colubraria quae Sucronem versus est feta est anguibus. (12) Bocchoris regnum Baleares fuerunt, usque ad eversionem frugum cuniculis animalibus quondam copiosae. In capite Baeticae, ubi extremus est noti orbis terminus, insula continenti septingentis pedibus separatur, quam Tyrii a Rubro profecti mari Erythream, Poeni lingua sua Gadir, id est saepem nominaverunt. In hac Geryonem aevum agitavisse plurimis monumentis probatur, tametsi quidam putent Herculem boves ex alia insula abduxisse, quae Lusitaniam contuetur.
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gemma ut glossema delendum esse deliberavit Chatelain 1902, 42.
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Favonius-WindsW getroffen worden sind, und durstig nach Hengsten werden sie durch den Hauch der Brisen vereint.± (8) °[PL 3,21] Der Fluss Hiberus gibt ganz Hispania seinen Namen,± °[PL 3,7] und der Fluss Baetis seinen der Provinz (Baetica). Beide sind wohl bekannt.± °[PL 3,21] Carthago bei Hiberi, das bald zu einer Kolonie gemacht wurde, haben die Poeni gegründet, Tarraco die Scipiones; so ist es die Hauptstadt der Provinz Tarraconensis.± Steine [IG] (9) Die lusitanische Küste blüht mit einer großen Zahl von Edelsteinen (vgl. PL 37,97), vorwiegend Ceraunium, das man den indischen Steinen vorzieht; die Farbe dieses Ceraunium ist wie die von Pyropus (griech.: „Feuerträger“; Goldbronze); seine Qualität erweist sich im Feuer. Da der Stein Flammen ohne Schaden erduldet (vgl. PL 37,92), denkt man, dass er eine Hilfe gegen Blitzschlag bietet.
Inseln [PL 4,119-120] (10) Die Cassiterides-Inseln blicken auf die Seite von Celtiberia, reich an Blei, und die drei Fortunatae (Glücklichen Inseln; vgl. SO LVI 14), von denen allein der Name bemerkenswert ist. [PL 3,76-78] (11) Ebusus, das 700 StadienM von Dianium entfernt liegt, hat keine Schlange, weil seine Erde Schlangen in die Flucht schlägt (vgl. PL 35,202). Colubraria, das in Richtung Sucro liegt, ist voll von Schlangen, (12) Die Baleares waren das Königreich des Bocchus und einst so reich an Kaninchen, dass das Getreide zerstört wurde. [PL 4,119-120] Am Anfang von Baetica, dem äußersten Ende der bekannten Welt, gibt es 700 FußM vom Festland entfernt eine Insel. Die Tyrii, die vom Roten Meer dorthin kamen, nannten es „Erythrea“E. Die Poeni nannten es in ihrer eigenen Sprache “Gadir“, das heißt „Hecke“. Viele Denkmäler beweisen, dass auf dieser Insel Geryon sein Alter verbrachte, obwohl bestimmte Leute denken, dass Hercules das Vieh von einer anderen Insel wegbrachte, die im Anblick von Lusitania ist.
(13) Sed Gaditanum fretum, a Gadibus dictum, Atlanticos aestus in nostrum mare discidio inmittit orbis. Nam Oceanus, quem Graii sic nominant de celeritate, ab occasu solis inrumpens laevo latere Europam radit, Africam dextero, scissisque Calpe et Abinna montibus quos dicunt columnas Herculis, inter Mauros funditur et Hispaniam; (14) ac freto isti, cuius quindecim milia passuum efficit longitudo, latitudo vix septem, quodam ostio aperit limen interni aequoris, mixtus mediterraneis sinibus, quos ad usque orientem propellit. Horum qui Hispanias perfundit Hibericus fertur et Balearicus; qui Narbonensem provinciam Gallicus; mox Ligusticus; ab eo ad Siciliam Tuscus, quem Graeci Ionium vel Tyrrhenum, Itali inferum vocitant; a Sicilia Cretam usque Siculus; (15) inde Creticus, qui in Pamphyliam et Aegyptum pertendit; quae aquarum moles torto in septentrionem prius latere, anfractibus magnis iuxta Graecias et Hillyricum per Hellespontum in angustias stringitur Propontidis; quae Propontis Europam Asiamque discriminans ad Maeotidem pervenit. (16) Causas nominum non uniformis dedit ratio. Asiaticum et Phoenicum a provinciis dictum, ab insulis Carpathium Aegaeum Icarium Balearicum Cypricum;
MITTELMEER: LIBYA BIS ASIA EINFÜHRUNG : MEERE
Mittelmeer Meerenge von Gades [PL 3,3-4] (13) Die Gaditanische Meerenge, die nach Gades benannt ist, lässt die Atlantischen Fluten in unser Meer durch einen Durchbruch des Kreises hinein. Der Ozean, °[IG] den die Griechen so wegen seiner Schnelligkeit (griech. okys: „schnell“) nennenE,± bricht nämlich vom Sonnenuntergang her ein und kratzt an den Küsten, wo Europa links und Africa rechts ist. Er teilt die Berge Calpe und Abinna, die man „Säulen des Hercules“ nennt, und strömt zwischen Mauretania und Hispania. (14) Von eben dieser Meerenge, deren Länge 15 und deren Breite kaum 7 MeilenM beträgt, öffnet der Ozean von einem bestimmten Mund aus die Schwelle des inneren Meeres, vermischt sich mit den binnenländischen Golfen und strebt vorwärts bis zum Orient. Golfe des Mittelmeers [PL 3,74-75] Von diesen Golfen wird genannt der, der Hispania bespült, Hiberisches oder Balearisches Meer, der, der die Provinz Narbonensis bespült, Gallisches Meer, bald Ligustisches Meer, von diesem Punkt bis Sicilia Tuscisches Meer; die Griechen nennen es Ionisches oder Tyrrhenisches Meer, und die Itali „Unteres“; von Sicilia bis nach Creta Siculisches Meer, (15) von da Cretisches Meer, °[IG] das nach Pamphylia und Aegyptus weitergeht; diese Wassermasse wird, nachdem sie zunächst die Seite nach Norden gedreht hat, in die großen Bögen bei Griechenland und (H)Illyricum durch den Hellespont in die Meerengen der Propontis eingezwängt;± °[PL 6,1] diese Propontis trennt Europa und Asia und geht bis zur Maeotis weiter.± [IG] (16) Das System der Benennung der Meere ist nicht gleichförmig: Das Asiatische und das Phoenicische Meer sind nach den Provinzen benannt, nach Inseln das Carpathische, Aegaeische, Icarische, Balearische und Cyprische Meer (vgl. PL 4,71; 4,51; 4,68),
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a gentibus Ausonium Dalmaticum Ligusticum Tuscum; ab oppidis Adriaticum Argolicum Corinthium Tyrium; a casibus hominum Myrteum vel Hellespontum; a memoria regis Ionium; a bovis transitu vel angustiis etiam meatibus boum perviis Bosporos; a moribus accolarum Euxinus, Axinos ante appellatus; ab ordine fluenti Propontis. Aegyptium pelagus Asiae datur, Gallicum Europae, Africum Libyae; his ut quaeque proxima sunt venerunt in partes partium. (17) Haec in gremiis terrarum. Oras autem extimas Oceanus amplectitur, qui a litoribus suis Arabicus Persicus Indicus Eous Sericus Hyrcanus Caspius Scythicus Germanicus Gallicus Atlanticus Libycus Aegyptius dicitur. (18) cuius accessus incrementa circa litora Indiae vehementissime proruunt maximosque ibi exitus faciunt, sive quod suspensius* sustollatur vi caloris, seu quod in ea parte orbis et fontium et fluminum copia sit effusior. (19) Dubitatur etiamnunc quibus ex causis intumescat vel quatenus, cum superfluus sibi fuerit, rursus in se residat. Nec in obscuro est plura pro ingeniis disserentium potius quam pro veritatis fide expressa. Sed omisso ancipiti concurrentium quaestionum has opiniones probatissimas invenimus. (20) Physici aiunt mundum animal esse eumque ex variis elementorum corporibus conglobatum
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nach Stämmen das Ausonische, Dalmatische, Ligustische und Tuscische Meer, nach Städten das Adriatische, Argolische, Korinthische und Tyrische Meer, nach Stürzen von Sterblichen das Myrtoische Meer oder der Hellespont, zum Gedächtnis an einen König das Ionische Meer (vgl. PL 6,2), nach der Querung durch ein Rind oder nach einer Meerenge mit einer für Rinder durchquerbaren Furt der Bosporos, nach den Sitten der Anwohner der Euxinus (griech.: „freundlich“), der zuvor „Axinos“ (griech.: „unfreundlich“) genannt worden war (vgl. PL 6,1), nach der Reihenfolge der Gewässer die Propontis (griech.: „Vor-Meer“). Das Aegyptische Meer wird Asia zugeordnet, das Gallische Europa und das Africanische Libya; da jedes dieser Meere diesen Ländern am nächsten liegt, sind sie sind in die Viertel dieser Gebiete gekommen. (17) Diese sind in den Innereien der Länder.
Ozean Namen [IG] Die äußeren Küsten hingegen umfasst der Ozean, der nach seinen Gestaden Arabischer, Persischer, Indischer, Eoischer (Südlicher), Serischer, Hyrcanischer, Caspischer, Scythischer, Germanischer, Gallischer, Atlantischer, Libyscher und Aegyptischer genannt wird. Gezeiten [IG] (18) Dessen fließende Gezeiten strömen um die Küsten Indias sehr kräftig vorwärts, machen aber auch große Rückzüge. Das ist entweder so, weil das Wasser durch die Kraft der Hitze hochgehoben anschwillt oder weil es in diesem Teil der Welt einen größeren Überfluss an Flüssen und Quellen gibt. [ME 3,1-2] (19) Auch jetzt noch ist man im Zweifel darüber, was den Ozean veranlassen sollte, anzuschwellen und sich wieder in sich selbst hinein abzusenken, wenn er sich überflüssig geworden ist. Es ist nicht unverständlich, dass viele Theorien vorgebracht worden sind, die eher das Talent ihrer Vertreter hervorheben als die Wahrheit finden sollen. Indem wir aber die zweifelhaften Argumente zu dieser Frage übergehen, haben wir folgende Meinungen am vertrauenswürdigsten gefunden: (20) Die Physici (Naturphilosophen) sagen, die Welt sei ein Tier und aus verschiedenen Elementkombinationen zusammengesetzt; sie werde von einem
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moveri spiritu regente; quae utraque diffusa per membra omnia aeternae molis vigorem exerceant. (21) Sicut ergo in corporibus nostris commercia sunt spiritalia, ita in profundis Oceani nares quasdam mundi constitutas, per quas emissi anhelitus vel reducti modo efflent maria, modo revocent. (22) At hi qui siderum sequuntur disciplinam contendunt meatus istos commoveri lunae cursibus, adeo ut sic vicissitudines inter maciem aquarum et plenitudinem respiciant ad auctus eius vel eliquia. Neque eodem semper tempore, sed prout illa aut mergatur aut surgat variant se alternantes recursus. (XXIV 1) De Hispania excursus in Libyam; nam Baelone progressos, quod Baeticae oppidum est, ultra interiacens fretum trium et triginta milium passuum Tingi excipit, Mauretaniae nunc colonia, sed cuius Antaeus primus auctor est. (2) Porro quod in illo ambitu Aegyptium finitur pelagus et Libycum incipit, placuit ut Africam Libyam diceremus. Quidam tamen Libyam a Libya Epaphi filia, Africam autem ab Afro Libyis Herculis filio potius dictam receperunt. (3) Lix quoque colonia in eodem tractu constituta est, ubi Antaei regia, qui implicandis explicandisque nexibus humi melius sciens, velut genitus matre terra, ibidem Herculi victus est. (4) Nam de hortis Hesperidum et pervigili dracone, ne famae licentia vulneretur fides, ratio haec est. Flexuoso meatu aestuarium e mari fertur adeo sinuosis lateribus tortuosum, ut visentibus procul lapsus angueos fracta vertigine mentiatur; (5) itaque quod hortos
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Geist bewegt, der in ihr waltet. Diese (Elementkombinationen), die in allen Gliedern (des Welt-Tiers) vorhanden sind, beherrschen eine jede die Kraft der ewigen Masse. (21) Deshalb gebe es genauso wie in unseren eigenen Körpern eine Luftatmung. Die Nasenlöcher der Welt lägen in den Tiefen des Ozeans, durch sie werde Atem ausgeströmt oder eingesaugt, wobei die Meere ausgeatmet und auch wieder eingeatmet würden. (22) Diejenigen aber, die sich um die Systematik der Gestirne kümmern, behaupten, dass die Bewegungen selbst in solchem Maß durch die Bahnen des Monds hervorgerufen werden, dass die Änderungen der Gewässer zwischen Magerkeit und Vollheit in Bezug zur Zu- oder Abnahme des Monds stehen. Es ist nicht immer zu derselben Zeit: Wie der Mond sinkt und steigt, schwanken die sich abwechselnden Rückzüge.
Einführung
LÄNDER AN DER KÜSTE
Namen [PL 5,1-2] (XXIV 1) Von Hispania ist ein Ausweg nach Libya. Wenn man nämlich Baelo verlassen hat, eine Stadt in Baetica (s. o. SO XXIII 8), kommt als nächstes Tingi jenseits der dazwischen liegenden Meerenge von 33 MeilenM. Jetzt ist es eine Kolonie von Mauretania, doch war Antaeus der erste Gründer von Tingi. (2) Dann scheint es, weil das Aegyptische Meer mit dieser Umfahrung endet und das Libysche richtig beginnt, dass wir Africa „Libya“ nennen. °[IG] Und doch haben bestimmte Leute stattdessen akzeptiert, dass Libya so nach Libya, der Tochter des Epaphus, genannt wurde, aber dass Africa vielmehr nach Afrus, dem Sohn des libyschen Hercules, genannt wurde.E± Mythen [PL 5,3] (3) Lix, ebenfalls eine Kolonie, wurde in derselben Gegend an dem Ort gegründet, wo der Palast des Antaeus war. Dieser verstand sehr gut, wie man Knoten auf dem Boden verbindet und wieder löst, als ob er von der Mutter Erde geboren wäre. Er wurde von Hercules genau an diesem Ort besiegt. (4) Über die Gärten der Hesperides und den ewig wachsamen Drachen (Schlange) ist nun, damit nicht das Zuverlässige durch die Unzuverlässigkeit der Sage verletzt wird, folgendes vernünftig: Eine Flussmündung mit einem sich windenden Verlauf wird aus dem Meer hervorgebracht, deren gewundene Seiten in solchem Maß geschlängelt sind, dass es denjenigen, die sie von fern ansehen, infolge ihrer unterbrochenen Windungen wie das Gleiten einer Schlange vorkommt. (5) So umgibt sie das, was sie „die Gärten“ genannt
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appellavere circumdat, unde pomorum custodes interpretantes struxerunt iter ad mendacium fabulandi. Sed haec insula, insinuata sinibus alvei recurrentis et in quibusdam aequoris spiris sita, praeter arbores oleastri similes et aram sacram Herculi aliud nihil praefert quo propaget vetustatis memoriam. (6) Verum ultra frutices aureos et metalla frondentia illud magis mirum, quod solum inferiore licet libra depressum numquam accessu freti superlabitur, sed obstaculo naturalis repaguli in ipsis marginibus haeret unda et intimis orarum superciliis sponte fluctus ingrui resistuntur; spectando nimirum ingenio loci planities manet sicca, quamvis prona aequora superveniant. (7) Sala oppidum imminet Salae flumini. Ab hoc per Autolorum gentem iter est in Atlanticas solitudines. (8) Atlas mons e media harenarum consurgit vastitate et eductus in viciniam lunaris circuli ultra nubila caput condit; qua ad Oceanum extenditur, cui a se nomen dedit, manat fontibus, nemoribus inhorrescit, rupibus asperatur, squalet ieiunio, humo nuda nec herbida; qua Africam contra versus est, felix nascentibus sponte frugibus, arboribus proceris opacissimus, quarum odor gravis, comae cupressi similes vestiuntur lanugine sericis velleribus nihilo viliore. (9) In eo latere et herba euphorbea copiosa, cuius sucus ad oculariam proficit claritatem nec mediocriter percellit vim venenorum. (10) Vertex semper nivalis. Saltus eius quadrupedes ac serpentes ferae et cum his elephanti occupaverunt. Silet per diem universus nec sine horrore secretus est, lucet nocturnis ignibus, choris Aegipanum undique personatur; audiuntur et cantus tibiarum et tinnitus cymbalorum.1 (11) Per oram maritimam a Lixo abest quinque et ducentis milibus passuum, Lix a Gaditano freto centum duodecim milibus. Habitatus ante, ut indicat loci facies quondam cultu exercita, in qua usque adhuc vitis et palmae extat vestigium.
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per oram maritimam in fine XXIV 11 habet Mommsen, in initio XXIV 11 habent Walter 1963, 136-137 et Fernández Nieto 2001, 95.
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haben. Die Leute, die den Fluss als Wächter der Äpfel ansehen, ebneten so den Weg für die Erstellung der Lügen. Diese Insel aber, die durch die Golfe des zurückkehrenden Kanals eingebuchtet ist und in bestimmten Biegungen des Gewässers liegt, hat abgesehen von Bäumen, die dem wilden Ölbaum gleichen, und von einem Altar, der Hercules geweiht ist, nichts, was die Erinnerung an die Vergangenheit ausweiten könnte. (6) In Wahrheit ist – mehr als goldene und metallische Zweige – noch wunderbarer, dass, obwohl der Boden hier tiefer als der Meeresspiegel liegt, die Tiefe nie durch die Annäherung des Meeresarms überflutet wird; die Woge bleibt durch das Hindernis eines natürlichen Türriegels in ihren Rändern hängen, und durch die innersten Gestade der Küsten wird den Fluten, die gerade eindringen wollen, widerstanden; durch eine äußerst geschickte Einrichtung bleibt also die Ebene trocken, auch wenn die Fluten oberhalb von ihr fließen.
Atlas [PL 5,5-6] (7) Die Stadt Sala liegt direkt am Fluss Sala. Von hier ist der Weg durch das Gebiet des Autoli-Stammes zu den Atlas-Einöden. (8) Der Atlas-Berg erhebt sich von der Mitte der sandigen Wüste. Wenn er sich aufbäumt, taucht sein Haupt über den Wolken in die Umgebung der Mondbahn ein. Wo sich der Berg zum Ozean – dem er seinen eigenen Namen gab – hin streckt, fließt er mit Quellen, ist borstig mit Wäldchen und rau mit Klippen, ist dürr vor Hunger, von Erde entblößt und ohne Gras. Wo sich der Berg nach Africa hinwendet, ist er mit Früchten gesegnet, die von selbst wachsen. [PL 5,14-16] Der Atlas wird von hohen Bäumen beschattet, die einen drückenden Geruch und ein der Zypresse ähnliches Laub haben. Das Laub ist von einem Flaum bekleidet, der nicht weniger wertvoll als seidenes Vlies ist. (9) Auf jener Seite gibt es auch reichlich Euphorbea-Kraut, dessen Saft zur Klarheit der Sehkraft beträgt und nicht nur mittelmäßig gegen Gifte wirkt (vgl. PL 25,78-79) (10) Der Gipfel der Bergkette ist immer von Schnee bedeckt. Seinen Wald besetzen Vierfüßler und wilde Schlangen und mit ihnen zusammen Elefanten. Alles ist den ganzen Tag über ruhig und nicht ohne Schrecken versteckt, doch leuchtet mit nächtlichem Feuer und erklingt dann überall mit Chören der Aegipanes (vgl. SO XXXI 6). Und man hört Melodien von Flöten und Getöne von Becken. (11) Entlang der Meeresküste gemessen ist der Atlas-Berg 205 MeilenM von Lix entfernt; Lix ist 112 MeilenM von der Gadischen Meerenge entfernt. Er war einst bewohnt; das Äußere des Ortes zeigt die ehemalige Kultivierung an, an dem noch bis in unsere Zeit Spuren von Weinreben und Dattelpalmen vorhanden sind.
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(12) Apex Perseo et Herculi pervius, ceteris inaccessus: ita fidem ararum inscriptio palam facit. Qua spectat occasum, inter ipsum et flumen Anatim per quadringenta nonaginta sex milia passuum infames bestiis silvae obsident. (13) Amnes circa eum non tacendi, qui licet separentur intervallis amplioribus, transierunt tamen in quoddam Atlantici nominis ministerium, (14) Asana marino haustu: Bambotum crocodillis et hippopotamis refertum ultraque* adhuc amnis qui atro colore exit per intimas et exustas solitudines, quae torrente perpetuo et1 sole nimio plus quam ignito numquam ab aestu vindicantur. (15) Haec de Atlante, quem Mauri Addirim nominant, et Hannonis* Punici libri et nostri annales prodiderunt, Iuba etiam Ptotemaei filius qui utriusque Mauretaniae regno potitus est. Suetonius quoque Paulinus summam huic cognitioni inposuit manum, qui ultra Atlantem primus et paene solus Romana signa circumtulit. (XXV 1) E provinciis Mauretaniis Tingitana, quae solstitiali plagae obvia est quaeque porrigitur ad internum mare, exurgit montibus septem, qui a similitudine fratres appellati freto imminent. (2) Hi montes elephantis frequentissimi sunt. Monent a principio hoc animantium genus dicere. Igitur elephanti iuxta sensum humanum intellectus habent, memoria pollent, siderum servant disciplinam. Luna nitescente gregatim amnes petunt, mox perspersi liquore solis exortum motibus quibus possunt salutant, deinde in saltus revertuntur. (3) Duo eorum genera sunt: nobiliores indicat magnitudo, minores nothos dicunt. Candore dentium intellegitur iuventa; quorum alter semper in ministerio est, alteri parcitur, ne hebetatus assiduo repercussu minus vigeat si fuerit dimicandum.
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et sole codd., sole et W. Richter apud Walter 1963, 137, quoe probat Fernández Nieto 2001, 95.
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(12) Die Spitze war für Perseus und Hercules überquerbar, ist aber jedem anderen unzugänglich. °[IG] So offenbart die Inschrift der Altäre die Wahrheit.± Wo Atlas nach Sonnenuntergang blickt, blockieren zwischen ihm und dem Fluss Anatis Wälder, die wegen Untieren berüchtigt sind, für 496 MeilenM den Zugang. (13) °[SO] Die Ströme um den Atlas-Berg sind nicht mit Schweigen zu übergehen. Obwohl sie durch ziemlich weite Entfernungen voneinander getrennt sind, leisten sie einen bestimmten Dienst zum Namen des Atlas.± (14) Asana hat brackiges Wasser. Bambotum ist voll von Krokodilen und Hippopotami (Nilpferden, s. u. SO XXXII 30). Weiter darauf ist noch ein anderer Fluss, der mit schwarzer Farbe durch die innersten und versengten Einöden fließt, die mit ihrem fortwährenden Brennen und übermäßiger Sonne von der mehr als glühenden Hitze nie freikommen. (15) Dies haben über den Atlas, den die Mauri Addiris nennen, sowohl die Bücher des Puniers Hanno als auch unsere Annalen überliefert; auch Iuba, der Sohn des Ptolemaios, der Herr über beide Königreiche von Mauretania wurde, erwähnt sie. Suetonius Paulinus gab dieser Erkenntnis die letzte Hand, der als erster die römischen Feldzeichen über den Atlas trug.
Mauretania Tingitana [PL 5,18] (XXV 1) °[IG] Von den Mauretanischen Provinzen steigt Tingitana, die der Sonnenwende-Himmelsregion gegenüberliegt und sich zum inneren Meer hin erstreckt,± mit sieben Bergen auf, die wegen ihrer Ähnlichkeit zueinander „Brüder“ genannt werden. Sie grenzen an die Meerenge an. (2) Elefanten sind in diesen Bergen sehr zahlreich. Das ermahnt mich, hier von Anfang an von dieser Tierart zu sprechen. Tiere [PL 8,1-34] Elefanten haben ein der menschlichen Intelligenz nahes Verständnis. Sie haben ein Erinnerungsvermögen und unterwerfen sich der Systematik der Gestirne. Wenn der Mond zu scheinen beginnt, suchen sie herdenweise die Flüsse auf. Durchnässt mit Wasser begrüßen sie dann den Sonnenaufgang mit allen ihnen möglichen Bewegungen, dann kehren sie in die Wälder zurück. (3) Es gibt zwei Arten von Elefanten: Die edlere Art wird durch ihre Größe angezeigt, die kleineren nennen sie „Nothi“ (griech.: „Bastarde“). Ein Elefant gilt als jung, wenn seine Zähne weiß sind. Von diesen Zähnen ist einer immer im Gebrauch. Der andere wird geschont, damit er nicht, von der ständigen Reibung abgestumpft, für das Kämpfen weniger wirksam wird.
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(4) Cum venatu premuntur, pariter affligunt utrosque, ut damnato ebore non requirantur; hanc enim sibi causam periculi inesse sentiunt. Oberrant agminatim; natu maximus ducit agmen, aetate proximus cogit [sequentes]*. (5) Flumen transituri minimos antemittunt, ne maiores ingressu alveum atterant et profundos gurgites depressis vadis faciant. Venerem ante annos decem feminae, ante quinque mares nesciunt. Biennio coeunt quinis nec amplius in anno diebus, non prius ad gregarium numerum reversuri quam vivis aquis abluantur. (6) Propter feminas numquam dimicant: nulla enim noverunt adulteria. Inest illis clementiae bonum; quippe si per deserta vagabundum hominem forte viderint, ductus usque ad notas vias praebent; vel si confertis pecoribus occursitent, itinera sibi blanda et placida manu faciunt, ne quod obvium animal interimant conflictu fortuito. (7) Si quando pugnatur, non mediocrem habent curam sauciorum; nam fessos vulneratosque in medium receptant. Cum captivitate venerint in manus hominum, mansuescunt hausto hordei suco. (8) Maria transmeaturi in naves non prius subeunt quam de reditu illis sacramentum luatur. Indicos elephantos Mauretani timent et quasi parvitatis suae conscii aspernantur ab his videri. Non annis decem, ut vulgus, sed biennio, ut Aristoteles definit, utero gravescunt, nec amplius quam semel gignunt, nec plures quam singulos. (9) Vivunt in annos trecentos. Inpatientissimi frigoris. Truncos edunt, lapides hauriunt, gratissimas in cibatu habent palmas. Odorem muris vel maxime fugiunt; pabula etiam quae a musculis contacta sint recusant. (10) Si quis casu chamaeleontem devoraverit, vermem elephantis veneficum, oleastro sumpto pesti medetur. Durissimum dorso tergus est, ventri mollius. Setarum hirsutiae nullae.
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(4) Wenn Elefanten von Jägern verfolgt werden, zerbrechen sie beide Zähne, so dass sie, weil das Elfenbein beschädigt ist, nicht mehr gejagt werden; sie verstehen nämlich, dass dies die Ursache ihrer Gefährdung ist. Sie ziehen in Herden herum. Der von Geburt Älteste führt die Herde; der im Alter Nächste bildet den Abschluss. (5) Wenn sie einen Fluss durchqueren wollen, senden sie die Kleinsten voraus, damit die Älteren das Flussbett nicht durch ihren Lauf abnutzen und tiefe Furchen in Furten machen. Paarung kennen die weiblichen Tiere nicht, bevor sie zehn, und die männlichen nicht, bevor sie fünf Jahre alt sind. In einem Zeitraum von zwei Jahren paaren sich Elefanten nicht an mehr als fünf Tagen pro Jahr. Sie kehren dann nicht zur Hauptherde zurück, bis sie sich mit Süßwasser gereinigt haben. (6) Weil Elefanten keinen Ehebruch kennen, kämpfen sie nie um Frauen. Die Tugend des Mitgefühls ist ihnen zu eigen. Wenn sie unerwartet einen Menschen durch die Wüste wandern sehen, führen sie ihn den ganzen Weg zu bekannten Pfaden, oder wenn sie sich mit Vieh treffen, das sich drängt, machen sie für sich mit ihren Rüsseln freundlich und ruhig einen Durchgang frei, damit sie kein Tier, das im Weg steht, durch eine zufällige Kollision töten. (7) Wenn je ein Kampf gefochten wird, haben Elefanten eine nicht geringe Sorge für die Verletzten. Sie empfangen die Müden und Verwundeten in die Mitte der Herde. Wenn Elefanten in Gefangenschaft in die Hände von Menschen geraten, werden sie durch Gerstensaft gezähmt. (8) °[IG] Wenn sie Meere überqueren wollen, werden sie nicht in die Schiffe klettern (vgl. PL 8,6), bevor ihnen nicht ein Eid über ihre Rückkehr geschworen wird.± Mauretanische Elefanten fürchten indische Elefanten, und, als ob sie sich ihrer eigenen Kleinheit bewusst wären, bemühen sie sich, nicht von ihnen gesehen zu werden. Nicht zehn Jahre lang, wie man gemeinhin meint, sondern zwei Jahre lang, wie Aristoteles bestimmt hat, sind sie trächtig und gebären nicht öfter als einmal und auch immer nur ein einziges Junges. (9) Elefanten leben an die 300 Jahre lang. Sie können am wenigsten Kälte ertragen. Sie fressen Baumstämme und verschlucken Steine. Sie betrachten Datteln als angenehmste Speise. Sie fliehen ganz besonders vor dem Geruch einer Maus; sie lehnen sogar Futter ab, das von Mäuschen berührt worden ist. (10) °[PL 8,100] Wenn zufällig einer von ihnen ein Chamaeleon (s. u. SO XXX 26) verschluckt – einen Wurm, der für Elefanten giftig ist –, heilt sich der Elefant von der Krankheit, indem er wilden Ölbaum frisst.± Die Haut von Elefanten ist auf ihrem Rücken sehr hart und auf ihren Bäuchen weicher. Sie haben keine Borsten oder Haare.
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Inter hos et dracones iugis discordia. (11) Denique insidiae hoc astu praeparantur: serpentes propter semitas delitescunt, per quas elephanti assuetis callibus evagantur; atque ita praetermissis prioribus postremos adoriuntur, ne qui antecesserunt queant opitulari; primumque pedes nodis ligant, ut laqueatis cruribus inpediant gradiendi facultatem; (12) nam elephanti, nisi praeventi hac spirarum mora, vel arboribus se vel saxis applicant, ut pondere nitibundo attritos necent angues. (13) Dimicationis praecipua causa est, quod elephantis ut aiunt frigidior inest sanguis et ob id a draconibus avidissime torrente captantur aestu. Quam ob rem numquam invadunt nisi potu gravatos, ut venis propensius inrigatis maiorem sumant de oppressis satietatem. (14) Nec aliud magis quam oculos petunt, quos solos expugnabiles sciunt, vel interiora aurium, quod is tantum locus defendi non potest promoscide. Itaque cum ebiberint sanguinem, dum ruunt beluae, dracones obruuntur. (15) Sic utrimque fusus cruor terram imbuit fitque pigmentum quicquid soli tinxerit, quod cinnabari vocant. Elephantos Italia anno urbis conditae quadringentesimo septuagesimo secundo in Lucanis primum bello Epirotico vidit et boves Lucas inde dixit. (16) Caesariensi colonia Caesarea inest a divo Claudio deducta, Bocchi prius regia, postmodum Iubae indulgentia p(opulo) R(omano) dono data. Inest et oppidum Siga, quod habitatum Syphaci fuit. (17) Nec ab Icosio taciti recedemus: Hercule enim illa transeunte viginti qui a comitatu eius desciverant locum deligunt, iaciunt moenia; ac ne quis inposito a se nomine privatim gloriaretur, de condentium numero urbi nomen datum.
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Zwischen Elefanten und Drachen (Schlangen) besteht dauernde Feindseligkeit. (11) Tatsächlich werden Fallen durch die folgende Gerissenheit bereitet: Die Schlangen lauern auf Pfaden, entlang denen die Elefanten zu wandern pflegen. Nachdem die Hauptelefanten vorbeigegangen sind, greifen die Schlangen die hintersten Elefanten an, so können diejenigen, die ihnen vorangingen, nicht helfen. Die Schlangen binden zuerst die Füße der Elefanten mit Knoten zusammen, so dass ihre Beine unbeweglich werden und ihre Lauffähigkeit behindert wird. (12) Sofern die Elefanten nicht durch dieses schlängelnde Hindernis davon abgehalten werden, lehnen sie sich an Bäume oder an Felsen und können so die unverschämten Schlangen mittels ihres erdrückenden Gewichts töten. (13) Die besondere Ursache für diesen Streit ist – so sagt man –, dass Elefanten ziemlich kaltes Blut haben und aus diesem Grund in der sengenden Hitze die Schlangen sich danach am begierigsten sehnen. Deshalb greifen Schlangen nie Elefanten an, es sei denn, dass sie mit Wasser beladen sind; wenn nämlich die Adern der Elefanten voll Wasser sind, können die Schlangen größere Sattheit durch diejenigen erlangen, die sie überwältigen. (14) Die Schlangen suchen vor allem die Augen der Elefanten, weil sie wissen, dass diese allein verwundbar sind. Sie suchen auch die inneren Teile der Ohren der Elefanten, weil dieser Platz nicht durch den Rüssel geschützt werden kann. Wenn sie das Blut trinken und die Tiere umfallen, werden die Drachen (Schlangen) zerquetscht. (15) °[PL 33,116] So weicht beiderseitig das vergossene Blut das Land ein, und was immer die Erde färbt, wird zu einem Farbstoff, den man „Cinnabari“ (Zinnober) nennt.± Italia sah zuerst Elefanten im 472. Jahr seit Gründung der Großstadt (Rom)Z im Epirotischen Krieg in Lucania. Deshalb wurden sie „lucanische Kühe“ genannt. Caesariensis [PL 5,19-20] (16) In Caesariensis ist die Kolonie Caesarea, die vom vergöttlichten Claudius gegründet wurde, zuerst die Residenz des Bocchus, nach einer Weile durch die Freundlichkeit des Iuba dem römischen Volk als Geschenk übergeben. In ihr ist auch die Stadt Siga, die von Syphax bewohnt wurde. (17) Wir wollen auch Icosium nicht schweigend übergehen. °[IG] Als Hercules über den Ort kam, wählten 20 Männer, die aus seiner Gesellschaft desertierten, einen Ort aus und bauten Mauern. Damit niemand privat prahlt, dass der Ort nach ihm selbst benannt worden wäre, sei der Name der Großstadt nach der Zahl der Gründer (griech. eikosin: „zwanzig“) gegeben worden.E±
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(XXVI 1) Quod est a flumine Amsiga Numidiae datur. huius incolae quamdiu errarunt pabulationibus vagabundis, Nomades dicti sunt. Urbes in ea plurimae nobilesque, sed Cirta eminet; dein Chulli purpurario fuco Tyriis velleribus comparata. (2) Omnis haec regio finibus in Zeugitanum limitem desinit. Qua parte silvestris est, feras educat, qua iugis ardua, equos alit. Eximio etiam marmore praedicatur. (3) Numidici ursi ceteris praestant rabie dumtaxat et villis profundioribus; nam genitura par est quoque loco genitis {ðeditis}1. Eam protinus dixero. Coeunt non itidem quo quadrupedes aliae, sed apti amplexibus mutuis velut humanis coniugationibus copulantur. (4) Desiderium veneris hiems suscitat. Secreti honore reverentur mares gravidas et in iisdem licet foveis, partitis tamen per scrobes secubationibus dividuntur. Lucinae illis properatius tempus est; quippe uterum trigesimus dies liberat. Unde evenit, ut praecipitata fecunditas informes creet partus: (5) carnes pauxillulas edunt, quibus color candidus, oculi nulli et de festina inmaturitate tantum rudis sanies, exceptis unguium lineamentis. Has lambendo sensim figurant et interdum adpectoratas fovent, ut assiduo incubitu calefactae animalem trahant spiritum. (6) Interea cibus nullus. sane diebus primis quattuordecim matres in somnum ita concidunt, ut nec vulneribus excitari queant. Enixae quaternis latent mensibus; mox egressae in diem liberum tantam patiuntur insolentiam lucis, ut putes obsitas caecitate. (7) Invalidum ursis caput, vis maxima in brachiis et in lumbis; unde interdum posticis pedibus insistunt. Insidiantur alvearibus apium, maxime favos appetunt,
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editis editio altera, quod probat Chatelain 1902, 42.
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Numidia Einführung [PL 5,22-23] (XXVI 1) Was vom Fluss Amsiga kommt, wird an Numidia gegeben. Dessen Bewohner wurden, da sie wandernde Existenzen auf der Suche nach Weidegründen (griech.: nomós: „Weide“) führten, „Nomaden“ genannt.E Numidia hat viele edle Großstädte, Cirta aber ist herausragend. Das nächste nach der Bedeutung ist Chulli: °[PL 5,12 und 6,20] Seine purpurrot gefärbten Vliese werden den tyrischen als gleichrangig angesehen.± (2) Dieses ganze Gebiet grenzt an Zeugitana. Wo es bewaldet ist, bringt Numidia wilde Tiere hervor, °[IG] wo es steil und gebirgig ist, nährt es Pferde.± Es wird auch wegen seines vorzüglichen Marmors gelobt. Tiere [PL 8,126-131+] (3) Numidische Bären übertreffen andere in der Heftigkeit und haben längeres Haar; ihre Fortpflanzungskraft ist der von denen gleich, die an jedem anderen Ort geboren {ðhervorgebracht} sind. Ich will unverzüglich auf dieses Thema zu sprechen kommen. Bären paaren sich nicht so wie andere vierfüßige Tiere; da sie für gegenseitige Umarmungen geeignet sind, kopulieren sie so wie Menschen. (4) Der Winter entzündet bei ihnen den Wunsch nach Paarung. Die männlichen Tiere behandeln die Trächtigen mit Rücksicht und halten sich zurück; sie schlafen zwar in denselben Höhlen, doch an verschiedenen Schlafbereichen, die durch Gruben getrennt sind. Die Trächtigkeit verläuft recht schnell; tatsächlich kommt die Gebärende vor dem 30. Tag nieder. So kommt es, dass die rasche Fruchtbarkeit eine unförmige Nachkommenschaft hervorbringt: (5) Sie gebären nur kleine Fleischklumpen, die in der Farbe weiß sind, keine Augen haben und wegen der Hast und Unreife nur blutige Klumpen sind, mit Ausnahme der Umrisse von Klauen. Die Mütter formen die Jungen allmählich, indem sie sie lecken und hegen. Manchmal halten sie sie an die Brust geschnallt, so können sie durch die dauernde Inkubation gewärmt werden und den Lebenshauch einatmen. (6) Inzwischen nehmen die Mütter keine Nahrung zu sich. Tatsächlich fallen sie für die ersten 14 Tage in einen Schlaf und können nicht aufgeweckt werden, selbst wenn sie verwundet werden. Wenn sie die Jungen zur Welt gebracht haben, liegen sie vier Monate lang im Verborgenen. Wenn sie dann an den offenen Tag treten, leiden sie unter dem so ungewohnten Licht; man könnte meinen, dass sie von Blindheit geschlagen sind. (7) Kraftlos ist das Haupt der Bären; ihre größte Kraft ist in ihren Armen und Lenden. Daher stehen sie manchmal auf ihren Hinterfüßen. Sie überfallen Bienenkörbe, weil sie sich außerordentlich nach Honigwaben sehnen; sie
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nec avidius aliud quam mella captant. (8) Cum gustavere mandragorae mala, moriuntur; sed eunt obviam, ne malum in perniciem convalescat et formicas vorant ad recuperandam sanitatem. (9) Si quando tauros adoriuntur, sciunt quibus potissimum partibus immorentur nec aliud quam cornua aut nares petunt; cornua ut pondere defetigent, nares, ut acrior dotor sit in loco teneriore. (10) M. Messalla consule L. Domitius Ahenobarbus curulis aedilis ursos Numidicos centum et totidem Aethiopas venatores in circo Romano edidit, idque spectaculum inter memorabiles titulos adnotatur. (XXVII 1) Omnis Africa a Zeugitano pede incipit, promunturio Apollinis Sardiniae contraversa, promunturio Mercurii procedens in frontem Sicanam; proinde extenta in duas prominentias, quarum altera promunturium Candidum dicitur, alteram quae est in Cyrenaica regione Phycuntem vocant; (2) ea per sinum Creticum opposita Cretae insulae contra Taenarum Laconicae excurrit. (3) Harenis Catabathmi Aegypto insinuata, cui proximi Cyrenenses, extenditur inter duas Syrtes, quas inaccessas vadosum ac reciprocum mare efficit. cuius sali defectus vel incrementa haud promptum est deprehendere, ita incertis motibus nunc in brevia residit* dorsuosa, nunc inundatur aestibus inquietis, (4) ut Varro auctor est, perflabilem ibi terram ventis penetrantibus subitam vim spiritus citissime aut revomere maria aut resorbere. (5) Omnis haec plaga ab Aethiopia et terminis Asiae Nigri flumine qui Nilum parit, ab Hispania freto scinditur; latere quod ad meridiem vergit fontium inops est et infamis siti; altrinsecus qua septemtrionem patitur aquario larga; (6) in agro Byzaceno, qui patet passuum ducentis vel amplius milibus, glebis ita praepinguis, ut iacta ibi semina cum incremento centesimae frugis renascantur.
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verfolgen nichts begieriger als Honig. (8) °[PL 8,101] Wenn sie die Früchte der Mandragora (des Alrauns) gekostet haben, sterben sie, aber wenn sie gegen die zerstörende Macht des Giftes kämpfen wollen, verschlingen sie Ameisen, um ihre Gesundheit wieder zu erlangen.± (9) Wenn Bären jemals nach Stieren jagen, kennen sie die Körperteile, gegen die sie ihre Angriffe vor allem ausrichten müssen: Sie suchen am meisten die Hörner und Nüstern der Stiere. Sie suchen die Hörner, damit sie die Stiere durch ihr Gewicht erschöpfen können, und die Nüstern, damit sie einem zarten Körperteil schärfere Schmerzen zufügen können. (10) Im Consulat des Marcus MessalaZ setzte Lucius Domitius Ahenobarbus als curulischer Ädil 100 numidische Bären und ebenso viele aethiopische Jäger im Circus von Rom ein. Dieses Schaustück wurde unter seine denkwürdigen Ruhmestitel aufgenommen.
Eigentliches Africa Einführung [PL 5,23-38] (XXVII 1) Das eigentliche Africa beginnt am zeugitanischen Fuß, am Kap des Apollo gegenüber von Sardinia. Zum Kap des Mercurius vorwärts gehend, das dem Vorderteil Sicilias gegenübersteht, streckt es sich in zwei Vorsprüngen aus. Einer von diesen wird Kap „Candidum“, der andere, der im cyrenaeischen Gebiet liegt, „Phycus“ genannt. (2) Letzterer erstreckt sich durch den Cretischen Golf gegenüber Creta, das dem Laconischen Taenarum entgegen verläuft. (3) Die Sande des Catabathmus erstrecken sich nach Aegyptus, dessen Nachbarn die Cyrenenses sind. Die Catabathmi strecken sich zwischen den beiden Syrten aus, und das seichte und zurückgehende Meer macht diesen Ort unzugänglich. °[IG] Der Grund für die Verringerung und für das Vorangehen des Salzwassers ist keineswegs leicht zu entdecken, weil seine Bewegungen so ungewiss sind; bald hält es sich in hügeligen Niederungen auf, bald strömt es mit unruhigen Fluten (vgl. PL 2,218). (4) Varro ist der Gewährsmann dafür, dass der Boden dort gegen eindringende Winde empfindlich ist; die plötzliche Kraft des Windhauchs entfernt Hindernisse sehr schnell oder aber verschluckt sie.± (5) Diese ganze Himmelsregion ist von Aethiopia und den Enden Asias durch den Nigris-Fluss getrennt, der den Nil hervorbringt, und von Hispania durch die Meerenge. °[IG] Auf der Seite, die zum Süden hin liegt, hat es keinerlei Quellen und ist berüchtigt wegen des Dursts; auf der anderen Seite, die dem Norden gegenübersteht, hat es reichliche Wasserquellen (vgl. PL 5,23).± (6) Im byzacenischen Gefilde, das sich für 200 MeilenM oder mehr ausstreckt, ist der Boden so außergewöhnlich reich, dass dort ausgesäte Samen mit ihrem Fruchtwachstum hundertfache Menge hervorbringen.
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(7) Externos in ea plurimos conventasse argumentum de urbibus et locis dabimus: Borion promunturium quod aquilone caeditur Graeci advenae sic vocaverunt. Hipponem Regium postea dictum, item Hipponem alterum de interfluenti freto Diarrhyton nuncupatum, nobilissima oppida, equites Graeci condiderunt. (8) Clypeam civitatem Siculi extruunt et Aspida primum nominant, Veneriam etiam in quam* Veneris Erycinae religiones transtulerunt. Achaei Tripolim lingua sua signant de urbium trium numero, id est Oeae, Sabratae, Leptimagnae. Philaenis fratribus a laudis cupidine Graium vocamen datum. (9) Hadrumeto atque Carthagini auctor est a Tyro populus; sed quae super Carthagine veraces libri prodiderunt hoc loco reddam. (10) Urbem istam, ut Cato in oratione senatoria autumat, cum rex Iapon rerum in Libya potiretur, Elissa mulier extruxit domo Phoenix et Carthadam dixit, quod Phoenicum ore exprimit civitatem novam. Mox sermone verso in verbum Punicum et haec Elisa et illa Carthago dicta est; quae post annos DCCXXXVII exciditur quam fuerat constituta. (11) Deinde a C. Graccho colonis Italicis data et Iunonia ab eo dicta, aliquantisper ignobilis humili et languido statu; demum in claritatem secundae Carthaginis, interiectis centum et duobus annis, M. Antonio P. Dolabella cos. enituit, alterum post urbem Romam terrarum decus. (12) Verum ut ad Africam redeam, ipsa suo cingitur angio. Interna eius plurimae quidem bestiae, sed principaliter leones tenent {qui, ut Aristoteles perhibet, soli ex eo genere quod dentatum vocant vident protinus atque nascuntur}.
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Städte [IG] (7) °[SO] Dafür, dass an diesem Ort viele Fremde zusammengekommen sind, wollen wir zu den Großstädten und Orten argumentieren:± °[PL 5,28] Kap Borion, das vom Aquilo-WindW getroffen wird, wurde von einwandernden Griechen so genannt,± Hippo, das später „Regius“ genannt wurde, und ebenso das andere Hippo – man nennt es „Diarrhytus“ (griech.: „Durchflossenes“) nach den Kanälen, die es durchfließenE – sind beide edelste Städte (vgl. PL 5,22-23); sie wurden von griechischen Reitern gegründet. (8) Die Gemeinde Clypea (vgl. PL 5,24) errichteten die Siculi und nannten sie zuerst Aspis, und auch Veneria, in das sie die Kultpraktiken von Venus Erycina übertrugen. Die Achaei benannten Tripolis (griech.: „Dreistadt“) in ihrer eigenen Sprache so nach der Dreizahl der Großstädte, nämlich Oea, Sabrata und Leptis magna. Den Philaeni-Brüdern ist aus Lobsucht ein griechischer Name („LobLiebhaber“) gegeben worden.E (9) Für Hadrumetum und Carthago ist der Urheber das Volk aus Tyrus. Was die wahrhaften Bücher über Carthago angeben, will ich hier aufnehmen. (10) Cato behauptet in seiner senatorischen Rede, dass diese Großstadt von Elissa, einer Frau aus dem phoenicischen Königshaus, gebaut wurde, als König Iapon Herr von Libya war. Sie nannte sie Carthada, weil dies in phoenicischer Sprache „neue Gemeinde“ bedeutet. Bald wurde deren Sprache ins Punische geändert, und diese „Elisa“, jene „Carthago“ genannt; es wurde 737 Jahre nach seiner Gründung ausgemerzt. (11) Danach wurde es von Gaius Gracchus italischen Kolonien gegeben und von ihm „Iunonia“ genannt. Eine Zeitlang war es unwürdig und hatte einen machtlosen Status; schließlich, nach 102 Jahren, im Consulat von Marcus Antonius und Publius DolabellaZ, kam es zum Ruhm eines zweiten Carthago, das zweite Schmuckstück der Welt nach der Großstadt Rom. (12) [SO] Doch will ich nun nach Africa zurückkommen: Es wird selbst durch sein eigenes Meer umgeben. Tiere: gezähnte [SO] Viele Untiere gibt es tatsächlich im Inneren Africas, aber es wird hauptsächlich von Löwen beherrscht {die – wie Aristoteles angibt – als einzige von der Art, die man „gezähnt“ nennt, sogleich nach der Geburt sehen können}.
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(13) Quorum trifariam genus scinditur: nam breviores et iubis crispi plerumque ignavi sunt et inbelles; longiores et coma simplici acres magis; at hi quos creant pardi in plebe remanent iubarum inopes. Pariter omnes parcunt a sagina, primum quod alternis diebus potum, alternis cibum capiunt ac frequenter, si digestio non est insecuta, [solitae]1 cibationi superponunt diem; (14) tum quod carnes iusto amplius devoratas, cum gravantur, insertis in ora unguibus sponte protrahunt. Sane et cum fugiendum est in satietate, idem faciunt. (15) Senectam defectio probat dentium. Nam clementiae indicia multa sunt: prostratis parcunt; in viros potius quam in feminas saeviunt; infantes nonnisi in magna fame perimunt. Nec a misericordia separantur; assiduis denique exemptis patet eos pepercisse, cum multi captivorum aliquot leonibus obvii intacti repatriaverint; Gaetulae etiam mulieris nomen Iubae libris conprehensum est, quae obtestata occursantes feras inmunis rediit. (16) Aversi coeunt; nec hi tantum, sed et lynces et cameli et elephanti et rhinocerotes et tigrides. (17) Leaenae fetu primo catulos quinque edunt, deinde per singulos numerum decoquunt annis insequentibus et postremo cum ad unum materna fecunditas recidit, sterilescunt in aeternum. (18) Animos leonum frons et cauda indicant, sicut motus equini de auribus intelleguntur; dedit enim has notas generosissimo cuique natura. Vis summa in pectore est, firmitas in capite praecipua. Cum premuntur a canibus, contemptim recedunt subsistentesque interdum ancipiti recessu dissimulant timorem; (19) idque agunt, si in campis nudis ac patentibus urgeantur, nam silvestribus locis, quasi testem ignaviae non reformident, quanta possunt se fuga subtrahunt. Cum insequuntur, nisum saltu adiuvant; cum fugiunt, non valent salire. Gradientes mucrones unguium vaginis corporum claudunt, ne acumina adtritu retundantur. Hoc adeo custodiunt, ut nonnisi aversis falculis currant. (20) Saepti a venantibus obtutu terram contuentur, quo minus conspectis venabulis terreantur. Numquam limo vident minimeque se volunt aspici. Cantus gallinaceorum et rotarum timent strepitus, sed ignes magis.
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solitae del. editio altera, quod probat Mommsen.
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[PL 8,42-53] (13) Man kann die Löwen in drei Sorten einteilen: Die kleineren, die lockige Mähnen haben, sind allgemein feig und unkriegerisch; die größeren, die glattes Haar haben, sind wilder; diejenigen aber, die von Pardi (s. o. SO XVII 11) gezeugt werden, haben an Mähnen Mangel und bleiben mittelmäßig. Alle halten sich gleichermaßen von Völlerei fern. Sie tun dies, weil sie an unterschiedlichen Tagen trinken und Beute fressen; oftmals, wenn sie keine gute Verdauung haben, verschieben sie ihre [übliche] Mahlzeit auf einen anderen Tag. (14) Wenn sie mehr Fleisch gegessen haben, als ihnen gut tut, und sie niedergedrückt werden, schieben sie ihre Klauen in ihre Mäuler und bringen sich dazu, es wieder auszuspeien. Sie machen dasselbe auch, wenn sie in einem Zustand von Sattheit fliehen müssen. (15) Die Schwäche der Zähne zeigt ihr Alter an. Anzeichen für Milde gibt es viele: Sie verschonen diejenigen, die sich demütigen; sie rasen eher gegen Männer als gegen Frauen; sie töten keine kleinen Kinder außer bei großem Hunger. Auch ist ihnen Mitleid nicht fremd: Tatsächlich ist es durch viele Beispiele weithin bekannt, dass sie milde gewesen sind; als etwa einigen Löwen viele Gefangene dargeboten wurden, blieben sie unberührt und kehrten in ihre Heimat zurück. Auch ist in die Bücher des Iuba der Name einer Frau aus Gaetula aufgenommen, die ihr entgegenstehende wilde Tiere anflehte und unversehrt zurückkehrte. (16) °[PL 10,173] Sie paaren sich von hinten, und zwar nicht nur sie, sondern auch Luchse, Kamele, Elefanten, Nashörner und Tiger.± (17) Bei der ersten Geburt bringen Löwinnen fünf Junge zur Welt, dann verringert sich im Lauf der Jahre die Zahl jeweils um eins, und schließlich bleibt die mütterliche Fruchtbarkeit bei einem Jungen zurück. Dann werden sie auf Dauer unfruchtbar. (18) Der Schwanz und die Stirn zeigen den Mut eines Löwen an, so wie man den Eifer eines Pferdes an seinen Ohren ablesen kann. Die Natur gab jedem edelsten Tier jeweils diese Zeichen. Die größte Kraft von Löwen ist in ihrer Brust °[IG] und sie haben besondere Stärke im Kopf.± Wenn sie von Hunden bedrängt werden, ziehen sie sich verächtlich zurück, halten manchmal beim zweifelhaften Rückzug inne und täuschen Angst vor. (19) Sie tun das, wenn sie in nackten und offenen Ebenen eingefasst sind, aber wenn sie an waldigen Orten sind, ziehen sie sich, als ob sie nicht vor Zeugnissen für ihre Feigheit zurückweichen, in einer Flucht so schnell zurück, wie sie nur können. Wenn sie selbst auf Verfolgungsjagd gehen, unterstützen sie ihr Jagen durch Springen. Wenn sie fliehen, können sie nicht springen. Wenn sie laufen, ziehen sie die scharfen Spitzen ihrer Klauen in die Scheiden ihrer Tatzen zurück, damit ihre Schärfe nicht durch Abreibung abgestumpft wird. Darin sind sie in solchem Maß gewissenhaft, dass sie nicht laufen, ohne ihre kleinen gekrümmten Klauen zurückzuziehen. (20) Von Jägern umgeben starren sie nachdenklich auf den Boden, damit sie vom Anblick der Jagdspeere weniger erschreckt werden. Sie blicken nie schräg und wünschen am wenigsten, dass sie selbst beobachtet werden. Sie fürchten die Töne des Hausgeflügels und das Geräusch von Wagen, aber Feuer noch mehr.
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(21) Leontophonos vocari accipimus bestias modicas, quae captae exuruntur, ut earum cineris aspergine carnes pollutae iactaeque per conpita concurrentium semitarum leones necent, si quantulumcumque ex illis sumpserint. (22) Propterea leones naturali eas premunt odio atque ubi facultas data est, morsu quidem abstinent, sed dilancinatas exanimant pedum nisibus. Spectaculum ex his primus Romae edidit Scaevola Publii filius in curuli aedilitate. (23) Hyaenam quoque mittit Africa, cui cum spina riget collum continua unitate flectique non quit nisi toto corporis circumactu. Multa de ea mira: primum quod sequitur stabula pastorum et auditu assiduo addiscit vocamen quod exprimere possit imitatione vocis humanae, ut in hominem astu accitum nocte saeviat. (24) Vomitus quoque humanos mentitur falsisque singultibus sollicitatos sic canes devorat; qui forte si venantes umbram eius dum sequuntur contigerint, latrare nequeunt voce perdita. Eadem hyaena inquisitione corporum sepultorum busta eruit. Praeterea pronius est marem capere; feminis enim ingenita est callidior astutia. (25) Varietas multiplex inest oculis colorumque mutatio. In quorum pupulis lapis invenitur, hyaeniam dicunt, praeditum illa potestate, ut cuius hominis linguae fuerit subditus, praedicat futura. Verum hyaena quodcumque animal ter lustraverit, movere se non potest; quapropter magicam scientiam inesse ei pronuntiaverunt. (26) In Aethiopiae parte coit cum leaena, unde nascitur monstrum: corocottae nomen est. Voces hominum et ipsa pariter adfectat. Numquam cohibet aciem orbium, sed in obtutum sine nictatione contendit. In ore gingiva nulla, dens unus atque perpetuus, qui ut numquam retundatur, naturaliter capsularum modo clauditur.
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[PL 8,136] (21) Wir haben von kleinen Untieren namens „Leontophoni“ gehört, die gefangen und verbrannt werden. Fleisch, das mit einem Staub ihrer Asche verschmutzt ist und an Kreuzwegen ausgelegt wird, kann Löwen töten, auch wenn sie nie ein noch so kleines Stück davon nehmen. (22) Deshalb bedrängen die Löwen sie mit einem natürlichen Hass. Wenn die Gelegenheit sich bietet, töten sie jene. Sie enthalten sich aber, sie zu beißen, sondern reißen sie mit der Kraft ihrer Tatzen in Stücke. °[PL 8,35] Ein Schaustück mit diesen hat als erster in Rom Scaevola, der Sohn des Publius, geboten, als er curulischer Ädil war.± [PL 8,105-106] (23) Africa bringt auch die Hyäne hervor. Die Hälse dieser Wesen werden von einem Rückgrat versteift, das eine ununterbrochene Einheit ist, so dass sie sich nur durch eine vollständige Umdrehung des Körpers umwenden können. Hyänen haben viele wundersame Eigenschaften. Vor allem laufen sie um die Hütten von Hirten herum und lernen durch fleißiges Zuhören, die menschliche Stimme nachzuahmen; so können sie Menschen, die sie in der Nacht herausgerufen haben, danke ihrer Gerissenheit anfallen. (24) Sie ahmen auch den Ton des menschlichen Erbrechens nach und verschlingen so die durch ihr falsches Würgen angezogenen Hunde. Wenn umgekehrt Hunde, die auf Jagd sind, bei der Verfolgung den Schatten einer Hyäne berühren, verlieren sie ihre Stimme und können nicht bellen. Auf der Suche nach Menschenfleisch wühlen sie die Grabstätten um. Es ist eine einfache Sache, eine männliche Hyäne zu fangen, denn den weiblichen Tieren ist eine schlauere Gerissenheit angeboren. (25) Ihre Augen ändern die Farbe und haben eine komplizierte Vielfalt. °[PL 37,169] In den Pupillen von Hyänen wird ein Stein gefunden, den man „Hyaenia“ nennt. Er besitzt folgende Kraft: Wenn er unter die Zunge eine beliebigen Menschen gelegt wird, kann dieser die Zukunft vorhersagen.± Jedes Tier, um das die Hyäne dreimal herumläuft, kann sich nicht mehr bewegen. Deshalb verkündet man, dass die Hyäne magische Kenntnisse hat. [PL 8,107-108] (26) In einem Teil von Aethiopia paart sich die Hyäne mit Löwinnen, woraus ein Ungeheuer entsteht; es hat den Namen „Corocotta“. Dieses Wesen täuscht auch die Stimmen von Menschen vor. Es bewegt nie die Pupillen seiner Augäpfel und starrt, ohne zu zwinkern. Sein Maul hat keinen Gaumen und nur einen durchgehenden Zahn. Damit dieser nie abgestumpft wird, ist er von Natur aus in einer Art Kapsel eingeschlossen.
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(27) Inter ea quae dicunt herbatica eadem Africa onagros habet, in quo genere singuli inperitant gregibus feminarum. Aemulos libidinis metuunt. Inde est quod gravidas suas servant, ut expositos mares, si qua facultas fuerit, truncatos mordicus privent testibus, quod caventes feminae in secessibus partus occulunt. (28) Africa serpentibus adeo fecunda est, ut mali huius merito illi potissimum palma detur. Cerastae praeferunt quadrigemina cornicula, quorum ostentatione veluti esca inlice sollicitatas aves perimunt; nam reliqua corporis de industria harenis tegunt nec ullum indicium sui praebent, nisi ex ea parte qua invitatis dolo pastibus necem praepetum aucupentur. (29) Amphisbaena consurgit in caput geminum, quorum alterum loco suo est, alterum in ea parte qua cauda; quae causa efficit ut capite utrimque secus nitibundo serpat tractibus circulatis. (30) Iaculi arbores subeunt, e quibus vi maxima turbinati penetrant animal quodcumque obvium fortuna fecerit. Scytale tanta praefulget tergi varietate, ut notarum gratia videntes retardet et quoniam reptando pigrior est, quos adsequi non quit, miraculo sui capiat stupentes. In hoc tamen squamarum nitore hiemales exuvias prima ponit. (31) Plures diversaeque aspidum species, verum dispares effectus ad nocendum: dipsas siti interficit; hypnale quod somno necat, teste etiam Cleopatra emitur ad mortem. (32) Aliarum virus quoniam medellas admittit, minus famae meretur. Haemorrhois morsu sanguinem elicit et dissolutis venarum commerciis quicquid animae est evocat per cruorem. Prester quem percussit, distenditur enormique corpulentia necatur extuberatus.
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Tiere: Grasfresser [PL 8,108] (27) Unter denjenigen, die man „Grasfresser“ nennt, hat Africa Onager (Wildesel). Einzelne männliche Esel herrschen über Herden von Frauen. Die männlichen Tiere stehen in der Angst vor lüsternen Rivalen. So kommt es, dass sie über ihre die trächtigen weiblichen Tiere wachen, und wenn sich eine Gelegenheit bietet, beißen sie die Hoden der neugeborenen Hengstfohlen ab. Die weiblichen Esel hüten sich davor und verbergen ihre Nachkommenschaft an einsamen Plätzen. Tiere: Schlangen und Würmer [PL 8,85-86] (28) °[SO] Africa ist so reich an Schlangen, dass es berechtigterweise den ersten Platz für dieses Übel bekommt:± Die Cerastae tragen vierfache kleine Hörner; sie zeigen sie als Köder und vernichten die Vögel, die sie anziehen; sie verbergen nämlich den Rest ihrer Körper sorgfältig im Sand, so dass kein Zeichen von ihnen sichtbar ist bis auf den Teil, mit dem nahrungssuchende Vögel durch eine List zum raschen Tod angelockt werden. (29) Die Amphisbaena geht in Zwillingsköpfe aus, mit einem an der richtigen Stelle und dem anderen dort, wo der Schwanz sein sollte. Diese Ursache bewirkt, dass sie, da die Köpfe sich in entgegengesetzte Richtungen mühen, in kreisförmigen Zügen schlängelt. (30) Iaculi besteigen Bäume, von denen herab sie mit großer Gewalt wirbeln und jedes Tier durchstoßen, das ihnen zufällig ausgesetzt ist. [IG] Die Rücken der Scytale glänzen hervorragend, und die Schönheit ihrer Punkte lässt alles innehalten, was sie wahrnimmt. Die Scytale kriecht eher langsam, ergreift aber durch ihr eigenes Wunder alle in Erstaunen gesetzten Wesen, die sie sonst nicht einholen könnte. Wie hell auch immer aber ihre Schuppen sein mögen, sie ist die erste, die ihre Winterhaut abstreift. (31) Arten von Nattern gibt es viele und unterschiedliche, und tatsächlich haben sie ungleiche Formen des Schädigens. Die Dipsas zerstört durch den Durst, die Hypnale tötet durch Einschläfern. Letztere ist sogar – dafür kann Cleopatra als Beleg gelten – für die Herbeiführung des Todes gekauft worden. (32) Die Gifte anderer Schlangen verdienen weniger Aufmerksamkeit, da sie behandelbar sind: Der Haemorrhois (griech.: „Blut-Fluss“) bringt mit seinen Bissen Blut hervorE, und wenn er den Blutaustausch in den Adern zerstört hat, lockt er, was auch immer noch an Leben geblieben ist, durch einen Blutstrom heraus. Wen auch immer der Prester durchstößt, der wird aufgeblasen und stirbt, zu enormer Beleibtheit angeschwollen.
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Ictus sepium putredo sequitur. (33) Sunt et ammodytae, est et cenchris, elephantiae, chersydri, chamaedracontes. Postremo quantus nominum tantus mortium numerus. Nam scorpiones scinci lacertaeque vermibus, non serpentibus adscribuntur. (34) Monstra haec si sibilant, clementius feriunt. Habent adfectus: non temere nisi coniuges evagantur; capto altero vel occiso uter superfuerit efferatur. Subtiliora sunt capita feminis, alvi tumidiores, pestis nocentior. Masculus aequaliter teres est, sublimior etiam mitiorque. (35) Igitur anguibus universis hebes visus est. Raro in adversum contuentur, nec frustra, cum oculos non in fronte habeant, sed in temporibus, adeo ut citius audiant quam aspiciant. (36) De gemma heliotropio inter Aethiopiam Africam Cyprum certamen fuit, quaenam mitteret generis huius eminentissimam; deprehensumque est documentis plurimis Aethiopicam aut Libycam palmam tenere. Viridi colore est non ita acuto, sed nubilo magis et represso, stellis puniceis superspersa. (37) Causa nominis de effectu lapidis est et potestate: deiecta in labris aheneis radios solis mutat sanguineo repercussu extraque aquam splendorem eius abicit et avertit. Etiam illud posse dicitur, ut herbae eiusdem quo est nominis mixta et praecantationibus legitimis consecrata eum a quocumque gestabitur subtrahat visibus obviorum. (38) Inter Syrtes quamvis terra pergentibus iter sideribus destinatur nec aliter cursus patescit; nam
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Auf den Schlag des Seps folgt Verwesung. (33) Es gibt auch Ammodytae, außerdem Cenchris, Elephantiae, Chersydri und Chamaedracontes. Schließlich: So groß wie die Zahl der Namen ist die der Todesfälle. [IG] Skorpione, Skinke und Eidechsen werden zu den Würmern gerechnet, nicht zu den Schlangen: (34) Wenn diese Ungeheuer zischen, schlagen sie langsamer zu. °[PL 8,86] Sie haben Gefühle; sie streunen nicht überstürzt, außer in Paaren. Wenn ein Tier gefangen genommen oder getötet wird, wird das zurückgelassene Tier wahnsinnig.± Die Köpfe der weiblichen Tiere sind schlanker, ihre Bäuche mehr angeschwollen, ihr Gift schädlicher. Die männlichen Tiere sind ebenso glatt, aber höher und auch sanftmütiger. [PL 8,87] (35) Die Sehkraft aller Schlangen ist gering. Sie blicken einen selten direkt an, und dies nicht ohne Grund, da sie die Augen nicht an der Stirn, sondern an den Schläfen haben, und zwar so weit hinten, dass sie leichter hören als sehen. Stein und Pflanze [PL 37,165] (36) Über den Edelstein „Heliotropius“ gab es zwischen Aethiopia, Africa und Cyprus Streit darüber, wer den besten für das Menschengeschlecht hervorbringt; festgehalten ist in sehr vielen Dokumenten, dass der aethiopische oder libysche den Siegespreis erhielt. Er ist in der Farbe grün, nicht so lebhaft, sondern recht grau und zurückhaltend, oben mit karminroten Sternen befleckt. (37) Der Grund für den Namen stammt von der Wirkung und Macht des Steins:E Wenn man ihn in eine erzene Schüssel wirft, verändert er die Strahlen der Sonne mit blutroten Spiegelungen, wirft ihre Pracht nach außerhalb des Wassers und wendet sie ab. Auch kann man folgendes sagen. Das Kraut desselben Namens, das gemischt und mit angemessenen Gebeten geweiht wird, nimmt den, von dem es verschluckt wird, aus dem Blickfeld derer, die ihm begegnen.
Syrten Einführung [PL 5,26-27] (38) Will man zwischen den Syrten über Land zu reisen, muss man den Weg mithilfe der Sterne bestimmen; sonst wird der Kurs unklar sein. Der Wind
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putris soli faciem aura mutat et minimo licet vento tantam diversitatem flatus efficit, ut subinde perversis sitibus locorum nulla indicia agnitioni relinquantur, cum modo quae fuerant tumulis ardua in valles residunt, modo quae vallibus pressa coitu* pulveris aggerantur. (39) Ita etiam continens naturam maris sui patitur; nec interest ubi potius sint procellae, cum ad exitium viantium elementis congruentibus in terris flabra saeviant, in mari terrae. (40) Utraeque Syrtes CCL milibus passuum separantur. Aliquanto clementior quae minor est. Cn. denique Servilio C. Sempronio cos. inter haec vadosa classem Romanam inpune accipimus perfretasse. In hoc sinu Mene insula post Minturnenses paludes C. Mario fuit latebra. (41) Supra Garamantas Psylli fuerunt, contra noxium virus muniti incredibili corporis firmitate. Soli morsibus anguium non interibant et quamvis dente letali appetiti incorrupta durabant sanitate. Recens etiam editos serpentibus offerebant: (42) si essent partus adulteri, matrum crimina plectebantur interitu parvulorum; si pudici, probos ortus a morte paterni sanguinis privilegium tuebatur; sic originis fidem probabant venenis iudicantibus. Sed haec gens interivit a Nassamonibus capta nec quicquam aliud praeter opinionem de vestigio nominis sui Psylli reliquerunt. (43) Nassamonitem lapidem Nassamones dant, sanguineum universum, nigris venulis adumbratum. In intimo recessu Syrtis maioris circa Philaenorum aras Lotophagos fuisse discimus, nec incertum est. A Philaenorum aris non procul palus est quam Triton amnis influit, ubi speculatam
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verändert nämlich die Gestalt des zerbröckelnden Bodens; die kleinsten Brisen bewirken einen so großen Unterschied, dass sie die Ortslagen verkehren und keine Marken für die Erkenntnis zurückbleiben, da nicht nur hohe Hügel sich in Täler absenken, sondern auch Täler mit Sand überhäuft werden. (39) So leidet der Kontinent nach der Natur seines eigenen Meeres. Es ist nicht von Bedeutung, wo die Stürme sind, da die Elemente zur Vernichtung der Reisenden zusammenwirken. Auf dem Land wüten die Winde, auf dem Meer die Ländereien. Die kleine Syrtis [PL 5,27] (40) Beide Syrten sind durch eine Distanz von 250 MeilenM getrennt. °[IG] Die kleinere ist beträchtlich friedlicher. Im Consulat von Gnaeus Servilius und Gaius SemproniusZ soll die römische Flotte schließlich über die niederen Gewässer zwischen ihnen gesegelt sein, ohne zu Schaden zu kommen. In diesem Golf hatte auf der Insel Menis Gaius Marius ein Versteck hinter den minturnischen Sümpfen.± (41) Oberhalb der Garamantes (s. u. SO XXVIII 1- XXIX 8) lebten einst die Psylli. °[PL 7,14] Sie wurden gegen schädliche Gifte durch die unglaubliche Kraft ihres Körpers bestärkt. Sie allein gingen nicht durch Schlangenbisse zugrunde, und selbst wenn sie mit den todbringenden Giftzähnen angegriffen wurden, hielten sie dies in unbeeinträchtigter Gesundheit aus. Sie boten den Schlangen sogar ihre Neugeborenen dar: (42) Waren sie Frucht eines Ehebruchs, wurden die Verbrechen der Mutter durch die Vernichtung des Jungen bestraft; waren sie keusch, schützte sie das Recht des väterlichen Bluts als von ehrenhafter Herkunft vor dem Tod. So bewiesen sie die Wahrheit des Ursprungs durch ein Urteils-Gift. Aber dieses Volk wurde von den Nassamones überrannt und vernichtet. Nichts als der Ruf, der aus der Spur ihres Namens entsteht, blieb von den Psylli übrig.± Stein [PL 37,175] (43) Den Nassamonites-Stein bringen die Nassamones hervor, überall blutrot und mit schwarzen Äderchen verdunkelt. Die große Syrtis [PL 5,28-31] Dass innerhalb des innersten Winkels der Großen Syrtis um die Altäre der Philaeni die Lotophagen gelebt haben, haben wir erfahren, und es ist nicht unsicher. Von den Altären der Philaeni ist es nicht weit zum Sumpfsee, in den der Fluss Triton fließt. Es ist hier – wie sie glauben –, dass die Göttin der
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se artium deam crediderunt. (44) Maior Syrtis ostentat oppidum, Cyrenas vocant, quod Battius1 Lacedaemonius olympiade quinta et quadragesima, rege Marcio res Romanas tenente, anno post Troiam captam quingentesimo octogesimo sexto condidit; quae domus Callimacho poetae fuit patria. (45) Inter hoc oppidum et templum Hammonis milia passuum CCCC sunt. Templo fons proximat Soli sacer, qui umoris nexibus humum stringit, favillam etiam in caespitem solidat. In qua gleba non sine miraculo lucus emicat undique secus agris arentibus. (46) Illic et lapis legitur, Hammonis vocant cornum; nam ita tortuosus est et inflexus, ut effigiem reddat cornus arietini; fulgore aureo est, praedivina somnia repraesentare dicitur subiectus capiti incubantium. (47) Et arbor est melopos nomine, ex qua profluit lentus umor, quem a loco hammoniacum nominamus. (48) Apud Cyrenenses praeterea sirpe gignitur odoratis radicibus, virgulto herbido magis quam arbusto; cuius e culmo exudat aestatis tempore pingue roscidum idque pascentium hircorum inhaeret barbulis; ubi cum arefactum inolevit guttis stiriacis, legitur ad usum mensarum vel medellae magis. (49) Dictum est primum lac sirpicum, quoniam manat in modum lacteum; deinde usu derivante laser nominatum. Quae germina initio barbaricae inpressionis2 vastatis agris, postea ob intolerandam vectigalis nimietatem ferme penitus ipsi accolae eruerunt. (50) Cyrenis ab laeva Africa est et a dextra Aegyptus, a fronte saevum et inportuosum mare, a tergo barbarorum variae nationes et solitudo inaccessa, quae basiliscum creat, malum in terris singulare. (51) Serpens est paene ad semipedem longitudinis, alba quasi mitrula lineatus
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Battus ci. Macé 1888, 516 et 1899, 187/195, quod probat Fernández Nieto 2001, 96. 2 impressiones codex editionis alterae „fortasse recte” Mommsen; Fernández Nieto 2001, 96.
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Künste selbst gesehen wurde. (44) Die Große Syrtis weist eine Stadt namens „Cyrene“ auf, °[IG] die der Lacedaemonier Battius in der 45. OlympiadeZ gründete, als König Marcius (s. o. SO I 23) über Rom herrschte, im 586. Jahr nach der Einnahme von TrojaZ. Dieser Wohnort war die Heimat des Dichters Callimachus.± (45) Zwischen dieser Stadt und dem Tempel von Hammon ist eine Entfernung von 400 MeilenM. Dem Tempel nahe ist eine dem Sol heilige Quelle, °[IG] die den Boden in Wasserknoten zieht und auch Asche zu Schollen verfestigt. In diesen Schollen kommt wunderbarerweise ein See hervor, auf jeder Seite von trockenen Feldern umgeben.± Stein, Pflanzen, Tier [PL 37,167] (46) An diesem Ort sammelt man einen Stein, der „(H)Ammons-Horn“ genannt wird, weil er so gedreht und gebogen ist, dass es dem Horn eines Widders (griech.: ammon) ähnelt.E Es hat ein goldenes Strahlen und man sagt, dass er prophetische Träume hervorbringt, wenn er unter das Haupt eines Schlafenden gelegt wird. [PL 12,107] (47) °[PL 12,107] Es gibt auch einen Baum namens „Melopos“, aus dem Feuchtigkeit träge hervor fließt und den wir nach dem Ort Hammoniacum nennen. [IG] (48) Bei den Cyrenenses (vgl. PL 5,33) wächst außerdem Sirpe, mit stark riechenden Wurzeln, eher wie die eines Unterholz-Krauts als eines Obstbaums; aus ihrem Stamm schwitzt in der Sommerzeit ein tau-feuchtes Fett, das an den Bärtchen der Geißböcke hängen bleibt (vgl. PL 12,73). Wenn es ausgetrocknet ist, verwandelt es sich in gefrorene Tropfen und wird für den Gebrauch bei Tisch oder noch mehr als Heilmittel gesammelt. (49) Es wurde zunächst „Lac Sirpium“ („sirpische Milch“) genannt, da es wie Milch strömt. Schließlich wurde es, der Gewohnheit folgend, „Laser“ genannt. Die Samen sind fast völlig ausgerottet worden, zuerst durch eine Invasion von Barbaren, die die Felder verwüsteten, dann durch die Einwohner selbst infolge eines untragbaren Übermaßes an Steuerlasten (vgl. PL 19,39). [PL 8,78-79] (50) °[IG] Für Cyrenae ist auf der linken Seite Africa und auf der rechten Aegyptus, an der Vorderseite das grausame und hafenlose Meer, im Rücken sind verschiedene Völkerschaften von Barbaren und unzugängliche Einöde,± die den Basiliscus, ein in allen Ländern einzigartiges Übel tragen. (51) Er ist eine Schlange, fast ½ FußM in der Länge; sein Kopf hat eine Linie wie mit
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caput, nec hominis tantum vel aliorum animantium exitiis datus, sed terrae quoque ipsius, quam polluit et exurit, ubicumque ferale sortitur receptaculum. Denique extinguit herbas, necat arbores, ipsas etiam corrumpit auras, ita ut in aere nulla alitum inpune transvolet infectum spiritu pestilenti. (52) Cum movetur, media corporis parte serpit, media arduus est et excelsus. Sibilum eius etiam serpentes perhorrescunt et cum acceperint, fugam quaeque quoquo potest properant. (53) Quicquid morsu eius occiderit non depascitur fera, non attrectat ales. Mustelis tamen vincitur, quas illic homines inferciunt cavernis in quibus delitescit. Vis tamen ne defuncto quidem deest. Denique basilisci reliquias amplo sestertio Pergameni conparaverunt {et}, ut aedem Apellis1 manu insignem nec araneae intexerent nec alites involarent {cadaver eius reticulo aureo suspensum ibidem locaverunt.} (54) Circa extimum Syrtium cornum Bernicen civitatem adluit Lethon amnis, inferna ut putant exundatione prorumpens et apud pristinos vates latice memoratus oblivionis. Hanc Berenice munivit quae Ptolemaeo tertio fuit nupta et in maiori Syrti locavit. (55) Omne autem latifundium quod inter Aegyptum Aethiopiam Libyamque diffunditur, quacumque lucis opacum est, varium implevit simiarum genus. Nec quisquam offensus nomine cognitionem gravetur. (56) Enimvero operae pretium est nihil omittere in quo naturae spectanda sit providentia. Plebes simiarum in his est quas passim videmus non sine ingenio aemulandi, quo facilius in manus veniunt; nam dum avide venantium gestus adfectant, relicta consulto visci unguilla, quod mendacio factum vident, oculos suos oblinunt: ita visu obducto pronum est eas corripi. (57) Exultant
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Ap(p)ellis vel Apollinis codd., Apollodori ci. Fernández Nieto 2001, 96.
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einem kleinen weißen Stirnband. Es gibt sich der Zerstörung nicht nur von Menschen und anderen Lebewesen, sondern auch vom Land selbst hin. Wo auch immer er seinen giftigen Rückzugsort zu errichten beschließt, wird das Land beschmutzt und verbrannt. Er löscht die Pflanzen aus, tötet die Bäume und verseucht sogar den Windhauch. So kommt es, dass kein Vogel unversehrt durch die Lüfte fliegen kann, der von seinem ungesunden Atem angesteckt ist. (52) Wenn er sich bewegt, kriecht er mit einer Hälfte seines Körpers voran und hebt die andere Hälfte hoch. Sogar Schlangen ziehen sich aus Schrecken vor seinem Zischen zurück; wenn sie es hören, fliehen sie eilig in jede nur mögliche Richtung. (53) °[IG] Alles, was durch seine Bisse stirbt, wird weder von wilden Tieren verschlungen noch von Vögeln berührt.± Dennoch wird er von Wieseln überwunden, die von den Menschen dort in die Höhlen gestopft werden, in denen er Schutz sucht. °[IG] Kraft fehlt ihm dennoch nicht einmal, wenn er tot ist. Tatsächlich erwarben die Pergameni für viel GeldM die Überreste eines Basilisken, {und} damit die Spinnen keine Netze im Heiligtum spinnen, das wegen der Arbeit von Apelles berühmt ist, und auch keine Vögel in es hinein fliegen {wurde der Kadaver darin in einem goldenen Netz aufgehängt und so aufbewahrt.}± Berenice [PL 5,31] (54) Am entferntesten Ende der Syrten fließt der Fluss Lethon in die Gemeinde Berenice. °[IG] Man glaubt, dass dieser Fluss aus einer unterirdischen Quelle herausströmt; er war bei den alten Dichtern wegen seines Wassers in Erinnerung, das nämlich Vergesslichkeit veranlasst.± Berenice, die mit dem dritten Ptolemaios verheiratet war, baute diese Großstadt an der Großen Syrtis (vgl. PL 6,168). Tiere [PL 8,215-216] (55) Die ganze Länderei, die sich zwischen Aegyptus, Aethiopia und Libya ausbreitet, ist – so weit sie bewaldet ist – mit verschiedenen Arten von Affen gefüllt. Ich hoffe, dass jemand, der an diesem Namen Anstoß nimmt, die nun folgenden Angaben nicht verübelt. (56) Tatsächlich nämlich liegt der Wert der Mühe darin, nichts auszulassen, in dem die Vorsehung der Natur gesehen werden kann: Unter diesen Affen gibt es eine gewöhnliche Art, die man überall sehen kann. Diese Affen haben das Talent der Nachahmung, durch das sie leichter zur Hand kommen. Sie imitieren eifrig die Gesten von Jägern, die absichtlich ein Salbengefäß mit Vogelleim zurücklassen. Weil die Affen gesehen haben, wie die Jäger den Akt vortäuschen, beschmieren auch sie ihre Augen damit, und mit ihrer so verdunkelten Sehkraft ist es ist leicht, sie zu fangen. (57) Sie
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nova luna, tristes sunt cornuto et cavo sidere. Inmoderate fetus amant, adeo ut catulos facilius amittant, quos impendio diligunt et ante se gestant, quoniam neglecti pone matrem semper haerent. (58) Cercopitheci caudas habent: haec sola discretio est inter prius dictas. Cynocephali et ipsi sunt e numero simiarum, in Aethiopiae partibus frequentissimi, violenti ad saltum, feri morsu, numquam ita mansueti, ut non sint magis rabidi. (59) Inter simias habentur et sphinges, villosae comis, mammis prominulis ac profundis, dociles ad feritatis oblivionem. (60) Sunt et quas vocant satyros, facie admodum grata, gesticulatis motibus inquietae. Callitriches toto paene aspectu a ceteris differunt: in facie barba est, lata cauda. Has capere non est arduum, sed proferre rarum; neque enim vivunt in altero quam in Aethiopico, hoc est suo caelo. (XXVIII 1) Inter Nassamonas et Trogodytas gens amantum1 est quae salibus domus extruunt; quos in modum cautium e montibus excitatos ad usum aedium caementiciis nectunt struicibus. Tanta ibi huiusce venae copia est, ut tecta faciant e salinis. (2) Isti sunt amantes, qui commercium cum Trogodytis habent carbunculi gemmae. Citra amantas propiores Nassamonibus Asbytae lasere vivunt. Hoc aluntur, hoc illis edule est. (XXIX 1) Garamantum oppidum est Debris fonte miro: quidni? Qui alternis vicibus die frigeat, nocte ferveat, ac per eadem venarum commercia interdum ignito vapore inaestuet, interdum glaciali algore inhorrescat. (2) Incredibile memoratu, ut tam brevi curriculo natura tam dissonam faciat varietatem idque qui percontari velit tenebris, inesse fluori illi aeternam facem credat; qui rimetur die, brumales scatebras numquam aliud aestimet quam perpetuo rigere. (3) Unde non inmerito per gentes Debris inclita est, cuius aquae
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ter suppl. Jacoby 1958, 329 (FGrHist 673 F 137b); Desanges 1980, 376-377 (ad Plin. 5,34); Fernández Nieto 2001, 96.
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bejubeln den neuen Mond und sind traurig, wenn das Gestirn gehörnt und hohl ist. Sie lieben ihre Jungen maßlos; tatsächlich können sie leichter die Jungen verlieren, die sie lieber haben und vor sich selbst tragen, da die vernachlässigten immer hinter den Müttern stecken. (58) °[PL 8,72] Die Cercopitheci (vgl. PL 8,215) haben Schwänze: Das ist der einzige Unterschied zwischen ihnen und den oben genannten Affen.± Die Cynocephali gehören selbst zur Zahl der Affen. Sie sind in Teilen von Aethiopia sehr häufig. Sie springen heftig, beißen wild um sich und werden so nie gezähmt. (59) Auch Sphinxe werden unter den Affen begriffen. Sie haben zottige Köpfe, ziemlich tiefe und herausstehende Brüste und sind dem Vergessen ihrer Wildheit zugänglich. (60) °[IG] Auch gibt es diejenigen, die man „Satyri“ nennt (vgl. PL 8,216), die in ihrer Erscheinung außerordentlich angenehm und mit Gesten und Bewegungen ruhelos sind.± Callitriches unterscheiden sich von anderen in fast jeder Hinsicht: Sie haben bärtige Gesichter und breite Schwänze. Es ist nicht schwierig, sie zu fangen, aber es gelingt selten, sie in Gefangenschaft zu halten, weil sie nirgendwo außer in Aethiopia am Leben bleiben, also nur unter ihrem Himmel.
Jenseits der Syrten Garamantes [PL 5,33-42] (XXVIII 1) Zwischen den Nassamones und den Trogodytae (s. u. SO XXXI 3) lebt der Stamm der Garamantes, die aus Salz Häuser bauen; diese errichten sie in der Art von Klippen, die aus Bergen ausgegraben sind und verbinden sie dann zur Nutzung als Gebäude mit Haufen aus Zement. So groß ist dort der Vorrat an diesem Bergwerksprodukt, dass sie ihre Dächer aus Salz machen. (2) Dies sind die Garamantes, die mit den Trogodytae Handel mit Carbunculi-Edelsteinen treiben. Diesseits der Garamantes leben näher bei den Nassamones die Asbytae von Laser (s. o. SO XXVII 49). Der ernährt sie; für sie ist er genießbar. (XXIX 1) Es gibt eine Stadt der Garamantes namens „Debris“, die eine wunderbare Quelle hat. Warum ist das so? Sie ist abwechselnd während des Tages kalt und während der Nacht heiß. Bald wütet sie mit glühendem Dampf, bald zittert sie vor eisiger Kälte durch dieselben Quellströme. (2) Es ist unglaublich zu bemerken, dass die Natur so widersprüchliche Vielfalt in einem so kurzen Verlauf verfertigen sollte. Wer im Schatten der Nacht nachforschen wollte, würde glauben, dass es ewige Hitze im Strom gibt; wer bei Tag Untersuchungen anstellen wollte, würde den winterlichen Quellfluss als nichts Anderes einschätzen als fortwährend eiskalt. (3) Deshalb wird Debris unter den Stämmen nicht ohne Verdienst gefeiert. Die Qualität ihres Wassers ändert
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caelesti* vertigine mutant qualitatem, quamvis contraversa siderum disciplina; nam cum mundum a calore vesper temperet, ab occasu incipit ita incalescere, ut ni tactu abstineas, noxium sit contigisse, (4) rursum cum ortu solis incanduerit et radiis fervefacta sunt universa, sic hiemales evomit scaturrigines, ut hauriri etiam a sitientibus non queat. Quis ergo non stupeat fontem qui friget calore, calet frigore? (5) Garamanticae regionis caput Garama est, ad quam iter diu inextricabile fuit et invium; nam latrones puteos harenis operiebant, ut temporaria fraude subductis aquis iter infame siti submoveret accessus viantium. (6) Sed Vespasiano principe bello, quod cum Oeensibus gestum est, difficultas haec dissoluta est, conpendio spatii brevioris reperto. (7) Garamantas Cornelius Balbus subegit et primus ex hac victoria triumphavit; primus sane de externis utpote Gadibus genitus accessit ad gloriam nominis triumphalis. (8) Armenta gentis istius obliquis cervicibus pabulantur; nam si recta ad pastus ora dirigant, officiunt prona ad humum cornua. Ex parte qua Cercina est accipimus Gauloen insulam, in qua serpens neque nascitur neque vivit invecta; praeterea iactus ex ea quocumque gentium pulvis arcet angues: scorpiones superiactus ilico perimit. (XXX 1) Aethiopes et gentes Atlanticae Nigri flumine dividuntur, quem partem putant Nili; sic papyro viret, sic calamo praetexitur, animalia eadem edit, iisdem temporibus exundat,
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sich gemäß himmlischer Bewegungen, freilich gegen die Systematik der Gestirne:S Wenn der Abend die Hitze der Welt bei Sonnenuntergang mildert, beginnt die Quelle zu heizen, und es kann schädlich sein, sie zu berühren, wenn man sich nicht enthalten kann, dies zu tun. (4) Mit dem Sonnenaufgang wiederum, wenn alles gewärmt und mit ihren Strahlen erhitzt wird, speit die Quelle winterliches Wasser aus, so dass die Menschen nicht aus ihr trinken können, selbst wenn sie Durst haben. Wer würde sich nicht über eine Quelle wundern, die durch die Hitze kalt und durch Kälte erhitzt wird? (5) Die Hauptstadt des garamantischen Gebiets ist Garama. Der Weg zu ihr war lange Zeit gewunden und unbegehbar, weil Räuber die Brunnen mit Sand vergruben, so dass, weil das Wasser durch die vorübergehende Täuschung entfernt war, der Weg als Durststrecke berüchtigt werden und die Ankunft von Reisenden ausschließen sollte. (6) Aber während des im Principat des Vespasian gegen die Oeenses geführten Krieges wurde diese Schwierigkeit durch die günstige Entdeckung einer kürzeren Distanz überwunden. (7) Die Garamantes unterwarf Cornelius Balbus und führte den ersten Triumph mit diesem Sieg durch. Tatsächlich war er der erste Fremde – insofern er in Gades geboren war –, der den Ruhm eines Triumphs erreichte. (8) °[ME 1,45] Das Vieh des Garamantes weidet mit gebogenen Hälsen, denn wenn sie ihre Gesichter gerade zur Weide lenken, behindern ihre Hörner ihren Gang über den Boden.± Insel Gauloe [PL 5,42] Wir hören, dass in der Nachbarschaft von Cercina eine Insel namens „Gauloe“ ist, wo Schlangen weder geboren werden noch am Leben bleiben, wenn sie dorthin gebracht werden. Außerdem wehrt der Staub von dort bei jedem beliebigen Stamm Schlangen ab, wenn er ausgestreut wird. Über Skorpione geworfen, tötet er sie auf der Stelle.
Aethiopia
BINNENLAND LIBYAS
Einführung [PL 5,44] (XXX 1) °[PL 5,30 und 53] Aethiopes und die atlantischen Stämme werden durch den Nigris-Fluss getrennt,± den man für einen Teil des Nil hält (vgl. PL 5,52); so grün ist er von Papyrus und so mit Röhricht gerahmt; er bringt auch dieselben Tiere und Überschwemmungen in denselben Jahreszeiten hervor. Er
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intra ripas quoque tunc redit cum contentus est alveo suo Nilus. (2) Garamantici Aethiopes matrimonia privatim nesciunt, sed omnibus in venerem vulgo licet. Inde est quod filios matres tantum recognoscunt: nam paterni nominis nulla reverentia est. (3) Quis enim verum patrem noverit in hac luxuria incesti lascivientis? Eapropter Garamantici Aethiopes inter omnes populos degeneres habentur, nec inmerito, quia adflicta disciplina castitatis successionis notitiam ritu improbo perdiderunt. (4) Nomen Aethiopum late patet. In parte Africana qua Meroën videt Libya plurimae eorum sunt et variae nationes. Harum e numero Nomades cynocephalorum lacte vivunt. Serbotae longi sunt ad pedes duodecim. Azachaei captos venatibus elephantos devorant. (5) Psambaris nulla est aurita quadrupes, nec elephanti quidem. His proximi summam regiae potestatis cani tradunt, de cuius motibus quidnam inperitet augurantur. (6) Maritimos Aethiopas quaternos oculos dicunt habere; sed fides alia est, illa denique quod et vident plurimum et manifestissime destinant iactus sagittarum. Occidentem versus Agriophagi tenent, qui solas pantherarum et leonum carnes edunt, rege praediti, cuius in fronte oculus unus est. (7) Sunt et Pamphagi, quibus esca est quicquid mandi potest et omnia fortuitu gignentia. Sunt et Anthropophagi, quorum morem vocamen sonat. (8) Cynomolgos aiunt habere caninos rictus et prominula ora. Artabatitae proni atque quadrupedes, nec secus ac ferae sine sedibus evagantur. Confines Mauretaniae certo tempore locustas terrestres legunt duratasque salsugine in praesidium vitae solas habent; sed ex illis quadragesimum aevi annum nullus supergreditur.
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kehrt auch in seine Ufer zurück, wenn der Nil in seinem eigenen Flussbett gehalten wird. Garamantische Aethiopes [PL 5,45+] (2) Die Garamantischen (s. o. SO XXVIII 1 – XXIX 8) Aethiopes kennen private Ehen nicht, sondern erlauben jeder und jedem, sich zu begatten. Daher kommt es, dass nur Mütter ihre Söhne erkennen; es gibt keine Achtung für den Vatersnamen. (3) Wer nämlich könnte seinen Vater in dieser wild gewordenen Extravaganz der Unreinheit kennen? Die Garamantischen Aethiopes werden deshalb bei allen Völkern als degeneriert angesehen. Das ist nicht unverdient, weil sie die Systematik der Keuschheit zerrüttet und die Kenntnis der Abstammung durch ihren schamlosen Ritus zerstört haben. Weitere Aethiopes bis Meroë [PL 6,190-196] (4) Der Name der Aethiopes dehnt sich weit aus. In dem Teil Africas, in dem Libya nach Meroë blickt, gibt es viele verschiedene Völkerschaften von ihnen: Unter ihrer Zahl sind die Nomades, die von der Milch der Cynocephali leben. Die Serbotae sind an die 12 FußM lang. Die Azachaei essen mittels Jagd gefangene Elefanten. (5) Die Psambarae haben in ihrem Territorium keine ohrigen Vierfüßler, nicht einmal Elefanten. Ihre nächsten Nachbarn übertragen die höchste königliche Macht einem Hund; anhand seiner Bewegungen erraten sie seine Befehle. (6) Die Meeres-Aethiopes sollen vier Augen haben, aber die Wahrheit ist anders; tatsächlich sagt man das, weil sie ausgezeichnet gut sehen und ihre Pfeile sehr genau richten. Das Gebiet nach Westen halten die Agriophagi (griech.: „Wildtieresser“), die nur das Fleisch von Panthern und Löwen essen. Sie haben einen König, der nur ein Auge an seiner Stirn hat. (7) Es gibt auch die Pamphagi (griech.: „Allesesser“), die alles essen, was kaubar ist, und alles, was irgendwie geboren ist. Es gibt auch die Anthropophagi (vgl. SO XV 4), deren Brauch ihr Name ausdrückt.E (8) Die Cynomolgi (griech.: „Hundemelker“) sollen Hundekiefer und herausragende Schnauzen haben. Die Artabatitae gehen hingestreckt wie vierfüßige Tiere und streifen ohne Heimat wie wilde Tiere umher. Die Leute, die an Mauretania grenzen, sammeln Landheuschrecken zu einer festen Jahreszeit und härten sie im Salzwasser; dann nutzen sie sie als einziges Lebensmittel. Aber von diesen wird niemand älter als 40 Jahre.
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(9) Ab Oceano isto ad Meroën, quam insulam amplexu primo Nilus facit, milia passuum sunt sexcenta viginti. Ultra Meroën super exortum solis Macrobii Aethiopes vocantur; dimidio enim eorum protentior est quam nostra vita. (10) Hi Macrobii iustitiam colunt, amant aequitatem, plurimum valent robore, praecipua decent pulchritudine, ornantur aere, auro vincula faciunt noxiorum. Locus apud eos est Heliutrapeza opiparis epulis semper refertus, quibus indiscretim omnes vescuntur; nam etiam divinitus eas augeri ferunt. (11) Est etiam ibidem lacus, quo perfusa corpora velut oleo nitescunt. Ex hoc lacu potus saluberrimus. sane adeo liquidus est, ut ne caducas quidem vehat frondes, sed ilico folia lapsa ad fundum demittat laticis tenuitate. (12) Ultra hos desertae et inhumanae solitudines ad usque Arabicos sinus. Deinde in ultimis Orientis monstruosae gentium facies. Aliae sine naribus, aequali totius oris planitie, informes habent vultus. (13) Aliis concreta ora sunt modicoque tantum foramine calamis avenarum pastus hauriunt. Nonnullae linguis carent, in vicem sermonis utentes nutibus motibusque. (14) Quaedam ex istis nationibus ante Ptolemaeum Lathyrum regem Aegypti incognitum habuerunt ignis usum. Aethiopia omnis ab oriente hiberno ad occidentem hibernum tenet. Quicquid eius est sub meridiano cardine, lucis nitet, qui maxime virent hieme. A media parte mons editus mari inminet, ingenuo igni per aeternum fervidus et in quiete iugis flagrantibus;
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(9) Von diesem Ozean bis Meroë – °[ME 3,87] diese Insel bildet der Nil mit seiner ersten Umarmung± – sind es 620 MeilenM. Aethiopes jenseits von Meroë [ME 3,87-91] Jenseits von Meroë über dem Sonnenaufgang wohnen, wie man sagt, die Macrobischen Aethiopes. Ihre Leben währen anderthalbmal so lang wie unsere.E (10) Diese Macrobii (vgl. SO XI 34) pflegen Gerechtigkeit, lieben Gleichheit, sind besonders gesund und kräftig, von herausragender Schönheit, schmücken sich mit Erz, aber nutzen Fesseln aus Gold für ihre Verbrecher. Einen Ort gibt es bei ihnen namens „Heliustrapeza“, der stets mit üppigen Tellern beladen ist, von denen jeder unterschiedslos essen kann. Sie denken, dass sie so göttlich erhöht werden. (11) An diesem Ort gibt es auch einen See, durch den die Körper von Leuten nach dem Bad wie von Olivenöl glänzen. Aus diesem See ist ein Trunk sehr gesund. Es ist so dünnflüssig, dass darauf gefallenes Laub nicht schwimmt; sobald darauf Blätter fallen, sinken sie wegen der Dünnheit des Wassers zu Boden. Monströse Stämme [ME 3,90-91] (12) Jenseits von ihnen sind wüste und unmenschliche Einöden bis hin zum arabischen Golf. °[IG] Danach sind im fernsten Orient Stämme von monströsem Äußeren: Einige haben Gesichter ohne Nasen, sind von einer gleichförmigen Flachheit und haben deshalb abscheuliche Gesichtsausdrücke.± (13) Andere haben verschlossene Münder und können Nahrung nur mittels Haferröhrchen in die kleinen Löcher ziehen. Einige von ihnen haben keine Zungen und verwenden Nicken und Gesten anstatt von Reden. (14) Manche von diesen Völkerschaften hatten vor der Zeit des aegyptischen Königs Ptolemaeus Lathyrus keine Kenntnis vom Gebrauch des Feuers. [PL 6,197] Aethiopia hat alles vom Südosten bis nach Südwesten inne. Was auch immer unter der südlichen Achse liegt, blüht mit Hainen, die im Winter am meisten grünen. Vom mittleren Teil überragt ein hoher Berg das Meer; er leuchtet ruhig an seinem Gipfel und glüht ewig mit seinem eigenen Feuer.
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(15) inter quae incendia iugis aestus draconum magna copia est. Veris draconibus ora parva et ad morsus non dehiscentia et artae fistulae, per quas trahant spiritus et linguas exerant; quippe non in dentibus vim, sed in caudis habent et verbere potius quam rictu nocent. (16) Exciditur e cerebris draconum dracontias lapis, sed lapis non est nisi detrahatur viventibus; nam si obeat prius serpens, cum anima simul evanescit duritie soluta. Usu eius Orientis reges praecipue gloriantur, quamquam nullum lenocinium artis admittat soliditate et quicquid in eo nobile est, non manus faciant nec alterius quam naturae candor sit quo reluceat. (17) Auctor Sotacus gemmam hanc etiam visam sibi scribit et quibus intercipiatur modis edocet. Praestantissimi audacia viri explorant anguium foveas et receptus; inde praestolati ad pastum exeuntes praetervectique percitis cursibus, obiciunt gramina medicata quantum potest ad incitandum soporem; (18) ita somno sopitis capita desecant et de manubiis praecipitis ausi praedam revehunt temeritatis. (19) Quae locorum Aethiopes tenent feris plena sunt, e quibus quam nabun vocant nos camelopardalim dicimus, collo equi similem, pedibus bubulis, capite camelino, nitore rutilo, albis maculis superspersa. (20) Animal hoc Romae circensibus dictatoris Caesaris primum publicatum. Iisdem ferme temporibus illinc exhibita monstra sunt, cephos appellant, quorum posteriores pedes crure et vestigio humanos artus mentiuntur, priores hominum manus referunt; sed a nostris non amplius quam semel visa sunt. (21) Ante ludos Cn. Pompeii rhinocerotem Romana spectacula nesciebant; cui bestiae color
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Drachen und Drachensteine [IG] (15) Inmitten dieser dauernden Brände gibt es einen großen Überfluss an Drachen (Schlangen). Wahre Drachen haben kleine Mäuler, die beim Biss nicht ganz geöffnet werden. Sie haben schmale Rohre, durch die sie Atemluft einziehen und ihre Zungen ausstoßen. Freilich haben sie ihre Kraft nicht in ihren Zähnen, sondern in ihren Schwänzen, und sie fügen Schaden eher durch Schläge als durch Bisse zu. [PL 37,158] (16) Der Stein Dracontias wird aus den Hirnen der Drachen (Schlangen) herausgeschnitten. Er kann aber nur aus einem lebendigen Tier herausgezogen werden. Wenn nämlich die Schlange vorher stirbt, löst sich die Härte auf und verschwindet mit ihrem Leben. Die Könige des Orients erfreuen sich besonders seines Gebrauchs, obwohl er infolge seiner Härte keine Kuppelei durch Kunstgriffe erlaubt. Was auch immer an ihm edel ist, wird nicht von Menschenhand gemacht, und er scheint in keiner anderen Farbe als mit seinem natürlichen Weiß. (17) Sotacus ist der Gewährsmann dafür, dass er sogar diesen Edelstein gesehen hat, und unterrichtet, auf welche Weise man ihn stehlen kann: Die tapfersten Männer machen die Gruben und Rückzugsräume der Schlangen ausfindig. Dann stehen sie bereit, wenn sie zum Fressen herauskommen. Sie laufen an ihnen vorbei, so schnell sie können, und werfen ihnen Pflanzen vor, die in Dinge eingetaucht sind, die am stärksten Schläfrigkeit hervorrufen. (18) Die Drachen (Schlangen) werden dann durch den Schlaf bewusstlos und die Männer trennen ihre Köpfe ab. Von ihrer Beute bringen sie so die Belohnungen für ihren Wagemut zurück. Tiere (19) Die von den Aethiopes innegehabten Gebiete sind voll wilder Tiere: [PL 8,69-71] Eines von ihnen nennen sie „Nabun“, wir „Camelopardalis“ (Giraffe). Es hat einen Hals wie ein Pferd, Füße wie Vieh und einen Kopf wie ein Kamel. Es glänzt mit einer rötlichen Farbe und ist oben mit weißen Punkten gesprenkelt. (20) Dieses Tier wurde in Rom erstmals bei den Circus-Spielen des Diktators Caesar gezeigt. Zu fast derselben Zeit wurden dort Ungeheuer namens „Cephi“ ausgestellt; ihre Hinterfüße vom Knöchel bis zur Sohle ähneln menschlichen Gliedern, und ihre Vorderfüße erinnern an die Hände von Menschen. Aber man sah sie nicht öfter als einmal. (21) Vor den Spielen des Gnaeus Pompeius kannten die römischen Schaustücke das Rhinoceros (Nashorn) nicht. Die Farbe dieses Untieres ist der des
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buxeus, in naribus cornu unicum et repandum, quod subinde attritum cautibus in mucronem excitat eoque adversus elephantos proeliatur, par ipsis longitudine, brevior cruribus, naturaliter alvum petens, quam solam intellegit ictibus suis perviam. (22) Iuxta Nigrim fluvium catoblepas nascitur modica atque iners bestia, caput praegrave aegre ferens, aspectu pestilenti; nam qui in oculos eius offenderint, protinus vitam exuunt. (23) Formicae ibi ad formam canis maximi harenas aureas pedibus eruunt, quos leoninos habent; quas custodiunt, ne quis auferat, captantesque ad necem persequuntur. (24) Eadem Aethiopia mittit lycaonem: lupus est cervice iubatus et tot modis varius, ut nullum colorem illi dicant abesse. (25) Mittit et parandrum, boum magnitudine, bisulco vestigio, ramosis cornibus, capite cervino, ursi colore et pariter villo profundo. Hunc parandrum adfirmant habitum metu vertere et cum delitescat fieri adsimilem cuicumque rei proximaverit, sive illa saxo alba sit, seu frutecto virens, sive quem alium modum praeferat. (26) Faciunt hoc idem in mari polypi, in terra chamaeleontes; sed et polypus et chamaeleon glabra sunt, ut pronius sit cutis laevitate proximantia aemulari; in hoc novum est ac singulare hirsutiam pili colorum vices facere. Hinc evenit ut difficulter capi possit. (27) Aethiopicis lupis proprium est, quod in saliendo ita nisus habent alitis, ut non magis proficiant cursu quam meatu; homines tamen numquam impetunt. Bruma comati sunt, aestate nudi: thoas vocant. (28) Hystrix quoque inde loci frequentissima, erinacii similis, spinis tergum hispida, quas plerumque laxatas iaculatione emittit voluntaria, ut assiduis aculeorum nimbis canes vulneret ingruentes.
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Buchsbaums ähnlich. An seiner Nase ist ein einziges rückwärts gewandtes Horn, das es durch wiederholtes Schleifen auf Steinen zu einer Spitze schärft. Es verwendet es, um mit Elefanten zu kämpfen, denen es in der Länge bei kürzeren Beinen gleicht. Das Nashorn findet instinktiv den Bauch des Elefanten, von dem es weiß, dass dieser der einzige von seinen Schlägen durchdringbare Körperteil ist. [PL 8,77] (22) Neben dem Nigris-Fluss wird der Catoblepas hervorgebracht. Es ist ein träges Untier mäßiger Größe und trägt seinen ihm lästigen Kopf mit Schwierigkeit. Es hat einen zerstörenden Blick, denn jeder, der seinen Augen begegnet, stirbt sofort. [IG] (23) Die Ameisen sind dort wie riesige Hunde gestaltet und graben den goldenen Sand mit ihren Füßen um, die denen von Löwen ähneln. Sie sichern ihn, damit ihn niemand stiehlt, und verfolgen Diebe bis zum Tod. [PL 8,122-125] (24) Es bringt auch den Lycaon hervor. Es ist ein Wolf mit einer Mähne an seinem Hals von so vielen Farben, dass man sagt, keine Farbe fehle. (25) Aethiopia bringt auch den Parandrus hervor, der die Größe eines Ochsen hat. Er hat gespaltene Hufe, sich verzweigende Hörner und einen hirschartigen Kopf. Er hat die Farbe eines Bären, und ebenso zottiges Haar. Dieser Parandrus – so wird behauptet – ändert seine Erscheinung, wenn er erschrickt; wenn er Deckung nimmt, wird er dem ähnlich, was in seiner Nähe ist, sei es weiß wie ein Stein, grün wie ein Dickicht oder was immer er sonst bevorzugt. (26) Polypen (Tintenfische) machen im Meer und Chamaeleons auf dem Land dasselbe (vgl. PL 9,87), aber sowohl der Polyp als auch das Chamaeleon sind unbehaart; es ist für sie wegen der Glätte ihrer Haut leichter, zu imitieren, was nah ist. Es also ist etwas Außergewöhnliches und Bemerkenswertes, dass das raue Fell Änderungen in der Farbe verursacht. Deshalb sind sie schwierig zu fangen. (27) Es ist für die aethiopischen Wölfe charakteristisch, dass sie, wenn sie springen, den nach oben gerichteten Stoß eines Vogels haben; sie sind beim Laufen weniger leistungsfähig als beim Springen. Dennoch greifen sie nie Menschen an. Sie sind im Winter langhaarig und im Sommer kahl; man nennt sie „Thoae“. (28) Auch die Hystrix (Stachelschwein) ist in diesem Ort sehr üblich; sie ist dem Igel ähnlich. Ihr Rücken ist mit Stacheln borstig, die sie oft mit einem willentlichen Stoß ausschießt: so kann sie angreifende Hunde mit ununterbrochenen Schauern von Stacheln verwunden.
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(29) Illius caeli ales est pegasus, sed haec ales equinum nihil praeter aures habet. Tragopan quoque avis maior aquilis, cornibus arietinis praeferens armatum caput. (30)1 Aethiopes legunt cinnamum. Id frutectum situ brevi nascitur, ramo humili et represso, numquam ultra duas ulnas altitudinis; quod gracilius provenerit eximium magis ducitur; quod in crassitudinem extuberatur despectui est. (31) Verum legitur per sacerdotes hostiis prius caesis; quae cum litaverint, observatur ut messis nec ortum solis anticipet nec egrediatur occasum. Quisquis principatum tenet, sarmentorum acervos hasta dividit, quae sacrata est in hoc ministerium; atque ita portio manipulorum soli dicatur: quae si iuste divisa est, sponte incenditur. (32) Inter haec quae diximus nitore caerulo hyacinthus invenitur, lapis pretiosus, si quidem inculpabilis reperiatur; est enim vitiis non parce obnoxius; nam plerumque aut violaceo diluitur aut nubilo obducitur aut albicantius in aquaticum eliquescit; optimus in illo tenor, si nec densiore fuco sit obtunsior nec propensa perspicuitate detectior, sed ex utroque temperamento lucis et purpurae fucatum suaviter florem trahat. (33) Hic est qui sentit auras et cum caelo facit; nec aequaliter rutilat, cum aut nubilosus est aut serenus dies. Praeterea in os missus magis friget. Scalpturis certe minime adcommodatus, ut qui tritum respuat, nec tamen penitus invictus; nam adamante scribitur et notatur. (34) Ubi hyacinthus, ibi et chrysoprasus apparet; quem lapidem lux celat, produnt tenebrae. Haec enim est in illo diversitas, ut nocte igneus sit, die pallidus. Ex ipso solo sumimus haematitem rubore sanguineo ac propterea haematitem vocatum.
———————————— 1 XXX 30-31 repetunt similiter codices editionis alterae XXXIII 10 (ad Arabos).
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[PL 10,136] (29) Der Pegasus ist ein Vogel jenes Himmels, aber dieser Pegasus hat nichts Pferdeartiges, ausgenommen seine Ohren. Der Tragopan ist ein anderer Vogel, größer als ein Adler, er trägt widderartige Hörner; sein Kopf ist gewappnet. Pflanzen [PL 12,89-91] (30) °[PL 12,86] Die Aethiopes sammeln Zimt.± Dieser Busch wächst aus einem kurzen Stiel mit kleinen und verkümmerten Zweigen und ist nie mehr als 2 KlafterM hoch. Diejenigen, die dünner wachsen, werden als größere Besonderheit betrachtet, während diejenigen, die dicker wachsen, verachtet werden. (31) Er wird von Priestern gesammelt, die vorher Opfer schlachten. Wenn vorteilhafte Vorzeichen gegeben werden, achten sie sorgfältig darauf, dass ihre Ernte weder den Sonnenaufgang vorwegnimmt noch über den Sonnenuntergang hinausgeht. Wer auch immer den ersten Rang unter den Priestern innehat, teilt die Masse von Zweigen mit einem Speer, der zu diesem Zweck geweiht worden ist. Ein Teil der Bündel wird so der Sonne gewidmet, und wenn es richtig geteilt worden ist, entzündet es sich spontan. Steine [PL 37,125-126] (32) Unter den Dingen, die wir besprochen haben, ist der Hyacinthus, der eine leuchtende himmelblaue Farbe hat, zu finden. Er ist ein wertvoller Stein, wenn man ihn ohne Makel entdeckt, denn er neigt nicht wenig zu Mängeln. Er wird oft entweder durch eine violette Farbe gemindert, mit Wolken bedeckt oder aber zu einer weißen Wässrigkeit aufgeweicht. Der beste Typus wird nicht durch eine zu feste Farbe abgestumpft und auch nicht mit einer eifrigen Durchsichtigkeit zu hell, sondern zieht seine Blüte von beiden, die im richtigen Verhältnis von hell und purpurrot gefärbt sind. (33) °[IG] Dieser Stein nimmt die Winde und Änderungen mit dem Himmel wahr: Er ist nicht immer gleich hell, je nachdem ob der Tag bewölkt oder klar ist. Außerdem ist der Stein kälter, wenn man ihn in den Mund legt. Er ist völlig ungeeignet für das Schleifen, weil er sich jedem Polieren verweigert. Und doch ist er nicht ganz unbesiegbar; man kann ihn mit einem Diamanten kratzen und einritzen.± °[PL 37,156] (34) Wo Hyacinthus erscheint, da auch Chrysoprasus. Licht verbirgt diesen Stein und Schatten offenbaren ihn, weil seine Besonderheit darin steckt: Er glüht bei Nacht und ist bei Tage blass.± °[PL 36,144] Aus demselben Boden nehmen wir Haematites, der eine blutrote Röte hat und deshalb „Haematites“ (griech. haima: „Blut“) genannt wird.E±
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(XXXI 1) Quod ab Atlante usque Canopitanum ostium panditur, ubi Libyae finis est et Aegyptium limen, dictum a Canopo Menelai gubernatore sepulto in ea insula quae ostium Nili facit, gentes tenent dissonae, quae in aviae solitudinis secretum recesserunt. (2) Ex his Atlantes ab humano ritu prorsus exulant. Nulli proprium vocabulum, nulli speciale nomen. Diris solis ortus excipiunt, diris occasus prosequuntur ustique undique torrentis plagae sidere oderunt deum lucis. Adfirmant eos somnia non videre et abstinere penitus ab animalibus universis. (3) Trogodytae specus excavant, illis teguntur. Nullus ibi habendi amor: a divitiis paupertate se abdicaverunt voluntaria. Tantum lapide uno gloriantur, quem hexecontalithon nominamus, tam diversis notis sparsum, ut sexaginta gemmarum colores in parvo orbiculo eius deprehendantur. Homines isti carnibus vivunt serpentium ignarique sermonis stridunt potius quam loquuntur. (4) Augilae vero solos colunt inferos. Feminas suas primis noctibus nuptiarum adulteriis cogunt patere, mox ad perpetuam pudicitiam legibus stringunt severissimis. (5) Gamphasantes abstinent proeliis, fugiunt commercia, nulli se extero misceri sinunt. Blemyas {, sed non eos qui vicina Rubro mari incolunt,} credunt truncos nasci parte qua caput est, os tamen et oculos habere in pectore. Satyri de hominibus nihil aliud praeferunt quam figuram. (6) Aegipanes hoc sunt quod pingi videmus. Himantopodes fluxis nisibus crurum serpunt potius quam incedunt et pergendi usum lapsu magis destinant quam ingressu.
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Wüste zwischen Atlas und Canopus Name [PL 5,43] (XXXI 1) Was sich vom Atlas bis zur canopitanischen Mündung erstreckt, wo das Ende Libyas und die Schwelle von Aegyptus ist, °[PL 5,128] wird nach Canopus genannt, dem Steuermann des Menelaus, der auf der Insel begraben wurde, die den Mund des Nils ausmacht.± Stämme [PL 5,43-45] Verschiedene Stämme haben es inne, die sich in die Verborgenheit der wegelosen Einöde zurückgezogen haben: (2) Von ihnen leben die Atlantes in weiter Entfernung von menschlicher Sitte. Niemand hat eine besondere Bezeichnung und niemand einen besonderen Namen. Mit Flüchen begrüßen sie den Aufgang der Sonne, mit Flüchen verfolgen sie ihren Untergang; sie werden durch das Gestirn jener Himmelsregion versengt und hassen den Gott des Lichtes. Man versichert, dass sie keine Träume sehen °[IG] und dass sie sich von allen Lebewesen fern halten.± (3) Die Trogodytae heben Gruben aus und halten sich in ihnen bedeckt. °[IG] Sie haben keine Liebe zum Besitz und haben den Reichtümern zugunsten einer freiwilligen Armut abgesagt.± °[PL 37,167] Sie rühmen sich eines einzigen Edelsteins, den wir „Hexecontalithos“ (griech.: „Sechzig-Stein“) nennen. Er ist mit so unterschiedlichen Markierungen gefleckt, dass man die Farben von 60 Edelsteinen auf einem kleinen Kreis von ihm wahrnehmen kann.± Diese Männer leben vom Fleisch von Schlangen; sie sind der Sprache unkundig und kreischen eher als dass sie sprechen. (4) Die Augilae aber beten nur die Unterweltsgottheiten an. Sie zwingen ihre Frauen in der ersten Nacht nach der Hochzeit, sich offen für Ehebrüche bereitzuhalten, bald danach verpflichten sie sie aber zur ständigen Keuschheit mit den strengsten Gesetzen. (5) Die Gamphasantes halten sich vom Kämpfen fern und fliehen vom Handeltreiben; keinem von ihnen ist es erlaubt, sich mit Ausländern zu verbinden. Die Blemmyae {aber nicht diejenigen, die in der Nähe des Roten Meers leben} werden, wie man glaubt, an dem Körperteil, wo sonst der Kopf ist, kopflos geboren, haben aber einen Mund und Augen auf ihrer Brust. Satyrn ähneln Menschen in nichts Anderem als in der Gestalt. (6) Die Aegipanes (vgl. SO XXIV 10) sind die, von denen wir sehen, dass sie sich bemalen. Die Himantopodes kriechen mit schwachen Stößen ihrer Beine eher, als dass sie laufen, und rutschen eher, als dass sie gehen.
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Pharusi cum Herculi ad Hesperidas pergenti forent comites, itineris taedio hic resederunt. Hactenus Libya. (XXXII 1) Aegyptus a meridie introrsus recedit quoad praetendant Aethiopes a tergo. Inferiorem eius partem Nilus circumfluit, qui scissus a loco, cui Delta nomen est, ad insulae faciem spatia amplectitur interamna et incerto paene fonte decurrens proditur ut loquemur. (2) Originem habet a monte inferioris Mauretaniae, qui Oceano propinquat. Hoc adfirmant Punici libri; hoc Iubam regem accipimus tradidisse. Igitur protinus lacum efficit quem Nilidem dicunt. (3) Nilum autem iam inde esse coniciunt, quod hoc stagnum herbis piscibus beluis nihil minus procreet quam in Nilo videmus ac si quando Mauretania, unde origo eius est, aut nivibus densioribus aut imbribus largioribus inrigatur, incrementa exundationis in Aegypto augeantur. (4) Sed effusus hoc lacu harenis sorbetur et cuniculis caecis absconditur; (5) deinde in Caesariensi specu prorumpens ampliore eadem indicia praefert quae in exortu notavimus rursusque subsidit nec se prius reddit quam post intervalla itineris extenti contingat Aethiopas, ubi exit et Nigrim facit fluvium, quem supra diximus esse terminum limitis Africani. Astapum eum inde gentes vocant, scilicet aquam e tenebris profluentem. (6) Multas magnasque ambit insulas, quarum pleraeque sunt tam [diffusae et]*1 vastae magnitudinis, ut vix eas dierum quinque cursu praetermeet, quamvis concitus ibi feratur. (7) Nobilissima earum est Meroë, circum quam divisus dextero alveo Astosapes, laevo Astabores nominatur. Tunc quoque emensus magna longinqua, cum primum occurrentibus scopulis asperatur, tantis agminibus extollitur inter obiecta rupium, ut ruere potius
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diffusae et delendum ci. Mommsen, sed habent et Walter 1963, 138 et Fernández Nieto 2001, 96.
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Die Pharusi waren Begleiter des Hercules, als er zu den Hesperides (s. o. SO XXIV 3) ging, und ließen sich, des Reisens müde, hier nieder. [SO] Soweit Libya.
AEGYPTUS Lage [PL 5,48] (XXXII 1) Aegyptus zieht sich vom Süden her ins Binnenland zurück, bis die Aethiopes es an der Rückseite treffen. Nil: Quelle, Inseln, Mündungen [PL 5,51-54] Um seinen unteren Teil fließt der Nil herum, der sich an einer Stelle namens „Delta“ teilt, in Gestalt einer Insel den Zwischenraum umfasst und aus einer fast unbekannten Quelle entspringend strömt, wie wir besprechen werden. (2) Sein Ursprung liegt auf einem Berg im unteren Mauretania, der in der Nähe des Ozeans liegt. °[SO] Das bestätigen die Punischen Bücher;± wir haben vernommen, dass König Iuba dies überliefert habe. Schon bald bildet der Nil einen See, den man „Nilides“ nennt. (3) Dass der Nil dort beginnt, hat man erschlossen, weil dieser Sumpf dieselben Pflanzen, Fische und Tiere hervorbringt, die wir im Nil sehen, und wenn je Mauretania, wo sein Urpsrung ist, mit dickem Schnee oder reichlichem Regen bewässert wird, werden die Überschwemmungen in Aegyptus vergrößert. (4) Nachdem der Fluss sich aus diesem See ergossen hat, wird er von den Sanden gefesselt und in blinden unterirdischen Tunneln verborgen; (5) dann bricht er in einer Höhle in Caesariensis hervor, wobei er dieselben Eigenschaften zeigt, die wir zu seiner Quelle bemerkt haben, sinkt dann bald wieder ab und erhebt sich nicht, bevor er nicht nach weiteren Unterbrechungen seines Laufs die Aethiopes erreicht, wo er mündet und den Fluss Nigris bildet, der – wie wir oben (XXVII 5 und XXX 1) besprochen haben – die Grenze Africas bildet. „Astapus“ nennen ihn von da an die Stämme, weil nämlich das Wasser aus der Dunkelheit fließt. (6) Viele große Inseln umfasst er, von denen die meisten so °[SO] weit ausgedehnt± und von so gewaltiger Größe sind, dass man um sie kaum im Lauf von fünf Tage herumreisen kann, selbst wenn man schnell unterwegs war. (7) Die wohl bekannteste von diesen ist Meroë; der Strom, der sich um sie herum teilt, wird auf der rechten Seite „Astosapes“, auf der linken „Astabores“ genannt. Dann wird er, nachdem er große Weiten durchmessen hat, sobald ihm erstmals Felsen im Weg stehen, rau und durch so große Ströme durch ihm entgegen gesetzte Klippen getragen, dass man glaubt, er falle eher als dass er
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quam manare credatur; demumque a cataracte ultimo tutus est: (8) ita enim quaedam claustra eius Aegyptii nuncupant. Relicto tamen hoc pone se nomine, quod Giris vocatur, mox inoffensus meat. Septem ostiis conditur, in meridiem versus excipitur Aegyptio mari. (9) Gnari* siderum vel locorum varias de excessibus eius causas dederunt. Alii adfirmant etesias nubium densitatem illo cogere, unde amnis hic auspicatur, ipsumque fontem umore superno saginatum tantam inundationis habere substantiam, quantum pabuli ad liquorem nubila subministraverint. (10) Ferunt alii, quod ventorum flatibus repercussus, cum fluorem solitae velocitatis non queat promovere, aquis in arto luctantibus intumescat; et quo inpensius controversi spiritus repugnaverint, eo excelsius sublimari in altitudinis vertices repercussam celeritatem, quando nec solitus extenuet cursus alveum et stipato iam flumine venis originalibus torrentium pondera superveniant: ita concurrente violentia hinc urgentis elementi hinc resistentis, undis exultantibus molem colligi, quae excessus facit. (11) Nonnulli adfirmant fontem eius qui Phialus vocatur siderum motibus excitari extractumque radiis candentibus caelesti igne suspendi, non tamen sine certa legis disciplina, hoc est lunis coeptantibus; (12) verum omnem abscessus originem de sole concipi primosque fieri excessus tumoris, cum per cancrum sol vehatur; postmodum triginta eius partibus evolutis, ubi ingressus leonem ortus sirios excitavit, emissis omnibus cumulis totam fluctuationem erumpere. (13) Quod tempus sacerdotes natalem mundi iudicaverunt, id est inter XIII k. Aug. et XI. Deinde revocare exitus universos, cum in virginem transeat, penitusque intra ripas suas capere, cum libram sit ingressus. (14) Hoc etiam addunt pariter eum nocere, sive abundantius exaestuet sive parcius: cum exiguitas minimum adportet fecunditatis, propensior copia diuturno umore culturam moretur.
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fließe. Nach dem letzten Katarakt ist er sicher; (8) so nennen nämlich die Aegypti bestimmte Nilengen. °[SO] Dann lässt der Fluss den Namen hinter sich, der „Giris“ genannt wird,± °[PL 5,64] und läuft ununterbrochen vorwärts. Er wird in sieben Mündungen geteilt± °[PL 5,54] und nach Süden (!) gewandt vom Aegyptischen Meer aufgenommen.± Nilschwelle [PL 5,55-58] °[SO] (9) Diejenigen, die von Astronomie und Geographie Kenntnisse haben, führen verschiedene Gründe für die Überschwemmungen des Nil an:± Die einen versichern, dass die Etesien-WindeW einen Überfluss an Wolken an den Ort zwingen, wo der Fluss beginnt, und dass die Quelle selbst, durch die Feuchtigkeit angeschwollen, eine so große Überschwemmung hat, wie die Wolken sie mit Wasser ausgestattet haben. (10) Andere sagen, dass der Fluss, weil er vom Wehen der Winde zurückgestoßen wird und nicht mit seiner gewohnten Geschwindigkeit vorankommen kann, anschwillt, wo seine Wasser in den Engen ringen; je stärker die Gegenwinde – so sagt man – sich widersetzen, desto höher wird der eilende Fluss zurückgeschlagen und zum Scheitelpunkt der Flut erhöht. Das Gewicht des reißenden Stroms drängt vorwärts; er wird in sein ursprüngliches Bett zusammengedrängt, weshalb seine heftige Wucht auf diese Weise zusammenrauscht; von einer Seite drängen die Elemente hartnäckig, von der anderen kommen die widerständigen Wellen heraufgesprungen, so dass eine Barriere gebildet wird, die das Überlaufen verursacht. (11) Manche versichern, dass die Quelle des Flusses, der „Phialus“ genannt wird, durch die Bewegungen der Gestirne hervorgerufen, durch die leuchtenden Strahlen herausgezogen und vom himmlischen Feuer emporgehoben werde, das geschieht jedoch nicht ohne eine bestimmte gesetzmäßige Systematik, nämlich die Neumonde. (12) Der ganze Ursprung der Nilschwelle werde von der Sonne gemacht: die erste Erhebung der Schwelle, wenn die Sonne den KrebsS durchziehe; wenn später die 30 Teile des Krebses erschöpft worden seien, würden, wenn die Sonne ins Sternbild des Löwen kommt und den Sirius-SternS hervorruft, alle Wellen entladen und so breche durch die Freilassung aller Anschwellungen die ganze Flut aus. (13) °[IG] Diese Zeit haben die Priester als den Geburtstag der Welt beurteilt, also die Zeit zwischen dem 13. und dem 11. Tag vor den Kalenden des August (20. und 22. Juli)Z.± Dann werde die ganze Überschwemmung zurückgerufen, wenn die Sonne in das Sternbild der Jungfrau eintritt, und der Fluss werde ganz innerhalb seiner Ufer gefangen, wenn sie in das der WaageS eingeht. (14) Sie fügen auch folgendes hinzu: Die Flut schade ebenso, gleich ob sie reichlich oder sparsam wüte, da ein Mangel ein Minimum an Fruchtbarkeit bringe, der eifrigere Überfluss aber wegen seiner andauernden Feuchtigkeit den Ackerbau verzögere.
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(15) Maximos eius exitus cubitis duodeviginti consurgere, iustissimos sedecim temperari, nec in quindecim abesse proventus fructuarios, quicquid infra sit, famem facere. (16) Dant illi etiam hoc maiestatis, ut portendat futura, quandoquidem Pharsalico bello non fuerit egressus quinque ulnas. Iam illud palam est, quod solus ex amnibus nullas expiret auras. Dicionis Aegyptiae esse incipit a Syene, in qua fines Aethiopum, et inde usque dum mari intimatur, Nili nomen tenet. (17) Inter omnia quae Aegyptus habet digna memoratu praecipue bovem mirantur: Apim vocant. Hunc ad instar colunt numinis, insignem albae notae macula, quae dextero lateri eius ingenita corniculantis lunae refert faciem. (18) Statutum aevi spatium est, quod ut adfuit, profundo sacri fontis inmersus necatur, ne diem longius trahat quam licebit. Mox alter nec sine publico luctu requiritur, quem repertum centum antistites Memphim prosequuntur, ut incipiat ibi sacris initiatus sacer fieri. (19) Delubra quibus succedit aut incubat mystice thalamos nominant. Dat omina manifestantia de futuris: illud maximum, si de consulentis manu cibum capiat. Denique aversatus Germanici Caesaris dexteram prodidit ingruentia, nec multo post Caesar extinctus est. (20) Pueri Apim gregatim sequuntur et repente velut lymphatici ventura praecinunt. Bos illi ostenditur femina in anno semel, et ipsa non absque certis insignibus, quae atque inventa et oblata est, eadem die neci datur. (21) Apis natalem Memphi celebrant iactu paterae aureae, quam proiciunt in Nili statum gurgitem. Haec sollemnitas per septem dies agitur; quibus diebus cum sacerdotibus quasdam crocodili indutias habent nec attrectant lavantes. Verum octavo die caerimoniis iam peractis, velut reddita saeviendi licentia, solitam resumunt atrocitatem. (22) Crocodilus malum quadrupes et in terra et in flumine pariter valet; linguam non habet; maxillam movet superiorem.
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(15) Seine größten Anschwellungen stiegen auf 18 EllenM an, zu seinem ausgeglichensten Zustand sei er auf 16 gemildert; wenn er sich bis 15 erhebe, gebe es keinen Mangel an erfolgreichen Ernten, aber alles darunter verursache eine Hungersnot. (16) Jene weisen auch dem Nil die großartige Eigenart zu, die Zukunft vorauszusagen: Bei dem Krieg von Pharsalus habe er 5 KlafterM nicht überschritten. Außerdem ist offenbar, dass er als einziger von allen Flüssen keine Winde hervorruft. [PL 5,59] Im aegyptischen Bereich zu sein beginnt er von Syene an, wo die Grenzen der Aethiopes sind. Von dort hat er, bis er ins Meer mündet, den Namen „Nil“ (vgl. PL 5,53). Tiere [PL 8,184-186] (17) Unter allen Dingen, die Aegyptus hat und die erwähnenswert sind, ist vor allem ein Stier zu bewundern; sie nennen ihn Apis. Ihn verehren sie wie eine Gottheit; er ist durch einen weißen Punkt ausgezeichnet, der auf seiner rechten Seite angeboren ist und im Aussehen an einen gehörnten Mond erinnert. (18) Vorherbestimmt ist der Zeitraum seines Lebens, und wenn diese Zeit vergangen ist, wird er getötet, indem er in der Tiefe der heiligen Quelle ertränkt wird, damit er nicht länger als erlaubt lebt. Bald sucht man nicht ohne öffentliche Trauer einen neuen. Wenn dieser gefunden wird, folgen ihm 100 Priester nach Memphis, damit er, wenn er durch Riten initiiert worden ist, geheiligt werden kann. (19) Die Heiligtümer, in die er hineingeht oder in denen er schläft, nennen sie mystisch „Thalami“ (Brautkammern). Er gibt alle enthüllenden Vorzeichen über die Zukunft: Am meisten tut er dies, wenn er Nahrung aus den Händen derjenigen nimmt, die Rat suchen: Er wies die rechte Hand von Germanicus Caesar zurück und offenbarte so die Gefahr, in der jener war; nicht lange danach wurde Caesar getötet. (20) Knaben folgen dem Apis in Schwärmen und erzählen plötzlich wie im Wahnsinn von Dingen, die kommen werden. Einmal im Jahr wird dem Apis eine Kuh gezeigt. Auch sie selbst ist nicht ohne bestimmte Zeichen; sie wird gefunden, dargeboten und an demselben Tag getötet. (21) Den Geburtstag des Apis feiern die Memphiten mit dem Wurf einer goldenen Schüssel, die sie an einer bestimmten Stelle in den Nil schleudern. Diese Feierlichkeit wird sieben Tage lang ausgeführt; während dieser Zeit halten die Krokodile eine Art Waffenruhe mit den Priestern und berühren niemanden, der sich im Fluss wäscht. Am achten Tag jedoch, wenn die Zeremonien beendet werden, nehmen sie, als sei ihnen die Lizenz zur Wildheit zurückerstattet, ihre gewohnte Grausamkeit wieder auf. [PL 8,89-95] (22) Das Krokodil ist ein vierfüßiges Übel. Es gedeiht ebenso gut auf dem Land wie auch im Fluss. Es hat keine Zunge. Es bewegt seinen Oberkiefer.
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Morsus eius horribili tenacitate conveniunt, stipante se pectinatim serie dentium. Plerumque ad viginti ulnas magnitudinis evalescit. Qualia anseris edit ova. (23) Metatur locum nido naturali providentia nec alibi fetus premit quam quo crescentis Nili aquae non possint pervenire. In partu fovendo mas et femina vices servant. Praeter hiatum oris armatus est etiam unguium inmanitate. (24) Noctibus in aqua degit, per diem humi adquiescit. Circumdatur maxima cutis firmitate in tantum, ut ictus quovis tormento adactos tergo repercutiat. (25) Strophilos1 avis parvula est: ea reduvias escarum dum adfectat, os beluae huiusce paulatim scalpit et sensim scalpurrigine blandiente aditum sibi in usque fauces facit. Quod ichneumon {ðenhydrus} conspicatus {alterum ichneumonum genus}2 penetrat beluam populatisque vitalibus erosa exit alvo. (26) Est et delphinum genus in Nilo, quorum dorsa serratas habent cristas. Hi delphines crocodilos studio eliciunt ad natandum demersique astu fraudulento tenera ventrium subternatantes secant et interimunt. (27) Habitant in insula Nili homines forma perexigui, sed audacia usque eo pergit, ut crocodilis se offerant obvios: nam haec monstra fugientes insequuntur, formidant resistentes; ergo capiuntur, subactique etiam intra aquas suas serviunt et perdomiti metu ita obsequuntur, ut inmemores atrocitatis victores suos inequitantes dorso vehant. (28) Hanc ergo insulam et hanc gentem ubicumque indicio odoris persenserint, procul fugiunt. In aqua obtunsius vident, in terra acutissime. Hieme nullum cibum capiunt, quin etiam quattuor menses a coeptu brumae inedia exigunt. (29) Scinci quoque circa Nilum frequentissimi, crocodilis quidem similes, sed forma modica et angusta, verum ad opem salutarem non qualibet necessarii: medentes quippe ex ipsis pocula inficiunt, quibus extinguitur vis veneni. (30) Hippopotamus in eodem flumine ac solo nascitur, equino et dorso et iuba et hinnitu, rostro resimo, ungulis bifidis, aprugineis dentibus, cauda tortuosa. Noctibus segetes depascitur, ad quas pergit aversus astu doloso, ut fallente vestigio revertenti nullae ei insidiae praeparentur. (31) Idem cum
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Trophilos ci. Fernández Nieto 2001, 96 (collato Plinio, qui Trochilos habet). 2 ichneumon del. et enhydrus ... alterum ichneumonum genus add. codices editionis alterae.
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Seine Kiefer treffen sich mit einer schrecklichen Zähigkeit, und seine Zahnketten drücken sich zusammen wie Kämme. Meistens wächst es bis zu einer Größe von 20 KlafternM an. Es bringt Eier wie die einer Gans hervor. (23) Das Krokodil misst mit natürlichen Vorkenntnissen den Ort für sein Nest aus und bringt seine Jungen nicht andernorts hervor als dort, wohin die Nilgewässer nicht gelangen können. °[IG] Beim Kümmern um die Brut wechseln sich das männliche und das weibliche Tier ab.± Abgesehen vom klaffenden Maul ist das Krokodil gepanzert und hat auch gewaltige Klauen. (24) Während der Nächte verbringt es seine Zeit im Wasser, und bei Tag ruht es auf dem Land. °[IG] Es wird von einer Haut umfasst, die von so großer Kraft ist, dass sein Rücken von Katapulten geschleuderte Geschosse zurückschlägt.± (25) Der Strophilos ist ein kleiner Vogel. Indem er auf hängen gebliebene Nahrung zielt, kratzt er langsam das Maul dieses Untiers und verschafft sich so allmählich durch Kitzeln und Schmeicheln Zugang bis zu den Kiefern der Tiere. Wenn dies der Ichneumon {ðder Enhydrus, eine andere Art des Ichneumon}, bemerkt, dringt er in das Untier ein, verwüstet seine Eingeweide und geht durch den ausgefressenen Unterleib wieder hinaus. (26) Es gibt auch eine Art von Delphinen im Nil, deren Rücken gezackte Kämme aufweisen. Diese Delphine locken die Krokodile eifrig zum Schwimmen; untergetaucht schwimmen sie unter den Krokodilen mit betrügerischer Gerissenheit, trennen dann ihre zarten Bäuche auf und töten sie. (27) Auf einer Insel im Nil leben Menschen, sehr klein an Statur; ihr Wagemut aber geht so weit, dass sie sich selbst Krokodilen in ihrem Weg anbieten. Diese Ungeheuer verfolgen nämlich alle, die fliehen, und fürchten diejenigen, die sich ihnen entgegenstellen. So also werden sie gefangen und in ihren eigenen Wassern versklavt und, von ihrer Angst gezähmt, so anstellig, dass sie ihre Wildheit vergessen und ihre Besieger als Reiter auf dem Rücken tragen. (28) Wann auch immer sie also den Geruch dieser Insel oder dieses Stammes spüren, fliehen sie weit weg. Im Wasser sehen sie recht schwach, auf dem Land sehr scharf. Im Winter fangen sie keine Nahrung; sie leben vier Monate ohne Essen vom Beginn der Wintersonnenwende an. (29) Skinke sind um den Nil auch sehr häufig. Tatsächlich sind sie Krokodilen ähnlich, aber von kleinerer und schmalerer Gestalt, aber als Heilmittel nicht nur irgendwie notwendig: Ärzte gießen Getränke mit ihnen auf, womit sie die Kraft von Gift zerstören. (30) Der Hippopotamus (das Nilpferd) wird von demselben Fluss und demselben Boden ernährt. Er hat Rücken, Mähne und ein Wiehern wie Pferde, eine Stupsnase, Paarhufe, Stoßzähne und einen Ringelschwanz wie Wildschweine. In der Nacht frisst er die Getreidefelder leer, zu denen er mit schlauer Gerissenheit rückwärts geht, so dass auf dem Rückweg seine irreführende Fußspur sicherstellt, dass ihm keine Hinterhalte bereitet werden. (31) Wenn er mit
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distenditur nimia satietate, harundines recens caesas petit, per quas tamdiu obversatur, quoad stirpium acuta pedes vulnerent, ut profluvio sanguinis levetur sagina; plagam deinde caeno oblinit, usquedum vulnus conducatur in cicatricem. Hippopotamos et crocodilos primus Romae M. Scaurus invexit. (32) Circa easdem ripas ales est ibis. Ea serpentium populatur ova gratissimamque ex his escam nidis suis defert: sic rarescunt proventus fetuum noxiorum. (33) Nec tamen aves istae tantum intra fines Aegyptios prosunt; nam quaecumque Arabicae paludes pennatorum anguium mittunt examina, quorum tam citum virus est, ut morsum ante mors quam dolor insequatur, sagacitate qua ad hoc valent aves excitatae in procinctum eunt universae et prius quam terminos patrios externum malum vastet, in aere occursant catervis pestilentibus; ibi agmen devorant universum; quo merito sacrae sunt et inlaesae. Ore pariunt. Nigras solum Pelusium mittit, reliqua pars candidas. (34) De arboribus quas sola fert Aegyptus praecipua est ficus Aegyptia, foliis moro comparanda, poma non ramis tantum gestitans, sed et caudice: usque adeo fecunditati suae angusta est. Uno anno septies fructum sufficit: unde pomum decerpseris, alterum sine mora protuberat. (35) Materia eius in aquam missa subsidit; deinde cum diu desederit in liquore, levior facta sustollitur et versa vice, quod natura in alio ligni genere non recipit, fit umore sicca. (36) Palma quoque Aegyptia dicenda res est; proprie adipsos vocatur, ut dici oportet ea, quae gustata arcet sitim. Odor ei idem qui et malis Cydoniis. Sed demum sitim sedat, si prius quam maturuerit decerpatur; nam si matura sumatur, sensum intercipit, gressum praepedit, linguam retardat obsessisque officiis mentis et corporis ebrietatis facit vitium.
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übermäßiger Sättigung übervoll ist, sucht er kürzlich abgeschnittene Schilfrohre und geht so lange über sie hin und her, bis die scharfen Enden der Pflanzen seine Füße verwunden und seine Sattheit durch den Blutstrom erleichtert wird. Dann bepflastert er die Wunde mit Schlamm, bis die Wunden zu Narben verheilen. Marcus Scaurus war der erste, der Hippopotami und Krokodile nach Rom brachte. [ME 3,82] (32) °[IG] An denselben Ufern ist der Ibis-Vogel (vgl. PL 8,97). Er plündert die Eier von Schlangen und trägt die besten von ihnen als Nahrung zu seinen eigenen Nestern fort. So vermindern sie die Entstehung von schädlichen Bruten.± (33) Diese Vögel sind nicht nur innerhalb der aegyptischen Grenzen nützlich, denn auch alle Sümpfe Arabias senden Schwärme von geflügelten Schlangen hervor, deren Gift so schnell wirkt, dass nach einem Biss der Tod schneller folgt als der Schmerz. Von einem Scharfsinn, über den die Vögel dazu verfügen, aufgeweckt gehen sie gemeinsam zu jenem Bezirk und, bevor das fremde Übel die Grenzen ihres Landes erreicht, begegnen sie den Pest bringenden Horden in der Luft; dort verschlingen sie die ganze Schar. Aus diesem Grund hält man sie verdientermaßen für heilig und unverletzlich. °[IG] Mit ihrem Mund gebären sie (vgl. PL 10,32).± °[PL 10,87] Nur Pelusium bringt einen schwarzen Ibis hervor; alle anderen Orte gebären weiße.± Pflanzen [PL 13,56-57] (34) Bezüglich der Bäume, die nur in Aegyptus wachsen, ist die aegyptische Feige besonders bedeutend. In ihren Blättern ist sie mit der Maulbeere vergleichbar; ihre Frucht lässt sie nicht nur auf ihren Zweigen, sondern auch auf ihrem Stamm wachsen; bis auf ihre so große Fruchtbarkeit ist sie schmal. In einem Jahr trägt sie siebenmal Früchte. Dort, wo man eine Frucht abreißt, tritt ohne Verzögerung eine andere hervor. (35) Wenn ihr Holz ins Wasser geworfen wird, versinkt es; wenn es dann eine Zeitlang in der Flüssigkeit gelegen hat, wird es leichter und steigt auf. Umgekehrt wird es, was die Natur in einer anderen Art von Holz nicht zulässt, durch Feuchtigkeit ausgetrocknet. [PL 12,103] (36) Die aegyptische Palme muss auch besprochen werden. Sie wird speziell „Adipsos“ (griech.: „durstlos“) genannt, wie man sie auch nennen sollte, weil die Frucht, einmal gekostet, Durst abwehrt.E Ihr Aroma ist dasselbe wie das des cydonischen Apfels. Aber sie stillt nur Durst, wenn sie, bevor sie reif ist, gepflückt wird, denn wenn man die reife Frucht zu sich nimmt, stiehlt sie die Sinne, behindert die Füße und verzögert die Zunge: Sie nimmt Fähigkeiten des Geistes und des Körpers in Besitz und verursacht das Laster der Trunkenheit.
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(37) Aegyptium limitem, qua ad Diacecaumenen tendit, incolunt populi, qui momentum, quo reparari mundum ad motus ferunt annuos, hoc studio deprehendunt. Eligitur sacer lucus, in quo consaeptant animalia diversissimi generis. Ea, ubi ad statum modum caelestis perveniunt disciplina*, sensus suos significationibus produnt quibus possunt: (38) alia ululant, alia mugiunt, quaedam stridunt, quaedam rudiunt, nonnulla simul confugiunt ad volutabra. Hoc argumentum illis est magistrum ad indicium temporis deprehendendi. (39) Iidem populi ferunt a primis sibi gentis suae avis traditum, ubi nunc occasus est, quondam ibi ortus solis fuisse. (40) Inter Aegyptias urbes numero portarum Thebae nobiles, ad quas commercia Arabes Indique subvehunt: hinc regio Thebaica. (41) Aboedos et ipsa nobilis, olim Memnonis regia, nunc Osiris fano exculta. Alexandriam et operis ipsius magnitudo et auctor Macedo nobilitant; quam metatus Dinocrates architecton alterum a conditore in memoria locum detinet. {(42) Condita autem Alexandria est duodecima centesimaque olympiade, L. Papirio Sp. f. C. Poetelio C. f. consulibus Romanis, haud longe ab ostio fluminis Nili, quod Heracleoticon alii, alii Canopicon appellant.} (43) Est et Pharos, colonia a Caesare dictatore deducta, e qua facibus accensis nocturna dirigitur navigatio; nam Alexandria insidioso accessu aditur, fallacibus vadis, caeco mari, tribusque tantum canalibus admittit navigantes, Posideo Tegano Tauro. Hinc igitur in portibus machinas ad praelucendi ministerium fabricatas pharos dicunt. (44) Pyramides turres sunt fastigatae ultra excelsitatem omnem quae fieri manu possit; itaque mensuram umbrarum egressae nullas habent umbras. Nunc ab Aegypto provehamus stilum.
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Kultpraxis [IG] (37) Die Grenze der Aegypti, wo sie sich zur Diacecaumene erstreckt, bewohnen die Völker, die den Moment wahrnehmen, dass die Welt ihre jährlichen Bewegungen wieder beginnt (vgl. PL 2,107), und zwar durch die folgende Beobachtung: Ein heiliger Hain wird ausgewählt, in dem Tiere verschiedenster Arten eingezäunt werden. Wenn die himmlische Systematik den festgesetzten Modus erreicht, geben sie dort ihren Gefühlen mit all dem Ausdruck, was sie an äußerlichen Zeichen kennen (vgl. PL 2,107): (38) Manche heulen, manche brüllen, manche kreischen und manche schreien, einige fliehen gemeinsam zu den Wasserlöchern. Dieser Beleg ist für sie der Lehrmeister für die Wahrnehmung des Beginns der Zeit. (39) °[ME 1,59] Dieselben Völker überliefern, es sei ihnen von den ersten Vorfahren ihres Stamms weitergegeben worden, dass dort, wo jetzt der Sonnenuntergang ist, einst der Sonnenaufgang gewesen sei.± Städte [PL 5,60-62] (40) Unter den aegyptischen Großstädten sind Thebae wegen der Zahl der Tore berühmt; hierher bringen Arabes und Indi ihre Waren, von hier an ist das Thebaische Gebiet; (41) Aboedos ist auch selbst berühmt, einst wegen des Palasts des Memnon, jetzt wegen des Heiligtums des Osiris. Alexandria adeln die Größe des Werks und sein macedonischer Urheber; nachdem der Architekt Dinocrates es angelegt hatte, hält es einen anderen Ort von seinem Gründer im Gedächtnis. {(42) °[IG] Gegründet wurde Alexandria in der 112. OlympiadeZ, im römischen Consulat von Lucius Papirius, Sohn des Spurius, und Gaius Poetelius, Sohn des Gaius,Z± nicht weit von der Mündung des Nil, die manche die heracleotische, andere die canopische nennen.} (43) °[PL 5,128] Es gibt auch Pharos, eine Kolonie, die vom Diktator Caesar gegründet wurde, von der durch brennende Lichter die nächtliche Schifffahrt gelenkt wird; Alexandria nähert man sich nämlich durch einen tückischen Zugang mit irreführenden Untiefen und unsicheren Meeren; es lässt Seeleute nur durch drei Kanäle hinein: Posideus, Teganus und Taurus.± °[IG] Von hier aus werden in den Häfen Maschinen, die zum Zweck des Leuchtens gebaut werden, „Phari“ genannt.± (44) °[IG] Die Pyramiden sind angespitzte Türme, höher als alles, was von Menschenhand verfertigt werden kann; daher übertreffen sie das Maß der Schatten und werfen selbst keinen.± [SO] Jetzt wollen wir den Griffel von Aegyptus abwenden.
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(XXXIII 1) Ultra Pelusiacum ostium Arabia est, ad Rubrum pertinens mare, quod Erythraeum ab Erythra rege Persei et Andromedae filio, non solum a colore appellatum Varro dicit. Qui affirmat in litore maris istius fontem esse, quem si oves biberint, mutent vellerum qualitatem, et antea candidae amittant quod fuerint usque ad haustum ac furvo postmodum nigrescant colore. (2) Rubri autem maris Arsinoe oppidum. Verum haec Arabia procedit ad usque illam odoriferam et divitem terram, quam Catabani et Scaenitae tenent Arabes, nobiles monte Cassio; (3) qui Scaenitae causas nominis inde ducunt, quod tentoriis succedunt nec alias domos habent; ipsa autem tentoria cilicia sunt: ita nuncupant velamenta caprarum pilis texta. (4) Praeterea suillis carnibus prorsus abstinent. Sane hoc animalis genus si invectum illo fuerit, ilico moritur. Hanc Arabiam Graeci Eudaemonem, nostri Beatam nominaverunt. Habitatur in colle manu facto inter flumen Tigrim et flumen Eulaeum, quod ortum a Medis tam puro fluore inclitum est, ut omnes inde reges non alias quam eius aquas bibant. (5) Eudaemonem non frustra cognominatam hinc capessas, quod praeter odores, quos creat plurimos, sola tus mittit, nec tamen universa. Nam in medio eius sunt Astramitae, pagus Sabaeorum, a quo octo mansionibus regio turifera disterminatur,
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KÜSTE JENSEITS VON PELUSIUM
Arabia Name und Orte [PL 5,65] (XXXIII 1) Jenseits der Pelusischen Mündung ist Arabia zum Roten Meer hin ausgestreckt, das laut Varro Erythraeum °[PL 6,107] nicht allein wegen der Farbe (griech. erythros: „rot“),± °[IG] sondern nach König Erythras (vgl. PL 7,27), dem Sohn des Perseus und der Andromeda± genannt wurde.E Derselbe Autor versichert, dass an den Küsten dieses Meeres eine Quelle ist, die bei Schafen, die aus ihr trinken, die Eigenschaft ihrer Vliese ändert: Zuvor weiße verlieren die Farbe, die sie bis zum Trinken hatten, und werden dann in einer dunklen Farbe schwarz. (2) Auch am Roten Meer ist die Stadt Arsinoë. Arabia dehnt sich über die ganze Strecke bis zu jenem Gewürze tragenden und reichen Land, das die catabanischen und scaenitischen Arabes innehaben, berühmt auch wegen des Bergs Cassius (s. u. SO XXXIV 1). [PL 6,143] (3) Der Grund für den Namen der Scaenitae ist, wie man meint, die Tatsache, dass sie in Zelten (griech. skenai) leben und keine anderen Häuser haben.E Die Zelte selbst sind „Cilicia“; so nennen sie Decken, die aus Ziegenhaar gewebt werden. [PL 8,121] (4) Außerdem enthalten sie sich völlig des Genusses von Schweinefleisch. Wenn diese Art von Tieren jemandem gebracht wird, stirbt er auf der Stelle. [PL 6,135-138] Dieses Arabia haben die Griechen „Eudaemon“ genannt, °[PL 5,65] unsere Leute „Beata“ („Glücklich“).± Es ist auf einem durch Menschenhand gemachten Hügel bewohnt, der zwischen dem Fluss Tigris und dem Fluss Eulaeus liegt. Letzterer ist wegen der Reinheit seines Stroms so berühmt, dass alle dortigen Könige kein anderes als dessen Wasser trinken. Pflanzen [PL 12,51-58] (5) Dass Eudaemon nicht ohne Grund so genannt wurde, kann man dem entnehmen, dass außer Riechstoffen, von denen es eine große Zahl hervorbringt, allein dieses den Weihrauch hervorbringt, und nicht einmal das ganze Land. In seiner Mitte sind nämlich die Astramitae in einem Bezirk der Sabaei, der durch acht Tagesreisen von dem Weihrauch erzeugenden Gebiet getrennt ist. Es wird
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Arabia appellata, id est sacra: hoc enim significari interpretantur. (6) Virgulta haec non sunt publica, sed quod inter barbaros novum, in ius posterorum per successiones transeunt familiarum. (7) Ergo quicumque dominatum istius tenent nemoris, Arabice sacri vocantur. Iidem illi cum lucos istos vel metunt vel incidunt, non funeribus intersunt, non congressibus feminarum polluuntur. (8) Hanc arborem, priusquam penitus fides proderetur, alii lentisco, alii mage terebintho conparabant, usquedum libris, quos Iuba rex scripsit ad Caesarem Augusti filium, palam fieret intorto eam esse vimine, ramis ad aceris qualitatem, amygdalae modo sucum fundere, incidi ortu canis flagrantissimis solibus. (9) In iisdem saltibus myrrha provenit, cuius radices ut vitium rastris proficiunt, ablaqueationibus gaudent; nudatae pinguiori fluunt lacrima. Sponte manans pretiosior ex ea sudor est: elicitus corticis vulnere vilior iudicatur. (10) Codex in vertiginem flexus et spinis hispidus; folium crispius licet olivae tamen simile; maxima extollitur ad quinque cubita proceritatis. Arabes sarmentis eius ignes fovent, quorum fumo satis noxio, nisi odore cremati storacis occurrant, plerumque insanabiles morbos contrahunt. {idem1 Arabes legunt cinnamum. quod frutectum situ brevi nascitur, ramo humili et represso, numquam ultra duas ulnas altitudinis; quo gracilius provenerit, eximium magis ducitur; quod in crassitudinem extuberatum sit, intitilius habetur. Verum legitur per sacerdotes hostiis prius caesis; quae cum litaverint, observatur, ut messis nec ortum solis anticipet nec egrediatur occasum. Quisquis principatum tenet, sarmentorum strues hasta dividit, quae sacrata est in hoc munus, atque ita portio manipulorum soli dicatur: quae si iuste divisa sit, radiis inflagrata incendium concipit.}
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idem ... concipit add. codices editionis alterae, cf. notam ad XXX 30-31.
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Arabia, das ist „heilig“, genannt; dass dies nämlich der Begriff bedeute, übersetzen sie. (6) Die Unterhölzer sind nicht im Gemeindebesitz, doch werden – was etwas Neues unter barbarischen Völkerschaften ist – durch Erbrecht an Familiennachfolger weitergegeben. (7) Diejenigen, die gerade die Herrschaft über den Hain innehaben, werden auf Arabisch als „heilig“ bezeichnet. Ein und dieselben Menschen nehmen, wenn sie den Hain ernten oder aufschneiden, weder an Begräbnissen teil noch verunreinigen sie sich durch die Zusammenkunft mit Frauen. (8) Diesen Baum pflegten, bevor diese Tatsache ganz zuverlässig bekannt war, einige mit dem Mastixharz-Baum gleichzusetzen, andere mit der Terebinthe zu vergleichen; dann aber machten die Bücher, die König Iuba an Caesar, den Sohn des Augustus, schrieb, offenkundig, dass es ein Baum mit gedrehten Zweigen und Ästen wie ein Ahorn ist, der Saft ausgießt, wie es der Mandelbaum tut, und dass er beim Aufgang des Hunds-SternsS geschnitten wird, wenn die Sonne am heißesten ist. [PL 12,66-80] (9) In denselben Wäldern wächst Myrrhe. Ihre Wurzeln gedeihen wie die von Weinstöcken durch Auflockerung des Bodes und freuen sich über Abspülungen; wenn sie freigelegt werden, fließen sie mit einer dicken Träne. Der Saft, der von sich aus hervorkommt, ist der wertvollere; der, dem man der Rinde durch Wunden entlockt, wird als geringer angesehen. (10) Die raue Rinde ist in Wirbel und Spitzen gedreht, und die Blätter sind runzliger als die des Ölbaums, aber doch ähnlich. Sie wächst höchstens bis zu 5 EllenM empor. Die Arabes unterhalten mit ihren Zweigen Feuer, dessen Rauch so schädlich ist, dass sie, wenn sie ihnen nicht mit dem Geruch von verbranntem Storax entgegenwirken, oft unheilbare Krankheiten anziehen. [PL 12,89-91] {Dieselben Arabes sammeln Zimt. Dieser Busch wächst aus einem kurzen Stiel mit kleinen und verkümmerten Zweigen und ist nie mehr als 2 KlafterM hoch. Je dünner sie wachsen, als desto größere Besonderheit werden sie betrachtet, während diejenigen, die dicker austreiben, verachtet werden. (31) Er wird von Priestern gesammelt, die vorher Opfer schlachten. Wenn vorteilhafte Vorzeichen gegeben werden, achten sie sorgfältig darauf, dass ihre Ernte weder den Sonnenaufgang vorwegnimmt noch über den Sonnenuntergang hinausgeht. Wer auch immer den ersten Rang unter den Priestern innehat, teilt die Haufen von Zweigen mit einem Speer, der für diese Aufgabe geweiht worden ist. Ein Teil der Bündel wird der Sonne gewidmet, und wenn es richtig geteilt worden ist, fängt es, von den Strahlen entzündet, zu brennen an.}
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(11) Apud eosdem nascitur phoenix avis, aquilae magnitudine, capite honorato in conum plumis extantibus, cristatis faucibus, circa colla fulgore aureo, postera parte purpureus absque cauda, in qua roseis pennis caeruleus interscribitur nitor. (12) Probatum est quadraginta et quingentis eum durare annis. Rogos suos struit cinnamis, quos prope Panchaeam concinnat in Solis urbem, strue altaribus superposita. (13) Cum huius vita magni anni fieri conversionem rata fides est inter auctores: licet plurimi eorum magnum annum non quingentis quadraginta, sed duodecim milibus nungentis quinquaginta quattuor annis constare dicant. (14) Plautio itaque et Sex. Papinio cos. Aegyptum phoenix involavit; captusque anno octingentesimo urbis conditae iussu Claudii principis in comitio publicatus est. Quod gestum, praeter censuram quae manet, actis etiam urbis continetur. (15) Cinnamolgus perinde Arabiae avis in excellentissimis lucis texit nidos e fruticibus cinnamorum; ad quos quoniam non est pervenire propter ramorum altitudinem et fragilitatem, accolae illas congeries plumbatis petunt iaculis deiectasque pretiis vendunt amplioribus, quod hoc cinnamum magis quam alia mercatores probent. (16) Arabes longe lateque diffusi diversis et moribus vivunt et cultibus. Plurimis crinis intonsus, mitrata capita; redimitu pari pars rasa in cutem barba. Commerciis student, aliena non emunt, vendunt sua; quippe et silvis et mari divites. (17) Umbrae quae nobis dexterae sunt illis sinistrae. Pars eorum quibus asper victus est angues edunt, nulla vel animi cura vel corporis, ac propterea ophiophagi nominantur.
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Tiere [PL 10,3-5] (11) Bei denselben Leuten wird der Vogel Phoenix geboren, von der Größe eines Adlers, am ehrenvollen Haupt mit Federn, die als Kegel hervorstehen, an den Wangen mit einem Kamm, und um den Hals mit strahlendem Gold, am Hinterteil purpurrot bis auf den Schwanz, in dem durch rosenrote Federn ein himmelblauer Glanz eingestreut ist. (12) Man hat erwiesen, dass der Phoenix 540 Jahre alt wird. Er baut seine Scheiterhaufen aus Zimt und stellt sie in der Nähe von Panchaea bei der Sonnen-Großstadt (Heliopolis) auf, wobei er den Haufen über dem Altar anlegt. (13) Die Gewährsleute sind davon überzeugt, dass sein Leben mit dem Zyklus des Großjahres zusammenfällt, °[IG] allerdings sagen viele von ihnen, dass ein Großjahr nicht 540, sondern 12 954 Jahre dauert.± (14) Im Consulat von Quintus Plautius und Sextus PapiniusZ flog ein Phoenix nach Aegyptus. Er wurde im 800. Jahr seit der Gründung der Großstadt (Rom)Z auf Geheiß des Princeps Claudius gefangen und im Comitium öffentlich gezeigt. Diese Gelegenheit ist – gegen fortdauernde Zensur – in den Acta Urbis (den Akten der Großstadt Rom) enthalten. [PL 10,97] (15) Der Cinnamolgus ist ebenfalls ein Vogel Arabias. Er flicht sein Nest aus Zimtfrüchten in den höchsten Bäumen. Da man durch die Höhe und Zerbrechlichkeit der Zweige nicht zu diesen gelangen kann, zielen die Einwohner mit bleiernen Geschossen auf diese Haufen. Das, was sie herunterwerfen, verkaufen sie für recht hohe Preise, weil Händler diesen Zimt mehr schätzen als anderen. Sitten und Gebräuche [PL 6,162-169] (16) Die Araber leben weit und breit verstreut und haben unterschiedliche Sitten und Gebräuche. Sie haben sehr viele Haare und tragen einen Kopfputz auf ihren Köpfen; ein Teil liegt mit der gleichen Umwindung ringsherum, der Bart ist bis auf die Haut abrasiert. Sie beschäftigen sich mit Handel, kaufen aber keine fremden Waren ein, sondern verkaufen ihre eigenen, weil sie reich an Wald und Meer sind. (17) °[IG] Schatten, die für uns rechts sind, sind für sie links.± Ein Teil von ihnen, die ein raues Leben führen, isst Schlangen; sie sorgen sich weder um ihre Seele noch um ihren Körper und werden deshalb „Ophiophagi“ (griech.: „Schlangenesser“) genannt.E
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(18) Ex istius litoris sinu Polycrati regi advecta sardonyx gemma prima in orbe nostro luxuriae excitavit facem. Nec multum de ea disserendum puto, adeo sardonyx in omnium venit conscientiam. Superficies eius probatur, si meracius rubeat; arguitur, si fuerit faeculentior; (19) medietas circuitur limite candicante; optima est, si nec colorem suum spargat in proximum nec ipsa ex altero mutuetur; reliqua nigro finiuntur. Quod si transluceat, vitio vertitur; si perspicuitatem arceat, proficit ad decorem. (20) Et molochiten Arabs invenit, virentem crassius quam smaragdus, contra infantum pericula ingenita vi resistentem. Invenit et iridem in mari Rubro, sicut crystallum sexangulatam, quae radiis icta solis rutilo aeris repercussu caelestis arcus ex sese iacit speciem. (21) Androdamantem iidem legunt Arabes nitoris argentei, lateribus aequaliter quadris, quem de adamante nonnihil mutuatum putes. Datum illi nomen ex eo censent, quod animorum calentium mollit impetus et tumentes refrenat iras. (22) Paederotem etiam et Arabicam inde sumimus. Arabica aspectu eburnea est, radi abnuit; contra nervorum molestias prodest habentibus. In paederote congruit quicquid eximium est quadam decoris praerogativa; crystallinum lucet, rubet purpuram, orarum extimis corona crocea velut e liquido renitente; (23) hac suavitate oculos afficit, visum inlicit, detinet intuentes; hac etiam gratia Indis placet. hoc Arabiae sat est: ad Pelusium repatriemus.
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Steine [PL 37,86-89] (18) °[IG] Von der Küste dieses Golfs wurde dem König Polycrates der erste Sardonyx-Edelstein in unserer Welt gebracht und rief so den Feuerbrand des Luxus hervor (vgl. PL 37,4). Ich meine nicht viel über ihn sagen zu müssen, denn so sehr ist der Sardonyx in aller Bewusstsein gekommen.± Seine Oberfläche wird geschätzt, wenn sie von unvermischtem Rot ist; er wird zurückgewiesen, wenn er voll Sediment ist. (19) Seine Mitte wird von einer weißlichen Bordüre umfasst. Der beste Typ verstreut seine Farbe nicht in die Nachbarschaft und übernimmt von dort auch selbst nichts; der Rest endet in Schwarz. Wenn er durchscheinend ist, gilt er als fehlerhaft; wenn er Durchsichtigkeit abwehrt, gilt das als Schmuck. [PL 37,114] (20) Der Araber findet auch den Molochites, der ein reicheres Grün hat als der Smaragdus. Er hat eine natürliche Kraft, die von Säuglingen Gefahr abwehrt. [PL 37,136-137] Er (der Araber) findet auch die Iris im Roten Meer, die wie der Crystallus sechseckig ist. Wenn sie von Sonnenstrahlen getroffen wird, gibt sie aus sich selbst heraus eine rötliche Reflexion der Luft wie ein Regenbogen. [PL 37,144-145] (21) Dieselben Araber sammeln Androdamas (griech.: „Männerzähmer“), der eine silbrige Helligkeit und gleiche Quadratseiten hat. Man könnte denken, dass er etwas vom Adamas (Diamanten) borgt. Man nimmt an, dass er aus folgendem Grund so genannt wurde: Es stillt die Wut von erhitzten Gemütern und hält anschwellenden Zorn im Zaum.E (22) [PL 37,129-130] °[SO] Wir erhalten auch Paederos und Arabica von hier.± Arabica ist dem Elfenbein ähnlich und verweigert jede Gravur. Für diejenigen, die es halten, ist es gegen Muskelschmerz nützlich. Im Paederos ist alles vereinigt, was ausgezeichnet ist: Er scheint wie ein Kristallgefäß und errötet wie purpurroter Stoff. Es hat einen safrangelben Kranz an seinem äußersten Rand, der aussieht, als ob er unter Wasser läge. (23) Er beeinflusst mit dieser Schönheit die Augen und zieht die Blicke an, wobei er den Blick von denjenigen festhält, die ihn betrachten. Wegen dieser Angenehmheit gefällt er auch den Indi (s. u. SO LII 1–16). [SO] Das ist genug von Arabia; wir wollen nach Pelusium zurückkehren!
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(XXXIV 1) A Pelusio Cassius mons est et delubrum Iovis Cassii, atque ita Ostracine locus Pompeii Magni sepulchro inclitus. Idumaea inde incipit palmis opima.1 Deinde Ioppe oppidum antiquissimum orbe toto, utpote ante inundationem terrarum conditum. (2) Id oppidum saxum ostentat, quod vinculorum Andromedae vestigia adhuc retinet. Quam expositam beluae non inritus rumor circumtulit; quippe ossa monstri illius M. Scaurus inter alia miracula in aedilitate sua Romae publicavit. (3) Annalibus nota res est; mensura quoque veracibus libris continetur, scilicet quod costarum longitudo excesserit pedes quadraginta, excelsitas fuerit elephantis Indicis eminentior; porro verticuli spinae ipsius latitudine semipedem sint supergressi. (XXXV 1) Iudaea inlustris est aquis, sed natura non eadem aquarum omnium. Iordanis amnis eximiae suavitatis, Paneade fonte dimissus, regiones praeterfluit amoenissimas; mox in Asphaltitem lacum mersus stagno corrumpitur. (2) Qui Asphaltites gignit bitumen, animal non habet, nihil in eo mergi potest; tauri etiam camelique inpune ibi fluitant. (3) Est et lacus Sara extentus passuum sedecim milibus, circumsaeptus urbibus plurimis et celebribus, ipse par optimis. Sed lacus Tiberiadis omnibus anteponitur, salubris ingenuo aestu et ad sanitatem usu efficaci. (4) Iudaeae caput fuit Hierusolyma, sed excisa est. Successit Hierichus, et haec desivit, Artaxerxis bello subacta.
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Mommsen: Cf. Lucan, Pharsalia 3,216 arbusto palmarum dives Idume.
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Von Cassius bis Cassius Der Cassiusberg [PL 5,68-69] (XXXIV 1) Von Pelusium an gibt es den Berg Cassius und das Heiligtum des Jupiter Cassius, und so auch Ostracine, den Ort, der als Grabstätte PompeiusØ des Großen berühmt ist; Idumaea, an Dattelpalmen reich, beginnt hier, dann Ioppe, die älteste Stadt auf der ganzen Welt, insofern, als sie nach der Überflutung der Länder (der Urflut) gegründet wurde. (2) Diese Stadt zeigt einen Felsen, der bis heute Spuren der Ketten aufweist, die dafür benutzt worden waren, Andromeda anzufesseln. °[PL 9,11] Es geht das Gerücht – und zwar nicht unbegründet –, dass sie hier dem Meeresungeheuer ausgesetzt worden sei. Marcus Scaurus stellte während seines Aedil-Amts die Knochen dieses Ungeheuers in Rom zusammen mit anderen Wundern aus. (3) Das Ereignis ist in den Annalen verzeichnet; auch sind die Maße in glaubwürdigen Büchern bewahrt: Die Länge der Rippen überschritt demnach 40 FußM, und das Ungeheuer war höher als die Elefanten Indias. Außerdem waren die Wirbel seines Stachels mehr als ½ FußM breit.± Iudaea [PL 5,70-72] (XXXV 1) Iudaea ist wegen seines Wassers berühmt, aber die Natur all dieser Gewässer ist nicht dieselbe: Der Fluss Iordanes ist außergewöhnlich süß; er wird von der Quelle Paneas gespeist und fließt vorbei an den schönsten Gebieten. Bald wird es in den Asphaltites-See getaucht und wird durch dessen Sumpf verdorben. (2) Dieser Asphaltites bringt Bitumen hervor; er wird von keinen Tieren bewohnt. Nichts kann darin ertrinken; sogar Stiere und Kamele schwimmen dort unbeschadet. (3) Es gibt auch den Sara-See, der sich über 16 MeilenM ausstreckt, von sehr vielen berühmten Großstädten umgeben und selbst mit den besten Seen im Verdienst gleichrangig. Der Tiberias-See hingegen wird vor alle anderen gesetzt: Es ist mit seiner eigenen Hitze gesund und für die Gesundheit von wirksamem Nutzen. (4) °[IG] Die Hauptstadt von Judaea war Hierusolyma (Jerusalem), aber sie wurde zerstört (vgl. PL 5,70). Hierichus (Jericho) folgte ihr nach, aber auch es wurde aufgegeben, im Krieg mit Artaxerxes überwunden.±
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Callirrhoë Hierusolymis proxima, fons calore medico probatissimus et ex ipso aquarum praeconio sic vocatus. (5) In hac terra balsamum nascitur, quae silva intra terminos viginti iugerum usque ad victoriam nostram fuit; at cum Iudaea potiti sumus, ita luci illi propagati sunt, ut iam nobis latissimi colles sudent balsama. Similes vitibus stirpes habent; malleolis digeruntur, rastris nitescunt, aqua gaudent, amant amputari, tenacibus foliis sempiterno inumbrantur. (6) Lignum caudicis attrectatum ferro sine mora moritur; ea propter aut vitro aut cultellulis osseis, sed in sola cortice artifici plaga vulneratur, e qua eximiae suavitatis gutta manat. Post lacrimam secundum in pretiis locum poma obtinent, cortex tertium, ultimus honos ligno. (7) Longo ab Hierusolymis recessu tristis sinus panditur, quem de caelo tactum testatur humus nigra et in cinerem soluta. (8) Ibi duo oppida, Sodomum nominatum alterum, alterum Gomorrum, apud quae pomum quod gignitur, habeat licet speciem maturitatis, mandi tamen non potest: nam fuliginem intrinsecus favillaciam ambitio tantum extimae cutis cohibet, quae vel levi pressa tactu fumum exhalat et fatiscit in vagum pulverem. (9) Interiora Iudaeae occidentem quae contuentur Esseni tenent, qui praediti memorabili disciplina recesserunt a ritu gentium universarum, maiestatis ut reor providentia ad hunc morem destinati. Nulla ibi femina: venere se penitus abdicaverunt. Pecuniam nesciunt. Palmis victitant. (10) Nemo ibi nascitur nec tamen deficit
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Die Quelle Callirrhoë (griech.: „Schönfließende“) ist neben Hierusolyma und wird wegen ihrer heilenden Hitze außerordentlich empfohlen. Sie wird so zum Lobpreis ihres Wassers genannt.E Pflanze [PL 12,111-118] (5) In diesem Land entsteht Balsam; bis zu unserem Sieg war der Wald innerhalb der Grenzen von 20 IugeraM Land beschränkt; als wir aber in den Besitz von Iudaea kamen, wurden die Haine so vergrößert, dass Balsam jetzt in sehr breiten Hügeln ausgeschwitzt wird. Balsam-Bäume haben der Weinrebe ähnliche Stöcke, werden mit Holzhammern gepflanzt, gedeihen mit Hacken, freuen sich über Wasser, lieben es, beschnitten zu werden, werden von zähen Blätttern fortwährend beschattet. (6) Das Holz des Stamms geht unverzüglich ein, wenn es von Eisen berührt wird. Deswegen werden sie durch einen mit Messerchen, die entweder aus Glas oder aus Knochen gefertigt sind, kunstfertig gesetzten Schlitz an der Rinde verwundet, aus dem ein Tropfen von ausgezeichneter Süße hervorfließt. Nach dieser Träne hält die Frucht den zweiten Platz im Wert und die Rinde den dritten; den letzten Rang weist man dem Holz zu. Sodomum und Gomorrum [IG] (7) In einer Gegend weit von Hierusolymae gibt es eine traurige Bucht, die vom Himmel geschlagen wurde, wie der schwarze und zu Asche aufgelöste Boden bezeugt. (8) Hier gab es zwei Städte, eine namens „Sodomum“, die andere namens „Gomorrum“; in der Nähe von ihnen wächst eine Art Apfel, den man, auch wenn er reif scheinen mag, nicht essen kann. Die Außenhaut enthält nämlich nur Aschenruß, der, wenn man ihn leicht berührt, Rauch ausbläst und zu luftigem Pulver zerbröckelt. Esseni [PL 5,73] (9) Das Binnenland Iudaeas, das nach Westen blickt, haben die Esseni inne, die – mit einer bemerkenswerten Disziplin begabt – sich von den Gebräuchen der anderen Stämme zurückgezogen haben und an ihrer Tradition festhalten, wie ich glaube, durch die Vorsehung der Erhabenheit. Es gibt dort keine Frau: Sie entsagen ganz der Begattung. Sie kennen kein Geld. Sie leben von Datteln. (10) Niemand wird dort geboren, doch haben sie keinen Mangel an einer
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hominum multitudo. Locus ipse addictus pudicitiae est; ad quem plurimi licet undique gentium properent, nullus admittitur, nisi quem castitatis fides et innocentiae meritum prosequatur; (11) nam qui reus est vel levis culpae, quamvis summa ope adipisci ingressum velit, divinitus submovetur. Ita per inmensum spatium saeculorum, incredibile dictu, aeterna gens est cessantibus puerperiis. (12) Engada oppidum infra Essenos fuit, sed excisum est. Verum inclitis nemoribus adhuc durat decus lucisque palmarum eminentissimis nihil vel de aevo vel de bello derogatum. Iudaeae terminus Massada castellum. (XXXVI 1) Transeo Damascum Philadelphiam Rhaphanam*; Scythopoli primos incolas et auctorem dabo. Liber pater cum humo nutricem tradidisset, condidit hoc oppidum, ut sepulturae titulum etiam urbis moenibus ampliaret. (2) Incolae deerant: e comitibus suis Scythas delegit, quos ut animi firmaret ad promptam resistendi violentiam, praemium loci nomen dedit. (3) In Seleucia alter Cassius mons est, Antiochiae propinquus, cuius e vertice vigilia adhuc quarta conspicitur globus solis et brevi corporis circumactu radiis caliginem dissipantibus illinc nox hinc dies cernitur. Talis e Cassio specula est, ut lucem prius videas quam auspicetur dies. (XXXVII 1) Euphraten fundit Armenia maior, ortu supra Zimam sub radicibus montis, quem Catoten accolae nominant, Scythis proximo. Hic receptis in se aliquot amnibus convalescit et stipatus convenis aquis luctatur cum montis Tauri obiectu, quem apud Elegeam
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Vielzahl von Männern. Der Ort ist der Sittsamkeit gewidmet: Obwohl sehr viele Männer aus Stämmen von überallher dorthin eilen, °[IG] wird niemand eingelassen, es sei denn, dass er von der Treue der Keuschheit und vom Verdienst der Unschuld begleitet ist. (11) Wer immer eines auch nur geringen Vergehens beschuldigt wird, bleibt, so sehr er auch den Zugang mit größter Mühe gewinnen möchte, durch göttlichen Einfluss ausgeschlossen.± So ist dieses Volk – was unglaublich zu sagen ist – über einen riesigen Zeitraum ewigwährend, obwohl es keinerlei Geburten gibt. (12) Die Stadt Engada war im Gebiet der Esseni, wurde aber zerstört. Dennoch hält der Ruhm durch die berühmten Wälder bis heute an; auch sind die herausragenden Haine aus Dattelpalmen weder von der Zeit noch von Krieg gemindert worden. [PL 5,73] Der Endpunkt von Judaea ist die Festung Massada. Scythopolis und der andere Cassiusberg [PL 5,74+] (XXXVI 1) Ich übergehe Damaskus, Philadelphia und Rhaphana, aber will von den ersten Einwohnern und dem Urheber von Scythopolis handeln. Als Liber Pater (Bacchus) seine Amme der Erde übergeben hatte, gründete er diese Stadt, um den Ruhm ihres Grabes auch mit den Mauern einer Großstadt zu vergrößern. (2) Einwohner fehlten; so wählte er aus seinen Begleitern Scythae aus, und um deren Entschlossenheit zum steten Widerstand gegen Eindringlinge zu stärken, gab er dem Ort deren Namen als Belohnung. [PL 5,80] (3) In Seleucia gibt es einen (nach dem SO XXXIV 1 genannten) zweiten Berg Cassius in der Nähe von Antiochia. Von seinem Gipfel ist die Sonnenkugel von der vierten Nachwache (von sechs) an zu sehen und mit einer kleinen Drehung des Körpers – die Strahlen zerstreuen ja die Hitze – kann man auf einer Seite Tag, auf der anderen Nacht wahrnehmen. Der Blick vom Cassius ist von solcher Art, dass man das Licht schon sehen kann, bevor der Tag beginnt.
Mesopotamia Euphrates [PL 5,83-90] (XXXVII 1) Den Euphrates-Fluss bringt Armenia Maior hervor. Er steigt oberhalb von Zima unter den Wurzeln eines Bergs °[IG] nahe bei den Scythae± auf, den die Einheimischen Catotes nennen. Hier nimmt er mehrere andere Flüsse in sich auf und wächst stark. Mit dem zusammenströmenden Wasser gefüllt kämpft er gegen das Hindernis des Berges Taurus, den er bei Elegea
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scindit, resistat licet duodecim milium passuum latitudine; longisque excursibus dextera Commagenem, Arabiam laeva relinquit; (2) deinde praelabens plurimas gentes Babyloniam quondam Chaldaeorum caput dividit. Mesopotamiam opimat inundationis annuae excessibus, ad instar Aegyptii amnis terras contegens, invecta soli fecunditate, iisdem ferme temporibus quibus Nilus exit, sole scilicet in parte cancri vigesima constituto; tenuatur cum iam leone decurso ad extima virginis curricula facit transitum. (3) Quod gnomonici similibus parallelis accidere contendunt, quos pares in terrarum positione aequalitas normalis facit lineae. (4) Unde apparet ista duo flumina ad modulum eiusdem perpendiculi constituta, licet e diversis manent plagis, easdem incrementi causas habere. (5) De Tigri quoque dicere hoc loco par est. In Armeniae regione caput tollit mire quam lucidum, conspicuo fonte in loco edito qui Elegos nominatur. Nec ab exordio statim totus est. Primo pigre fluit non suo nomine; at cum fines Medorum invectus est, Tigris statim dicitur: ita enim nominant Medi sagittam. (6) Influit in Aretisam lacum omnia pondera sustinentem; cuius pisces numquam se alveo Tigridis miscent, sicut nec amnici pisces in stagnum transeunt Aretisae, per quam dissimilis colore et volucri meat cursu. Mox Tauro resistente in profundum specum mergitur, quem subterlabens in altero eius latere apud Zomada emicat, ulvas et purgamenta plurima secum trahens. Deinde identidem absconditur rursusque redditur; Adiabenos Arabasque praeterfluit; Mesopotamiam amplectitur. Amnem nobilissimum Choaspen accipit, Euphraten defert in sinum Persicum. (7) Quaecumque Euphraten bibunt gentes, diverso nitent lapide.
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spaltet, obwohl der Berg ihm mit einer Breite von 12 MeilenM entgegensteht. Nach weiten Abschweifungen verlässt er Commagene rechts und Arabia links. (2) Er fließt an vielen Stämmen vorbei und teilt dann Babylon, die einstige Hauptstadt der Chaldaei. Er bereichert Mesopotamia mit jährlichen Überschwemmungen, die das Land so bedecken, wie es der aegyptische Fluss (Nil) tut, und dem Boden Fruchtbarkeit eintragen, und zwar fast zu denselben Zeiten, zu denen der Nil ansteigt, nämlich wenn die Sonne im 20. Teil des KrebsesS steht; die Überschwemmung wird vermindert, wenn die Sonne durch den Löwen gegangen ist und ihre Laufbahn zur äußersten Erstreckung der Jungfrau macht (vgl. SO XXXII 12-13). Euphratschwelle [IG] (3) Die Gnomonici (Sonnenuhr-Experten) behaupten, dass die Sonne in den gleichen Parallelen fällt, was die rechtwinklige Symmetrie der Linie zur gleichen Position in den Ländern bewirkt. (4) Daher scheint es, dass diese beiden Flüsse, obwohl sie aus verschiedenen Himmelsregionen fließen, zum Maß derselben Senkrechten gelegen sind und dieselbe Ursache ihres Anschwellens haben. Tigris [PL 6,127-130] (5) Über den Tigris ebenfalls zu sprechen ist an dieser Stelle angemessen. Er erhebt sein Haupt in einem Gebiet Armenias und fließt wunderbar klar von einer berühmten Quelle an einem hohen Platz, den man „Elegos“ nennt. Er ist ganz zu Anfang nicht groß. Zuerst fließt er langsam und nicht unter seinem eigenen Namen, aber wenn er die Grenzen der Medi erreicht, wird er „Tigris“ genannt; so nämlich nennen die Medi den PfeilE. (6) Er fließt in den See Aretisa, der alle Gewichte trägt und dessen Fische sich nie in das Flussbett des Tigris begeben wie auch Fische des Flusses nie in den Aretisa-Sumpf, durch den er mit einer anderen Farbe und raschem Lauf hindurchgeht. Bald kommt er gegen den Taurus und geht in einer tiefen Höhle unter. Er fließt weiter unterirdisch und schießt auf der andere Seite bei Zomada heraus, wobei er Schilfgräser und viel anderen Abraum mit sich heranschleppt. Dann sinkt er wiederholt ab und kommt wieder herauf. Er fließt vorbei an den Adiabeni und den Arabes. Er umfasst Mesopotamia und nimmt den edelsten Fluss Choaspes in sich auf; dann bringt er den Euphrates in den Persischen Golf. Steine [PL 37,174-190] (7) °[SO] So viele Länder vom Euphrates trinken, glitzern sie jeweils mit einem verschiedenen Stein:±
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Zmilanthis in ipso alveo* legitur, gemma ad imaginem marmoris Proconnensis, nisi quod in medio umbilico lapidis istius glauci velut oculi pupula internitet. (8) Sagda a Chaldaeis ad nos usque fluxit, haud facilis repertu, ni ut perhibent ipsa se capessendam daret; namque ingenita spiritus efficacia supermeantes naves e profundo petit et carinis ita tenaciter adcorporatur, ut nisi abrasa parte ligni aegre separetur. (9) Ea sagda apud Chaldaeos propter effectus, quos ex ea sciunt, habetur loco principe, ceteris propter gratiam magis complacet iucundissime virens. (10) Myrrhites Parthis familiaris est. Hunc si visu aestimes, myrrhae colore est et non habet quod adficiat; si penitus explores et attritu incites ad calorem, spirat nardi suavitatem. (11) In Perside lapidum tanta copia est tantaque diversitas, ut longum paene sit ipsis vocabulis inmorari. (12) Mithridax sole percussa coloribus micat variis. Tecolithos nucleo olivae similis spernitur cum videtur, sed remediis bonus vincit aliorum pulchritudinem; solutus quippe et haustus pulsis calculis renium dolores ac vesicae levat. (13) Hammochrysos harenis auro intermixtis nunc brattearum, nunc pulveris habet quadrulas. (14) Aëtites et fulvus est et tereti positione alterum lapidem intrinsecus cohibens, cuius crepitu sonorus est cum movetur; quamlibet tinnitum illum non internum scrupulum facere, sed spiritum scientissimi dicant. (15) Hunc aëtiten Zoroastres praefert omnibus maximamque illi tribuit potestatem. Invenitur aut in nidis aquilae aut in litoribus oceani; in Perside tamen plurimus. {subnexus spem uteri defendit a fluxibus abortivae.} (16) Pyrites furvus est tenerique se vehementius non sinit ac si quando artiori manu premitur, digitos adurit. (17) Chalazias grandinis et candorem praefert et figuram, duritia robustissima et invicta. Echites vipereas habet maculas. (18) Dionysias fuscus est, rubentibus notis sparsus. Idem si aquae mixtus conteratur, vinum fragrat et, quod in illo odore mirificum est, ebrietati resistit.
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°[PL 37,185] Zmilanthis wird im Bett des Flusses selbst gesammelt. Es ist ein Edelstein mit dem Erscheinungsbild von proconnesischem Marmor, außer dass mitten im Nabel des grauen Steins Blau wie die Pupille eines Auges hervorscheint.± °[PL 37,181] (8) Der Sagda-Stein ist zu uns von den Chaldaei her gekommen. Es wäre keineswegs leicht, ihn zu finden, wenn er sich nicht – wie man sagt – selbst zum Ergriffenwerden stellte. Sein angeborener Geist sucht nämlich Schiffe, die über ihn in den Tiefen fahren, und er klebt sich an ihre Kiele. Es ist schwierig, sie dort abzutrennen, außer wenn man auch etwas vom Holz abnimmt. (9) Dieser Sagda-Stein wird wegen seiner bekannten Eigenschaften bei den Chaldaei im höchsten Rang gehalten, indem er wegen seiner Anmut mehr geschätzt wird als die anderen, da er höchst angenehm grün ist.± °[PL 37,174+] (10) Der Myrrhites ist bei den Parthern vertraut. Wenn man diesen Stein mit den Augen beurteilt, hat er die Farbe von Myrrhe und nichts, was ihn anziehend macht; wenn man ihn aber gründlicher untersucht und ihn dabei durch Reibung anregt, bis er heiß ist, verströmt er die Süße der Narde.± (11) °[SO] In der Persis gibt es einen so großen Überfluss und eine so große Vielfalt von Steinen, dass es eine langwierige Sache wäre, sie auch nur mit ihren Namen in Erinnerung zu rufen:± °[PL 37,173] (12) Der Mithridax blitzt, wenn er von der Sonne getroffen wird, mit vielen Farben.± °[PL 37,184] Der Tecolithos wird, wenn man ihn nur betrachtet, verschmäht, weil er ein dem Olivenkern ähnliches Aussehen hat. Aber sein medizinischer Nutzen übertrifft die Schönheit anderer Steine. Wenn man ihn auflöst und trinkt, lindert er die Schmerzen von Nierensteinen und Blasenschmerzen.± °[PL 37,188] (13) Der Hammochrysos hat in mit Gold vermischten Sanden kleine Flecken bald von Blattgold, bald von Goldstaub.± °[PL 36,149-151] (14) Der Aëtites ist gelb und glatt. Er hält einen anderen Stein in sich und klingt mit seinem Rasseln, wenn er bewegt wird. Man sagt freilich, dass nicht der kleine Stein innen das Klingen macht, sondern der Geist des Kundigsten.± (15) °[IG] Diesen Aëtites zieht Zoroaster allen anderen vor und weist ihm die größte Kraft zu:± Er wird entweder in Nestern von Adlern (griech.: aëtoi) °[IG] oder an den Ozeanküsten gefunden, am meisten in der Persis.± {Unter eine Gebärmutter guter Hoffnung gebunden schützt er eine Frau vor der Fehlgeburt.} °[PL 37,189] (16) Pyrites ist schwarz und lässt sich nicht sehr stark festhalten: Wenn man ihn fest in der Hand drückt, verbrennt er die Finger. (17) Chalazias hat die Gestalt und Weiße eines Hagelkornes mit der haltbarsten und unbesiegbaren Härte.± °[PL 37,187] Echites hat Punkte wie eine Giftschlange.± °[PL 37,157] (18) Dionysias ist dunkel, mit roten Punkten gesprenkelt. Derselbe duftet, wenn man ihn zerreibt und mit Wasser vermischt, nach Wein und – was ein Wunder bei diesem Geruch ist – verhindert einen Rausch.±
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(19) Glossopetra deficientibus lunis caelo cadit, linguae similis humanae, non modicae ut magi ferunt potestatis, qui ex ea lunares motus excitari putant. (20) Solis gemma percandida est ad speciem fulgidi sideris, rutilosque ex sese iacit radios. Veneris crinis nitet nigro, internis ductibus ostentans ruforum crinium similitudinem. (21) Selenites translucet fulgore candido melleoque, continens lunae imaginem, quam iuxta cursum astri ipsius perhibent diebus singulis vel minui vel augeri. (22) Meconites papavera exprimit. Myrmecites reptantis formicae effigie notatur. Chalcophthongos resonat ut pulsata aera; pudice habitus servat vocis claritatem. (23) Siderites a contemplatione ferri nihil dissonat, verum maleficus quoquo inferatur discordias excitat. Phlogites ostentat intra se quasi flammas aestuantes. Anthracias coruscat velut scintillantibus stellis. (24) Enhydros exudat, ut clausam in eo putes fontaneam scaturriginem. (XXXVIII 1) Ciliciam, qua de agitur, si ut nunc est loquamur, derogasse videbimur fidei vetustatis; si terminos sequi quos habuit olim, absonum est a contemplatione rerum praesentium. Ergo inter utramque culpam factu optimum est amborum temporum statum persequi. (2) Cilicia antea usque ad Pelusium Aegypti pertinebat Lydis Medis Armeniis Pamphylia Cappadocia sub imperio Cilicum constitutis; mox ab Assyriis subacta in breviorem modum scripta est.
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°[PL 37,164] (19) Glossopetra fällt vom Himmel, wenn der Mond abnimmt. Er hat eine ähnliches Aussehen wie die menschliche ZungeE; er ist von nicht geringer Kraft, wie die Magi überliefern, die glauben, dass er die Mondbewegungen verursacht.± °[PL 37,181] (20) Solis Gemma (Sonnen-Edelstein) ist sehr weiß und sieht wie ein glitzernder Stern aus; es strahlt von selbst golden-rote Strahlen aus.± °[PL 37,184] Veneris Crinis (Venus-Haar) hat einen dunklen Glanz, womit er eine Ähnlichkeit mit rotem Haar zeigt.± °[PL 37,181] (21) Selenites ist durchsichtig mit einem weißen und honigfarbigen Strahlen. Er hat ein Bild des Monds (griech.: selene) in sich; man sagt, dass er von Tag zu Tag ab- oder zunimmt gemäß dem Lauf des Planeten selbst.± °[PL 37,173] (22) Meconites ähnelt Mohnblumen.± °[PL 37,187] Myrmectites wird als mit kriechenden Ameisen vergleichbar beschrieben.± °[PL 37,154+] Chalcophthongos (griech.: „Bronzetöner“) schallt wie geschlagene Bronze; wenn man ihn tugendhaft aufbewahrt, sichert er die Klarheit der Stimme.± °[PL 37,182] (23) Siderites unterscheidet sich beim Betrachten in nichts von Eisen, ist aber schädlich: Wo auch immer er hingebracht wird, weckt er Zwietracht.± °[PL 37,189] Phlogites zeigt sich mit einem Bild von lodernden Flammen in sich. Anthracias glitzert mit funkelnden Sternen.± °[PL 37,190] (24) Enhydros schwitzt so, dass man denken könnte, eine sprudelnde Quelle sei in ihm eingeschlossen.±
Cilicia Lage und Name [IG] (XXXVIII 1) Nun geht es um Cilicia. Wenn wir besprechen, wie es jetzt ist, werden wir zuerst den zuverlässigen Bericht aus dem Altertum zu verlachen scheinen; wenn wir den Grenzen folgen, die es einstmals hatte, stünde dies zu den gegenwärtigen Verhältnissen im Widerspruch. Deshalb ist das Beste, was wir zwischen beiden Fehlern tun können, die Lage des Landes zu beiden Zeitaltern einzeln zu vermelden: (2) Cilicia dehnte sich früher über die ganze Strecke bis nach Pelusium in Aegyptus aus. Die Lydii, Medi, Armenii, Pamphylia und Cappadocia unterstanden der Herrschaft der Cilices. Später wurde es von den Assyrii unterworfen und eine kleinere Gestalt wurde verfügt.
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Plurima iacet campo, sinu lato recipiens mare Issicum, a tergo montium Tauri et Amani iugis clausa. (3) A Cilice nomen trahit, quem aetas pristina paene ultra aevum memoriae abscondit; hunc1 Phoenice ortum, qui antiquior Iove de primis terrae alumnis habetur. Matrem urbium habet Tarson, quam Danaae proles nobilissima Perseus locavit. (4) Hanc urbem intersecat Cydnus amnis. Hunc Cydnum alii praecipitari Tauro, alii derivari ex alveo Choaspi tradiderunt. Qui Choaspes ita dulcis est, ut Persici reges, quamdiu inter ripas Persidis fluat soli, sibi ex eo pocula vindicaverint et cum eundum foret peregre, aquas eius secum vectitarent.(5) Ex illo parente Cydnus miram trahit suavitatem. Quicquid candidum est cydnum gentili lingua Syri dicunt: unde amni huic nomen datum et tumet vere cum nives solvuntur, reliqua anni tenuis et quietus. (6) Circa Corycum Ciliciae crocum plurimum optimumque: det licet Sicilia, det Cyrena, det et Lycia, hoc primum est: spirat fragrantius, colore plus aureo est, suci ope citius proficit ad medellam. (7) Ibi Corycos oppidum est et specus, qui montem inpositum mari a summo cavat vertice, patulus hiatu amplissimo; nam deiectis lateribus in terrae profundum nemoroso orbe amplectitur mediam inanitatem, virens introrsus lucis pendentibus. (8) Descensus in eum per duo milia et quingentos passus non sine largo die, hinc inde fontium adsidua scaturrigine. Ubi perventum ad ima primi sinus, alter rursus specus panditur; quod antrum latis primum patet faucibus, postmodum in processu per angustias obscuratur. In eo sacrum est Iovis fanum, in cuius recessu intimo Typhonis gigantis cubile positum qui volunt credunt.
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hunc „fortasse delendum” Mommsen, del. Fernández Nieto 2001, 96.
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[IG] Das Meiste von Cilicia liegt in der Ebene. Es nimmt das Issische Meer in einem breiten Golf auf und wird hinten durch die Bergkämme des Taurus und Amanus eingeschlossen. (3) Von Cilix nimmt es den Namen, der vor uns durch ein sehr hohes Alter fast außer der Reichweite des Gedächtnisses verborgen ist; er soll von Phoenix abstammen, der älter ist als Jupiter, als einer der ersten Abkömmlinge der Erde. Als Mutterstadt hat es Tarsos, das der hochberühmte Nachfahre der Danaeae, Perseus, gegründet hat. Flüsse [PL 5,92] (4) Diese Großstadt durchschneidet der Fluss Cydnus. °[IG] Manche überliefern, dass dieser Cydnus vom Taurus herabkommt, andere, dass er aus dem Flussbett des Choaspes abgeleitet wird.± °[PL 31,35] Dieser Choaspes hat so süßes Wasser, dass die persischen Könige, soweit er zwischen Ufern persischem Boden fließt, den Anspruch darauf, aus ihm zu schöpfen, sich selbst vorbehalten. Wenn sie in die Fremde reisen, führen sie sein Wasser mit sich.± (5) °[IG] Von jenem Elternteil also bezieht der Cydnus seine erstaunliche Süße. Alles, was weiß ist, nennen die Syrii in ihrer Stammes-Sprache „cydnus“; daher wurde diesem Fluss der Name gegeben. Im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, schwillt er an; während des übrigen Jahres ist er ruhig und schwach.± Pflanzen [PL 5,92] (6) °[PL 21,31] Um Corycus in Cilicia ist der Safran am reichlichsten und am besten. Obwohl ihn auch Sicilia, Cyrene und Lycia erzeugen, ist dieser herausragend gut.± °[IG] Er ist duftender und in der Farbe goldener; seine Säfte sind als Arznei wirksamer (vgl. PL 21,35).± (7) Dort sind die Stadt Corycos und eine Höhle, °[ME 1,72] die am Rand des Meeres den Berg des höchsten Gipfels aushöhlt. Sie klafft mit einer sehr weiten Öffnung. Ihre Seiten fallen unten in die Tiefen der Erde und umringen die Leere in der Mitte mit einem bewaldeten Kreis. Im Inneren ist sie mit hängenden Pflanzen grün. (8) Der Abstieg in sie hinein misst 2½ MeilenM und ist mit reichlichem Sonnenlicht erhellt, ständig von Quellen überströmend. Wenn man zum Boden des ersten Golfs kommt, dehnt sich eine andere Höhle aus. Diese Höhle steht zuerst mit weiten Durchgängen offen; nach einer Weile wird sie aber durch den Verlauf in schmale Stellen hinein dunkel. In dieser Höhle ist ein Heiligtum des Jupiter; dass das Bett des Riesen Typhon in seine innerste Aussparung gestellt gewesen sei, glauben diejenigen, die das möchten.±
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(9) Heliopolis antiquum oppidum Ciliciae fuit, patria Chrysippi stoicae sapientiae potentissimi; quod a Tigrane Armenio subactum et diu Solum, Pompeiopolim devictis Cilicibus Cn. Magnus cognominavit. (10) Mons Taurus ab Indico primum mari surgit, deinde a scopulis Chelidoniis, inter Aegyptium et Pamphylium pelagus, obiectus septemtrioni dextero latere, laevo meridianae plagae, occidenti obversus fronte profusa. Palam est terras eum continuare voluisse penetrato mari, nisi profundis resistentibus extendere radices suas vetaretur. (11) Denique qui periclitantur naturas locorum, temptasse eum omnes exitus promunturiis probant; etenim* quoquovorsum mari adluitur, procedit in prominentias; sed modo intercluditur Phoenicio, modo Pontico sinu, interdum Caspio vel Hyrcano; quibus renitentibus subinde fractus contra Maeotium lacum flectitur multisque difficultatibus fatigatus Ripaeis se iugis adnectit. (12) Pro gentium ac linguarum varietate plurifariam nominatus, apud Indos Imaus*, mox Propanisus, Choatras apud Parthos, post Niphates, inde Taurus atque ubi in excelsissimam consurgit sublimitatem, Caucasus. Interea etiam a populis appellationem trahit; a dextero latere Caspius dicitur vel Hyrcanus, a laevo Amazonicus, Moschicus, Scythicus; ad haec vocabula habet alia multa. (13) Ubi dehiscit hiulcis iugis, facit portas, quarum primae sunt Armeniae, tum Caspiae, post Ciliciae. In Graeciam verticem exerit, ubi Ceraunius praedicatur. A Ciliciae finibus Asiaticum limitem dispescit. Quantus meridiem videt, sole inaestuat; quicquid septemtrioni oppositum est, vento tunditur et pruina; quo silvestris est, efferatur multis bestiis et leonibus inmanissimis.
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Pompeiopolis [IG] (9) Heliopolis war eine alte Stadt von Cilicia. Es war die Heimatstadt des Chrysippus, der in der Stoischen Weisheit am stärksten ist. Es wurde durch den Tigranes aus Armenia erobert und wurde lange Solus, nach dem Sieg über die Cilicier von Cn. (Pompeius) Magnus aber „Pompeiopolis“ genannt (vgl. PL 5,92).
Taurusgebirge [PL 5,97-98] (10) Der Tauros-Berg erhebt sich zuerst vom indischen Meer. Nachdem er sich auf der rechten Seite nach Norden und auf der linken zur südlichen HimmelsregionR hin geworfen und seine Stirn ganz nach Westen gedreht hat, °[IG] geht er zwischen dem Aegyptischen und dem Pamphylischen Meer an die Felsen von Chelidon (vgl. PL 5,97). Es ist klar, dass er die Länder vergrößern und ins Meer eindringen möchte, doch der Widerstand der Tiefen verbietet ihm, seine Wurzeln noch mehr zu erweitern. (11) Tatsächlich zeigen diejenigen, die über die Natur von Orten handeln, dass er alle Wege mit seinen Kaps versucht hat. Wo auch immer er durch das Meer gebadet wird, läuft er in Vorsprünge aus, wird aber bald durch den Phoenicischen Golf, bald durch den Pontischen und manchmal durch das Caspische oder Hyrcanische Meer gehindert. Darauf krümmt er sich, durch diese Kämpfe gebrochen, gegen den Maeotis-See.± Ermüdet durch seine vielen Mühen schließt er sich den Kämmen der Ripaeischen Berge an. (12) Nach der Vielfalt von Stämmen und Sprachen, die er passiert, wird er unterschiedlich genannt: bei den Indi „Imaus“, dann „Propansius“, bei den Parthern „Choatras“, später „Niphates“, danach „Taurus“, und wo er sich zu den höchsten Höhen erhebt, „Caucasus“. Dazwischen zieht er auch Namen von Völkern an: auf der rechten Seite wird er „Caspius“ oder „Hyrcanus“ genannt, auf der linken „Amazonicus“, „Moschicus“ und „Scythicus“; außer diesen Namen hat er noch viele andere. (13) Wo er sich in offene Spalten öffnet, bildet er Tore, von denen das erste das Armenische ist, dann folgen das Caspische und schließlich das Cilicische. Der Taurus streckt einen Wirbel nach Griechenland hin heraus, wo er als Ceraunius bekannt ist. °[IG] Von den Grenzen von Cilicia an bildet er die Grenze Asias. Was alles von ihm nach Süden blickt, wird durch die Sonne versengt, was auch immer dem Norden gegenüberliegt, durch Winde und Schnee geschlagen. Wo er bewaldet ist, wird er mit vielen Untieren und ungeheuerlichsten Löwen zur Wildnis.±
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(XXXIX 1) Quod in Campania Vesubius, in Sicilia Aetna, hoc in Lycia mons Chimaera est; hic mons nocturnis aestibus fumidum exhalat {unde fabula triformis monstri in vulgum data est, quod Chimaeram animal putaverunt}. Et quoniam natura ibidem subest ignea, Vulcano urbem proximam Lycii dicaverunt, quam de vocabulo sui nominis Hephaestiam vocant. (2) Olympus quoque inter alia ibi oppidum fuit nobile, sed intercidit; nunc castellum est, infra quod aquae Regiae ob insigne fluoris spectaculo sunt visentibus. (XL 1) Sequitur Asia; sed non eam Asiam loquor, quae in toto orbis divortio terminos amnes habet ab Aegyptio mari Nilum, a Maeotio lacu Tanaïm, verum eam quae a Telmesso Lyciae incipit, unde etiam Carpathius auspicatur sinus. Eam igitur Asiam ab oriente Lycia includit et Phrygia, ab occidente Aegaea litora, a meridie mare Aegyptium, Paphlagonia a septemtrione. (2) Ephesus in ea urbs clarissima est; Epheso decus templum Dianae, Amazonum fabrica, adeo magnificum ut Xerxes, cum omnia Asiatica templa igni daret, huic uni pepercerit. Sed haec Xerxis clementia sacras aedes non diu a malo vindicavit; (3) namque Herostratus, ut nomen memoria sceleris extenderet, incendium nobilis fabricae manu sua struxit, sicut ipse fassus est, voto adipiscendae famae latioris. (4) Notatur ergo eadem die conflagravisse templum Ephesi, qua Alexander Magnus Pellae natus est. {qui oritur, ut Nepos edit, M. Fabio
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Lycia mit Chimaera [PL 5,100] (XXXIX 1) Was in Campania der Vesubius (s. o. SO II 3) und in Sicilia der Aetna (s. o. SO V 9), das ist in Lycia der Chimaera-Berg. Dieser Berg atmet während nächtlicher Hitze Rauch aus {woraus unter den gewöhnlichen Leuten die Fabel vom dreiförmigen Ungeheuer entstand, das sie für das ChimaerenTier hielten}. Da unten dieselbe glühende Natur ist, widmeten die Lycii ihre nächstgelegene Großstadt dem Vulcanus und nannten sie nach seinem ursprünglichen Namen Hephaestia. (2) Auch Olympus war – neben anderen dort – eine berühmte Stadt, doch ging es unter. °[IG] Jetzt ist es eine Festung, innerhalb von der die Wasser „königlich“ heißen aufgrund des bemerkenswerten Schaustücks, das der Fluss den Betrachtern präsentiert.±
Asia (minor) Lage [SO] (XL 1) Es folgt Asia; doch nicht von dem Asia spreche ich, das bei der ganzen Dreiteilung der Welt als Grenzen vom aegyptischen Meer her den Nil und vom maeotischen See den Tanaïs hat, °[PL 5,102] sondern von dem, das bei Telmessus in Lycia beginnt, von wo auch der Carpathische Golf seinen Anfang nimmt. Dieses Asia also schließen vom Osten her Lycia und Phrygia ein, vom Westen her die Aegeischen Küsten, vom Süden des Aegyptische Meer und Paphlagonia vom Norden.± Ephesus [IG] (2) °[ME 1,81] Ephesus ist die berühmteste Großstadt in diesem Gebiet. Das Schmuckstück von Ephesus (vgl. PL 5,115) ist der Tempel der Diana, ein Bauwerk der Amazonen.± Er war so großartig, dass Xerxes, als er alle anderen Tempel in Asia niedergebrannt hatte, ihn allein verschonte. Aber die Milde des Xerxes schützte diese Heiligtümer nicht lange vor dem Übel. (3) Herostratus nämlich beging, um seinen Namen unsterblich zu machen, ein Verbrechen, indem er das edle Bauwerk mit seinen eigenen Händen aus dem Wunsch heraus in Brand setzte, für eine weitere Sache bekannt zu sein, wie er selbst bekannte. (4) Es ist aufgezeichnet, dass der Tempel von Ephesus an demselben Tag niedergebrannt wurde, an dem Alexander der Große in Pella geboren wurde. {Er entstand, wie Nepos angibt, im Consulat von Marcus Fabius
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Ambusto T. Quintio Capitolino cos, post Romam conditam anno trecentesimo octogensimo quinto.} (5) Quod cum postmodum ad cultum augustiorem Ephesii reformarent, faber operi Dinocrates praefuit, quem Dinocratem Alexandri iussu Alexandriam in Aegypto metatum supra exposuimus. Nusquam autem orbe toto tam adsiduos terrae motus et tam crebras urbium demersiones quam in Asia esse cladibus Asiaticis patuit, cum Tiberio principe urbes duodecim simul una ruina occiderint. (6) Ingenia Asiatica inclita per gentes fuere. Poetae Anacreon, inde Mimnermus et Antimachus, deinde Hipponax, deinde Alcaeus, inter quos etiam Sappho mulier. At historiae conditores Xanthus, Hecataeus, Herodotus, cum quibus Ephorus et Theopompus. Nam de septem sapientia praeditis Bias, Thales, Pittacus, Cleanthes Stoicae eminentissimus, Anaxagoras naturae indicator, Heraclitus etiam subtilioris doctrinae arcanis immoratus. (7) Asiam excipit Phrygia, in qua Celaenae, quae antiquato priore nomine in Apameam transiere, oppidum a rege Seleuco postmodum constitutum. Istic Marsyas ortus, istic et sepultus: unde qui proximat fluvius, Marsyas dicitur; (8) nam sacrilegi certaminis factum et audaces in deum tibias testatur non procul vallis, quae eventum gestae rei signat et ab Apamea decem milibus passuum separata Aulocrene usque adhuc dicitur. Ex arce huiusce oppidi Maeander amnis caput tollit, qui recurrentibus ripis flexuosus inter Cariam et Ioniam praecipitat in sinum qui Miletum dividit et Priënam. (9) Ipsa Phrygia Troadi superiecta est, aquilonia parte Galatiae conlimitanea, meridiana Lycaoniae Pisidiae Mygdoniaeque contermina. Eadem ab oriente vicina
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Ambustus und Titus Quintius CapitolinusZ, im 385. Jahr seit Gründung der Großstadt (Rom)Z.} (5) Als später die Ephesier ihn zu einer noch eindrucksvolleren Großartigkeit wiederherstellten, trug der Baumeister Dinocrates die Verantwortung für das Werk; dieser Dinocrates entwarf auch – wie wir oben (SO XXXII 41) erklärt haben – Alexandria in Aegyptus auf Anordnung Alexanders. Erdbeben [IG] Dass nirgends auf dem ganzen Erdkreis die Erdbeben so heftig und die Verwüstungen von Großstädten so häufig sind wie in Asia, hat sich an den asiatischen Katastrophen gezeigt, °[PL 2,200] als im Principat des Tiberius gleichzeitig zwölf Großstädte zu Ruinen zerfielen.± Talente Asias [IG] (6) Das Talent Asias war unter allen Stämmen berühmt. Für die Dichtung gab es Anacreon, dann Mimnermus und Antimachus, danach Hipponax, danach Alcaeus. Unter ihnen war auch eine Frau, Sappho. Als Begründer der Geschichte gab es Xanthus, Hecataeus, Herodotus und mit ihnen Ephorus und Theopompus. Von den sieben Weisen gab es Bias, Thales und Pittacus. Cleanthes war von der Stoischen (Philosophie) der bedeutendste; Anaxagoras war ein Erklärer der Natur, und auch Heraclitus widmete seine Zeit den Geheimnissen der feineren Gelehrsamkeit.
Phrygia bis Caria Phrygia [PL 5,106-113] (7) Auf Asia folgt Phrygia, in dem Celaene liegt, das nach der Veraltung des früheren Namens in „Apamea“ umbenannt wurde, °[IG] eine später von König Seleucus gegründete Stadt.± Dort wurde Marsyas geboren und dort begraben, wonach der Fluss, der ihm nahe kommt, „Marsyas“ genannt wird. (8) Von seinem Akt des frevlerischen Wettbewerbs und von dem kühnen Flötenspiel gegen den Gott zeugt auch ein nicht weit entferntes Tal, das auch das Ergebnis der Angelegenheit zeigt; es ist von Apamea 10 MeilenM entfernt und wird bis heute „Aulocrene“ (griech.: „Flötenbrunnen“) genanntE. Von der Festung dieser Stadt entspringt der Fluss Maeander. Er ist geschlängelt und seine Ufer winden sich zwischen Caria und Ionia. Er stürzt in den Golf, der Miletus und Priëne teilt. (9) °[PL 5,145] Phrygia selbst ist oberhalb der Troas gelegen. Seine zum Aquilo-WindW gelegenen Teile grenzen an Galatia, die südlichen an Lycaonia, Pisidia und Mygdonia.± Auf der Ostseite ist es Nachbar von
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Lydiae, a septemtrione Moesiae, Cariae a parte qua dies medius est. Mons Lydiae Tmolus croco florentissimus; (10) amnis Pactolus, quem aurato fluore incitum aliter Chrysorrhoam vocant. In his locis animal nascitur quod bonacum dicunt, cui taurinum caput ac deinceps corpus omne, tantum iuba equina; cornua autem ita multiplici flexu in se recurrentia, ut si quis in ea offendit, non vulneretur. (11) Sed quicquid praesidii monstro illi frons negat, alvus sufficit; nam cum in fugam vertit, proluvie citi ventris fimum egerit per longitudinem trium iugerum, cuius ardor quicquid attigerit amburit: ita egerie noxia submovet insequentes. (12) Miletos Ioniae caput, Cadmi olim domus, sed eius, qui primus invenit prosae orationis disciplinam. (13) Non longe Ephesum Colophon civitas, nobilis oraculo Clarii Apollinis. Unde haud procul Mimas surgit, cuius vertices de nubilis supervolantibus futurae tempestatis significant qualitatem. (14) Caput Maeoniae Sipylus excipit, Tantalis antea dictus et in illam vocabuli memoriam orbitatibus datus Niobae. (15) Zmyrnam Meles circumfluit, inter flumina Asiatica facile praecipuus amnis. Zmyrnaeos vero campos fluvius Hermus secat, qui ortus Dorylao Phrygiae Phrygiam scindit a Caria. Hunc quoque Hermum fluctibus aureis aestuasse antiquitas credidit. (16) Zmyrna, unde praecipue nitet, Homero vati patria extitit, qui post Ilium captum fuit anno ducentesimo septuagesimo secundo, Agrippa Silvio
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Lydia, im Norden von Moesia, und von Caria auf der Seite, die der Tagesmitte gegenübersteht. Der Lydische Berg Tmolus erblüht ganz mit Safran. (10) Den Fluss Pactolus, der mit einem goldenen Fließen dahineilt, nennt man anders auch „Chrysorrhoas“ (griech.: „Goldstrom“). Tier [PL 8,40] In diesen Teilen wird ein Tier namens „Bonacus“ hervorgebracht. Sein Kopf und von da an der ganze Körper sind dem eines Stiers ähnlich, außer dass es eine Pferdemähne hat. Seine Hörner laufen zu sich selbst mit so zahlreichen Windungen zurück, dass jemand, der gegen sie stößt, nicht verwundet wird. (11) Der Schutz aber, den die Stirn diesem Ungeheuer nicht bietet, wird durch seinen Bauch bereitgestellt. Wenn es sich dreht, um zu fliehen, entlädt es mit einer schnellen Entleerung des Magens Kot über eine Strecke von 300 Iugera (Hundertfuß)M. Die Hitze des Kots verbrennt alles, was er berührt. So wehrt es Verfolger mit seiner schädlichen Ausscheidung ab. Ionia [PL 5,112-116] (12) Miletos, die Hauptstadt von Ionia, einst Wohnsitz des Cadmus, und zwar dessen, der als erster die Systematik der Prosa-Rede erfand. (13) Nicht weit von Ephesus ist die Gemeinde Colophon, berühmt wegen des Orakels des Clarius Apollo. Nicht weit von hier erhebt sich der Berg Mimas, °[IG] dessen Spitzen durch die über ihnen schwebenden Wolken die Art des künftigen Wetters anzeigen. ± Maeonia [PL 5,117] (14) Es folgt die Hauptstadt von Maeonia, Sipylus, das zuvor „Tantalis“ genannt wurde °[IG] und zur Erinnerung an den Namen nach den Verlusten der (Tantalus-Tochter) Niobe gegeben wurde.± Caria [PL 5,118-125] (15) Um Zmyrna fließt der Fluss Meles herum; unter den Strömen Asias ist er sicher der Hauptfluss. °[IG] Die zmyrnaeischen Ebenen trennt aber der Hermus ab, der sich in Dorylaum in Phrygia erhebt und Phrygia von Caria abtrennt. Dass der Hermus mit Wellen von Gold schäume, glaubte man im Altertum. (16) Zmyrna bot, wofür es besonders glänzt, dem Seher Homerus Heimat, der im 272. Jahr nach der Einnahme von Ilium (Troja)Z starb, als Agrippa Silvius,
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Tiberini filio Albae regnante, anno ante urbem conditam centesimo sexagesimo. (17) Inter quem et Hesiodum poetam, qui in auspiciis olympiadis primae obiit, centum triginta octo anni interfuerunt. In Rhoeteo litore Athenienses et Mytilenaei ad tumulum ducis Thessali Achillion oppidum condiderunt, quod propemodum interiit; (18) deinde interpositis quadraginta ferme stadiis in altero cornu eiusdem litoris ob honorem Salaminii Aiacis alterum oppidum, cui Aeantio datum nomen, Rhodii extruxerunt. (19) At iuxta Ilium Memnonis stat sepulcrum, ad quod sempiterno ex Aethiopia catervatim aves advolant, quas Ilienses Memnonias vocant. Cremutius* auctor est has easdem anno quinto in Aethiopia catervatim coire et undiqueversum, quo usquam gentium sint, ad regiam Memnonis convenire. (20) Mediterranea quae sunt supra Troadis partem Teuthrania tenet regio, quae prima Moesorum fuit patria. Haec Teuthrania perfunditur Caico flumine. (21) Per omnem Asiam chamaeleon plurimus, animal quadrupes, facie qua lacertae, nisi crura recta et longiora ventri iungerentur; prolixa cauda eademque in vertiginem torta; hamati ungues subtili aduncitate; incessus piger et fere idem qui testudinum motus; corpus asperum cute, qualem in crocodilis deprehendimus; subducti oculi et recessu concavo introrsum recepti, (22) quos numquam nictatione obnubit, visum non circumlatis pupulis, sed obtutu rigidi orbis intentat. Hiatus eius aeternus ac sine ullius usus ministerio, quippe cum neque cibum capiat neque potu alatur nec alimento alio quam haustu aeris vivat. (23) Color varius et in momenta mutabilis, ita ut cuicumque rei se coniunxerit, concolor ei fiat. Colores duo sunt quos fingere non valet, rubrus et candidus; ceteros facile mentitur. Corpus paene sine carne, vitalia sine liene nec nisi in corculo pauxillum sanguinis deprehenditur. Latet hieme, producitur vere. (24) Impetibilis est coraci, a quo cum interfectus est, victorem suum perimit interemptus; nam si
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Sohn des Tiberinus, König in Alba war, im 160. Jahr seit Gründung der Großstadt (Rom)Z. (17) Zwischen diesem (Homerus) und Hesiodus, der am Anfang der 1. OlympiadeZ starb, lagen 138 Jahre.± An der Rhoetischen Küste errichteten die Athener und Mytilenaeer bei der Grabstätte des Thessalischen Heerführers (Achilles) die Stadt Achillion, die recht weitgehend zerstört ist. (18) Danach ist in einer Entfernung von fast 40 StadienM in einem anderen Winkel derselben Küste eine andere Stadt, die zu Ehren des salaminischen Aias gebaut wurde und der der Name „Aeantium“ gegeben wurde; die Rhodii haben sie gebaut. (19) °[PL 10,74] Ganz nahe bei Ilium steht die Grabstätte des Memnon, zu der ständig aus Aethiopia Vögel in Schwärmen heranfliegen, die die Leute von Ilium „Memnoniae“ nennen. Cremutius ist der Gewährsmann dafür, dass sich eben diese Vögel jedes fünfte Jahr in Aethiopia von allen Seiten sammeln und, bei welchem Stamm auch immer sie gerade sein mögen, am Palast des Memnon zusammenkommen.± (20) Die Binnengebiete, die über einem Teil der Troas liegen, hat das Gebiet Teuthrania inne, das die erste Heimat des Moesi war. Dieses Teuthrania wird vom Fluss Caicus bewässert. Tiere [PL 8,120-122] (21) In ganz Asia ist das Chamäleon sehr häufig. Dies ist ein vierfüßiges Wesen, das wie eine Eidechse aussieht, außer dass seine geraden und längeren Beine mit seinem Bauch verbunden sind. Es hat einen langen gewundenen Schwanz, und gekrümmte Krallen mit einer feinen inneren Biegung. Es bewegt sich langsam, da es fast dieselbe Gehweise wie eine Schildkröte hat. Die Haut seines Körpers ist rau, wie wir das oben (SO XXXII 23) bei den Krokodilen bemerkt haben; seine Augen sind verborgen und in einer versunkenen Höhle nach innen zurückgezogen; (22) die Augen verdunkelt es nie durch Zwinkern, es sieht nicht durch die Bewegung seiner Pupillen, sondern indem es den Blick seiner starren Augäpfel lenkt. Es hat einen ständig offen stehenden Mund, und zwar ohne jeden Grund, da es mit ihm weder Nahrung fängt noch Flüssigkeit trinkt, sondern von keiner anderen Nahrung als dem Einatmen von Luft lebt. (23) Seine Farbe ist wechselnd und zu jedem Moment veränderlich, so dass es dieselbe Farbe wie das bekommt, mit dem es jeweils verbunden ist. Nur zwei Farben gibt es, die es nicht nachmachen kann: rot und weiß; die anderen kann es leicht imitieren. Sein Körper ist fast ohne Fleisch und die lebenswichtigen Organe haben keine Milz. Es hat sehr wenig Blut, außer in seinem Herzen. Es liegt während des Winters verborgen und kommt im Frühjahr hervor. [PL 8,101] (24) Für Raben ist es unleidlich, denn wenn es von einem Raben getötet wird, zerstört es genau den Bezwinger, der es getötet hat; wenn nämlich der Vogel
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vel modicum ales ex eo ederit, ilico moritur; sed corax habet praesidium ad medellam natura manum porrigente; nam cum adflictum se intellegit, sumpta fronde laurea recuperat sanitatem. (25) Pythonos Come in Asia locus est campis patentibus, ubi primo adventus sui tempore ciconiae advolant et eam quae ultima advenerit lancinant universae. Aves istas ferunt linguas non habere, verum sonum quo crepitant oris potius quam vocis esse. (26) Eximia illis inest pietas; etenim quantum temporis inpenderint fetibus educandis, tantum et ipsae a pullis suis invicem aluntur; ita enim inpense nidos fovent, ut incubitus adsiduitate plumas exuant. (27) Noceri eis omnibus quidem locis nefas ducunt, sed in Thessalia vel maxime, ubi serpentium immanis copia est; quos dum escandi gratia insectantur, regionibus Thessalicis plurimum mali detrahunt. (XLI 1) Galatiam primis saeculis priscae Gallorum gentes occupaverunt Tolosbogi Veturi Ambituuti, quae vocabula adhuc permanent: quamvis Galatia unde dicta sit, ipso sonat nomine. (XLII 1) Bithynia in Ponti exordio ad partem solis orientis adversa Thraciae, opulenta ac dives urbium, a fontibus Sagari fluminis primos fines habet; ante Bebrycia dicta, deinde Mygdonia, mox a Bithyno rege Bithynia. (2) In ea Prusiadem urbem et adluit Hylas flumen et perspergit Hylas lacus, in quo resedisse credunt delicias Herculi, Hylan puerum, Nymphis rapinam; in cuius memoriam usque adhuc sollemni cursitatione lacum populus circumit et Hylan voce clamant. (3) In Bithyno quoque agro Libyssa locus Nicomediae proximus, sepulcro Hannibalis famae datus; qui post
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auch nur ein wenig von ihm frisst, geht er sofort zugrunde. Der Rabe hat freilich eine Abwehr, weil ihm die Natur ihre Hand mit einem Heilmittel gereicht hat: Wenn der Rabe bemerkt, dass er betroffen ist, frisst er ein Lorbeer-Blatt und wird wieder gesund. [PL 10,62-63 und IG] (25) Pythonos Come ist ein Ort in Asia in den offenen Ebenen, wohin die Störche bei der Zeit ihrer ersten Ankunft fliegen und denjenigen, der als letzter dort ankommt, gemeinsam auseinanderreißen. Diese Vögel – so sagt man – haben keine Zungen, und der klappernde Ton, den sie machen, wird durch ihre Schnäbel, nicht aber durch ihre Stimmen erzeugt. (26) Eine außergewöhnliche Elternliebe (vgl. SO I 124) wohnt ihnen inne; dieselbe Zeitdauer nämlich, die sie für das Aufziehen ihrer Jungen brauchen, werden sie selbst dann ihrerseits von ihren eigenen Küken ernährt. °[IG] Sie schätzen ihre Nester so maßlos, dass sie vom andauernden Brüten ihre Federn verlieren.± (27) Es wird an allen Orten als eine gottlose Tat angesehen, Störchen Schaden zuzufügen, am meisten aber in Thessalia, wo es einen Überfluss an schrecklichen Schlangen gibt; diese werden verfolgen von den Störchen zum Zweck des Fressens verfolgt, womit diese viel Übel von den Thessalischen Gebieten wegnehmen.
Völker am Pontus Galatia [PL 5,146] (XLI 1) Galatia wurde in frühen Jahrhunderten von Stämmen der Gallier besetzt, nämlich den Tolosbogi, den Veturi und den Ambituuti, deren Namen bis heute erhalten sind, auch wenn es seither „Galatia“ genannt wird, klingt es mit seinem eigenen Namen. Bithynia [IG] (XLII 1) Bithynia am Eingang von Pontus gegenüber dem Gebiet der aufgehenden Sonne und gegenüber Thracia, wohlhabend und reich an Großstädten, hat von den Quellen des Flusses Sagarus an seine ersten Grenzen. Einst wurde es „Bebrycia“ genannt, dann „Mygdonia“, dann nach König Bithynus „Bithynia“. (2) In ihm bespült der Fluss Hylas die Großstadt Prusias und bewässert der Hylas-See das Land; man glaubt, dass dort der Liebling des Hercules ruht, der Knabe Hylas, der von den Nymphen geraubt wurde. Zu seinem Andenken umrundet bis heute das Volk in einer feierlichen Prozession den See und ruft mit lauter Stimme „Hylas“. (3) °[PL 5,148] Im Bithynischen Gefilde ist auch ganz nahe bei Nicomedia ein Ort namens „Libyssa“, der wegen der Grabstätte des Hannibal Ruhm erlangt hat:± Dieser floh nach seiner Verurteilung in
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Carthaginense iudicium transfuga ad regem Antiochum, dein post Antiochi apud Thermopylas pugnatam* malam1 pugnam fractumque regem fortunae vicibus in hospitium Prusiae devolutus, ne traderetur T. Quintio ob hanc causam in Bithyniam misso captivusque Romam veniret, veneni mali poculo animam expulit {et a Romanis se vinculis morte defendit} . (XLIII 1) In ora Pontica post Bospori fauces et Rhesum amnem portumque Calpas Sagaris fluvius ortus in Phrygia dictusque a plerisque Sagarius exordium facit Mariandyni sinus, in quo oppidum Heraclea adpositum Lyco flumini; et Acone portus, qui proventu malorum graminum usque eo celebris est, ut noxias herbas aconita illinc nominemus. (2) Proximus inde Acherusius specus, quem foraminis caeci profundo ad usque inferna aiunt pertendere. (XLIV 1) Paphlagoniam limes a tergo Galaticus amplectitur. Ea Paphlagonia Carambi promunturio spectat Tauricam, consurgit Cytoro monte porrecto in spatium trium et sexaginta milium, insignis loco Eneto, a quo, ut Cornelius Nepos perhibet, Paphlagones in Italiam transvecti mox Veneti sunt nominati. (2) Plurimas in ea regione urbes Milesii condiderunt, Eupatoriam Mithridates; quo subacto a Pompeio Pompeiopolis est dicta. (XLV 1) Cappadocia gentium universarum quae Pontum accolunt praecipue introversus recedit. Latere laevo utrasque Armenias et Commagenen simul transit; dextero plurimis Asiae populis circumfusa. Attollitur ad Tauri iuga et solis ortus. Praeterit Lycaoniam Pisidiam Ciliciam. (2) Vadit super tractum Syriae Antiochiae, parte regionis alterius in Scythiam pertendens, ab Armenia maiore divisa Euphrate amne; quae Armenia unde Panedri montes sunt auspicatur.
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malam codd., male Landgraf 1896, 404 (collatis Sall., Iug. 54,7; Cic. off. 3,109); Fernández Nieto 2001, 96-97.
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Carthago zu König Antiochus; nach der Niederlage des Antiochus bei den Thermopylae suchte der König, durch die Wechselfälle des Glückes entmutigt, die Gastfreundschaft von Prusias. Damit er nicht dem Titus Quintius übergeben werde, der zu diesem Zweck nach Bithynîa gesandt worden war, und nicht als Gefangener nach Rom komme, machte er mit einem Becher voll schlimmen Gift sein Leben aus {und schützte sich so durch den Tod gegen die römischen Ketten}. Pontusküste [PL 6,3-4] (XLIII 1) An der pontischen Küste ist nach der Meerenge des Bosporus, dem Rhesus-Strom und dem Hafen von Calpae der Fluss Sagaris, der sich in Phrygia erhebt und von den meisten „Sagarius“ genannt wird; er bildet den Anfang des Mariandynischen Golfs, an dem die Stadt Heraclea am Fluss Lycus sowie der Hafen Acone liegen, der berüchtigt ist, weil dort schlimmes Unkraut gedeiht, so dass wir schädliches Kraut nach diesem Ort „Aconita“ nennen. (2) Nahe gelegen ist die Acherusische Höhle, °[IG] die – wie man sagt – eine dunkle Spalte ist, die sich in der Tiefe bis hin zur Unterwelt öffnet.± Paphlagonia [PL 6,5-7] (XLIV 1) Paphlagonia wird an seiner Rückseite durch den Limes Galaticus umfasst. Dieses Paphlagonia steht mit dem Kap Carambis gegenüber von Taurica und erhebt sich zum Berg Cytorus, der sich auf eine Distanz von 63 MeilenM ausstreckt. Es ist wegen des Ortes Enetus berühmt, von dem aus – wie Cornelius Nepos festhält – die Paphlagones nach Italia hinübergingen und bald „Veneti“ genannt wurden. (2) Sehr viele Großstädte in diesem Gebiet gründeten die Milesier, Eupatoria Mithridates; als dieser von Pompeius unterworfen worden war, wurde es „Pompeiopolis“ genannt. Cappadocia [PL 6,24-25] (XLV 1) Cappadocia ist von allen Stämmen, die am Pontus wohnen, am meisten nach innen zurückgezogen. Auf der linken Seite passiert es beide Armeniae und Commagene zugleich, auf der rechten wird es von sehr vielen Völkern Asias umgeben. Es wird zu den Kämmen des Taurus und zum Aufgang der Sonne hin getragen. Es geht an Lycaonia, Pisidia und Cilicia vorbei. (2) Es verläuft oberhalb der Gegend des syrischen Antiochia, erstreckt sich mit einem Teil eines anderen Gebiets nach Scythia hin und ist von Armenia Maior durch den Euphrates-Strom getrennt; dieses Armenia beginnt, wo die Panedri-Berge sind.
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(3) Multae in Cappadocia urbes inclitae; verum ut ab aliis referamus pedem, coloniam Archelaidem, quam deduxit Claudius Caesar, Halys praeterfluit; Neocaesaream Lycus alluit; Melitam Samiramis condidit; (4) Mazacam sub Argaeo sitam Cappadoces matrem urbium numerant: qui Argaeus nivalibus iugis arduus ne aestivo quidem torrente pruinis caret quemque indidem populi habitari deo credunt. (5) Terra illa ante alias altrix equorum et proventui equino accommodissima est; quorum hoc in loco ingenium reor persequendum. (6) Nam equis inesse iudicium documentis plurimis patefactum est, cum iam aliquot inventi sunt, qui nonnisi primos dominos recognoscerent, obliti mansuetudinis, si quando mutassent consueta servitia. Inimicos partis suae norunt adeo, ut inter proelia hostes morsu petant. (7) Sed illud maius est, quod rectoribus perditis quos diligebant arcessunt fame mortem. Verum hi mores in genere equorum praestantissimo reperiuntur: nam qui infra nobilitatem sati* sunt, nulla documenta sua praebuerunt. (8) Sed ne quid videamur dicendi licentia contra fidem adrogasse, exemplum frequens dabimus. Alexandri Magni equus Bucephalus dictus sive de aspectus toruitate seu ab insigni, quod taurinum caput armo inustum habebat, seu quod de fronte eius quaedam corniculorum minae protuberabant, cum ab equario suo alias etiam molliter sederetur, accepto regio stratu1 neminem umquam alium praeter dominum vehere dignatus est. (9) Documenta eius in proeliis plura sunt, quibus Alexandrum e durissimis certaminibus sospitem ope sua extulit; quo merito effectum, ut defuncto in India exequias rex duceret et supremis sepulcrum daret, urbem etiam conderet, quam in nominis memoriam Bucephalam nominavit.
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strato ci. Chatelain 1902, 42-43.
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[PL 6,8] (3) Viele Großstädte in Cappadocia sind berühmt, aber um unseren Fuß von anderen abzuwenden (nennen wir folgendes): an der Colonia Archelais, die Claudius Caesar anlegte, fließt der Halys vorbei; Neocaesarea bespült der Lycus; Melite gründete Samiramis; (4) Mazaca, das unterhalb von Argaeus liegt, °[IG] rechnen die Cappadoces als Mutter der Großstädte; dieses Argaeus, hoch unter den schneebedeckten Kämmen, hat nicht einmal im brennenden Sommer Mangel an Reif, und die dortigen Völker glauben, es werde von einem Gott bewohnt.± Tiere [IG] (5) Dieses Land ist vor allem anderen ein Nährboden für Pferde und ist für den Pferde-Erfolg am meisten geeignet; dass deren Eigenart an dieser Stelle zu verfolgen sei, nehme ich an. (6) Dass den Pferden Urteilskraft innewohnt, ist durch sehr viele Dokumente offenbart worden, da man schon mehrere gefunden hat, die nur ihre ersten Herren anerkannten, aber ihre Zahmheit vergaßen, wenn sie etwa ihre gewohnte Herrschaft vertauschten. Die ihrer Seite feindlich Gesinnten kennen Pferde so gut, dass sie in der Schlacht die Feinde mit einem Biss angreifen. (7) Aber das ist noch größer, dass sie, wenn ihre Lenker verloren sind, die sie lieb hatten, sich selbst den Tod durch Verhungern bringen. Diese Eigenschaften findet man freilich in der hervorragendsten Art von Pferden; diejenigen, die unterhalb des Adels sind, haben keine solchen Belege geboten. (8) °[SO] Damit wir nicht scheinen, als ob wir allzu freie Ansprüche gegen die Wahrheit erheben, werden wir oft Beispiele anführen:± [PL 8,154-166] Bucephalus (griech.: „Stierkopf“), das Pferd Alexanders des Großen, wurde so entweder wegen seines wilden Äußeren oder wegen eines Körpermals genannt, das wie der Kopf eines Stiers geformt warE und auf seiner Schulter eingebrannt war, °[IG] oder wegen bestimmter kleiner Hörner, die aus seiner Stirn hervortraten, wenn er zornig war.± Während es seinem Stallmeister ruhig erlaubte, es zu reiten, ließ es sich, wenn es den königlichen Sattel trug, nicht dazu herab, irgendeinen anderen als seinen Herrn zu tragen. (9) Es gibt viele Belege dafür, dass es in Schlachten durch seine eigenen Anstrengungen Alexander sicher aus den härtesten Kämpfen heraustrug. Für diesen Dienst führte der König, als das Pferd in India starb, seinen Leichenzug an, gab ihm eine Grabstätte und gründete sogar eine Großstadt, die er zum Andenken an seinen Namen Bucephala nannte.
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(10) Equus C. Caesaris nullum praeter Caesarem dorso recepit; cuius primores pedes facie vestigii humani tradunt fuisse, sicut ante Veneris genetricis aedem hac effigie locatus est. (11) Regem Scytharum cum singulari certamine interemptum adversarius victor spoliare vellet, ab equo eius calcibus morsuque est lancinatus. Agrigentina etiam regio frequens est equorum sepulcris, quod munus supremitatis meritis datum credimus. (12) Voluptatem his inesse circi spectacula prodiderunt; quidam enim equorum cantibus tibiarum, quidam saltationibus, quidam colorum varietate, nonnulli etiam accensis facibus ad cursus provocantur. (13) Affectum equinum lacrimae probant: denique interfecto Nicomede rege equus eius vitam inedia expulit. Cum proelio Antiochus Galatas subegisset, Cintareti nomine ducis, qui in acie ceciderat, equum insilivit ovaturus isque adeo sprevit lupatos, ut de industria cernuatus ruina pariter et se et equitem adfligeret. (14) Ingenia equorum etiam Claudii Caesaris circenses probaverunt, cum effuso rectore quadrigae currus aemulos non minus astu quam velocitate praeverterent et post decursa legitima spatia ad locum palmae sponte consisterent, velut victoriae praemium postularent. (15) Excusso quoque auriga, quem Rutumannam nominabant, relicto certamine ad Capitolium quadriga prosilivit nec ante substitit quam Tarpeium Iovem trina dextratione lustrasset. (16) In huiusce animalis genere aetas longior maribus: legimus sane equum ad annos LXX1 vixisse. Iam illud non venit in ambiguum, quod in annum tertium et tricesimum generant, utpote qui etiam post vicesimum mittantur ad subolem reficiendam. Notatum etiam advertimus Opuntem nomine equum ad gregariam venerem durasse in annos quadraginta. (17) Equarum libido extinguitur iubis tonsis. In quarum partu amoris nascitur veneficium, quod in frontibus praeferunt recens editi, furvo colore, caricis simile, hippomanes nominatum; quod si praereptum statim fuerit, nequaquam mater pullo ubera praebet fellitanda. (18) Quo quis acrior fuerit speique maioris, profundius nares mersitat in bibendo. Mas ad bella numquam producitur apud Scythas, eo quod feminae exonerare vesicas etiam in fuga possunt. Edunt equae et ventis conceptos; sed hi numquam ultra triennium aevum trahunt.
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V add. Walter 1963, 139 ut emendationem haplographiae; probat Fernández Nieto 2001, 97.
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(10) Das Pferd des Gaius Caesar erlaubte niemandem außer Caesar, es zu reiten. Man sagt, dass seine Vorderhufe das Äußere von menschlichen Füßen hatten, so wie auf der Statue, die vor dem Heiligtum seiner Stammmutter Venus steht. (11) Als den König von Scythia ein Gegner in einem Zweikampf getötet hatte und als Sieger ausplündern wollte, wurde er von dessen Pferd durch die Hufe und Zähne zerfleischt. Das agrigentinische Gebiet ist voll von Pferdebestattungen. Diese Ehrung wurde – wie wir glauben – für die höchsten Verdienste verliehen. (12) °[IG] Vergnügen empfinden Pferde, wie Schaustücke im Circus gezeigt haben: Einige Pferde werden durch Flötenklang zum Laufen gebracht, manche durch Tanzen, manche durch die verschiedenen Farben und nicht wenige durch brennende Fackeln.± (13) Von der Zuneigung der Pferde zeugen Tränen: Als König Nicomedes getötet worden war, wies sein Pferd sein Leben durch Verhungern zurück. Als Antiochus die Galates im Kampf überwunden hatte, bestieg er das Pferd des Anführers namens „Cintaretus“, der im Kampf gefallen war, um zu feiern; das Pferd aber verachtete die scharfen Trensen so sehr, dass er herabfiel, und es brachte sowohl sich selbst als auch seinen Reiter gleichermaßen zum Untergang. (14) Die Talente der Pferde zeigten auch die Circusspiele des Claudius Caesar: Als der Lenker des Viergespanns herabfiel, überholten sie ihre Gegner nicht weniger durch Klugheit als durch Geschwindigkeit. Nachdem sie die korrekte Distanz überwunden hatten, hielten sie von sich aus am Platz für den Siegespreis inne, wie wenn sie den Siegespreis einforderten. (15) Als ein Wagenlenker namens „Rutumanna“ abgeworfen war, zog das Pferd unter Zurücklassung des Wettbewerbs den Wagen zum Capitol und blieb nicht eher stehen, als dass es durch dreifaches Vorbeigehen am Tarpeischen Jupiter von rechts entsühnt worden war. (16) Bei dieser Tierart leben die männlichen Tiere länger: Tatsächlich haben wir von einem Pferd gelesen, das 75 Jahre alt wurde. Es ist unzweideutig, dass sie im 33. Jahr Nachkommenschaft zeugen, insofern sie nach ihrem 20. Lebensjahr zur Zeugung von Nachkommenschaft ausgeschickt werden. Wir haben auch von einem bekannten Pferd namens „Opus“ gehört, das der Begattung der Herdentiere bis zu seinem 40. Lebensjahr diente. (17) Die Lust von weiblichen Pferden wird ausgelöscht, wenn man ihre Mähnen abschneidet. Ein Liebeselixier wird in den Stirnen von neugeborenen Fohlen erzeugt von dunkler Farbe, einer Feige ähnlich, „Hippomanes“ genannt; wenn man es sofort entreißt, wird die Mutter dem Jungen nie ihre Zitzen zum Saugen geben. (18) Je wilder und von größerer Hoffnung ein Pferd ist, desto tiefer wird es seine Nüstern beim Trinken ins Wasser tauchen. Ein männliches Pferd wird bei den Scythae nie in Kriege gebracht, weil nur die weiblichen Tiere ihre Blasen auch auf der Flucht entleeren können. Stuten bringen auch vom Wind gezeugte Nachkommenschaft hervor, doch leben diese Jungen nie länger als drei Jahre.
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Solinus
(XLVI 1) Assyriorum initium Adiabene facit; in cuius parte Arbelitis regio est, quem locum victoria Alexandri Magni non sinit praeteriri. Nam ibi copias Darii fudit, ipsum subegit expugnatisque eius castris in reliquo apparatu regis repperit scrinium unguentis refertum, unde primum Romana luxuria fecit ingressum ad odores peregrinos. (2) Aliquantisper tamen virtute veterum ab hac vitiorum inlecebra defensi sumus atque adeo in tempus censorum1 P. Crassi et C.2 Iulii Caesaris; qui edixerunt anno urbis conditae quingentesimo sexagesimo quinto, ne quis unguenta inveheret peregrina. (3) Postmodum vicerunt nostra vitia et senatui adeo placuit odorum delicia, ut ea etiam in poenalibus tenebris uteretur: sicut L. Plotium fratrem Planci bis consulis proscriptum a triumviris in Salernitana latebra unguenti odor prodidit. (4) Hos terrarum ductus excipit Media, cuius arbor inclaruit etiam carminibus Mantuanis. Ingens ipsa et cui tale ferme quale unedonibus folium est; tantum eo differt, quod aculeatum spinulentis fastigiis hispida3 turgescat. Malum inimicum venenis, sapore asperum et amaritudinis merae, odoris autem fragrantia plus quam iucundum longeque sensibile. (5) Verum pomo illius tanta ubertas inest, ut onere proventus semper gravetur: nam protinus atque poma eius deciderunt maturitate, alia protuberant, eaque tantum est opimitati mora, ut fetus decidant ante nati. (6) Usurpare sibi nemora ista optaverunt et aliae nationes per industriam germinis transferendi, sed beneficium soli Mediae datum natura resistente terra alia non potuit mutuari.
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tempus censorum codd., censura Chatelain 1902, 43. L. ci. Fernández Nieto 2001, 97 (cum Plinio). 3 hispida turgescat codd. plurimi, hispidatur. Gestat Schmid 1937, 463; probat Fernández Nieto 2001, 97. 2
XLVI
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Assyria bis Bactria Adiabene [PL 6,41] (XLVI 1) Den Anfang der Assyrii macht Adiabene, in dessen Teil das arbelitische Gebiet ist; dass man diesen Ort übergeht, lässt der Sieg Alexanders des Großen nicht zu. [PL 13,3] Hier nämlich schlug er die Truppen des Darius in die Flucht, unterwarf ihn selbst und fand, nachdem er sein Lager erobert hatte, unter den übrigen Besitztümern des Königs ein mit Salben vollgefülltes Kästchen, womit erstmals der römische Luxus in Kontakt zu fremden Parfümen trat. [PL 13,24-25] (2) Eine Zeitlang waren wir durch die Tugend der Alten vor diesen Verlockungen der Laster gefeit, und zwar sogar noch zur Zeit der Censoren Publius Licinius Crassus und Gaius Iulius Caesar, die im 565. Jahr seit Gründung der Großstadt (Rom)Z durch ein Edikt verboten, dass jemand fremde Salben einführe. (3) Später siegten unsere Laster und selbst dem Senat gefielen die Freuden der Parfüme so sehr, dass man sie auch bei finsteren Straftaten nutzte: so bei Lucius Plotius, dem Bruder des zweimaligen Consul Plancus, den als einen von den Triumvirn Proskribierten in seinem salernitanischen Unterschlupf das Parfüm seiner Salbe verriet. Pflanze [SO] (4) An diesen Landstrich schließt sich Media an, dessen Baum (Zitrone) auch wegen der mantuanischen Gedichte (Vergil, Georgica II 126-135) berühmt geworden ist. Riesig ist er selbst, und seine Blätter sind denen einer Meerkirsche ähnlich; nur darin unterscheiden sie sich, dass sie mit spitzen Stacheln bewehrt sind. Er trägt Früchte, die gegen Gifte wirksam sind. [PL 12,15-16] Sie haben einen rauen Geschmack, so bitter wie unvermischter Wein. Ihr Duft aber ist mehr als angenehm und von weither wahrnehmbar. (5) Die Fruchtbarkeit ist so groß, dass der Baum immer von der Last seiner Früchte niedergedrückt wird, denn sobald diese reifen und herabfallen, wachsen andere. Dieser Überfluss hat nur folgende Verzögerung: Die Früchte müssen herabfallen, bevor andere wachsen können. (6) Andere Völkerschaften hätten diese Bäume gern selbst anbauen wollen, indem sie Sprösslinge zu sich brachten, aber die reichliche Gabe, die dem medischen Boden gegeben ist, zu übernehmen hat durch den Widerstand der Natur ein anderes Land nicht vermocht.
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Solinus
(XLVII 1) Portae Caspiae panduntur itinere manu facto longo octo milibus passuum; nam latitudo vix est plaustro permeabilis. In his angustiis etiam illud asperum, quod praecisorum laterum saxa liquentibus inter se salis venis exundant humorem affluentissimum, qui constrictus vi caloris velut in aestivam glaciem corporatur: ita labes invia accessum negat. (2) Praeterea octo et viginti milium passuum tractus omnis, quoquo inde pergatur humo arida, sine praesidio sitit. Tunc serpentes undique gentium convenae a verno statim die illuc confluunt. Ita periculi ac difficultatis concordia ad Caspios nisi hieme accessus negatur. (XLVIII 1) A Caspiis ad orientem versus locus est, quod Direum appellatur, cuius ubertati non est quippiam quod comparari queat. Quem locum circumsident Lapyri, Narici et Hyrcani. (2) Ei proximat Margine regio inclita caeli ac soli commodis, adeo ut in toto illo latifundio vitibus sola gaudeat. In faciem theatralem montibus clauditur, ambitu stadiorum mille quingentorum, paene inaccessa ob incommodum harenosae solitudinis, quae per centum et viginti milia passuum undiqueversum circumfusa est. (3) Regionis huius amoenitatem Alexander Magnus usque adeo miratus est, ut ibi primum Alexandriam conderet; quam mox a barbaris excisam Antiochus Seleuci filius reformavit et de nuncupatione domus suae dixit Seleuciam; cuius urbis circuitus diffunditur in stadia septuaginta quinque. In hanc Orodes Romanos captos Crassiana clade deduxit. (4) Et aliud in Caspiis Alexander oppidum excitarat idque Heraclea dictum dum manebat; sed hoc quoque ab iisdem eversum gentibus, deinde ab Antiocho restitutum, ut ille maluit, Achaïs postmodum nominatum est.
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Caspische Tore [PL 6,43] (XLVII 1) Die Caspischen Tore erstrecken sich durch einen von Hand gemachten Weg über 8 MeilenM, denn ihre Breite ist kaum für einen Wagen durchfahrbar. An diesen Engstellen ist auch schwierig, dass die Felsen der steilen Seiten aufgrund der sich verflüssigenden Salz-Adern reichlich Feuchtigkeit ausschwitzen, die dann durch die Kraft der Hitze wie zu Sommereis erstarrt. So verwehrt der unwegsame Hohlweg den Zugang. (2) Außerdem ist über 28 MeilenM die ganze Gegend, in welche Richtung man auch weitergeht, von trockenem Boden und ohne Schutz durstig. Dann kommen Schlangen als Ankömmlinge von überallher aus den Stämmen gleich nach dem Tag des Frühlingsbeginns hier zusammen. So verweigert die Eintracht von Gefahr und Schwierigkeit den Zugang zu den Caspii, wenn nicht ohnehin durch den Winter der Zugang verwehrt wird. Direus [PL 6,46] (XLVIII 1) Von den Caspii in Richtung Osten ist ein Ort, der „Direus“ genannt wird und mit dessen Fruchtbarkeit überhaupt nichts verglichen werden kann. Um diesen Ort herum siedeln die Lapyri, Narici und Hyrcani. Margine [PL 6,46-48] (2) Ihm nahe ist das Gebiet Margine, berühmt wegen der Vorteile des Himmels (Klimas) und des Bodens, und zwar so sehr, dass in dieser ganzen Länderei sie sich als einzige der Weinreben erfreut. In der Form eines Theaters wird sie durch Berge in einem Umfang von 1500 StadienM eingeschlossen und ist infolge der unbequemen sandigen Einöde fast unzugänglich, die sie für 120 MeilenM auf jeder Seite umgibt. (3) Die Lieblichkeit dieses Gebiets bewunderte Alexander der Große so sehr, dass er dort das erste Alexandria gründete; als es bald von den Barbaren zerstört worden war, errichtete Antiochus, der Sohn des Seleucus, es erneut und nannte es nach der Benennung seines Hauses „Seleucia“; der Umfang dieser Großstadt dehnt sich auf 75 StadienM aus. In sie brachte Orodes die Römer, die er nach der Crassus-Niederlage gefangen genommen hatte. (4) Auch eine andere Stadt im Gebiet der Caspii gründete Alexander, die Heraclea hieß, solange sie bestand; aber auch sie wurde von denselben Stämmen zerstört, dann von Antiochus wieder aufgebaut und nach dessen Willen dann „Achaï“ genannt.
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Solinus
(XLIX 1) Oxus amnis oritur de lacu Oaxo, cuius oras hinc inde Bateni et Oxistacae accolunt; sed praecipuam partem Bactri tenent. Bactris praeterea est proprius amnis Bactros: unde et oppidum quod incolunt Bactrum. (2) Gentis huius quae pone sunt, Propanisi iugis ambiuntur; quae adversa, Indi fontibus terminantur; reliqua includit Ochus flumen. (3) Ultra hos Panda oppidum Sogdianorum, in quorum finibus Alexander Magnus tertiam Alexandriam condidit ad contestandos itineris sui terminos. (4) Hic enim locus est, in quo primum a Libero patre, post ab Hercule, deinde a Samiramide, postremo etiam a Cyro arae sunt constitutae, quod proximum gloriae omnes duxerunt illo usque promovisse itineris sui metas. (5) Universi eius ductus dumtaxat ab illa terrarum parte Laxates fluvius secat fines, quem tamen Laxaten soli vocant Bactri; nam alii Scythae Silim nominant. Hunc eundem esse Tanaïn exercitus Alexandri Magni crediderunt; verum Demodamas dux Seleuci et Antiochi, satis idoneus vero auctor, transvectus amnem istum, titulos omnium supergressus est aliumque esse quam Tanaïn deprehendit. (6) Ob cuius gloriae insigne dedit nomini suo, ut altaria ibi strueret Apollini Didymaeo. Hoc est conliminium, in quo limes Persicus Scythis iungitur; quos Scythas Persae lingua sua Sacas dicunt et invicem Scythae Persas Chorsacos nominant montemque Caucasum Croucasim, id est nivibus candicantem. (7) Densissima hic populorum frequentia cum Parthis legem placiti ab exordio moris incorrupta custodit disciplina: e quibus celeberrimi sunt Massagetae et Essedones, Satarchae et Apalaei. (8) Post quos, immanissimis barbaris interiacentibus, de ritu aliarum nationum paene inconstanter definitum advertimus.
XLIX
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Bactria [PL 6,48-51] (XLIX 1) Der Oxus-Fluss erhebt sich vom Oaxus-See, an dessen Ufer hier und dort die Bateni und die Oxistacae siedeln; den Hauptteil aber haben die Bactri inne. Die Bactri haben außerdem einen eigenen Fluss, den Bactros, nach dem auch die Stadt, die sie bewohnen, Bactrus heißt. (2) Von diesem Stamm werden diejenigen, die hinten sind, durch die Bergketten des Propanisus umfasst, und diejenigen, die gegenüber sind, durch die Quellen des Indus begrenzt; die anderen schließt der Ochus-Fluss ein. (3) Jenseits von ihnen ist Panda, eine Stadt der Sogdiani, an deren Grenzen Alexander der Große das dritte Alexandria gründete, um die Wendemarken seines Zuges zu bezeugen. (4) Hier ist nämlich der Ort, an dem erst von Liber Pater (Bacchus), dann von Hercules, dann von Samiramis und schließlich auch von Cyrus Altäre aufgestellt worden sind, die es alle für das Ruhmvollste hielten, dass sie die Wendesäulen ihres Zuges bis dorthin vorangebracht hatten. (5) Von jenem ganzen Landstrich bildet der Laxates-Fluss, soweit er in jenem Teil der Länder ist, die Grenzen, den allein die Bactri „Laxates“ nennen; die anderen Scythae bezeichen ihn nämlich als „Silis“. Dass eben dieser der Tanaïs sei, glaubten die Armeen Alexanders des Großen, doch Demodamas, ein Feldherr von Seleucus und Antiochus und auch ein recht geeigneter Gewährsmann, der diesen Strom durchquert hatte, ging weiter als all diese Titel und entdeckte, dass er ein anderer Fluss als der Tanaïs sei. (6) Wegen dieses Ruhms gab er seinem Namen die Auszeichnung, dass er dort Altäre für Apollo Didymaeus errichtete. Dies ist die gemeinsame Grenzlinie, an der die persische Grenze mit den Scythae zusammenkommt; die Perser nennen diese Scythae in ihrer Sprache „Sacae“ und umgekehrt nennen die Scythae die Perser „Chorsaci“ und den Caucasus-Berg „Croucasis“, das ist „schneeweiß“. (7) Eine sehr dichte Zahl von Völkern beachtet hier dasselbe Recht wie die Parther vom Anfang der vereinbarten Gebräuche mit unverdorbener Disziplin. °[SO] Von diesen sind die berühmtesten die Massagetae und die Essedones, die Satarchae (vgl. PL 6,22) und die Apalaei (vgl. SO XIX 3). (8) Nach diesen wenden wir uns, weil sich die wildesten Barbaren dazwischen werfen, den fast unbeständigen Gegebenheiten über die Gebräuche anderer Völkerschaften zu.±
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Solinus
(9) Bactri camelos fortissimos mittunt, licet et Arabia plurimos gignat; verum hoc differunt, quod Arabici bina tubera in dorso habent, singula Bactriani. Hi numquam pedes atterunt: sunt enim illis reciprocis quibusdam pulmunculis vestigia carnulenta. Unde et contraria est labes ambulantibus nullo favente praesidio ad nisum insistendi. Habentur in duplex ministerium: sunt alii oneri ferundo accommodati, alii perniciores; sed nec illi ultra iustum pondera recipiunt nec isti amplius quam solita spatia volunt egredi. (10) Geniturae cupidine efferantur adeo, ut saeviant cum venerem requirunt. Oderunt equinum genus. Sitim etiam in quadriduum tolerant; verum cum occasio bibendi data est, tantum implentur, quantum et satiet desideria praeterita et in futurum diu prosit. (11) Lutulentas aquas captant, puras refugiunt; denique nisi caenosior liquor fuerit, ipsi adsidua proculcatione limum excitant, ut turbidetur. Durant in annos centum, nisi forte translati in peregrina insolentia mutati aeris morbos trahant. (12) Ad bella feminae praeparantur inventumque est ut desiderium eis coitionis quadam castratione execaretur: putant enim fieri validiores, si coitibus arceantur.
XLIX
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Tiere [PL 8,67-68] (9) Die Bactri bringen die stärksten Kamele hervor; obwohl auch Arabia viele gebiert, unterscheiden sie sich doch insofern, als die arabischen je zwei Höcker auf dem Rücken haben, die bactrianischen nur je einen. °[PL 11,254] Sie nutzen ihre Füße nie ab; es gibt bei ihnen nämlich in bestimmten rückwärtsgewandten Lappen fleischige Sohlen. Daraus ergibt es ein umgekehrtes Problem, wenn sie laufen, da es keinen unterstützenden Schutz für den Druck beim Stehen gibt.± Man hält sie für zwei Dienste: Einige sind für das Tragen von Lasten geeignet, andere schneller; jene werden aber keine Last aufnehmen, die mehr als angemessen ist, diese keine Distanz überwinden wollen, die größer als gewohnt ist. (10) Sie werden durch die Begierde nach Paarung so wild, dass sie wüten, wenn sie die Begattung erlangen wollen. Sie hassen das Pferdegeschlecht. Durst halten sie vier Tage lang aus, aber wenn die Gelegenheit zum Trinken gegeben ist, nehmen sie so viel auf, wie für die Sättigung ihrer vorhergehenden Entbehrung gebraucht wird und auch lange in die Zukunft hinein nützlich ist. (11) Sie suchen nach schlammigen Gewässern und lehnen reine ab; wenn dann die Flüssigkeit nicht schon recht schmutzig ist, wirbeln sie selbst den Schlamm durch eifriges Trampeln auf, damit sie trüb wird. Sie werden 100 Jahre alt, °[IG] es sei denn, dass sie in eine ungewohnte Fremde gebracht worden sind und Krankheiten aus der veränderten Luft bekommen.± (12) Zur Kriegführung werden die weiblichen Tiere vorbereitet; man hat herausgefunden, dass ihr Wunsch nach Paarung durch eine bestimmte Kastration entfernt werden kann. Sie glauben nämlich, dass die Tiere stärker werden, wenn sie an der Paarung gehindert werden.
(L 1) Qua ab Scythico oceano et mari Caspio in oceanum Eoum cursus inflectitur, ab exordio huiusce plagae profundae nives, mox longa deserta, post Anthropophagi gens est asperrima, dein feris spatia obsita ferme dimidiam itineris partem inpenetrabilem reddiderunt. (2) Quarum difficultatum terminum facit iugum mari imminens, quod Tabin barbari dicunt: post quae adhuc longinquae solitudines. Sic in tractu eius orae, quae spectat aestivum orientem, post inhumanos situs primos hominum Seras cognoscimus, qui aquarum aspergine inundatis frondibus vellera arborum adminiculo depectunt liquoris et lanuginis teneram subtilitatem umore domant ad obsequium. (3) Hoc illud est sericum in usum publicum damno severitatis admissum et quo ostendere potius corpora quam vestire primo feminis, nunc etiam viris luxuriae persuasit libido. Seres ipsi quidem mites et inter se quietissimi, alias vero reliquorum mortalium coetus refugiunt, adeo ut ceterarum gentium commercia abnuant. (4) Primum eorum fluvium mercatores ipsi transeunt, in cuius ripis nullo inter partes linguae commercio, sed depositarum rerum pretia oculis aestimantibus sua tradunt, nostra non emunt. (LI 1) Sequitur Attacenus sinus et gens hominum Attacorum, quibus temperies praerogativa miram aeris clementiam subministrat. Arcent sane adflatum noxium colles, qui salubri apricitate undique secluso obiecti prohibent auras pestilentes; atque ideo – ut Amometus adfirmat – par illis et Hyperboreis genus vitae est. Inter hos et Indiam gnarissimi1 Ciconas locaverunt.
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i add. Walter 1963, 139; probat Fernández Nieto 2001, 97.
ÖSTLICHER BIS SÜDLICHER OZEAN Seres
KÜSTE
[PL 6,53-55] (L 1) Wo der Kurs sich vom Scythischen Ozean und vom Caspischen Meer zum Eoischen (Östlichen; s. o. SO XXIII 17) Ozean wendet, gibt es am Anfang dieser Himmelsregion tiefen Schnee, bald weitläufige verlassene Gebiete, dann Anthropophagi (vgl. SO XV 4), einen sehr wilden Stamm; darauf ist der Raum von wilden Tieren besetzt und so fast die Hälfte der Strecke undurchdringbar gemacht. (2) Das Ende dieser Schwierigkeiten bildet ein Bergrücken, der über das Meer hinüberhängt und den die Barbaren „Tabis“ nennen; auch danach gibt es noch weitreichende Einöden. So kennen wir in der Gegend jener Küste, die zum Nordosten blickt, nach den unmenschlichen Gegenden als erste Menschen die Seres (s. o. SO XV 4), die bei den Blättern die Vliese der Bäume, die von Wassertropfen überschwemmt sind, mittels der Flüssigkeit abkämmen und den feinen Flaum durch die Feuchtigkeit zur Dienstbarkeit zwingen. (3) Das eben ist die Seide, die zum Schaden der Strenge für eine allgemeine Anwendung zugelassen ist und durch die es die Lust am Luxus geschafft hat, zunächst die Körper der Frauen eher zur Schau zu stellen als zu bekleiden, °[SO] jetzt sogar die der Männer.± Die Seres selbst sind sanft und untereinander sehr friedliebend und meiden die Zusammenkunft mit den übrigen Sterblichen so sehr, dass sie den Handel mit anderen Stämmen zurückweisen. (4) Über den ersten ihrer Flüsse °[PL 6,88] reisen die Händler hinüber; an seinen Ufern verkaufen sie ihre Waren ohne mündlichen Wortwechsel zwischen den Parteien, sondern durch Beurteilung des Werts der dort aufgestellten Dinge mit ihren Augen, kaufen unsere aber nicht.±
Attacenischer Golf und Ciconae [PL 6,55] (LI 1) Es folgen der Attacenische Golf und der Menschenstamm der Attacori, denen eine privilegierte Temperiertheit eine wundersame Milde der Luft zuteil werden lässt. Tatsächlich werden schädliche Winde von Hügeln abgewehrt, die durch gesunde Sonnenwärme zu allen Seiten hin aufgestellt ungesunde Lüfte verhindern; und so ist – wie Amometus versichert – ihr Lebensstil dem der Hyperborei (s. o. SO XVI 1-16) gleich. Zwischen diesen und India haben die kenntnisreichsten Autoren die Ciconae lokalisiert.
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Solinus
(LII 1) A Mediis1 montibus auspicatur India, a meridiano mari porrecta ad eoum. Favonii spiritu saluberrima. in anno bis aestatem habet, bis legit frugem, vice hiemis etesias patitur. (2) Hanc Posidonius adversam Galliae statuit. Sane nec quicquam ex ea dubium: nam Alexandri Magni armis comperta et aliorum postmodum regum diligentia peragrata penitus cognitioni nostrae addicta est. (3) Megasthenes sane apud Indicos reges aliquantisper moratus res Indicas scripsit, ut fidem, quam oculis subiecerat, memoriae daret. Dionysius quoque, qui et ipse a Philadelpho rege spectator missus, gratia periclitandae veritatis paria prodidit. (4) Tradunt ergo in India fuisse quinque milia oppidorum praecipua capacitate, populorum novem milia. Diu etiam credita est tertia pars esse terrarum. Nec mirum sit vel de hominum vel de urbium copia, cum soli Indi numquam a natali solo recesserint. (5) Indiam Liber pater primus ingressus est, utpote qui omnium primus triumphavit. Ab hoc ad Alexandrum Magnum numerantur annorum sex milia quadringenti quinquaginta unus additis et amplius tribus mensibus, habita per reges conputatione, qui centum quinquaginta tres tenuisse medium aevum deprehenduntur.
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Ab Emodis ci. Salmasius 1629, 78 (cum Plinio); probat Fernández Nieto 2001, 97.
LII
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India Lage [PL 6,56-57] (LII 1) Von den medischen (emodischen?) Bergen an beginnt India, das sich vom Südlichen bis zum Eoischen Meer ausstreckt. Wegen des Wehens des Favonius-WindesW ist es äußerst gesund. Pro Jahr hat es zweimal Sommer, zweimal bringt es Ernte ein, erträgt aber auch die EtesiaeW (Passatwinde) des Winters. (2) Posidonius meint, dass es gegenüber von Gallia liegt. Entdeckung [PL 6,58] Tatsächlich ist daran nichts zweifelhaft, denn India wurde von den Waffen Alexanders des Großen entdeckt, später durch den Fleiß anderer Könige durchforscht und so ganz unserer Kenntnis hinzugefügt. (3) Tatsächlich hielt sich Megasthenes eine Zeitlang bei den indischen Königen auf und schrieb „Res Indicae“ (Indische Angelegenheiten), um so, was er mit eigenen Augen gesehen hatte, der Nachwelt zu überliefern. Auch Dionysius, der seinerseits von König Philadelphus als Kundschafter entsandt worden war, um die Wahrheit zu erproben, überlieferte Gleiches. Größe [PL 6,59] (4) Sie berichten also, dass es in India 5000 Städte von beachtlicher Größe und 9000 Völker gibt. Lange galt es auch als ein Drittel der Welt. Man mag sich über die Menge an Menschen und Großstädten nicht wundern, da allein die Indi nie von ihrem heimischen Boden fortgezogen sind. Alter [PL 7,191 und 8,4] (5) Nach India kam als erster Liber Pater (Bacchus), wie er ja auch erste war, der einen Triumph abhielt. [PL 6,59] Von ihm bis zu Alexander dem Großen zählt man 6451 Jahre und 3 Monate; man berechnet dies anhand der Könige, deren 153 in der Zwischenzeit geherrscht haben, wie man herausgefunden hat.
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(6) Maximi in ea amnes Ganges et Indus. Quorum Gangen quidam fontibus incertis nasci et Nili modo exultare contendunt; alii volunt a Scythicis montibus exoriri. (7) Hypanis etiam ibi nobilissimus fluvius, qui Alexandri Magni iter terminavit, sicuti arae in ripa eius positae probant. Minima Gangis latitudo per octo milia passuum, maxima per viginti patet; altitudo, ubi vadosissimus est, mensuram centum pedum devorat. (8) Gangarides extimus est Indiae populus; cuius rex equites mille, elephantos septingentos, peditum sexaginta milia in apparatu belli habet. (9) Indorum quidam agros exercent, militiam plurimi, merces alii; optimi ditissimique res publicas curant, reddunt iudicia, adsident regibus. Quietum {ðQuintum}1 ibi eminentissimae sapientiae genus est ? vita repletos incensis rogis mortem accersere. (10) Qui vero ferociori sectae se dediderunt et silvestrem agunt vitam, elephantos venantur, quibus perdomitis ad mansuetudinem aut arant aut vehuntur. (11) In Gange insula est populosissima, amplissimam continens gentem, quorum rex peditum quinquaginta milia, equitum quattuor milia in armis habet. Omnes sane, quicumque praediti sunt regia potestate, non sine maximo elephantorum, equitum etiam peditumque numero militarem agitant disciplinam. (12) Prasia gens validissima. Palibothram urbem incolunt, unde quidam gentem ipsam Palibothros nominaverunt. Quorum rex sescenta milia peditum, equitum triginta milia, elephantorum octo milia omnibus diebus ad stipendium vocat. (13) Ultra Palibothram mons Malleus, in quo umbrae hieme in septemtriones, aestate in austros cadunt, vicissitudine hac durante mensibus senis. Septemtriones
———————————— 1 quietum codd. plurimi, quintum codex editions alterae (cum Plinio), quod probat Chatelain 1902, 43, Fernández Nieto 2001, 97.
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Flüsse [PL 6,62-65] (6) Die größten Flüsse darin sind der Ganges und der Indus. Dass von diesen der Ganges aus unbekannten Quellen entspringt und in der Art des Nil über die Ufer tritt, behaupten manche; andere ziehen es vor zu glauben, dass er in den Scythischen Bergen beginnt. (7) Der Hypanis ist auch dort ein sehr berühmter Fluss; der Zug Alexanders des Großen endete hier, wie Altäre, die an seinem Ufer errichtet sind, bezeugen. Die kleinste Breite des Ganges misst 8 und die größte 20 MeilenM; die Tiefe beträgt, wo er am seichtesten ist, 100 FußM. Sitten und Gebräuche [PL 6,66] (8) Die Gangarides sind das am weitesten entfernte Volk von India; ihr König hat 1000 Reiter, 700 Elefanten und 60 000 Fußsoldaten in seinem Kriegsapparat. (9) Manche von den Indi betreiben Ackerbau, die meisten Militärdienst, andere Handel; die Besten und Wohlhabendsten kümmern sich um den Staat (respublica): Sie sprechen Recht und sitzen den Königen bei. Es gibt dort eine ruhige Art von sehr herausragender Weisheit; wenn sie ihr Leben erfüllt haben, entzünden sie Scheiterhaufen und bringen sich den Tod. (10) Diejenigen, die sich einer wilderen Denkrichtung widmen und ihr Leben im Wald führen, jagen Elefanten; wenn diese zur Zahmheit bezwungen worden sind, pflügen sie entweder Felder oder ziehen Lasten. (11) Im Ganges gibt es eine äußerst volkreiche Insel, die einen sehr großen Stamm enthält; deren König hat 50 000 Fußsoldaten und 4000 Reiter unter Waffen. °[SO] Tatsächlich betreiben alle, die mit königlicher Macht begabt sind, nicht ohne eine große Zahl von Elefanten, Reitern und auch Fußsoldaten die militärische Disziplin.± [PL 6,68-69] (12) Der Prasische Stamm ist sehr mächtig. Sie bewohnen die Großstadt Palibothra, nach der manche den Stamm selbst „Palibothri“ genannt haben. Deren König ruft täglich 600 000 Fußsoldaten, 30 000 Reiter und 8000 Elefanten zum Wehrdienst. Berg Malleus (13) Jenseits von Palibothra ist der Berg Malleus, auf dem im Winter die Schatten nach Norden, im Sommer zu den Auster-WindenW hin fallen, wobei dieser Wechsel jeweils sechs Monate dauert. Die SeptemtrionesS sind in dieser
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in eo tractu in anno semel nec ultra quindecim dies parent, sicut auctor est Baeton, qui perhibet hoc in plurimis Indiae locis evenire. (14) Indo flumini proximantes versa ad meridiem plaga ultra alios torrentur calore; denique vim sideris prodit hominum color. (15) Montana Pygmaei tenent. At hi quibus est vicinus Oceanus sine regibus degunt. Pandaea gens a feminis regitur, cui reginam primam adsignant Herculis filiam. (16) Et Nysa urbs regioni isti datur, mons etiam Iovi sacer, Meros nomine, in cuius specu nutritum Liberum patrem veteres Indi adfirmant; ex cuius vocabuli argumento lascivienti famae creditur Liberum femine natum. (17) Extra Indi ostium sunt insulae duae Chryse et Argyre adeo fecundae copia metallorum, ut plerique eas aurea sola habere prodiderint et argentea. (18) Indis omnibus promissa caesaries, non sine fuco caerulei aut crocei coloris. Cultus praecipuus in gemmis. (19) Nullus funerum apparatus. Praeterea – ut Iubae et Archelai regum libris editum est – in quantum mores populorum dissonant, habitus quoque discrepantissimus: (20) alii lineis, alii laneis peplis vestiuntur, pars nudi, pars obscaena tantum amiculati, plurimi etiam flexibilibus libris circumdati. Quidam populi adeo proceri, ut elephantos velut equos facillima insultatione transiliant. (21) Plurimis placet neque animal occidere neque vesci carnibus. Plerique tantum piscibus aluntur et mari vivunt. (22) Sunt qui proximos parentesque priusquam annis aut aegritudine in maciem eant, velut hostias caedunt, deinde peremptorum viscera epulas habent: quod ibi non sceleris, sed pietatis loco numerant. (23) Sunt etiam qui, cum incubuere morbi, procul a ceteris in secreta abeunt nihil anxie mortem expectantes.
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Gegend nur einmal jährlich und dann für nicht mehr als 15 Tage sichtbar, wofür Baeton der Gewährsmann ist, der auch angibt, dass dies in den meisten Teilen Indias geschehe. Indus [PL 6,70-80] (14) Die dem Indus-Fluss in der nach Mittag gewandten Himmelsregion am nächsten Siedelnden, jenseits der anderen, sind durch die Hitze versengt; die Farbe der Leute offenbart die Gewalt des Gestirns. (15) Die Berggebiete besitzen die Pygmaei. Die Leute, denen der Oceanus benachbart ist, leben ohne Könige. Der Pandaeische Stamm wird von Frauen beherrscht; man sagt, dass für ihn die erste Königin eine Tochter des Hercules gewesen sei. (16) Auch die Großstadt Nysa gibt es in diesem Gebiet, ebenso einen dem Jupiter heiligen Berg namens „Meros“, °[ME 3,66] in dessen Höhle Liber Pater (Bacchus) aufgezogen worden sei, wie die alten Indi angeben; aufgrund dieses Wortes glaubt man der übermütigen Sage, dass Liber aus Jupiters Schenkel (griech.: meros) geboren wurde.E± (17) Außerhalb der Indus-Mündung gibt es zwei Inseln, Chryse (griech.: „die Goldene“) und Argyre (griech.: „die Silberne“), die an einem Überfluss von Metallen so reich sind, dass sehr viele Leute überliefert haben, sie hätten Böden aus Gold und SilberE. Sitten und Gebräuche [ME 3,63-64] (18) [IG] Alle Indi haben langes fließendes Haar, nicht ohne Färbung in himmelblauer oder safrangelben Farbe. Schmuck ist vor allem aus Edelsteinen. (19) Es gibt keinen Aufwand bei Begräbnissen. Außerdem sind – wie in den Büchern der Könige Iuba und Archelaus dargelegt wird –± in dem Maße, in dem sich die Gebräuche der Völker unterscheiden, auch die Gewänder völlig verschieden. (20) Einige kleiden sich in Gewänder aus Leinen, andere in solche aus Wolle; ein Teil ist nackt, ein anderer bedeckt nur die Geschlechtsteile. Die meisten bekleiden sich auch mit biegsamem Bast. Einige Völker sind so groß gewachsen, dass sie mit einem sehr leichten Sprung über Elefanten wie über Pferde springen können. (21) Viele von ihnen finden keinen Gefallen daran, ein Tier zu töten oder Fleisch zu essen. Die Mehrheit ernährt sich nur von Fisch und lebt vom Meer. (22) Es gibt Leute, die ihre Verwandten und Eltern, bevor diese durch das Alter oder durch eine Krankheit verdorren, wie Opfertiere schlachten; dann nutzen sie das Fleisch der Getöteten als Speise – und das zählt man dort nicht als Verbrechen, sondern als Elternliebe (pietas). (23) Es gibt auch Leute, die bei einer Erkrankung weit weg von den anderen zu einem verborgenen Ort gehen, um dort ohne Angst den Tod zu erwarten.
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(24) Astacanorum gens laureis viret silvis, lucis buxeis: vitium vero et arborum universarum, quibus Graecia dulcis est, proventibus copiosissima. (25) Philosophos habent Indi – gymnosophistas vocant –, qui ab exortu ad usque solis occasum contentis oculis orbem candentissimi sideris contuentur in globo igneo rimantes secreta quaedam harenisque ferventibus perpetem diem alternis pedibus insistunt. (26) Ad montem, qui Nulo dicitur, habitant quibus aversae plantae sunt et octoni digiti in plantis singulis. (27) Megasthenes per diversos Indiae montes esse scribit nationes capitibus caninis, armatas unguibus, amictas vestitu tergorum, ad sermonem humanum nulla voce, sed latratibus tantum sonantes rictibusque. (28) Apud Ctesiam legitur quasdam feminas ibi semel parere natosque canos ilico fieri; esse rursum gentem alteram, quae in iuventa cana sit, nigrescat in senectute, ultra aevi nostri terminos perennantem. (29) Legimus monocolos quoque ibi nasci singulis cruribus et singulari pernicitate, qui ubi defendi se velint a calore, resupinati plantarum suarum magnitudine inumbrentur. (30) Gangis fontem qui accolunt, nullius ad escam opis indigi odore vivunt pomorum silvestrium longiusque pergentes eadem illa in praesidio gerunt, ut olfactu alantur. Quod si taetriorem spiritum forte traxerint, exanimari eos certum est. (31) Perhibent esse et gentem feminarum, quae quinquennes concipiant, sed ultra octavum annum vivendi spatium non protrahant. (32) Sunt qui cervicibus carent et in umeris habent oculos. Sunt qui silvestres, hirti corpora, caninis dentibus, stridore terrifico.
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Astacani [PL 6,79] (24) Das Gebiet des Astacani-Stammes grünt mit Wäldern aus Lorbeer- und mit Hainen aus Buchsbäumen; von Weinreben und allen Bäumen, die in Griechenland angenehm sind, hat es für Ankömmlinge übergenug. Philosophen [PL 7,22] (25) Philosophen haben die Indi – sie nennen sie Gymnosophisten –, die von Sonnenauf- bis -untergang mit festem Blick der Augen den Kreis des hellsten Gestirn betrachten, um in jenem feurigen Ball nach bestimmten Geheimnissen zu suchen; dabei stehen sie den ganzen Tag auf brennendem Sand, abwechselnd auf einem Fuß. Monströse Stämme [PL 7,22-30+] (26) Am Berg, der „Nulo“ genannt wird, wohnen Leute, denen die Füße rückwärts gewandt sind – mit jeweils acht Zehen an jedem Fuß. (27) Megasthenes schreibt, es gebe in verschiedenen Bergen Indias einige Völkerschaften mit hundeartigen Köpfen, mit Krallen bewaffnet, mit Fellgewändern bekleidet, in Bezug auf die menschliche Sprache ohne Stimme, sondern nur mit Bellen und offenem Mund tönend. (28) Bei Ctesias liest man, dass manche Frauen dort nur einmal gebären und dass die Kinder dort sofort grauhaarig werden; es gebe aber umgekehrt einen Stamm, der in der Jugend grauhaarig ist (vgl. PL 7,12), erst mit dem Alter schwarz wird und viele Jahre über die Grenze unserer Lebensspanne hinaus lebt. (29) Wir lesen auch, dass die Monocoli dort geboren würden, mit nur einem Bein und mit einzigartiger Schnelligkeit, die sich, wenn sie sich gegen die Hitze schützen möchten, auf ihren Rücken legen und mit der Größe ihrer Füße beschatteten. (30) Die bei der Quelle des Ganges leben, brauchen keine Speisen zum Essen, sondern leben vom Geruch der Waldfrüchte; wenn sie sich weiter entfernen, tragen sie einige davon in einer Schutzhülle mit, um sich durch den Geruch zu ernähren. Wenn sie zufällig schlechte Luft einatmen, ist es sicher, dass sie sterben. (31) Man gibt auch an, dass es einen Stamm von Frauen gibt, die im Alter von fünf Jahren empfangen, aber den Zeitraum ihres Lebens nicht über das achte Lebensjahr hinaus ausdehnen. (32) Es gibt manche, die keine Hälse und die Augen an ihren Schultern haben. Es gibt manche, die in den Wäldern leben, mit haarigen Körpern, Zähnen wie Hunde und einem furchterregenden Knurren.
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apud eos vero, quibus ad vivendi rationem exactior cura est, multae uxores in eiusdem viri coeunt matrimonium, et cum maritus homine decesserit, apud gravissimos iudices suam quaeque de meritis agunt causam, et quae officiosior ceteris sententia vicerit iudicantium, hoc palmae refert praemium, ut arbitrio suo ascendat rogum coniugis et supremis eius semet ipsam det inferias; ceterae nota vivunt. (33) Enormitas in serpentibus tanta est, ut cervos et animantium alia ad parem molem tota hauriant, quin etiam oceanum Indicum quantus est penetrent insulasque magno spatio a continenti separatas pabulandi petant gratia. Idque ipsum palam est non qualibet magnitudine evenire, ut per tantam sali latitudinem ad loca permeent destinata. (34) Sunt illic multae ac mirabiles bestiae, quarum e multitudine et copia vel particulam persequemur. Leucrocota velocitate praecedit feras universas; ipsa asini feri magnitudine, cervi clunibus, pectore ac cruribus leonis, capite melium, bisulca ungula, ore ad usque aures dehiscente, dentium locis osse perpetuo. Haec quod ad formam: nam voce loquentium hominum sonos aemulatur. (35) Est et eale, alias ut equus, cauda elephanti, nigro colore, maxillis aprugnis, praeferens cornua ultra cubitalem modum longa ad obsequium cuius velit motus accommodata; neque enim rigent sed moventur, ut usus exigit proeliandi; quorum alterum cum pugnat protendit, alterum replicat, ut si ictu aliquo alterius acumen offenderit, acies succedat alterius. Hippopotamis comparatur, et ipsa sane aquis fluminum gaudet. (36) Indicis tauris color fulvus est, volucris pernicitas, pilus in contrarium versus, hiatus omne quod caput. Hi quoque circumferunt cornua flexibilitate qua volunt. Tergi duritia omne telum respuunt et tam inmiti feritate, ut capti animas proiciant furore.
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Sitten und Gebräuche [IG] Unter denen aber, die größere Pflichtbewusstheit für ihr Lebenssystem aufbringen, gibt es viele Ehefrauen, die mit ein- und demselben Mann verheiratet sind; wenn der Ehemann stirbt, legt jede vor den bedeutendsten Richtern ihre Verdienste dar – und diejenige, die nach dem Richterspruch pflichtbewusster war als die anderen und so obsiegt, erhält als Siegespreis, dass sie aus eigenem Willen den Scheiterhaufen ihres Ehemanns besteigt und sich selbst als Opfer für seine Begräbnisriten darbietet; die anderen bleiben am Leben, stehen aber in schlechtem Ruf. Tiere: Land, Wasser, Luft [IG] (33) Die Größe der Schlangen ist so enorm, dass sie Hirsche und andere Lebewesen von vergleichbarer Größe ganz verschlucken; außerdem dringen sie, soweit wie der Indische Oceanus reicht, in die Inseln ein, die vom Festland durch eine großen Distanz getrennt sind, um dort Nahrung zu suchen. Es ist offenkundig, dass es nicht durch irgendeine Größe dazu kommt, dass sie durch eine so große Meeresbreite zu bestimmten Zielorten gelangen. [PL 8,72-76] (34) °[SO] Es gibt dort (auf dem Land) viele wunderbare Untiere, aus deren großer Zahl wir einige untersuchen wollen:± Der Leucocrota übertrifft alle wilden Tiere an Geschwindigkeit; er hat die Größe eines Wildesels, die Hüften eines Hirschs, die Brust und die Schenkel eines Löwen, das Haupt eines Dachses, gespaltene Hufe, einen Mund, der von Ohr zu Ohr offen steht, und anstelle von Zähnen einen durchgehenden Knochen. Das ist es, was seine Gestalt betrifft; in der Stimme imitiert er die Töne von sprechenden Menschen. (35) Es gilt auch das Eale-Tier, sonst wie ein Pferd, aber es hat den Schwanz eines Elefanten, ist von schwarzer Farbe und hat Kiefer wie ein Eber. An der Stirn trägt es Hörner, die mehr als 1 ElleM lang sind und jeder von ihm gewollten Bewegung angepasst sind; sie sind nämlich nicht starr, sondern können bewegt werden, wie ihr Gebrauch beim Kämpfen es erfordert; wenn es kämpft, schiebt es ein Horn hervor, das andere zieht es zurück, so dass, wenn etwa durch einen Schlag die Spitze von einem beschädigt ist, die Schärfe des anderen ihm nachfolgt. Man hat es mit dem Hippopotamus (Nilpferd, s. o. SO XXXII 30) verglichen; tatsächlich freut es sich über Flusswasser. (36) Indische Stiere haben eine gelbbraune Farbe, eine flinke Gewandtheit und nach rückwärts gewandtes Haar; ganz Maul ist ihr Kopf. Auch sie tragen Hörner von einer beliebigen Drehbarkeit. Die Härte ihrer Haut weist alle Speere zurück und sie sind von solch ungezähmter Wildheit, dass sie in Gefangenschaft aus Wut ihre Seele aushauchen.
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(37) Mantichora quoque nomine inter haec nascitur, triplici dentium ordine coeunte vicibus alternis, facie hominis, glaucis oculis, sanguineo colore, corpore leonino, cauda velut scorpionis aculeo spiculata, voce tam sibila ut imitetur modulos fistularum {tubarumque concinentum}. (38) Humanas carnes avidissime affectat. Pedibus sic viget, saltu sic potest, ut morari eam nec extentissima spatia possint nec obstacula latissima. Sunt praeterea boves unicornes {et tricornes} solidis ungulis nec bifissis. (39) Sed atrocissimus est monoceros, monstrum mugitu horrido, equino corpore, elephanti pedibus, cauda suilla, capite cervino. (40) Cornu e media fronte eius protenditur splendore mirifico, ad magnitudinem pedum quattuor, ita acutum ut quicquid impetat, facile ictu eius perforetur. Vivus non venit in hominum potestatem et interimi quidem potest, capi non potest. (41) Aquae etiam gignunt miracula non minora. Anguillas ad tricenos pedes longas educat Ganges. Quem Statius Sebosus inter praecipua miracula ait vermibus abundare caeruleis nomine et colore. Hi bina habent brachia longitudinis cubita non minus sena, adeo robustis viribus, ut elephantos ad potum ventitantes mordicus conprehensa ipsorum manu rapiant in profundum. (42) Indica maria balaenas habent ultra spatia quattuor iugerum, sed et quos physeteras nuncupant. qui enormes supra molem ingentium columnarun ultra antemnas se navium extollunt haustosque fistulis fluctus ita eructant, ut nimbosa adluvie plerumque deprimant alveos navigantium. (43) Sola India mittit avem psittacum colore viridem torque puniceo, cuius rostri tanta duritia est, ut cum e sublimi praecipitat in saxum, nisu se oris excipiat et quodam quasi fundamento utatur extraordinariae firmitatis; (44) caput vero tam valens, ut si quando ad discendum plagis sit admonendus – nam studet ut quod homines loquatur –, ferrea clavicula sit verberandus. Dum in pullo est atque adeo intra alterum aetatis suae annum quae monstrata sunt et citius discit et retinet tenacius; paulo senior
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(37) Auch das Tier namens „Mantichora“ wird unter ihnen geboren, mit einer dreifachen Reihe von abwechselnd miteinander verbundenen Zähnen, dem Gesicht eines Menschen, blaugrauen Augen, eine blutroten Farbe, dem Körper eines Löwen, einem Schwanz, der wie der Stachel eines Skorpions gespitzt ist und einer so zischenden Stimme, dass sie die Melodien von Pfeifen {und das Tönen von Trompeten} imitiert. (38) Es ist sehr begierig nach menschlichem Fleisch. Auf seinen Füßen ist es so stark und hat solche Kraft in seinem Sprung, dass weder die unermesslichsten Räume noch die breitesten Hindernisse es aufhalten können. Es gibt außerdem einhörniges {und dreihörniges} Vieh mit festen Hufen, nicht gespalten. (39) Aber der entsetzlichste von allen ist der Monoceros, ein Ungeheuer von schrecklichem Brüllen, mit dem Körper eines Pferdes, den Füßen eines Elefanten, dem Schwanz eines Schweins und dem Haupt eines Hirsches. (40) Ein Horn ragt aus seiner Stirn hervor, von wunderbarem Glanz und mit einer Länge von 4 FußM, so spitz, dass alles, was es angreift, durch seinen Schlag leicht durchstoßen wird. Es kommt nicht lebendig in die Verfügungsmacht von Menschen und kann zwar getötet, aber nicht gefangen werden. [PL 9,4] (41) °[SO] Auch die Gewässer generieren nicht geringere Wunder:± Anguillae (Aale) von 30 FußM Länge bringt der Ganges hervor. °[PL 9,46] Statius Sebosus führt unter den besonderen Wundern an, dass dieser Fluss an Würmern Überfluss hat, die sowohl im Namen als auch in der Farbe blau sind. Sie haben zwei Arme von nicht weniger als je 6 EllenM Länge und von so großer Kraft, dass sie Elefanten, die zum Trinken kommen, mit einem Biss in die Rüssel ergreifen und in die Tiefe wegschleppen.± (42) Die indischen Meere haben Balaenae (Walfische), die einen Raum von mehr als 400 FußM lang sind, °[PL 9,8] die sie aber „Physeterae“ nennen. Diese sind gewaltiger als die Masse von mächtigen Säulen. Sie erheben sich über die Masten von Schiffen und entladen aus ihren Rohren eine solche zuvor eingesogene Flut, dass sie häufig mit ihren regnerischen Überschwemmungen die Schiffe der Seeleute versenken.± [PL 10,117-119+] (43) Allein India bringt den (Luft-)Vogel Psittacus (Papagei) hervor, von grüner Farbe mit einem hellroten Halsreif, dessen Schnabel von solcher Härte ist, dass er, wenn er sich von oben auf einen Felsen herabstürzt, diesen durch die Kraft seines Schnabels abbricht und ihn wie ein Fundament von außerordentlicher Festigkeit einsetzt. (44) Sein Kopf ist so stark, dass er, wenn man ihn zum Lernen mit einem Schlag ermahnen will – er müht sich nämlich, wie ein Mensch zu sprechen –, mit einer kleinen Eisenstange geschlagen werden muss. Solange er ein Küken ist und noch unterhalb seines zweiten Lebensjahres, lernt er, was ihm gezeigt wird, rascher und behält es fester; wenn er ein wenig
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et obliviosus est et indocilis. (45) Inter nobiles et ignobiles discretionem digitorum facit numerus; qui praestant, quinos in pedes habent digitos, ceteri ternos. lingua lata multoque latior quam ceteris avibus; unde perficitur, ut articulata verba penitus eloquatur. Quod ingenium ita Romanae deliciae miratae sunt, ut barbari psittacos mercem fecerint. (46) Indorum nemora in tam proceram sublimantur excelsitatem, ut transiaci ne sagittis quidem possint. (47) Pomaria ficus habent, quarum codices in orbem spatio sexaginta passuum extuberantur; ramorum umbrae ambitu bina stadia consumunt; foliorum latitudo formae Amazonicae peltae conparatur; pomum eximiae suavitatis. (48) Quae palustria sunt, harundinem creant ita crassam, ut fissis internodiis lembi vice vectitet navigantes. E radicibus eius umor dulcis exprimitur ad melleam suavitatem. (49) Tylos Indiae insula est; ea fert palmas, oleam creat, vineis abundat. Terras omnes hoc miraculo sola vincit, quod quaecumque in ea arbos nascitur, numquam caret folio. (50) Ibi mons Caucasus, qui maximam orbis partem perpetuis iugis penetrat, fronte qua soli obversus est arbores piperis ostentat, quas ad iuniperi similitudinem diverse fructus edere adseverant. (51) Qui paene inmaturi exeunt, {eorum qui primus erumpit velut corylorum fimbria} dicitur piper longum; quod incorruptum est, {qui deinde caducus torretur fervido solo,} piper album; quorum cutem rugosam et torridam calor fecerit, nomen trahunt de colore. {1 at qui ex ipsa arbore stringitur, ut est, album piper dicitur. (52) sed ut piper sola India, ita et hebenum sola mittit; nec tamen universa, verum exigua sui parte silvas hoc genus gignit. arbor est. plerumque tenuis et frequentior vimine raro, in crassitudinem codicis extuberata, hiulco cortice et admodum reticulato dehiscentibus venis, adeo ut per ipsos sinus pars intima vix tenui libro contegatur. (53) lignum omne atque mediale? eadem ferme et facie et nitore, qui est in lapide gagate. Indi reges ex eo sceptra sumunt et quascumque deorum imagines non nisi ex hebeno habent. (54) iidem ferunt materie ista liquorem noxium non contineri et quidquid maleficium
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51 at ... 54 honorantur add. codices editionis alterae.
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älter ist, wird er sowohl vergesslich als auch unbelehrbar. (45) Den Unterschied zwischen edlen und unedlen macht die Zahl der Zehen: Herausragend sind die, die je fünf Zehen haben; die übrigen haben nur je drei. Die Zunge ist breit, weitaus breiter als die anderer Vögel; daher kommt es, dass er Wörter ganz klar auszusprechen vermag. °[SO] Dieses Talent haben die römischen Luxuswesen so bewundert, dass die Barbaren einen Handel mit Psittaci trieben.± Pflanzen [PL 12,20-40] (46) °[PL 7,21] Die Haine der Indi werden zu einer so großen Höhe erhoben, dass man über sie hinüber nicht mit Pfeilen schießen kann.± (47) Sie haben Obstgärten von Feigenbäumen, deren Stämme ringsherum auf einen Raum von 60 DoppelschrittM aufgeschwollen sind; die Schatten der Zweige bedecken in jede Richtung 2 StadienM; die Breite ihrer Blätter ist mit der von Amazonenschildern zu vergleichen; ihre Frucht ist von einer herausragenden Süße. (48) °[PL 16,162] Es gibt Sümpfe, die so dicke Schilfrohre hervorbringen, dass diese zwischen den Knoten gespaltet werden und Seeleuten als Boote dienen können.± Aus ihren Wurzeln wird eine angenehme Flüssigkeit ausgepresst, so süß wie Honig. (49) Tylos ist eine Insel Indias; sie trägt Palmen, erzeugt Öl und hat Überfluss an Weinreben. Sie übertrifft als einzige alle Länder mit dem Wunder, dass jeder Baum, der auf ihr wächst, nie ohne Blätter ist. (50) Dort ist der Caucasus-Berg, der in den größeren Teil des Erdkreises mit seinen fortlaufenden Kämmen eindringt: Auf der Seite, die der Sonne gegenübersteht, weist er Pfefferbäume auf, die – wie man behauptet – dem Wacholder ähnlich sind, aber andere Früchte hervorbringen. (51) Diejenige, die fast unreif abgeht {und von denen der erste, der heraustritt, wie eine Franse des Haselnussstrauches sprießt}, wird „langer Pfeffer“ genannt, weil er unverdorben ist, {der danach abfallende, der von der glühenden Sonne versengt wird,} „weißer Pfeffer“, dessen runzelige Haut die Hitze auch verbrannt machen könnte, erhält den Namen nach der Farbe. {Der aber, der vom Baum selbst abgezogen wird, heißt, wie er ist, „weißer Pfeffer“. (52) So, wie nur India Pfeffer erzeugt, lässt auch nur es Ebenholz wachsen, und zwar bringt diese Art nicht überall, sondern nur in einem kleinen Teil von ihm Wälder hervor. Der Baum ist größtenteils zart gewachsen und hat oft nur wenige Äste, ist zur Dicke eines Stamms angeschwollen und hat eine so durchbrochene, ganz netzartige Rinde, dass durch deren Öffnungen der innere Teil nur ein wenig bedeckt ist. (53) Das ganze innere Holz ist vom Erscheinungsbild und Glanz dasselbe, das im Gagates-Stein (s. o. SO XXII 19) ist. Die indischen Könige nehmen daraus ihre Zepter, und ihre Götterbilder sind aus nichts Anderem als Ebenholz. (54) Sie geben an, dass durch dieses Material schädliche Flüssigkeit nicht behalten wird und dass jeder Schadensversuch, der
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fuerit, tactu eius averti. hac gratia pocula ex hebeno habent. ita nihil mirum, si peregre sit in pretio, quod etiam ipsi quibus provenit honorantur.} (55) (52) Hebenum ex India Mithridatico triumpho Romae primum Magnus Pompeius exhibuit. Mittit India et calamos odoratos {potentes adversum intestinae aegritudinis incommoda} et multa alia fragrantia mirifici spiritus suavitate. (56) (53) Indicorum lapidum in adamantibus dignitas prima, utpote qui lymphationes abigunt, venenis resistunt, mentium vanos metus pellunt. (57) (54) Haec primum de his praedicari oportuit, quae respicere ad utilitatem videbamus; nunc reddemus quae adamantium sint species et quis color cuique. Eximius in quodam crystalli genere invenitur, materiae* in qua nascitur adaeque similis splendore liquidissimo, in mucronem sexangulum utrimque secus leviter turbinatus nec umquam ultra magnitudinem nuclei Abellani repertus. (58) (55) huic proximus in excellentissimo auro deprehenditur, pallidior ac magis ad argenti colorem renitens. Tertius in venis cypri1 apparet, propior ad aeream faciem. Quartus in metallis ferrariis legitur, pondere ceteros antecedens, non tamen et potestate. (59) (56) Nam et hic et qui in cypro deprehenduntur frangi queunt, plerique etiam adamante altero perforantur. At illi quos primos significavimus nec ferro vincuntur nec igni domantur; verum tamen si diu in sanguine hircino macerentur, non aliter quam si calido vel recenti, malleis aliquot ante fractis et incudibus dissipatis aliquando cedunt atque in particulas dissiliunt. Quae fragmenta scalptoribus in usum insigniendae cuiusce modi gemmae expetuntur. (60) (57) Inter adamantem et magnetem est quaedam naturae occulta dissensio, adeo ut iuxta positus non sinat magnetem rapere ferrum vel si admotus magnes ferrum traxerit, quasi praedam quandam adamans magneti rapiat atque auferat.
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Cypri et Cypro terminos non technicos, sed geographicos (pro insula Cypro) esse ci. Fernández Nieto 2001, 97.
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geschieht, durch die Berührung damit abgewendet wird. Dessentwegen haben sie Becher aus Ebenholz. So ist es kein Wunder, wenn es auch andernorts von hohem Wert ist, weil diejenigen, bei denen es entsteht, es in Ehren halten.} (55) Ebenholz hat aus India im Triumph über Mithridates in Rom zuerst Pompeius Magnus zur Schau gestellt. °[PL 12,204] India bringt auch duftende Rohre hervor, die gegen die Unannehmlichkeiten innerer Krankheiten wirksam sind,± °[SO] und viele andere Duftstoffe mit wunderbar süßem Duft.± Steine [PL 37,56-61] (56) Unter den indischen Steinen ist der erste Rang bei den Adiamantes (Diamanten), weil sie Wahnsinn vertreiben, Giften widerstehen und leere Ängste aus dem Sinn vertreiben. (57) °[SO] Dies als erste über sie zu sagen gehört sich, was wir als zum praktischen Gebrauch geeignet ansahen; jetzt wollen wir darauf zurückkommen, was die Erscheinungsform und was die Farbe der Diamanten ist:± Eine herausragende Sorte wird in einer bestimmten Art von Kristall gefunden, der Substanz, in der sie geboren wird, gleich und im äußerst flüssigen Glanz ähnlich; sie wird an beiden Seiten zu einer sechseckigen Spitze kegelförmig geglättet; nie findet man Steine, die über die Größe eines HaselnussKerns hinausgehen. (58) Am nächsten steht diesem die Art, die man in herausragendstem Gold findet, bleicher und eher silberfarben glänzend. Die dritte Art erscheint in Kupferadern und ist der Erscheinungsform von Erz näher. Die vierte wird aus Eisenmetallen gesammelt; sie übertrifft andere im Gewicht, aber nicht in der Kraft. (59) Sowohl diese als auch die in Kupfer gefundene Art kann man nämlich zerbrechen; größtenteils können sie auch von einem anderen Diamanten durchstoßen werden. Diejenigen aber, die wir zuerst erwähnt haben, werden nicht vom Eisen besiegt und auch nicht vom Feuer überwunden, doch geben sie, wenn man sie lange in Ziegenblut eingeweicht hat und nachdem man zuvor mehrere Hämmer und Ambosse zerbrochen und vernichtet hat, schließlich nach und spalten sich in Partikel auf. Diese Bruchstücke sind unter Steinschneidern gefragt, die sie verwenden, um Edelsteine aller Art zu gravieren. (60) Zwischen dem Diamanten und dem Magnetstein gibt es eine bestimmte verborgene Uneinigkeit der Natur, so sehr, dass ein Diamant, der neben einem Magnetstein liegt, diesem nicht erlaubt, Eisen anzuziehen, oder wenn der Magnetstein bereits Eisen an sich gezogen hat, ihm wieder wie Beute entreißt und wegträgt.
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(61) (58) Lychniten perinde fert India, cuius lucis vigorem flagrantia excitat lucernarum, qua ex causa lychniten Graeci vocaverunt. (62) (59) Duplex ei facies: aut in purpurae emicat claritatem aut meracius suffunditur cocci rubore, per omne intimum sui, si quidem pura sit, inoffensam admittens perspicuitatem; at si excanduit radiis solis incita vel ad calorem digitorum attritu excitata est, aut palearum cassa aut chartarum fila ad se rapit; (63) (60) contumaciter scalpturis resistens ac si quando insignita est, dum signa exprimit, quasi quodam animali morsu partem cerae retentat. (64) (61) Beryllos in sexangulas formas Indi atterunt, ut hebetem coloris lenitatem angulorum repercussu excitent ad vigorem. Beryllorum genus dividitur in speciem multifariam: eximii intervirente glauci et caeruli temperamento quandam praeferunt puri maris gratiam. (65) (62) Infra hos sunt chrysoberylli, qui languidius micantes nube aurea circumfunduntur. Chrysoprasos quoque, ex auro et porraceo mixtam lucem trahentes, aeque beryllorum generi adiudicaverunt. (66) (63) Hyacinthizontas, scilicet qui hyacinthos prope referant, et ipsos probant. Eos vero, qui crystallis similes capillamentis intercurrentibus obscurantur – hoc enim vitio illorum nomen est –, scientissimi lapidum plebi dederunt. (67) (64) Indici reges hoc genus gemmas in longissimos cylindros amant fingere eosque perforatos elephantorum setis suspendunt ac monilia habent, vel plerumque ex utroque capite insertis aureis umbilicis incendunt ad nitellam pinguiorem, ut per industriam metallo hinc inde addito fulgentiorem trahant lucem.
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[PL 37,103-104] (61) Den Lychnites bringt India auf gleiche Weise hervor, dessen Leuchtkraft die Flammen von Lampen anregt; aus diesem Grund nannten die Griechen ihn „lychnites“ („Leuchtstein“).E (62) Er hat zwei Erscheinungsformen: Entweder verströmt er eine purpurrote Helligkeit oder er ist unverdünnter mit einer scharlachroten Farbe gefüllt. Wenn er rein ist, lässt er eine ununterbrochene Klarheit in sich, und wenn er, von den Strahlen der Sonne angeregt, aufflammt oder aber durch Reiben mit den Fingern erhitzt wird, zieht er leere Spreu und Papyrusfäden an sich. (63) Störrisch widersetzt er sich dem Steinschneiden; wenn er je graviert wird, dann hält das Siegel, wenn man es ins Wachs drückt, einen Teil davon zurück wie mit einer Art tierischem Biss. [PL 37,76-78] (64) Die Berylle schleifen die Indi in sechseckige Formen, damit sie die stumpfe Milde der Farbe durch die Spiegelung der Winkel zur Kraft anregen. Die Art der Berylle wird in vielfache Erscheinungsformen eingeteilt: Die herausragendsten scheinen mit einer grau- und himmelblauen Farbe, wobei eine grüne Färbung dazwischen schimmert, und zeigen so eine gewisse Eleganz des reinen Meeres. (65) Unterhalb von diesen sind die Chrysoberylle, die dumpfer funkeln und ringsherum mit einer goldenen Bewölkung umgeben sind. °[PL 37,113] Auch die Chrysoprasi (vgl. PL 37,77), die ein gemischtes Licht von Gold und Lauchfarben aufweisen, beurteilt man als der Art von Beryllen gleichrangig.± (66) Die Hyacinthizontes, die nämlich an Hyacinthen erinnern, schätzt man ebenfalls. Diejenigen aber, die den Kristallen ähnlich sind, aber mit laufenden Fasern verdunkelt werden – dies nämlich ist der Name ihres Fehlers – haben die Weisesten der Plebs der Steine zugewiesen. (67) Die indischen Könige lieben es, bei dieser Art die Edelsteine in sehr lange Zylinder zu formen; man hängt sie, nachdem sie durchbohrt wurden, an die Borsten von Elefanten und verwendet sie als Halsband, oder erhöht sie, indem man sie beiderseits der Köpfe mit goldenen Buckeln zu einem reicheren Glanz entzündet, damit durch die Leistung des Metalls die Steine hier und dort ein funkelnderes Licht erstrahlen lassen.
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(LIII 1) Taprobanem insulam, antequam temeritas humana exquisito penitus mari fidem panderet, diu orbem alterum putaverunt et quidem quem habitare Antichthones* crederentur. Verum Alexandri Magni virtus ignorantiam publici erroris non tulit ulterius permanere, sed in haec usque secreta propagavit nominis sui gloriam. (2) Missus igitur Onesicritus praefectus classis Macedonicae terram istam, quanta esset, quid gigneret, quomodo haberetur, exquisitam notitiae nostrae dedit. Patet in longitudinem stadiorum septem milia, in latitudinem quinque milia. (3) Scinditur amni interfluo. Nam pars eius bestiis et elephantis repleta est maioribus multo quam fert India; partem homines tenent. margaritis scatet et gemmis omnibus. Sita est inter ortum et occasum. Ab eoo mari incipit praetenta Indiae. (4) A Prasia Indorum gente dierum viginti primo in eam fuit cursus, sed cum papyraceis et Nili navibus illo pergeretur; mox cursu nostrarum navium septem dierum iter factum est. (5) Mare vadosum interiacet altitudinis non amplius senum passuum, certis autem canalibus depressum adeo, ut nullae umquam ancorae ad profundi illius fundamenta potuerint pervenire. (6) Nulla in navigando siderum observatio: utpote ubi septemtriones nequaquam videntur vergiliaeque nunquam apparent. Lunam ab octava in sextam decimam tantum supra terram vident. (7) Lucet ibi canopos sidus clarum et amplissimum. Solem orientem dextra habent, occidentem sinistra. Observatione itaque navigandi nulla suppetente, ut ad destinatum pergentes locum capiant, vehunt alites, quarum meatus terram petentium magistros habent cursus regendi. Quaternis non amplius mensibus in anno navigatur.
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Entdeckung [PL 6,81] (LIII 1) Die Insel Taprobane hat man, bevor der menschliche Wagemut nach der gründlichen Erforschung des Meeres die Wahrheit offenbart hatte, lange für einen anderen Erdkreis gehalten und gemeint, dass die Antichthonen dort wohnen. Aber der Mut Alexanders des Großen ertrug nicht, dass die Unwissenheit dieses verbreiteten Irrtums weiter bestünde; er erweiterte vielmehr den Ruhm seines Namens bis in diese verborgenen Orte. (2) Entsandt wurde deshalb Onesicritus, der Kommandant der macedonischen Flotte; wie groß dieses Land ist, was es hervorbringt und in welcher Weise es innegehabt wird, erforschte er und brachte es uns zur Kenntnis. Allgemeines [PL 6,81] Es misst in der Länge 7000 StadienM und in der Breite 5000. (3) Es wird durch einen hindurchfließenden Fluss geteilt. Ein Teil von ihm ist nämlich voll mit Untieren und Elefanten, die weitaus größer als diejenigen sind, die India trägt. Den anderen Teil haben Menschen inne. Er ist voll mit Perlen und allen Edelsteinen. Gelegen ist es zwischen Sonnenauf- und -untergang. Vom Eoischen Meer beginnt er und ist nach India ausgestreckt. Überfahrten [PL 6,82-85] (4) Vom prasischen Stamm der Indi dauert die Reise dorthin zunächst 20 Tage, aber da man dort mit Papyrus- und Nilschiffen unterwegs war, wurde bald durch die Fahrt unserer Schiffe der Weg in sieben Tage gemacht. (5) Ein seichtes Meer liegt dazwischen, nicht mehr als 6 DoppelschrittM tief, doch so sehr durch bestimmte Kanäle ausgegraben, dass nie irgendwelche Anker den Boden seiner Tiefe erreichen können. (6) Keinerlei Sternenbeobachtung gibt es bei der Schifffahrt, weil man die SeptemtrionesS nirgends dort sehen kann und die VergiliaeS nie erscheinen. Den Mond sieht man nur vom achten bis zum 16. Tag über dem Land. (7) Es leuchtet dort der Canopus-SternS hell und sehr groß. Die aufgehende Sonne haben sie rechts, die untergehende links. Da keine Beobachtung der Schifffahrt zur Verfügung steht, haben sie, damit sie auf ihrer Reise zum Bestimmungsort gelangen, Vögel dabei, deren Flug auf der Suche nach Land sie als Lehrer für die Ausrichtung ihres Kurses haben. In nicht mehr als je vier Monaten pro Jahr gibt es Schifffahrt.
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(8) In Claudii principatum de Taprobane haec tantum noveramus; tunc enim fortuna patefecit scientiae viam latiorem. Nam libertus Annii Plocami, qui tunc Rubri maris vectigal administrabat, Arabiam petens, aquilonibus praeter Carmaniam raptus, quinto decimo demum die adpulsus est ad hoc litus portumque advectus qui Hippuros nominatur. (9) Sex deinde mensibus sermonem perdoctus admissusque ad conloquia regis quae compererat reportavit. (10) Stupuisse scilicet regem pecuniam quae capta cum ipso erat, quod tametsi signata disparibus foret vultibus, tamen parem haberet modum ponderis; cuius aequalitatis contemplatione cum Romanam amicitiam flagrantius concupivisset, Rachia* principe legatos ad nos usque misit, a quibus cognita sunt universa. (11) Ergo inde homines corporum magnitudine omnes homines antecedunt; crines fuco inbuunt, caeruleis oculis ac truci visu, terrifico sono vocis. (12) Quibus inmatura mors est in annos centum aevum trahunt; aliis omnibus annosa aetas et paene ultra humanam extenta fragilitatem. (13) Nulli aut ante diem aut per diem somnus. {noctis partem quieti destinant, lucis ortum vigilia antevertunt.} Aedificia modice ab humo elevata. Annona eodem semper tenore. Vites nesciunt; pomis abundant. Colunt Herculem. (14) In regis electione non nobilitas praevalet, sed suffragium universorum. Populus enim eligit spectatum moribus et inveterata clementia, etiam annis gravem. (15) Sed hoc in eo quaeritur, cui liberi nulli sunt; nam qui pater fuerit, etiamsi vita spectetur, non admittitur ad regendum; et si forte dum regnat pignus sustulit, exuitur potestate; idque eo maxime custoditur, ne fiat hereditarium regnum. (16) Deinde etiamsi rex maximam praeferat aequitatem, nolunt ei totum licere: triginta1* ergo rectores accipit, ne in causis capitum solus iudicet; quamquam sic quoque si displicuerit iudicatum, ad populum provocatur atque ita datis iudicibus septuaginta fertur sententia, cui
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quadraginta codd., triginta Mommsen (cum Martian. Capell.)
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(8) Bis zum Principat des Claudius wussten wir über Taprobane nur dies; dann öffnete Fortuna einen breiteren Weg zum Wissen: Ein Freigelassener des Annius Plocamus, der damals die Steuereinnahmen aus dem Roten Meer verwaltete, wurde auf dem Weg nach Arabia von den Aquilo-WindenW vor Carmania ergriffen, am 15. Tag schließlich an diese Küste angetrieben und zum Hafen gebracht, der „Hippuros“ genannt wird. (9) Sechs Monate lang lernte er dann die Sprache, wurde zu Gesprächen mit dem König zugelassen und berichtete, was er erfahren hatte. (10) Erstaunt gewesen sei der König über das Geld, das mit ihm erbeutet worden war, weil es mit ungleichen Gesichtern geprägt war, aber jeweils dasselbe Gewicht hatte. Da er nach Betrachtung dieser Gleichheit die Freundschaft mit Rom umso eifriger begehrte, sandte er unter Führung des Rachias Botschafter zu uns, von denen dann alles bekannt wurde. Sitten und Gebräuche [PL 6,88-91] (11) Dort nämlich übertreffen die Menschen an Körperlänge alle anderen Menschen. Sie weichen ihr Haar mit Färbemittel ein, haben himmelblaue Augen, sind von der Haltung her wild, und der Ton ihrer Stimmen ist Furcht erregend. (12) Die, denen ein vorzeitiger Tod zuteil wird, ziehen ihre Lebenszeit nur auf 100 Jahre hin, alle anderen haben ein höheres Alter, das fast jenseits der menschlichen Gebrechlichkeit ausgedehnt ist. (13) Es gibt einen Schlaf vor dem Tagesbeginn oder untertags. {Einen Teil der Nacht widmen sie der Ruhe, dem Aufgang des Lichts kommen sie mit Wachsein zuvor.} Ihre Gebäude sind nur bescheiden über dem Boden erhoben. Der Preis des Getreides ist immer fest. Sie kennen keine Weinreben; an Obst haben sie Überfluss. Sie verehren den Hercules. König [PL 6,89-91] (14) Bei der Wahl des Königs herrscht nicht der Adel vor, sondern es gilt die Stimme von allen. Das Volk wählt einen Mann von erprobtem Charakter und altgewohnter Milde, der auch selbst an Lebensjahren reich ist. (15) Aber das Folgende wird in ihm gesucht: dass er keine Kinder hat. Wenn nämlich jemand ein Vater ist, wird er – selbst wenn sein Leben geprüft worden ist – nicht zur Herrschaft zugelassen, und wenn er etwa ein Kind zeugt, während er herrscht, wird er der Macht beraubt; das wird dort am meisten beachtet, damit die Königsherrschaft nicht erblich wird. (16) Selbst wenn der König die größte Gerechtigkeit zeigt, wollen sie ihm nicht alles erlauben: 40 Lenker („rectores“) nimmt er auf, damit er bei Kapitalverbrechen nicht alleiniger Richter ist; außerdem wird auch so ein Urteil, wenn es missfällt, vor das Volk gebracht und so von 70 bestimmten Richtern ein Urteil gefällt, dem man sich
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necessario adquiescitur. (17) Cultu rex dissimili a ceteris vestitur syrmate, ut est habitus, quo Liberum patrem amiciri videmus. (18) Quod si etiam ipse in peccato aliquo arguitur, morte multatur: non tamen ut cuiusquam attrectetur manu, sed consensu publico rerum omnium interdicta ei facultate; etiam conloquii potestas punito denegatur. (19) Culturae student universi. Venatibus indulgent nec plebeias agunt praedas, quippe cum tigrides aut elephanti tantum requirantur. (20) Maria quoque piscationibus inquietant marinasque testudines capere gaudent, quarum tanta est magnitudo, ut superficies earum domum faciat et numerosam familiam non arte receptet. (21) Maior pars insulae huius calore ambusta est et in vastas deficit solitudines. Latus eius mare adluit perviridi colore fruticosum, ita ut iubae arborum plerumque gubernaculis atterantur. Cernunt latus Sericum de montium suorum iugis. (22) Mirantur aurum et ad gratiam poculorum omnium gemmarum adhibent apparatum. Secant marmora testudinea varietate. (23) Margaritas legunt plurimas maximasque. Conchae sunt, in quibus hoc genus lapidum requiritur, quae certo anni tempore luxuriante conceptu sitiunt rorem velut maritum, cuius desiderio hiant; et cum maxime liquitur lunaris imber, oscitatione quadam hauriunt umorem cupitum: sic concipiunt gravidaeque fiunt. (24) De saginae qualitate reddunt habitus unionum; nam si purum fuerit quod acceperint, candicant orbiculi, si turbidum,
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dann unbedingt fügen muss. (17) In einem von anderen verschiedenen Brauch ist der König mit einem Syrma bekleidet; dies ist nämlich das Gewand, in dem wir Liber Pater (Bacchus) gekleidet sehen. (18) Wenn der König selbst wegen eines Vergehens verurteilt wird, wird er mit dem Tod bestraft, aber nicht so, dass er von der Hand irgendeiner Person getötet wird; vielmehr wird ihm durch öffentlichen Konsens der Zugang zu allen Dingen verwehrt; auch die Möglichkeit des Miteinandersprechens wird dem Bestraften verweigert. Ernährung [PL 6,91] (19) Um den Ackerbau sind alle bemüht. Sie hängen an der Jagd und verfolgen nicht die gemeine („plebeische“) Beute, sondern suchen vielmehr nur Tiger und Elefanten. (20) Auch die Meere durchstreifen sie für den Fischfang und freuen sich, wenn sie Meeresschildkröten fangen, die dort von solcher Größe sind, dass ihre Schale ein Haus bilden und eine vielköpfige Familie ohne weiteren Kunstgriff schützen kann. Wüste und Meer [PL 6,87-88] (21) °[IG] Der größere Teil dieser Insel ist von der Hitze verbrannt und geht in riesige Einöden über.± Seine Seite bespült ein Meer, das voller Pflanzen und daher von hellgrüner Farbe ist, und zwar so, dass die Wipfel der Bäume oft von den Rudern berieben werden. Sie sehen die serische Seite von den Gipfelketten ihrer Berge. Steine und Perlen [PL 6,89] (22) Sie bewundern das Gold und verwenden zur Anmut der Trinkbecher die Pracht aller Edelsteine. Sie bauen Marmor von einer Schildpatt-Art ab. [PL 9,106-112] (23) Perlen sammeln sie in sehr großer Zahl und Größe. Muscheln sind es, in denen diese Art von Steinen gefunden wird und die zu einer bestimmten Zeit im Jahr begierig nach Empfängnis nach dem Tau wie nach einem Ehemann lechzen. Aus Sehnsucht nach ihm stehen sie offen, und wenn der Mondschein am meisten dahinschwindet, saugen sie mit einer Art Gähnen die begehrte Feuchte ein. So empfangen sie und werden schwanger. (24) Von der Qualiätät dieser Mästung hängt der Zustand der Perlen ab: Wenn nämlich das, was sie aufnehmen, rein war, sind die Kügelchen weiß; wenn es trübe war, sind sie
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aut pallore languent aut rufo innubilantur. Ita magis de caelo quam de mari partus habent. (25) Denique quotiens excipiunt matutini aeris semen, fit clarior margarita, quotiens vespere, fit obscurior quantoque magis hauserit, tanto magis proficit lapidum magnitudo. Si repente micaverit coruscatio, intempestivo metu conprimuntur clausaeque subita formidine vitia contrahunt abortiva; aut enim perparvuli fiunt scrupuli aut inanes. (26) Conchis ipsis inest sensus: partus suos maculari timent cumque flagrantioribus radiis excanduit dies, ne fucentur lapides solis calore, subsidunt in profundum et se gurgitibus ab aestu vindicant. huic tamen providentiae aetas opitulatur; nam candor senecta disperit et grandescentibus conchis flavescit margarita. In aqua mollis est unio, duratur exemptus. (27) Numquam duo simul reperiuntur: inde unionibus nomen datum. Ultra semiunciales inventos negant. Piscantium insidias timent conchae; unde est, ut aut inter scopulos aut inter marinos canes plurimum delitescant. Gregatim natant; certus examini dux est; illa si capta sit, etiam quae evaserint in plagas revertuntur. (28) Dat et India margaritas, dat et litus Brittannicum: sicut divus Iulius thoracem, quem Veneri Genetrici in templo eius dicavit, ex Brittannicis margaritis factum subiecta inscriptione intellegi voluit. (29) Lolliam Paulinam Gaii principis coniugem vulgatum est habuisse tunicam ex margaritis sestertio tunc quadringenties aestimatam; cuius parandae avaritiae1 pater ipsius Manilius spoliatis Orientis regionibus offendit C. Caesarem Augusti filium interdictaque amicitia principis veneno interiit. (30) Illud quoque expressit vetus diligentia, quod Sullanis primum temporibus Romam inlati sunt uniones.
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avaritie Mommsen in textu (per errorem?), sed cf. XV 22.
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entweder in Blässe matt oder rot gefleckt. So haben sie ihre Nachkommenschaft eher vom Himmel als vom Meer. (25) Je öfter sodann die Muscheln den Samen der Morgenluft empfangen, desto heller wird die Perle; je öfter abends, desto dunkler, und je mehr die Muschel trinkt, desto mehr nimmt die Größe der Steine zu. Wenn plötzlich ein Blitz erstrahlt, schließen sie sich in unzeitiger Todesangst; von der plötzlichen Angst geschlossen ziehen sie Fehlgeburten auslösende Defekte an: Die Steinchen werden entweder ganz klein oder ganz nichtig. (26) Den Muscheln selbst wohnt ein Sinn inne: Sie fürchten, dass ihre Nachkommenschaft verdorben werden könnte, und wenn der Tag mit glühenderen Strahlen brennt, sinken sie in die Tiefe ab, damit ihre Steine nicht durch die Hitze der Sonne befleckt werden, und schützen sich in den Tiefen vor der Hitze. Dieser Vorausschau bringt die Zeit Erleichterung, denn das Weiß wird vom Alter vertrieben und in den schwangeren Muscheln wird die Perle gelb. Im Wasser ist die Perle weich, hart wird sie, wenn man sie daraus entfernt. (27) Niemals findet man zwei zugleich, deshalb ist ihnen der Name „Unio“ („Einzige“, dt. Perle) gegeben.E Dass man sie mit einem Gewicht von mehr als ½ UnzeM findet, bestreitet man. Die Hinterhalte der Fischer fürchten die Muscheln, woher es kommt, dass sich die meisten von ihnen entweder zwischen den Klippen oder unter den Seehunden verbergen. Sie schwimmen in Schwärmen; eindeutig ist der Anführer des Haufens; wenn dieser in Gefangenschaft gerät, kehren sogar diejenigen, die entkommen sind, in die Netze zurück. [PL 9,116-123] (28) Es bringt auch India Perlen hervor, ebenso die brittannische Küste: Der vergöttlichte Iulius wollte, dass der Brustharnisch, den er der Venus Genetrix in ihrem Tempel geweiht hatte, als aus brittannischen Perlen gemacht durch eine darunter angebrachte Inschrift erkannt werde. (29) Dass Lollia Paulina, die Gattin des Princeps Gaius, eine Tunika aus Perlen besaß, die man damals auf 400 SesterzenM schätzte, ist allgemein bekannt. Um sie zu bereiten, hatte ihr Vater Manilius habgierig die Gebiete des Orients geplündert und damit Gaius Caesar, den Sohn des Augustus, beleidigt; von der Freundschaft des Princeps ausgeschlossen vergiftete sich Manilius. (30) Und auch das drückt die alte Sorgfalt aus: dass in den sullanischen Zeiten erstmals Perlen nach Rom gebracht worden sind.
(LIV 1) Ab insula Eous1 ea, ut consequens, ad continentem; igitur a Taprobane * Indiam revertamur. Sed si Indicis urbibus aut nationibus resistamus, egrediemur repromissae concinnitatis modum. (2) Proximam Indo flumini urbem habuere Caphisam, quam Cyrus diruit. Arachosiam Erymantho amni inpositam Samiramis condidit. Cadrusium* oppidum ab Alexandro Magno ad Caucasum constitutum est. Ibi et Alexandria, quae patet amplitudinis stadia triginta. Multa et alia sunt, sed haec cum eminentissimis. (3) Post Indos montanas regiones Ichthyophagi tenent, quos subactos Alexander Magnus vesci piscibus vetuit; nam antea sic alebantur. (4) Ultra hos deserta Carmaniae, Persis deinde atque ita navigatio; in qua Solis insula rubens et omni animantium generi inaccessa, quippe quae nullum non animal inlatum perimat. (5) Ex India revertentes ab Hyani Carmaniae flumine septemtriones primum vident. Achaemenidis in hoc tractu sedes fuerunt.
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Eus Mommsen in textu (per errorem?), sed cf. XXIII 17 et L 1.
SÜDLICHER BIS ATLANTISCHER OZEAN Einführung
KÜSTE
[SO] (LIV 1) Von der Insel an ist der Eoische (Südliche; s. o. SO XXIII 17) Ozean wie durchgehend bis zum Festland; deshalb wollen wir von Taprobane nach India zurückkehren: Wollten wir bei den indischen Großstädten und Völkerschaften stehen bleiben, würden wir den Modus der versprochenen Knappheit verlassen.
Städte [PL 6,92-93] (2) Ganz in der Nähe zum Indus-Fluss gab es die Großstadt Caphisa, die Cyrus zerstörte. Arachosia, das am Erymanthus-Strom gelegen ist, gründete Samiramis. Die Stadt Cadrusium wurde von Alexander dem Großen am Caucasus errichtet. Dort ist auch Alexandria, das sich in einer Breite von 30 StadienM ausbreitet. Es gibt noch viele andere, aber diese gehören zu den bedeutendsten.
Carmania Ichthyophagi bis Persis [PL 6,95] (3) Nach den Indi haben die gebirgigen Gebiete die Ichthyophagi (griech.: „Fischesser“) inne; sie unterwarf Alexander der Große und verbot ihnen, von Fischen zu essen, denn zuvor hatten sie sich so ernährt.E [PL 6,97-98] (4) Jenseits von diesen sind die verlassenen Gebiete von Carmania, dann Persis (vgl. SO LIV 13) und auf diese Weise eine Strecke, in deren Verlauf die Insel des Sol ist, rötlich und aller Art von Lebewesen unzugänglich, da jedes dorthin gebrachte Tier umkommt. (5) Diejenigen, die aus India zurückkehren, sehen erstmals vom Hyanus – einem Fluss Carmanias – an die SeptemtrionesS. Die Achaemenidae hatten in dieser Gegend ihre Wohnsitze.
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(6) Inter Carmaniae promunturium et Arabiam quinquaginta milia passuum interiacent; deinde tres insulae, circa quas hydri marini egrediuntur vicenum cubitum longitudinem. (7) Dicendum hoc loco, quatenus ab Alexandria Aegypti pergatur in usque Indiam. Nilo vehente Copton usque etesiis flantibus cursus est. Deinde terrestre iter Hydreum tenus. Post transactis aliquot mansionibus Berenicen pervenitur, ubi Rubri maris portus est. (8) Inde Oceli Arabiae portus tangitur. Proximum Indiae emporium excipit Zmirim infame piraticis latronibus. Deinde per diversos portus Cottonare pervenitur, ad quam monoxylis lyntribus piper convehunt. (9) Petentes Indiam ante exortum canis aut protinus post exortum navigia media aestate solvunt*, revertentes renavigant Decembri mense. (10) Secundus ex India ventus est vulturnus; at cum ventum est in Rubrum mare, aut africus aut auster vehunt. Spatium Indiae decies septies quinquaginta milia passuum proditur; at Carmaniae centum milia, cuius pars non caret vitibus. (11) Praeterea habet genus hominum, qui non alia quam testudinis carne vivunt, hirsuti omnia facie tenus, quae sola laevis est; iidem coriis piscium vestiuntur, Chelonophagi cognominati. (12) Inrumpit haec litora Rubrum mare idque in duos sinus scinditur. Quorum qui ab oriente est Persicus appellatur, quoniam quidem oram illam habitavere Persidis populi, vicies et sexagies centena milia circuitu patens; ex adverso, unde Arabia est, alter Arabicus vocatur; Oceanum vero qui ibi influit Azanium nominaverunt. (13) Carmaniae Persis adnectitur, quae incipit ab insula Aphrodisia variarum opum dives, translata in Parthicum nomen, litore quo occasui obiacet porrecta milia passuum * quinquaginta.
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Seeweg [PL 6,98-109] (6) Zwischen dem Kap von Carmania und Arabia liegen 50 MeilenM; dann gibt es drei Inseln, um die herum Seeschlangen von 20 EllenM Länge hervortreten. (7) Zu sprechen ist an diesem Ort davon, wie weit der Weg von AegyptusÞ Alexandria bis nach India ist. Auf dem Nil geht die Fahrt bis nach Coptos durch das Wehen der Etesien-WindeW. Dann kommt der Landweg bis nach Hydreum. Nachdem man dann mehrere Stationen hinter sich gebracht hat, kommt man nach Berenice, wo ein Hafen des Roten Meers ist. (8) Von dort gelangt man nach Oceli, einem Hafen in Arabia. Als nächstgelegener Handelsposten Indias empfängt einen Zmirim, berüchtigt wegen der Piratenräuber. Dann gelangt man durch verschiedene Häfen nach Cottonare, zu dem in Einbaum-Booten Pfeffer gebracht wird. (9) Diejenigen, die nach India möchten, setzen vor dem Aufgang des Hunds-SternsS oder sofort nach seinem Aufgang zu der Zeit der Sommermitte ihre Segel; die Zurückkehrenden segeln im Monat Dezember zurück. (10) Günstig ist aus India der Vulturnus-WindW, aber wenn man in das Rote Meer gekommen ist, wehen entweder der Africusoder der Auster-WindW. Der Raum Indias wird als 17 050 MeilenM lang angegeben, der Carmanias hingegen als 100 MeilenM, von dem ein Teil nicht ohne Weinreben ist. (11) Außerdem hat es eine Art von Menschen, die von nichts Anderem als von Schildkrötenfleisch leben, überall bis zum Gesicht behaart sind, das allein selbst unbehaart ist; sie bekleiden sich mit Fischhäuten und werden auch „Chelonophagi“ (griech.: „Schildkrötenesser“) genannt.E Rotes Meer [PL 6,107-108] (12) Es bricht in diese Küsten das Rote Meer hinein und wird in zwei Golfe geteilt: Von diesen wird derjenige, der vom Osten her ist, „Persischer Golf“ genannt, da nämlich jene Küste die Völker der Persis bewohnt haben; er umfasst etwa 6200 MeilenM im Umfang; auf der anderen Seite, woher Arabia ist, wird der andere Golf „Arabischer“ genannt; den Ozean, der dort hineinströmt, hat man den „Azanischen“ benannt. Persis [PL 6,111] (13) An Carmania ist die Persis angeschlossen, die von der Insel Aphrodisia an beginnt, an einer Vielfalt von Mitteln reich und dann in den parthischen Namen übertragen an der Küste, die dem Sonnenuntergang gegenüberliegt, sich über 1550 MeilenM ausstreckt.
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(14) Oppidum eius nobilissimum Susa, in quo templum Susiae Dianae. a Susis {Carbyle sive} Babitae oppidum centum triginta quinque milibus passuum distat, in quo mortales universi odio auri coemunt hoc genus metallum et abiciunt in terrarum profunda, ne polluti usu eius avaritia corrumpant aequitatem. (15) Hic inconstantissimus terrarum modus: nec inmerito, cum aliae circa Persidem nationes schoinis, aliae parasangis terras metiantur et incertam fidem faciat mensurae ratio discors. (LV 1) Parthia quanta omnis est a meridie Rubrum mare, a septemtrione Hyrcanum salum claudit. Regna in ea duodeviginti dissecantur in duas partes. Undecim quae dicuntur superiora incipiunt ab Armenico limite et Caspio litore, porrecta ad terras Scytharum, quibuscum concorditer degunt; (2) reliqua septem inferiora – sic enim vocitant – habent ab ortu Arios*, Carmaniam Arianosque a medio die, Medos ab occidui solis plaga, a septemtrione Hyrcanos. Ipsa autem Media ab occasu transversa utraque Parthiae regna amplectitur; septemtrione Armenia circumdatur; ab ortu Caspios videt; a meridie Persidem. Deinde tractus hic procedit usque ad castellum quod Magi obtinent, Fidasarcida nomine; hic Cyri sepulcrum. (LVI 1) Chaldaeae gentis caput Babylonia {a Samirami condita} est, tam nobilis, ut propter eam et Assyrii et Mesopotamia in Babyloniae nomen transierint. (2) Urbs est sexaginta milia passuum circuitu patens, muris circumdata,
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[PL 6,133-135] (14) Ihre berühmteste Stadt ist Susa, worin ein Tempel der Susischen Diana ist. Von Susa ist {Carbyle oder} Babitae, eine Stadt, 135 MeilenM entfernt, wo alle Sterblichen wegen ihres Hasses auf Gold diese Art von Metall aufkaufen und in die Tiefen der Erde wegwerfen, damit sie nicht durch seinen Gebrauch verunreinigt aus Habgier die Gleichheit verderben. [PL 6,125] (15) Hier ist das Maß der Länder am unbeständigsten, und zwar nicht ohne Grund, da einige Völkerschaften um die Persis herum in SchoiniM, andere in ParasangiM das Land messen und die Glaubwürdigkeit durch das uneinheitliche System des Messens unsicher wird.
Parthia Reiche [PL 6,112-114] (LV 1) Parthia, so groß es ingesamt ist, schließen vom Süden her das Rote und vom Norden her das Hyrcanische Meer ein. 18 Königreiche in ihm teilen es in zwei Teile. Elf, die „obere“ genannt werden, beginnen an der armenischen Grenze und der Küste des Caspischen Meeres und erstrecken sich zu den Ländern der Scythae, mit denen die Parthi freundlich verkehren. (2) Die übrigen sieben „unteren“ – so nämlich nennt man sie – haben von Sonnenaufgang her die Arii inne, Carmania und die Ariani von der Tagesmitte, die Medi von der Sonnenuntergangs-Himmelsregion her und vom Norden her die Hyrcani. Media [PL 6,114-116] Media selbst, das es vom Sonnenuntergang her flankiert, umarmt beide Königreiche Parthias; Armenia wird im Norden umfasst; vom Sonnenuntergang her sieht es die Caspii und vom Mittag (Süden) her Persis. Dann geht diese Gegend weiter bis zu der Festung, die die Magi innehaben, namens „Fidasarcida“; hier ist das Grab des Cyrus.
Babylonia [PL 6,121-122] (LVI 1) Des Chaldaeischen Stamms Hauptstadt ist Babylonia, {von Samiramis gegründet,} so berühmt, dass seinethalben die Namen sowohl der Assyrii als auch von Mesopotamia auf den Namen Babylonias übergingen. (2) Die Großstadt hat einen Umfang von 60 MeilenM und ist mit Mauern umgeben,
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quorum altitudo ducentos pedes detinet, latitudo quinquaginta, ternis in singulos pedes digitis ultra quam mensura nostra est altioribus. (3) Interluitur Euphrate. Beli ibi Iovis templum, quem inventorem caelestis disciplinae tradidit etiam ipsa religio, quae deum credit. In aemulationem urbis huius Ctesiphontem Parthi condiderunt. (4) Tempus est ad Oceani oras reverti, represso in Aethiopiam stilo; namque ut Atlanticos aestus occipere ab occidente et Hispania dudum dixeramus, ab his quoque partibus mundi unde primum Atlantici nomen induat, exprimi par est. (5) Pelagus Azanium usque Aethiopum litora promovetur, Aethiopicum ad Massylicum1 promunturium, unde rursus oceanus Atlanticus. (6) Iuba igitur universae partis, quam plurimi propter solis ardorem perviam negaverunt, facta etiam vel gentium vel insularum commemoratione ad confirmandae fidei argumentum, omne illud mare ab India usque Gades voluit intellegi navigabile, cori tamen flatibus, cuius spiritus praeter Arabiam, Aegyptum, Mauretaniam evehere quamvis queant classem, dummodo ab eo promunturio Indiae cursus dirigatur, quod alii Lepten acran, alii Drepanum nominaverunt. (7) Addidit etiam stationum loca et spatiorum modum: nam ab Indica prominentia ad Malichu insulam adfirmat esse quindecies centena milia passuum, a Malichu ad Scaeneon ducenta viginti quinque milia, inde ad insulam Adanum centum quinquaginta milia; sic confici ad apertum mare decies octies centena et septuaginta quinque milia. (8) Idem opinioni plurimorum, qui solis flagrantia maxima partis istius ferunt humano generi inaccessa, sic reluctatur, ut mercantium ibi transitus infestari ex Arabicis insulis dicat*, quas Ascitae
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Mossylicum ci. Fernández Nieto 2001, 98.
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deren Höhe 200 Fuß beträgt, die Breite 50, wobei jeder FußM um 3 FingerbreitM größer ist als unsere Maßeinheit. (3) Durchflossen wird sie vom Euphrates. Der Tempel des Jupiter Belus ist dort, den als den Entdecker der Systematik des Himmels auch selbst diejenige Form von Kultpraxis überliefert hat, die an einen Gott glaubt. In Konkurrenz zu dieser Großstadt gründeten die Parthi Ctesiphon.
Atlantik Meeresteile [SO] (4) Es ist Zeit, zu den Küsten des Oceanus zurückzukehren, indem der Griffel nach Aethiopia zurückgedrängt wird; weil wir nämlich bereits (XVIII 1) gesagt haben, dass die Atlantischen Wogen aus dem Westen und von Hispania anfangen, ist es angemessen, dass er von diesen Teilen der Welt, von wo er erstmals den Namen des „Atlantischen“ anlegt, ausgedrückt wird. [PL 6,172 ] (5) Das Azanische Meer wird bis zu den Küsten der Aethiopes voranbewegt, [PL 6,175] das Aethiopische bis zum Massylischen Kap, von wo an es wieder der Atlantische Ozean ist. Meinung des Iuba [PL 6,175-176] (6) Iuba also wollte, dass man versteht, dass jenes ganze Meer dieses vollständigen Erdteils, dem die meisten wegen der Hitze der Sonne die Zugänglichkeit abgestritten haben, von India bis nach Gades schiffbar ist, wobei die Erwähnung sowohl der Stämme als auch der Inseln als Argument für die Bestätigung dieser Angabe gbraucht wird, und zwar durch das Wehen des Corus-WindesW, dessen Brisen jede beliebige Flotte nach Arabia, Aegyptus und Mauretania bringen können, sofern der Kurs von dem indischen Kap aus gesteuert wird, das manche „Lepte Acra“ genannt haben, andere „Depranum“. (7) Er hat auch die Positionen von Stationen und die Art von Distanzen hinzugefügt. Dass es nämlich von den indischen Vorgebirgen bis zur Insel Malichu 1500 MeilenM sind, bestätigt er, und von Malichu bis Scaenon 225 MeilenM, und von da 150 MeilenM bis zur Insel Adanum; so dass bis zum offenen Meer 1875 MeilenM zurückgelegt werden. (8) Derselbe (Iuba) widersetzt sich der Meinung der Meisten, die meinen, wegen der sengenden Sonne sei der größte Teil jenes Gebiets für das Menschengeschlecht unzugänglich; er sagt vielmehr, die Überfahrt der Händler dort werde von Leuten aus den arabischen Inseln bedrängt, die von den Arabern „Ascitae“ genannt werden. Ihnen sei dieser
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habent Arabes. Quibus e re nata datum nomen; nam bubulis utribus contabulatas crates superponunt vectitatique hoc ratis genere praetereuntes infestant sagittis venenatis. (9) Habitari etiam addit* Aethiopiae adusta Trogodytarum et Ichthyophagorum nationibus; quorum Trogodytae tanta pernicitate pollent, ut feras quas agitant cursu pedum adsequantur, Ichthyophagi non secus quam marinae beluae nando in mari valent. (10) Ita exquisito Atlantico mari usque in occasum, etiam Gorgadum meminit insularum. Gorgades insulae – ut accepimus – obversae sunt promunturio quod vocamus Hesperu Ceras. (11) Has incoluerunt Gorgones monstra et sane usque adhuc monstruosa gens habitat. Distant a continente bidui navigatione. (12) Prodidit denique Xenopho Lampsacenus Hannonem Poenorum imperatorem in eas permeavisse repertasque ibi feminas aliti pernicitate atque ex omnibus quae apparuerunt duas captas tam hirto atque aspero corpore, ut ad argumentum spectandae rei duarum cutes miraculi gratia inter donaria Iunonis suspenderit, quae duravere usque ad tempora excidii Carthaginensis. (13) Ultra Gorgadas Hesperidum insulae – sicut Sebosus adfirmat – dierum quadraginta navigatione in intimos maris sinus recesserunt. (14) Fortunatas insulas certe contra laevam Mauretaniae accepimus iacere, quas Iuba sub meridie quidem sitas, sed proximas occasui dicit. (15) De harum nominibus expectari magnum miror, sed infra famam vocabuli res est.
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Name aus folgendem Grund gegeben: Sie bemannen Boote aus Flechtwerk, das auf beiden Seiten mit Tierhäuten bedeckt ist, und von dieser Art von Schiff aus bedrängen sie die Vorüberfahrenden mit vergifteten Pfeilen. (9) Er fügt auch hinzu, dass die verbrannten Gebiete Aethiopias von den Völkerschaften der Trogodytae und Ichthyophagi bewohnt werden, von denen die Trogodytae mit so großer Geschwindigkeit stark sind, dass sie wilde Tiere, denen sie nachjagen, zu Fuß einholen, und die Ichthyophagi sich nicht weniger als Meerestiere beim Schwimmen im Meer auszeichnen. (10) Nachdem so das Atlantische Meer über die ganze Strecke bis zum Sonnenuntergang hin untersucht worden ist, erwähnt er (Iuba) auch die GorgadesInseln.
Gorgades
INSELN
[PL 6,200] Die Gorgades-Inseln sind – wie wir verstehen – gegenüber dem Kap, das wir Hesperu Ceras nennen. (11) Gorgones-Ungeheuer haben sie bewohnt und tatsächlich lebt bis heute dieser ungeheure Stamm dort. Er ist vom Festland zwei Tagesreisen entfernt. (12) Schließlich behauptet der Xenopho von Lampsacus, dass Hanno, der Feldherr der Poeni, über diese Inseln gegangen sei und dort Frauen von vogelhafter Geschwindigkeit gefunden habe und von all denen, die sich gezeigt hatten, zwei gefangennahm, so haarig und von so rohem Körper, dass Hanno als anschaulichen Beleg die Häute der beiden des Wunders halber unter den Weihegaben der Iuno aufhängte, die bis zur Zeit der Zerstörung Carthagos erhalten geblieben seien.
Hesperides [PL 6,201] (13) Jenseits der Gorgades sind die Inseln der Hesperides, die – wie Sebosus bestätigt – eine Strecke von 40 Segeltagen in die innersten Golfe des Meeres zurückgezogen sind.
Fortunatae [PL 6,202-205] (14) Dass die Fortunatae (Glücklichen Inseln; vgl. SO XXIII 10) sicher gegenüber der linken Seite Mauretanias liegen, haben wir übernommen; von ihnen sagt Iuba, dass sie unter dem Süden liegen, aber ganz nahe am Sonnenuntergang (Westen). (15) Dass man bei deren Namen etwas Großes erwartet, wundert mich nicht, aber die Tatsachen für den Namen sind geringer als der Ruf:
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In prima earum, cui nomen est Embrion1, aedificia nec sunt nec fuerunt. Iuga montium stagnis madescunt. Ferulae surgunt ad arboris magnitudinem; earum quae nigrae sunt, expressae liquorem reddunt amarissimum, quae candidae, aquas revomunt etiam potui accommodatas. (16) Alteram insulam Iunoniam appellari ferunt, in qua pauxilla aedes ignobiliter ad culmen fastigata. Tertia huic proximat eodem nomine, nuda omnia. Quarto loco Capraria appellatur, enormibus lacertis plus quam referta. (17) Sequitur Nivaria aere nebuloso et coacto ac propterea semper nivalis. Deinde Canaria repleta canibus forma eminentissimis, unde etiam duo exhibiti sunt Iubae regi. (18) In ea aedificiorum durant vestigia. Avium magna copia, nemora pomifera, palmeta caryotas feritantia, multa nux pinea, larga mellatio, amnes siluris piscibus abundantes. (19) Perhibent etiam expui in eam undoso mari beluas; deinde cum monstra illa putredine tabefacta sunt, omnia illic infici taetro odore; ideoque non penitus ad nuncupationem sui congruere insularum qualitatem.
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Ombrion ci. Fernández Nieto 2001, 98.
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Auf der ersten von ihnen, die den Namen „Embrion“ hat, gibt und gab es keine Gebäude. Die Gebirgsketten sind feucht mit Sümpfen. Rohre wachsen bis zur Größe von Bäumen; von diesen geben die schwarzen, wenn man sie ausdrückt, eine sehr bittere Flüssigkeit ab; die weißen hingegen speien für das Trinken geeignetes Wasser aus. (16) Dass eine zweite Insel „Iunonia“ genannt wird, ist überliefert; auf ihr soll ein ganz kleiner Tempel sein, wenig ruhmreich mit einem niedrigen First bedeckt. Die dritte ist in deren Nähe mit demselben Namen, ganz entblößt. An vierter Stelle wird „Capraria“ genannt, mit riesigen Eidechsen mehr als vollgestopft. (17) Es folgt Nivaria von nebliger Luft und deshalb immer schneebedeckt (lat. nives: „Schneemassen“). Dann Canaria, von Hunden (lat. canes) der ausgezeichnetsten Form angefüllt, woher auch zwei dem König Iuba präsentiert wurden. (18) Auf dieser sind Spuren von Gebäuden erhalten. An Vögeln gibt es eine große Menge, Frucht tragende Haine, Palmenwälder, die Caryotae tragen, viele Pinien, reichlich Honig und Ströme, die mit Silura-Fischen übervoll sind. (19) Man gibt auch an, das wogende Meer speie auf diese Insel Meeresungeheuer aus; wenn dann diese Ungeheuer von Verwesung zersetzt sind, werde alles dort mit einem widerlichen Gestank erfüllt, und deshalb stimme mit ihrer Benennung die Qualität der Inseln nicht ganz überein.
NORWEGIANA Norveghe halilande. In hac terra lucet sol XV diebus continue ante festum sancti Iohannis baptistae et quindecim diebus post et luna similiter ante natale et post natale domini. Scotia. Huius quaedam pars Moref vocatur, ubi sunt Christiani quidem, sed his mos inolevit, ut dum aliquis popularium et ignobilium ibi moritur, in campo vel platea insepultus relinquitur. Si vero dives fuerit, saxum ad collum eius ligant et in mare demergunt. Si autem nobilis fuerit, ad arborem illum quasi in eculeo extensum devinciunt ibique computrescere sinunt. Goutlande. Swetide. Grenelande. Cuius terrae populi partim se Christianos esse dicunt, sine fide quidem et sine confessione et sine babtismate, partim vero cum similiter sint Christiani, Iovem el Martem colunt. Yslande. In hac insula marina glacies insimul collisa se ipsam accendit et accensa quasi lignum ardet. Hi quoque sunt boni Christiani, sed in hieme de subterraneis specubus prae nimio frigore exire non audent. Si enim exierint, tanto algore exuruntur, ut quasi leprosi gliscente tumore decolorentur. Si forte quivis nasum emungant, cum ipsa emunctione totum nasum avellunt et avulsum abiciunt. Yrland in regale. Ad hanc appendent XLIII insulae, quae inhabitantur, Aerregweite. Kentir. Nessunt. Man.
NORWEGIANA Die Codices Leiden Voss. lat. Q 56 (12. Jh.) und Kopenhagen 443 fol (14. Jh.) bieten folgenden Zusatz: Norveghe Halilande. In diesem Land scheint die Sonne 15 Tage lang ununterbrochen vor dem Fest des Hl. Johannes des Täufers und 15 Tage danach und der Mond ähnlich vor und nach dem Geburtstag des Herrn. Scotia. Ein gewisser Teil von ihm wird „Moref“ genannt, wo es gewisse Christen gibt, denen aber folgender Brauch eingewachsen ist: Wenn einer aus dem einfachen Volk oder von den Unvornehmen dort stirbt, wird er auf einem Feld oder Platz unbestattet liegengelassen. Wenn er aber ein Reicher war, dann binden sie einen Felsbrocken an seinen Hals und versenken ihn im Meer. Wenn er jedoch ein Vornehmer war, dann binden sie ihn an einem Baum wie auf ein Pferdchen ausgestreckt fest und lassen ihn dort verrotten. Goutlande. Swetide. Grenelande. Die Völker dieses Landes sagen teils von sich, dass sie Christen seien, doch ohne Bekenntnis und ohne Taufe, teils aber verehren sie, auch wenn sie gleichsam Christen sind, Jupiter und Mars. Yslande. In dieser Meeresinsel entzündet sich Eis in dem Moment, in dem es zusammenstößt, von selbst und brennt angezündet wie Holz. Auch diese sind gute Christen, aber im Winter wagen sie es wegen der allzu großen Kälte nicht, aus ihren unterirdischen Höhlen herauszugehen. Gingen sie nämlich heraus, würden sie von so großer Kälte versengt, dass sie wie Lepra-Kranke von einem sich ausbreitenden Tumor verfärbt würden. Wenn einmal welche ihre Nase schneuzen, reißen sie mit dem Schneuzen selbst ihre ganze Nase ab und werfen die abgerissene weg. Yrland in Regale. An diesem hängen 43 Inseln, die bewohnt werden, (darunter) Aerregweite, Kentir, Nessunt, Man.
ANHANG WEITERFÜHRENDE (SOWIE IM APPARAT GENANNTE) LITERATUR Apps, A., „Source Citation and Authority in Solinus“, in: Brodersen 2014, 3242 Becker, G., „Kleinigkeiten“, Rheinisches Museum 29, 1874, 495-499 Belanger, C., „Solinus’ Macrobians: A Roman Literary Account of the Axumite Empire“, in: Brodersen 2014, 96-118 Borst, A., Das Buch der Naturgeschichte, Heidelberg 1995 Brodersen, K., „Pontica“, in: Der Neue Pauly Bd. X, Stuttgart / Weimar 2001, 135 – Pomponius Mela, Kreuzfahrt durch die Alte Welt, Darmstadt 1994 – „Mapping Pliny’s World: The Achievement of Solinus“, Bulletin of the Institute of Classical Studies 54, 2011, 63-88; deutsch in: K. Geus / M. Rathmann (Hgg.), Die Vermessung der Oikumene, Berlin 2013, 185-201 – Censorinus, De die natali / Über den Tag der Geburt. Darmstadt 2012 – (Hg.), Solinus. New Studies, Heidelberg 2014 (mit einer detaillierten Übersicht über Solinus’ Werk und einer ausführlichen Bibliographie) Bursian, C., „Zur Kritik des Pomponius Mela“, Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 39, 1869, 629-655 Chatelain, E., „Un manuscrit de Solin révélé par les notes tironiennes“, Revue de Philologie, de Littérature et d’Histoire anciennes 26, 1902, 38-43 Columba, G. M., „Le fonti di Guilio Solino“, Rassegna di antichità classica 1, 1896, 7-32 und 105-115 – „La questione Soliniana e la letteratura geografica dei Romani“, Atti della R. Accademia di Scienze, Lettere e Belle Arti di Palermo 11, 1920, 171394; erweitert in: Ders., Ricerche Storiche, Bd. I, Palermo 1935, 171-358 Curtius, E., „Die Quellen der Akropolis“, Hermes 21, 1886, 198-205 Desanges, J., Pline l’Ancien, Histoire Naturelle, Livre V, 1-46, Paris 1980 Dover, P., „How Heinrich Bullinger read his Solinus: Reading Ancient Geography in 16th-century Switzerland“, in: Brodersen 2014, 171-195. Fernández Nieto, F. J., Solino, Colección de hechos memorables o El erudito, Madrid 2001 – „Incidentes de una corrección geográfica de Solino a Plinio: La isla de Cos“, in: Brodersen 2014, 90-95 Hillard, T., „Prosopographia shared by Pliny and Solinus“, in: Brodersen 2014, 43-74 Hyskell, I. D., A Study of the Latinity of Solinus, Diss. Chicago 1925 Jacoby, F., Die Fragmente der griechischen Historiker, Bd. III C, Leiden 1958 Landgraf, G., „Zur Sprache und Kritik des Solinus“, Blätter für das Gymnasial-Schulwesen 32, 1896, 400-404 Lapini, W., „Solino e la fondazione di Tivoli“, Bollettino di Studi Latini 28, 1998, 467-477
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Anhang
Macé, A., „Un important manuscrit de Solin“, Mélanges d’Archéologie et d’Histoire de l’École Francaise de Rome 8, 1888, 506-520 (erschließt Lesarten eines „antiquum exemplar“ aus Eintragungen von „L2“ im Codex „L“ = Voss. lat. Q 87) – „Observations critiques sur le texte de Solin“, Mélanges d’Archéologie et d’Histoire de l’École Francaise de Rome 19, 1899, 183-197 Milham, M. E., „A Handlist of the Manuscripts of C. Julius Solinus“, Scriptorium 37, 1983, 126-129 (erweitert: Brodersen, K., „A Revised Handlist of Manuscripts Transmitting Solinus’ Work“, in: Brodersen 2014, 200-208) – „C. Julius Solinus“, in F. E. Cranz u. a. (Hgg.), Catalogus Translationum et commentariorum, Bd. VI, Washington, DC 1986, 73-85 Mommsen, Th., C. Iulii Solini Collectanea rerum memorabilium, Berlin 1864, 2 1895 Paniagua, D., „Iisdem fere uerbis Solini saepe sunt sententias mutuati: Solinus and late Antique Christian literature“, in: Brodersen 2014, 119-140 Pavlock, B., „Paradox and the Journey in the Dedicatory Preface of Solinus’ Collectanea“, in: Brodersen 2014, 24-31 Racine, F., „Teaching with Solinus: Martianus and Priscian“, in: Brodersen 2014, 157-170 Romer, F. E., „Reading the Myth(s) of Empire: Paradoxography and Geographic Writing in the Collectanea“, in: Brodersen 2014, 75-89 Rouse, R. H., „Solinus“, in: L. D. Reynolds (Hg.), Texts and Transmission. A Survey of the Latin Classics, Oxford 1983, 391-393 Salmasius, C., Plinianae exercitationes in Caii Iulii Solini Polyhistora, Paris 1629 Schlapbach, K., „Solinus’ Collectanea rerum memorabilium and Augustine’s curiosa historia“, in: Brodersen 2014, 141-156 Schmid, W., „Beiträge aus der Thesaurus-Arbeit: Hispido“, Philologus 81, 1937, 463 Schmidt, P. L., „Solins Polyhistor in Wissenschaftsgeschichte und Geschichte“, Philologus 139, 1995, 23-35 Urlichs, L., Vindiciae Plinianae, Erlangen 1866 von Büren, V., „Une edition critique de Solin au IXe siècle“, Scriptorium 50, 1996, 22-87 von Martels, Z., „Turning the Tables on Solinus’ Critics: The Unity of Contents and Form of the Polyhistor“, in: Brodersen 2014, 10-23 Walter, H., „C. Julius Solinus und seine Vorlagen“, Classica et Mediaevalia 24, 1963, 86-157 – Die Collectanea rerum memorabilium des C. Iulius Solinus, Hermes Einzelschriften 22, Wiesbaden 1969
Anhang
REGISTER Aale 301 ab urbe condita 13 Achaea 99 Achates 91 Adiabene 281 Adiamantes s. Diamanten Adventus 7, 17ff. Aega 123 Aegyptus 229ff. Aethiopia 215ff. Affen 211ff. Alectoria 43 Alexander d. Gr. 113, 277 Ameisen 223 Ammonshorn 209 Androdamas 247 Anthropophagi 141ff. Antiochia am Orontes 8 Apis 233 Arabia 241 Arabica 247 Arcadia 99 Arimphaei 153 Asbesto 99 Asia minor 265ff. Atlantik 323ff. Atlas 185ff. Auerochsen 163 Augustus 33ff Ausgaben des Werks 7, 12 Babylonia 321ff. Bactria 285 Baetica 177 Balaenae s. Walfische Baleares 177 Balsam 251 Basiliscus 209ff. Bären 193ff. Beredsamkeit 55ff. Bergkristall s. Crystallus Bernstein 165
Berylle 307 Biber 139 Bison 163 Bithynia 273ff. Boa 71 Boeotia 101 Bonacus 269 Britannia 169ff. Byzantion 8, 121 Caesariensis 191 Camelopardalis s. Giraffe Cappadocia 275ff. Caria 269ff. Carmania 317 Carystus 127 Caspische Tore 283 Caspisches Meer 157 Cassiusberge 249, 253 Catoblepas 223 Catochitis 79 Censorinus 8 Cephi 221 Ceraunia 167 Ceraunium 177 Ceylon/Sri Lanka s. Taprobane Chamäleon 271 Charakter 53ff. Chimaera 265 Chinesen s. Seres Chius 129 Chryoprasus 225 Ciconae 289 Cilicia 259ff. Cinnamolgus 245 Corocottae 201 Corsica 79 Creta 123ff. Crystallus 149 Curalliachates 91ff. Cyaneus 149 Cyclades 127ff.
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334 Dalmatia 77 Datierungen 13f. Delphi 95 Delphine 135ff., 235 Delus 129 Diamanten 305 Diomedes s. Vögel des Diomedes Direus 283 Doppelschritt s. Maße und Gewichte Drachen s. Schlangen Drakontias 221 Eale 299 Ebenholz 303ff. Eidechsen 205 Elch 163ff. Elefanten 187ff. Elternliebe 57, 89, 223 Ephesus 165 Epirus 95 Esseni 251ff. Etymologien 11 Euboea 131 Euphrates 253 Feigenbäume 237, 303 Flöten 89 Fortunatae 325ff. Fruchtbarkeit 37ff. Fuß s. Maße und Gewichte Gades 179 Galactites 95 Galatia 273 Gallaica 167 Gallia 167ff. Geburt 39ff. Gedächtnisleistung 53 Geld 11 Germania 163ff. Gestirne s. Sterne Gezeiten 181ff. Giraffe 221 Glück 57ff.
Anhang Gold 147 Gorgades 325 Graecia 77, 101 Haematits 225 Hammonshorn s. Ammonshorn Heliotropius 205 Hellespont 121 Hephaestische Inseln 93 Hesperides-Gärten 181ff., 229 Hesperides-Inseln 325 Hibernia 169 Hierusolyma s. Jerusalem Hippopotamus s. Nilpferd Hirsche 159ff. Hispania 175ff. Hunde 143ff. Hundertfuß s. Maße und Gewichte Hyacinthus 225 Hyänen 201 Hyperboeri 151 Hyrcani 153 Hystrix s. Stachelschwein Ibis 237 Ichneumon 235 Ichthyophagi 317 India 291ff. Indus 291 Ionia 269 Iris 247 Isthmus 99 Italia 59ff. Iuba 323ff. Iudaea 249 iugerum s. Maße und Gewichte Jerusalem 249ff. Kalender, Kalenderreformen 29ff. Kamele 289 Keuschheit 57 Kleinasien s. Asia minor Körperlänge 47
Anhang Kohle 173 Korallen 73ff. Konsuldaten 13f. Kraniche 119 Krokodile 233ff. Laconia 97 Laser 209, 213 Leontophoni 201 Leucocrota 299 Löwen 197ff. Luchse 73 Lusitania 175ff. Lycaon 223 Lychnites 307 Lycia 265 Macedonia 109 Maeonia 269 Magnesia 107 Malleus 293 Mantichora 301 Margiana 283 Maße und Gewichte 11 Mauretania 187 Media 281, 321 Medicum 167 Meile s. Maße und Gewichte Melopos 209 Menschenfresser s. Anthropophagi Menstruation 35ff. Meroë 217ff. Molochites 247 Molossi 95 Monoceros 301 Morgen (iugerum) s. Maße und Gewichte Myrrhe 243 Narbonnensis 77 Nashorn 221ff. Nassamonites 207 Naxus 131 Nil 229ff.
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Nilpferd 235ff. Norwegiana 8, 329 Numidia 193 Olympiaden 13 Onager 203 Paeanites 115 Paederos 247 Palme 237 Panther 153ff. Papageien 303ff. Paphlagonia 275 Parandrus 223 Parasangi s. Maße und Gewichte Pardi 155 Parthia 321 Parus 131 Pegasus 225 Perlen 313ff. Persis 319ff. Pfeffer 303 Pferde 277ff. Pharos 239 Pharsalos 107 Phoenix 245 Phrygia 167 Plinius d.Ä. 9ff. Polyhistor s. Ausgaben des Werks Pomponius Mela 9ff. Pontica 8 Ponticae 141 Pontus 155, 275 Psittaci s. Papageien Pyramiden 239 Raben 271ff. Rebhühner 103ff. Rechts und Links 47 Rhinoceros s. Nashorn Richtungsangaben 10 Röhricht 303 Rom: Geschichte 25ff. Rom: Kulte 23ff.
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Anhang
Rom: Name 21 Rotes Meer 319
Syrten 205ff. Syrtitis 75
Safran 261 Salz, Salinen 89, 213 Sardinia 81 Sardonia 81ff. Sardonyx 247 Satyri 213 Scharfsichtigkeit 49 Schlangen 71, 203ff., 221, 229 Schnelligkeit 49 Schoini s. Maße und Gewichte Schwalben 121 Schwangerschaft 37ff. Scythae 141ff. Seres 289ff. Sesterz s. Maße und Gewichte Sicilia 83ff. Sintflut s. Urflut Sirpe 209 Sittsamkeit 49 Skinke 205, 235 Skorpione 205 Smaragde 147ff. Sodomum und Gomorrum 251 Solifuga 81 Sphinxe 213 Sporades 133 Sri Lanka s. Taprobane Stachelschwein 223 Stadion s. Maße und Gewichte Sterne 10 Stiere 299 Störche 273 Strophilos 235
Tapferkeit 51 Taprobane 309ff. Tarraconensis 177 Taurusgebirge 263 Thracia 115ff. Thyle 171ff. Tiger 153 Tigris 255 Tragelaphus 161 Tragopan 225 Unze s. Maße und Gewichte Urflut 111, 129, 249 Veientana 75 Vögel des Diomedes 75ff. Wachteln 129 Walfische 301 Weihrauch 241ff. Wildesel s. Onager Winde 11 Wölfe 73, 223 Würmer 301 Wüste 227ff. Zeitangaben 13f. Zeugung 37ff. Zikaden 73 Zimt 225, 243 Zinnober 175 Zitrone 281 Zoll s. Maße und Gewichte
Über den Autor Gaius Iulius Solinus ist der Autor eines spätantiken Werkes, das unter dem Titel ›Collectanea rerum mirabilium‹ bekannt ist und neben geographischem Wissen Merkwürdigkeiten und mancherlei Kuriositäten überliefert. Solinus bietet umfangreiche Informationen über die römische Frühgeschichte, über den Kalender und seine Reformen und erklärt schließlich die Welt und ihre Wunder in der Form einer fiktiven Reisebeschreibung. Das Werk umfasst die gesamte antike Welt – von Italien und Griechenland über Germanien, Gallien und Britannien, Kleinasien und Afrika bis zum fernen Indien und China. Seit dem späten 19. Jahrhundert sah man in Solinus lediglich einen Kompilator der Merkwürdigkeiten und seltsamen Namen, aber die durchaus liebenswürdige Kritik ändert nichts am gewaltigen Einfluss des spätantiken Werkes, das ein Jahrtausend lang antikes Wissen transportierte. Kai Brodersen legt in diesem zweisprachigen Band erstmals eine deutsche Übersetzung des Werkes vor. Edition Antike Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose Die Edition Antike bietet zweisprachige Leseausgaben wichtiger Texte der antiken Literatur mit modernen Übersetzungen und in einer zeitgemäßen Ausstattung. Autoren und Werke werden eingangs kurz vorgestellt. Ein knapper Sachkommentar am Ende des Bandes erleichtert die Lektüre und das Verständnis der Texte. Über die Herausgeber Thomas Baier ist Professor für Klassische Philologie (Latinistik) an der Universität Bamberg. Kai Brodersen ist Professor für Antike Kultur und war von 2008 bis 2014 Präsident der Universität Erfurt. Martin Hose ist Professor für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Ludwig-Maximilians-Universität München.