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German Pages [709] Year 2019
Michaela Braesel
William Morris und die Buchmalerei
Böhlau Verlag Wien Köln Weimar
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D–50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung : William Morris, The Odes of Horace/Q Horatii Flacci Carminum, 1874, Bodleian Library Oxford, MS Lat. Class. e. 38, S. 54. Photo Bodleian Libraries Korrektorat : Elena Mohr, Köln Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-50340-6
Inhalt Dank .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitarbeiter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Grundlagen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . William Morris’ Auffassungen zur Handschriften- und Buchgestaltung.. Zum Problem Miniatur/Illustration : Forschungsansätze . . . . . . . . . William Blake . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die viktorianische Buchillustration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Illustrationen der »Kelmscott Press«-Bücher.. . . . . . . . . . . .
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2 William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren im Kontext seiner Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.1 Morris und die Buchmalerei in Oxford . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.2 Anregungen für Morris’ frühe dekorative Arbeiten durch illuminierte Handschriften . 46 2.3 Buchmalerei in den Werken der ersten Generation der Präraffaeliten : Rossetti, Brown, Collins und die Ausstattung von Bildräumen . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.4 Edward Burne-Jones und die Buchmalerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.5 Buchmalerei und die Gestaltung von Flächenmustern : Struktur und Motive . . . . . 78 2.6 Buchmalerei als Anregung für dekorative Bildprogramme . . . . . . . . . . . . . . 82 2.7 Buchmalereien als Anregung für Motive in Morris’ Gedichten . . . . . . . . . . . . 90 2.8 Morris, Burne-Jones und der Harley-Rosenroman (BL, MS Harley 4425) . . . . . . 93 2.9 Buchmalerei im Werke Burne-Jones’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2.10 Frühe Buchmalereien William Morris’ aus der Zeit um 1857 . . . . . . . . . . . . . 105 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre – Überlegungen zum Verhältnis von Text, Miniatur und Ornament . . . . . . . . . . . . . Frühe Handschriften der 1870er Jahre – Die ersten Übersetzungen aus dem Isländischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »A Book of Verse« – Das Problem der »Illustration« . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zweite »The Dwellers of Eyr«-Handschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handschriften mit doppelkolumnigem Seitenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham . . . Illuminierte Übersetzungen aus dem Isländischen : »The Story of Gunnlaug« und die »Stories« der »Heimskringla« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121 121 143 206 217 240 261 5
Inhalt
3.7 Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten . . . . . . . . 278 3.8 Vergils »Aeneis« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3.9 William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit – ein Vergleich mit Arbeiten seiner Zeitgenossen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 5 5.1 5.2 5.3
William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . William Morris’ Schriften und Vorträge zur Buchmalerei . . . . . . . . . . Literatur zur Buchmalerei in William Morris’ Bibliothek .. . . . . . . . . . William Morris und John Ruskins Überlegungen zur Buchmalerei . . . . . . Das Interesse für Buchmalerei im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung von Buchmalerei für A. W. N. Pugin.. . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
in
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William Morris als Handschriftensammler . . . . . . . . . . . . . . . Eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handschriften in William Morris’ Bibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellarische Aufstellung der Handschriften in William Morris’ Bibliothek nach Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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428 428 437 438 442 463 465
. . 469 . . 469 . . 487 . . 607
Tafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 6
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften . . . . . . 625
7
Anhänge . . Anhang I.. . Anhang II . . Anhang III .. Anhang IV . .
8
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655
9
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656
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642 642 645 649 652
10 Personen-, Orts- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693
6
Dank
Mein Dank gilt all den Institutionen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Projekt durch ihre Bereitschaft, sei es durch die Vermittlung von Photos und Informationen zu den Handschriften oder durch die Möglichkeit, die Bestände einzusehen, maßgeblich unterstützt haben. Hier sind zu nennen: Barbara Hinde, Department of Prints and Drawings, The Art Institute of Chicago ; Anthony S. Bliss, The Bancroft Library, The University of California, Berkeley ; Vincent Giroud, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University Library, New Haven ; Alice Ford-Smith, Bernard Quaritch Ltd., London ; Stephen Wildman, ehem. Birmingham Museum and Art Gallery ; Bruce C. Barker-Benfield und Mary Clapinson, Bodleian Library Oxford ; Roberta Zonghi, Boston Public Library ; J. M. Backhouse und Michael J. Boggan, British Library, London ; George Breeze und Benedict Sayers, Cheltenham Art Gallery and Museums ; Consulea W. Dutschke, Rare Book and Manuscript Library, Columbia University, New York ; Kathryn Beckett, Margaret Clarke, Marit Gruijs, Jane Munro und Stella Panayotova, Fitzwilliam Museum Cambridge ; Stiijn Alsteens und Hans Buijs, Fondation Custodia/Collection Frits Lugt, Institut Néerlandais, Paris ; Karen Lightner, Free Library of Philadelphia ; Eric Holzenberg und Meghan R. Constantinou, Grolier Club, New York ; J. B. Bird, Richard W. Oram, T. N. Sidney Tibbetts, Tara Wenger und Richard B. Watson, Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin, Texas ; Susan Halpert, Julie Mellby und Leslie A. Morris, The Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Mass.; Kristin Cooper, Gayle M. Richardson, Virginia J. Renner und Jean de Witt, The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif.; Niamh Delaney, University of Liverpool Library, Special Collections ; David L. Mason, MacCon nal-Mason, London ; Bryan D. Maggs, Maggs Bros. Ltd., London ; John Hodgson und Peter McNiven, John Rylands University Library, The University of Manchester ; Marion Hanke, Dr. Jörn Günther Antiquariat und Verwaltungs-AG, Basel ; Metropolitan Museum of Art, New York ; Christian Witt-Dörring, Museum für Angewandte Kunst (MAK), Wien ; Gregory Robl, Special Collections, Norlin Library, University of Colorado, Boulder ; Sylvie L. Merian, Christine Nelson und Charles E. Pierce, Jr., Pierpont Morgan Library, New York ; Laura M. Giles, Princeton University Art Museum, New Jersey ; Kurt Helfrich, Royal Institute of British Architects (RIBA), London ; Adrian James, Society of Antiquaries of London ; Robert Giel, Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz ; Susan Stead, The Library of the University College London ; Michiel Verweij, Afdeling Handschriften, Département des Manuscrits, Koninklijke Bibliotheek van België, Bibliothèque royale de Belgique, Brüssel ; Juliet C. Bingham und Rowan Watson, Victoria & Albert Museum, London ; William Noel, The Walters Art Gallery, Baltimore ; Rowan Bain, William Morris Gallery and Vestry House Museum; Peter Cormack, ehem. William 7
Dank
Morris Gallery, Walthamstow; Constance Clement und Elizabeth R. Fairman, Yale Center for British Art, New Haven. Mein Dank gilt weiterhin Harry Edmonds von Sotheby’s London, Rosie O’Connor von Christie’s London sowie Sarah Miller und Georgina LandWilkins von The Sydmonton Family Office, Newbury. Besonders bedanken möchte ich mich bei den privaten Sammlern, deren Sammlungen ich einsehen durfte, und bei Joseph P. Dunlap, New York, für die Hilfe und Gastfreundschaft. Dank gilt auch David Elliott für seine Informationen zu Charles Fairfax Murray sowie weiterhin Jacqueline Sarsby, Powell Archivalien, Alice H. R. H. Beckwith, Providence College, Rhode Island und Marc Samuels Lasner, Florence Boos und David Latham für ihre freundliche Unterstützung und Hilfe. Mein Dank gilt weiterhin den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der folgenden graphischen Sammlungen und Bibliotheken : Bayerische Staatsbibliothek München ; Bodleian Library Oxford ; British Library London ; Fitzwilliam Museum Cambridge ; Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin ; The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif.; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg ; Pierpont Morgan Library, New York ; Victoria & Albert Museum, London ; Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München. Das Projekt wäre nicht möglich gewesen ohne ein Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), ein Stipendium der Ludwig-Maximilians-Universität München im Rahmen des Hochschul- und Wissenschaftsprogramms (HWP) zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre sowie dem Joseph Dunlap Fellowship der William Morris Society. Das Buch hat eine längere Geschichte, die nun nach über 20 Jahren zunächst einmal ein Ende gefunden hat. Das Interesse an William Morris’ Buchmalerei begann mit einem Besuch der King’s Library im Britischen Museum, wo diese als Beispiel jüngerer Buchmalerei ausgestellt war. Das Thema hat mich von Kiel über Hamburg nach München begleitet, wurde immer wieder durch andere Projekte unterbrochen, aber nie aufgegeben. Wegen des langen Zeitraumes sind einige der oben Genannten inzwischen nicht mehr in ihren Ämtern tätig oder haben die Institution gewechselt. Dank gilt auch der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim für die großzügige Förderung der Drucklegung. Das Buch ist in tiefer Dankbarkeit meinen Eltern gewidmet, die mein Interesse und meine Forschung stets unterstützt haben.
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1 Einleitung
Im Folgenden soll William Morris’ (1834–1896) vielfältiges Interesse an der Buchmalerei untersucht und im Kontext des viktorianischen Zeitalters und dessen Vorliebe für mittelalterliche Buchmalerei verortet werden. Morris’ Beschäftigung mit Handschriften tritt in der Forschung stets gegenüber derjenigen mit den Buchdrucken seiner 1890 gegründeten Kelmscott Press und seinen Leistungen als Buch-»Designer« in den Hintergrund. Demgegenüber will die vorliegende Arbeit Morris in seiner Tätigkeit als Buchmaler, Handschriftensammler und Verfasser von Aufsätzen zur historischen Buchmalerei vorstellen. Da Morris sich sowohl aktiv als auch theoretisch mit der Buchmalerei auseinandersetzte, erfolgt zwischen den einzelnen Teilen der Arbeit ein Wechsel der Fragestellung. Während im ersten Teil die Einbettung des Frühwerks, in dem er sich sowohl gestalterisch als auch literarisch von der mittelalterlichen Buchmalerei inspirieren ließ, in den Zeitkontext die wesentliche Rolle spielt – sowohl in Hinblick auf die allgemeine Mittelalterbegeisterung als auch auf die Überlegungen zu einer Reform der Künste –, steht im zweiten Teil die Beschäftigung mit dem Verhältnis von Text und Bild, die Frage nach Formen des Erzählens im visuellen Medium wie nach dem ergänzenden Mit- und Nebeneinander von Text, Ornament und Bild im Vordergrund. Hier galt es, vor dem Hintergrund theoretischer Forschungsansätze zu dem Themenbereich allgemein und zu Morris im Besonderen einen Weg zu erarbeiten, der seinen als Gemeinschaftswerk konzipierten Arbeiten gerecht wird und eine umfassende Analyse des Text-Bild-Verhältnisses, aber auch Fragen zu Rezipienten und Ornament erlaubt. Hierbei sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen wie Arbeitsumfang des jeweiligen Handschriftenprojekts und Charakter des Texts – sowohl Gattung als auch Sprache und Inhalt – sowie die Entstehungsumstände wie Motivation und Funktion. Schriftliche Quellen werden ergänzend zur Klärung einzelner Fragen, gerade in Hinblick auf die Datierung, hinzugezogen. Dieser zweite Teil ist durch ein objektorientiertes Verfahren bestimmt, als dessen Korrektive der kulturelle Kontext, die Bildtradition und das Œuvre der Künstler, der Vergleich mit historischen Buchmalereien in der Sammlung englischer Bibliotheken herangezogen werden. Durch ausgewählte Vergleiche wird anschließend Morris’ individuelle und originelle Auffassung und Äußerung im Bereich der Buchmalerei des 19. Jahrhunderts gezeigt. Für den dritten Teil, der Morris’ Darstellungen der historischen Buchmalerei gewidmet ist, wurde ein wissenschaftsgeschichtlicher Ansatz und für den vierten Teil, der Morris’ Handschriftensammlung gilt, ein solcher gewählt, der sich mit Sammlungsgeschichte beschäftigt. Der vierte Teil wird durch einen Katalog seiner Handschriftensammlung ergänzt, der eine Synthese verschiedener früher Kataloge bildet und die einzelnen, ehemals in Morris’ Bibliothek vorhandenen Handschriften knapp vorstellt. 9
Einleitung
Trotz Bemühens, deren aktuellen Verbleib nachzuweisen, gelang dieses leider nicht in allen Fällen. Diese Lücken bleiben noch zu füllen. Dabei entspricht die Gliederung zugleich einer Chronologie von Morris’ Vorlieben und Interessen. Beschäftigen sich die beiden ersten Teile mit Werken aus den Jahren um 1860 bis 1875, so erfolgte Morris’ Sammeltätigkeit und das Verfassen historischer Darstellungen erst in den 1890er Jahren. Praktische Tätigkeit und theoretische Beschäftigung werden durch fünfzehn Jahre getrennt, in denen er besonders durch politische Aktivitäten in Anspruch genommen war. Die Untersuchungen sollen Morris’ Status als originärer, eigenständiger Gestalter und Buchkünstler unterstreichen, Möglichkeiten der Analyse von Illustrationen und Ornament aufzeigen und einen Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte in Hinblick auf die kunsthistorische und kunsttheoretische Beschäftigung mit der Buchmalerei und ihrem Einsatz in der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Anliegen leisten.
1.1 Forschungsstand William Morris’ Handschriften entstanden, abgesehen von einer Gruppe früher Experimente, in der Zeit zwischen 1869 und 1875. Die meisten dieser Handschriften wurden nicht vollendet und sind nicht durch den Künstler datiert. Wichtige Ausnahmen bilden dabei die vier Handschriften, die Morris seiner Vertrauten Georgiana Burne-Jones, der Frau seines langjährigen Freundes Edward Burne-Jones, schenkte. Sie geben, unterstützt durch Äußerungen in Briefen des Künstlers, wichtige Anhaltspunkte für eine Chronologie der Handschriften. Georgiana Burne-Jones verteilte ihre Handschriften noch zu Lebzeiten in Erinnerung und Würdigung ihres Freundes an bedeutende englische Sammlungen, denen Morris verbunden war : an die National Art Library im Victoria & Albert Museum in London, die British Library, die Sammlungen in Birmingham und Cambridge.1 Die größte Sammlung erhielt die Bodleian Library in Oxford durch Morris’ Tochter May, deren Anliegen es war, illuminierte Arbeiten ihres Vaters an die Bibliothek zu geben, deren Handschriften ihn schon früh begeistert und beeinflusst hatten. Bereits 1888 und 1899 waren Beispiele seiner Handschriften auf der ersten und sechsten Ausstellung der Arts & Crafts Exhibition Society zu sehen.2 Die Ausstellung von 1899 umfasste eine Morris und seinem Werk gewidmete Präsentation. Zeichnungen für die »Aeneis«-Handschrift wurden in Ausstellungen von Burne-Jones’ Œuvre in den Jahren
1 Brief Georgiana Burne-Jones’ an Charles Fairfax Murray vom 16.11.1901, JRLM, MS 1278, fol. 16r. 2 ACES 1888, Kat. Nr. 146–150 ; ACES 1899, South Gallery, MS Case Y a–g.
10
Forschungsstand
1892, 1896 und 1899 gezeigt.3 Erst 1934 war wieder eine größere Gruppe seiner Handschriften auf der ihm gewidmeten Ausstellung im Victoria & Albert Museum vertreten.4 Verglichen mit anderen Werkgruppen wie Textilien oder Kelmscott Press-Drucken erfuhren die Handschriften relativ spärliche Würdigung. Zwar wurden sie als Teil der Tätigkeit Morris’, als Beleg für seine umfassenden Talente als dekorativer Künstler herangezogen, doch stand eine systematische Würdigung bis in die 1970er Jahre aus.5 Aymer Vallance und John William Mackail äußerten sich als Zeitgenossen, Graily Hewitt als mit Morris’ Werk eng vertrauter Kalligraph zu den Handschriften, wobei sie kurz und auswählend einzelne Merkmale vorstellten, ihren Eindruck von den Handschriften festhielten und versuchten, diese zu charakterisieren.6 Hewitt würdigte die Hingabe Morris’ an das Medium und die Originalität seiner Handschriften : With the MSS. one is at once aware, despite certain roughnesses our later practice or sophistication reveals to us, of a grasp, a largeness, a lavishness and delight in them, as in every enterprise he undertook, for admiration of which there seems no words. Everything is on the grand scale, regardless of time, trouble or money to be spent on them.7
Die Handschriften der 1870er Jahre zeigten nach Hewitt wenig Verbindung zu mittelalterlichen Arbeiten, »but the Renaissance methods are as fresh as all his work is fresh, with an originality which has proved to be the essential bottom of the business and then burst upwards with irrepressible vitality«.8 Morris’ Mitarbeiter, der spätere Direktor des Fitzwilliam Museums in Cambridge, Sydney Carlyle Cockerell, betonte dessen Nähe zu den italienischen Schreibmeistern und hob die Schönheit seiner Handschriften hervor : […] he evolved several beautiful scripts which were largely founded on the Italian calligraphy of the second half of the fifteenth century. Thus equipped, he produced a small group of manuscripts of singular beauty and refinement in the decoration of which he was assisted by Burne-Jones […].9
3 EBJ 1892, Kat. Nr. 88–90, 91–94, 163, 165 ; EBJ 1896, S. 6, Nr. 97, 98, 100, 102, 105, 107, 108 ; EBJ 1899, S. 42, Kat. Nr. 158 (1–4), 159 (5–8), 160 (9–12), 161 (1–6), 162 (7–13), 164 (14–17). 4 V&A 1934, Kat. Nr. 229–238a, 240–249, 325. 5 Frühe Darstellungen bei Crane 1897, S. 94 ; Day 1899, S. 28–30. 6 Vallance 1989, S. 380–383 ; Mackail 1995 I, S. 103, 108, 114–116, 208–209, 276–280, 303 ; Hewitt 1934. 7 Ebd., S. 3–4 ; vgl. May Morris, in : CW IX, S. xxii–xxiii ; Mackail 1995 II, S. 342 : »But his prose was as sincere, and as little a forced copy of mediaeval work, as were his illuminated manuscripts, or his painted windows.« 8 Hewitt 1934, S. 10. 9 S. C. Cockerell, Modern English Calligraphy, BL, MS Add. 52772, fol. 138r.
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Einleitung
Hermann Zapf stellte dem deutschsprachigen Buchinteressierten erstmals Morris’ Handschriften 1949 als eine Vorstufe der Kelmscott Press vor, der sein eigentliches Interesse galt.10 Ausführlicher geriet dann 1970 die Einordnung des Kalligraphen Alfred Fairbank, die erstmalig auch von einem Katalog der betreffenden Werke begleitet wurde.11 Fairbanks Schwerpunkt lag auf der Kalligraphie, ihren Vorbildern, besonders den italienischen, und der zeitlichen Folge der Handschriften. Joseph E. Dunlap war der Erste, der sich grundlegend und umfassend mit dieser Werkgruppe des Künstlers beschäftigte, wobei auch sein Schwerpunkt der Schrift und ihrer Entwicklung galt. Nach seiner Dissertation 1972, die die verschiedenen Werke und Phasen genau beschreibt, die erhaltenen undatierten Einzelblätter zuordnet und das Verhältnis der einzelnen Handschriften und Fragmente zueinander vergleichend begründet sowie Vorbilder diskutiert, fasste er die wichtigsten Ergebnisse 1975 in einem Aufsatz und 1976 in einer Einleitung und Katalogtexten für die Ausstellung »William Morris and the Art of the Book« in der Pierpont Morgan Library, New York, zusammen.12 Dunlaps Untersuchungen bildeten eine wichtige Grundlage für die im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfolgenden Anmerkungen zur Schrift. Die New Yorker Ausstellung von 1976 stellte Morris als Buchmaler, als Buchsammler und als Privatpressenbetreiber vor, wobei die Veranstalter fast alle Handschriften versammeln konnten. Dieses sollte sich erst mit der Morris-Ausstellung des Victoria & Albert Museums wiederholen, die 1996 anlässlich des 100. Todestags des Künstlers stattfand.13 Hier wurden die Handschriften von John Nash betreut, dessen Schwerpunkt ebenfalls der Schrift, ihren Vorlagen und ihrer Entwicklung galt. 2010 wurde eine Auswahl von Morris’ Handschriften in der Ausstellung »Calligraphic Masterpieces« in der William Morris Gallery in Walthamstow gezeigt.14 Jüngere Untersuchungen widmeten sich Einzelaspekten der Handschriften und erfolgten im Kontext jeweils aktueller wissenschaftlicher Fragestellungen, wobei der Schwerpunkt auf dem »A Book of Verse« lag, das von jeher die anderen Handschriften an Bekanntheit übertraf. Betrachtet wurden die Handschriften in Hinblick auf die mittelalterlichen Anregungen im Kontext der Präraffaeliten, auf die Struktur der Freundesgruppe, auf die Produktionsbedingungen bei »Morris, Marshall, Faulkner & Co.«, das Phänomen des Geschenkes, den Bezug zwischen Text und Bild, die Gestaltung der flo10 Zapf 1949, S. 16–20. 11 Fairbank 1970. 12 Dunlap 1972/1976 ; Dunlap 1975 ; Dunlap 1976 ; PML 1976, Kat. Nr. 46–63. 13 Nash 1996 ; Parry 1996, Kat. Nr. N.1-N.14. 14 Die Ausstellung wurde durch keinen Katalog begleitet. Ausgestellt waren die Handschriften aus der Sammlung der Bodleian Library in Oxford, das »A Book of Verse« aus dem Victoria & Albert Museum in London, die »Three Icelandic Sagas« aus dem Fitzwilliam Museum in Cambridge, die »Dwellers of Eyr«- und »Omar Khayyam«-Handschriften aus den Beständen der Birmingham Museums and Art Gallery und der British Library sowie Einzelblätter aus der eigenen Sammlung.
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Mitarbeiter
ralen Ornamente, die Bedeutung der Handschrift als materielles Objekt, die Frage nach dem Verhältnis zwischen Dichtung, Schrift und Druck. Diese Untersuchungen werden später im konkreten Zusammenhang der jeweiligen Handschriften genauer erläutert. 2002 wurden in einem Auktionskatalog von Christie’s London die Handschriften in einer Einleitung zur Losnummer der »Aeneis«-Handschrift« knapp vorgestellt.15 Berücksichtigung fanden Morris’ Handschriften auch in Zusammenhang mit Forschungen zur Rolle der Buchmalerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wobei hier das Interesse besonders auf der Vermittlung von Vorlagen durch die neuen technischen Möglichkeiten bzw. auf die Verbindung mit dem »Gothic Revival« gelegt wurde.16 Für diese Aspekte fungieren die Buchmalereien Morris’ aus den 1870er Jahren allerdings nicht als die prägnantesten Beispiele, so dass sie als nur eine Möglichkeit unter anderen für die Arbeit in diesem Medium herangezogen wurden. Faksimiles liegen von »A Book of Verse« (1980), dem Londoner »Rubayiat« (1981) und »The Odes of Horace« (2014) vor.
1.2 Mitarbeiter Morris arbeitete nicht allein an seinen Handschriften, sondern zog befreundete Künstler wie Edward Burne-Jones und Charles Fairfax Murray sowie Mitarbeiter seiner »Firma« »Morris, Marshall, Faulkner & Co.« hinzu. Die Kooperation mit den beiden Künstlern und anderen Mitarbeitern beruhte nicht nur auf Zeitproblemen von Morris und z. T. auch von Burne-Jones, auf ihrer Auslastung durch andere Projekte und Aufträge, sondern auch auf Morris’ Bedenken in Hinblick auf seine eigenen malerischen Fähigkeiten sowie seiner Auffassung von Kunstwerken und Büchern als Gemeinschaftsarbeit.17 Morris und Burne-Jones (1833–1898) kannten einander seit 1853 durch ihr Studium am Exeter College, Oxford. Aus dieser Zeit datiert ihre gemeinsame Begeisterung für das Mittelalter, für Geoffrey Chaucer, Thomas Malory, Albrecht Dürer und die Arbeiten Dante Gabriel Rossettis. Als Morris 1856 bei dem Architekten George Edmund Street in die Lehre ging und sich Burne-Jones unter Dante Gabriel Rossettis Anleitung der Malerei widmete, mieteten sie sich eine gemeinsame Wohnung in London, zunächst in der Upper Gordon Street und später in 17 Red Lion Square. Burne-Jones wurde ein enger und wichtiger Mitarbeiter des von Morris 1861 als »Morris, Marshall, Faulkner & Co.« gegründeten Unternehmens (seit 1875 »Morris & Co.«). Er führte figürliche Entwürfe für Glasfenster und Tapisserien sowie Illustrationen für die von Morris 1889/1890 gegrün15 Christie’s 27.11.2002, S. 36–45. 16 Zuletzt Hindman 2001, S. 169–175. 17 Art, Craft, and Life : A Chat with Mr. William Morris, Daily Chronicle, 9.10.1893, in : Pinkney 2005, S. 73–79, hier S. 77.
13
Einleitung
dete Kelmscott Press aus. Burne-Jones und Morris trafen sich auch nach Gründung ihrer Familien regelmäßig an Sonntagen zur gemeinsamen Arbeit, zum Illuminieren, Zeichnen, Lesen und dem Vortragen eigener Werke.18 May Morris definierte in Bezug auf ihren Vater Buchmalerei und Kalligraphie als »serene and contemplative art« – »surely the most restful occupation for leisure Sundays that a man of many activities could have found«.19 Burne-Jones führte Miniaturen in Morris’ Handschriften aus, entwarf die Vorlagen oder stellte Charles Fairfax Murray Entwürfe zur Verfügung, die dieser dann variierend verwendete. Dabei lassen sich bei Burne-Jones’ Miniaturen und Entwürfen für Miniaturen immer enge Beziehungen zu seinen zeitgleichen Gemälden, Gouachen und dekorativen Entwürfen nachweisen. Seine Gemälde der 1870er Jahre kennzeichnen sich durch abstrakte Liniengefüge im Hintergrund, die von einem dynamischen, peitschenschwungartigen Duktus bestimmt sind, der in den Falten der Gewänder aufgegriffen wird. Sie und nicht die zumeist melancholischen, passiven Figuren vermitteln die Dramatik der Handlung und die Emotionen der Protagonisten. In diesen Arbeiten ist eine Abwendung von der durch die venezianische Renaissancemalerei, die John Ruskin so schätzte, und der von Rossetti angeregten dunklen, warmen Tonigkeit zu einer kühlen, oftmals nahezu monochromen, blau-silbertonigen Palette zu beobachten. Farbe und Figurenmotive bestimmen bei Verzicht auf Hintergrunddetails und Aktion die Bildwirkung und vermitteln weniger einen spezifischen Handlungsmoment als vielmehr einen atmosphärischen Stimmungsgehalt an den Betrachter.20 Zu dem seltsamen Schwebezustand der Bilder trägt auch die Verschmelzung von frühen Anregungen durch die mittelalterliche Kunst mit solchen der Antike und der italienischen Renaissance, besonders durch Arbeiten Botticellis und Michelangelos, bei. Zwar dient Burne-Jones eine literarische Vorlage als Ausgangspunkt, diese wird aber – wie in anderer Form bei Rossetti – zu einem subjektiv gefärbten Stimmungsbild transformiert. Beiden diente der jeweilige Text als Ausgangspunkt für die Darstellung von Gefühlen, die durch diesen ausgelöst wurden, ohne ihn im engeren Sinne zu illustrieren. Burne-Jones äußerte entsprechend, die Illustration eines Textes solle »no faint echo of other men’s thoughts, but a voice concurrent or prophetical, full of meaning […] full of real art and poetical comprehension«21 sein. Er beklagte bei den meisten Buchillustrationen »want of purpose and absence of interest and particular truth« und bezeichnete sie als »useless illustrations that can tell us no new thing, nor give palpable embodiment to our confused thoughts, and so perpetuate them«.22 Burne-Jones scheint mit diesen Worten den Illustrator zu einer eigenen Interpretation des Textes oder 18 May Morris, in : CW IX, S. xviii, xvi. 19 Ebd., S. xviii. 20 Bell spricht in Hinblick auf Arbeiten Burne-Jones’ von Werken »which convey a sentiment or an idea but not a story«, Bell 1903, S. 103. 21 [Burne-Jones] 1856, S. 61. Zur Autorschaft Burne-Jones’ vgl. GBJ 1993 I, S. 122. 22 [Burne-Jones] 1856, S. 59.
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zu einer Erklärungshilfe für den Leser aufzufordern. Dieses setzt eine intensive Auseinandersetzung, die Erarbeitung eines eigenen Standpunkts und eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber Autor und Verleger voraus. Rossetti wiederum bevorzugte, wie er in Zusammenhang mit den Illustrationen des Moxon »Tennyson« (1857) einräumte, solche Texte, »where one can allegorize on one’s own hook on the subject of the poem, without killing, for oneself & everyone, a distinct idea of the poet’s«.23 Wie Werner Busch am Beispiel von Rossettis »Paolo and Francesca« und dessen Darstellung von Gretchen und Faust im Gefängnis zeigte, kann es dabei auch zu Auslassungen oder Schwerpunktsetzungen kommen, die sich von der Textfassung unterscheiden.24 Rossetti wünschte sich somit die Möglichkeit, eine parallele Erzählung der Geschichte zu geben, nicht von den Vorgaben des Autors abhängig zu sein. Diese Eigenständigkeit in der Erzählung ist als eine Form der Interpretation aufzufassen. Auch Ruskin betonte, dass die Illustration immer eine Interpretation eines Textes bilde. Nach Ruskin sei eine gelungene und gute Illustration immer »another poem, subordinate but wholly different from the poet’s conception, and serve chiefly to show the reader how variously the same verses may affect various minds«.25 Morris schätzte an Burne-Jones’ Kunst das »element of perfect ornamentation, the completely decorative side of art«.26 Diese »ornamental function« eines Kunstwerks ergänze seine beiden anderen grundlegenden Aspekte – die Wiedergabe der Natur und das Erzählen einer Geschichte.27 Ein Gemälde müsse Morris zufolge eine »definite, harmonious, conscious beauty« besitzen : »It should be ornamental. It ought to be possible for it to be part of a beautiful whole in a room or church or hall.«28 Die präraffaelitische Kunst insgesamt bilde einen »branch of the great Gothic Art which once pervaded all Europe« und weise deren drei Grundlagen auf – die Liebe zur Natur, die »epical quality« und die »ornamental quality«, ergänzt durch die »romantic quality«.29 Charles Fairfax Murray (1849–1919), heute hauptsächlich als Kunstsammler, -händler und -kenner,30 als Assistent von Dante Gabriel Rossetti und Kopist für John Ruskin be23 Rossetti in einem Brief an William Allingham vom 23.1.1855, zit. nach : Fredeman 2002 II, Nr. 55.4, S. 7 ; vgl. a. Doughty/Wahl 1965 I, Nr. 196, S. 239. 24 Werner Busch, Gretchens Dominanz – Dante Gabriel Rossettis »Kerkerszene«, in : Stephan Albrecht, Michaela Braesel, Sabine Fastert, Andrea Gottdang, Gabriele Wimböck (Hrsg.), Kunst – Geschichte – Wahrnehmung. Strukturen und Wahrnehmungskonventionen, München 2008, S. 135–143. 25 Ruskin, Lib. Ed. XXXVI, S. 264–265. 26 William Morris, Address on the Collection of Paintings of the English Pre-Raphaelite School in the City of Birmingham Museum and Art Gallery on Friday, October 24, 1891, in : Morris 1966 I, S. 296–310, hier S. 302. 27 Ebd., S. 301–302. Zum Naturalismus bei den Präraffaeliten : ebd., S. 299–300. 28 Ebd., S. 302. 29 Ebd., S. 302, 303. 30 Teile von Murrays Sammlung befinden sich heute in der Pierpont Morgan Library in New York, dem Fitzwilliam Museum in Cambridge, den Birmingham Museums and Art Gallery und der National Gallery London. Bereits früh setzte sich Murray mit den Techniken und Werkstattabläufen der italienischen Maler ausein-
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kannt, arbeitete zunächst seit 1866 als Assistent von Burne-Jones, dessen Entwürfe er auf die Leinwand übertrug oder so für Morris’ »Firma« überarbeitete, dass sie den Glasarbeitern und später den Holzstechern als Vorlage dienen konnten.31 Nach ersten Italienaufenthalten 1871–1872 lebte er später abwechselnd in England und Italien und fungierte für seine englischen Freunde als wichtige Quelle bei der Beschaffung von Photographien italienischer Kunstwerke, dem Erwerb von Originalen bzw. für Morris auch von Pergament. Um 1875 finden sich verschiedene Hinweise auf eine besondere Beschäftigung mit Buchmalereien : Im Januar 1874 kopierte er Buchstaben aus Chorbüchern in Pisa ;32 am 31. August 1874 betrachtete er gemeinsam mit Morris Handschriften und Drucke in der British Library.33 In einem anderen Skizzenbuch von 1875 haben sich, wenn auch wenige, Notizen zu Handschriften erhalten.34 Murray selbst beurteilte seine eigenen Fähigkeiten stets sehr skeptisch, »[…] but I never could do much on my own account – I have no invention«,35 aber er stellte mit der Royal Academy aus (1867, 1872), und es haben sich einige seiner Gemälde, z. T. auf Sujets von Morris’ Dichtungen basierend, erhalten, die in Figurentypus, Farbgebung und Duktus eine enge Bindung an das Werk Burne-Jones’ und an Arbeiten der venezianischen Renaissance, besonders zu Gemälden Giorgiones und des frühen Tizian, aufweisen.36 Daneben war Murray mit dem Bemalen von Möbeln besonders für die Firma »Collinson & Lock« beschäftigt, wobei die figürlichen Motive in ihrer statuarischen Haltung und Vereinzelung den Glasfensterentwürfen von Burne-Jones und Morris verwandt sind.37
ander, die eine wichtige Grundlage für seine späteren Zuschreibungsverfahren sowie zur Kritik an seiner eigenen Ausbildung und Tätigkeit bei Burne-Jones führten, vgl. Elliott 2000, S. 25. 31 Lit. zu Murray : Benson 1924, S. 205–221 ; Connoisseur 1962 ; Robinson 1975 ; Cable 1978 ; Elzea 1984, S. 90– 91 ; Clegg/Tucker 1993, S. 155–156 ; Barrington 1994 ; Elliott 2000 ; Elliott 2000a ; Tucker 2004, S. 102–111 ; Raffaele Monti, I giardini delle regine, in : I giardini 2004, S. 80–95, hier S. 85–90. Zu Murrays und Morris’ enger Freundschaft : Elliott 2000, S. 18. Zur Tätigkeit Murrays für die »Firma« : May Morris, in : CW IX, S. xxvi. 32 Murrays Diary für 1874, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 27, Einträge am 8.–10. und 13.1.1874. 33 Ebd., Eintrag am 31.8.1874. 34 Charles Fairfax Murray’s Sketchbook of Italian Drawings, 1875, FMC, Inv.-Nr. 1402, o. S.: Liber Comerii […] Bonifatii, 1258 : Autorenbildnis und Titel, Farbangaben in Sepia. Weitere Skizzen mit figürlichen Szenen, Schrift und Wappen, einer I-Initiale mit Rankenwerk und einer Miniatur mit Männern in Amtstracht auf Bänken. 35 Zit. nach : Benson 1924, S. 212. 36 Z. B. A Pastoral, 1869–1871, Privatsammlung ; The King’s Daughters, um 1875, Dulwich Picture Gallery, siehe : Christian 1989, Kat. Nr. 41, 42 auf S. 91. 37 Elliott 2000, S. 229, Anm. 30, berichtet, dass Murray allein von 1874–1875 mindenstens 26 Felder für »Collinson & Lock« ausführte. Murray bemalte aber auch für »Morris & Co.« Möbelfelder, ebd., S. 65, 67. Siehe auch die verschiedenen Einträge in Murrays Kalenderbüchern für 1874–1877, CFLP, Inv.-Nr. 1983. A. 27–29. Für Morris entstanden Felder mit Darstellungen der Jahreszeiten, von Tag und Nacht, Diary von 1875, CFLP, Inv.-Nr. 1983. A. 28, 8. und 10.9., 3.–8., 14., 26.10., 29.10.–4.11., 7.–11.11.1875. Zu Murrays Arbeiten zäh-
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Technische Grundlagen
1.3 Technische Grundlagen Wie seine Bemühungen um qualitätvolles römisches Pergament, an das er über Murray gelangte, und seine technischen Versuche mit dem Goldauftrag belegen, war Morris wie später bei der Kelmscott Press bei seinen Handschriften an einem seinen eigenen hohen Ansprüchen genügenden äußeren Erscheinungsbild gelegen.38 Wie bei seinen Unternehmungen im Textil- und Buchdruck erprobte er dabei auch alte Verfahren, wie sie in Theophilus Presbyters »De diversis artibus« beschrieben werden, das seit 1847 in einer englischen Übersetzung vorlag.39 Nach May Morris entwickelte ihr Vater jedoch eine eigene Methode des Goldauftrags.40 Morris besaß einige der zu seiner Zeit wichtigsten Publikationen zur Miniaturmalerei, in denen er sich über die Technik informieren konnte. Dazu zählen William Robert Tymms und Matthew Digby Wyatts »The Art of Illuminating« in der Ausgabe von 1865, Robert Hendries Theophilus-Übersetzung von 1847 und Henry Shaws »The Art of Illumination in the Middle Ages« von 1870.41 Wie spätere Kalligraphenkollegen feststellten, schnitt Morris seine Federn wohl nicht selber und verwendete sowohl Krähen- als auch Gänsefedern.42 May Morris beschreibt ausführlich den Arbeitsplatz ihres Vaters : […] ; there were sticks of Chinese ink of a special quality […], there was precious ultramarine in a slim cake, there was pale gold in shells, and gold-leaf in books […] my father would pass the broad badger-hair brush used for taking up the leaf through his forest of thick curls in the orthodox way, before laying it gently on the leaf of gold. That made us laugh : then the brush ever so slightly greased by this simple means, took even hold of the leaf and laid it delicately on the cushion where it was dexterously cut […]. Then there was the beautiful white vellum, and brushes crisp and delicate, and quill pens, from a goose-quill to a crow-quill, and finely tempered knives and elegant rules and compasses – the many objects that go to the equipment of this lovely art were there, all things to be admired for their own beauty and fitness, and for the use to which the busy hands put them.43 len auch die Malereien auf dem »Lucretia Cabinet« von 1873, Detroit Institute of Arts. Vgl. Braesel 2007, S. 230–232. 38 Zum Goldauftrag : Quarterly Review 1899, S. 512. May Morris berichtet über Morris’ »great pains to learn how to lay the gold«, in : CW IX, S. xxiv. 39 Robert Hendrie, An Essay upon Various Arts, in : Three Books, by Theophilus called also Rugerus, London 1847 ; eine frühere Ausgabe 1781 durch Rudolf E. Raspe. Zu Morris und Theophilus : Fairbank 1970, S. 63 ; May Morris, in : CW IX, S. xxiv. 40 Ebd. 41 WM 1898, Los 1034, 1045, 1065 mit Korrekturen (Library of Massey College, Toronto). 42 Hewitt 1934, S. 6 ; Morris 1966 II, S. 624 ; Fairbank 1970, S. 60. Vgl. William Morris, Some Notes on the Illuminated Books of the Middle Ages, 1894, in : Morris 1982, S. 7–14, hier S. 7. 43 May Morris ; in : CW IX, S. xvii. Vgl. Brief von Margaret Burne-Jones an Charles Fairfax Murray vom 30.10.1887, JRLM, MS 1278, fol. 38r.
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Einleitung
Der erhaltende Briefwechsel zwischen Morris und Murray dokumentiert die Pergamentlieferungen aus Rom und die damit verbundenen Schwierigkeiten, besonders in Hinblick auf Qualität und Mengen.44 Erste Lieferungen aus Rom erhielt Morris im Mai 1871, aber die meisten Zeugnisse haben sich aus den Jahren 1874/1875 erhalten, als er an den Horaz- und Vergil-Handschriften arbeitete.45 Morris bevorzugte es, auf Pergament zu schreiben, aber nur auf solchem ohne Bleiweiß, das in England nicht erhältlich war.46 Die Briefe machen deutlich, dass es ihm, abgesehen von Mengen und Größe, besonders um die Härte, Dicke und Färbung des Pergaments ging.47
1.4 William Morris’ Auffassungen zur Handschriften- und Buchgestaltung Für Morris bildeten die Handschriften ein Ideal und ein Vergnügen zugleich, »my pleasure work of books«.48 Insgesamt bewertete er Bücher sehr hoch, und hinsichtlich der Bedeutung innerhalb der Künste stand »A beautiful Book« gleich hinter »A beautiful House« : If I were asked to say what is at once the most important production of Art and the thing most to be longed for, I should answer, A beautiful House ; and if I were further asked to name the production next in importance and the thing next to be longed for, I should answer, A beautiful Book. To enjoy good houses and good books in self-respect and decent comfort, seems to me to be the pleasurable end towards which all societies of human beings ought now to struggle.49
Um 1890 ist in Morris’ Äußerungen und Schriften eine Häufung von Verweisen auf Buchmalerei festzustellen, die sich vielleicht mit den Plänen zur Gründung der Kelmscott Press in Verbindung bringen lässt, durch die ihm wieder die Vorzüge der Buchmalerei bewusst wurden. So äußerte er 1891 : »Pleased as I am with my printing, when I saw my two men at work on the press yesterday with their sticky printers’ ink, I couldn’t help lamenting 44 Vgl. Elliott 2000, S. 53, 64. 45 Brief Morris’ an Edith Marion Story vom 10.5.1871, in : Kelvin 1984 I, Nr. 133, S. 132. 46 Brief Morris’ an Murray vom 18.2.1874, in : Kelvin 1984 I, Nr. 225, S. 213. 47 Ebd. 48 Morris in einem Brief an Louisa Macdonald Baldwin vom 25.3.1875, zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 266, S. 248 ; Morris 1966 I, S. 467 (hier auf »painted books« bezogen). Diese Äußerung Morris’ gilt vermutlich sowohl seinen Handschriften als auch seinen Übersetzungsprojekten, da er im Anschluss Louisa Baldwin über die baldige Veröffentlichung einiger seiner »Icelandic Stories« und über den Fortgang der »Aeneis«-Übersetzung informiert. 49 William Morris, Some Thoughts on the Ornamented Manuscripts of the Middle Ages, wohl 1892, in : Morris 1982, S. 1–6, hier S. 1. Das Manuskript des Texts in Huntington zeigt, dass Morris, den Wert von Hauseinrichtung und Büchern stärker betonend, zuerst plante, statt »pleasurable end« »the very end« einzufügen, HL 6440/6441, S. 1.
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William Morris’ Auffassungen zur Handschriften- und Buchgestaltung
the simplicity of the scribe and his desk, and his black ink and blue and red ink, and I almost felt ashamed of my press after all.«50 Und in seinem utopischen Roman »News from Nowhere« von 1890 formulierte er gleichermaßen das Ideal des geschriebenen Buchs : »You understand that handsome writing we like, and many people will write their books out when they made them, or get them written ; I mean books of which only a few copies are needed – poems, and such like you know.«51 Im gleichen Jahr erschien Morris’ »The Story of the Glittering Plain or The Land of Living Men«, das im nächsten Jahr als erstes Buch der Kelmscott Press publiziert wurde.52 Auch hierin erwähnt Morris Handschriften, dieses Mal solche mit Buchmalereien : »And in that book were pictures of many things, as flaming mountains, and castles of war, and ships upon the sea, but chiefly of fair women, and queens, and warriors and kings ; and it was done in gold and azure and cinnabar and minimum.«53 An späterer Stelle erfolgen weitere Angaben zur Ausschmückung der Handschrift : »[…] ; and therein were woods and castles painted, and burning mountains, and the wall of the world, and kings upon their thrones, and fair women, and warriors, all most lovely to behold.«54 Diese knappen Beschreibungen veranschaulichen, welche Elemente Morris an den mittelalterlichen Handschriften besonders schätzte : die Sujets aus der Welt der Sagen und Märchen, die prachtvolle Farbigkeit und die Schönheit der Malerei. In einem Brief Morris’ von 1894 wird deutlich, auf welche Aspekte er noch vor Überlegungen zur ornamentalen Ausschmückung der Buchseite achtete : auf Lesbarkeit, Klarheit und Schönheit der Schrift, Größe und Form der Seite, die Positionierung des Textblocks auf der Seite, das Verhältnis der Seitenränder zueinander sowie auf das Arrangement der Schrift in Hinblick auf Hierarchisierung und Gliederung.55 Er empfahl das Konsultieren von »some old books printed or written before the 16th century« und eine Orientierung der Schrift an »some fine book written about [durchgestrichen] 1120 or even earlier in which he will find the forms of the letters very good & the whole writing legible. The Brit : Mus : is rich in such books.«56 Wie Morris’ Äußerungen im Zusammenhang mit dem »Ideal Book« belegen und auch seine Handschriften und Buchdrucke bezeugen, konnte er auf begleitende Bildfelder verzichten und erachtete ein Buch allein auf Grund seiner Schriftgestaltung, seines Layouts sowie seiner Ornamentik als ein gelungenes Werk.57 Seiner Auffassung nach dürfe die Dekoration erst dann 50 Zit. nach : Dunlap 1976, S. 68. 51 CW XVI, S. 29. 52 Peterson 1985, Nr. A1, S. 3–6. 53 CW XIV, S. 265–266. 54 Ebd., S. 293. 55 Brief Morris’ an Jesse Berridge vom 17.11.1894, in : Kelvin 1996 IV, Nr. 2330, S. 235. Vgl. dazu auch seine Angaben in dem Vortrag »Printing« von 1893, in : Morris 1982, S. 59–66. 56 Zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2330, S. 235. 57 William Morris, The Ideal Book (1893), in : Morris 1982, S. 67–73, hier S. 67, 70–71 ; vgl. ders., Woodcuts of Gothic Books, 1892, in : ebd., S. 25–44, hier S. 27.
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erfolgen, wenn die »Architektur« der Seite überzeugend gelöst sei. Hierzu zählten ein dunkler, geschlossener Satzspiegel mit möglichst geringen Zwischenräumen zwischen Buchstaben, Wörtern und Zeilen (jedoch ohne die Lesbarkeit einzuschränken), weswegen Morris gerne Zeilenfüllungen verwendete. Er forderte weiterhin Seitenränder, bei denen der Fußsteg immer der am breitesten gehaltene sei, worauf Außen-, Kopf- und schließlich der innere Seitenrand, der Bundsteg, als schmalster Rand folgten, sowie die Forderung nach der Einheit der aufgeschlagenen Doppelseite, wobei dieses durch die schmalen Bundstege unterstützt werde, die dazu beitrügen, dass die Schriftblöcke zusammenrücken.58 In der dekorativen Gestaltung seiner Handschriften orientierte sich Morris an der konstruktiv-organischen Auffassung von Architektur bei John Ruskin und A. W. N. Pugin.59 So müsse das Ornament ebenso wie die Schrift zu einem harmonischen Teil der Seite werden. In Hinblick auf den Buchdruck formulierte Morris : »The ornament must form as much a part of the page as the type itself, or it will miss its mark, and in order to succeed, and to be ornament, it must submit to certain limitations, and become architectural […].«60 Die »architektonische« Qualität ist im Sinne einer logischen Anordnung zu verstehen : das Ausgehen von einer Basis, das Aufstreben, Verzweigen und Ausbreiten, die Kontinuität des Aufbaus, das Stützen und Tragen der einzelnen Teile im Gegensatz zu einem beliebigen Nebeneinander auf der Fläche. Als Richtlinie der Ornamentik galt Morris »the subject, of course«, wie er in Bezug auf den geplanten Kelmscott-Froissart ausführte.61 Auch die Buchillustration müsse sich der Seite unterordnen : […] ; a mere black and white picture, however interesting it may be as a picture, may be far from an ornament in a book, while, on the other hand, a book ornamented with pictures that are suitable for that, and that only, may become a work of art second to none, save a fine building duly decorated, or a fine piece of literature.62
58 Morris, The Ideal Book, in : ebd., S. 64. 59 Siehe Ruskins »Seven Lamps of Architecture«. Die »Sieben Lampen« versinnbildlichen die verschiedenen Prinzipien und Kräfte der Architektur : »Sacrifice«, »Power«, »Beauty«, »Life«, »Memory«, »Obedience« und besonders »Truth«, die Wahrhaftigkeit gegenüber Natur, architektonischer Konstruktion und verwendetem Material, vgl. hierzu John Ruskin, The Seven Lamps of Architecture, The Lamp of Truth, Ch. 2, § 6, Lib. Ed. VIII, S. 60–61. Pugin wiederum verlangte, dass ein Gebäude keine Elemente aufweisen solle, »which are not necessary for convenience, construction, or propriety«, und definierte Ornament als »enrichment of the essential construction of the building«. Er forderte eine materialgerechte Verarbeitung und eine Entsprechung von Dekoration, Erscheinungsbild und Funktion des Gebäudes, vgl. Augustus Welby Northmore Pugin, The True Principles of Pointed or Christian Architecture Set forth in Two Lectures Delivered at St. Marie’s, Oscott, London 1841, Reprint Pugin Society, Oxford 2003, S. 1, 2–3 ; vgl. S. 42. 60 Morris, The Ideal Book, in : Morris 1982, S. 72–73. 61 I. H. I. 1895/2005, S. 117. 62 Morris, The Ideal Book, in : Morris 1982, S. 73.
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William Morris’ Auffassungen zur Handschriften- und Buchgestaltung
Auch in seiner Vorlesung »The Woodcuts of Gothic Books« (1892) unterschied er zwischen Illustrationen mit dekorativen Ansätzen, die sich durch die Qualität der Linien mit Schrift und Ornament zu einem harmonischen Kunstwerk verbinden, und schwarzweißen Bildern, die dem Text als separate Kunstwerke angegliedert sind, wobei er Ersteres favorisierte.63 Er fasste zusammen : »The essential point to be remembered is that the ornament, whatever it is, whether picture or pattern-work, should form part of the page, should be a part of the whole scheme of the book.«64 Morris war immer zuerst am Gesamteffekt der Seite gelegen – am Zusammenwirken von Layout, Schrift, Ornament und Miniatur/Illustration. Grundlegend für die künstlerische Gestaltung eines Buches war seine Auffassung der »organic art, all art that is genuinely growing« – ein Begriff, der für ihn die Verbindung von Narration und Dekoration bedeutete.65 So kennzeichne sich die »organic art« durch zwei Eigenschaften – durch das Epische und das Ornamentale, deren Qualitäten die Erzählung einer Geschichte bzw. das Ausschmücken eines zur Verfügung stehenden Raumes oder eines Gegenstands bildeten.66 Das Ornamentale sei bestimmt durch »the sense of expression of the beautiful and fitness from the beautiful«.67 Morris’ Forderungen an die Miniatur/Illustration erscheinen insgesamt eher unbe stimmt,68 jedoch äußerte er den Wunsch, besonders geschätzte Texte in einer schönen Form vorliegen zu haben : »There is so much pleasure in seeing a beautiful form given to your favourite writers and knowing that you have worked of your own self to obtain that form«.69 Auch die umfangreichen Projekte des »The Earthly Paradise«, der »Aeneis«Handschrift und des »Kelmscott-Chaucer« weisen darauf hin, dass die Illustrierung von Textinhalten ihm ein wichtiges Anliegen war. Und May Morris berichtete, dass ihr Vater »always had a yearning for illustrations to his poems ; he saw the stories in brilliantly- defined pictures, and desired that other people should do so, too. ›There is nobody but Burne-Jones who can do them‹, he often said«.70 Dieser stark visuellen Vorstellung entspricht auch, dass Morris wohl bereits während des Schreibvorgangs an »The Earthly
63 Morris, Woodcuts of Gothic Books, in : Morris 1982, S. 38–39. 64 Morris, Printing, in : Morris 1982, S. 65. 65 Morris, Woodcuts of Gothic Books, in : Morris 1982, S. 26. 66 Ebd., S. 26 : »[…] : the epical and the ornamental ; its two functions are the telling of a story and the adornment of a space or tangible object.« Vgl. William Morris, The Early Illustration of Printed Books (1895), in : Morris 1982, S. 15–24, hier S. 20. 67 Ebd. Tucker verwies in seinen Untersuchungen zur Kelmscott Press auf die Entsprechung von Ornamentgestaltung in Druck und Dichtung, Herbert F. Tucker, Literal Illustration in Victorian Print, in : Maxwell 2002, S. 163–208, hier S. 194. 68 Zu Morris und der Buchillustration : Allan R. Life, Illustration and Morris’ »Ideal Book«, in : Victorian Poetry, 13, 3–4, 1975, S. 131–141. 69 I. H. I. 1895/2205, S. 119. 70 Morris 1966 I, S. 402.
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Paradise« am Rand vermerkte, für welche Szenen er Illustrationen vorsah.71 Es zeichnet sich dabei aber ab, dass er diese hier eher als eine den Textinhalt visuell umsetzende Begleitung erachtete und weniger als eigenständiges »Interpretationsmedium«.72 Sie sollten im Charakter vermutlich frühen Buchillustrationen entsprechen, deren Erzählweise Morris 1895 in seinem Vortrag »The Early Illustration of Printed Books« als »simple and true ; relating facts and not roundabout effects« beschrieb.73 In »On the Artistic Qualities of the Woodcut Books of Ulm and Augsburg in the Fifteenth Century« (1895) hob er die dekorativen und narrativen Qualitäten der Illustrationen hervor, »and it seems to me that these two qualities include what is necessary and essential in book-pictures«.74 In einem Brief vom 11.11.1895 äußerte er in Bezug auf den »Kelmscott-Chaucer« : It was only natural that I, a decorator by profession, should attempt to ornament my books suitable : about this matter, I will only say that I have always tried to keep in mind the necessity of making my decoration a part of the page or type. I may add that in designing the magnificent and inimitable woodcuts which have adorned several of my books […], my friend Sir Edward Burne-Jones has never lost sight of this important point, so that his work will not only give us a series of most beautiful and imaginative pictures, but form the most harmonious decoration possible to the printed book.75
Hierin zeichnet sich ab, dass Morris die Illustrationen eher als dekorative Bildfelder ansah, die sich mit dem Textinhalt beschäftigen und so gestaltet sind, dass sie mit dem Rest des Buches harmonieren, so dass sich alle Elemente zu einem einheitlich gestalteten Werk zusammenfügen. Sie sollten immer »beautiful« gestaltet sein und »pleasure to the intellect through the eye« vermitteln.76 In gewisser Weise entzog sich Morris dem Problem, da er durch die Arbeit mit Burne-Jones, einer »verwandten Seele«, davon ausgehen konnte, dass die Illustrierung in seinem Sinne, dem von ihm verfassten oder ausgewählten Text entsprechend, erfolgen würde, wenn auch, wie die Analyse des TextBild-Verhältnisses bei gemeinsamen Projekten ergibt, die Vorstellungen, die die beiden Künstler mit dem Mittelalter verbanden, durchaus unterschiedlich ausgerichtet waren : Für Burne-Jones bildete das Mittelalter eine ritterliche Traumwelt mit Helden und edlen Frauen, für Morris einen sozialen und auch politischen Entwurf für die eigene Gegenwart, in dem das Verhältnis zu Natur und Kunst, die schmückende und narrative Seite
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Vgl. ebd., S. 31, 439 ; Dunlap 1971, S. 10. Vgl. Morris, The Woodcuts of Gothic Books, in : Morris 1982, S. 27. Morris, The Early Illustration of Printed Book, in : Morris 1982, S. 20. William Morris, On the Artistic Qualities of the Woodcut Books of Ulm and Augsburg in the Fifteenth Century, 1895, in : Morris 1982, S. 45–58, hier S. 50. 75 Zit. nach : Hodnett 1986, S. 198–199. 76 Morris, The Woodcuts of Gothic Books, in : Morris 1982, S. 37.
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Zum Problem Miniatur/Illustration : Forschungsansätze
der Kunst, die Art der Kunstproduktion vorbildlich gelöst schienen. So äußerte er zur Kunst des Mittelalters : Mediæval art, the result of a long unbroken series of tradition, is preeminent for its grasp of these two funtions, which, indeed, interprenetrate then more than in any other period. Not only is all its special art obviously and simply beautiful as ornament, but its ornament also is vivified with forcible meaning, so that neither in one nor the other does the life ever flag, or the sensuous pleasure of the eye ever lack. You have not got to say, Now you have your story, how are you going to embellish it ? Nor, Now you have made your beauty, what are you going to do with it ? For here are the two together, inseparably a part of each other. No doubt the force of tradition, which culminated in the Middle Ages, had much to do with this unity of epical design and ornament.77
Morris’ Ansätze in Hinblick auf die Gestaltung einer Wohnungseinrichtung lassen sich auch auf die Konzeption von Büchern übertragen. Grundlage seien jeweils »refinement« und »simplicity of taste«,78 worunter er Funktionalität, Notwendigkeit und Schönheit verstand. Diese »simplicity of taste« könne so kostbar wie gewünscht gestaltet sein und sei keinesfalls mit überflüssigem Luxus gleichzusetzen.79 »Simplicity« meint nicht nur Einfachheit, sondern auch Ehrlichkeit, Materialgerechtigkeit, Authentizität und wohldurchdachte Beschränkung. Wenn diese Aspekte bei der Gestaltung und Dekoration berücksichtigt werden, können sich »Simplicity« und Ornamentik/Schmuck verbinden.
1.5 Zum Problem Miniatur/Illustration : Forschungsansätze Die Literatur zum Verhältnis von Text und Bild, zum Problem der »wechselseitigen Erhellung« ist umfangreich und vielfältig.80 Da sie nur bedingt auf die Sonderformen der Morris’schen Miniaturen anwendbar sein wird, werden im Folgenden lediglich einzelne Titel Berücksichtigung finden – zumal die jeweiligen Forschungsrichtungen in Methodik und Fragestellung sehr heterogen sind : Viele der Text-Bild-Untersuchungen sind dem 77 Ebd., S. 26. 78 William Morris, The Lesser Arts, CW XXII, S. 3–27, hier S. 24. 79 William Morris, The Beauty of Life, Vortrag vom 19.2.1880, CW XXII, S. 51–80, hier S. 77. 80 Siehe diese Bezeichnung bei Oskar Walzel, Wechselseitige Erhellung der Künste. Ein Beitrag zur Würdigung kunstgeschichtlicher Begriffe, Berlin 1917. Eine kritische Stellungnahme mit Hinweis auf die unterschiedliche historische Entwicklung der jeweiligen Künste bereits durch Karl Vossler, Über gegenseitige Erhellung der Künste, in : Festschrift Heinrich Wölfflin, Dresden 1935, S. 160–167. Eine Zusammenfassung neuerer Tendenzen in : Barbara Schellewald, Einführung, I. Bild und Text im Mittelalter, in : Karin Krause/Barbara Schellewald (Hrsg.), Bild und Text im Mittelalter, Sensus. Studien zur mittelalterlichen Kunst Bd. 2, Köln u. a. O. 2011, S. 11–21.
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Einleitung
»ut pictura poesis«-Problem, grundlegenden Überlegungen zu Vergleichbarkeit der Medien und Etablierung entsprechender Verfahren, Illustrationen zu anderen als literarischen Texten, dem Tafelbild oder Fresko gewidmet. Damit sind andere Aspekte einzubeziehen als bei der Miniatur/Illustration, die durch die unmittelbare räumliche Nähe zu einem Text und die Möglichkeit, eine Handlung in mehrere einzelne Bildfelder zu unterteilen, gekennzeichnet ist.81 Eine Gesamtdarstellung der Forschungssituation zum Text-Bild-Problem ist in dem vorliegenden Kontext weder möglich noch unmittelbar weiterführend.82 Vielmehr soll eine Konzentration auf Aspekte des direkten Text-BildBezugs, des Gegenübers und räumlichen Nebeneinanders von Bild und Text erfolgen. Es 81 Eine knappe Übersicht zur Beschäftigung der Kunstgeschichte mit dem Text-Bild-Problem bis 1988 bei Frank Büttner, Einleitung zur ersten Sektion, in : Harms 1990, S. 9–13. Zum Verhältnis von Text und Bild und ihrer unterschiedlichen »Lesbarkeit« : Richard Wendorf (Hrsg.), Articulate Images : the Sister Arts from Hogarth to Tennyson, Minneapolis 1983 ; Rolf Wedewer, Zur Sprachlichkeit von Bildern. Ein Beitrag zur Analogie von Sprache und Kunst, Köln 1985 ; James A. W. Heffernan (Hrsg.), Space, Time, Image, Sign : Essays on Literature and the Visual Arts, Konferenzband, Dartmouth College Oktober 1984, Literature and the Visual Arts : New Foundations 1, New York 1987 ; Stephen Melville/Bill Readings (Hrsg.), Vision and Textuality, Basingstoke 1995 ; Julia Thomas (Hrsg.), Reading Images, Basingstoke 2001 ; siehe weiterhin : Rensselaer W. Lee, Ut pictura poesis : The Humanistic Theory of Painting, in : The Art Bulletin 22, 1940, S. 197–269 ; Svetlana und Paul Alpers, »Ut pictura poesis ?«. Criticism in Literary Studies and Art History, in : New Literary History 3, 1971, S. 437–458, wobei die Autoren nicht nur die Unterschiede der Gattungen, sondern auch der Produktions- und Rezeptionsbedingungen betonen. Für verschiedene Ansätze zur Erzählung im Bild siehe die Aufsätze in : Wolfgang Kemp (Hrsg.), Der Text des Bildes. Möglichkeiten und Mittel eigenständiger Bilderzählung, München 1989 sowie Carsten-Peter Warncke, Sprechende Bilder – sichtbare Worte. Das Bildverständnis in der frühen Neuzeit, Wolfenbütteler Forschungen 33, Wiesbaden 1987, hier bes. S. 30–37 mit kritischer Erörterung der von Wilhelm Plünnecke in »Grundformen der Illustration« 1940 (Dissertation Marburg) aufgestellten Kategorien Erläuterung, Bericht, Wiederholung, Ausdeutung und Schöpfung ; Sixten Ringbom, Action and Report : The Problem of Indirect Narration on the Academic Theory of Painting, in : Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 52, 1989, S. 34–51 ; Lew Andrews, Ordering Space in Renaissance Times : Position and Meaning in Continuous Narration, in : Word & Image 10, 1994, S. 84–94. Eine Zusammenfassung historischer Positionen bei Antonella Braida und Giuliana Pieri, Introduction, in : dies. (Hrsg.), Image and Word. Reflections of Art and Literature from the Middle Ages to the Present. European Humanities Research Centre, Oxford, Oxford 2003, S. 1–14 ; Alexander Sturgis, Telling Time, National Gallery London, New Haven/London 2000, S. 14–33. Für Überlegungen zur Erzählung in einer anderen Sonderform : Wolfgang Kemp, Sermo Corporeus. Die Erzählung der mittelalterlichen Glasfenster, München 1987 ; ders., Memoria, Bilderzählung und der mittelalterliche Esprit de Système, in : Anselm Haverkamp/ Renate Lachmann (Hrsg.), Memoria – vergessen und erinnern, Poetik und Hermeneutik 15, München 1993, S. 263–282. 82 Der Versuch eines Überblicks, der sich zu Lücken bekennt, bei Jakobi-Mirwald 1998, S. 63–74. Siehe außerdem Jost Hermand, Literaturwissenschaft und Kunstwissenschaft. Methodische Wechselbeziehungen seit 1900, Stuttgart 1965 ; Norbert Ott, Einleitung, in : Hella Frühmorgen Voss, Text und Illustration im Mittelalter, Aufsätze zu den Wechselbeziehungen zwischen Literatur und bildender Kunst, Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 50, München 1975, S. ix-xxxi ; Christel Meier, Einleitung, in : Christel Meier/Uwe Ruberg (Hrsg.), Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden 1980, S. 9–18, hier S. 9–13.
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Zum Problem Miniatur/Illustration : Forschungsansätze
sollen in Hinblick auf Miniaturen/Illustrationen sowohl Forschungen zur Buchmalerei, die hier weitgehend von mittelalterlichen Beispielen ausgehende Beobachtungen zur inhaltlichen und räumlichen Verbindung von Schriftelementen und Bild betreffen, sowie zur Illustration und deren Möglichkeiten bei der Gestaltung des Bild-Text-Verhältnisses mit Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert herangezogen werden. Beide Bereiche sind als Ausgangspunkte für Morris’ Konzeption seiner eigenen Buchmalereien zu berücksichtigen. Die Miniatur/Illustration hat neben einer den Text strukturierenden Funktion die Aufgabe, den Text erläuternd zu begleiten, das Geschilderte anschaulich zu machen, es zu verdeutlichen, beim Leser zu vertiefen, es kritisch zu beleuchten, den Leser selbst zu einer kritischen Haltung einzuladen oder die Neugierde, das Interesse des Lesers zu wecken. Dabei wird in der Regel bei der Illustration ein dem Text unterstelltes und ihm dienendes Verhältnis vorausgesetzt. Bei der Illustration lassen sich als Grundformen ein beschreibend-abbildendes, ein erzählend-szenisches, ein erklärend-kommentierendes, ein erläuternd-interpretierendes Verhältnis zum Text festhalten, wobei es in der Regel zu Überschneidungen kommt.83 Die Illustration ist inhaltlich stets vom Text abhängig und ohne den Text zumeist nicht verständlich, während der Text der Illustration nicht bedarf. Hodnett konstatierte : »The essential creative act of literary illustration is interpretation of the text« im Sinne einer »Realization«.84 Es sei die Aufgabe des Illustrators, »[to] convert the author’s words into complementary images«.85 Dieses umfasst eine dem Text folgende Darstellung von Figuren, Orten und Handlungen, die Vermittlung von entsprechenden Emotionen und eine visuelle Begleitung, die die Intentionen des Autors unterstützt. Eine besondere Form bilden Illustrationen, wie diejenigen Aubrey Beardsleys zu Oscar Wildes »Salome« (1894), die ein Äquivalent zum Text darstellen. Sie erzählen den Stoff, mit dem sich der Text beschäftigt, eigenständig in ihrem visuellen Medium und erscheinen damit als eine zweite unabhängige Fassung zum gleichen Sujet, wobei außerdem noch eine ironisierende Stellungnahme zu Wildes Text vorliegt.86 Im Medium der Buchmalerei besteht daneben noch die Möglichkeit der visuellen Narration durch Bildfolgen, die den Text derart detailliert umsetzen, dass sie ihn nahezu ersetzen, da das Handlungskontinuum allein durch die Folge der Illustrationen verständlich ist. Da jede Illustration interpretierende Momente beinhaltet – und sei es nur durch die Auswahl einer bestimmten Szene aus einer Vielzahl anderer Möglichkeiten und durch die Überführung des im Text Geschilderten in ein anderes Medium –, gilt es Zeitkontext, Traditionen, Auffassungen des illustrierenden Künstlers, sein Verhältnis zu Sujet und 83 Hodnett formulierte als Grundfunktionen »(a) represent, (b) interpret, (c) decorate« (Hodnett 1986, S. 13) bzw. »to decorate, to inform, and to interpret« (Hodnett 1988, S. 1) ; Braesel 1994, S. 12–14. 84 Hodnett 1988, S. 1. 85 Ebd., S. 3. 86 Vgl. Braesel 1994, Kat. Nr. 42, S. 117–119.
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Einleitung
Autor zu berücksichtigen.87 Der Vergleich von verschiedenen Illustrationen zu einem Text erweist, dass jeder Illustrator den Text auf eine andere Weise durch seine Bilder »liest«, wiedergibt und kommentiert. Einzubeziehen in die Betrachtung sind neben der jeweiligen Art der Illustration auch ihre Erscheinungsweise und Positionierung innerhalb des Buches, d. h. ihr räumliches Verhältnis zum Text. Tritt im gedruckten Buch die Illustration in verschiedenen Größen auf, den Text einleitend, begleitend, ihm vorangestellt, eingefügt oder abschließend, in Form von Frontispiz, Vignette und Schlussstück, so stehen der Buchmalerei noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung. Sie kann eine Geschichte auf verschiedenen narrativen Ebenen erzählen, die in der Darstellung durch unterschiedliche Stilhöhen gekennzeichnet sein können. Hierfür sind die Seiten in gotischen Handschriften des 14. Jahrhunderts wie dem Stundenbuch der Jeanne d’Evreux (illuminiert von Jean Pucelle, 1325–1328, The Cloisters, Metropolitan Museum, New York) beispielhaft : Neben einer Miniatur mit der Hauptszene können Nebenszenen, Vergleiche oder einzelne Personen in die historisierte Initiale und das Bas-de-page ausgegliedert werden. Diese drei Elemente werden im Seitenrand durch eine Rankendekoration mit kommentierenden oder begleitenden Wesen und Ereignissen verbunden.88 Nach Camille kommt dieser Randgroteske die Funktion zu, »[to] challenge the authority of the text and deny its presentation of the ›whole truth‹« sowie zu einer »plurality of meanings« beizutragen.89 Besondere Bedeutung erhält die Initiale, da sie die Verbindung zwischen Text, Bild und Dekoration bildet, bzw. diese in Form der historisierten Initiale in unterschiedlicher Akzentuierung von Schrift und Bild selbst vornimmt, wobei in den hier behandelten Handschriften diese Form des Buchschmucks nur in wenigen Fällen Verwendung findet.90 Bei der historisierten Initiale dient der Buchstabe als Rahmen des szenischen Bildfelds und wird als solcher auch Teil des »Bildes«. Eine Steigerung findet die enge Beziehung zwischen Schrift in Form des Buchstabens und Bild in der Ausformung der figürlichen Initiale, bei der der Buchstabe aus den handelnden Figuren selbst gebildet wird.91 Die 87 Vgl. Joachim Möller, Möglichkeiten der literarischen Illustration, in : ders. (Hrsg.), The Sister Arts. Englische Literatur im Grenzland der Kunstgeschichte, Marburg 2001, S. 158–173. Zur Szenenwahl bei Illustrationen : Hodnett 1986, S. 6–10. 88 Zur Funktion der Randgrotesken : L. M. C. Randall, Images in the Margins of Gothic Manuscripts, Berkeley 1966 ; S. K. Davenport, Illustrations Direct and Oblique in the Margins of an Alexander Romance at Oxford [BLO, MS Bodley 264], in : Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 34, 1971, S. 83–95 ; Michael Camille, Image on the Edge, London 1992. 89 Michael Camille, The Book of Signs : Writing and Visual Difference in Gothic Manuscript Illumination, in : Word & Image I, 2, April-Juni 1985, S. 133–145, hier S. 142. Diese Deutung basiert auf der Definition der Groteske als »supplement«, als Ergänzung, ebd. 90 Zur historisierten Initiale : Pächt 1984, S. 77–94 ; Ott 1992/1994 ; Jakobi-Mirwald 1998. 91 Norbert Ott, Texte und Bilder. Beziehungen zwischen den Medien Kunst und Literatur in Mittelalter und früher Neuzeit, in : Horst Wenzel/Wilfried Seipel/Gotthart Wunberg (Hrsg.), Die Verschriftlichung der Welt. Bild, Text und Zahl in der Kultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Schriften des Kunsthistorischen
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Zum Problem Miniatur/Illustration : Forschungsansätze
»zeichenhafte Abstraktheit« des Buchstabens geht bei dieser Form der Initiale verloren ; er wird zu einem Bildgegenstand.92 Eine andere Möglichkeit des Erzählens in Miniaturen besteht in der Sammlung einzelner Episoden eines Handlungsstrangs in einem Bildfeld wie in spätantiken oder karolingischen Handschriften. Maßgeblich für eine Beschäftigung mit dieser Problemstellung waren für die Kunstgeschichte die Untersuchungen von Franz Wickhoff (1895/1912) und Kurt Weitzmann (1947), die basierend auf den Miniaturen der spätantiken Handschrift der »Wiener Genesis« (ÖNB, Cod. theol. graec. 31) drei Verfahren der Erzählung in Bildern unterschieden :93 zunächst das »komplettierende« bzw. »simultane« Verfahren, bei dem verschiedene Szenen ohne Wiederholung der Hauptperson in einem Bildfeld gezeigt werden ; das »kontinuierende« oder »polyszenisch-zyklische« Verfahren, das mehrere Momente eines kontinuierlichen Handlungsstrangs in einem Bild vereint und für das die meisten der »Wiener Genesis«-Miniaturen ein Beispiel darstellen ; und schließlich das »distinguierende« oder »monoszenische« Verfahren, das aus einer Handlung eine Szene auswählt, vorzugsweise den »fruchtbaren Moment«, und bildlich umsetzt.94 Beim zweiten Verfahren unterteilt der Maler die Handlung auf eine solche Weise, dass der Betrachter Anhaltspunkte erhält, ihre Folge aufzuschlüsseln.95 Die Autoren stritten nicht nur über die Terminologie und die damit verbundenen Konnotierungen, sondern auch über die Entstehungsgründe für den »kontinuierenden« bzw. »polyszenisch-zyklischen« Erzählstil.
Museums Wien 5, Wien 2000, S. 105–143, hier S. 124–130 mit weiterführender Literatur zur historisierten Initiale sowie Anmerkungen zu anderen Formen der Buchmalerei wie »Erzählseiten«, Marginalillustrationen und Titelminiaturen. 92 Ott 1992/1994, S. 111. 93 Franz Wickhoff/Wilhelm von Hartel, Die Wiener Genesis, Text- und Tafelband, Wien 1895 ; Franz Wickhoff, Die römische Kunst (Die Wiener Genesis), Berlin 1912 ; Kurt Weitzmann, Illustrations in Roll and Codex. A Study of the Origin and Method of Text Illustration, Princeton 1947 (2. Aufl. 1970). Siehe die zusammenfassende Darstellung in : Karl Clausberg, Die Wiener Genesis. Eine kunstwissenschaftliche Bilderbuchgeschichte, Reihe »kunststück«, Frankfurt a. M. 1984. Vgl. Hilmar Frank/Tanja Frank, Zur Erzählforschung in der Kunstwissenschaft, in : Eckhard Lämmert (Hrsg.), Die erzählerische Dimension. Eine Gemeinsamkeit der Künste, Berlin 1999, S. 35–51. 94 Gotthold Ephraim Lessing, Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie, Stuttgart 1980, S. 23, 27, 129. Siehe besonders S. 115 : »Die Malerei kann in ihrem koexistierenden Kompositionen nur einen einzigen Augenblick der Handlung nutzen, und muß daher den prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten wird«. Zum Begriff »fruchtbar« ebd., S. 23 : »Dasjenige aber nur allein ist fruchtbar, was der Einbildungskraft freies Spiel läßt. Je mehr wir sehen, desto mehr müssen wir hinzu denken können.« Lessing sprach sich gegen die »ut pictura poesis«-Auffassung aus und plädierte für eine klare Trennung der Gattungen Malerei und Dichtung, da diese grundlegend verschiedenen Gesetzen gehorchten : Der Malerei ordnete er den Raum und die Gleichzeitigkeit, der Dichtung die Zeit und das Nacheinander zu. 95 Vgl. Nelson Goodman, Twisted Tales ; or Story, Study, and Symphony, in : W. J. T. Mitchell (Hrsg.), On Narrative, Chicago/London 1981, S. 99–115.
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Einleitung
Erwin Panofsky unterschied ähnlich bei der Darstellung von Bewegungsabläufen im Bild zwischen der »Verdichtung des Bewegungsablaufs zu einem dynamisch geladenen Spannungsmoment« und der »Zerlegung des Bewegungsablaufs in mehrere kinematographisch aufeinanderfolgende Einzelphasen«, zwischen der Darstellung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft über den »fruchtbaren« Moment im Sinne Lessings bzw. über die Verwendung »gesonderter Teilhandlungen«.96 Bei der »Wiener Genesis« sind die Szenen in einem gemeinsamen Bildraum vereinigt und werden zur Lenkung des Blicks durch landschaftliche oder architektonische Bildmotive getrennt oder verbunden. In späteren Formen der zyklischen Erzählung kann eine Trennung in Einzelszenen durch eine vorgeblendete architektonische Rahmung erfolgen, oder es werden Einzelbildfelder, oftmals von schmalen Leistenrahmen eingefasst, aneinandergereiht. Dagobert Frey verband 1929 bestimmte Formen der Bilderzählung mit bestimmten Epochen, ausgehend von dem »geistesgeschichtlichen General-Theorem der ›Parallelität der Entwicklung auf verschiedenen Geistesgebieten‹«.97 Geht es bei diesen Untersuchungen wesentlich um die Auswahl einer oder mehrerer Szenen zur Darstellung einer Geschichte und um die Art und Weise, wie der literarische Inhalt für den Betrachter vermittelt und visuell strukturiert wird, um das Problem von Gleichzeitigkeit (ein Bildfeld) und Kontinuität (Folge der Erzählung), von Raum und Zeit, so widmete sich Meyer Schapiro der Frage, auf welcher Sinnebene ein Text an den Betrachter gegeben wird.98 Hierfür konnte er sich auf die Tradition des mehrfachen Schriftsinns bei der Bibelauslegung beziehen.99 Für solche Fragestellungen bilden Psalter-Illustrationen wie diejenigen des karolingischen »Utrecht Psalters« (Universitätsbibliothek Utrecht) ein charakteristisches Beispiel, da die Miniaturen auf mehreren Ebenen gedeutet werden können : in Hinblick auf den Wortsinn, d. h. auf Formulierungen im Psalmtext selbst, im typologischen Sinne auf Christus bezogen, auf ein Ereignis des Alten Testaments oder auf den vermeintlichen Verfasser der Psalmen, König David, verweisend.100 96 Erwin Panofskys Antwort auf Hans Kauffmanns Thesen in »Albrecht Dürers rhythmische Kunst«, Leipzig 1924, in : Jahrbuch für Kunstwissenschaften 1926, S. 136–192, hier S. 143. 97 Clausberg 1981, S. 34. Dagobert Frey, Gotik und Renaissance als Grundlagen der modernen Weltanschauung, Augsburg 1929. 98 Meyer Schapiro, Words and Pictures. On the Literal and the Symbolic in the Illustration of a Text, Approaches to Semiotics 11, Den Haag/Paris 1973. 99 Ebd., S. 13. 100 Florentine Mütherich, Die verschiedenen Bedeutungsschichten in der frühmittelalterlichen Psalterillustration, in : Frühmittelalterliche Studien 6, 1972, S. 232–244 ; Koert van der Horst, The Utrecht Psalter : Picturing the Psalms of David, in : ders. (Hrsg.), Ausst.-Kat. The Utrecht Psalter in Medieval Art. Picturing the Psalms of David, Museum Catharijneconvent, Utrecht 1996, S. 22–82, hier S. 55–76 mit Angaben zu weiterführender Literatur. Siehe auch : Heinz Meyer, Metaphern des Psaltertextes in den Illustrationen des Stuttgarter Bilderpsalters, in : Christel Meier/Uwe Ruberg (Hrsg.), Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden 1980, S. 175–204.
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Zum Problem Miniatur/Illustration : Forschungsansätze
Karl Clausberg hat sich 1981 mit Wickhoff und Weitzmann und dem Problem der Erzählung in der Buchmalerei ausgehend vom Erfurter Codex Aureus (um 1200, Thüringen-Sachsen, Schönborn’sche Bibliothek Pommersfelden, MS 249) und seinen Miniaturen beschäftigt, die ein »durchlaufender Bewegungsfluß«, »Blickführungsgesten und Mehrfacherscheinungen«, eine »Ambivalenz von eigenständig-durchlaufendem Bildaufbau und punktuell-stichwörtlichem Textbezug« prägen, wobei sein eigentliches Ziel in einer stärkeren Betonung des zeithistorisch-soziokulturellen Entstehungsumfelds bei der Analyse der Miniaturen lag.101 Auf der Suche nach Vergleichen für Erzählformen des Erfurter Codex griff er auf den spätantiken Rossano-Codex (6. Jh., Erzbischöfliches Museum Rossano) zurück, dessen Miniaturen als ein »Handlungskonzentrat« erscheinen, bei dem verschiedene Szenen einer kontinuierlichen Handlung zu einer »durchlaufenden bildlichen Einheit verbunden [werden], die den Handlungsfortschritt sozusagen im Gleichschritt mit dem Ablesungsvorgang vonstatten gehen läßt«.102 Insgesamt liegen von Seiten der Mediävisten zahlreiche Publikationen zum Zusammenhang und -wirken von Text und Bild in mittelalterlichen Handschriften vor, die ausgehend von gründlichen Einzelanalysen zu aussagekräftigen Ergebnissen gelangten, so Ursula Peters Untersuchungen zu Miniaturen in Liederhandschriften, die die Ordnungsfunktion sowie neue Formen und Typen des Autorenbildes herausarbeiten, das abweichend vom »klassischen« Autoren-Gelehrtenbild als »Montage unterschiedlich konfigurierter autobiographischer Signaturen« erscheint und dabei auch das »gesellschaftliche Ambiente höfischer Lyrikproduktion« reflektiert.103 Werner Schröder wiederum beschäftigte sich in Zusammenhang mit der Bilderhandschrift von Wolframs von Eschenbach »Willehalm« mit grundlegenden Überlegungen zu einer Ersatzfunktion der Bilder gegenüber dem Text, zu Gebrauchswert und Memorialfunktion bei illuminierten Handschriften – Aspekte, die für die vorliegenden Untersuchungen weniger relevant sein werden.104 Peter Kerns Studie der Miniaturen zum Rolandslied der Heidelberger Handschrift bildet ein gelungenes Beispiel für eine Text-Bild-Analyse, die auf der genauen Betrachtung des jeweiligen, auch innerhalb einer Handschrift wechseln101 Clausberg 1981, S. 27, 28. Bei Clausberg auch eine kurze und präzise Übersicht über die deutschsprachige kunsthistorische Forschung zur Bilderzählung unter Nennung der Thesen von Kauffmann, Panofsky, Pächt, Dagobert Frey, Lorenz Dittmann und E. H. Gombrich. Mit der Bedeutung von Gestik und Schriftbändern für die Bilderzählung beschäftigte sich Clausberg auch in Hinblick auf die Veldecke-Äneide (1210/1220, Staatsbibliothek Berlin, MS germ. fol. 282) und Wernhers Marienliedern : Karl Clausberg, Spruchbandaussagen zum Stilcharakter. Malende und gemalte Gebärden, direkte und indirekte Rede in den Bildern der Veldeke Äneide sowie Wernhers Marienliedern, in : Städel-Jahrbuch, N. F. 13, 1991, S. 81–110. 102 Clausberg 1981, S. 29. 103 Ursula Peters, Ordnungsfunktion – Textillustration – Autorkonstruktion. Zu den Bildern der romanischen und deutschen Liederhandschriften, in : Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 130, 2001, S. 392–430, hier S. 430. 104 Werner Schröder, Text und Bild in der »Großen Bilderhandschrift« von Wolframs »Willehalm«, Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 116, 1987, S. 239–268.
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Einleitung
den Verhältnisses der beiden Bereiche aufbaut. Er arbeitet einen variierenden Bezug der Bilder zum Text heraus, unterscheidet zwischen »genauen Bild-Wort-Entsprechungen«, allgemeineren Darstellungen ohne konkrete Bindung an eine bestimmte Textstelle, dem Verzicht auf genaue, im Text beschriebene Details und der simultanen Darstellung eines zeitlichen Nacheinanders durch die Einfügung der Szenen in ein gemeinsames Bildfeld, woraus sich die Lösung von der »Bindung an die punktuelle Situation« und der Bezug zu einer größeren Textpassage ergibt.105 Die Überlegungen zum Changieren zwischen Textnähe und einer gewissen Unabhängigkeit der Miniaturen ergänzt Kern durch die Analyse der räumlichen Stellung der Miniaturen in der Handschrift, der Auswahlkriterien wie der Schwerpunktsetzung und kommt zu dem Schluss, dass eine »angemessene Spiegelung der Dichtung auf der Ebene der Illustration« vorliege, die durch die Formgebung – ungerahmte, in den Schriftspiegel eingefügte Federzeichnungen – unterstrichen werde.106 Norbert Ott stellte Untersuchungen zur Relevanz von Überlieferungstraditionen, zum Zusammenhang von Anspruchsniveau und Ausstattung, Funktion und Rezeption von Texten in Hinblick auf Illustrationen in spätmittelalterlichen Handschriften an.107 Hierbei erweisen sich kultureller Kontext, der jeweilige Gebrauch und die Wechseln unterworfene Traditionslinie von Illustration und Text als deren Erscheinungsbild bestimmende Elemente. Andere Untersuchungen Otts galten einer vergleichenden Betrachtung von Bild- und Textstrukturen, den innerbildlichen Kompositionsprinzipien, die genutzt werden, um innerhalb von Bildstreifen einzelne Szenen inhaltlich aufeinander zu beziehen.108 Hierbei wird ermittelt, inwieweit sich an Hand von Szenenauswahl, Zusammenstellung der Szenen und Kompositionsmustern in den Miniaturseiten »Sinneinheiten« und Deutungen ergeben und wie sich diese zum Text verhalten.109 105 Kern 1972, S. 258, 255. Bei Letzteren handele es sich um »typische, auf keinen bestimmten Moment festlegbare Darstellungen«, wodurch »den Illustrationen also ein Spielraum begrenzter Unabhängigkeit vom unmittelbar benachbarten Text belassen [ist], ohne dass die Bindung an die Erzählung ganz aufgegeben wäre«, ebd., S. 257. Vgl. auch Paul Bertemes, Bild- und Textstruktur. Eine Analyse der Beziehungen von Illustrationszyklus und Text im Rolandslied des Pfaffen Konrad in der Handschrift P, Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft 9, Frankfurt a. M. 1984. 106 Kern 1972, S. 270. 107 Norbert H. Ott, Überlieferung, Ikonographie – Anspruchsniveau, Gebrauchssituation. Methodisches zum Problem der Beziehungen zwischen Stoffen, Texten und Illustrationen in Handschriften des Spätmittelalters, in : Ludger Grenzmann/Karl Stockmann (Hrsg.), Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, Symposium Wolfenbüttel 1981, Germanistische Symposien Berichtsbände V, Stuttgart 1984, S. 356–385. Einen ähnlichen Ansatz bei Sandra Hindman, Text and Image in Fifteenth Century Illustrated Dutch Bibles, Corpus Sacrae Scripturae Neerlandicae Medii Aevi Miscellanea 8, Leiden 1977. 108 Norbert H. Ott, Bildstruktur statt Textstruktur. Zur visuellen Organisation mittelalterlicher narrativer Bildzyklen. Die Beispiele des Wienhausener Tristanteppichs I, des Münchner Parzival Cgm. 19 und des Münchener Tristan Cgm. 51, in : Klaus Dirscherl (Hrsg.), Bild und Text im Dialog, Passau 1993, S. 53–70. 109 Ebd., S. 59. Ott kommt zu dem Ergebnis, dass »Grundmuster des höfischen Romans – Minne und Aven-
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Zum Problem Miniatur/Illustration : Forschungsansätze
Diese Analysen belegen, dass nur eine historische Kontextsetzung eines jeweiligen Werks Aufschluss über seine spezifische Gestaltung vermitteln, dass nur die genaue, die Umstände einbeziehende Betrachtung einer jeweiligen Handschrift den spezifischen Text-Bild-Bezug herausarbeiten kann. Diese Überlegungen geben – wenn auch zeitlich und thematisch von der hier zu untersuchenden Handschriftengruppe entfernt – Anregungen für einen generellen Umgang mit Text-Bild-Bezügen und stützen ein Verfahren, das weniger theorielastig strukturelle Parallelen sucht, sondern vielmehr von dem jeweils vorliegenden Bestand ausgeht.110 So erweist sich Kerns am jeweiligen Einzelbeispiel orientiertes Verfahren durchaus als Anregung für die Betrachtung der Miniaturen in »A Book of Verse«. Andere Autoren beschäftigten sich weniger mit den Erzählformen von Miniaturen im Verhältnis zur literarischen Erzählung als mit der Materialität des Buches und den daraus erfolgenden Bedingungen für das »Bild« im Buch, besonders mit der Situierung der Miniatur auf der Fläche der Seite. So galt auch Otto Pächts Interesse weniger TextBild-Bezügen als vielmehr zum einen der Darstellung von Zeit in der Buchmalerei,111 zum anderen dem formal-stilistischen Wandel der Buchmalerei vor dem Hintergrund sich verändernder kultureller Einflüsse – seien es solche künstlerischer oder religiöser Art.112 Er schildert den Weg der Buchmalerei von den insularen Beispielen des 7./8. Jahrhunderts bis zu Handschriften des späten 15. Jahrhunderts, wobei er – ähnlich wie Morris – davon ausgeht, dass die »eigentliche« Buchmalerei die Zweidimensionalität der Seite wahren sollte. Die Trennung in dekorative und erzählerisch-bildmäßige Elemente der Buchmalerei liegt für Pächt in einem Wandel der religiösen Auffassung im 12. Jahrhundert begründet : Das Bestreben nach Einfühlung führte zu einer Verkörperlichung und damit zu einer »Entzauberung« der Figuren, zu einer »Vergegenwärtigung« des religiösen Geschehens, das wiederum nach einem Handlungsort verlangte.113 Am Anfang des 14. Jahrhunderts entwickelte sich dann das vorher noch musterhafte, gliedernde architektonische Rahmengerüst der Seite in ein dreidimensional dargestelltes
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tiure« bildlich umgesetzt werden, wobei sie eher den literarischen Stoff an sich als die konkrete Textvorlage illustrieren, ebd., S. 70. Jutta Karpf z. B. erprobte verschiedene Modelle der literaturwissenschaftlichen Strukturanalyse und ihre Anwendbarkeit auf kunstgeschichtliche Beispiele, auf gotische Glasfenster und Miniaturen, wobei die Übertragung zu eng an den semantischen Strukturen orientiert erfolgt, Jutta Karpf, Strukturanalyse der mittelalterlichen Bilderzählung. Ein Beitrag zur kunsthistorischen Erzählforschung, Studien zur Kunstund Kulturgeschichte 12 (Dissertation Marburg), Marburg 1994. Bei Karpf auch eine »Einführung in die kunsthistorische Erzählforschung«, ebd., S. 15–20. Otto Pächt, The Rise of Pictorial Narrative in Twelfth-Century England, Oxford 1962. Hier kam er zu dem Schluss, dass »the history of narrative art is indeed but a series of repeated attempts to smuggle the time factor into a medium which by definition lacks the dimension of time – attempts however, that were only partly successful and quite frequently ended in failure«, ebd., S. 2. Otto Pächt, Konflikt Fläche – Raum, durchgehende Entwicklungstendenzen, in : Pächt 1984, S. 173–202. Ebd., S. 189.
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Rahmengefüge.114 Pächt erkennt : »Die Anwendung der neuen Lehren auf die Buchmalerei mußte zur Erschütterung der auf der uneingeschränkten, absoluten Zweidimensionalität der Buchseite beruhenden Ordnung führen. Damit aber begann die Existenz der Buchmalerei als solche in Frage gestellt zu werden.«115 Aus dem »Bildfeld« der Miniatur werde nun ein »Bildraum«, der in die Tiefe der Seite hinein- bzw. aus dieser hervorzustoßen scheine, wobei die Maler bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts noch bemüht seien, durch Rahmungsmotive eine vermittelnde Zwischenzone zwischen Fläche der Seite und Tiefe des dargestellten Raumes einzufügen.116 Auch Ernst Panofsky und Milliard Meiss verwiesen beiläufig in ihren Untersuchungen darauf, dass das Kennzeichen einer »gelungenen« Buchmalerei in ihrem Verhältnis zur Fläche der Seite, zum Trägergrund liege. So erachtete Meiss die ornamentale Bordüre und den Seitenrand als Zwischenzone, die von der Zweidimensionalität der Seite in den Tiefenraum der Miniatur überleite.117 Die Miniatur erscheint im Laufe des 15. Jahrhunderts zunehmend als ein eigenständiges Element, als kleinformatiges Bild im Buch, von dessen Seite und ihren anderen Elementen es weitgehend unabhängig ist – »Schauen und Lesen waren zwei wesensmäßig verschiedene Aktivitäten [geworden], seit der wandernde Blick dem stillgelegten, unbeweglich fixierten gewichen, die Werkunterlage einmal optische, das andere Mal reale Ebene war«.118 Doch auch die Buchillustration hat eigene Formen hervorgebracht, deren Betrachtung Anregungen für die Beschäftigung mit Morris’ Buchmalerei vermitteln können. Hingewiesen sei auf die Untersuchungen Werner Buschs zur Arabeske in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts, besonders in Hinblick auf ihre Ausprägung bei Eugen Napoleon Neureuther. Dabei ist anzumerken, dass die Arabeske, wie etwa bei Philipp Otto Runge, ohne Textbegleitung auskommen kann. In der Arabeske, deren Ausformungen u. a. auf den 1808 von Johann Nepomuk Strixner als Lithographien reproduzierten Randzeichnungen Albrecht Dürers im Gebetbuch des Kaisers Maximilian (Bayerische Staatsbibliothek München) beruhen, mischen sich dreidimensionale Objekte mit kalligraphischen Liniengebilden, woraus eine spezifische Spannung von Flächigkeit und Raumhaltigkeit resultiert. Für Goethe, der die Randzeichnungen Dürers sehr schätzte und an Künstler wie Neureuther und Peter Cornelius empfahl, wobei Letzterer diese Idee auf seiner Titelseite zum »Faust« (1816) umsetzte, bedeutete die Arabeske »Symbolisierung durch 114 115 116 117
Ebd., S. 195. Ebd., S. 194–195. Ebd., S. 199, im Sinne einer »Verdinglichung des alten dekorativen Rahmens«. Milliard Meiss, French Painting in the Time of Jean de Berry. The Boucicaut Master, London 1968, S. 12– 13 ; Erwin Panofsky, Early Netherlandish Painting. Its Origin and Character I, New York, London u. a. O. 1971 (1. Aufl. Princeton 1953), S. 28. Überlegungen zu Gestaltungsformen des Rahmens in der Buchkunst des späten 19. Jahrhunderts bei Appuhn-Radtke 2008. 118 Pächt 1984, S. 200.
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William Blake
Abstraktion«, wobei sich »Abstraktionsniveau« und Naturnähe verbanden.119 Busch definierte die Arabeske als eine »Reflexionsform«, die im 19. Jahrhundert »zu Anfang spekulativ, dann kritisch, schließlich affirmativ« ausgebildet worden sei.120 Die romantische Arabeske gilt als eine Äußerung der Phantasie, die ein Thema auf mehreren gestalterischen Ebenen durchspielt oder umkreist.121 Ihr Ziel ist keine Abbildung des im Text Geschilderten, sondern dessen freie Ergänzung oder Kommentierung, motiviert durch die Phantasie des Künstlers und aufzugreifen durch den Betrachter/Leser.122 In den Aspekten des Umkreisens eines Themas und der Einbeziehung der Phantasie von Künstler und Publikum finden sich Elemente, die sie der »assoziativen Illustration« annähern.
1.6 William Blake Vor der Beschäftigung mit Morris’ Handschriften liegt es auch nahe, die »illuminated books« William Blakes (1757–1827) kurz zu betrachten, da beide Künstler den Typus des Maler-Dichters vertreten und der Vergleich wiederholt in der Forschungsliteratur erscheint.123 Hierbei sei allerdings auf zwei grundlegende Unterschiede hingewiesen : Bei Blakes Arbeiten handelt es sich um die Illustrierung eigener Dichtungen, und die Bücher entstanden in einem druckgraphischen Verfahren, sind also auf ein »größeres« Publikum hin produziert worden. Zudem ist von einer abweichenden Konzeption auszu119 Werner Busch, Die notwendige Arabeske. Wirklichkeitsaneignung und Stilisierung in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts, Berlin 1985, S. 57. Nach Busch wird auf Cornelius’ Titelblatt die im Folgenden erzählte Geschichte symbolisch überhöht und als »Typus« aufgefasst, ebd., S. 57–58. Als Beispiel für eine abstrakte Arabeske : Neureuthers Illustration zur Totentanz-Ballade, in »Randzeichnungen zu Goethes Balladen und Romanzen«, 1829, in der die kalligraphischen Gebilde den im Text geschilderten Bewegungsablauf umsetzen, vgl. ebd., S. 62,66. 120 Ebd., S. 13. 121 Ebd., S. 42–75 ; Werner Busch, Umrißzeichnung und Arabeske als Kunstprinzipien des 19. Jahrhunderts, in : Regine Timm (Hrsg.), Buchillustration im 19. Jahrhundert, Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens XV, Wiesbaden 1988, S. 117–148, hier S. 131–148. 122 August Wilhelm Schlegel, Über Zeichnungen zu Gedichten und John Flaxmans Umrisse, in : Athenaeum. Eine Zeitschrift von August Wilhelm Schlegel und Friedrich Schlegel II, 2, Berlin 1799, S. 193–249, hier S. 205–206 ; Brief von Clemens von Brentano an Philipp Otto Runge vom 21.1.1810, in : Clemens Brentano/Philipp Otto Runge, Briefwechsel, hrsg. von Konrad Feilchenfeldt, Insel-Bücherei 994, Frankfurt a. M. 1974, S. 9–28, hier S. 16–18. Siehe weiterhin Karl Konrad Polheim, Die Arabeske. Ansichten und Ideen aus Friedrich Schlegels Poetik, München u. a. O. 1966, Kap. II. Zu neueren Überlegungen zum Wesen der Arabeske : Kerstin Behnke, Arabeske (und) Bedeutung bei Kant, Goethe, Hegel und Friedrich Schlegel, in : Kotzinger/Rippl 1992/1994, S. 229–240 ; Susi Kotzinger, Arabeske – Groteske, Versuch einer Differenzierung, in : ebd., S. 219–228 ; Michael Weitz, Die romantische Arabeske als »Klartext«, in : Kotzinger/Rippl 1992/1994, S. 263–270. 123 Siehe hierzu ausführlicher : Kapitel »A Book of Verse«.
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gehen : Die Forschung ist sich weitgehend darüber einig, dass der vollständige Gehalt der Dichtungen Blakes nur durch die ergänzende visuelle Begleitung in seinen »illuminated books« erschließbar wird, dass sie als »composite art« – so auch der Titel von W. J. T. Mitchells Untersuchungen zu Blake – gelesen werden sollten, während Morris eine Bebilderung seiner Texte zwar grundsätzlich schätzte und auch wünschte, aber diese nicht zum Textverständnis grundlegend notwendig ist.124 Bei ihm dient die Illustration als Dekoration, als begleitender Schmuck, der seine Freude an schönen Gegenständen und phantasievoller Erzählung dokumentiert. Hinzu kommt eine andere Art der Entstehung des Bildschmucks : Wurde dieser in den »illuminated books« von Blake selbst vorgenommen, so handelt es sich bei Morris um eine zumeist arbeitsteilige Entstehung. Schrift, Ornament, Entwurf der Miniatur und ihre malerische Ausführung in der Handschrift konnten in jeweils unterschiedlichen Händen liegen. Auch der Einfluss mittelalterlicher Buchmalerei auf Blakes »Illuminations« wurde untersucht, so durch Anthony Blunt, der in Vergleichen Verbindungen zu Buchmalereien des 14. und 15. Jahrhunderts hinsichtlich der naturalistischen Details des Rankenwerks sowie der Farbigkeit herausarbeitete. Eine Parallele zu Buchmalereien des 12. Jahrhunderts erkannte er in der Verwendung einer kreisartigen Komposition, in einzelnen Haltungs- und Naturmotiven sowie der leuchtenden Farbigkeit.125 Hingewiesen werde sollte darauf, dass Blake mit seinen »illuminated books« keinen Anschluss an illuminierte Handschriften des Mittelalters suchte, auch wenn er sich für das Mittelalter interessierte und es ihm Anregungen zur Formauffassung vermittelte. Hofmann wies darauf hin, dass bei Blake »Illuminator« vielmehr »im tiefsten Sinn des Wortes […] als Erleuchteter« zu verstehen sei.126 Gerade die jüngere Forschung hat sich intensiv mit der gegenseitigen Abhängigkeit von Text und Bild bei Blake beschäftigt. So betont Heffernan bei seinen Untersuchungen zu Blakes »Songs of Innocence and of Experience« das kontinuierliche und parallele »Lesen« von Text und Bildern, »doing so means not just scrutinizing the interaction of text and design in a single poem, but using one picture to explain another just as we commonly use one text to gloss another«.127 Mitchell dienen Blakes »illuminated books« als ideales Beispiel für Untersuchungen zum »imagetext«, worunter er »composite, synthetic works (or concepts) that combine image and text« versteht.128 Die »imagetext«-Untersuchungen basieren auf den »actual conjunctions of words and images in illustrated texts, […]«, be124 Mitchell 1978 ; Heffernan 1988, S. 94 zur Kurzdarstellung der verschiedenen Forschungspositionen. 125 Anthony Blunt, Blake’s Pictorial Imagination, in : Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 6, 1943, S. 190–212, hier S. 199. 126 Werner Hofmann, Nachwort, in : William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung, Frankfurt a. M. 1982 (3. Aufl., 1. Aufl. 1975), S. 110. 127 Heffernan 1988, S. 105, siehe auch S. 108. 128 W. J. T. Mitchell, Beyond Comparision : Picture, Text, and Method, in : ders., Picture Theory. Essays on the Verbal and Visual Representation, Chicago/London 1994, S. 83–107, hier S. 89, Anm. 9.
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trachten diese als »mutual significant others«, wobei »the relative value, location, and the very identity of ›the verbal‹ and ›the visual‹ « im Zentrum stehen.129 Dieses bewusst Text und Bild in engstes Verhältnis setzende Verfahren bezieht Zeit- und Entstehungskontext des Werkes in die Analyse mit ein, wobei die künstlerischen und geistesgeschichtlichen Traditionen Korrektivfunktion besitzen. Mitchell definiert jedes der illuminierten Bücher als eine »organic wholeness«, die gekennzeichnet sei durch eine »distinctive poetic form or structure of images and values, and a distinctive pictorial style and iconography, that interact with this poetic form«.130 Aus dem Zusammenwirken von Text- und Bildelementen entstehe eine »dynamic form«.131 Er zeigt verschiedene Formen der Illustration innerhalb von Blakes Werk auf, die sowohl in dem motivgeschichtlichen Bezug, der Stellung innerhalb des Buches als auch in ihrem Textbezug – sowohl in Hinblick auf Handlungssequenzen als auch auf die Charakterisierung der Personen – unterschiedlich, sogar kontrastierend aufgefasst sein können, zwischen einer »›symbolic‹« und »›representational‹ illustration« wechseln, und untersucht sie vor den zeitgenössischen »ut pictura poesis«Diskussionen der akademischen Lehre und der Tradition religiöser Literatur.132 Mitchell arbeitet heraus, dass die ästhetische und ikonographische Unabhängigkeit von Text und Bild im Werke Blakes hauptsächlich zwei Funktionen erfülle : First, it serves a mimetic purpose, in that it reflects Blake’s vision of the fallen world as a place of apparent separation between temporal and spatial, mental and physical phenomena. Second, it has a rhetorical or hermeneutic function, in that the contrariety of poem and picture entices the reader to supply the missing connections.133
So gerieten die »illuminated books« zu Beispielen für Blakes Auffassung vom Fortschreiten durch Opposition134 – die Einheit entstehe erst auf Basis der Unabhängigkeit der Einzelelemente. Ein Verständnis der Werke müsse stets auf bei Blakes Dichtung, seiner Sprache ansetzen, wobei die Malerei als »personal expression of the artist’s ideology, and as a strategy for manipulating the visual field of the reader/ spectator – a kind of visual rhetoric« aufzufassen sei.135 Eine entsprechend enge, ja notwendige Bindung von Text und Bild ist bei Morris nicht angelegt. Allerdings wird sich erweisen, dass gerade in »A Book of Verse« durch die Miniaturen unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten und Verständnisebenen angedeutet werden, die sich ohne den Bildschmuck nicht anbieten würden. 129 130 131 132 133 134 135
Ebd., S. 90. Mitchell 1978, S. xvi. Ebd., S. xvii. Ebd., S. 19, 24. Ebd., S. 33. »Without Contraries is no Progression«, zit. nach : ebd., S. 34. Ebd., S. 39.
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1.7 Die viktorianische Buchillustration Seit den 1980er Jahren hat sich verstärkt die Literaturwissenschaft mit der Illustration unter Anlegung von Analyseverfahren und Deutungsmodellen der Linguistik und Semiotik beschäftigt. So anregend diese Methoden auch sind, beinhalten sie doch die Gefahr gattungsimmanente Kriterien und gattungsspezifische Gesetzlichkeiten wie ikonographische Traditionen und Spezifika der visuellen Wahrnehmung zu vernachlässigen und damit die Deutung der Illustration einseitig zu verschieben. Hier müssen kunsthistorische Methoden und Fragestellungen im Sinne eines Korrektivs hinzugefügt werden.136 Interessante Ansätze stammen aus dem Bereich der Studien zur »material culture«, so von Gerard Curtis, der sich 2002 in »Visual Words. Art and the Material Book in Victorian England«, basierend auf der viktorianischen Vorstellung von den gemeinsamen Ursprüngen von Schrift und Zeichnung, mit der Gestaltung einzelner Elemente in viktorianischen Buchproduktionen besonders bei Charles Dickens, beschäftigte. Die Illustrationen zu dessen Werken wurden vorher in Bezug auf die Erscheinungsform des illustrierten Romans und die enge Zusammenarbeit des Autors mit seinen Illustratoren George Cruikshank und »Phiz« (Hablôt Knight Browne) untersucht.137 So konnte Harvey aufzeigen, dass Dickens den Text der monatlichen Romanlieferungen bereits in Hinblick auf ihren Bildschmuck konzipierte, dass er einzelne Partien in einer Weise verfasste, dass sie förmlich nach einer Illustrierung verlangten, die ihre Aussage und Dramatik unterstützte, wofür sich Dickens unterschiedlicher Techniken bediente.138 Die Illustration fungierte beim Serienroman zudem als ein Werbemittel und hielt den Bezug des Betrachters zu den Protagonisten aufrecht. Sie konnte die Handlung an wichtigen Punkten übernehmen, den visuellen Charakter von Dickens’ Texten verstärken, die komischen Elemente des Textes unterstreichen, Erinnerungsfunktion besitzen oder spannungsvoll auf Kommendes, im Text noch nicht Erwähntes hindeuten.139 Dickens selbst stand in der Tradition der englischen Sozialdokumentatoren und Karikaturisten 136 Georg Kauffmann, Sprache und bildende Kunst, in : Werner Busch/Reiner Haussherr/Eduard Trier (Hrsg.), Kunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Georg Bandmann, Berlin 1978, S. 541–548. Suckale kritisierte bei der Übertragung der Verfahren der Narrativik und Linguistik auf die Kunstgeschichte : »Der Eigenart der Bilder werden sie nicht wirklich gerecht. Oft verstellen sie geradezu den Zugang«, Robert Suckale, Süddeutsche szenische Tafelbilder um 1420–1450. Erzählung im Spannungsfeld zwischen Kultund Andachtsbild, in : Harms 1990, S. 15–34, hier S. 15. 137 Harvey 1970 ; Joseph Hillis Miller/David Borowitz, Charles Dickens and George Cruikshank, William Andrews Clark Memorial Library, University of California 1971 ; Michael Steig, Dickens and Phiz, Bloomington/London 1978 ; Jane Cohen, Charles Dickens and his Original Illustrators, Columbus 1980 ; Joseph Hillis Miller, Illustration. Essays in Art and Culture, Cambridge, Mass., 1992, S. 96–111. 138 Harvey 1970, S. 142 ff.; Skilton 1988, S. 307. 139 Harvey 1970, S. 6–10, 147. Zu den verlegerischen Vorteilen des Serienromans : ebd., S. 12.
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wie William Hogarth und James Gillray, der auch seine Illustratoren verbunden waren.140 Von diesen Vorbildern übernahm er die Idee des Bilds im Bild, den Wert von Details für die Schilderung von Handlungsabläufen wie für die Charakterisierung und übertrug sie in das Textmedium, wovon es die Illustratoren dann wieder in das visuelle Medium zurückführten.141 Curtis beschäftigte sich nicht nur mit Dickens, sondern verfolgte die Umsetzung der Auffassung der »partnered graphic lines«, des »›image‹ of the Victorian text« in verschiedenen Bereichen wie Autorenbild, Darstellung des Alltagslebens, diversen Formen der Illustration und des Layouts.142 Hinsichtlich der Unterschiede des Mediums werden sie hier nur am Rande berücksichtigt werden können. Die »materialist hermeneutics«, deren sich Lorraine Janzen Kooistra und Jerome McGann bedienen, versuchen, die Grundbedingungen des Buches in die Analyse einzubeziehen. Dazu zählen nicht nur das Buch als Objekt, das durch die Wahl von Typographie, Papier, Buchschmuck, Einband bestimmt ist, sondern auch die Umstände seiner Entstehung, die sich auf das Buch-Objekt auswirken wie Copyright, Vertrieb, Werbestrategie, die an der Buchgenese Beteiligten.143 Diese materiellen Gegebenheiten und Entstehungsumstände des Buches bezeichnete McGann als »bibliographic code«.144 Die Berücksichtigung der »social processes« bei der Interpretation des Buch-Objekts sollen es ermöglichen, »a complex network of relationships in historically specific situations that change over time« zu erstellen.145 McGann forderte in der Beschäftigung mit dem Buch zu einer Kombination der »linguistic and bibliographical codes« auf.146 Auch Skilton wies in seinen Untersuchungen zum zeitgenössischen Leseverhalten und den Werbestrategien der Verlage bei Dickens und Thackeray nach, dass aufgrund der jeweiligen Zeitumstände die Rezeption von Text und Bild eine andere als diejenige beim heutigen Leser war, wobei er die gegenseitigen Wirkungsbedingungen, das Ergänzen von Schrift und Bild geordnet nach Kategorien exemplarisch darlegte.147 Martin Meisel unterschied 1983 bezüglich des Verhältnisses von Text und Bild für verschiedene Medien »Realization« und »Illustration«. »Realization« gebe »concrete perceptual form to a literary text«, leiste die genaue Abbildung eines Geschehens, während 140 141 142 143 144
Ebd., S. 128–129, 159. Skilton 1988, S. 312–315. Curtis 2002, S. 1. Kooistra 2002, S. 7 ; McGann 1991, S. 12, 15–16. Siehe hierzu George Bornstein/Theresa Tinkle, Introduction, in : dies. (Hrsg.) : The Iconic Page in Manuscript, Print, and Digital Culture, Ann Arbor 1998, S. 1–6. Siehe auch Jerome J. MacGann, Rossetti’s Iconic Page, in : ebd., S. 123–140. 145 Koiistra 2002, S. 7. Auch McGann erkannte, dass »the textual condition’s only immutable law is the law of change«, McGann 1991, S. 9. 146 Ebd., S. 13. 147 Skilton 1988, S. 318.
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die »Illustration« eine »interpretative re-creation« vornehme und somit eine kreative Auseinandersetzung mit dem Text durch den Künstler darstelle.148 Julia Thomas unternahm 2004 in ihren Untersuchungen zu Illustration und narrativer Malerei in der viktorianischen Epoche unter Rückgriff auf Jacques Derrida und Ferdinand de Saussure den Versuch, an ausgewählten Beispielen das Verhältnis von Text und Bild vor dem Hintergrund der englischen Kultur und der Einstellung gegenüber der Illustration in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts darzustellen, die besonders die Furcht vor »a polysemous image« thematisieren.149 Sie beschäftigte sich mit den »mea nings of illustration«, die sich aus den wechselnden Begegnungen von Text, Bild und Betrachter ergeben : »[…] and it is this interaction that allows for multiple interpretations, the spectators bringing their own cultural assumptions to beat on representations that are themselves culturally constituted«.150 Das Problem des Maler-Dichters betrachtete Elizabeth K. Helsinger bei Rossetti und Morris. Ihr ging es dabei weniger um die direkten inhaltlichen Bezüge zwischen den Künsten, sondern eher um die Erfahrungen und Einsichten, die sich durch die »doppelte« Tätigkeit ergaben. Die Aspekte von »acts of attention«, Wiederholung und Übersetzung von einem Medium in ein anderes stehen im Mittelpunkt ihrer Analysen.151 Sie widmete sich auch den Bereichen, in denen sich Dichtung und Bild begegnen : Rossettis Bilderrahmen mit Inschriften, seinen Illustrationen und Morris’ Plänen für eine illustrierte Fassung seiner Dichtung »The Earthly Paradise«.152 Untersuchungen zur Illustration der Präraffaeliten als Sonderbereich der viktorianischen Illustration, wie zu denen Rossettis zu Werken seiner Schwester Christina oder zu denen verschiedener Künstler zu Edward Moxons Tennyson-Ausgabe von 1857, erweisen sich aufgrund des unterschiedlichen Materials als wenig ergiebig für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand.153 Diese Publikationen sind weitgehend konzentriert auf technische und verlegerische Probleme, auf eine bibliographisch-historische 148 Martin Meisel, Realizations. Narrative, Pictorial, and Theatrical Arts in Nineteenth-Century England, Princeton, New Jersey 1983, S. 32. 149 Thomas 2004, S. 13. 150 Ebd., S. 12–13. 151 Helsinger 2008, S. xi, 2. 152 Ebd., S. 155–162, 175–217, zu Rossettis Bilderrahmen S. 184–187. 153 Zu D. G. Rossetti : Kooistra 2002, Kap. 2 ; zum Moxon-Tennyson : Jack T. Harris, The Pre-Raphaelites and the Moxon Tennyson, in : The Journal of Pre-Raphaelite Studies 3, 2, Mai 1983, S. 26–37 ; Peggy A. Fogelman, The Moxon Tennyson and Pre-Raphaelite Illustration, in : Ausst.-Kat. Ladies of Shalott : A Victorian Masterpiece and Its Contexts, Department of Art, Brown University, Bell Gallery, List Art Center, Brown University, Providence, Rhode Island 1985, S. 17–26 ; Wolfgang Lottes, The Lady of Shalott. Tennyson’s Poem and Some Victorian Illustrations, in : Karl Josef Höltgen/Peter M. Daly/Wolfgang Lottes (Hrsg.), Word and Visual Imagination. Studies in the Interaction of English Literature and the Visual Arts, Erlanger Forschungen, Reihe A Geisteswissenschaften 43, Erlangen 1988, S. 269–289 ; Leonee Ormond, Tennyson and the Artists, in : ebd., S. 42–61, hier S. 47–49 ; William Vaughan, Incongruous Disciples : The Pre-Ra-
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Schilderung, auf den Zusammenhang mit dem bildkünstlerischen Œuvre der jeweiligen Künstler – ein Standpunkt, der zu einer isolierenden Betrachtung der Illustrationen verleitet – sowie dem viktorianischen Publikum und Büchermarkt.154 Die Untersuchungen behandeln die Illustrationen dabei zumeist als von dem Text gelöste eigenständige Bilder.155 Kooistra erachtete dieses Vorgehen in gewissem Maße als berechtigt, da viele Illustrationen bereits bekannten Texten beigegeben wurden, während sie bei dem von ihr gewählten Untersuchungsgegenstand – illustrierte Erstausgaben der 1890er Jahre – als ein die Rezeption des Textes mitbeeinflussendes Element gemeinsam mit dem Text betrachtet werden müssten.156 Im Unterschied zu Dickens-Publikationen betonte sie die Unabhängigkeit von Autor und Illustrator, da dieser von dem Verleger ausgewählt werde, so dass der Illustrator als unabhängiger Interpret fungiere. Sie definierte ihren Ansatz als denjenigen der »bitextuality«, ausgehend vom illustrierten Buch als »composed of two texts – a verbal/creative text and a visual/critical text« : »Bitextual studies incorporate the strategies of both visual and verbal interpretation in order to understand how the dialogue between picture and word produces meaning within a network of cultural discourses«.157 Sie konzentrierte sich dabei auf das Text-Bild-Verhältnis als »quotation, impression, parody, answering and cross-dressing«.158 Dabei bezog sie das »marital or sexual model« bewusst ein, da es die Abhängigkeit des Bildes/der Frau vom Text/dem
154
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phaelites and the Moxon Tennyson, in : ebd., S. 148–160 ; Thomas 2004, S. 53–68 ; Julia Thomas, »Always another poem« : Victorian Illustrations of Tennyson, in : Cheshire 2009, S. 21–31. Ray 1976, S. 101–114 ; Regine Timm (Hrsg.), The Art of Illustration. Englische illustrierte Bücher des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Dr. Ulrich von Kritter, Ausst.-Kat. der Herzog August Bibliothek Nr. 44, Wolfenbüttel 1984 ; Percy Muir, Victorian Illustrated Books, London 1985 (1. Aufl. 1971), bes. Kap. 6 und 8 ; Susan Casteras (Hrsg.), Ausst.-Kat. Pocket Cathedrals. Pre-Raphaelite Book Illustration, Yale Center for British Art, New Haven 1991 ; Goldman 1994 ; Rodney Engen, Pre-Raphaelite Prints, London 1995 ; Allen Staley/Martha M. Evans u. a., The Post-Pre-Raphaelite Print. Etching, Illustration, Reproductive Engraving and Photography in England in and around the 1860s, Miriam & Ira D. Wallach Art Gallery, Columbia University in the City of New York, New York 1995 ; Paul Goldman, Victorian Illustration. The Pre-Raphaelites, the Idyllic School and the High Victorians, Aldershot 1996, Kap. 1–2 ; Gregory R. Suriano, The Pre-Raphaelite Illustrators. The Published Graphic Art of the English Pre-Raphaelites and Their Associates with Critical Biographical Essays and Illustrated Catalogues of the Artists’ Engraved Works, New Castle/London 2000. Goldman 1994, S. 21 : »There is a tendency to view the illustrations of the 1860s as works of art which somehow exist apart from the books and magazines which they are intended to ornament.« Kooistra 1995, S. 2–3. Ebd., S. 4–5. Ebd., S. 5. »Quotation« meint für Kooistra die Auswahl einer Szene aus einer Vielzahl möglicher Szenen, die dann zwar als visuelle Umsetzung des Textes fungiere, aber durch die Wahl bereits eine bestimmte Leseart des Textes vorgebe. Sie versteht dieses zugleich als Kopie und Kritik, ebd., S. 15. Unter »impression« fasst sie eine »amicable autonomy«, unter »parody« das Auflehnen der Illustration gegen den Text, so dass es zu einer »divorce of image and text« kommen könne, unter »answering« die harmonische Einheit, wobei die Illustration zwar Eigenständigkeit aufweise, doch mit dem Text zusammengehe, ebd., S. 17, vgl. S. 17–22. Unter »cross-dressing« untersucht sie Illustrationen, die von den Autoren der Bücher selbst angefertigt wurden.
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Mann anschaulich umsetze.159 Ihr Konzept diene dazu, die von der zeitgenössischen Buchtheorie angestrebte Einheit des Buches zu hinterfragen. Mit dem Arts & Crafts Movement verband Kooistra eng die »answering« Illustration, die ebenfalls von »socialism, medievalism, historicism and naturalism – as well as by the internal contradictions implied by this combination of radicalism and conservatism« bestimmt werde.160 Entsprechend der Vorstellungen der Arts & Crafts-Protagonisten von einem harmonischen Buch strebe die »answering« Illustration danach, sich mit Layout, Type, Ornamenten und Einband zu einem stimmigen Ganzen zu verbinden.161 In Hinblick auf Rossettis Tennyson-Illustrationen betonte Richard L. Stein die Bedeutung des Atmosphärischen gegenüber dem Erzählerischen sowie das Bestreben, »to explore undercurrents of Tennyson’s verse«.162 Rossetti setze in seinen Illustrationen auf einer visuellen Weise die Charakteristika der Gedichte um – »the richness of the poetry, its psychological drama, its suggestiveness for a modern understanding of mysticism«.163 Sie interpretieren und kommentieren den Text, wobei nicht die Handlung, sondern deren Charakter, das in ihr vermittelte Gefühl im Vordergrund stehen, so dass es bei der Illustrierung zum einen um Tennysons Kunst gehe, zum anderen auch um die Möglichkeit, basierend auf dem im Gedicht geschilderten Ereignis und motiviert durch die vom Dichter hervorgerufene Stimmung, eine Illustration von subjektivem Charakter zu konzipieren, die dem Betrachter/Leser die Stimmung des Gedichtes vermittle und diese zugleich intensiviere.164 Bei Rossettis Buchgestaltungen bleiben Text und Bild stets klar getrennt.165 Eine gewisse Ausnahme bildet das Blatt »The Sonnet« (signiert und datiert 27.4.1880 ; Sammlung Nicholas Rossetti).166 Die Verse werden hier durch einen Bodenstreifen, seitlich aufstrebende Rosenbüsche und eine waagerecht über dem Text schwebende, geflügelte Frauengestalt eingefasst, die durch eine Beischrift als Anima bezeichnet wird sowie Leier und Stundenuhr hält. Einzelne Blüten ragen rechts fast wie Zeilenfüllungen in die Freiräume, die durch kürzere Zeilen entstehen. Am linken Rand wird der Beginn der Verse durch die dunkle Hinterlegung der Worte »A Sonnet« an dem Busch verankert. Rossetti kombinierte auch Schrift und Bild durch die Einfügung von Zitaten auf seine Bilderrahmen. Der Entwurf von Rahmen, die durch Zitate oder Abbildung symbolhal159 160 161 162 163 164 165 166
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Ebd., S. 10. Ebd., S. 170. Ebd., S. 20. Richard L. Stein, The Pre-Raphaelite Tennyson, in : Victorian Studies XXIV, 3, Frühling 1981, S. 279–301, hier S. 280, 282. Ebd., S. 284. Ebd., S. 284–286. Zu Rossetti und der Illustration siehe auch : McGann 2000, S. 66–83. Vgl. ebd., S. 71. Siehe Surtees 1971 I, Nr. 258, S. 153, II, Abb. 387 ; http://www.rossettiarchive.org/docs/s258.rap.html [Zugriff am 6.2.2006].
Die Illustrationen der »Kelmscott Press«-Bücher
tiger Gegenstände die Bildaussage unterstreichen, geht auf Renaissance-Vorbilder zurück und findet sich auch bei anderen Präraffaeliten, so bei William Holman Hunt und Charles Allston Collins.167 Rossetti verwendete entweder Zitate aus Dantes Schriften oder eigene Gedichte.168 Bild, Text und Ornament stehen damit in einem direkten Gegenüber und verstärken die Wirkung des in seiner Größe dominanten Bildes, leiten die Deutung durch den Betrachter.169
1.8 Die Illustrationen der »Kelmscott Press«-Bücher Die Bücher von Morris’ »private press«, der Kelmscott Press, weisen zumeist reichen Buchschmuck aus floral ornamentierten Bordüren, Leisten, Initialen und Titelseiten auf, seltener jedoch Illustrationen wie diejenigen von Burne-Jones zu Morris’ »The Well at the World’s End« (1896).170 Einige Bücher verfügen jedoch über ein szenisches Frontispiz wie »A Dream of John Ball« (1892, Burne-Jones), »News from Nowhere« (1892, Charles March Gere) oder »The Wood beyond the World« (1894, Burne-Jones).171 Eine Ausnahme bildet der »Kelmscott Chaucer« von 1896, das am reichsten illustrierte Buch der Presse. Die Forschungen zum »Kelmscott Chaucer« beschäftigen sich weitgehend mit der Produktionsgeschichte, dem Bezug zu Burne-Jones’ Œuvre und seinen Vorbildern, mit der Auswahl der Sujets, mit Morris’ Ornamentvorlagen für die Rahmenleisten und Initialornamentik, mit der Stellung der Illustrationen in der Auseinandersetzung von Burne-Jones und Morris mit Chaucer und seinem Werk sowie mit dem Herstellungsverfahren.172 Hierbei gilt das besondere Augenmerk der Diskrepanz 167 William Holman Hunt, The Awakening Conscience, 1853–1854, TGL ; Charles Allston Collins, Convent Thoughts, 1850–1851, AMO. Roberts, 1995, S. 57–86. 168 D. G. Rossetti, The Salutation of Beatrice, 1859, National Gallery of Canada, Ottawa ; D. G. Rossetti, Proserpina, 1873–1877, Privatbesitz. Hier erscheint das Gedicht zweimal : ein Mal auf der unteren Rahmenleiste, das andere Mal in der oberen rechten Bildecke auf einem Blatt. Siehe Grieve 1973. 169 Zum Zusammenhang von Bild und Text im Werke Rossettis siehe auch Lothar Hönnighausen, Präraphaeliten und Fin de Siècle. Symbolistische Tendenzen in der englischen Spätromantik, München 1971, S. 85–97. 170 Peterson 1985, Nr. A39, S. 97–101. 171 Ebd., Nr. A6, S. 16–18, Nr. A12, S. 33–36, Nr. A27, S. 71–74. 172 Henry Halliday Sparling, The Kelmscott Press and William Morris Master-Craftsman, London 1975 (1. Aufl. 1924) ; John Dryfus, William Morris Typographer, in : PML 1976, S. 71–94, Kat. Nr. 92–101 auf S. 133–140 ; Peterson 1985, Nr. A40, S. 101–115 ; Hodnett 1986, S. 197–218 ; Peterson 1991, Kap. 8 ; Hans Eckert, William Morris und die Kelmscott Press : The Works of Geoffrey Chaucer 1896–1996, in : Ausst.Kat. Auf der Suche nach dem idealen Buch. William Morris und die Chaucer-Ausgabe der Kelmscott Press von 1896, Gutenberg-Museum, Mainz 1996, S. 15–41 ; Robinson 1982 und 2003. Mit dem Verhältnis des Kelmscott-Chaucers zu Morris’ politischen Vorstellungen beschäftigte sich Jessica DeSpain, A Book Arts Pilgrimage : Arts and Crafts Socialism and the Kelmscott Chaucer, in : The Journal of William Morris Studies XV, 4, Sommer 2004, S. 74–90.
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Einleitung
zwischen Kelmscott-Praxis und historischen Vorbildern, zwischen Holzstichen nach von Mitarbeitern für den Druck überarbeiteten, photographisch auf die Blöcke reproduzierten Entwürfen und Holzschnitten des Spätmittelalters und der frühen Renaissance, bei denen die Zeichnung direkt auf den Holzplatten ausgeführt wurde. Die jüngere Forschung hat stets betont, dass sich Burne-Jones mit seiner auf Szenen der ritterlichen Welt konzentrierten Auswahl von Morris’ Illustrationswünschen unterschied, der sich durchaus auch derbere Szenen oder solche mit weniger hochstehenden Protagonisten vorstellte.173 Diana Archibald kam darauf basierend zu dem Ergebnis, dass der »Chaucer« zwar formal Morris’ Ziel des »ideal book« entspreche, dass aber zugunsten einer harmonischen Gesamterscheinung der spezifische Charakter des Textes unberücksichtigt bleibe, dass »fidelity of representation, whatever that might be, is not as important as artistic coherence«.174 Für Terence Hoagwood bestand zumindest bei dem Pressedruck »The Story of the Glittering Plain« von 1894 mit Illustrationen von Walter Crane ein dem Inhalt des Buches entsprechender Konflikt zwischen »idea and object, illusion and the earthly facts«.175 Kelvin betonte bei den Kelmscott Press-Büchern die Verbindung vom Lesen eines Textes und der parallelen ästhetischen Erfahrung auf visueller Ebene : The rationale of the Kelmscott Press – to turn the act of reading into one in which the pleasure in the visual beauty of the book becomes part of the autonomous (for Morris) pleasure in reading – is thoroughly consonant with the aestheticism of the period.176
173 Vgl. Brief Burne-Jones’ an Swinburne vom 3.8.1895, zit. in : Robinson 2003, S. 281, 283. Zu Burne-Jones’ Auswahl vgl. Hodnett 1988, S. 199. 174 Archibald 1995, S. 177, 178. Vgl. zu dem harmonischen Eindruck innerhalb der Illustrationsfolge und zu ihrem »Erfolg« als Chaucer-Illustrationen : Hodnett 1986, S. 203, 216,218. Vgl. Kooistras Ergebnisse zu Burne-Jones’ Illustrationen in der Kelmscott Press-Edition von Morris’ »The Well at the World’s End«, Kooistra 1995, S. 167–183. 175 Terence Hoagwood, The Art of Printing and »The Land of Lies«. The Story of the Glittering Plain, in : The Journal of William Morris Studies XVIII, 1, Winter 2008, S. 8–21, hier S. 18. 176 Norman Kelvin, Morris, the 1890s, and the Problematic Autonomy of Art, in : Victorian Poetry 34, 3, Herbst 1996, S. 425–432, hier S. 429.
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2 William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren im Kontext seiner Zeit Das Kapitel ist Morris’ frühem künstlerischen Umfeld in den späten 1850er Jahren und denjenigen Einflüssen gewidmet, die sich in seinen wenigen frühen Buchmalerei-Seiten nachvollziehen lassen. Die Einzelblätter zeigen sowohl in Farbigkeit als auch in Ornamentik einen stark von mittelalterlichen Vorbildern geprägten Charakter, machen aber zugleich die Probleme deutlich, ein mittelalterliches Dekorationssystem auf zeitgenössische Textformen zu übertragen. In Hinblick auf die Vorbildwahl waren für Morris zu dieser Zeit die Auffassungen und Präferenzen John Ruskins maßgeblich und wegweisend. Morris’ Buchmalereien belegen, dass auch die Buchmalerei nur einen Teilbereich eines umfassenden Strebens nach einer Reform der Künste nach dem Vorbild der mittelalterlichen Kunst bildete. Die Unzufriedenheit mit der Lehre an der Royal Academy und den auf der Weltausstellung von 1851 präsentierten Produkten hatte junge Künstler wie die Präraffaeliten mit dem Problem einer der eigenen Gegenwart angemessenen Kunst und entsprechender Entwürfe für Alltagsobjekte konfrontiert. Für die Reform orientierten sie sich nun am Mittelalter, in dem sie die Einheit der Künste ideal vorgeprägt glaubten. Zugleich spiegelt sich im Aufgreifen der mittelalterlichen Buchmalerei durch Morris auch das zeitgenössische Interesse an Buchmalerei als Tätigkeit für professionelle Illuminatoren und Amateure im Zuge des »Gothic Revival«.
2.1 Morris und die Buchmalerei in Oxford Während seiner Studienjahre in Oxford 1853–1855 erhielt Morris erste maßgebliche Impulse zu einer Beschäftigung sowohl kunsthistorischer als auch künstlerischer Art mit der Buchmalerei. Dass er selbst diese Anregungen durch illuminierte Handschriften neben denjenigen durch die gotischen Kathedralen zu den prägenden Einflüssen rechnete, geht aus einer Äußerung gegenüber Wilfried Scawen Blunt hervor : I remember as a boy going into Canterbury Cathedral and thinking that the gates of heaven had been opened unto me, also when I first saw an illuminated manuscript. These first pleasures which I discovered for myself were stronger than anything else I have had in life.1
Und 1893 empfahl er Charles March Gere zurückblickend :
1 Morris gegenüber W. S. Blunt am 21.5.1896, zit. nach : Blunt 1919 I, S. 283.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
[…] you should now try to steep yourself, so to say, in mediaeval design ; look illuminations in 13th & 14th century books at wood cuts and so on, and make sketches from them. […] But […] all this will be of no use to you unless you feel yourself drawn in that direction, and are really enthusiastic about the old work. When I was a young – bear – I think I really succeeded in ignoring modern life altogether. And it was of great service to me.2
Wohl bereits während seiner Studienzeit in Oxford konnte Morris Beispiele aus den Beständen der Bodleian Library betrachten. F. S. Ellis berichtete 1898, dass Morris »used to speak with enthusiasm of the delight he experienced, as an undergraduate, in turning over some of the magnificent manuscripts preserved in the Bodleian, especially the ›Romance of Alexander‹ and a 13th century Apocalypse« ;3 und Georgiana Burne-Jones äußerte über die gemeinsame Studienzeit ihres Mannes und Morris’ in Oxford : »[…] in the daytime they went often to look at the painted books in the Bodleian«.4 Peterson wies allerdings darauf hin, dass es Undergraduates nicht gestattet war, Bücher der Bibliothek auszuleihen und einzusehen.5 So bleibt zu erwägen, ob Morris zu dieser Zeit die Manuskripte während einer Ausstellung in Vitrinen gesehen haben könnte, oder, wie von Peterson vorgeschlagen, durch Vermittlung eines autorisierten Begleiters.6 Bei den von Ellis erwähnten Handschriften handelt es sich vermutlich um das bereits damals bekannte und in der Literatur vielfach erwähnte MS Bodley 264, das eine französische und eine englische Fassung des Alexander-Romans sowie eine Handschrift von Marco Polos »Li Livres du Graunt Caam« enthält,7 und um die »Douce Apocalypse« (MS Douce 180) von ca. 1260/1270, die auch Burne-Jones als »best book in the world« bezeichnete.8 Die Anregungen, die Morris durch diese beiden Handschriften erfuhr, werden noch in den 1870er und 1890er Jahren spürbar. So lässt sich vermuten, dass ihn die Rahmenleisten mit den sich um Stäbe emporwindenden Akanthusblättern in MS Bodley 264 bei 2 Morris in einem Brief an Charles March Gere vom 7.11.[1893 ?], zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2192, S. 100– 101. 3 Ellis 1898, S. 620 ; vgl. Mackail 1995 I, S. 40. 4 GBJ 1993 I, S. 104. Vgl. William Morris, in : Quarterly Review 1899, S. 502 ; Lisle 1907, S. 15. 5 Peterson 1991, S. 337–338, Anm. 11. 6 Ebd., S. 338, Anm. 11 ; Kelvin 1996 IV, S. 226, Anm. 5. 7 MS Bodley 264, fol. 1–208 : flämische Handschrift der französischsprachigen Fassung des Alexander-Romans, illuminiert von Jehan de Grise, 1338 vom Schreiber, 1344 vom Maler beendet ; fol. 209–215 englische Fassung desselben mit neun Miniaturen, um 1400 ; fol. 2, 218–271 »Li Livres du Graunt Caam« in Französisch, 38 Miniaturen aus der Werkstatt eines Künstlers Johannes, Anfang des 15. Jh.; Pächt/Alexander 1966 I, Nr. 297, S. 22–23 ; dies. 1973 III, Nr. 792, 793, S. 70. 8 FMC, MS 10702, fol. 75v, zit. nach : Whitla 2001, S. 36. Zur Wertschätzung der Handschrift durch BurneJones : Notiz von Emery Walker, einem Brief von Morris an Walker beigefügt [30.10.1894], zit. bei : Kelvin 1996 IV, S. 226, Anm. 4. Zur »Douce-Apokalypse« : Apokalypse und Kommentar, London, um 1270 ; Pächt/ Alexander 1973 III, Nr. 469, S. 43 ; Morgan 1988, Nr. 153, S. 141–145 ; Faksimile Apocalypse MS Douce 180 in der Bodleian Library, mit Kommentar von Peter Klein, Oxford, Graz 1982.
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Morris und die Buchmalerei in Oxford
der Gestaltung der Rahmenbordüren für seine »Oden«-Handschrift (BLO, MS Lat. class. e. 38 ; Abb. 1) inspirierten, während sich die nachhaltige Wirkung der »Douce-Apokalypse« daran ablesen lässt, dass er 1894 plante, gemeinsam mit Emery Walker eine Faksimile-Ausgabe dieser Handschrift zu publizieren, nachdem er sich schon in den frühen 1870er Jahren mit Apokalypsen-Handschriften aus dem frühen 14. Jahrhundert und ihren Miniaturen beschäftigt hatte.9 Die von Peterson publizierte Liste der Bücher, die in dem »L. P. Lending Book« der Bodleian Library unter dem Namen Morris aufgeführt sind, sind nicht immer klar William Morris zuzuordnen, da auch ein anderer Benutzer dieses Namens in dem betreffenden Zeitraum die Bibliothek konsultierte und in den Einträgen nicht der Vorname angegeben ist.10 Zu den betrachteten Handschriften, die mit Morris’ Interessen zu verbinden sind, zählen MS Bodley 264 (27.4.1856)11 und MS Abb. 1 Bodleian Library Oxford, MS Bodley Auct. F. 4. 32 (26.9.1856) mit der Miniatur des 264, Titelbild zum Alexanderroman, fol. 2v, Werkstatt eines Meisters Johannes, Anfang des vor Maria und dem Christuskind knienden hl. 15. Jahrhunderts. Photo Bodleian Libraries, The Dunstan (fol. 1r), die seit dem 18. Jahrhundert University of Oxford. durch paläographische Publikationen, kulturgeschichtliche und antiquarische Studien bekannt war.12
9 May Morris, in : CW IX, S. xviii ; Peterson 1985, B12, S. 151 ; Peterson 1991, S. 45, 337–338, Anm. 11. Siehe auch Kelvin 1996 IV, Nr. 2322, S. 224–226. Vgl. die Einträge zu BL, MSS Add. 17333 (Apokalypse, Normandie, um 1320–1330) und Royal 19 B. xv (Queen Mary Apokalypse, London oder East Anglia, 1. Viertel des 14. Jh.s) in Morris’ Skizzenbuch, HRC, William Morris Collection, MS 2934, fol. VIIIv. 10 Peterson 1991, S. 338, Anm. 11. 11 In diesem Falle ist die Zuweisung an William Morris berechtigt, da der Name seines Colleges (Exeter) mitangegeben ist, ebd. 12 Pächt/Alexander 1966 I, Nr. 421, S. 33 ; dies. 1973 III, Nr. 24, Nr. 10, S. 4, 2 ; Temple 1976, Nr. 11, S. 41. Abbildungen der Zeichnung finden sich z. B. in George Hickes, Linguarum Vett. Septentrionalium Thesaurus Grammatico-criticus et libri duo archaeologus, Oxford 1705 (die einzelnen Bücher datiert 1703), Bd. I, S. 144 ; Strutt 1779 II, S. 251. Weitere von einem Morris ausgeliehene Handschriften sind zwar in den 1860er Jahren vermerkt, doch verweisen deren Ausstattung und Inhalte nicht auf William Morris, vgl. die Auflistung bei Peterson 1991, S. 338, Anm. 11.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
Emery Walker und Morris begannen 1894 mit ihrem Faksimilierungs-Projekt der Douce-Apokalypse. Walker kontaktierte am 3.9.1894 E. W. Nicholson von der Bodleian Library mit der Bitte, die Handschrift photographieren und abbilden zu dürfen.13 Problematisch erwies sich dabei die von der Bibliothek mit Horace Hart von der Oxford University Press getroffene Vereinbarung, für solche Arbeiten Photographen der Clarendon Press zu beschäftigen, zumal Walker und Morris nicht mit der Qualität der Aufnahmen zufrieden waren.14 Am 28.11.1894 begaben sich Morris und Walker nach Oxford, um gemeinsam die Handschrift anzusehen.15 Sie ließen sich während des Besuches in der Bodleian Library drei weitere Handschriften vorlegen, darunter die vom Roxburghe Club bereits 1876 faksimilierte Apokalypse MS Auct. D. 4. 17 (1250–1260),16 den Alexander-Roman (MS Bodley 264) und den »Ormsby Psalter« (MS Douce 366), der in drei Phasen vom Ende des 13. Jahrhunderts bis ca. 1330 in East Anglia und Norwich entstanden war.17 Es ist zu vermuten, dass Morris die andere Apokalypsen-Handschrift einsah, um die Qualität der früheren, in seiner Bibliothek vorhandenen Faksimilierung zu überprüfen, und dass er zugleich die Gelegenheit nutzte, zwei seiner Lieblings-Handschriften wieder anzuschauen. Auch im nächsten Jahr betrachtete Morris während seiner Aufenthalte in Oxford in den dortigen Bibliotheken Handschriften. So vermerkte er am 31.10.1895 zu zwei Handschriften in der Christ Church College Library : »two very fine books de Officiis Regum, English c. 1330 & French testament c. 1280«.18
2.2 Anregungen für Morris’ frühe dekorative Arbeiten durch illuminierte Handschriften Morris beendete 1856 sein Studium in Oxford, um noch im gleichen Jahr in George Edmund Streets Londoner Architekturbüro mit einer Ausbildung zu beginnen. Sein nach 13 Kelvin 1996 IV, S. 226 : Brief vom 3.9.1894, BLO, Applications to Facsimile 1889–1994 ; Peterson 1985, B12, S. 151. 14 Vgl. Kelvin 1996 IV, S. 226, Anm. 3, 4 (nach BLO, MS d. 1557). So äußerte Walker in einem Brief an Nicholson vom 15.9.1894, dass die Arbeiten der Clarendon Press »not equall to photographing pictures in the best manner« seien, ebd. Zu Morris’ Kritik an den Aufnahmen vgl. seinen Brief an Walker vom vermutlich 30.10.1894, ebd., Nr. 2322, S. 224. Nach Angaben Kelvins gelang es erst im März 1895, Hart zu einer Aufgabe seiner Beteiligung an dem Projekt zu bewegen, ebd., S. 226, Anm. 4. 15 Vgl. Peterson 1985, B12, S. 151 ; Peterson 1991, S. 22, 338, Anm. 11 ; Kelvin 1996 IV, S. 226, Anm. 2 mit Verweis auf BLO, Bodleian Library Entry Book 1894–1895, Library Records b. 600. 16 Faksimile mit einer Einleitung von H. O. Coxe : Apocalypse of St. John the Divine, Roxburghe Club, 1876 ; WM 1898, Los 892. Siehe zu dieser Handschrift : Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 438, S. 41. 17 Vgl. Peterson 1991, S. 338, Anm. 11. Zu diesen MSS : Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 499, 536, 581 auf S. 46, 49, 53 ; Sandler 1986, pt. II, Kat.-Bd., Nr. 43, S. 49–51. 18 BL, MS Add. 45410, Eintrag zum 31.10.1895, fol. 46r. Hierbei handelt es sich um Christ Church MSS 92 und 178; Alexander/Temple 1985, Nr. 283, S. 29–30, Taf. XIX–XX; ebd., Nr. 672, S. 67, Taf. XL.
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der Studienzeit fortbestehendes Interesse an Buchmalerei und anderen mittelalterlichen Artefakten wird durch einen Brief belegt, den er vermutlich im Oktober 1858 von seiner Frankreich-Reise sendete. Er berichtet darin, dass er sich in Frankreich aufhalte, »to buy old manuscripts and armour and ironwork and enamel«.19 Morris bezog gemeinsam mit Edward Burne-Jones, der sich entschlossen hatte, unter Dante Gabriel Rossettis Anleitung Malerei zu studieren, Räume im Londoner Stadtteil Bloomsbury. Diese dekorierten sie mit »brasses of old knights and drawings of Albert [sic !] Dürer«.20 Mit dem Umzug nach London konnte Morris seine Kenntnis mittelalterlicher Handschriften in der Sammlung der heutigen British Library erweitern. BurneJones und Morris stellten, vermutlich auf Anregung von Rossetti und durch Vermittlung des in der Bibliothek des British Museum beschäftigten Harry Ward, im Februar 1857 Anträge für den Besuch des Handschriftenlesesaals des Museums mit der Bitte um Erlaubnis, nach wertvollen Handschriften wie dem Bedford Stundenbuch (BL, Add. MS 18850, Paris, um 1410–1430), das ausdrücklich in beiden Anträgen erwähnt wird, zu zeichnen.21 May Morris äußerte über Morris’ Kenntnisse der Handschriftenbestände der British Library : »no young man in London, outside the staff of the department [des Manuscript Room des British Museum], was so familiar with its treasures as my father was« :22 Sie berichtet weiter : From the earliest days my father had an intimate knowledge of French and English mediaeval painted manuscripts, knowing the finest books in the Bodleian and the British Museum as though they belonged to him. Indeed, he would say laughing that they did belong to him because he enjoyed them so much.23
Ende November 1856, mit dem Umzug in Rossettis ehemalige Räume in 17 Red Lion Square, ergänzten Burne-Jones und Morris ihre Ausstattung durch mit mittelalterlichen Szenen bemalte Möbel, für die Morris Motive aus eigenen, auf der Arthur-Dichtung basierenden Gedichten auswählte. Die Faszination durch die Arthur-Sage beruhte auf Thomas Malorys »Le Morte d’Arthur« in der Edition durch Robert Southey von 1817 – ein Buch, das Morris auf Anregung von Burne-Jones hin erwarb.24 Die Möbel entstanden aus Unzufriedenheit mit den im Handel erhältlichen Stücken und wurden nach Morris’ Entwürfen bei einem Londoner Tischler gefertigt. Die Wirkung dieser »intensely me19 Empfänger unbekannt, zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 20, S. 32 ; Mackail 1995 I, S. 137. 20 Zit. nach : GBJ 1993 I, S. 108–109. 21 BL, MS Egerton 2846, fol. 191r, 195r, am 9. (Burne-Jones) und 16. Feburar 1857 (Morris), nach : McEvansoneya 2015, S. 600. 22 May Morris, in : CW IX, S. xviii. 23 Ebd. 24 Mackail 1995 I, S. 81.
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diaeval furniture […] – tables and chairs like incubi and succubi« wurde durch die Bemalung gesteigert.25 Rossetti berichtete am 18.12.1856, dass er und Morris »have painted the back of a chair with figures and inscriptions in gules and vert and azur, and we are all three going to cover a cabinet with pictures«.26 Hierbei handelt es sich vermutlich um die Türen der »Settle«, die Rossetti allerdings erst 1859, d. h. bereits nach seinem Auszug aus den Red Lion Square-Räumen, mit zwei Szenen nach Dante, »The Salutation of Beatrice on Earth and in Eden« (National Gallery of Canada, Ontario), getrennt durch das 1860 hinzugefügte »Dantis Amor« (TGL), bemalte.27 Diese »Settle« wurde in das von Philipp Webb, den Morris im Büro von Street kennengelernt hatte und mit dem ihn eine enge Freundschaft verband, für ihn entworfene »Red House« (1859–1860) in Bexleyheath überführt und dort mit einer Sängergalerie ausgestattet. Vier kleinere bemalte Felder (V&A, Inv.-Nr. Circ. 128, 129–1953 ; Circ. 310, 311–1960) können vermutlich mit dieser Sitzbank in Zusammenhang gebracht werden.28 Sie zeigen Frauen in Gärten vor ornamentierten Hintergründen, deren in ein Quadratraster eingestellte Kreis- und Diagonalmuster an Beispiele in Buchmalereien des 13. und 14. Jahrhunderts erinnern.29 Dieses gilt auch für die leuchtende Farbigkeit mit einem dominierenden Rotton. Die Szenen, die vielleicht als Darstellungen der Jahreszeiten zu deuten sind, können wohl Rossetti zugeschrieben werden, an dessen Werk der pastose Farbauftrag und die enge Einstellung der Figuren erinnert.30 Vier Darstellungen mit Frauen in mittelalterlicher Gewandung vor ähnlich ornamentierten Hintergründen befinden sich im Inneren des von Burne-Jones bemalten »Chaucer«-Schranks (AMO), ein Hochzeitsgeschenk an Jane und William Morris.31 Die vier Felder ähneln zwar denjenigen des V&A, doch unterscheiden sie sich in der klareren Faltengebung und dem etwas kräftigeren Figurentypus. Die den Gürtel bindende Frau wiederholt zudem das Haltungsmotiv in Morris’ Gemälde »La Belle Iseult« (1858, TGL ; Taf. 2), so dass diese Felder im Schrankinneren wohl Morris zuzuschreiben sind. Sie zeigen entsprechend zur Funktion des Möbels Frauen bei der Schönheitspflege und beim Ankleiden.32 Burne-Jones’ mit einer Szene aus Geoffrey Chaucers »The Prioress’s 25 Rossetti an William Allingham von 18.12.1856, zit. nach : Doughty/Wahl 1965 I, Nr. 254, S. 312 ; Mackail 1995 I, S. 113 ; Fredeman 2002 II, Nr. 56.59, S. 147. Burne-Jones erwähnt bemalte Stühle in einem undatierten Brief an Ford Madox Brown, HL, HM 12206, in : Munro 1992, S. 79. 26 Rossetti an William Allingham vom 18.12.1856, zit. nach : Doughty/Wahl 1965 I, Nr. 254, S. 312. 27 Mackail 1995 I, S. 113–114. Douglas E. Schoenherr, in : Earthly Paradise 1993, Kat. Nr. B :4, S. 104–107 ; Schoenherr 1993/1996 ; Fassungen in der National Gallery of Canada, Ottawa, von 1859 und im Fogg Art Museum, Cambridge, Mass., von 1849–1850, Surtees 1971 I, Nr. 116, S. 70–73, II, Abb. 172–178 ; zu »Dantis Amor« : ebd. I, Nr. 117, S. 73–74, II, Abb. 179–181. 28 Parry 1996, Kat. Nr. J.6, S. 167, Abb. auf S. 166 ; Marsh 1999, S. 44–45. 29 Vgl. z. B. Alphonso oder Tenison Psalter, BL, MS Add. 24686, fol. 4r, London/Westminster, um 1284–1316. 30 Parry 1996, Kat. Nr. J.6, S. 167 ; Marsh 1999, S. 44 ; Marsh 2005, S. 46. 31 Ich danke Colin Harrison vom Ashmolean Museum Oxford für seine freundliche Unterstützung. 32 Die Frauen sind beim Haarekämmen, bei der Nagelpflege, dem Schuhanziehen und Gürtelbinden gezeigt.
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Anregungen für Morris’ frühe dekorative Arbeiten durch illuminierte Handschriften
Tale« bemalter Schrank weist auch ein Porträt des Dichters auf, das auf Darstellungen Chaucers in BL, MSS Royal 17 D. vi (fol. 93v), Add. 5141 (fol. 1r) und Harley 4866 (fol. 88r) basiert.33 Das scheinbar an der Mauer im unteren rechten Vordergrund befestigte, auf der Schranktür aufgemalte Blatt mit dem Beginn des 18. Verses der Erzählung der Priorin wiederum folgt in Ornamenten und Farbgebung mittelalterlichen Handschriften. Die Schriften des englischen Dichters des späten 14. Jahrhunderts bildeten neben Thomas Malorys »Le Morte d’Arthur« die Lieblingslektüre von Burne-Jones und Morris. Von den erwähnten Stühlen haben sich zwei Beispiele erhalten (Delaware Art Museum, Wilmington).34 Die 1856–1857 von Rossetti bemalten hohen Stuhllehnen zeigen, basierend auf Gedichten von Morris, »Guendolen in the witch-tower and the Prince below kissing her long golden hair« und »The arming of a knight, from the Christmas Mystery of ›Sir Galahad‹«.35 Die hohe Stuhllehne nimmt vertikale Kompositionen mit Rapunzels herabfallendem Haar bzw. einer stehenden Frauenfigur auf, die einem knienden Ritter ein Zeichen ihrer Gunst übergibt.36 Collard äußerte die Vermutung, dass für solche Möbel Darstellungen in Buchmalereien des 14. und 15. Jahrhunderts als Anregung gedient haben könnten.37 Tatsächlich lässt sich die Form der Stühle mit derjenigen in einem Autorenbild in BL, MS Harley 2897 (Paris, 1410–1419, fol. 186v) vergleichen, das in Shaws »Dresses and Decorations of the Middle Ages« von 1843 abgebildet war, während Motive wie die Federärmel der Königin, die sich in Rossettis Zeichnung »Sir Launcelot in the Queen’s Chamber« von 1857 (BMAG) wiederholen, auf eine Abbildung in Camille Bonnards »Costumes Historiques« (1829) zurückgehen.38 Die Malereien der Eine ähnliche Reihe findet sich, aber in quadratischem Format und szenischem Zusammenhang in BL, MS Add. 45336, fol. 5r. Vgl. Morris 1966 I, S. 394 (mit Zuschreibung an Burne-Jones) ; Braesel 2007, S. 218–219. 33 Zur Datierung des »Chaucer«-Schranks : Cromey-Hawke 1976, S. 38 ; Whiteley 1989, Nr. 21, S. 56 : ca. 1858– 1859 ; Mackail 1995 I, S. 114 : Frühling 1857 ; May Morris, in : CW XIV, S. xxviii-xxix ; Marsh 1999, S. 30. Burne-Jones wiederholte den Entwurf in einer großformatige Gouache (1865–1898, Samuel and Maria Bancroft Collection, Delaware Art Museum, Wilmington) und in seinen Illustrationen des Kelmscott-Chaucers 1896. Zu den Chaucer-Vorlagen : Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 162, S. 202–205. 34 Christie’s 29.10.1997, Los 20–21, S. 28–43. 35 Mackail 1995 I, S. 114. Als Vorlagen dienten die Gedichte »Rapunzel« und »Sir Galahad : A Christmas Mystery«, die 1858 in »The Defence of Guenevere« publiziert wurden, CW I, S. 74 (letzte Zeile) und 29. Allerdings äußerte Marsh Bedenken an einer Verbindung von dem sog. »Galahad«-Stuhl und Morris’ Gedicht »Sir Galahad. A Christmas Mystery« : Marsh 1999, S. 37–39. Zu den Möbeln : GBJ 1993 I, S. 147 ; Henry Price, zit. bei : Kirkham 1981, S. 26. Grieve beschäftigte sich ausführlich mit Möbeldarstellungen in frühen Zeichnungen und Gouachen Rossettis, ihren Vorlagen, ihrer Bedeutung für Bildkomposition und Aussage sowie ihrer Verbindung zu den von Morris gestalteten frühen Möbeln, Grieve 1999. 36 Vgl. auch Rossettis Gouache »Going to Battle«, 1858, Museum of Fine Arts Boston. 37 Frances Collard, Furniture, in : Parry 1996, S. 155–163, hier S. 156. 38 Shaw 1843 I, zu Taf. 32 (s. a. Shaw/Yenne 1998, Abb. auf S. 70) ; Bonnard 1829 II, Taf. 27. Zu einer Anregung durch Bonnard für die Kleidung des Ritters : Grieve 1999, S. 20, 21, Anm. 11 ; ebd., Anm. 4 für BuchmalereiVorlagen (Autorenbildnisse) in Hinblick auf die Möbelform. S. a. Surtees 1971 I, Nr. 95, S. 54–55, II, Abb. 127, 129.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
Stühle schließen sich an Rossettis zeitgleiche Gouachen an,39 entstanden aber wohl in Zusammenarbeit mit Morris, so dass hier ein frühes Beispiel für die gemeinsame Herstellung von Kunstwerken in einem privaten Rahmen vorliegt, wie es sich in den 1870er Jahren bei Morris’ illuminierten Handschriften wiederholen wird. Auf der Rückseite des »Galahad«-Stuhls haben sich Malereien aus Streifen mit stilisierten Pflanzen und Vögeln erhalten, die sich auf einem halbrunden Stuhl Morris’ von ca. 1856 (WMGW) wiederholen, dessen Form auf Vorlagen in mittelalterlichen Handschriften zurückzuführen ist.40 Diese Malereien sind gekennzeichnet durch geschlossene, kaum in sich nuancierte Flächen von intensiver Farbigkeit. Mit ähnlich stilisierten Motiven ist die Schrift auf der Vorderseite des »Guendolen«-Stuhls ausgestattet, die diagonal die Rückenlehne teilt : Einzelne Buchstaben münden in lappige Blätter oder Mischwesen mit Vogelkörper und Schlangenkopf wie sie aus mittelalterlichen Buchmalereien bekannt sind. Aufgrund stilistischer Erwägungen können Rossetti die Figuren, Morris die floralen Ornamente und die Schrift zugeordnet werden.41 Die Nähe des Stuhls zu Morris’ frühen Buchmalereien und zu Rossettis Gouache »The Blue Closet« (1856/1857, TGL) sowie die höhere Qualität der Malereien auf dem »Galahad«-Stuhl lassen vermuten, dass es sich bei dem »Guendolen«-Stuhl um den älteren handelt, von dessen Fertigstellung Rossetti am 18.12.1856 Allingham berichtete.42 Mit mittelalterlichen Sujets bemalte Möbel, deren schwere Formen und Details ebenfalls das Mittelalter assoziieren lassen, entstanden auch in Zusammenhang mit der Dekoration von Morris’ »Red House«, darunter ein vermutlich von Morris bemalter Schrank mit Sitzbank im Flur, der musizierende Männer und Frauen in einem Garten zeigt.43 Vielleicht diente als Anregung für die Komposition von nebeneinander gereihten Figuren hinter einem schmalen Wiesenstreifen und vor den Vertikalen der Baumstämme die rechte Szene der im 19. Jahrhundert, Vasaris Angaben folgend, Andrea Orcagna zugeschriebenen Wandmalerei »Trionfo della Morte« des Campo Santo in Pisa, die seit 1812 in Stichen von Carlo Lasinio vorlag und schon 1848 die Präraffaeliten tief beeindruckt hatte. Burne-Jones hatte 1859 während seiner ersten Italienreise Pisa besucht, und Anre39 Ebd., S. 13–15 ; Marsh 1999, S. 31. 40 Abb. in : Parry 1996, Kat. Nr. J.4, S. 165. Vgl. ÖNB, Cod. 2568 (Guillaume de Lorris, Roman de la Rose u. a. Texte, Frankreich, um 1420), fol. 1r. 41 Vgl. Marsh 1988, S. 19. 42 Marsh wies auf die Ähnlichkeit des Frauenkopfes zu demjenigen der rotgekleideten Frau in Rossettis Gouache »The Blue Closet« (TGL) hin, Marsh 1999, S. 36 ; Grieve 1999, S. 18. Zur Zuschreibung der Malereien des »Galahad«-Stuhls : ebd., S. 19–20. 43 Mackail 1995 I, S. 159 erwähnt eine Sitzbank in der Hall, die mit Szenen des Nibelungenlieds bemalt wurde ; Marsh 1996, S. 573. Watkinson 1988, S. 13–15, vermutete, dass die Szene auch auf Malory X, 52 zu beziehen sei, wo von Tristan und Isolde auf Joyous Gard berichtet wird. Marsh 2005, S. 48, wiederholte diese Theorie, erwog aber auch eine Szene aus dem »Roman de la Rose« als Quelle, ohne nähere Angaben zu machen. Siehe a. Braesel 2007, S. 224–225 ; dies. 2009, S. 132–133.
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Anregungen für Morris’ frühe dekorative Arbeiten durch illuminierte Handschriften
gungen durch genau diesen Teil des Freskobildes lassen sich in seiner Zeichnung »Ladies and Death« von 1860 (National Gallery of Victoria, Melbourne) aufzeigen.44 Die Kombination von Zäunen mit davor befindlichen Blumenbeeten, Apfelbäumen und Musizierenden erinnert zudem an Miniaturen der von Morris besonders geschätzten Rosenroman-Handschrift (BL, MS Harley 4425, fol. 12v ; Abb. 2).45 Dass er diese durchaus als Vorlage für Bilderfindungen verwendete, legt eine Notiz nahe, die in Zusammenhang mit seinen Illustrationslisten für »The Earthly Paradise«, »The Hill of Venus«, überliefert ist : Zur 17. Illustration mit dem Sujet »playing in the garden« ist vermerkt, dass sie »like Romance of the Rose« gehalten sein solle.46 Als weitere Anregungen mögen Miniaturen in Handschriften der Arthur-Geschichte, die Paare in Gärten zeigen, Kalendarien mit Darstellungen des Monats Mai oder Miniaturen in medizinischen Lehrbüchern zum Anbau Abb. 2 British Library London, MS Harley 4425, von Heilkräutern gedient haben.47 Guillaume de Lorris und Jean de Meun, Roman de Die Szene auf dem Schrankfeld basiert viel- la Rose, Brügge, um 1490–1500 datiert, zugeschr. leicht auf dem Anfang von Boccaccios »Deca- dem »Master of the Prayer Books of c. 1500«, fol. 12v. © The British Library Board (MS Harley 4425). merone«, in der dieser schildert, wie sich die vor der Pest auf einen Landsitz Geflüchteten im Garten mit Gesprächen, Musizieren, Tanzen und Spielen unterhalten.48 Miniaturen wie diejenige in BLO, MS Douce 213 (fol. 1r), einer Handschrift aus dem Anjou (?), vor 1467 44 Vgl. EBJ 1998, S. 79–80 ; Robyn Cooper, »The Crowning Glory of Pisa« : Nineteenth-Century Reactions to the Campo Santo, in : Italian Studies XXXII, 1982, S. 72–100, hier S. 95. Eine Zeichnung nach einer Figurengruppe des Jüngsten Gerichts des Campo Santo hat sich in einem Skizzenbuch Burne-Jones’ erhalten, FMC, Inv.-Nr. 1084, fol. 3r. 45 Die Handschrift wird in die Zeit zwischen 1490–1500 datiert und dem vermutlich in Brügge tätigen »Master of the Prayer Books of c. 1500« zugeschr. Thomas Kren (Hrsg.), Ausst.-Kat. Renaissance Painting in Manuscripts. Treasures of the British Library, New York 1983, Kat. Nr. 6, S. 49–58. Die Handschrift entstand für Engelbert II. von Nassau (1451–1504). 46 William Morris, zit. nach : CW VI, S. xx. 47 Vgl. PML, MS M. 805, fol. 67r (Le Roman de Lancelot du Lac, Frankreich, frühes 14. Jh.) ; die Wandmalereien im Castel del Buon Consiglio in Trient von ca. 1407 ; das »Tacunium Sanitatis in medicina« oder »Hausbuch der Cerruti« aus dem späten 14. Jh. (vermutlich Verona), ÖNB, Cod. ser. nov. 2644. 48 Braesel 2007, S. 224–225.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
für Philip den Guten entstanden, illustrieren diese Szene : In einem Garten, dessen Mauern von bewachsenen Spalieren umstellt sind, sitzen Frauen, die in das Gespräch miteinander oder mit einem der stehenden Männer vertieft sind. Szenarium und Atmosphäre ähneln den Malereien auf den Schranktüren vom »Red House«. Burne-Jones’ Wandmalereien im Salon im ersten Stockwerk des »Red House« mit Szenen aus der Sir Degrevaunt-Geschichte wiederum zeigen Anlehnungen an Giottos Fresken in der Arena-Kapelle (um 1305), deren Bildfelder, kommentiert von John Ruskin, von der Arundel Society in den 1850er Jahren publiziert wurden.49 So erinnert Burne-Jones’ Hochzeitszug an die Szene mit dem Hochzeitszug der Maria, während die des Hochzeitsmahls Parallelen zu der Hochzeit von Kana und des Abendmahls in der Arena-Kapelle aufweist. Eine weitere mögliche Inspiration bildeten mittelalterliche Buchmalereien : Die Darstellung des Hochzeitsmahls lässt sich auch mit dem Bas-de-page mit dem Festmahl Sir Geoffrey Luttrells in dem zu diesem Zeitpunkt allerdings noch in Privatbesitz befindlichen Luttrell-Psalter (BL, MS Add. 42130, England, 1325–1335, fol. 208r) vergleichen. Auch die Dienerin im roten Gewand mit Schüssel sowie die Komposition der Szene der Vermählung von Sir Degrevaunt und Lady Melidor gehen auf Buchmalerei-Vorlagen zurück.50 Ähnliche Musikerfiguren wie der Geigenspieler mit seinem breiten Chaperon in der Szene des Hochzeitszuges lassen sich in Handschriften, so in BL, MS Royal 14 E. iii, fol. 89v (Lancelot-Grail-Handschrift, Nordfrankreich oder Flandern – St. Omer oder Tournai –, 1315–1325) neben der Miniatur mit dem Festmahl von König Arthur und Guenevere, finden. Weiterhin plante Burne-Jones Darstellungen des Trojanischen Kriegs »in a frankly mediæval spirit« im Treppenhaus des »Red House«.51 Für den Speisesaal des »Red House« wurde zudem eine Serie von Stickereien mit Frauenfiguren, die zwischen Bäumen stehen (Entwürfe in Morris’ Skizzenbuch, BL, MS Add. 45336, fol. 23v, 24v, um 1860), begonnen – eine Grundidee, die sich in Entwürfen Burne-Jones’ für John Ruskin (um 1863) wiederholt. Auf diese Serien wird noch in Zusammenhang mit Morris’ Handschrift »A Book of Verse« genauer einzugehen sein. Als Thema von Morris’ Serie ist ein individualisierter Zyklus von Heldinnen zu vermuten, der letztlich der Verehrung seiner Frau Jane im Kontext des »Minnehofs« des »Red House« galt ; bei Burne-Jones handelt es sich um die Heldinnen aus Geoffrey Chaucers »The Legend of Good Women«.52 Es ist anzunehmen, dass im Zuge der Vorbereitungen für beide Serien illuminierte Handschriften von Boccaccios »De claris mulieribus« oder von Christine de Pisans »Livre de la Cité des Dames«, die beide Frauen gewidmete Zyklen enthalten, in der British Library konsultiert 49 Siehe hierzu : Cooper 1978 ; Tanya Harrod, John Ruskin and the Arundel Society, in : Apollo 127, 1988, S. 180–188. 50 Vgl. BL, MSS Royal 15 D. i, fol. 18r und Harley 4379, fol. 12v. 51 Mackail 1995 I, 158, zur Ausstattung des »Red House« siehe ebd., S. 114, 159 ; GBJ 1993 I, S. 209. 52 Dufty 1985, S. 13–16, 29–30, Abb. VI–XII auf S. 22–28 ; Braesel 2009.
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Anregungen für Morris’ frühe dekorative Arbeiten durch illuminierte Handschriften
wurden. Morris kannte gewiss die Christine de Pisan-Handschrift (BL, MS Harley 4431, Paris, um 1410), denn auch Rossetti kopierte zwei Miniaturen dieser Handschrift in seinen gemeinsam mit Elizabeth Siddal ausgeführten Malereien auf dem Schmuckkästchen für Jane Morris (1862, Kelmscott Manor, SoA).53 Es handelt sich dabei um die Miniaturen auf fol. 376r und 128v, die ein Paar in einem Garten vor einem mit Rosen bewachsenem Spalier (Abb. 3) bzw. das Urteil des Paris in der Mode der Entstehungszeit der Handschrift zeigen.54 Auch in einem von Burne-Jones’ frühen Skizzenbüchern (FMC, Inv.-Nr. 1083) haben sich Kostümzeichnungen nach dieser Handschrift erhalten. Illuminierte Boccaccio-Handschriften aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts lagen in BL, MSS Royal 16 G. v und 20 C. v vor.55 Auch illuminierte Fassungen von Ovids »Metamorphosen« und »Heroides« in der Sammlung der Abb. 3 British Library London, MS Harley 4431, British Library kommen als Anregung für die Christine de Pisan, Gesammelte Werke, Paris, um 1410, fol. 376v. © The British Library Board (MS Stickerei-Serie des »Red House« in Frage wie Harley 4431). MSS Royal 17 E. iv (Niederlande, spätes 15. Jh.) und Harley 4867 (Frankreich, um 1500). Anregungen für eine mittelalterlich anmutende Gestaltung der Wohnräume konnte Morris aus der zeitgenössischen Kunstliteratur gewinnen. Henry Shaw publizierte in 53 Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 57, S. 120–121 ; Jennifer Harris, Jane Morris’s Jewel Casket, in : The Antique Collector 12, 1984, S. 68–71 ; Faxon 1994, S. 142 ; Starkey 2007, Kat. Nr. 122, S. 175 ; Treuherz/Prettejohn/ Becker 2003, Kat. Nr. 169, S. 227 ; Ausst.-Kat. Making History. Antiquaries in Britain 1707–2007, Society of Antiquaries, Royal Academy, London 2007, Kat. Nr. 122 (Julia Steele, Stephen Calloway, John Cherry, Peter Cormack), S. 175 ; Acker 2013, S. 6. 54 Vgl. ebd. Acker schlug überzeugend als Vorbild für ein Feld auf der einen Längsseite des Kästchens die Miniatur mit dem Urteil des Paris (fol. 128v) vor, anstelle, wie bisher vermutet, der Miniatur auf fol. 48r, die einen vor drei Frauen knienden Mann zeigt, der der vorderen, besonders reich gekleideten Frau eine Botschaft übergibt. 55 BL, MSS Royal 16 G. v, Des Cleres et Nobles Femmes, Rouen, um 1440 ; Royal 20 C. v, Des Cleres et Nobles Femmes, Paris, um 1410. Siehe als weitere Handschriften von Boccaccios Text : BL, MSS Royal 14 E. v (Brügge, 1480), 18 D. vii (Rouen ?, um 1440). Zu Illuminierungen des Textes in Bezug auf BNP, MS fr. 12420 : Brigitte Buettner, Boccaccio’s Des cleres et nobles femmes. Systems of Signification in an illuminated MS, Seattle 1996.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
seinen »Dresses and Decorations of the Middle Ages« 1843 Abbildungen von mittelalterlichen Möbeln und Innenräumen, die auf Miniaturen in Handschriften beruhten (Abb. 5).56 Im »Art Journal« erschien, allerdings erst 1854, eine Serie von Thomas Wright zu »The Domestic Manners of the English during the Middle Ages«, die auch von der Wohnungsausstattung berichtete und von Illustrationen nach Buchmalereien von F.-W. Fairholt begleitet wurde. Einige bemalte Möbel entstanden zudem am Anfang der 1860er Jahre bei der im April 1861 aus den schlechten Erfahrungen auf der Suche nach Möbeln gegründeten »Dekorationsfirma« »Morris, Marshall, Faulkner & Co.«. Das Programm listet entsprechend als Ziel und Angebot auf : »Furniture, either depending for its beauty on its own design, on the application of materials hitherto overlooked, or on its conjunction with Figure and Pattern Painting.«57 Zu diesen Möbeln zählen das von Webb entworfene und von Morris bemalte »St. George’s Cabinet« (1861–1862, V&A, Inv.-Nr. 341– 190658) und der Graphikschrank, den Rossetti, Morris, Burne-Jones, Val Prinsep und Ford Madox Brown 1862 für den Architekten J.-P. Seddon mit Szenen aus dem Leben des als Kunstförderer verehrten Königs René von Anjou (1409–1480) dekorierten (V&A, Inv.-Nr. W. 10–1927).59 Der König, Schwiegervater König Heinrich VI., galt lange Zeit als Schöpfer der Miniaturen der Wiener Handschrift des von ihm verfassten »Le Livre du Cœur d’amour espris« (ÖNB, Cod. Vind. 2597).60 Die geometrischen Hintergrundmuster der Bildfelder und die Einstellung der Figuren lassen auch bei dem Graphikschrank wieder an Vorbilder in Miniaturen aus der zweiten Hälfte des 13. bis Anfang des 14. Jahrhunderts denken. Eine Miniatur dieser Wiener Handschrift (fol. 15r) vermutete Colin Cruise übrigens als mögliche Anregung für die Figur des schlafenden Chaucers am Beginn von Burne-Jones’ »The Legend of Good Women«-Zyklus (1864, BMAG).61 Auch Burne-Jones bemalte 1860 für seine eigene Wohnung das »Ladies and Animals Sideboard«, das in der warmen Farbigkeit noch den Einfluss Rossettis und der venezia nischen Malerei verrät (V&A, Inv.-Nr. W. 10–1953), sowie ein Piano, das er und seine Frau Georgiana als Hochzeitsgeschenk erhalten hatten (V&A, Inv.-Nr. W. 43–1926, um 1860–1865). Dieses zeigt im unteren Teil eine Darstellung der Begegnung zwischen dem 56 Zu Wandmalereien : Art Journal 1854, S. 17 ; auf S. 18 wird über Sitzbänke (Settle) und Schränke berichtet. 57 Mackail 1995 I, S. 151. 58 Die Zeichnungen von Morris im V&A, E. 2787 – 2790–1927. 59 Braesel 2007, S. 212–213. 60 Vgl. Fritz Unterkircher, King René’s Book of Love, New York 1980 (1. Aufl. 1975), S. 14 ; Eberhard König, Das Liebentbrannte Herz. Der Wiener Codex und der Maler Barthélemy d’Eyck, Graz 1996, S. 39–70, 180–181, Anm. 42. 61 Vgl. Cruise 2010, S. 129–130. Als weitere mögliche Inspiration für den schlafenden Chaucer erwägt Cruise den schlafenden Ritter in Raffaels 1847 von der National Gallery in London erworbenem Gemälde »Der Traum des Ritters« (um 1504), ebd., S. 130. Parallelen lassen sich aber auch zu der Figur des schlafenden Dichters auf fol. 1v der »Le songe du vergier«-Handschrift (Paris, um 1378 ; BL, MS Royal 19 C. iv) finden, die wenigstens Morris kannte, wie eine Notiz in seinem Skizzenbuch (BL, MS Add. 45336, fol. 40v) nahelegt.
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Anregungen für Morris’ frühe dekorative Arbeiten durch illuminierte Handschriften
Tod und ruhenden Frauen, die auf Anregungen durch das Fresko vom Triumph des Todes im Campo Santo von Pisa zurückgeht, und im oberen Teil eine Orgel spielende Frau in Begleitung eines den Blasebalg betätigenden Engels. Diese Komposition bildet die »Keimzelle« für das Gemälde »Le Chant d’Amour« von 1868–1877 (MMA, Rogers Fund 1926 [26.54]).62 Der Engel ist vielleicht auf eine Illustration nach einem Gemälde der hl. Cecilia von Lucas van Leyden in Henry Shaws »Dresses and Decorations of the Middle Ages« zurückzuführen.63 Für die Landschaft sowie die Blumenreihe im Vordergrund des New Yorker Gemäldes vermutete Cruise Anregungen durch Landschaften bzw. florale Arrangements in Miniaturen und Rahmenleisten von Stundenbüchern.64 1861 bemalte Burne-Jones auch einen von Webb entworfenen Kabinettschrank mit einem Backgammon spielenden Paar in einem Garten (MMA), das vielleicht durch schachspielende Paare in Illuminierungen von Handschriften beeinflusst wurde wie im »Queen Mary’s Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii, England, ev. London, 1310–1320), in dem sich ein solches Paar auf fol. 198v findet.65 Die genannten Möbel selbst zeigen in ihrer Gestaltung keine spezifischen Einflüsse durch die Buchmalerei, vielmehr sollten sie dazu beitragen, den Charakter mittelalterlicher Räume, wie er in den Miniaturen überliefert war, lebendig werden zu lassen. Zwar sind in diesen Malereien auf Möbeln eher selten, aber durch die Malereien sollte ein Eindruck von der Musterfülle und der üppigen Dekoration vermittelt werden, wie sie Innenraumdarstellungen in Miniaturen des 14. und 15. Jahrhunderts aufweisen.
62 Vgl. auch Gouachen von 1865 und 1866 (Museum of Fine Arts Boston ; Privatsammlung) sowie Porträt der Maria Zambaco, 1870 (Clemens-Sels-Museum, Neuss). 63 Shaw 1843 II, zu Taf. 57 ; Shaw/Yenne 1998, S. 110. Burne-Jones schnitt dieses Detail aus Shaws Buch heraus und klebte es in sein Skizzenbuch ein (FMC, Inv.-Nr. 1083.1). Zur Genese des Sujets : Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 30 und 84, S. 98–100, 212–214 ; siehe auch Braesel 2007, S. 219–223. Die Figur findet sich auch, nun im eigentlichen Zusammenhang mit der hl. Cecilia, in Mrs Jameson, Sacred and Legendary Art, 2 Bde., Bd. I, London 1857 (3. Aufl.), Abb. 150, S. 593. Ein ähnliches Motiv, das einen Engel zeigt, der den Blasebalg einer von einem zweiten Engel gespielten Orgel betätigt, findet sich zwar auch in der Buchmalerei, so im Seitenrand in einem Stundenbuch des Bedford-Meisters mit der Darstellung der Madonna, die von musizierenden Engeln begleitet wird (ÖNB, Cod. 1855, fol. 202v), doch ist eher zu bezweifeln, dass Burne-Jones diese Handschrift kannte. 64 Cruise 2010, S. 135–136. 65 Der Schrank in Öl auf Pinienholz und Leder sowie Messing und Kupfer ; eine Studie in Kreide und Deckfarbe, 1861, FMC, Inv.-Nr. 2004 ; eine Gouache, 1861–1862, BMAG. Burne-Jones kannte die Szene vielleicht durch die Abbildung bei Wright 1862, Abb. 155 auf S. 221. Die Abbildung einer entsprechenden Szene aus dem Codex Manesse (1300–1340, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 262v), ebd., Abb. 146 auf S. 209 ; siehe auch Staley 2011, S. 304–305. Vgl. Luttrell-Psalter, BL, MS Add. 42130, fol. 76v, oder das »Schachzabelbuch« (Deutschland, 15. Jh.), BL, MS Add. 11616, fol. 5v. Vermutlich kannte BurneJones auch die Darstellungen schachspielender Paare in BLO, MS Bodley 264, fol. 60r, 92v, 112r, 121v. Eine ausgeschnittene Abbildung nach einer Miniatur mit der Darstellung eines spielenden Paares in Burne-Jones’ Skizzenbuch, FMC, Inv.-Nr. 1083.26.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
Für Morris und Burne-Jones bildete die Buchmalerei bei diesen frühen Dekorationsprojekten eine reiche Quelle, aus der sie Figuren- und Kompositionsdetails, historische Sachinformationen zu Kleidung und Ausstattung sowie Anregungen für Ornamententwürfe gewinnen konnten. Es ging ihnen in diesen durch Buchmalereien inspirieren Entwürfen nicht um eine genaue historische Rekonstruktion der Vergangenheit, sondern um die Überführung in originelle eigene Entwürfe, die ihre Vorstellung von einem in der Gegenwart gültigen, individuell idealisierten Mittelalter ausdrücken. Die Künstler passen sich in eine Tendenz ein, die auch bei anderen englischen Künstlern wie William Burges (1827–1881) zu beobachten ist, der bemalte Möbel in seine Raumausstattungen integrierte.66 Er entwarf Form, Details und Programm des Objektes entsprechend seiner Funktion, überließ die Ausführung der Malereien aber Künstlern wie Edward Poynter, H. Stacy Marks, Simeon Solomon, Albert Moore oder Edward Burne-Jones.67 Die Malereien auf Burges’ Möbeln basieren auf einer der Funktion des Möbels verbundenen Grundidee, einem Grundthema, das auf mehreren Ebenen variiert wird – in szenischen Bildfeldern vor Gold- oder Ornamentgründen, in Porträts, Tierdarstellungen und floralen Motiven, Ornamenten und Stempelmustern –, wobei die Motive je nach Ebene stärker stilisiert oder naturalistischer aufgefasst sind.68 Die verschiedenen dekorativen Elemente werden durch einen architektonischen Rahmen zusammengehalten, der die Flächen des Möbels gliedert. Burges griff auf die unterschiedlichsten Anregungen zurück : Neben mittelalterlicher Kirchenausstattung – hier sei der bemalte Sakristei-Schrank in der Kathedrale von Noyon genannt – fand er Inspiration in antiker und ostasiatischer Kunst sowie in Buchmalereien.69 Diese dienten für florale und ornamentale Elemente, für Kostümmotive, für die geometrischen Hintergrundmuster der szenischen Felder als Vorbild und vermittelten Vorstellungen vom Erscheinungsbild des mittelalterlichen Innenraumes und Möbels.70 Besonders die Malereien des »Queen Mary’s Psalters« (BL, MS Royal 2 B. vii) waren für Burges einflussreich. Er schätzte diese Malereien wegen der gelungenen und klaren Linienführung sowie der historischen Kostüme.71 Die Kleidung in den Miniaturen der
66 William Holman Hunt, Pre-Raphaelitism and the Pre-Raphaelite Brotherhood, 2 Bde., New York 1967, Bd. 2, S. 146–147. 67 Handley Read 1963 ; Cromey-Hawke 1976 ; Crook 1981, bes. Kap. 7. Burne-Jones malte die Personifikation der Kunst auf einem Buchschrank für Burges’ Bibliothek, Handley-Read 1963, S. 503 ; Burges 1862, S. 5. Zu einem Lob Burne-Jones’ durch Burges : ebd., S. 4. 68 Braesel 2007, S. 226–230. 69 Burges 1862, S. 3 ; Crook 1982, S. 123 ; Hufford 1986, S. 407 unter Bezug auf Burges’ Notiz- und Skizzenbücher, V&A, PDD, Nr. 93E3. 70 Burges 1865, S. 70–71, 79. 71 Crook 1981, S. 63. Burges lobte die »great vigour and expression« in den Bas-de-page-Szenen sowie die »very brilliant and very careful« Ausführung der Miniaturen, Burges 1865a, S. 147, 148.
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Anregungen für Morris’ frühe dekorative Arbeiten durch illuminierte Handschriften
Handschriften erkannte er als eine wichtige Datierungshilfe.72 Dabei wies Burges darauf hin, dass die in den Miniaturen dargestellte Kleidung immer diejenige der Entstehungszeit der Handschrift, nicht jedoch unbedingt der Handlungszeit des dargestellten Ereignisses zeige.73 Für die Kenntnis des »Queen Mary’s Psalters« waren die Nachzeichnungen maßgeblich, die von N. H. J. Westlake publiziert wurden.74 Es haben sich nicht nur Zeichnungen Burges’ nach Motiven dieser Handschrift, sondern auch nach dem Harley-Rosenroman und der auch von Rossetti konsultierten Christine de Pisan-Handschrift (BL, MSS Harley 4425, 4431)75 erhalten, und Burges kannte zudem den Oxforder Alexander-Roman (BLO, MS Bodley 264).76 Von dem Harley-Ro72 William Burges, Books on Medieval Costume, in : Building News xxxvii, 8.8.1879, S. 143–145, hier S. 143 ; vgl. zu der Liste auch William Burges, Small Notebooks xvii (1850), RIBA, Drawings and Archives Collection, V&A, S. 76. Bei Crook eine Aufstellung der Burges bekannten kostümhistorischen Werke : Crook 1981, S. 57. Zu Zeichnungen Burges’ nach Kostümen in Handschriften, V&A, PDD, Nr. 93E3 ; Crook 1981, S. 352, Anm. 77. 73 Burges 1857, S. 206. Er bezieht sich in seinen Erläuterungen auf Miniaturen in verschiedenen Handschriften der British Library : MSS Royal 6 E. ix, 15 E. v, 20 B. xx, Harley 4431, Cotton Nero D. i und dem »Queen Mary’s Psalter« (MS Royal 2 B. vii). Weiterhin erwähnt er die in Didrons »Annales Archéologiques« abgebildete Handschrift in Reims und den »Ovid Moralisée« in Rouen, ebd. S. 213–214. 74 Nathaniel Hubert John Westlake und W. Purdue, The Illustrations of Old Testament History in Queen Mary’s Psalter (MS. Reg. 2.B.vii. MUSEI BRITANNICI), by an English Artist of the Fourteenth Century (1864) ; Nathaniel Hubert John Westlake, The Litany Sketched from a Psalter Executed in England about 1320 ; ders., Old Testament History Illustrated by a Series of Designs by an English Artist about 1310, beide London 1858. Die Publikationen wurden von William Burges rezensiert, Burges 1865a. Abbildungen nach Westlakes und Purdues Publikation in : The Building News xii, 28.4.1865, S. 298, 302–303 ; ebd. xxiv, 9.5.1873, S. 530 ; The Ecclesiologist xxvi, n.s. xxiii, 1865, S. 296–297. 75 Lob von MS Harley 4425 in : Burges 1865a, S. 145. Siehe auch Crook 1982, Kat. Nr. D. 24 und A. 84, S. 142, 55 ; Crook 1981, S. 353, Anm. 45 und 43. Zeichnungen nach Motiven in BL, MSS Harley 4425 und 4431 in : V&A, PDD, Inv.-Nr. 93E3, fol. 53, 55 und 48 (Inv.-Nr. D. 692–1897, D. 694–1897, D. 694–1897 ; Inv.-Nr. D. 676–1897). Burges beschreibt BL, MS Harley 4425 als »beautiful«, Burges 1865a, S. 145 ; vgl. William Burges, Small Notebook xvii, RIBA, S. 71 zu MS Harley 4425 : »excellent«. 76 Es finden sich weiterhin Kostümzeichnungen nach der »Berry Bibel« (BL, MS Harley 4381 ; Guyart des Moulins, Bible historiale Bd. 1, Paris, 1403–1404), dem Arundel Psalter (BL, MS Arundel 155 ; Canterbury, 1012–1023), MS Arundel 13 (Italien, 14. Jh.) sowie BL, MSS Cotton Claud. B. iv (Hexateuch, Canterbury, 11. Jh.), Cleop. C. viii (Prudentius, Psychomachia, England, 10. Jh.), Tib. C. vi (Psalter, Winchester, um 1050), Titus D. xvi (Liber philosophiae Prudentii, St. Albans, um 1120), Nero C. iv (Winchester Psalter, Winchester, um 1150), Nero D. ix (Romance of Jehan de Saintre, Frankreich, um 1470), MSS Add. 10293 (Lancelot-Grail, Saint-Omer oder Tournai, frühes 14. Jh.), 10924 (Psalter, Erfurt, 1101–1200), 12228 (Meladius oder Guiron le Courtois, Neapel ?, um 1352), Lansdowne MS 451 (Pontifical, England, 1. Viertel des 15. Jh.s), MSS Royal 6 E. ix (Convenevole da Prato, Carmina regia, Italien, 1335–1340), 14 C. viii (Josephus/Hegesippus, Antiquitates iudaicae, England, letztes Viertel des 11. Jh.s), 14 E. ii (Brügge, 1470er Jahre), 14 E. iv (Jehan de Wavrin, Anciennes et nouvelles chroniques d’Angleterre, Brügge, 1470–1480), 14 E. vi (Petrus de Crescentis, Ruralia commoda, französische Übersetzung, Brügge, 1478–1480), 15 D. ii (verschiedene Texte, England, um 1310), 15 E. iv (Jehan de Wavrin, Recueil de croniques d’engleterre Bd. 1, Brügge, um 1475), 15 E. vi (Shrewsbury Book, Rouen, um 1445), 16 G. vi (Les Grandes chroniques de France, Paris, 1332–1350), 18 D. ii (John
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
senroman bestellte er sogar 1855 Kopien mehrerer Miniaturen.77 Hieraus ergibt sich ein Morris’ und Rossettis Arbeiten ähnlicher Handschriften-Kanon. Aber auch durch italienische Buchmalereien wie diejenigen in der Sakristei der Kathedrale von Siena zeigte sich Burges beeindruckt.78 Er wies auf die Bedeutung der Buchmalerei für eine Geschichte der Ikonographie des Mittelalters hin, da sie im Unterschied zu anderen Gattungen wie Glasmalerei und Skulptur komplett erhalten sei.79 Somit beschäftigte er sich mit ihr unter zwei Ansätzen : Aus einem ästhetischen Blickwinkel widmete er sich ausführlich den Details von Figurenauffassung, Haltungsmotiven, Gewandgestaltung, Kontur, Farbgebung und Werkpraxis ; unter einem historisch-inhaltlichen Schwerpunkt betrachtete er sie in Zusammenhang mit mittelalterlichen Bildprogrammen, mit dem historischen Kostüm und der Kunstgeschichte. So fügte er in »Gleanings from Westminster Abbey« von 1863 Abbildungen nach Miniaturen aus einer Handschrift der University Library in Cambridge ein, die über das Aussehen des Schreins von Edward dem Bekenner informierten.80 Er verglich diese Malereien mit den Beschreibungen des Schreins und stellte Überlegungen dazu an, ob die Miniaturen überhaupt als Quelle für sein Erscheinungsbild verwendet werden könnten.81 Lydgate, Testament, Troy Book and Siege of Thebes, England, um 1457–1530), 20 B. xx (Le livre et la vraye hystoire du bon roi Alixandre, Paris, um 1420–1425), 20 G. vii, MSS Harley 1319 (Jean Creton, La Prince et mort du roy Richart, Paris, um 1401–1405), 2897 (Gebetbuch von Johann ohne Furcht und Margarethe von Bayern, Paris, um 1410–1419). Details aus einigen dieser Handschriften wie aus BL, MSS Royal 14 E. iv und 15 D. ii waren auch bei Strutt 1842/1970 abgebildet. Erhalten haben sich weiterhin Zeichnungen nach einer Boccaccio-Handschrift der British Library und nach Handschriften aus der Bibliothèque Royale in Paris, so nach einer Froissart-Handschrift. Die Zeichnungen sind in farbiger Tinte oder in Bleistift ausgeführt und farbig laviert. Eine Aufstellung von 48 Handschriften der British Library, die Burges konsultierte, in : William Burges, Small Note Book xvii (1850), RIBA, Drawings and Archives Collection, V&A, S. 70–72 ; vgl. Crook 1981, S. 353, Anm. 43. Zeichnungen von architektonischen Details im »Queen Mary’s Psalter« auch im Castell Coch Album, Crook 1982, Kat. Nr. A. 84, S. 55. 77 Christie’s 4.5.2007, Los 104 ; 21.11.2007, Los 121 : 17 Kopien in Bleistift, Gouache und Aquarell, Goldhöhungen, 183,5 x 44,5 cm. Darunter Kopien nach der Gartenszene (fol. 12v) und dem Tanz (fol. 14v) sowie nach Miniaturen auf fol. 7r, 20r, 184v (Der schlafende Liebende ; Narcissos ; der Liebende und die Rose). Eine Zuschreibung an Frederick Smallfield oder Edward J. Poynter wird erwogen, Aukt.-kat. Christie’s 4.5.2007, S. 98. 78 Crook 1981, S. 63 unter Hinweis auf Shipley (Hrsg.), Church of the World, Bd. III, London 1868, S. 587. Auf seinen Reisen sah Burges auch die Handschrift des »Ovid Moralisée« in Rouen. 79 Burges 1865a, S. 151–153. Siehe dafür auch Burges’ Anmerkungen zum »Queen Mary’s Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii), in Hinblick auf die Genesis-Ikonographie, besonders zu Szenen aus der Josephs-Geschichte, im Kapitelhaus von Salisbury, Burges 1859, S. 157–158 ; Burges 1857, S. 207 ; vgl. auch Crook 1982, Kat. Nr. D. 24, S. 142 ; Crook 1981, S. 63. 80 Burges 1863, S. 127–141. Siehe hierzu : Crook 1982, Kat. Nr. D. 12, S. 137. 81 Burges 1863, S. 130, 136–137. Der eng mit Burges befreundete Architekt und Designer Edward William Godwin studierte ebenfalls Buchmalereien, wobei dieses in Zusammenhang mit dem Entwurf von Theaterkostümen und mit Fragen zur Restaurierung von mittelalterlichen Gebäuden erfolgte, Juliet Kinchin, Paul
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Anregungen für Morris’ frühe dekorative Arbeiten durch illuminierte Handschriften
Für seine umfangreiche Bibliothek trug Burges eine Anzahl illuminierter Handschriften zusammen, die zu großen Teilen aus dem 15. Jahrhundert stammten.82 Er war auch an den technischen Aspekten der Handschriften interessiert, wobei er sich wie Morris auf das Traktat des Theophilus (»De diversis artibus«) in der Edition durch Robert Hendrie von 1847 beziehen konnte.83 Als Assistent von Matthew Digby Wyatt und Mitglied des RIBA kannte er zudem dessen Arbeiten zur Miniaturmalerei, die sich sowohl den historischen Stilen als auch der Technik widmen.84 Burges experimentierte – wie übrigens auch Wyatt – mit Rezepten nach Theophilus für die Purpurfärbung des Pergaments und den Auftrag von Blattgold.85 Er hatte sich bereits 1840/1841 mit der Buchmalerei beschäftigt, wie seine illuminierten Briefe und ein Kalender bezeugen, in dem er unterschiedliche Einflüsse verarbeitete.86 In den Briefen finden sich neben Initialen auf Quadratgrund auch florale Elemente ; der Kalender folgt in der Kombination von Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen sowie der Verwendung großer Initialen mit begleitendem Rankenwerk, das die Spaltengliederung vornimmt, dem Vorbild mittelalterlicher Stundenbücher. Burges betonte die FunkStirton (Hrsg.), Is Mr. Ruskin living too long ? Selected writings of E. W. Godwin on Victorian Architecture, Design and Culture, Oxford 2005, S. 143–144, 149, 328. Für letzteres Anliegen plante er, in der Zeitschrift »The British Architect« eine Reihe von Darstellungen von Gebäuden nach Miniaturen in Handschriften zu veröffentlichen, die mit erhaltenen Gebäuden der Zeit verglichen werden sollten, Illustrations of Anglo-Saxon Art 1, in : The British Architect and Northern Engineer, IX, No. 10, 8.3.1878, S. 108 : Bögen und Kapitelle von Kanontafeln sowie Gebäudedarstellungen, besonders Türme und Dächer, nach Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts, darunter BL, MSS Royal 1 E. vi (Bibel, Canterbury, frühes 9. bis Anfang 11. Jh.), 15 A. xvi (England, 9.–10. Jh.), Cotton Claud. B. iv (Liber Geneseos, 11. Jh.), Tib. B. v (englische Kirchendokumente), Cleop. C. viii (Prudentius, Psychomachia, England, 10. Jh.). Der Titel der Tafel folgt in der Buchstabengestaltung Vorbildern aus insularen Handschriften. Buchmalerei könne Informationen über frühmittelalterliche Architektur aus solchen Epochen vermitteln, aus denen kaum Bauwerke überliefert sind. Die Abbildungen Godwins vereinzeln Architekturformen aus den Miniaturen und sollten helfen, das Bild über historische Architektur zu ergänzen und gegebenenfalls auch zu korrigieren. Auf Einflüsse durch Buchmalereien könnten auch Godwins an keltischen Spiral- und Peltamotiven orientierte Ornamente auf der Schranktür seiner Münchner Anrichte (um 1867) zurückgehen, Neue Sammlung, Pinakothek der Moderne, München. Susan Weber Soros, The secular furniture of E. W. Godwin with Catalogue Raisonné, The Bard Graduate Center New York, New Haven/London 1999, Kat. Nr. 304-a, S. 176–178. Hier auch der Hinweis auf Anregungen durch illuminierte Handschriften in der Royal Irish Academy, Dublin, ebd., S. 178. 82 BL, MSS Add. 31830–31845. Darunter befanden sich auch ein Rosenroman des 14. und zwei Petrarca-Handschriften des 15. Jahrhunderts (BL, MSS Add. 31840, 31843, 31844) ; Crook 1981, S. 97–98, 361 ; Crook 1982, Kat. Nr. D. 30–31, S. 147. 83 Ebd., S. 142. Zu Burges und Theophilus : Cromey-Hawke 1976, S. 35. Robert Hendrie (Hrsg.), An Essay upon various Arts in three Books by Theophilus called also Rugerus, Priest and Monk forming an Encyclopaedia of Christian Art of the 11th century, London 1847. 84 Zu Burges’ Tätigkeit für Wyatt : Crook 1981, S. 41–42. 85 The Builder XVIII, 23.6.1860, S. 295. 86 Briefe von Burges an Mrs Leschallas vom 9.8.1840 und 1.8.1841 ; Kalendar für Februar bis Oktober, Christie’s South Kensington, London, 6.7.2006, Los 8 und 9.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
tion von Buchmalerei in liturgischen Büchern und bei Urkunden bzw. illuminierten Erinnerungsbüchern an verdiente Personen, die die Stelle von Denkmälern einnehmen sollten.87 Zwar konzentrierten sich die Künstler um Morris darauf, die glatten Flächen und Türfelder ihrer Möbel mit gemäldeartig konzipierten Szenen zu bemalen, die sie dann auch in andere Gattungen wie Glasfenster übertragen konnten, während Burges seine Möbel mit einem auf ihren Gebrauchszweck abgestimmten Programm und einer Verteilung verschiedenartiger Dekorationselemente versah, die alle Flächen des Objekts in die Gestaltung einschloss, doch folgten sie, angeregt durch Darstellungen von Innenräumen in Buchmalereien, einem gemeinsamen Ziel. Burges formulierte dieses 1865 in »Art applied to Industry«, wenn er schildert, dass das mittelalterliche Möbelstück »would be covered with paintings, both ornaments and subject ; it not only did its duty as furniture, but spoke and told a story«.88
2.3 Buchmalerei in den Werken der ersten Generation der Präraffaeliten : Rossetti, Brown, Collins und die Ausstattung von Bildräumen Buchmalereien fungierten in den Jahren um 1850 als wichtige Anregung oder Informationsmedium für Gemälde und Gouachen der Präraffaeliten, so auch für Rossettis Gouachen mit mittelalterlichen Sujets. Rossetti erhielt, wie Philip McEvansoneya feststellte, 1856 einen Ausweis für den Handschriftenlesesaal des British Museum »to the privilege of copying illuminated M.S.S. in this department«.89 Der Antrag wurde am 7. August 1856 über Harry Ward, der dort seit 1849 arbeitete, eingereicht. Ward war vermutlich über Coventry Patmore, der von 1846 bis 1865 im Department for Printed Books beschäftigt war, in den Kreis um Rossetti gelangt. Dieses Datum fällt, wie McEvansoneya betont, auffällig mit Rossettis Arbeit an den mittelalterlich inspirierten Gouachen zusammen.90 Ward war Fachmann für mittelalterliche Romanzen, und vielleicht war es diese Schwerpunktsetzung, die auch die Auswahl von Handschriften mitbestimmte, die Rossetti und nach ihm Burne-Jones und Morris im British Museum möglicherweise auf Wards Empfehlung hin konsultierten, denn diese stammten nicht nur aus der Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts, wie sie von Ruskin geschätzt und einflussreich an die Gruppe der Präraffaeliten vermittelt wurden.91 Vielmehr fällt auf, dass die Künstler entweder im 87 The Builder XVIII, 23.6.1860, S. 295. 88 Burges 1865, S. 71. Burges’ Lob der Möbel von Morris’ »Firma« : ebd., S. 76. 89 BL, MS Egerton 2846, fol. 151r, zit. nach : McEvansoneya 2015, S. 599. 90 Ebd. 91 Ebd., S. 600.
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Buchmalerei in den Werken der ersten Generation der Präraffaeliten
Original oder in Reproduktion, wie in Shaws »Dresses und Decorations of the Middle Ages« (Abb. 5), besonders Miniaturen aus der zweiten Hälfte des 15. und dem frühen 16. Jahrhundert betrachteten – Arbeiten eines Zeitabschnitts, den weder Ruskin noch Morris in Hinblick auf gattungstheoretische Überlegungen zur Buchmalerei besonders schätzten. Jedoch vermittelten sich in den vielen Miniaturen dieser Handschriften mit den detailliert wiedergegebenen Innenräumen, den sorgfältig gemalten Einzelheiten und Gewändern ein umfassendes Bild und ein Eindruck vom mittelalterlichen Leben, die wiederum als Grundlage und Inspiration für die Ausstattung von eigenen Bildräumen und für den Entwurf dekorativer Elemente verwendet werden konnten. Dieser Kontrast zwischen theoretischer Neigung und praktischem Vorgehen lässt sich somit durch den Bedarf an fundierter visueller Information über die mittelalterliche Kultur erklären. Morris, der in der zweiten Hälfte der 1850er Jahre begann, zeitgenössische Kunst zu sammeln, erwarb Rossettis »Fra Pace« (1856, Privatsammlung), »The Blue Closet« (TGL, 1856–1857), »The Damsel of the Sanct Grael« und »The Tune of the Seven Towers« von 1857 sowie »Chapel before the Lists« und »The Death of Breuse sans Pitié« von 1857–1864/1865.92 Rossettis Gouachen zeigen in der engen Füllung der Bildfläche, den vielfältigen, dichten Ornamentbereichen, den etwas unklaren räumlichen Verhältnissen, den niedrigen, engen Raumkästen mit schmaler Vordergrundbühne und teilverdecktem Hintergrund sowie in der leuchtenden Farbqualität Parallelen zu mittelalterlichen Miniaturen, die gerade wegen ihrer Farbbrillianz geschätzt wurden.93 Diese Elemente tragen dazu bei, die tiefendimensionale Wirkung einzuschränken und die Flächigkeit des Bildträgers zu betonen. Rossetti dienten als Vorlagen nicht nur Miniaturen in den Sammlungen von John Ruskin und der British Library, sondern auch Abbildungen nach Miniaturen in zeitgenössischen Publikationen, wie Shaws »Dresses and Decorations of the Middle Ages« oder Henry Noel Humphreys’ und Owen Jones’ »Illuminated Manuscripts of the Middle Ages« (1849), die mit vielen farbigen Tafeln ausgestattet waren. Ruskin sah in Rossettis Arbeiten zunächst die gestalterischen Aspekte verwirklicht, die er selbst an der Buchmalerei des 13. und 14. Jahrhunderts schätzte, wie die leucht92 Diese letzte Gouache ist durch Rossetti mit 1857 datiert, aber er schrieb über sie bereits in einem Brief an William Allingham von 18.12.1856, Fredeman 2002 II, Nr. 56.59, S. 147, 150, Anm. 24. Siehe auch Surtees 1971 I, Nr. 80, S. 41–42, II, Abb. 94 ; ebd. I, Nr. 90, S. 50, II, Abb. 115 ; ebd. I, Nr. 91, S. 51, II, Abb. 117 ; ebd. I, Nr. 92, S. 51, II, Abb. 130 ; ebd. I, Nr. 99, S. 56, II, Abb. 135 ; ebd. I, Nr. 101, S. 57, Christie’s 11.6.1993, Los 80. Zur Entsprechung zwischen Rossettis Gouachen und Morris’ Dichtung dieser Jahre : Robert N. Keane, Ut Pictura Poesis : Rossetti and Morris : Paintings into Poetry, in : Journal of Pre-Raphaelite Studies 7, 2., Mai 1987, S. 75–79. 93 Siehe hierzu auch den Vergleich bei Ruskin, Lib Ed. XXXIII, S. 269 : »Rossetti’s colour was based on the former art of illumination« ; »Rossetti added to the before accepted systems of colour in painting, one based on the principles of manuscipt illumination, […].« Einen negativ ausgerichteten Vergleich zwischen den Arbeiten der Präraffaeliten und illuminierten Handschriften, deren mangelnde Farbabstimmung kritisiert wird : J. B., The Pre-Raffaelites, in : The Art Journal 1851, S. 185–186, hier S. 186.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
ende Farbigkeit, die Aufgabe des perspektivischen Tiefenraumes zugunsten einer schmalen Raumbühne und die Verwendung von Mustergründen.94 Später, 1858, sollte er jedoch den »fatal medievalism […] the stiffness and quaintness and intensity as opposed to classical grace and tranquillity« beklagen.95 Grieve zeigte auf, wie Rossetti durch den Gebrauch von mittelalterlich erscheinenden Möbeln, die er aus Miniaturen, aber auch von Abbildungen in A. W. N. Pugins »Gothic Furniture in the style of the 15th Century« von 1835 übernahm, die Flächigkeit des Bildraumes durch Wiederholungen von achsialen Bezügen und der Betonung geometrischer Grundformen sowie durch die Verschleierung perspektivischer Verhältnisse steigerte.96 Allerdings entspricht der pastos-körnige Farbauftrag von Rossettis Gouachen nicht den eher glatten Farboberflächen der mittelalterlichen Miniaturen ; zudem weisen seine Arbeiten eine wesentlich stärker differenzierte Farbpalette auf.97 Rossetti kombinierte für die Ausstattung seiner Bildräume und für die Kostüme seiner Protagonisten Elemente verschiedener Vorlagen miteinander, um einen möglichst interessanten und reizvollen Effekt zu erzielen.98 So gehen vermutlich sowohl das Glockenspiel in »The Wedding of St. George and the Princess Sabra« (1857, TGL) als auch das T-förmige Seiteninstrument in »Love Greetings« (ca. 1861, Isabella Stewart Gardner Museum, Boston), das sich bereits in Rossettis »The Salutation of Beatrice in Heaven« (1849/1850, Fogg Museum of Art, Cambridge, Mass.) findet und sich bei Figuren in Morris’ Handschriften wiederholt, auf Vorbilder in Buchmalereien zurück.99 Faxon ver94 Vgl. Ruskins Lob der »bold rejection of all principles of perspective, light and shade, and drawing«, in : Ruskin, Lib. Ed. IX, S. 285 ; vgl. ebd. XXXIII, S. 269. 95 Zit. nach : Marsh 1999, S. 45, nach R. G. Chapman, Laurels & Thorns, London 1954, S. 153. 96 Grieve 1999, S. 10. 97 Zur Technik Rossettis : Julian Treuherz, »The most startingly original living«. Rossetti’s Early Years, in : Treuherz/Prettejohn/Becker 2003, S. 11–49, hier S. 32. 98 Treuherz 1984, S. 158, vermutete den Ursprung der in Rossettis »Fra Pace« dargestellten Flaschen in Autorenbildern wie in BL, MS Harley 2897, fol. 86v. Faxon erkannte in Rossettis »St. Catherine« von 1857 (TGL ; Surtees 1971 I, Nr. 89, S. 50 ; II, Abb. 114) Übernahmen aus dem Hastings-Stundenbuch (BL, Add. MS 54782 ; Gent oder Brügge, um 1475–1483), fol. 104r, sowie aus MS Harley 4425, fol. 14v, wobei hier allerdings angemerkt werden muss, dass es sich nur um allgemeinste Übernahmen wie Farbzusammenstellung und Zaddelmotive der Kleidung handelt, Faxon 1994, S. 103. Für Rossettis Umgang mit kostümhistorischen Vorlagen : Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 41–42, S. 100–101 ; Harris 1984, S. 52–56 ; Faxon 1992, S. 96, 98. 99 Vgl. zu »The Wedding of George and the Princess Sabra« (Surtees 1971 I, Nr. 97, S. 55, II, Abb. 132–133) : BL, MS Burney 275 (Frankreich, 14. Jh., fol. 395v), wobei Treuherz vermutete, dass Rossetti auf die Abbildung in Shaw 1843 I, Taf. 37, zurückgriff, Treuherz 1984, S. 158. Vgl. zu weiteren möglichen Anregungen durch Miniaturen mit Darstellungen von Glockenspielen : Faxon 1994, S. 111–113, die das Stundenbuch der Isabella von Frankreich (FMC, MS 300, 1260–1270, fol. 89v) und den Psalter der Königin Philippa (BL, MS Harley 1899, frühes 14. Jh., fol. 64r) als mögliche Anregungen nennt. Zu »Love’s Greeting« : Faxon 1994, S. 134 ; Surtees 1971 I, Nr. 126, S. 79–80, II, Abb. 195. Vgl. auch den das Glockenspiel betätigenden David im Binnenfeld der Initiale von BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 190v, oder in BL, MS Stowe 12 (Norwich, 1322–1325/vor 1383), fol. 190r, und für das Psalterium eine Figur im Bas-de-page auf fol. 177r ; vgl. Shaw 1843 I, Taf. 26.
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suchte zudem, eine Orientierung Rossettis an mittelalterlichen Miniaturen in Hinblick auf die Bildkomposition nachzuweisen. So vermutete sie für Rossettis Illustrationen »The Lady of Shalott« und »King Arthur and the Weeping Queens« für Moxons TennysonAusgabe (1857) kompositorische Anregungen durch Miniaturen einer französischen Lancelot-Handschrift von ca. 1316 (BL, MS Add. 10294, St. Omer oder Tournai, fol. 65v, 91v).100 Auch die ornamentalen Mustergründe der sog. »Froissartian«-Gouachen,101 etwa im »Roman de la Rose« (1864, TGL), legen Anregungen Rossettis durch Buchmalereien nahe.102 Mustergründe erscheinen als abstraktes Zeichen für einen imaginären Ort in »Dantis Amor« (1860, TGL) oder im rechten Feld von »Paolo and Francesca da Rimini« (1855 und 1862) und lassen sich auch, zu Fliesen umgewandelt, in »The Blue Closet« (1856–1857, TGL) und »Christmas Carol« (1857–1858, Fogg Art Gallery, Cambridge, Mass.) oder als farblich alternierender Rhombengrund in einer Zeichnung in Birmingham entdecken.103 Andere Gouachen erzielen durch die im Hintergrund befestigten Wandbehänge einen ähnlichen Effekt.104 Marsh vermutete auch für die Gouache »Arthur’s Tomb« (BML) von 1855 Anregungen durch mittelalterliche Buchmalereien :105 So erinnere die Komposition an die Darstellung eines ganz anderen Themas, an die Beichte einer Nonne gegenüber einem Mönch, aus dem Luttrell Psalter (BL, MS Add. 42130, fol. 74r).106 Und D. M. R. Bentley überlegte, ob als Vorlage für den Apfelbaum mit der Schlange in der Gouache nicht die 100 Faxon 1994, S. 92–93 ; vgl. auch Faxon 1992, S. 96 ; Alicia Craig Faxon, Introduction : A New View of PreRaphaelitism, in : Casteras/Faxon 1995, S. 11–28, hier S. 20. Für weitere Anregungen Rossettis durch die Lancelot-Handschrift der British Library : Faxon 1994, S. 94–95. 101 Zur Begrifflichkeit : Treuherz/Prettejohn/Becker 2003, S. 38 ; Rossetti, in : Rossetti 1899, S. 198 (Brief D. G. Rossettis an Charles Norton vom Juli 1858) : »These chivalric Froissartian themes are quite a passion of mine […]«, vgl. a. Fredeman 2002 II, Nr. 58.16, S. 224–228. 102 Die Komposition basiert auf einer Titel-Zeichnung Rossettis für seine Übersetzungen aus dem Italienischen, die 1861 unter dem Titel »The Early Italian Poets from Giulio d’Alcamo to Dante Alighieri« publiziert wurden, wobei sich das von der Gouache abweichende Hintergrundmuster bereits auf dem Goldgrund in Rossettis »Regina Cordium« von 1860 (Johannesburg Art Gallery) nachweisen lässt, Surtees 1971 I, Nr. 120, S. 75–76, II, Abb. 187. Vgl. zu Einflüssen durch die Buchmalerei : Upstone 2003, Kat. Nr. 52, S. 145. 103 Gallant 1988a, S. 143, bezog das Sternenmuster des Hintergrunds von »Dantis Amor« auf entsprechende Sternenhimmel-Hintergründe in Miniaturen mittelalterlicher Handschriften wie in den SternzeichenDarstellungen des Kalendariums des Bedford-Stundenbuches, BL, MS Add. 18850, fol. 1r. Zu »Paolo and Francesca da Rimini« : Die Szene basiert auf dem fünften Gesang von Dantes Inferno. Die frühere Fassung in der TGL, die spätere in der Cecil Higgins Art Gallery, Bedford. Die Fassung der Tate Gallery von 1855 befand sich ehemals in Morris’ Sammlung, Surtees 1971 I, Nr. 75, S. 36–37, II, Abb. 87–92 ; zu »Christmas Carol« : ebd., I, Nr. 98, S. 55, II, Abb. 134. Die Kachelfelder in »The Blue Closet« mit blauem Rankendekor erinnern an solche von »Morris, Marshall, Faulkner & Co.« wie »Bough«, »Swan« oder »Small Bough« von ca. 1870 bzw. 1863/1864, vgl. Myers/Myers 1996, S. 67–70, 99–103. 104 Vgl. D. G. Rossetti, The First Madness of Ophelia, 1864, Gallery Oldham, Charles Lees Collection. 105 Marsh 1999a, S. 148 ; Surtees 1971 I, Nr. 73, S. 34–35 und II, Abb. 80. 106 Treuherz/Prettejohn/Becker 2003, S. 175, Kat. Nr. 73 verweisen zudem auf kompositorische Parallelen zu
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Darstellung des Baums der Erkenntnis in einer hebräischen Handschrift des späten 13. Jahrhunderts in der British Library (MS Add. 11636) gegolten haben könnte, auf die Ruskin im dritten Band seiner »Modern Painters« verweisen sollte.107 Rossetti war nicht daran gelegen, das Mittelalter als Handlungszeit zu rekonstruieren, sondern es ging ihm eher darum, eine in Farbigkeit und Ausstattungsdetails mittelalterliche »Atmosphäre« hervorzurufen, die mit der historischen Wirklichkeit nur wenig gemeinsam hatte. In einigen wenigen dieser frühen Gouachen integriert Rossetti auch Buchmalereien selbst. So zeigt er in »Fra Pace« einen knienden Mönch, der mit äußerster Konzentration in seiner Zelle eine tote Maus in den ornamentalen Seitenrand einer Handschriftenseite hineinkopiert. Die kniende Haltung ermöglicht es Rossetti nicht nur, einen niedrigen Kastenraum zu zeigen, sondern auch die fromme Motivation der Kunstausübung zu vermitteln.108 Eigentliches Thema ist in dieser Gouache allerdings die Formulierung einer grundlegenden Einstellung zur Kunst und ihrem Naturvorbild : Der Künstler habe immer der Natur zu folgen – eine Aufgabe, der der Mönch mit Demut und Konzentration nachkomme.109 Gallant erachtete als Vorbild für Rossettis Darstellung die Tradition der Autoren- und Evangelistenporträts, wie sie sich auch in illuminierten Handschriften finden.110 In »Paolo and Francesca da Rimini« stellte Rossetti auf Francescas Knien liegend ein aufgeschlagenes Buch dar, in dessen Seitenrand ein stehendes, sich umarmendes Paar in den Farben von Paolo und Francesca abgebildet ist. Hierbei handelt es sich um Lancelot und Guenevere, die das Paar durch ihr Beispiel zur Liebe verführen. Die Buchmalerei wird somit auf einer narrativen Ebene eingesetzt, um die Motivation der Protagonisten zu erklären. In Konzeption und Stil weist sie jedoch keinerlei Verbindung zu mittelalterlichen Vorbildern auf. Zwar zeigen andere Gemälde Rossettis wie »The Mothers« (1852, Walker Art Gallery Liverpool),111 »La Pia de’ Tolomei« (1868–1880, Spencer Museum,
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Tizians »Himmlische und irdische Liebe«, 1514–1515, Galleria Borghese, Rom, sowie zu dem Holzschnitt der »Hypnerotomachia Poliphili«, der das Grab des Adonis zeigt. Bentley 2007, S. 20 ; Ruskin, Modern Painters III, Lib. Ed. V, S. 262–263, Taf. 7. Zwar war dieser Band zum Zeitpunkt der Arbeit Rossettis an der Gouache noch nicht publiziert, doch nahm Bentley an, dass Ruskin und Rossetti über das Motiv des Apfelbaumes gesprochen haben könnten. Treuherz vermutete, dass Rossetti vielleicht durch Longfellows Beschreibung von Fra Pacificus in »The Scriptorium« seiner »The Golden Legend« zu dem Sujet angeregt wurde, Treuherz 1984, S. 166. Siehe auch Werner 2005, S. 182 ; D. M. R. Bentley, Dante Gabriel Rossetti’s Painter Paintings : Giotto Painting the Portrait of Dante, Fra Pace, and St. Catherine, in : The Journal of Pre-Raphaelite Studies 22, Spring 2013, S. 53–74, hier S. 63–67. Vgl. eine ähnliche Darstellung mit dem kniend die Madonna malenden Fra Angelico : Rossetti, Fra Angelico Painting, Tinte laviert, um 1853, BMAG. Gallant 1988a, S. 117, verweist in diesem Zusammenhang auf das Lukasbild im Stundenbuch der Johanna von Kastillien, BL, MS Add. 18852, fol. 184r (Brügge, um 1500). Surtees 1971 I, Nr. 53, S. 18–19 und II, Abb. 44 ; ebd. I, Nr. 207, S. 118–120 und II, Abb. 300–301 ; ebd. I, Nr. 372, S. 176 ; II, Abb. 408.
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University of Kansas) oder das Porträt von Jane Morris (SoA, 1868) auch Bücher, doch bestehen in diesen Fällen die Buchmalereien entweder aus stark geschwungenen stilisierten Ranken, die eher an Ornamente der Schreibmeister erinnern bzw. Entwürfe A. H. Mackmurdos vorwegzunehmen scheinen, oder weisen nur durch Größe und Farbigkeit herausgehobene Initialen auf bzw. tragen keinerlei Schmuck.112 Morris selbst war an einem Projekt Rossettis beteiligt, das dieser, angeregt durch Malorys »Le Morte d’Arthur«, als Wandmalerei in der von Benjamin Woodward erbauten Oxford Union Debating Hall initiierte. Die Malereien umlaufen auf Höhe der Fensterzone den Raum und werden jeweils von zwei rosettenförmigen Fenstern unterbrochen – eine für die Komposition nicht unerhebliche Komplikation. Unter Rossettis Leitung arbeiteten 1857–1858 neben Morris und Burne-Jones auch Arthur Hughes, Val Prinsep, Hungerford Pollen und Spencer Stanhope an den Malereien, deren farbige Wirkung und Technik von Zeitgenossen mit derjenigen illuminierter Handschriften verglichen wurden.113 Prinsep verwies zudem auf eine motivische Ähnlichkeit von Rossettis Entwurf für »How Sir Galahad, Sir Bors and Sir Percival were fed with the Sanc Graal« (BML und TGL) mit Miniaturen in einem »thirteenth century missal«.114 Morris führte neben seinem Wandfeld zur Tristan-Geschichte, »How Sir Palomides loved La Belle Iseult with exceeding great love out of measure and how she loved not him again but rather Sir Tristram«, auch die Malereien an der Decke mit einem Muster von »singular beauty and fitness« mit »quaint beasts and birds« aus, die er 1874/1875 durch ein Ornament aus sich einrollenden floralen Ranken auf weißem Grund übermalte.115 Die früheren Malereien wiederholten wohl Motive aus Morris’ zeitgleichen Buchmalereien. Christian äußerte die Vermutung, dass die Morris und Burne-Jones zugeschriebenen Malereien in einem von ihnen bewohnten Raum des ersten Stockwerks in 33 High Street in Oxford aus Rankenwerk mit Vögeln und Drachen als Vorstufe für die ersten Deckenmalereien aufzufassen sein könnten.116 Tunstall und Kerr verwiesen in diesem Zusammenhang auf Bezüge zur insularen Buchmalerei und zu Handschriften aus East Anglia wie den »St. Omer Psalter« (BL, MS Yates Thompson 14, Norfolk, um 1330–1440).117 Das besondere Interesse des Rossetti-Kreises an der Arthur-Thematik in den Jahren um 1857 spiegelt sich auch in anderen Werken wie der von Morris im selben Jahr verfassten und 1858 publizierten Gedichtsammlung »The Defence of Guenevere«, in Rossettis 112 Vgl. z. B. die Ornamente in »The Mothers« mit Mackmurdos Titelentwurf zu »Wren’s City Churches« von 1883. 113 Christian 1981, S. 47 ; John D. Renton, The Oxford Union Murals, Oxford 1983, o. S. Rossettis Beschreibung des Projekts, in : Rossetti 1899, S. 199–201. 114 Magazine of Art 27, S. 171, zit. nach : Christian 1981, S. 47. S. a. Surtees 1971 I, Nr. 94, S. 53–54, II, Abb. 124–126. 115 Mackail 1995 I, S. 120 ; vgl. GBJ 1993 I, S. 161. 116 Christian 1981, S. 49. Zu den Malereien in 33 High Street : Tunstall/Kerr 1943. 117 Ebd., S. 45.
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Gouachen und Zeichnungen mit Szenen aus der Arthurdichtung – »Arthur’s Tomb«, »Sir Launcelot in the Queen’s Chamber« – sowie Morris’ eigenen Gemälden »La Belle Iseult« und »Sir Tristram after his illness, in the Garden of King Mark’s Palace, recognised by the Dog which he had given to Iseult« (TGL).118 Zur Tristan und Isolde-Geschichte entstanden außerdem 1862 Glasfensterentwürfe im Auftrage Walter Dunlops. Die leuchtende Farbwirkung der Buchmalerei bildete ein allgemeines, mit der Malerei der Präraffaeliten assoziiertes Kriterium. Auch Coventry Patmore beschrieb die Wandmalereien der Oxford Union Debating Society in ihrer Farbigkeit als »so brilliant as to make the walls look like the margin of an illuminated manuscript«.119 Im negativen Sinne wurde anlässlich der Ausstellung präraffaelitischer Arbeiten in der Royal Academy 1849 durch die Zeitschrift »Punch« der Vergleich mit mittelalterlichen – und damit nach geläufiger zeitgenössischer Auffassung – katholischen Buchmalereien gezogen.120 Es wurde eine »certain Quaintness that do smack of Church-window Saints and illuminated Missals« konstatiert.121 Ein Rossetti entsprechender Umgang mit Buchmalerei-Vorlagen lässt sich auch in Frederick Sandys’ »Morgan-le-Fay« (1862–1863, BMAG) feststellen.122 Basieren die Textilmuster auf Ornamenten der insularen Buchmalerei des 7. und 8. Jahrhunderts wie solchen in den Books of Lindisfarne und Kells (BL, MS Cotton Nero D. iv ; Trinity College, Dublin, MS 58), so muten die auf dem Boden liegenden Bücher und Seiten in ihrem Charakter eher mittelalterlich bzw. ägyptisch an. Die ägyptischen Motive wiederholen sich in der Wanddekoration des Hintergrunds, in die aber auch keltische Spiralscheiben eingesetzt sind. Eine Übertragung von Ornamenten aus Handschriften auf Kleidungsstücke konnte Elzea zudem im Falle von Sandys’ »Queen Eleanor« nachweisen (1858, National Museum and Galleries of Wales, Cardiff).123 Hier dienten Schrift und Ornamente des Blickling Psalters aus dem 8. Jahrhundert (PML, MS M. 766), nach dem sich auch Durch118 Siehe zum »Iseult«-Bild : Brief Rossettis an William Bell Scott, Juni 1857, nach : Fredeman 2002 II, Nr. 57.26, S. 185 ; Doughty/Wahl 1965 I, Nr. 272, S. 325. Zur Forschungsdiskussion zu Morris’ Londoner Gemälden : Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 51, S. 114–116 ; Marsh 1986 ; Mancoff 1990, S. 162 ; John Christian, in : Parris 1994, Nr. 94, S. 169 ; Whitaker 1995, S. 241–242 ; Mancoff 1996, S. 58–60 ; Parry 1996, Nr. G.10, S. 102–103 und S. 91 ; Poulson 1999, S. 162 ; Fredeman 2002 II, S. 185–186, Anm. 4 ; Jan Marsh, »La Belle Iseult«, in : The Journal of William Morris Studies XIX, Nr. 2, Summer 2011, S. 9–12. Siehe weiterhin : Rossetti 1899, S. 194 ; Lottes 1984, S. 174 ; Mancoff 1990, S. 308, Anm. 71 ; Mackail 1995 I, S. 115. 119 Coventry Patmore, in : Saturday Review 26, Dezember 1857, zit. nach : Treuherz 1984, S. 153 ; vgl. Mackail 1995 I, S. 126. 120 Punch 16, 1849, S. 216. Siehe auch. a. Alastair Grieve, The Pre-Raphaelite Brotherhood and the Anglican High Church, in : Burlington Magazine CXI, Mai 1969, S. 294–295. 121 Punch 16, 1849 : Manners and Customs of ye Englishe in 1849, No. 11 : Ye Exhybityon [sic !] at ye Royal Academye, Mr. Pips his Diary, S. 216. Vgl. Times vom 9.5.1850, S. 5, zit. bei : Lindsay Errington, Social and Religious Themes in English Art 1840–1860, New York u. a. O. 1984, S. 29. 122 Elzea 2001, Nr. 2.A.66–67, S. 176–178. 123 Ebd., Nr. 1.A.159, S. 118–119.
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pausen Sandys erhalten haben, als Anregung.124 Sandys konnte die Handschrift durch Vermittlung von John Bulwer, dem Bibliothekar von Lady Suffield, betrachten, von dem er 1858 ein Porträt (National Gallery of Canada, Ottawa) malte.125 Von Sandys sind, vermutlich in den 1850er Jahren angefertigt, einige Zeichnungen nach Miniaturen, Initialen und Seitenranddekorationen überliefert, darunter solche nach dem De Lisle Psalter (BL, MS Arundel 83 II, fol. 131v ; um 1308), nach der auch von Rossetti für den Schmuckkasten Jane Morris’ verwendeten Miniatur der Christine de Pisan-Handschrift (BL, MS Harley 4431, fol. 376r und eine Kopie der Miniatur auf fol. 143r) sowie nach MSS Harley 2800 und 3109 (Arnstein Passionale, 12. Jh.; Italien, ev. Andrea da Firenze, um 1450).126 Elzea vermutete, dass Sandys für diese Skizzen Abbildungen in Publikationen wie Maddens und Shaws »Illuminated Ornaments […]« (1830–1833) als Quelle dienten, die er in der Bibliothek von Bulwer in Hunworth Rectory einsehen konnte.127 Ford Madox Brown wiederum erweist sich bei seinen im Mittelalter angesiedelten Historienbildern, wie auch in seinen Tagebucheinträgen deutlich wird, als ein umfassende und gründliche Nachforschungen betreibender Maler, der sowohl historische Darstellungen las als auch verschiedene Vorlagenwerke und Originale befragte. Entsprechend forderte er vom Historienmaler, dass sich dieser nach Wahl des Sujets und der Einarbeitung in den historischen Kontext daran mache sollte, »to consult the proper authorities for his costume, and such objects as may fill his canvas ; as the architecture, furniture, vegetation or landscape, or accessories, necessary to the elucidation of the subject«.128 In seinem Gemälde »Geoffrey Chaucer Reading the Legend of Custance to Edward III. and his court at the Palace of Sheen on the Anniversary of the Black Prince’s 45th Birthday« (Art Gallery of New South Wales, Sidney, 1846–1851), das ein Ereignis aus dem Jahr 1375 zeigt, verarbeitete er eine Fülle von Quellen, um den historischen Handlungsrahmen genau rekonstruieren zu können.129 Äußerungen von Brown bezeugen, dass er auf Abbildungen in von Charles Knight publizierten Werken zurückgriff.130 Ein Nachstich von Chaucers Porträt in den Hoccleve-Handschriften der British Library, MSS Royal 17 D. vi (fol. 93v) und Harley 4866 (fol. 88r), findet sich in John Saunders’ Chaucer-Band aus der 124 125 126 127 128
BMAG, Inv.-Nr. 1906P1035 ; Elzea 2001, Nr. 1.C.42, S. 141. Ebd., Nr. 1.A.105, S. 109–110. BMAG, Inv.-Nr. 1906P897, 1906P899–906, 1906P1025–1033 ; Elzea 2001, Nr. 1.C.24–1.C.41, S. 140–141. Ebd., S. 140. Ford Madox Brown, On the Mechanism of a Historical Picture, pt. 1 The Design, The Germ, No. 2, in : The Germ. The Literary Magazine of the Pre-Raphaelites, Vorwort von Andrea Rosen, Ashmolean Museum Oxford, Oxford 1992, S. 70–73, hier S. 70. Warum Brown allerdings am 30.8.1854 eine »french Bible« in der British Library ansah, bei der es sich vielleicht um eine Handschrift handelte, ist unbekannt, Surtees 1981, S. 88, siehe auch ebd., Anm. 48. 129 Eine Replik von 1867–1868, TGL, eine Ölstudie mit seitlichen Feldern, »The Seeds and Fruits of English Poetry« von 1845–1853, AMO. Brown schlüsselte die in dem Bild Dargestellten im Ausstellungskatalog der Royal Academy von 1851 genau auf, Parris 1994, S. 53, Kat. Nr. 7. 130 Treuherz 1984, S. 154 ; Surtees 1981, S. 8–9 (6.10.1847).
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Serie der »Cabinet Pictures of English Life« (1845) sowie in Shaws »Dresses and Decorations of the Middle Ages«.131 Kopfbedeckungen und Kleidungsdetails in George Craiks und James MacFarlanes »The Pictorial History of England« von 1837 mögen ebenfalls als Vorlage gedient haben.132 Treuherz und Surtees wiesen darauf hin, dass auch der Begriff des »sideless gown«, den Brown verwendet, in dieser Publikation benutzt wurde.133 Treuherz vermutete außerdem – ohne genaue Vorlagen zu nennen –, dass die bäuerlichen Szenen des Hintergrunds auf Darstellungen der Monatsarbeiten in den Kalendarien von Stundenbüchern zurückgehen.134 Als Anregung für die Bildkomposition und einzelne Figurenmotive erachtete er, wobei allerdings noch nicht die Frage geklärt werden konnte, wie Brown von dieser Vorlage Kenntnis erhielt, eine Miniatur zu Chaucers Fassung von Troilus und Cressida (ev. London, um 1414–1425, Corpus Christi College, Cambridge, MS 61).135 Als weitere Quellen Browns können Joseph Strutts Publikationen136 oder deren Neuedition durch J. R. Planché sowie Charles A. Stothards »Monumental Effigies of Great Britain« (London 1817) vermutet werden, in dem eine Abbildung des Grabmals des Black Prince in Canterbury und desjenigen Edwards III. in Westminster enthalten sind. Vorlagen für einzelne Haubenformen fand der Künstler wohl in F. W. Fairholts »Costume in England« (in erster Auflage 1846)137 sowie in »Costumes des XIIIe, XIVe, et XVe siècles, extraits des monuments les plus authentiques de peinture et de sculpture, dessinés et gravés par Paul Mercuri avec un texte historique et descriptif de Camille Bonnard« (2 Bde., Paris 1829 und 1830).138 Nicht nur von Brown, sondern auch von 131 Banham/Harris 1984, S. 204–205 ; Harris 1984, S. 48, 84–85 ; Treuherz 1984, S. 154 ; Shaw/Yenne 1998, S. 73. Charles LaPorte verwies auf die Edition der Harley-Miniaturen durch Frederick J. Furnival für die Chaucer Society (F. J. Furnival u. a. (Hrsg.), A Six-Text Print of Chaucer’s Canterbury Tales in Parallel Columns, 8 Bde., London 1869–1877), siehe Charles LaPorte, Morris’s Compromises : On Victorian Editiorial Theory and the Kelmscott Chaucer, in : Latham 2007, S. 209–219, hier S. 214. Diese Publikation befand sich auch in Morris’ Bibliothek, WM 1898, Los 210. 132 Vgl. zum Beispiel die Haubenformen nach BL, MS Royal 15 D. i, in : Craik/MacFarlane 1837 I, S. 867 ; vgl. aber auch : Planché/Knight 1836, S. 116 ; Strutt 1842/1970 II, Taf. XCVIII. Siehe auch : Bennett 2010 I, Nr. A.50, S. 53–80, hier S. 53, 56. 133 Treuherz 1981, S. 154 ; Surtees 1981, S. 12 (29. und 30.10.1847) und Anm. 30 mit Verweis auf die bei Knight erschienene »Pictorial History of England«, Bd. I, 1837, S. 870. Surtees vermerkte weitere motivische Übernahmen aus dieser Publikation : das Lesepult Chaucers nach einer Abbildung auf S. 864, ein Ärmel nach S. 751. 134 Treuherz 1984, S. 154, 252, Anm. 5. 135 Ebd., S. 155 ; Mary Bennett, in : Parris 1994, S. 52. Auch bei Bennett 2010 I, Nr. A.40, S. 53–80, finden sich keine neuen Hinweise, die die Kenntnis der Miniatur erklären würden. 136 Für die weiblichen Kopfbedeckungen, aber auch für die Porträts von Chaucer und dem Black Prince, vgl. Strutt 1842/1970 II, Taf. XCVIII, für den Narren ebd., Taf. LXXI ; Strutt 1773/1842 mit Abbildung Chaucers nach der Hoccleve-Handschrift, BL, MS Harley 4866, Taf. XXXVII. 137 Vgl. Harris 1984, S. 50–51. 138 Z. B. Bonnard 1829, Taf. 71. Siehe für weitere Übernahmen von Bonnard in Arbeiten Browns : Yamaguchi 2000, S. 22–23.
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John Everett Millais, Frederick Sandys und Edward Burne-Jones haben sich Durchzeichnungen nach den Tafeln Bonnards erhalten.139 Bonnards Publikation mit ganzseitigen Stichen von Kostümen nach italienischen und französischen Kunstwerken des 13.–15. Jahrhunderts, darunter auch einige Beispiele aus dem Bereich der Buchmalerei, bildete eines der wichtigen Vorlagenwerke für den Kreis der präraffaelitischen Maler um Rossetti. Rossetti, der ein Exemplar des Buches im September 1849 erwarb,140 kombinierte in seinen Werken immer wieder einzelne Kleidungsdetails aus Bonnard.141 John Everett Millais studierte ebenfalls illuminierte Handschriften, zumeist als Begleiter John Ruskins bei dessen Besuchen in der British Library.142 Über seine Bekanntschaft mit der Familie von Henry Noel Humphreys besaß er zudem einen gewissen Bezug zu Buchmalereien. Ein weiterer Illuminator seines Bekanntenkreises war Edward La Trobe Bateman, den er gemeinsam mit den Brüdern Rossetti und mit Thomas Woolner traf. Bateman illuminierte ein Gedicht Woolners, und bei den Besuchen betrachteten die Künstler auch seine Kopien nach älteren Buchmalereien.143 Treuherz charakterisierte die Arbeit des Illuminators, der gemeinsam mit Woolner 1852 nach Australien emigrierte, als »imitation penwork decoration carefully based on mediaeval work«.144 Buchmalereien konnten nicht nur wie im Falle von Dante Gabriel Rossetti und Ford Madox Brown als Anregung für einzelne Bildmotive dienen, sondern es konnten auch einzelne Miniaturen aus Handschriften variierend zitiert und als Buchmalerei in Werke übernommen und eingefügt werden wie in Charles Allston Collins’ »Convent Thoughts« (AMO) von 1850–1852 und »Berengaria’s Alarm for the Savety of her Husband …« (Manchester Art Galleries) von 1850.145 In Ersterem übertrug Collins auf die Seiten des Stundenbuches, das die junge Nonne hält, wie Treuherz feststellte, Miniaturen des Ardinghelli-Segni-Gebetbuches aus dem späten 15. Jahrhundert (Soane Museum, Lon-
139 Die Durchzeichnungen von Brown von 1845, BMAG. Zu den Zeichnungen Millais’ nach Bonnard als Studien für die Kleidung in »Isabella« von 1849 (Walker Art Gallery, Liverpool) : Bennett 1988, S. 123, 126–127 ; Yamaguchi 2000, S. 22. Zu Sandys : Elzea 2001, Nr. 1.C.45–73, S. 141–142 ; zu Burne-Jones : Skizzenbuch, 1856–1857, FMC, Inv.-Nr. 1083, Banham/Harris 1984, Nr. 50, S. 109 ; Yamaguchi 2000, S. 24–25. Yamaguchi konnte auch in den Arbeiten von Hunt, Collins und Collinson das Vorbild der Bonnard’schen Abbildungen nachweisen, ebd., S. 23–24. Zur Verwendung von Bonnard durch die Präraffaeliten : Harris 1984, S. 52–54 ; Roger Smith, Bonnard’s Costume Historique – a Pre-Raphaelite Source Book, in : Costume VII, London 1973, S. 28–37. 140 Brief D. G. Rossettis an Frederic George Stephens, [7.9.1849], Fredeman 2002 I, Nr. 49.8, S. 89. 141 Yamaguchi 2000 ; Leonee Ormond, Dress in the Painting of Dante Gabriel Rossetti, in : Costume VIII, 1974, S. 26–29 ; Gail S. Weinberg, Dante Gabriel Rossetti’s »Salutation of Beatrice« and Camille Bonnards »Costumes Historiques«, in : Burlington Magazine CXLI, Oktober 1999, S. 622–623. 142 Vgl. Ruskin, Lib. Ed. XII, S. lxviii. Siehe auch Lutyens 1967, S. 133, Anm.* mit Hinweis auf einen Tagebucheintrag Millais’ vom 6.1.1854 ; Tagebucheintrag Ruskins vom 6.1.1854, Ruskin 1958 II, S. 488. 143 Treuherz 1984, S. 156 ; Fredeman 1975, S. 5, 19. Die Besuche erfolgten am 21.5. und 10.10.1849. 144 Treuherz 1984, S. 156. 145 Zu Brown : Strong 1978, S. 58–59 ; Treuherz 1984, S. 154–155.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
don146), und für das auf dem Boden aufgeschlagen liegende Buch des Berengaria-Bildes diente die Initialseite des Johannes-Evangeliums der »Arnstein Bibel« von ca. 1175 (Rheinland ; BL, MS Harley 2799, fol. 185v) als Vorlage, die mit leichten Variationen übernommen wurde.147 Die Miniaturen des Stundenbuches in »Convent Thoughts« zeigen die Kreuzigung mit Maria, Johannes und Maria Magdalena sowie eine Initiale mit einer jungen knienden Maria, bei der ein Verkündigungskontext zu vermuten ist, auch wenn in Collins’ Variante auf den Erzengel Gabriel verzichtet wird. Buchmalerei wird hier zitathaft unter inhaltlichen Kriterien eingesetzt. Ihre sich von der Anordnung im Stundenbuch unterscheidende Gegenüberstellung macht zwei grundlegende Heilstatsachen deutlich : die Geburt Christi als Sohn Gottes und seinen Kreuzestod als Erlösungsversprechen. Sie werden ergänzt von den floralen Motiven des Bildes, die in mittelalterlicher Tradition auf Maria und die Passion hinweisen.148 Es lässt sich festhalten, dass die mittelalterliche Buchmalerei von den präraffaelitischen Künstlern entsprechend der jeweiligen künstlerischen Zielsetzung unterschiedlich eingesetzt und verwendet wurde : Greift Brown Vorlagen aus dem Bereich der Buchmalerei für eine überzeugende Rekonstruktion der Vergangenheit auf, so ist bei Rossetti ihre Befragung eher unter dem Gesichtspunkt einer stimmungshaften Wirkung zu vermuten. Sein Ziel ist die Evokation eines idealen mittelalterlichen Ambientes. Bei Collins hingegen unterstützt die Buchmalerei die Bildaussage und dient inhaltlich-ikonographischen Zwecken.
2.4 Edward Burne-Jones und die Buchmalerei Seit ihrer Studienzeit in Oxford verband Morris und Burne-Jones das gemeinsame Interesse für Buchmalerei. Beide schätzten die Bibliothek des British Museums wegen der dort verwahrten Bücher : »[…] there are always the painted books there, any of which if all the other art of the world were destroyed would, properly used, suffice to revive it.«149 Auch Burne-Jones erwarb einige Miniatur-Beispiele, wenn er auch nicht wie Morris Handschriften sammelte – so ein Blatt aus einem Sieneser Franziskaner-Graduale von ca. 1325.150 Von diesem Blatt, das in die Sammlung von Charles Ricketts gelangte, wurde vermutet,
146 Ebd., S. 157–158. 147 Ebd., S. 156–157. Die Seite der »Arnstein Bibel« ist in Henry Noel Humphreys’ und Owen Jones’ »Illuminated Books of the Middle Ages« von 1849 abgebildet (S. 49/50) ; vgl. Leathlean 1987, S. 41–42. 148 Die Zeitschrift »Punch« wertete 1851 die Bezüge auf mittelalterliche Buchmalereien und den Einschluss von solchen Arbeiten wie in Collins’ Gemälde negativ, vgl. Punch 20, 1850, S. 219. Hier wird das NonnenDasein als Gegenpol zu der eigentlichen Bestimmung der Frau als Ehefrau und Mutter erklärt. 149 Edward Burne-Jones, zit. nach : Lago 1982, S. 146. 150 Wormald/Giles 1982 I, S. 299–300 ; Fitzgerald 1997, S. 216.
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dass es von Burne-Jones überarbeitet wurde (FMC, MS 308).151 In Burne-Jones’ Sammlung befand sich auch ein Augustiner-Graduale, vermutlich aus Certaldo, aus dem frühen 14. Jahrhundert, das er durch Charles Fairfax Murray erwarb (FMC, MS CFM 5).152 Dieses ist mit einer Vielzahl von dekorierten, darunter auch 13 historisierte, Initialen geschmückt. Die Handschriften eröffneten Burne-Jones den Weg in eine Phantasiewelt : To this day if I want a change happier, brighter, more in tune with my heart’s desire than any other, I go to the British Museum and send for a book that took a lifetime to make, and then forget the world and live in that book for days. I don’t care for personal property, but if I did I think it would be for painted books, so that really when the word treasure is said, I think of a fat little thing that opens to a hundred visions.153
In einer Geschichte für das »Oxford and Cambridge Magazine« vom Februar 1856, »A Story in the North«, betonte Burne-Jones die melancholischen Elemente der mittelalterlichen Handschriften : I […] took a volume of illuminated writing and opened it at the first page ; dark green and purple and melancholy gold lay upon the page and round about the writing ; very sad and pensive was the colouring ; and in among the flowers and interlacings of delicate branches, long-leaved branches showed a castle tower grey against a sky of windy blue, and a lady leaned therefrom in the tower-window, resting her white forehead on her right hand, and playing dreamily with her left among the leaves, and an agony of long expectation sealed itself upon her face.154
Burne-Jones scheint sich hierbei auf eine ihm bekannte Buchmalerei-Vorlage oder auf eine in Anlehnung an Buchmalereien konzipierte eigene Vorstellung zu beziehen.155 151 Panayotova 2009, S. 73. 152 Wormald/Giles 1982 I, S. 8–11 ; Horner 1933, S. 117–118. 153 Zit. nach : GBJ 1993 II, S. 279–280. Vgl. Burne-Jones nach Horner 1933, S. 117–118 : »I don’t care for personal property, but if I did I think it would be for painted books – they are such little worlds all to themselves – and many a time I have gone to the British Museum to get away from this obstreperous world, and in a book have found what I wanted without fail – so that really when the word treasure is said, I think of a fat little thing that opens to a hundred visions – I have one – a big choral book from Certaldo that Dante must have seen being made when he called upon Boccaccio in that city«. Vgl. BL, MS Add. 52772 : S. C. Cockerell, William Morris. Notes from my Diaries, S. 18, Eintrag zum 1.2.1891 : »EBJ not caring much for the printed books, but eager to look at the MSS«. Vgl. Brief von Georgiana Burne-Jones an Charles Fairfax Murray vom 16.11.1901, JRLM, MS 1278, fol. 16r. 154 Oxford and Cambridge Magazine, Februar 1856, S. 82. Eine weitere Nennung dieser Handschrift auf S. 99 : »This book holds somewhere a page of crimson lettering, opaline and azure ; […]«. 155 Hier könnten Miniaturen wie diejenige in »La Chronique des haulx et nobles princes de Cleves«, Meister des ersten Gebetbuches Maximilians, vermutlich Gent, zwischen 1472 und 1481, Bayerische Staatsbibliothek München, MS Gall. 19, S. 1 (Der Schwanenritter), als Anregung gedient haben. Gallant 1988a, S. 119,
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Noch 1862 träumte er in einem Brief an John Ruskin von einer idealen »mönchischen« Existenz, die der Fertigung solcher von ihm hoch geschätzter Handschriften gewidmet war : »I wish I had lived with you always – and that we had been monks – Joan & Georgie & Margaret monks too – painting books and always being let off divine service because of our skill in said painting«.156 Burne-Jones’ Beobachtungen zu Handschriften sind geprägt von Einfühlung und der Suche nach Wesensmerkmalen. So charakterisierte er die frühen mittelalterlichen Handschriften wie diejenigen des 11. Jahrhunderts als »earnest and serious«, während er die Illuminatoren des 12. Jahrhunderts als »splendid artists« erachtete, die »suddenly dropped the imitation of the Greek style of drapery, fine as that is, and invented one of their own […] It was exceedingly beautiful, and quite original of them«.157 Über die in der Sammlung Holford befindliche französische Bible historiée aus der Zeit um 1300 (New York Public Library, MS Spencer 22) äußerte er begeistert : »if a new flood came and submerged the earth, this book saved would serve to regenerate Art.«158 Schon bei seinen frühen Arbeiten wie »Going to the Battle« von 1858 (FMC) wurde im Zusammenhang mit der Musterung – ein ornamentiertes Rhombengerüst – der Absperrung, die Damen und Ritter trennt, auf das Vorbild mittelalterlicher Handschriften verwiesen.159 Burne-Jones konsultierte in den 1860er Jahren illuminierte Handschriften sowie Publikationen, die auf diesen basierten, und hielt Details aus Handschriften neben solchen nach antiken Skulpturen, Renaissance-Graphik und altniederländischer Malerei in seinen Skizzenbüchern fest. Buchmalereien dienten ihm zum Erwerb von Kenntnissen zur mittelalterlichen Kleidung. In einem Cambridger Skizzenbuch (FMC, Inv.-Nr. 1083) haben sich neben Pausen nach Camille Bonnards »Costumes des XIII, XIV, et XV siecles […]«zahlreiche Zeichnungen nach Rüstungen, Gewändern, Kleidungsdetails und Hauben aus Handschriften besonders aus dem 14. bis frühen 15. Jahrhundert erhalten. Darunter finden sich Skizzen nach Miniaturen der Londoner Christine de Pisan-Handschrift (BL, MS Harley 4431, fol. 3r, 48r, 81r, 95r, 143r, 145r, 376r),160 einer »Grande Chronique de France« (BL, MS Cotton Nero E. ii ; Werkstatt des Boucicaut-Meisters, Frankreich, um 1415),161 des Lon-
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verweist auf die Miniatur mit der hl. Barbara im Stundenbuch des Engelbert von Nassau (BLO, MS Douce 219, fol. 41v) als mögliche Inspiration (flämisch, um 1470–1490). FMC, Inv.-Nr. RP 1847, 3 ; siehe auch Kopie in YCBA. GBJ 1993 II, S. 280. Holford 1924, Nr. 5, S. 38 ; Munby 1972, S. 149. Colin Cruise, Pre-Raphaelite Drawing, in : Prettejohn 2012, S. 47–61, hier S. 57–58. Gallant 1988a, S. 127, verglich die Vielzahl der Banner mit der Miniatur auf fol. 60v der Londoner Froissart-Handschrift, BL, MS Harley 4379. FMC, Inv.-Nr. 1083.104, 117, 118, 135–137 mit Zeichnungen von Figuren und Hauben, vgl. auch Shaw 1843 II, Taf. 43. FMC, Inv.-Nr. 1083.145.
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doner Rosenromans (BL, MS Harley 4425, fol. 14v)162 sowie Ausschnitte aus Paul Lacroix’ Publikationen zum Mittelalter mit Abbildungen von Miniaturen.163 Sie wurden besonders für die Ausstattung in frühen Arbeiten Burne-Jones’ wie »Clerk Saunders« (1861, TGL),164 »Girl and Goldfish« (1861, Carlisle Art Gallery), »The Blessed Damozel« (1860, Fogg Art Gallery, Cambridge, Mass.) oder »King René’s Honeymoon Cabinet : Sculpture« (1861, Entwurf BMAG, das Möbel im V&A) verwendet und wiederholen sich in seinen Kachelserien »Cinderella« und »The Sleeping Beauty« für Myles Birket Fosters Haus »The Hill«, Witley (1863–1864).165 Daneben enthält das Cambridger Skizzenbuch Zeichnungen nach Shaws »Dresses and Decorations of the Middle Ages«. Die Abbildung mit der Musikantin mit Orgelportativ nach Domenico Bartoli (Siena, frühes 14. Jahrhundert) bildete eine wichtige Anregung für die Gestaltung von Burne-Jones’ hl. Cecilia, aber auch für Morris’ Konzeption der Heiligen in einem Entwurf aus dem Kontext der »The Legend of Good Women«-Stickereien (BL, MS Add. 45336, fol. 24v).166 In einem Londoner Skizzenbuch Burne-Jones’ (V&A, Inv.-Nr. E. 1–1955) sind neben Durchzeichnungen von zahlreichen mittelalterlichen Haubenformen und anderen Gewand- und Figurendetails ebenfalls Nachzeichnungen nach Shaws Publikation enthalten,167 etwa die vier Zeichnungen auf Seite 310
162 FMC, Inv.-Nr. 1083.88, 90. Vgl. Shaw 1843 II, Taf. 57, 58. 163 FMC, Inv.-Nr. 1083.16–17, 23, 26. Darunter befinden sich Abbildungen nach einer Guillaume de Machaut-Handschrift der Bibliothèque nationale Paris sowie einer Dante-Handschrift (BNP, MS fr. 6325), von Musikern und nach BNP, MS fr. 6808 (Commentaire sur le livre des échecs amoureux, Archiloge Sophie, Anfang des 16. Jh.s) mit der Miniatur eines schachspielenden Paares, das sich in Begleitung eines Mannes mit Hund befindet ; vgl. Lacroix 1872, Abb. 48 auf S. 71 ; Lacroix 1877, Abb. 186 auf S. 278, Abb. 328 auf S. 453. 164 Gallant 1988a, S. 109, erkannte als Vorbild für die ungewöhnliche Kopfbedeckung der Frau die dunkle Haube der Dienerin in Guyart des Moulins Bible historiale, BL, MS Royal 15 D. i, fol. 18r. Diese Haube verwendete bereits Rossetti in »How they met Themselves« (Fassungen von 1860–1864 und 1851–1860, jeweils FMC). Vgl. auch Christian 1973, S. 79, Anm. 3. 165 National Museums and Art Galleries on Merseyside, Liverpool, und V&A ; Myers/Myers 1996, S. 28–31, Taf. 11b–13c, 19a–22c. Vgl. auch Charles Fairfax Murrays Nachzeichnungen der Kachelentwürfe von Burne-Jones, V&A, Inv.-Nr. E. 1293–1312–1931. Zu King René’s Honeymoon Cabinet : Surtees 1971 I, Nr. 175, S. 101–102, II, Abb. 255–257. 166 FMC, Inv.-Nr. 1083.10 ; Shaw 1843 I, Taf. 25. Vgl. auch die Musikantin mit Orgelportativ in Boethius, De arithmetica, De muscia, Neapel, Biblioteca Vittorio Emmanuele III, Neapel, MS V. A. 14, fol. 47r. Zu BurneJones’ Cecilia-Typus vgl. z. B. die nach 1874 entstandene Fassung, Abb. in : Wildman/Christian 1998, Abb. 106 auf S. 314. 167 Die Hauben auf S. 264–272, die Details auf S. 246–254. Siehe zu V&A, Inv.-Nr. E. 1–1955, S. 280 : Shaw 1843 II, Taf. 59. Burne-Jones diente die Figur des die Königin Margarethe von Schottland begleitenden Heiligen (Gemälde von ca. 1485) vielleicht als ein Vorbild für seine Georgs-Darstellungen, siehe z. B. die Fassungen von 1873–1877 und 1897–1898, Wadsworth Athenaeum, Hartford und Hessische Hausstiftung, Kronberg.
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nach mittelalterlichen Handschriften.168 Die Dienerin mit Schüssel aus der Miniatur mit dem blinden Tobit (BL, MS Royal 15 D. i, fol. 18r ; Abb. 4), die sich auf dieser Seite findet, übertrug Burne-Jones in seine Entwurfszeichnungen für die Wandmalerei im »Red House« mit dem Hochzeitsfest Sir Degrevaunts,169 verwandelte sie dann in der ausgeführten Version jedoch in eine Profilfigur und verstärkte durch das lang herabhängende, gemusterte Übergewand den mittelalterlich anmutenden Eindruck. Ein weiteres Londoner Skizzenbuch (V&A, Inv.-Nr. E. 4–1955) versammelt eine Fülle von Pausen und Zeichnungen unterschiedlichster Herkunft (Abb. 6),170 darunter Motive nach Buchmalereien, basierend auf BNP, MS fr. 1198 (Priester am Altar und Mönche, S. 98), BL, MS Harley 4375 (S. 86),171 BL, MS Add. 17012,172 sowie die Personifikation der Nacht aus einem griechischen Psalter des 10. Jahrhunderts (S. 66 ; BNP, MS gr. 139, fol. 435r).173 Weitere Skizzen zeigen eine Verkündigung, mittelalterliche Stadtansichten 168 Vgl. Shaw 1843 I, Taf. 36 (Piers Ploughman-Handschrift, Bibliothek des Trinity College, Cambridge) ; ebd. II, Taf. 45 (Sitzende Frau, Geburt des hl. Edmund, BL, MS Harley 2278), 55 (Dienerin mit Schüssel, BL, MS Royal 15 D. i, fol. 18r), 64 (Warwick Roll : Isabella, die Frau des William de Beauchamp). 169 Edward Burne-Jones, Figurenstudien, 1860, Sammlung Lanigan, Saskatoon, siehe : Del Re 2015, Kat. Nr. 10, S. 49–50 ; Entwurf, undat., um 1860, Yale Center for British Art, New Haven, Inv.-Nr. B1978.35. 170 Als Quellen dienten Burne-Jones u. a.: Galleria Giustiniana del Marchese Vincenzo Giustiniana, Rom 1788 ; Ennio Quirino Visconti, Il Museo Pio Clementino, Rom 1788 ; Pierre Bouillon, Musée des Antiques, Paris 1821–1827 ; Shaw 1843 (S. 92–93) ; William Young Ottleys »A Series of Plates, engraved after the Paintings […] Sculptures of the most eminent Masters of the Early Florentine School intended to illustrate the history of the restoration of the arts of design in Italy«, London 1826 (S. 65) ; der Jahreszeiten-Zyklus Luca della Robbias, V&A, Inv.-Nr. 7632–7643–1861 (S. 76, 78) ; Jan van Eycks Genter Altar (S. 84) ; Lacroix 1872 ff. (S. 66). 171 Bei BL, MS Harley 4375 handelt es sich um eine Valerius-Maximus-Handschrift von ca. 1475 (Miniaturen zugeschr. dem Meister François). Burne-Jones kopierte auf der Seite Motive nach verschiedenen Miniaturen : Der Altarpavillon mit anschließenden Häusern und dem Stadttor mit zwei Türmen folgt fol. 90v ; die beiden spinnenden Frauen und die Säule finden sich auf fol. 179r. Auf S. 88 des Skizzenbuches finden sich Motive nach BL, MS Harley 4374, einem weiteren Band der Valerius-Maximus-Handschrift : ein unter einem Baldachin thronender König nach fol. 1r, eine Frauenfigur nach fol. 196r sowie nach BL, MS Harley 4375 eine zweistöckige offene Architektur (fol. 25v), ein Baldachin (fol. 68r) und ein Innenraum mit Kamin (fol. 70v). Weitere Innenraumdetails finden sich auf S. 92–93 und 97 des Skizzenbuches. Die Innenraumdetails auf S. 93 gehen auf bei Shaw abgebildete Motive aus Miniaturen zurück, vgl. Shaw 1843 II, Taf. 43 (Dedikationsminiatur der Christine de Pisan-Handschrift, BL, MS Harley 4431, fol. 3r : Innenraum mit Tonnengewölbe), 45 (MS Harley 2278, fol. 13v Geburt des hl. Edmund : Innenraum mit Kamin und floraler Wandbespannung), 49 (BL, MS Royal 15 E. vi : Wandbehänge mit Blumen und Aufhängung aus überkreuzten Schnüren), 52 (BNP : Leuchter und Fackeln), 61 (BL, MS Royal 18 E. ii, fol. 206r : Kamin). Leuchter und Kamin waren auch im Art Journal 1854, S. 18 abgebildet. 172 Nach BL, MS Add. 17012, ein Stundenbuch aus der Zeit Heinrichs VIII., finden sich auf S. 85 Skizzen der hl. Margarethe sowie von einem Bett und von Stadtmotiven. Das Gebäude mit balkonartigem Vorbau und einer Wandmalerei mit dem Sündenfall auf S. 85 folgt dem Stundenbuch BL, MS Add. 17012, fol. 26v. 173 Ein Hinweis auf die Pariser Handschrift von Gregor von Nazianz, Orationes, 879–882, BNP, MS gr. 510 : V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955, S. 259. Das Bäumchen daneben nach : Lacroix 1877, Abb. 188 auf S. 281.
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Edward Burne-Jones und die Buchmalerei
Abb. 4 Edward Burne-Jones, Skizzen nach Details in Miniaturen, vermutlich nach Henry Shaws »Dresses and Decorations of the Middle Ages …«, Skizzenbuch, um 1861, Victoria and Albert Museum, London, Inv.-Nr. E. 1–1955, S. 310. © Victoria and Albert Museum, London.
Abb. 5 British Library London, MS Harley 2278, John Lydgate, Life of St. Edmund, ev. Bury St. Edmunds, zwischen 1434 und 1439, Miniatur »The Birth of St. Edmund«, aus: Henry Shaw, Dresses and Decorations of the Middle Ages …, London 1843, Bd. 2, Taf. 45.
und ein Boot mit Musikanten (S. 87), wie es sich in Kalendarien-Miniaturen flämischer Stundenbücher des 15. und 16. Jahrhunderts finden lässt.174 Andere Zeichnungen BurneJones’ in dem Skizzenbuch basieren auf einer Miniatur nach »Rogier bon temps« (S. 99) und zeigen die Figuren eines stehenden Mannes mit Hut und eines schreibenden Autors inmitten seines detailliert wiedergegebenen Arbeitszimmers (S. 100).175 Die Zeichnung einer Lampe (V&A, Inv.-Nr. E. 9–1976) scheint von Shaw nach einer französischen Handschrift der Bibliothèque nationale übernommen.176 Einzelne Motive wie Seejungfrauen mit erhobenen Händen, die gerne Rundspiegel und Kämme halten, inmitten von 174 Z. B. V&A, The Salting Bequest, MS 2538v und BL, MS Add. 24098, fol. 22v, ca. 1530/1540, Simon Bening zugeschr., oder BL, MS Add. 54782, fol. 54r (Hasting Hours, Gent oder Brügge, um 1475–1483). 175 Der stehende Mann geht zurück auf eine Figur in »Règlement de Comptes de la confrerie de la CharitéDieu et Notre-Dame de Recouvrance de Rouen«, 1466, Livre de Comptes, abgebildet in : Lacroix 1872, Taf. zwischen S. 354/355. Das Autorenbild beruht auf der Darstellung Jean Miélots (1472), BNP, MS fr. 9198, fol. 19r. 176 Nach einer Miniatur aus dem »Traité des Tournois« des Königs René, BNP. Die Tafel bei Shaw 1843, »The Lady of the Tournament delivering the prize«, Shaw 1843 II, Taf. 52 (Shaw/Yenne 1998, S. 101).
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
Abb. 6 Edward Burne-Jones, Skizzen nach Details in Miniaturen, Skizzenbuch, nach 1859, Victoria and Albert Museum, London, Inv.-Nr. E. 4–1955, S. 49. © Victoria and Albert Museum, London.
stilisierten Wellen (V&A, Inv.-Nr. E. 7–1955, S. 104) erinnern an Darstellungen in mittelalterlichen Handschriften des 14. oder frühen 15. Jahrhunderts wie in dem französischen Stundenbuch BLO, MS Douce 62 (fol. 51r), dem »Queen Mary’s Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 96v), dem Alphonso oder Tenison Psalter (BL, MS Add. 24686, England, um 1284–1316, fol. 13r) oder dem Luttrell-Psalter (BL, MS Add. 42130, fol. 70v).177 Ein weiteres Skizzenbuch (V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955) enthält neben Skizzen nach Werken der Antike und italienischen Renaissance auch solche nach italienischen Buchmalereien (S. 66–70) und nach Ornamentbändern aus einem karolingischen »Codex Aureus« (S. 138). Es handelt sich dabei um die Dante-Handschriften der British Library, MSS Add. 19587 (Neapel, um 1370) und Egerton 943 (Emilia oder Padua, 2. Viertel des 14. Jh.), sowie die »Harley Golden Gospels« von ca. 800 (BL, MS Harley 2788 ; ev. Aachen).178 177 Siehe zu Burne-Jones’ Seejungfrauen : Christie’s, 14.6.2005, S. 106–131. Burne-Jones entwarf 1875 Seejungfrauen für einen Stoff für »Morris & Co.«. Er beschäftigte sich besonders in den 1880er Jahren mit diesem Motiv. 178 Vgl. z. B. BL, MS Harley 2788, fol. 7r, 12v, 72r. In diesem Skizzenbuch finden sich auf S. 73–79 auch Zeichnungen nach Kupferstichen von Baccio Baldini, die die Ausgabe der »Divina Commedia« von 1481 durch Nicolo di Lorenzo della Magna, Florenz, illustrieren.
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Edward Burne-Jones und die Buchmalerei
Auch in Burne-Jones’ Skizzenbuch der Italienreise von 1873 (FMC, Inv.-Nr. 10705) finden sich vereinzelt Hinweise auf Buchmalereien, wobei diese wohl hauptsächlich wegen ihrer interessanten Bildmotive ausgewählt wurden. Das Skizzenbuch enthält den Eintrag »Biblioteca Nazionale Dante Comento di F. da Buti 29«.179 Burne-Jones skizzierte auf fol. 19v zwei historisierte Initialen aus dieser Handschrift : ein P in Baumform und ein E mit Flammenmotiven. Dazu vermerkt er die Farbigkeit der einzelnen Motive. Fol. 19r wiederum zeigt die aufgeschlagene Doppelseite eines »Il Convenevolo« mit der Darstellung der Tugenden und Laster und »most beautiful« gezeichneter Figuren, wobei Burne-Jones besonders das Verhältnis von Text und figürlicher Dekoration interessierte.180 Die Mehrzahl der von Burne-Jones ausgewählten Buchmalerei-Vorlagen stammt aus dem flämischen, englischen und französischen Bereich des 15. bzw. frühen 16. Jahrhunderts. Die genaue und feinteilige Wiedergabe von alltäglichen Details der Kleidung und Raumausstattung ließ für Burne-Jones diese Handschriften zu einer wichtigen Quelle für das visuelle Erscheinungsbild der mittelalterlichen Kultur werden. Auch späte Skizzenbücher wie dasjenige in Birmingham von ca. 1890 (BMAG, Inv.-Nr. P6’52) weisen noch Zeichnungen nach Motiven aus Buchmalereien auf, darunter die eines knienden Ritters aus dem Westminster Psalter (BL, MS Royal 2 A. xxii, fol. 220r ; Westminster oder St. Albans, um 1200), vermutlich auf der Abbildung bei Shaw basierend,181 sowie Skizzen von Rittern und Figuren aus einer Prudentius-Handschrift.182 In Burne-Jones’ Sammlung von Photographien dagegen sind nur wenige Abbildungen nach Buchmalereien überliefert.183 Daneben hat sich im Victoria & Albert Museum ein ungewöhnliches von ihm signiertes Blatt erhalten, das die Verkündigung an die Hirten (Inv.-Nr. E. 131–1948) und auf der Rückseite Teile des entsprechenden Bibeltexts nach dem Lukas-Evangelium (Lukas 2, 8–16) trägt, eingeleitet von einer großen farbenprächtigen Initiale A. Diese verbindet Elemente der insularen Buchmalerei des 7. und 8. Jahrhunderts wie Punktreihen, Flechtwerkbänder, Spiralmotive mit solchen der Winchester-Schule des 11. Jahrhunderts wie Spangen, Zentralmotive und Akanthusblätter. Die Mischung und die Anordnung der Einzelmotive, der markante Größenunterschied zwischen dem riesigen A und dem vergleichsweise klein gehaltenen Wortrest »ND« in Rot zeichnen die Arbeit ebenso wie 179 FMC, Inv.-Nr. 10705, fol. 12r, 19r : Bei der Dante-Handschrift handelt es sich um Biblioteca Nazionale, Rom, MS BR. 39 (Magl. I. 29) mit 79 historisierten Initialen, Lombardei, um 1400, Miniaturen von zwei Malern, der eine aus der Schule des Giovannino de’ Grassi. Es findet sich außerdem noch eine Anmerkung zu einer Predelladekoration in Siena (»flowers painted naturally as in illuminated books«). 180 Burne-Jones vermerkte hier, dass der Text teilweise auf das Gewandfutter der Figur eingetragen war. 181 Vgl. Shaw 1843 I, Taf. 17. 182 BMAG, Inv.-Nr. P. 6’52, S. 100, 13. Ähnliche Figuren von Heiligen in antiker Gewandung wie auf S. 100 finden sich auf S. 89. Die Prudentius-Handschrift mit der Angabe »MS 283, Bibl. Imperiale«. 183 University College Library, London, Burne-Jones Collection of Photographs 6, 14 Box Old Masters & Miscellaneous : Buchmalereien von Liberale da Verona. Zu dieser Sammlung : EBJ 1975, Kat. Nr. 347, S. 94.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
die Wahl einzelner Farben – so ein Marineblau und leuchtendes Rot – als ein Produkt des 19. Jahrhunderts aus. Die Schrift ist gotisierend mit aufgespaltenen Stämmen, mit Serifen, Einrollungen am Ansatz der Großbuchstaben, ungewöhnlich gestalteten Großbuchstaben wie dem L mit hochgezogenem Querbalken. Die Illustration besitzt eine stilistische Nähe zu Werken der Nazarener. Zu Darstellungen der Geburt im frühen Werk BurneJones’ wie »The Deliverer« (1865, Illustration für Mrs Gattys »Parables from Nature«) oder dem Triptychon für die Saint Paul’s Church in Brighton (1860, TGL) lassen sich keinerlei Verbindungen herstellen. Der Zusammenhang, in dem die ausgeschnittene Illustration eingeplant war, ist unbekannt. Auch in späteren Arbeiten Burne-Jones’ – etwa »King Cophetua and the Beggar Maid« von 1884 (TGL) – finden sich Einzelmotive, die an Buchmalereien erinnern. In der reich ornamentierten architektonischen Rahmung, deren Einzelmotive von assyrischen Reliefs und spätantiken Seidenstoffen entlehnt wurden,184 erscheinen auch hinter der Lanze des Königs sichtbar, zwei Pfauen zu Seiten eines Baumes. Dieses Motiv erinnert vage an karolingische Miniaturen wie diejenige mit dem Lebensbrunnen, um den symmetrisch Tiere angeordnet sind, im Evangeliar von Saint-Médard in Soissons (BNP, MS nouv. acq. lat. 1203, fol. 3v ; Hofschule Karls des Großen, zwischen 781–783).
2.5 Buchmalerei und die Gestaltung von Flächenmustern : Struktur und Motive Bildete für Burne-Jones die Buchmalerei eine wichtige kulturhistorische Informationensquelle, diente sie als Inspiration für Motive und Ikonographie, so wurde sie für Morris in den 1860er Jahren zu einem wichtigen Fundus für die Mustergestaltung. Bereits Mackail würdigte seine »wonderful faculty of pattern designing« und führte den »unique sense for justness in colour« auf die »admiring study of the best early mediaeval work, especially in illumination« zurück.185 Das bekannteste und in unterschiedlichen Medien verwendete Beispiel für solche Anregungen durch Buchmalerei bildet das Motiv des stilisierten Gänseblümchens »Daisy«, das Morris zum ersten Mal 1859/1860 in Kombination mit anderen Blumen für eine Stickerei für das Schlafzimmer des »Red House« (SoA) verwendete.186 Das Gänseblümchen als Lieblingsblume Chaucers, die er wie ein Ehemann seine Frau verehrte und liebte, 184 Alison Smith in : Barringer/Rosenfeld/Smith 2012, Kat. Nr. 170, S. 222 ; Caroline Arscott, Edward BurneJones (1833–1898), in : Prettejohn 2012, S. 223–235, hier S. 233–234. 185 Mackail 1995 I, S. 114 ; vgl. auch Hart 2012, S. 217. 186 Vorhang für Morris’ Schlafzimmer in »Red House«, Stickerei aus roter, grüner, rosafarbener und gelber Wolle auf indigoblauem Serge, Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 56, S. 118–120 ; Dufty 1985, S. 11, Taf. II, III ; Parry 1987, S. 13 ; Braesel 2009, S. 124–125.
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dient in diesem Kontext als Verweis auf die Liebe Morris’ zu seiner Frau Jane.187 Das Muster aus einem regelmäßigen Nebeneinander von drei- bis fünfstieligen Blüten mit Blattkranz geht wohl auf dasjenige von Wandbehängen in Miniaturen einer FroissartHandschrift der British Library (BL, MS Harley 4379–4380, Brügge, um 1470–1472, Meister des Harley-Froissart und Meister der Wiener Chroniques d’Angletere) zurück, wie es sich zum Beispiel in der Miniatur mit dem »Dance of the Wodehouses« (BL, MS Harley 4380, fol. 1r ; Abb. 7) findet. Sie war auch in der zeitgenössischen Literatur wie in Humphreys’ »Illuminated Illustrations of Froissart« von 1845 abgebildet.188 Morris bezeichnete dieses Buch als »one of my treasures in those times your memory serves you so well in ; and I think I know it pretty well by heart for these many days«.189 Ähnliche florale Motive finden sich auch in Miniaturen einer anderen Handschrift des Meisters des Harley-Froissarts, in derjenigen von Boccaccios »Decamerone« (BL, MS Add. 35322, fol. 1r), sowie im unteren Seitenrand von BL, MS Royal 15 E. vi, fol. 2v (Rouen, um 1445, Miniaturen zugeschr. dem Talbot Meister und dem Meister von Lord Hoos Stundenbuch), und auf dem auch in Shaws »Dresses and Decorations of the Middle Ages« abgebildeten Chaucer-Porträt.190 2013 wurden hinter der Vertäfelung des Salons im »Red House« seitlich der großen Sitzbank und unterhalb von Burne-Jones’ Malereien mit der Hochzeit von Sir Degrevaunt Malereien gefunden, die einstielige Blüten mit Blattkranz vor einem Streifenhintergrund zeigen. Vor den Stielen weht ein Schriftband mit den Worten »Que bien aime tard oublie«.191 Sie bilden eine Variation der »Daisy«-Stickereien. Bentley wies darauf hin, dass das Kompositionsprinzip von »Daisy« eng mit Ruskins im dritten Band der »Modern Painters« formulierten Erörterungen über die Neigung des Mittelalters zu floralen Motiven und dessen Grundlagen der Schönheit verbunden sei, die der Autor in 187 Braesel 2012, S. 132. 188 Humphreys 1845 I, Taf. XXXII, siehe ähnliche Wandbehänge auch in Taf. VIII ; Craik/MacFarlane 1839 II, Abb. auf S. 255. Die Miniatur diente wohl auch Street als Anregung beim Entwurf seiner »Hooded Settle« von ca. 1859, Maureen Harper, Here’s to the Ingle where True Hearts Mingle : The Revival of the Settle and Inglenook by Nineteenth-Century English Architects, in : Journal of the Decorative Arts Society XII, 1988, S. 10–17, hier S. 13. 189 Brief Morris’ an Louisa Macdonald Baldwin, die Schwester von Georgiana Burne-Jones, vom 1.6.1871, zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 137, S. 136. Morris schenkte ihr ein Exemplar dieses Buches (HAC), vgl. MacCarthy 1994, S. 124. 190 Shaw 1843 I, Taf. 38 (Shaw/Yenne 1998, S. 73). Shaws Abbildung basiert auf BL, MS Add. 5141, fol. 1r. Ähnliche Blumenmotive finden sich außerdem in BLO, MS Bodley 968 (vor 1472) und in mittelalterlichen Herbarien wie BLO, MS Canon. Ital. 298 (frühes 16. Jh.), Pächt/Alexander 1966 I, Nr. 724 ; dies. 1970 II, Nr. 1003. 191 National Trust Press Release : Remarkable Wall Painting by Pre-Raphaelite Artists is Uncovered at Home of William Morris, in : The William Morris Society Newsletter, Autumn 2013, S. 38–39, Titel- und Rückseite ; Jan Marsh, Murals at Red House, 19.8.2013, http://janmarsh.blogspot.de/2013/08/murals-at-red-house. html [Zugriff am 3.12.2013].
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Symmetrie, Zierlichkeit, Leuchtkraft der Farben sowie in den Gesetzen von Wachstum und Proportion begründet sah.192 Die Froissart-Miniaturen (z. B. BL, MS Harley 4380, fol. 1r ; Abb. 7) zeigen zudem Wandbehänge, in denen ein Baum mit einem um den Stamm gewickelten Band und ein fliegender Vogel alternieren.193 Eine ähnliche Motivik verwendete Morris für die Kacheln seitlich des Eingangs von »Red House«, als Behang im Hintergrund seines Gemäldes »La Belle Iseult« (1858, TGL ; Taf. 2) und für eine ihm zugeschriebene Stickerei der frühen 1860er Jahre.194 Diese Motive wiederholen sich auch in Rossettis mittelalterlichen Gouachen.195 Somit belässt Morris das Ornament zunächst in dem Medium der Vorlage und überträgt das textile Flächenmuster »Daisy« aus Gänseblümchen, Lichtnelke und Akelei zunächst nicht auf andere Oberflächen. Die späteren Variationen des Musters für eine Tapete (1862/1864) und Kacheln bringen zwar einen Wechsel im Medium, aber keine grundsätzliche Veränderung in Hinblick auf die Funktion der Musterfläche – die der Wanddekoration.196 Morris erkannte in dem flächigen Neben- und Übereinander der blühenden Pflanzen eine Alternative zu den üppigen, dreidimensional wirkenden, plastisch und naturalistisch aufgefassten viktorianischen Flächenmustern für Tapeten, Stoffe und Teppiche, wie sie auch auf der Weltausstellung von 1851 zu sehen waren. Die sorgfältige, gleichmäßige Reihung der stilisierten Naturformen bewahrt dagegen die Fläche des Grundes, dem sie aufgelegt ist, bzw. der Seite der Handschrift, in deren Rändern Morris in den Jahren um 1870 entsprechende Ornamente eintrug. Das florale Motiv entspricht zugleich den Kriterien, die er 1881 in »Some Hints on Pattern Designing« formulieren wird : Klarheit, Lebendigkeit, eine Erinnerung an »the outward face of the earth«, Suggestionskraft statt Nachahmung, Schönheit und Ruhe : It is not better to be reminded, however simply, of the close vine-trellis that keeps out the sun by the Nile side ; or of the wild-woods and their streams, with the dogs panting beside them ; or the swallows sweeping above the garden boughs toward the house-eaves where their nestlings
192 Bentley 2007, S. 24–25 ; Ruskin, Modern Painters III, Lib. Ed. V, S. 263–264, 267–268. 193 Beide Motive, Vögel und Blumen, finden sich z. B. auch nebeneinander in den Wandbehängen der Miniatur auf fol. 135v im ersten Band der Handschrift, BL, MS Harley 4379. 194 Zur Stickerei : Dufty 1985, Abb. VI B auf S. 22 ; Parry 1996, Kat. Nr. M 5, S. 235 ; Christie’s 11.5.2000, Los 4, S. 8–9 ; Braesel 2009, S. 124 ; Alison Smith, in : Barringer/Rosenfeld/Smith 2012, Kat. Nr. 138, S. 183. Watkinson brachte das Motiv mit einer Froissart-Handschrift der Bibliothèque nationale Paris, in Verbindung, Watkinson 1988, S. 28. Es findet sich aber ebenso wie das »Daisy«-Motiv als Muster von Wandbehängen in zahlreichen Miniaturen in Handschriften der British Library wie auch in BL, MS Royal 14 D. v (fol. 8r) aus dem späten 15. Jh. (flämisch, Meister des Harley-Froissart). 195 Dante Gabriel Rossetti, »The Tune of Seven Towers«, 1857, und »Saint George and the Princess Sabra«, 1862 (Surtees 1971 I, Nr. 151, S. 87–88, II, Abb. 219), beide TGL. 196 Siehe Clark 1974, Nr. 1, S. 11 ; Myers/Myers 1996, S. 16–20, Taf. 3–5.
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Abb. 7 British Library London, MS Harley 4380, Jean Froissart, Chroniques, vol. IV, pt. 2, Brügge, um 1470–1472, Meister des Harley Froissart und Meister der Wiener Chroniques d’Angletere, Miniatur mit dem »Dance of the Wodehouses«, fol. 1r. © The British Library Board (MS Harley 4380).
are, while the suns breaks [through] the clouds on them ; or of the many-flowered summer meadows of Picardy ? Is not all this better than having to count day after day a few sham-real boughs and flowers, casting sham-real shadows on your walls with little hint of anything beyond Covent Garden in them ?197
Morris bediente sich der Buchmalerei in seinem Entwurfsverfahren zum einen von einer antiquarischen Haltung aus, die die Kultur des Mittelalters anhand ihrer Realien bzw. ihrer Darstellung in den Miniaturen zu erkennen suchte, zum anderen von der Position der viktorianischen Designreformer, die das zeitgenössische Kunstgewerbe durch umfangreiche Vorlagensammlungen inspirieren sowie zu grundsätzlichen Überlegungen zur Musterstruktur und zum Zusammenhang von Material, Produktion, Funktion, Ornament anregen wollten. Die Buchmalerei wird in diesem Falle deswegen relevant, weil 197 William Morris, Some Hints on Pattern Designing, 10.12.1881, CW XXII, S. 175–205, hier S. 178.
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sie als dasjenige Medium aufzufassen war, das eine vollständigere visuelle Information beisteuern konnte als andere Medien. In den späteren Tapeten- und Stoffentwürfen Morris’ lassen sich ebenfalls in der Struktur des Rankenwerks, in der Anordnung und dem Wachstum der dargestellten Pflanzen, ihrer Auswahl und Stilisierung – wie in Zusammenhang mit seinen Buchmalereien der 1870er Jahre zu zeigen sein wird – vielfache Verbindungen und Anregungen durch die Buchmalerei des Mittelalters und der frühen Renaissance nachweisen. Auch Imogen Hart verglich die floralen Tapetenmuster Morris’ mit Seitenrandornamenten in mittelalterlichen Handschriften.198 Der Entwurf »Jasmine« wiederum erinnerte sie an die Linienführung der Schrift.199 Sie folgerte : »We might therefore see Morris’s patterns as an evolved form of manuscript illumination in which the text itself, though absent, is just under the surface.«200
2.6 Buchmalerei als Anregung für dekorative Bildprogramme Buchmalereien dienten auch als Vorlage für das Programm des Kaminfelds, das die Firma »Morris, Marshall, Faulkner & Co.« in den 1860er Jahren für das Queens’ College, Cambridge, ausführte.201 Das Kachelfeld mit der Serie der Monatsarbeiten entstand ebenso wie die zusätzlichen Felder mit Darstellungen von Margaret von Anjou und Elizabeth Woodville, Förderinnen des College und Frauen Heinrichs VI. bzw. Edwards IV., der beiden Schutzheiligen St. Bernard und St. Margaret sowie der Engel des Tages und der Nacht nach Entwürfen verschiedener Künstler der »Firma«. Die von Morris entworfenen Engel tragen Kugeln, in die eine Mondsichel bzw. eine Strahlensonne eingespannt sind.202 Die Verwendung solcher Kugelformen könnte durch Miniaturen aus illuminierten Bibeln des 13. und 14. Jahrhunderts beeinflusst sein, in denen der Beginn der Genesis oftmals durch einen Miniaturstreifen mit der Darstellung der Weltschöpfung herausgehoben wurde. Die Szenen zeigen Gottvater und, in Kugelformen eingefügt, den jeweiligen Schöpfungsakt.203 Die Kombination der Kugelmotive mit Engeln findet sich 198 Hart 2012, S. 216. 199 Ebd., S. 217. 200 Ebd. 201 Hierzu ausführlich : Myers/Myers 1996, S. 62–67, Abb. auf S. 81–85, Taf. 25–29 ; Braesel 1999. Das Kachelfeld entstand ca. 1862–1864 und um 1875, als wohl die Darstellungen der Königinnen hinzukamen, ebd., S. 63. Diese Datierungen werden durch die Einträge in Browns Auftragsbuch unterstützt, wo die Zeichnungen zu »Lady with a Hawk«, »Cutting trees down«, »Sowing« und »Sheep Shearing« als Kachelentwürfe unter dem Jahr 1862 vermerkt sind, während die Entwürfe für die Königinnen erst unter den Einträgen für 1873 erscheinen, Ford Madox Ford, Ford Madox Brown. A Record of his Life and Work, London 1896, Anhang C, S. 445, 447 ; Myers/Myers 1996, S. 135, Anhang B. 202 Zur Übernahme der beiden Engel in die Glasfenster der »Firma« für die Kirche All Saints, Cambridge, 1866 : Sewter 1975, S. 42 ; Myers/Myers 1996, S. 145, Anm. 164. 203 Vgl. z. B. Genesis und Exodus, Oxford, um 1250–1275, BL, MS Royal 3 E. i, fol. 3r ; französische Bibel des
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auch in Burne-Jones’ Gouachen-Zyklus »The Days of Creation« (1870–1876, Fogg Art Museum, Cambridge, Mass.) und seinen Glasfensterentwürfen für die Kirche All Saints, Middleton Sheney (1870).204 Morris’ Monats-Programm umfasst szenische Darstellungen monatstypischer Aktivitäten. Das Januarfeld (Burne-Jones oder Morris) zeigt den bekrönten Janus, den römischen Gott des Anfangs, der Türen und Tordurchgänge, mit seinen Attributen Schlüssel und Rad.205 Im Februar (Burne-Jones) ist eine Frau dargestellt, die sich in der Küche an einem Kaminfeuer wärmt und einen Valentinsgruß liest.206 Im März (Ford Madox Brown) beschneidet ein Mann die Bäume.207 Wird April (Morris) durch eine junge Frau mit langen blonden Haaren, in denen ein Blattkranz sitzt, und mit einen Zweig in der Rechten repräsentiert, so wird der Mai (Brown) von einer Falknerin verkörpert.208 Die Sommermonate werden durch verschiedene landwirtschaftliche Tätigkeiten vertreten : Juni (Morris) von einem die Sense schärfenden Mäher, Juli (Rossetti oder Morris) von einem Kornernter, August (Rossetti) von einem das Korn dreschenden Mann, September (Rossetti) von einer Frau bei der Weinernte.209 Im Oktober ist eine Schweinefütterung durch herabgeschüttelte Eicheln (Burne-Jones zugeschrieben) gegeben.210 Im November folgt eine Darstellung des Säens (Brown) und im Dezember schließlich die
späten 13. Jh.s, BL, MS Add. 38114, fol. 5r ; flämische Bibel, Liège, um 1430, BL, MS Add. 15254, fol. 13r. Vgl. auch die Abbildung nach einer Miniatur in Brunetto Latinis »Trésor« aus dem 15. Jh. in einer ArsenalHandschrift, in : Lacroix 1877, Abb. 81 auf S. 121. 204 Sewter 1974, Abb. 322. Dabei hat die Wiedergabe der Weltschöpfung mit Engeln, deren Anzahl derjenigen der Schöpfungstage entspricht – wie in Burne-Jones’ Serie –, ihr wohl berühmtestes Beispiel in den Schöpfungsszenen der westlichen Narthexkuppel von San Marco in Venedig, 1220–1275. Diese wiederum lassen, aufgrund sehr genauer Übereinstimmungen, die Kenntnis einer Handschrift wie der heute fragmentierten und beschädigten »Cotton Genesis«, BL, MS Cotton Otho B. iv, vermuten, die wohl um 500 in Alexandria entstanden ist. Waters und Nahum verweisen als mögliche Vorbilder für Burne-Jones’ »The Days of Creation« auf Handschriften der Bible moralisée wie BLO, MS Bodley 270b (Paris, 1235–1345, fol. 1r–5v ; weitere Teile der Handschrift : BNP, MS lat. 11560 und BL, MSS Harley 1526–1527) oder die »Egerton Genesis«, BL, MS Egerton 1894 (Nordengland, Norwich oder Durham ?, 3. Viertel 14. Jh., fol. 1r–1v), Waters/ Nahum 2009, S. 179, 202–203. 205 Zur Zuschreibung : Robinson/Wildman 1980, S. 28 ; Myers/Myers 1996, S. 66, Anm. a-c. 206 Auftragsbuch von Burne-Jones und Liste im Queens’ College Archiv, vgl. Myers/Myers 1996, S. 66, Anm. b-c, sowie Zeichnung, FMC, Inv.-Nr. 1546, Robinson/Wildman 1980, Kat. Nr. 38, S. 27, Abb. 19 auf S. 53, hier noch in einem Gewand, das eher Vorbildern des Spätmittelalters entspricht. 207 Myers/Myers 1996, S. 66, Anm. c-e. 208 Ebd., S. 66, Anm. c, d und f. 209 Ebd., S. 66, Anm. c-g. Zum August : Surtees 1971 I, S. 88, Nr. 154 ; II, Taf. 212. In einer Wiederholung des Kachelfelds (WMGW) wurde im Juni die Darstellung eines Schafscherers (Brown) eingefügt, Myers/Myers 1996, S. 63–64, 66, Anm. d, e, 145, Anm. 153. Zu weiteren Monatszyklen der »Firma« : ebd., S. 64–65, 66, Anm. g, S. 145, Anm. 154. 210 Robinson/Wildmann 1980, S. 28 ; Myers/Myers 1996, S. 66, Anm. b, c, h.
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Szene einer Schweineschlachtung (Brown oder Rossetti).211 Die Szenen sind aus unbekannten Gründen in unterschiedlichen Epochen angesiedelt. Während Januar, April, Mai, August und November Figuren zeigen, deren Kleidung weitgehend im Stil des Mittelalters aufgefasst ist, werden die Szenen für März, Juni, Juli, Oktober und Dezember in die Tudor- oder Stuart-Zeit gesetzt, Februar und September dagegen in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Kachelfelder mit einem umfangreichen Monatszyklus scheinen in den vorangegangenen Epochen eher selten ausgefertigt worden zu sein.212 Robinson und Wildman vermuteten neben Anregungen durch Handschriften des 13. und Almanache des 17. Jahrhunderts auch solche durch den Mosaikboden von Aosta, der in Didrons »Annales Archéologiques« abgebildet war.213 Als weitere mögliche Inspirationsquelle könnte die Serie von Terrakottafeldern von Luca della Robbia (um 1450–1460) vermutet werden, die 1861 vom Victoria & Albert Museum erworben wurde und nach der sich Zeichnungen in einem frühen Skizzenbuch von Burne-Jones erhalten haben.214 Sie weisen allerdings eine Anzahl von Unterschieden gegenüber Morris’ Programm auf, die hauptsächlich in der Zuordnung der Tätigkeiten an andere Monate beruhen, in Abhängigkeit zu dem sich von Nordeuropa unterscheidendem Wechsel der Jahreszeiten in Italien.215 Eine andere Inspirationsquelle könnte in Monatsdarstellungen der Portaldekorationen französischer Kathedralen wie in Chartres, Paris und Amiens vermutet werden. Der Morris’sche Kachelzyklus entspricht der Serie an der Westfassade von Chartres in den Monatsdarstellungen von Januar bis Juli, und auch in der Sockelzone der Westfassade von Amiens lassen sich Parallelen zu den Monaten Januar, Februar, März, Juni, Juli, August, November und Dezember feststellen.216 Morris hatte 1854 während der Semesterferien im Zuge seiner Nordfrankreich-Reise die Kathedralen von Amiens, Beauvais, Chartres und Rouen besichtigt und sich auch in Paris 211 Ebd., S. 66, Anm. c-e, g, i ; Robinson/Wildman, 1980, Kat. Nr. 39, S. 27 mit Zuschreibung an Brown. 212 Geläufig dagegen waren um 1600 Kachelzyklen mit den Personifikationen der Jahreszeiten in Landschaften, vgl. Rosemarie Franz, Der Kachelofen. Entstehung und kunstgeschichtliche Entwicklung vom Mittelalter bis zum Ausgang des Klassizismus, Graz 1969, Taf. 401–404, 409–410, S. 124–125. 213 Robinson/Wildman 1980, S. 28 ; Adolphe Napoleon Didron (Hrsg.), Annales Archéologiques XVII, Paris 1857, S. 265–270, Frontispiz ; Braesel 1999, S. 28. Zur Tradition der Monatsarbeiten im Allgemeinen : Paul Brandt, Schaffende Arbeit und Bildende Kunst im Altertum und Mittelalter, Leipzig 1927 ; Raimond van Marle, Iconographie de l’art profane au Moyen-Age et à la Renaissance et la décoration des demeures. La vie quotidienne, Den Haag 1931 ; James Carson Webster, The Labours of the Months in Antique and Mediaeval Art to the End of the Twelfth Century, Princeton 1938. 214 V&A, Inv.-Nr. E. 4–1955, fol. 78r. Zu den Terrakottafeldern (Inv.-Nr. 7632–7643–1861) : John Pope-Hennessy, Catalogue of Italian Sculpture in the Victoria & Albert Museum, Bd. I : Eigth to Fifteenth Century, London 1964, Nr. 82–93, S. 104–112. 215 Die Abfolge der Monate in den della Robbia-Feldern entspricht derjenigen in Lucius Junius Columellas »De Re Rustica«, ebd., S. 108. Zu den Abweichungen : Braesel 1999, S. 28. Morris erwarb, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt, ein Exemplar des Columella-Textes (heute : PML, MS M. 139), datiert 10.9.1469. 216 Vgl. Braesel 1999, S. 29.
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aufgehalten. Weitere Besuche schlossen sich 1855 mit der Reise nach Abbeville, Amiens, Beauvais, Chartres, Rouen und Paris und im Oktober 1859 an.217 Als Vorlage zu erwägen ist auch der Monatszyklus von San Marco in den Archivolten des mittleren Portals der Westfassade, den Morris zu diesem Zeitpunkt vielleicht durch die Beschreibung in Ruskins »Stones of Venice« von 1851–1853 kannte.218 Ruskin setzte den venezianischen mit nordalpinen Monatszyklen in französischen Handschriften des späten 13. Jahrhunderts, einer französischen und englischen des frühen 14. Jahrhunderts sowie einem flämischen Stundenbuch des 15. Jahrhunderts in Beziehung, ohne die von ihm konsultierten Handschriften zu nennen, wobei er die einzelnen Zyklen in tabellarischer Form übersichtlich einander gegenüberstellt.219 Wie aus Einträgen mit der Überschrift »Books for Calendars« in Morris’ Notiz- und Skizzenbuch (BL, MS Add. 45305, fol. 6r–7v) hervorgeht, betrachtete auch Morris gerade während der Arbeit an dem Kachelfeld Kalendarien in Stundenbüchern des 15. Jahrhunderts aus der Sammlung der British Library, und es kann vermutet werden, dass dieses geschah, um das Cambridger Programm der Monatsarbeiten vorzubereiten.220 1894 bezeichnete er Kalendarien als »exceedingly interesting, from the representations given in it of domestic occupations«.221 Morris setzte die Anregungen durch die Monatsarbeiten in keiner anderen dekorativen Arbeit um und auch in die Einleitungsgedichte zu den Monatsabschnitten in »The Earthly Paradise« oder andere frühe Schriften scheinen sie nicht aufgenommen worden zu sein. Seine Beobachtungen zu den Stundenbüchern ordnete Morris in Tabellen, wobei die Kriterien, die die Auswahl der Manuskripte bedingten, etwa ob es sich um eine gezielte oder zufällige Wahl handelte, unbekannt sind. Es ließe sich jedoch vermuten, dass Morris’ Entscheidung, sich weniger die künstlerischen Höhepunkte einer Epoche, sondern eher Stundenbücher von mittlerer Qualität anzusehen, zum Ziel hatte, Zyklen mit weitgehend bürgerlich-bäuerlichen Szenen und Tätigkeiten als Vorlage zu verwenden und nicht »gemischte Zyklen« mit Szenen aus dem Leben des Adels und der bäuerlichen Bevölkerung, wie in den »Très Riches Heures« des Duc de 217 218 219 220
Mackail 1995 I, S. 48, 71–77. Ruskin, Lib. Ed. X (The Stones of Venice, Bd. II The Sea Stories), S. 317–322. Ebd., S. 322. Zur Datierung des Skizzenbuches : Rosenbaum/Pearson 1993, S. 480, 739–740, MoW 1779.5. Das Notizbuch wurde bisher etwas später, in die Jahre 1865–1867, datiert, da in ihm erste Entwürfe zu einem Prolog und eine Liste mit möglichen Illustrationen zur Amor und Psyche-Geschichte für »The Earthly Paradise« (fol. 120v) zu finden sind, vgl. The British Museum Quarterly 14, 1940, Reprint Amsterdam 1966, S. 9. Neue Überlegungen zur Chronologie von Morris’ Arbeit an »The Earthly Paradise« und das Wasserzeichen des Papiers von 1859, haben zu einer früheren Datierung in die Zeit um 1860 geführt. Zu den Zusammenhängen von Kachelzyklus und Kalendarien-Miniaturen : Braesel 1999. Ein »MS notebook« von Morris mit »chiefly notes on books in British Museum« wird aufgelistet in Morris’ Bibliothekskatalog Bridwell Lib., Nr. 6, fol. 1r. 221 William Morris, Some Notes on the Illuminated Books of the Middle Ages, 1894, in : Morris 1982, S. 7–14, hier S. 10.
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Berry (Musée Condé, Chantilly, MS 65, um 1415).222 Morris entschied sich in der Konzentration auf Stundenbücher des 15. Jahrhunderts für eine Epoche, in der dieses Genre eine Blüte erlebte und mit dem zunehmenden Naturalismus die Darstellungen auch eine höhere Detailliertheit und Erzählfreude erreichten. Auf fol. 6r und 6v seines Notizbuches finden sich Anmerkungen in Form knapper Szenenbenennungen von Januar bis Dezember zu den Monatsdarstellungen in den Stundenbüchern MSS Harley 5049, 2917, 2915, 2934 und 2438.223 Die meisten dieser Stundenbücher stammen aus dem 15. Jahrhundert, wobei MSS Harley 2915 und 2934 durch Morris um 1420, MS Harley 5049 um 1490 datiert wurden.224 Die Entstehung von MS Harley 2438 vermutete er um 1280.225 Vergleichend versuchte Morris herauszufinden, welche Szenen traditionell den jeweiligen Monaten zugeordnet wurden. In einigen Fällen ist zu den einzelnen Szenen eine knappe Bewertung wie »good« oder »very good« eingetragen.226 Allgemeinere Bemerkungen zur künstlerischen Qualität und eine Datierung finden sich im Anschluss an den Dezembereintrag. Sie verraten Morris’ auch ästhetisches Interesse an den Miniaturen. So bezeichnete er die relativ einfach, z. T. in eher flüchtiger, stilisierender Zeichnung und in flächigem Farbauftrag ausgeführten Miniaturen in MSS Harley 5049 und 2917 als »fair« und »fair very good«. MS Harley 2915, dessen Figuren in kleinen, sorgfältig gemalten Szenen in einer Farbigkeit aus Grisaille und farbigem Inkarnat vor grün-gelb-tonige Landschaften gestellt sind, beurteilte er als »all good good book«. Das reich dekorierte MS Harley 2934 verglich er mit dem Bedford Stundenbuch (BL, MS Add. 18850) : »like Bedford elaborate«.227 Auf fol. 7r und 222 Es ist ungewiss, ob Morris zum Zeitpunkt der Konzeption der Kachelserie dieses Stundenbuch schon kannte, das 1855 durch den Duc d’Aumale erworben und erst durch Léopold Delisles Untersuchungen »Les livres d’Heures du Duc de Berry« in der Gazette des Beaux-Arts 1884 einem weiteren Kreis bekannt gemacht wurde (Bd. XXIX, S. 97–110, 281–292, 391–405). Vorher finden sich Beschreibungen der Miniaturen bei Gustav Waagen, »Galleries and Cabinets of Art in Great Britain«, London 1857, S. 248–259, der zwar ausführlich auf die Monatsdarstellungen eingeht, aber keine Abbildungen beigibt. Ähnliches muß auch für den Zyklus der Monatsdarstellungen in dem Adlerturm des Castello del Buon Consiglio, Trient, aus der Zeit vor 1407 gelten, die wie die »Très Riches Heures« Szenen des höfischen und des bäuerlichen Lebens in Landschaften verbinden. Morris hat diese Gegend Italiens nie besucht, so dass er die Wandmalereien nicht aus der direkten Anschauung kannte, und die Publikationen zum Zyklus setzen erst später, am Ende des Jahrhunderts, ein, vgl. Steffi Roettgen, Wandmalerei der Frührenaissance in Italien 1400–1470, München 1996, S. 28–31 und S. 447. 223 Eine Transkription der Einträge ist als Anhang beigefügt, Anhang I. 224 Bl, MS Add. 45305, fol. 6v. BL, MS Harley 2915 wird heute um 1450 datiert, in Frankreich lokalisiert und die Miniaturen dem Fastolf-Meister zugeschr.. 225 BL, MS Add. 45305, fol. 6v. 226 Als »good« bezeichnete Morris die Monatsdarstellungen zu Mai, Juni, November in MS Harley 2915, zu Mai, Juni, September, November in MS Harley 2934 und zu April, Mai und Juni in MS 2716A, BL, MS Add. 45305, fol. 6r, 6v, 7r. Die April-Miniatur von MS Harley 2935 beurteilte er als »very good«, ebd., fol. 7r. Allein zu MS Harley 2438 gibt Morris, abgesehen von einer Datierung, keinen Kommentar. 227 Es muss sich bei der von Morris erwähnten Handschrift um BL, MS Add. 18850 handeln, das 1852 vom
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7v schließt sich eine entsprechende Tabelle mit Notizen zu MSS 2716.A, 2719.B, MSS Harley 2935, 2936, 5762, 2924, 2863, MSS Add. 4836 und 21909 an.228 Dabei sind zu den letzteren Handschriften nur noch allgemeine Vermerke zu Qualität, Charakter und Besonderheiten der Dekorationen eingefügt. Besondere Erwähnung finden MSS Add. 21909 und Harley 2863 mit dem Lob als »small book very good c. 1470« und »very elaborate good calendar«.229 Aus Morris’ Einträgen lässt sich die folgende Zuordnung der Monatsarbeiten aufstellen : Januar – Speisen und am Ofen sitzen, Janus ; Februar – Am Feuer wärmen ; März – Beschneiden von Bäumen ; April – Männer mit Blumen oder Männer, einen Baumstamm über der Schulter tragend ; Mai – Falkenjagd ; Juni – Gras oder Heu mähen ; Juli – Kornernte ; August – Dreschen ; September – Weinernte oder Wein treten (Keltern) ; Oktober – Säen ; November – Abschlagen der Eicheln zur Fütterung der Schweine oder Schweine schlachten ; Dezember – Backen, Schweine schlachten. Diese Liste zeigt eine weitgehende Übereinstimmung der Monatsarbeiten mit denjenigen in der Serie des Queens’ College auf. Allerdings ist die Darstellung des Janus als König mit den Attributen des Schlüssels und des Rades für diesen Kontext ungewöhnlich. Abweichungen gegenüber den Kalendarienvorbildern sind im Queens’ College lediglich im Oktober und November auszumachen, deren jeweilige Szenen vertauscht wurden, so dass das Eichelnabschlagen im Oktober, das Säen im November gezeigt werden. Hervorzuheben ist außerdem, dass Morris’ Bemerkungen zu szenischen Darstellungen in den von ihm angesehenen Handschriften mit einer Ausnahme – dem Verweis auf die David-Darstellung in MS Harley 2917 – nur den Monatsarbeiten galten, er sich zu dem Szeneninhalt weiterer Miniaturen der Stundenbücher keine Notizen machte. Listete er die Darstellungen in den ersten Stundenbüchern, die er betrachtete, auch bei Wiederholungen noch genau auf, lässt sich feststellen, dass er bei den späteren Beispielen das Interesse an einer genauen Notierung verlor und nur noch von dem bereits erstellten Kanon abweichende Szenen aufschreibt. Diese Vorgehensweise macht deutlich, dass er eine Übersicht über die Motive, die für die Darstellung der jeweiligen Monate verwendet wurden, erstellen wollte und die Stundenbücher mit einem klaren Ziel als Vorlagenmaterial konsultierte. Da Morris auch für andere Arbeiten Anregungen aus illuminierten British Museum erworben wurde, da MS Add. 42131, das in England für John, Duke of Bedford illuminierte Stundenbuch mit Psalter, erst 1929 von der British Library gekauft wurde und sich bis dahin in Lulworth Castle befand. In der Illustrated London News vom 7. Mai 1853 waren die beiden Stifterporträts der Handschrift abgebildet (S. 355–356). 228 Es ist unbekannt, um welche Handschriften es sich bei MSS 2716.A, 2719.B handelt. Ich danke Janet M. Backhouse von der British Library für ihre freundliche Unterstützung in Zusammenhang mit diesen Signaturen. Auf fol. 99v ist in Morris’ Skizzenbuch, BL, MS Add. 45305, eine weitere Tabelle eingetragen, doch fügte er außer der Inventarnummer MS Harley 2936, zu dem sich Eintragungen auf fol. 7r erhalten haben, nichts ein. 229 BL, MS Add. 45305, fol. 7v.
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Handschriften bezog, sollte es verwundern, wenn er bei einem Thema, dass eine Orientierung gerade an diesen Beispielen nahelegt, davon abgesehen hätte. In einem anderen Skizzenbuch (BL, MS Add. 45336), das wegen des Inhalts der Notizen wohl an den Anfang der 1860er Jahre zu datieren ist, sind Anmerkungen zu und Skizzen nach Handschriften aus der British Library enthalten, die in Zusammenhang mit Aufträgen der »Firma« entstanden.230 Die Zeichnungen der Himmelfahrt Christi und von Gruppen von Knienden (ebd., fol. 15r) nach Miniaturen des »Queen Mary’s Psalters« (BL, MS. Royal 2 B. vii, fol. 297v, 309v, 310r) dienten als Vorlage für die Himmelfahrtsszene der Glasfenster der Kirche All Saints in Selsley, Gloucs. (1861–1862).231 Darstellungen der Darbringung im Tempel aus demselben Manuskript (fol. 149r, 297v) wurden vielleicht für die Gestaltung dieser Szene in einem der Fenster für St. Chad’s in Bishop’s Tachbrook (1863) herangezogen, wenn auch die direkte Vorlage woanders zu suchen ist.232 Auch die Figur einer Frau und zweier weiterer Kniender in Morris’ Skizzenbuch gehen wohl auf den »Queen Mary’s Psalter« zurück (BL, MS Add. 45336, fol. 24r, 15v).233 Außerdem finden sich in dem Notizbuch Skizzen eines sitzenden Königs (ebd., fol. 28v),234 nach einer byzantinischen Handschrift (fol. 29r),235 die Figur eines Stehenden in langem Gewand (fol. 43v) sowie kurze charakterisierende Anmerkungen zu verschiedenen Handschriften der British Library.236 Vermerkt in der Liste konsul230 Von May Morris in das Jahr 1862 datiert, Morris 1966 I, S. 393–394, 400–401. 231 O’Connor 1984, S. 39, Kat. Nr. 91–93, S. 150 ; Sewter 1974 I, S. 61, Abb. 50–51. Entwurf in den BMAG, Wildman 1995, Kat. Nr. 56, S. 194–195. 232 Die Zeichnung der Darbringung im Tempel, BL, MS Add. 45336, fol. 34r, geht wohl entgegen der Auffassung O’Connors nicht auf die beiden Darstellungen in BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 149r und 297v zurück, O’Connor 1984, S. 39, Kat. Nr. 94–95 auf S. 151 ; Sewter 1974, Taf. 305 und 395 : Wiederverwendung der Kartons in Llandaff Cathedral, Glamorgan, 1869, und St. Martin’s Margate, Cheshire, 1873. Die Abweichungen zwischen Zeichnung und Miniaturen sind zu groß : So trägt bei Morris eine Frau das Taubenkörbchen, in BL, MS Royal 2 B. vii ein bärtiger Mann. Auch das Arrangement von Marias Mantel, die Gewandung des Priesters sowie die Haltung des Jesuskindes unterscheiden sich maßgeblich. 233 BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 308v, 234r (Bas-de-page), und eventuell fol. 297v (dann seitenverkehrt). Vielleicht geht auch der Engelsflügel, BL, MS Add. 45336, fol. 30r, auf Engelsdarstellungen im »Queen Mary’s Psalter« zurück. Möglicherweise dienten als Vorlage für die Himmelfahrt, die Engelsfiguren und die Knienden die Umrisszeichnungen in Nathaniel Hubert John Westlake, The Litany sketched from a Psalter executed in England about 1320, London 1858. 234 Hierbei scheint es sich um die Darstellung Karls des Kahlen in der Bibel von S. Paolo fuori le mura, Rom, zu handeln. Morris könnte dieses nach der Abbildung bei Bernard de Montfaucon, Les Monumens de la Monarchie Françoise qui comprennent l’Histoire de France, 5 Bde., Paris 1729–1733, Bd. I, Taf. XXVII kopiert haben. Unterschiede finden sich in der Musterung des Gewands. 235 Es handelt sich dabei um einen griechischen Psalter von 1066, BL, MS Add. 19353, fol. 91v. 236 BL, MS Add. 45336, fol. 40v, zu BL, MS Harley 2952, ein französisches Stundenbuch aus dem 1. Viertel des 15. Jh.s : »early 15., very good borders, good pictures«. Ebd., fol. 43v : zu BL, MS Egerton 1147, einem flämischen Stundenbuch aus der Zeit um 1500 : »good flemish hours« ; zu MS Harley 4940 : Breviare D[’] A[mour] ; zu MS Sloane 3049 (»Livre des Anges«, Tours, um 1480) : »Angels etc.« ; MS Add. 24189 (Böh-
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tierter Handschriften sind MS Harley 4940, das Morris vermutlich wegen der Darstellung der Sternzeichen und der Mustergründe ansah, und MS Royal 19 B. xvii (Jacobus de Voragine, Legenda Aurea, Übers.: Jean de Vignay, um 1340) mit einer Miniatur der Marienkrönung auf fol. 5r.237 Interessant ist der Verweis auf MS Royal 20 C. iv (»Le Livre de Jehan Bocace des cas de nobles hommes et femmes«, 1. Viertel des 15. Jh.), zu dem Morris festhält : »Cas de nobles hommes, 1 picture wheel of fortune«.238 Vielleicht lag die Personifikation der Fortuna bzw. diejenige in der Londoner Christine de PisanHandschrift (BL, MS Harley 4431, fol. 129r) der Gestaltung eines Glasfensters für das »Red House« zugrunde, in dem Fortuna und Amor einander gegenüberstehen.239 In der Miniatur in BL, MS Royal 20 C. iv, fol. 1r, dreht die geflügelte und bekrönte Fortuna, deren Augen verbunden sind, das Rad, auf dem verschiedene Würdenträger sitzen, heraufgetragen und herabgestürzt werden, während in Morris’ Fenster Fortuna zwar verbundene Augen aufweist, aber das Rad ohne Figuren nun in ihren Händen trägt. Einen engeren Bezug zum Motiv der Miniatur weist Burne-Jones’ Darstellungen der Fortuna aus dem Kontext des Troja-Triptychons auf, in dem sie als erste der Predella-Personifikationen erscheint. Sie dreht das Rad, auf das die nackten michelangelesken Körper eingespannt oder gekettet sind. Ist sie in frühen Studien von 1870–1872 noch mit einer Augenbinde gezeigt,240 so schließt sie in der Ölfassung von 1875–1883 (Musée d’Orsay, Paris) lediglich ihre Augen. Auf fol. 29v des Skizzenbuches finden sich Zeichnungen nach Blattkrägen und floralen Ornamenten des Hintergrunds aus der Londoner Mandeville-Handschrift (BL, MS Add. 24189, Böhmen, um 1400/1410, z. B. nach fol. 7r–v), die auch in der Liste auf fol. 43v enthalten ist. Auf fol. 23r sind ein sitzender König und eine stehende nimbierte Frau eingetragen, die vielleicht ebenso wie die Darstellungen auf fol. 30r von einem alten, bärtigen Mann, einem Flügel (eines Engels ?) sowie von heraldischen Motiven auf Buchmalerei-Vorlagen zurückgehen. Auf fol. 40v sind neben Zeichnungen von Rüstungsteilen und Rittern auch florale Motive kopiert, wie sie Morris in seinen eigenen Handschriften variieren sollte : Doldenblüten und Akanthusblätter. men, um 1400/1410) : »Manndeville [sic !]« ; MS Royal 19 C. iv (Le Songe du Vergier, zugeschr. Evrart de Trémaugon, Paris, 1378) : »Songe du Vergier«. Weiterhin finden sich die nicht kommentierten Kürzel +95, 250 vol. 2 (fol. 40v) und 144, 137, 214+ (fol. 43v). Siehe auch die Aufstellung unter Anhang I. 237 BL, Add. MS 45336, fol. 43v ; Warner/Gilson 1921 IV, Taf. 108. 238 BL, Add. MS 45336, fol. 43v. Vgl. auch BL, MS Royal 18 D. ii, fol. 30v : John Lydgate, Troy Book, Siege of Theben u. a. Texte, England, 1457–1460 sowie 1490–1530. 239 Sewter 1975 II, S. 15 : datiert um 1861 und Morris zugeschr.; Marsh 2006, S. 78 : datiert um 1863 und Burne-Jones zugeschr. Allerdings ist die Fortuna der Buchmalerei als geflügelte Königin mit Augenbinde dargestellt, während bei der Fortuna des Fensters sowohl Flügel als auch Würdezeichen fehlen. 240 Edward Burne-Jones, vier Wasserfarben-Studien mit den Personifikationen der Fortuna, des Ruhms, der Vergänglichkeit und der Liebe in einen Rahmen montiert, 1870–1872, Privatsammlung ; Gouache der Fortuna, 1870–1871, Tullie House Museum and Art Gallery, Carlisle.
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Es ist zu vermuten, dass Morris die Handschriften vornehmlich aus ikonographischen Gründen konsultierte, um sich über die Darstellung religiöser Themen im frühen Mittelalter zu informieren und diese dann als Vorlagen für seine Glasfensterentwürfe zu verwenden. So scheint auch die Darstellung der Wurzel Jesse in dem Fenster für St. Stephen’s, Guernsey, von ca. 1864, auf Miniaturen wie des »Gorleston Psalters« (BL, MS Add. 49622, fol. 8r) von ca. 1310–1320, oder des »Queen Mary’s Psalters« (BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 67v) zu beruhen.241 Letzterem ist der Entwurf in Hinblick auf den aufgestützen Kopf des Jesse und die Anordnung der seitlichen Ranken enger verwandt. Anregungen mag Morris auch durch die Darstellung musizierender Engel im »Queen Mary’s Psalter« gewonnen haben.242 Burne-Jones’ Entwurf für das Glasfenster mit der Darstellung der Wurzel Jesse für die Kirche Holy Cross and St. Lawrence in Waltham Abbey, Essex, von 1860 wiederum basiert auf der Miniatur des »Gorleston Psalters«.243 Übernommen wurden das Haltungsmotiv des Jesse, der Faltenwurf seines Gewandes, die Rankenstruktur, die Medaillons ausformt, in die Figuren eingefügt sind, sowie die Gestaltung der Kreuzigung, die entsprechend auf der Mittelachse eingetragen ist.244 Das Motiv des sitzenden, die Harfe spielenden Königs David in Morris’ Entwurf für das Glasfenster in St. Martin’s on the Hill in Scarborough von 1862 lässt sich auf den Typus des Königs, wie er sich in der Jesse-Miniatur des »Queen Mary’s Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 67v) oder in der Initiale der Beatus-Seite des Alphonso oder Tenison Psalters (BL, MS Add. 24686, fol. 11r) findet, zurückführen.245
2.7 Buchmalereien als Anregung für Motive in Morris’ Gedichten Miniaturen dienten Morris jedoch nicht nur als Inspiration für Entwürfe im Bereich der bildenden und dekorativen Künste, sondern auch als motivische Anregungen für seine Dichtungen. Bisher wurde der Einfluss der Buchmalerei auf Morris’ dichterisches Werk jedoch kaum untersucht. Nur Silver zog 1982 einen Vergleich zwischen der Landschaftsbeschreibung in »The Story of the Unknown Church« und Miniaturen in Buchmalereien. Die von ihr zitierte Beschreibung eines Felds mit goldenen Ähren, Mohn- und Kornblumen weist jenes florale Repertoire auf, das sich in den Seitenrändern der Handschriften 241 Sewter 1974, Abb. 204–206 ; zum Entwurf in der Sammlung der BMAG : Hidden Burne-Jones 2007, Kat. Nr. 4, S. 40, Abb. auf S. 48. Das Fenster entworfen von Philipp Webb unter Einbeziehung von Figurenmotiven von Morris, Burne-Jones, Rossetti und Brown, Waggoner 2003, S. 15 zu Abb. 6. Vgl. eine Morris zugeschr. Zeichnung des Jesse, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.352. 242 BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 3v, 168v. 243 Entwurf von 1860–1861, BMAG, Hidden Burne-Jones 2007, Kat. Nr. 4, S. 40. 244 Vgl. O’Connor 1984, S. 35. 245 Sewter 1944, Taf. 77, und 1975, S. 169. Vgl. auch Beatus-Initiale, Luttrell-Psalter, MS Add. 42130, fol. 13v ; BL, MS Add. 11639, fol. 117v (Nordfrankreich, um 1280).
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aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wiederholt.246 Von Seiten der Literaturwissenschaft wurde allerdings auf die intensive Bildhaftigkeit, die Freude an der Schilderung von Details und visuellen Phänomenen in Morris’ frühen Dichtungen hingewiesen.247 Schon Morris’ Zeitgenossen betonten indes, allerdings ins Negative tendierend, die Nähe seiner Gedichte zur mittelalterlichen Buchmalerei, die sie in der ungewöhnlich nahsichtigen, genauen Beschreibung begründet sahen : He works in the patient spirit of the illuminators, but then he is grotesque as well as minute and patient. All his thoughts and figures are represented on a solid plane ; he has no notion of distance, or aerial perspective, or gradation of tints […]. He has abundance of vivid, positive colour, sharp outline, and great richness of word diaper, with a certain stiff, antique, cumbrous embroidery of diction ; but it is all cold, artificial, and angular.248
Morris griff als Inspiration allerdings nicht auf die Buchmalerei-Vorlagen aus dem 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts zurück, die seine Entwürfe beeinflussten und denen später sein vornehmliches Interesse als Buchsammler galt, sondern auf solche aus der Zeit um 1500, die er in seinen Vorträgen der 1890er Jahre in Hinblick auf die Gattungsspezifika der Buchmalerei eher kritisch betrachtete. Entsprechende motivische Parallelen lassen sich zwischen Morris’ Gedicht »Golden Wings«, das 1858 in »The Defence of Guenevere and other Poems« publiziert wurde, und Miniaturen des Rosenromans der British Library (MS Harley 4425 ; Abb. 2) ausmachen.249 Sie sind schon am Beginn von »Golden Wings« in der Beschreibung der Burg zu finden, für deren mit Äpfeln bewachsenen Ziegel- und Steinmauern, ummauerten Garten, Wassergraben und »old knight for a warden« Morris Motive der Miniatur auf fol. 39r aufzugreifen scheint.250 Zwar wechselte er den Bewuchs der Mauern aus, doch wirkt seine Beschreibung der Burg wie diejenige in der Miniatur, allerdings ins Idyllische gewandelt, denn er verzichtet auf die dort dargestellten wachenden Soldaten. Die farbliche Kombination aus Ziegeln, Stein und Äpfeln wiederholt sich in in einer Miniatur auf fol. 12v der Handschrift, die Paare in einem Garten zeigt, dessen Mauern mit Rosen bewachsen sind und in dem Apfelbäume stehen, die von blattlosen schwarzen 246 Silver 1982, S. 6. Vgl. auch Morris’ Beschreibung eines Kornfelds während seiner Frankreich-Reise von 1855 in einem Brief an Cormell Price vom 10.8.1855, Kelvin 1984 I, Nr. 11, S. 20, 22 ; May Morris, in : CW IX, S. xviii-xix. 247 Lothar Hönnighausen, Präraphaeliten und Fin de Siècle. Symbolistische Tendenzen in der englischen Spätromantik, München 1971, S. 185–188 ; Valentine 1975, S. 83–89 ; Silver 1982, S. 2, 5,13 ; Carley 1990, S. 22 ; McGann 1992, S. 59–64. 248 Saturday Review, 20.11.1858, S. 506–507, hier S. 506. Vgl. Cruise 2010, S. 125. 249 Vgl. Braesel 2004a. 250 CW I, S. 116, Vers I, Zeile 3, 1, 4, Vers II, Zeile 1, 2, 3, und Vers IV, Zeile 1. »Jealousy« ist in der Miniatur als bärtiger Mann mit Schlüsselbund dargestellt.
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Bäumen mit schwarzen Vögeln überragt werden.251 Diese Zusammenstellung könnte eine Parallele in der in Morris’ Gedicht langsam zunehmenden Verfallsstimmung finden. Die Miniatur auf fol. 12v verwendete Morris auch für die Gestaltung seines Gartens im »Red House«. So findet sich in seinem Skizzenbuch eine Zeichnung (BL, MS Add. 45336, fol. 12r) von einem Garten mit Mauer, Spalieren, mittig platzierten Bäumen und einem grob eingezeichneten Brunnen, die den Garten in der Miniatur des Harley-Rosenromans kopiert.252 Die sich in »Golden Wings« in einem Garten ergehenden Liebespaare mit Rosengirlanden im Haar und rot-weißen Gewändern wiederum verweisen auf fol. 14v des Rosenromans, auf dem sich ähnliche Paare in reicherer Farbigkeit und ohne Girlanden finden.253 Dieses Szenarium, auf dessen Beziehungen zum Paradiesgarten und zum Garten der irdischen Genüsse Wiehe hinwies, entspricht auch dem am Anfang des Gedichtes geschilderten Zustand, der am Ende durch Zerstörung und Krieg aufgelöst wird.254 Morris betonte in seinem Gedicht den Paradiesaspekt, indem er die Rosen der Miniaturen gegen Äpfel austauschte. Er wendete sich in seiner Beschreibung in »Golden Wings« auch genauer dem Treiben auf dem Wassergraben zu, auf dem sich ein »boat / Of carven wood, with hangings green / About the stern« befindet, in dem sich während der Sommertage gerne Liebespaare aufhalten.255 Dieses Motiv findet sich zwar nicht in der flämischen Handschrift, wurde aber gerne als Maibild in den Kalendarien flämischer Stundenbücher des 15. und 16. Jahrhunderts wie BL, MS Add. 18855, fol. 108–109, oder BL, MS Add. 24098, fol. 22v, verwendet.256 Dass Morris sich die Landschaften in den flämischen Miniaturen genau ansah, geht auch aus einer Äußerung in den 1890 publizierten »News from Nowhere« hervor, wenn er im zweiten Kapitel den Helden äußern lässt : »I had perhaps dreamed of such a bridge, 251 Zu einer ähnlichen Gartenszenerie mit Ziegelmauer, Rosenstöcken und laublosen Bäumen vgl. Rossettis »The Bower Garden« von 1859, Privatbesitz, Surtees 1971 I, Nr. 112, S. 68, II, Abb. 167. 252 Zu einem Vergleich des Gartens des »Red House« mit Gartendarstellungen in Miniaturen mittelalterlicher Buchmalereien : Dunlap 1972/1976, S. 38 ; Treuherz 1984, S. 168 ; Sheila Kirk, Philip Webb. Pioneer of Arts & Crafts Architecture, Chichester 2005, S. 26 ; Braesel 2009, S. 131–132. 253 CW I, S. 117, Vers XII–XVI. 254 Roger Wiehe, Sacred and Profane Gardens : Self-Reflection and Desire, in : Pre-Raphaelite Painting and the Poetry of the Rossettis, in : de Girolami Cheney 1992, S. 109–127, hier S. 109. 255 CW I, Vers IV, Zeile 4 bis Vers V, Zeile 2. 256 BL, MS Add. 18855 : Brügge, um 1550, Simon Bening zugeschr., ehem. Sammlung Tobin ; das Mai- und September-Blatt, V&A, Salting Bequest, MSS 2538 und 2600 ; Thomas Kren/Scott McKendrick (Hrsg.), Ausst.-Kat. Illuminating the Renaissance. The Triumph of Flemish Manuscript Painting in Europe, The J. Paul Getty Museum, Los Angeles, und Royal Academy London, 2003–2004, Los Angeles 2003, Kat. Nr. 159, S. 483–484. BL, MS Add. 24098 : zur Zuschreibung an Simon Bening, 1520–1530, vgl. Backhouse 1997, Nr. 210, S. 231. Die Mai-Miniaturen der beiden Handschriften entsprechen einander in großen Zügen, wobei das Salting-Blatt detaillierter und reicher gestaltet ist.
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but never seen such an one out of an illuminated manuscript ; for not even the Ponte Vecchio at Florence came anywhere near it«.257 Als weiteres Beispiel für mögliche Anregungen durch Stundenbücher des späteren 15. Jahrhunderts findet sich in Morris’ Gedicht »A Good Knight in Prison« aus »The Defence of Guenevere« der Verweis auf die Falkenjagd.258 Dieses Motiv erscheint auch in der Mai-Darstellung Browns auf dem Queens’ College-Kachelfeld. Dagegen verweisen andere Zeilen des Gedichts eher auf solche Buchmalerei-Vorbilder, an denen Morris sich bei seinen Buchmalerei-Versuchen in den 1850er Jahren orientierte : »Like dragons in a missal book / Wherin, whenever we may look, / We see no horror, yea, delight / We have, the colours are so bright ; / Likewise we note the specks of white, / And the great plates of burnishe’d gold«. 259
2.8 Morris, Burne-Jones und der Harley-Rosenroman (BL, MS Harley 4425) Dass der bereits mehrfach erwähnte Harley-Rosenroman (Abb. 2) in Morris’ Kreisen bekannt war, geht auch aus einem Tagebucheintrag George Price Boyces von 1860 hervor, in dem er festhält : [Edward Burne-]Jones having promised to show us some of the most beautiful illuminated manuscripts in the collection [of the British Library]. First the »Roman de la Rose«, which is filled with the most exquisite illuminations, as fine as could well be in colour and gradation, tenderness of tone and manipulation, and purity of colour and light : the landscapes perfectly enchanting, the distances and skies suggesting Turner’s best and showing as well in every other part close and long observation of nature.260
Die Handschrift wurde bereits seit dem späten 18. Jahrhundert wegen ihres außergewöhnlichen Reichtums an Miniaturen und der »most masterly manner« ihrer Ausführung hoch geschätzt,261 und auch Gustav Friedrich Waagen lobte sie in seinen »Treasures 257 258 259 260
CW XVI, S. 8. Vers II, Zeile 2 : »My Lady often hawking goes«, CW I, S. 82. Vers VII, Zeile 8–13, CW I, S. 83. Vgl. zu diesem Gedicht auch Smith 1995, S. 175–179. Tagebucheintrag von George Price Boyce vom 14.4.1860, zit. nach : Treuherz 1984, S. 167, nach Virginia Surtees, The Diaries of George Price Boyce, Norwich 1980, S. 30. 261 A Catalogue of the Harleian MSS in the British Museum with Indices of Persons, Places & Matters, 4 Bde., London 1808–1812, Bd. I 1808, Preface, S. 25. Eine entsprechende Bewertung, die den Wortlaut des Kataloges in Hinblick auf die Miniaturen aufgreift, bei : Thomas Hartwell Horne, An Introduction to the Study of Bibliography, London 1814, Bd. I, S. 131. Dibdin lobte bei den Miniaturen die Gruppenbildung sowie »delicacy and strength«, kritisierte aber die zu großen Köpfe, Dibdin 1817 I, S. ccxi-cxxii, Anm. Lob findet
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
of Art in Britain« von 1854 und in der früheren Version »Künstler und Kunstwerke in England« von 1837 auf das Höchste.262 Figuren der Miniaturen, besonders diejenigen des »Dance of Mirth« auf fol. 14v, waren in verschiedenen Publikationen wie zum Beispiel von Joseph Strutt und Henry Shaw abgebildet.263 Eine Kenntnis der Handschrift zeigt auch A. W. N. Pugin, der um 1840 den Kamin des »Red Room« in Scarisbrick Hall für Charles Scarisbrick mit Motiven nach fol. 12v und 14v dekorieren ließ.264 Vielleicht basieren auch G. E. Streets und Morris’ Tische von 1854 bzw. 1856 auf dem in der Samson und Delilah-Miniatur auf fol. 83v der Handschrift.265 Morris’ Lehrer G. E. Street empfahl Miniaturen illuminierter Handschriften als Vorbilder beim Entwurf von Möbeln und Interieurs.266 Er lobte die Farbigkeit und Mustervielfalt des mittelalterlichen Innenraumes. Einen »Roman de la Rose«, vermutlich die vielgerühmte Handschrift BL, MS Harley 4425, nannte er in Zusammenhang mit einer »metal fountain of exquisite design« als »one of the most beautiful manuscripts in the British Museum«.267 Auch J. G. Crace und Walter Crane hoben 1857/1858 bzw. 1905 die Bedeutung illuminierter Handschriften für Kunstgewerbe und Buchdesign hervor.268 Talbert zeigte in seinen »Gothic Forms applied to Furniture, Metal Work and Decoration for Domestic Purposes« (1867) einzelne Möbelstücke sowie Muster nach Vorbildern in mittelalterlichen Handschriften.269 sich auch bei Charles Hamilton Smith, Ancient Costumes of Great Britain and Ireland, from the Druids to the Tudors, Reprint, Einl.: Doreen Yarwood, New York 1989 (1. Aufl., 2 Bde.: London 1814), S. 146, 214. 262 Gustav Friedrich Waagen, Kunstwerke und Künstler in England und Paris, Berlin 1837, Bd. I, S. 147 ; ders., Treasures of Art in Britain being an account of the chief collections of paintings, drawings, sculptures, illuminated manuscripts, etc., London 1854, Bd. I, S. 118. Waagen sprach die Handschrift der französischen Schule zu und datierte sie in die Zeit um 1500. 263 Joseph Strutt würdigte den Rosenroman als »the most perfect and most beautiful MS I ever saw. The paintings exceed too & are finished. Many of them equal to the miniatures of the present day«, Strutts Notizen in : BL, MS Egerton 888.1, fol. 16r ; Abbildung von zwei Paaren nach fol. 14v auf dem Frontispiz von Strutt 1842/1970 II, siehe auch S. 271 ; Shaw 1866, S. 30–31 ; Shaw 1843 II, Taf. 56–58. Shaws Interesse galt der ungewöhnlichen Kleidung der Musikanten auf fol. 14v, ebd., Text zu Taf. 57 ; zu seiner hohen ästhetischen Einschätzung der Handschrift : ebd., Text zu Taf. 56. 264 Siehe zu dem Kaminbild : Edward Croft-Murray, Decorative Painting in England, London 1971, Bd. II, S. 252 ; Mark Girouard, The Victorian Country House, New Haven/London 1979, Abb. 85–86 auf S. 115. 265 Street entwarf seinen Tisch 1854 für Cuddesdon College, Oxford (V&A, Inv.-Nr. W. 88–1975). Morris’ ähnlicher Tisch entstand 1856 für seine Räume am Red Lion Square (CAGM, Inv.-Nr. 1982 1114). 266 Street 1853, S. 75–76 ; Grieve 1999, S. 19. 267 Street 1853, S. 75. Street bezieht sich wohl auf die Fontäne in der Miniatur von BL, MS Harley 4425, fol. 12v. 268 J. G. Crace, On Furniture, its History, and Manufacture, Vortrag vom 23.3.1857, in : RIBA Proceedings 1857/1858, S. 113–121, hier S. 114, 115 ; Walter Crane, On the Arts and Crafts Movement : its general tendency and possible outcome, in : ders., Ideals in Art : Papers Theoretical, Practical, Critical, London 1905, Reprint New York/London 1979, S. 1–34, hier S. 16. 269 B. J. Talbert, Gothic Forms applied to Furniture, Metal Work and Decoration for Domestic Purposes, London 1867, Taf. 1–7, 9. Taf. 16.
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Morris, Burne-Jones und der Harley-Rosenroman
Whitla vermutete, dass Morris und Burne-Jones auch andere Rosenromane wie die französischen Handschriften von ca. 1490 und 1348 in der Bodleian Library kannten, MSS Douce 195 und Selden Supra 57.270 Morris’ Rückgriff auf die Miniaturen der Londoner Rosenroman-Handschrift erklärt sich daraus, dass diese, nun da sie bereits in umfassenderem Maße den Bildraum erobert haben, eine große Fülle von Gegenständen aus dem Mittelalter abbilden. Ähnlich wie bei dem Harley-Froissart deutlich wurde, dienen auch die Rosenroman-Miniaturen Morris hauptsächlich als Informationsquelle zum spätmittelalterlichen Leben und seiner Ausstattung. Zwar verstoßen der Naturalismus der in den Randleisten verstreuten Pflanzen, die bildhaft-tiefendimensionale Konzeption der Miniaturen gegen die Flächigkeit der Seite, deren Bewahrung Morris als eine der Grundlagen der Buchgestaltung erachtete, doch bezog er sich bei seinen Ausstattungsprojekten und Gedichten gattungsunabhängig auf diese späteren Buchmalereien, da ihm gerade der detaillierte Naturalismus vielerlei Anregungen zur Formulierung eigener Ideen vermittelte. Auch für Burne-Jones war der Rosenroman der British Library, MS Harley 4425, von besonderer Bedeutung. Treuherz konnte einige Motivübernahmen aus dieser Handschrift in seinem Œuvre nachweisen. Er erkannte in Burne-Jones’ »Schreckenshaupt« (»The Baleful Head«, vollendet 1887), das den »Perseus«-Zyklus (Staatsgalerie Stuttgart) abschließt, einen Bezug auf die Narcissus-Miniatur (fol. 20r).271 Ein Vergleich der beiden Bildfelder ergibt jedoch nur die allgemeine motivische Parallelität des vom Wasser gespiegelten Gesichts, so dass zu erwägen ist, ob für das »Schreckenshaupt« nicht eher eine andere Miniatur als Vorbild diente – diejenige mit Pyramus und Thisbe in der bereits von Rossetti als Vorbild verwendeten Christine de Pisan-Handschrift (BL, MS Harley 4431, fol. 112v). Hier weist der Brunnen in perspektivischer Anlage, achteckiger Form und marmorartigem Material einen wesentlich engeren Bezug zu dem Stuttgarter Bild auf als das rechteckige Wasserbecken, in das Stufen hinabführen, wie es sich in MS Harley 4425, fol. 20r, findet. Löcher wies übrigens auf eine weitere mögliche Inspiration Burne-Jones’ im »Perseus«-Zyklus durch Buchmalereien hin und parallelisierte die Verschlingungen des Schlangenleibes in dem Entwurf für »The Doom fulfilled« (Fogg Art Museum, Cambridge, Mass., bzw. Fassung in der Staatsgalerie Stuttgart) mit denjenigen des Rankenwerks in Initialen eines Psalterium aus Winchester aus dem 12. Jahrhundert (BLO, MS Auct.D.2.4) bzw. mit dem Bandwerk in insularen Handschriften des 7.bis 8. Jahrhunderts.272 Treuherz machte weitere Anregungen durch Miniaturen des Harley-Rosenromans im Werke Burne-Jones’ aus : Er führte überzeugend den Triumphwagen der Venus auf 270 BLO, MS Douce 195 : von Robinet Testard, Ende des 15. Jahrhunderts ; BLO, MS Selden Supra 57 : 2. Viertel des 14. Jh.s, Pächt/Alexander 1966 I, Nr. 787, 597, S. 61, 46–47. In der British Library finden sich zwei weitere Handschriften des Rosenromans von Guillaume de Lorris und Jean de Meun : BL, MSS Royal 19 B. xiii (ev. Paris, 1320–1340), 20 A. xvii (Artois oder Picardie, 1340–1350). 271 Treuherz 1984, S. 167. 272 Löcher 1973, S. 14, 29 ; ders. 1999, S. 23.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
der Tapisserie in »Laus Veneris« (1873–1878, Laing Art Gallery, Newcastle-upon-Tyne) auf die Venus-Miniatur auf fol. 138v zurück.273 Das vierte Bildfeld des »Pygmalion«Zyklus, »The Soul Attains«, verband er mit der Pygmalion-Miniatur auf fol. 178v, die den knienden Bildhauer und die gerade zum Leben erwachte Galathea (wenn auch seitenverkehrt zu Burne-Jones’ Fassung) zeigt.274 Eine Parallele erkannte er zudem zwischen der Gartendarstellung von Burne-Jones’ »The Knight’s Farewell« von 1858 (AMO) und der Gartenszene auf fol. 12v.275 Als eine weitere mögliche Anregung für die Gartendarstellung könnten nach Treuherz auch Miniaturen in der Londoner Christine de PisanHandschrift (BL, MS Harley 4431) gedient haben (Abb. 3).276 Die Einfügung einer Venus-Statue auf Höhe der Bildmittelachse in der Miniatur mit Pygmalion und der steinernen Galathea des Rosenromans (fol. 177v) mag Burne-Jones als Anregung für die Konzeption des dritten Bildes des »Pygmalion«-Zyklus der in Privatbesitz befindlichen Fassung gedient haben, in der Pygmalion im Bildhintergrund vor der Statue der Göttin kniet. Die Darstellung der Szene selbst könnte wiederum auf eine Inspiration durch Miniaturen wie diejenige in der französischen Rosenroman-Handschrift von ca. 1460 (BLO, MS Douce 364, fol. 155r) zurückgehen, die den Künstler kniend und bittend vor einer Statue der Venus zeigt. Farbigkeit und Konzeption der Raumdarstellungen im Harley-Rosenroman sind solchen Werken Burne-Jones’ verbunden, in denen sich die Farbkombination aus grauen Stein- und roten Ziegelwänden mit grün schimmernden Bodenfliesen wiederholt. Auch die knappen Raumausschnitte mit großen Figuren auf schmalen Raumbühnen, das parallele Nacheinander von Raumebenen, der Ausblick auf weitere Höfe oder Räume durch Tore weisen Parallelen zu Burne-Jones’ Gemälden und seinen Miniaturen in »The Rubáiyát of Omar Khayyam« (Privatbesitz) aus den frühen 1870er Jahren auf.277 Es könnte damit vermutet werden, dass die Raumdarstellungen in der mittelalterlichen Buchmalerei die Raumauffassung von Burne-Jones maßgeblich beeinflussten. Auf dem Motiv der letzten Miniatur der Harley-Handschrift (fol. 184v), die das Gegenüber des heranschreitenden Liebenden und der übergroßen blühenden Rose in ei273 Treuherz 1984, S. 167. Eine frühe Fassung des Triumphwagens : »The passing of Venus«, 1861, Samml. Joanna Matthews ; eine spätere Variation in der Tapisserie »The Passing of Venus« von 1898 (Entwurf, MMA). 274 Treuherz 1984, S. 167. Die Wiederholung des Verweises auf die Harley-Miniaturen für Burne-Jones’ »Pygmalion«-Zyklus bei Andreas Blühm, Pygmalion. Die Ikonographie eines Künstlermythos zwischen 1500 und 1900, Frankfurt a. M. u. a. O. 1988, S. 145, Anm. 76. 275 Treuherz 1984, S. 167. Zu Anregungen durch die Kleidung der Miniaturen des Harley-Rosenromans auf Burne-Jones’ »The Knight’s Farewell« : Harris 1984, S. 56–57. 276 Treuherz 1984, S. 253, Anm. 37. 277 Vgl. hierzu z. B. Burne-Jones’ »Pygmalion«-Serie und die Miniaturen in MS Harely 4425, S. 62r, 78r und 177v. Ein Hintereinander geschichteter Raumkästen findet sich bereits auf Burne-Jones’ frühen Kachelfeldern mit narrativen Zyklen wie demjenigen zu »Dornröschen« von 1864, WMGW, siehe zu dem Kachelfeld : Myers/Myers 1996, Abb. 19d–22 auf S. 51–54, S. 31, 57–59.
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Morris, Burne-Jones und der Harley-Rosenroman
nem ummauerten Garten mit Rasenbank und bewachsenen Spalieren zeigt, basiert vielleicht die im Badischen Landesmuseum Karlsruhe befindliche Tapisserie »The Heart of the Rose« (1901).278 Burne-Jones’ Entwurf geht ebenso wie derjenige zu »The Pilgrim at the Garden of Idleness« (Privatbesitz) auf Zeichnungen für einen Rosenroman-Zylus des Künstlers zurück, die zunächst 1874–1882 als Stickereien für Rounton Grange umgesetzt und später in Merton Abbey als Tapisserien gewebt wurden.279 In »The Pilgrim at the Garden of Idleness« erinnert die Auffassung der Personifikationen an den Harley-Rosenroman.280 Ist in dem französischen Rosenroman beschrieben, dass der Liebende eine Mauer mit gemalten Nischenfiguren der Tugenden und Laster betrachtet, so erscheinen diese in den Miniaturen des Harley-Rosenromans als lebendige Wesen, die in den Nischen positioniert sind.281 Burne-Jones verwandelte sie in lebendig wirkende Metallfiguren, bei denen die Bewegung im Widerspruch zum Material zu stehen scheint. Der Entwurf »Die Liebe führt den Pilger« (Öl auf Lwd., 1896–1897, TGL) wurde von Waters und Nahum mit einer Miniatur eines anderen Rosenromans (BL, MS Egerton 1069, Frankreich, um 1400, fol. 8r) verbunden.282 Sie erkannten noch in Burne-Jones’ spätem Werk »Der Zauberer« (1891–1898, BMAG) in dem Motiv zweier vor einem gewölbten Rundspiegel stehender Figuren einen Rückgriff des Künstlers auf eine Miniatur des Harley-Rosenromans (fol. 114r).283 De Girolami Cheney erwog zudem, ob BurneJones nicht die rosenbewachsenen Spaliere in den Miniaturen des Harley-Rosenromans als Vorbild für entsprechende Spaliere und die Hortus Conclusus-ähnliche Situation in seiner Konzeption der Szene von Amor, der die schlafende Psyche erblickt, diente.284 Neben dem Harley-Rosenroman waren auch Miniaturen des Luttrell-Psalters (BL, MS Add. 42130) eine wichtige Quelle für Burne-Jones. Sein Entwurf »Arming and Departure of the Knights« für eine Tapisserie, die 1890–1895 als Teil des »Gral«-Zyklus für das Speisezimmer in Stanmore Hall im Auftrag von William Knox d’Arcy entstand, geht auf die Miniatur mit einer entsprechenden Szene auf fol. 202v zurück. Ende des 19. Jahrhunderts befand sich zwar die Handschrift noch in Privatbesitz, doch waren Nachstiche der Miniatur im zweiten Band von John Carters »Specimens of Antient Sculpture and Painting 278 Der Entwurf von 1881 im Museum of Fine Arts Boston. 279 Banham/Harris 1984, S. 207–209 ; Wildman/Christian 1998, S. 180–187. Die Stickereien in der Sammlung der WMGW. 280 Barbara Eschenburg und Helmut Friedel (Hrsg.), Ausst.-Kat. Der Kampf der Geschlechter. Der neue Mythos in der Kunst 1850–1930, Köln 1995, Kat. Nr. 8, S. 60. 281 Vgl. z. B. BL, MS Harley 4425, S. 11v mit der Personifikation der Armut. 282 Waters/Nahum 2009, S. 191–192, Abb. 85 auf S. 192. 283 Ebd., S. 192, Abb. 86–87 auf S. 192–193. Vgl. a. Prettejohn 2017, S. 63–65, die auf die Verwendung des gewölbten Rundspiegels in weiteren Arbeiten Burne-Jones’ wie in dem vierten Bild des »Pygmalion«-Zyklus (»The Soul attains«, 1875–1878, BMAG) und dem Porträt seiner Tochter Margaret Burne-Jones (1885– 1886, Privatsammlung) hinweist. 284 Vgl. de Girolami Cheney 2001, S. 64. Ein bewachsenes Spalier findet sich in den Fassungen in AMO (Zeichnung, 1865) und den Manchester City Art Galleries (Gouache, 1865–1887).
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
now remaining in this kingdom from the earliest period to the Reign of Henry VIII.« (2 Bde., 1780–1787),285 begleitet von einem Kommentar von Richard Gough, veröffentlicht. Abbildungen nach der Miniatur waren auch im sechsten Band der »Vetusta Monumenta« (1839) mit Erläuterungen von John Gage Rokewode und in F. W. Fairholts »The Costume in England« (1845/1860) publiziert worden.286 Die Miniatur der am Tisch sitzenden Familie auf fol. 208r des Luttrell-Psalters oder Darstellungen anderer Gastmahle wie im »Queen Mary’s Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 264v) oder in den Lancelot du Lake-Handschriften (BL, MSS Royal 14 E. iii, fol. 89r, Nordfrankreich oder Flandern – St. Omer oder Tournai –, 1315–1325, und Royal 20 D. iv, fol. 1r, Nordfrankreich, um 1300–1315, und England, um 1370–1380) mögen vielleicht als Anregung für die erste Tapisserie gedient haben, die die Ankunft der Gralsjungfer bei den Rittern der Tafelrunde (»The Knights of the Round Table Summoned to the Quest by the Strange Damsel«) zeigt.287 Verwandtschaft zu den Engeln des Jüngsten Gerichts im Luttrell-Psalter (BL, MS Add. 42130, fol. 101v) weist die Gruppe der drei Musikanten in Burne-Jones’ »The Procession to the Hill« (um 1865) auf, das eigentlich als Illustration der Amor und Psyche-Geschichte für Morris’ »The Earthly Paradise« entstand, wobei dann allerdings Burne-Jones’ Kenntnis der Vorlage ungewiss wäre.288 Für die Figur des knienden Galahads in der abschließenden Tapisserie des »Gral«Zyklus, »The Attainment«, lässt sich als Anregung die Figur eines knienden Ritters aus dem Westminster Psalter (BL, MS Royal 2 A. xxii, fol. 220r) vermuten, die in einer Nachzeichnung in Burne-Jones’ Skizzenbuch von ca. 1890 erhalten ist.289 Auf Buchmalereien geht vielleicht auch der Glasfensterentwurf mit der Hochzeit Sir Tristrams (1862–1863) zurück.290 Eine Zeichnung nach einer Miniatur mit entsprechend komponierter Hochzeitsdarstellung findet sich in dem Cambridger Skizzenbuch BurneJones’ (FMC, Inv.-Nr. 1083.155). Als Vorlage kann die Miniatur mit der Hochzeit von 285 In einer 2. Auflage 1838 durch Rush Meyrick und John Britton herausgegeben. 286 F. W. Fairholt, A History of Dress to the end of the eighteenth century, erw. Ausg. durch H. A. Dillon, 2 Bde., London 1885, Reprint Detroit 1968, Abb. 87 auf S. 112. 287 Vgl. Shaw 1843 I, Taf. 26. 288 Das Motiv der drei Musikanten gliederte Burne-Jones später für das Gemälde »The Challenge in the Wilderness«, 1894–1898, Privatsammlung, aus. Vgl. a. die Darstellungen schreitender Engel im Luttrell-Psalter auf fol. 102r–v. 289 BMAG, Inv.-Nr. P. 6’52, S. 71 ; Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 153, S. 191–192. Abgebildet in Strutt 1842/1970 I, Taf. LXVI ; Shaw 1983 I, Taf. 17. 290 Das Fenster entstand im Auftrag Walter Dunlops für das Musikzimmer in Harden Grange, Bingley, Yorkshire (heute : Bradford Museums & Galleries, Sewter 1974, Abb. 78–85, und 1975, S. 26–27 ; Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 125–138, S. 181–184) und ist Teil einer Tristram-Serie. Die Entwürfe der anderen Fenster stammen von Morris, Burne-Jones, Rossetti, Arthur Hughes, Ford Madox Brown, Val Prinsep. Banham/ Harris 1984, S. 182–183 überlegten, ob Burne-Jones’ Komposition für seinen Fensterentwurf »The Marriage of Tristram and Isoude Les Blanches Mains« auf der Froissart-Handschrift, BL, MS Harley 4379, fol. 12v, beruhen und ob der ummauerte Garten von Morris’ »The Recognition of Tristram by La Belle Isoude« auf Motive in illuminierten Handschriften zurückgehen könnte.
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Morris, Burne-Jones und der Harley-Rosenroman
König Ludwig von Neapel mit Yolande von Aragon in der Londoner Froissart-Handschrift (BL, MS Harley 4379, fol. 12v) vermutet werden.291 Auch Gallant verband eine Reihe von frühen Glasfensterentwürfen Burne-Jones’ mit Buchmalereien. So verweist er für die Ausstattung und Konzeption des Innenraumes sowie die dunkelgrundigen Kleider mit stilisiertem Blumenmuster der Frauen im Glasfenster mit dem Tod des hl. Frideswide von 1859 in der Christ Church Cathedral Oxford auf die Dedikationsminiatur der Christine de Pisan Handschrift (BL, MS Harley 4431, fol. 1r).292 Auch Burne-Jones’ Darstellung des stehenden hl. Georgs mit Lanze und Schild in einer Landschaft, hinter ihm der erschlagene Drache liegend, weist Parallelen zu Motiven in Handschriften auf.293 So findet sich eine ähnliche Ritterdarstellung, ohne dass es sich hierbei jedoch um den hl. Georg handelt, im Seitenrand von BL, MS Royal 15 E. iv, fol. 14r.294 Ob die Künstler aus Morris’ Umfeld auf N. X. Willemins 1839 in zwei Bänden publizierte »Monuments Français inédits pour servir à l’histoire des arts, depuis le VIe siècle jusqu’au commencement du XVII« zurückgriffen, ist nicht zu belegen.295 Shaw diente dieses Werk neben den Veröffentlichungen von Strutt und Montfaucon als Quelle für seine eigenen Buchprojekte. Willemins Anliegen war es, dem Künstler und Geschichtsinteressierten anhand visueller Quellen einen Einblick in historische Raumausstattungen zu vermitteln und zugleich Anregungen für das zeitgenössische Kunsthandwerk zu geben. Er bezog sich dabei vor allem auf Miniaturen mit der Darstellung historischer Innenräume und Gegenstände besonders in illuminierten Handschriften der Bibliothèque nationale in Paris. Einige Abbildungen zeigen Motive, die auch für den Kreis um Morris interessant gewesen sein könnten.296 291 Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 129, S. 182–183 ; Harrison/Waters 1990, Abb. 76 auf S. 64. Die Miniatur findet sich reproduziert in : Humphreys 1845 I, Taf. II. 292 Gallant 1988a, S. 110–111. Als weiteres mögliches Vorbild für die Ausstattung des Innenraumes nennt Gallant (ebd., S. 153) die Miniatur mit der Geburt des hl. Edmund in BL, MS Harley 2278, fol. 13v (John Lydgate, Metrical Lives of Saints Edmund and Fremund, ev. Bury St. Edmunds, zwischen 1434 und 1439). Beide Miniaturen waren bei Shaw abgebildet, Shaw 1843 II, Taf. 43 und 45. 293 Edward Burne-Jones, Der heilige Georg, Öl auf Lwd., 1873–1877, Wadsworth Atheneum, Hartford bzw. 1897–1898, Hessische Hausstiftung, Kronberg ; Wildmann/Christian 1998, Kat. Nr. 85–86, S. 214–216. 294 BL, MS Royal 15 E. iv : Jehan de Wavrin, Recueil des croniques d’engleterre I, Brügge, um 1475, Meister des Londoner Wavrin. 295 Der vollständige Titel : Nicolas–Xavier Willemin, Monuments Français inédits pour servir à l’histoire des arts, depuis le VIe siècle jusqu’au commencement du XVIIe et où sont représentés Les Costumes Civils et Militaires, les Instruments de Musique, les Meubles de toutes espéces et les Décorations intérieures de Maisons, hrsg. von André Pottier, 2 Bde., Paris 1839. 296 Zum Beispiel Bd. I, Taf. 106 mit Engelsfiguren nach einem Glasfenster in einem normannischen Kloster des 13. Jahrhunderts (vgl. mit Morris’ Glasfenstern), Taf. 129 mit der Darstellung eines schachspielenden Paares nach einer Handschrift der Bibliothèque Royale, Taf. 131 mit Miniaturen des 13. und 14. Jahrhunderts aus Pariser Handschriften, Taf. 132 mit Harfe spielenden Figuren nach MSS 6674 und 7612 (Guillaume
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
2.9 Buchmalerei im Werke Burne-Jones’ Burne-Jones fügte in seine Gemälde auch Handschriften oder Bücher mit Miniatur- und Ornamentdekoration ein, wobei diese nicht wie bei Collins bestehende mittelalterliche Buchmalereien zitieren oder variieren, sondern sich eher an diejenigen seines Freundes Morris anlehnen bzw. durch eigene Bilderfindungen bestimmt werden. Burne-Jones’ Bildräume sind – im Gegensatz zu Browns sorgfältig recherchierten, um historische Genauigkeit bemühten Szenen – wie bei Rossetti Orte seiner subjektiven Künstlersicht, die ein ideales mittelalterliches Ambiente vermitteln wollen. Da es sich bei Burne-Jones’ Mittelalter um eine von Bruchstücken der mittelalterlichen Literatur und Kunst gespeiste Idealwelt handelt, bestand für ihn keine Veranlassung, mittelalterliche Handschriften zu kopieren, vielmehr konnte er aus seiner Kenntnis solcher Handschriften, durch seinen Kontakt zu Morris und dessen zeitgleichen Buchmalereien eigene Miniaturen von vage mittelalterlichem Erscheinungsbild erfinden. Frühe Arbeiten wie die Gouachen »The Flower of God« (1862)297 und »Green Summer« (1863, beide Privatsammlung) sowie der für das Ehepaar Morris mit einer Szene nach Chaucer bemalte Schrank »The Prioress’s Tale Cabinet« von 1860 (AMO) zeigen einfach gehaltene Handschriften mit farbiger Initialdekoration. Das aufwendiger dekorierte Blatt mit dem ersten Vers des Prologs zur Erzählung der Priorin im unteren Bereich der Schranktür gegenüber dem Porträt des Dichters, das durch Miniatur-Bildnisse in Handschriften überliefert ist, ähnelt in blau-roter Farbigkeit, Ornamenten aus beerenbesetzten Ranken und den Zeilenfüllungen mit geometrischen Mustern Morris’ frühen Handschriften aus den späten 1850er Jahren und erweist sich als durch die gleichen gotischen Vorlagen beeinflusst.298 An Initialen in Morris’ Handschriften aus der Zeit um 1874 aus dem Umfeld der »Three Icelandic Sagas« und der »Oden« wiederum schließt sich die Initiale mit Ornamentleisten aus Weißranken auf blauem, rotem und grünem
de Machaut) in der Bibliothèque Royale, Taf. 133 mit einer den Blasebalg einer Orgel betätigenden Figur (vgl. Burne-Jones’ »Le Chant d’Amour«, 1868–1877, MMA), Taf. 149 mit Musikanten in MSS 6703, 6819 und 6731 in der Bibliothèque nationale (vgl. mit Morris’ Musikantenfiguren in »A Book of Verse«, »The Rubaiyat of Omar Khayam« und Glasfenstern) ; Bd. II, Taf. 169 mit Akanthus-Ornament in einem »Livres de comptes« (vgl. mit Morris’ Akanthus in den »Oden«), Taf. 183 Fahnenträger nach MS Colbert 8299 in der Bibliothèque nationale (vgl. mit Burne-Jones’ Darstellungen des hl. Georgs, 1872–1877 und 1897–1898, Wadsworth Atheneum, Hartford bzw. Hessische Hausstiftung, Kronberg). 297 Wood vermutete die Anregung für die Verkündigungs-Gouache in Miniaturen aus Handschriften des 15. Jahrhunderts, die Burne-Jones in der British Library konsultierte, ohne Vergleichsbeispiele zu nennen, Wood 1999, S. 28. Auch Gallant 1988a, S. 116, verwies auf Bezüge zu Buchmalereien. Er zog die Verkündigungsdarstellungen im Stundenbuch der Maria von Burgund (ÖNB, Cod. 1857, fol. 19r) und im Stundenbuch des Engelbert von Nassau (BLO, MSS Douce 219–220, fol. 119r) als Vergleich heran. Zu Anregungen durch Giotto und Carpaccio vgl. Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 27, S. 96. 298 Vgl. BL, MSS Add. 5141, fol. 1r, Royal 17 D. vi, fol. 93v, Harley 4866, fol. 88r.
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Buchmalerei im Werke Burne-Jones’
Polstergrund in dem aufgeschlagenen Buch in »Laus Veneris« (1873–1878, Laing Art Gallery, Newcastle-upon-Tyne) an.299 Miniaturen, deren Motive eher vage eingetragen sind und keine historische Zuordnung erkennen lassen, dienen in Burne-Jones’ Gemälden dazu, die Stimmung des Bildes zu verstärken oder die dargestellte Situation zu unterstreichen. Eher unspezifisch eingesetzt werden Buchmalereien in der Wandmalerei mit der Darstellung der Hochzeit des Sir Degrevaunt im Salon des »Red House« (1860) und dem Gemälde mit der sich in einem Garten aufhaltenden Prinzessin Sabra, das aus dem 1865–1867 für Myles Birket Foster ausgeführten »St. Georgs«-Zyklus stammt. In beiden Fällen unterscheiden sich die Buchmalereien in der ausgeführten Fassung, den Entwürfen und den Varianten.300 Inhaltliche Bezüge bestehen zwischen der Personifikation der »Astrologia« (1865, Privatsammlung) und der von ihr betrachteten Miniatur, die zu Seiten einer Frau und eines Kindes zwei auf Kugeln stehende Engel zeigt. Die Miniatur verweist auf die Beschäftigung der Astrologie mit höheren Sphären und auf die Unsicherheiten des Schicksals – Fortuna –, wobei die Kugeln zugleich diejenige wiederholen, die die Personifikation selbst in Händen hält. Farbigkeit, Zeichnung und Ornamente des sich im Seitenrand emporwindenden Ranken- oder Flechtwerks assoziieren eine frühe Entstehung der Handschrift. In der Zeichnung des in seinem Arbeitszimmer schlafenden Chaucers von 1863/1864 (Ruskin Gallery, Bembridge School, Isle of Wight) finden sich Miniaturen von Rosen in einer Handschrift von Chaucers Rosenroman-Übersetzung und architektonische Motive in seiner »Troilus und Cressida«-Fassung. Aufgabe der Miniaturen ist es, die Bücher hervorzuheben und eine Benennung zu ermöglichen. Auch bei diesen Miniaturen handelt es sich um Erfindungen des Malers ; sie gehen nicht auf existierende Handschriften dieser Stoffe zurück. Burne-Jones zeigt Chaucer schlafend in einem Stuhl mit vorgewölbter Rückenlehne, wie er sich in dem Autorenbildnis des Oxforder Rosenromans aus dem späten 15. Jahrhundert (BLO, MS Douce 195, fol. 1r) findet.
299 Zu »Laus Veneris« : Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 63, S. 166–169. F. G. Stephens verglich das Bild selbst 1892 mit einer »brilliant medieval illumination«, zit. nach : ebd., S. 167, nach Athenaeum, 28.1.1893, S. 128. 300 Im Sir Degrevaunt-Bild weist die Handschrift rubrizierte Initialen und Notenzeilen auf, während im Entwurf eine mit zwei Miniaturen verzierte doppelkolumnige Handschrift eingefügt ist (Samml. Dennis T. Lanigan), Earthly Paradise 1993, Kat. Nr. A :2, S. 42–43 ; Del Re 2015, Kat. Nr. 10, S. 48–49. Die Prinzessin Sabra-Fassungen : Öl auf Lwd., Musée d’Orsay, Paris ; Burne-Jones und C. F. Murray, Gouachefassung, Sotheby’s, London 11.11.1998, Los 17 : große Initialdekoration mit gotischem Rankenwerk ; Bleistiftzeichnung, BML, Inv.-Nr. 1954–5–8–9 : zwei dekorierte Initialfelder ; eine zweite entsprechende Bleistiftzeichnung : Sotheby’s, London 5.6.1996, Los 147 ; siehe EBJ 1975, Kat. Nr. 88, S. 41. Je nach Fassung sind die Initialen mit unterschiedlichen Ornamenten ausgestattet. In der Ölfassung finden sich zwei zweizeilige Initialen mit Rankenwerk. Im unteren Drittel ist in Breite des Schriftspiegels eine Miniatur eingefügt, die an einem Meeresstrand zwei Gruppen zu zeigen scheint, die einander gegenüberstehen. Vielleicht handelt es sich um vier Frauen und zwei Männer. Die Motive sind nur in Schwarz eingetragen.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
Miniaturen mit floralen Motiven finden sich als zusätzlicher Verweis auf den Namen der Dargestellten in der Gouache »Fair Rosamund« von ca. 1862/1863 (Privatsammlung), die die Geliebte Heinrichs I. in einem Garten vor einem Rosenspalier zeigt.301 In der Gouache »Dorigen of Bretagne Longing for the Safe Return of her Husband« (1871, V&A) nach Chaucers »Franklin’s Tale« enthält das großformatige Buch eine Miniatur mit in einem Wald tanzenden Figuren, die mit der evozierten fröhlichen Stimmung einen Kontrast zu dem sehnsüchtigen Leiden und den Ängsten der Dorigen herstellt. Die Abbildung der Tanzenden verweist zudem auf ein Ereignis aus der Geschichte Dorigens : Um Dorigen aufzumuntern, versuchen ihre Freunde, sie mit Spiel und Tanz zu unterhalten. Sie jedoch bedauert, dass ihr Mann Arviragus nicht unter den Tanzenden ist.302 Auch dem Werben des unter ihnen weilenden gutaussehenden Knappen Aurelius, der in Dorigen verliebt ist, widersteht sie. Eine ungewöhnlich detaillierte Buchmalerei weist der Außendeckel des Graham Pianos auf (1879–1880, Privatbesitz), dessen Malereien das Thema Musik und Dichtung behandeln. Zeigen die Seiten des Korpus die Orpheus-Geschichte in Medaillons, wobei die schwungvollen Liniengefüge an diejenigen der Zeichnungen von Burne-Jones für Morris’ »Aeneis«-Handschrift erinnern, so ist der Innendeckel mit einer Personifikation der Mutter Erde bemalt, die von dichtem Weinlaub umgeben ist, in dem kleine Kinder herumklettern. Auf der Außenseite des Deckels ist ein Dichter abgebildet, der zu seiner in einem geflügelten Medaillon erscheinenden Muse emporblickt. Lorbeerzweige, in die ein beschriebenes Pergamentblatt mit figürlichem Initialfeld und ornamenierten Initialen eingefügt ist, trennen die beiden Figuren.303 Das Initialfeld enthält vor einer grünen Landschaft eine weibliche Profilfigur, die sich auf die Frühlingsthematik des Gedichts bezieht.304 Bücher erscheinen auch in Porträts von Burne-Jones, wobei es sich hierbei eher um gedruckte Bücher zu handeln scheint : Katie Lewis (1886, Mallett Gallery, London) liest in einem Buch mit einer Illustration, die den Drachenkampf Georgs zeigt und darin vielleicht auf den Namen ihres Vaters George Lewis anspielt ;305 Caroline Fitzgerald hält ein Buch mit ornamentierter Initiale in ihren Händen (1884, Art Gallery of Ontario, Toronto), und Georgiana Burne-Jones (seit 1883, Privatsammlung) blickt von einem Herbarium auf, das auf der Seite mit der Stiefmütterchen-Illustration aufgeschlagen ist,
301 Zur Datierung : EBJ 1971a, Kat. Nr. 64, S. 19 ; EBJ 1975, Kat. Nr. 39, S. 29. 302 Cooper 2003, S. 93–94 erachtet das Buch als einen Hinweis auf die Zauberkräfte des Aurelius. 303 Zum Text des Blattes : Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 125, S. 276–277. Entwurfsskizzen : Burne-Jones’ Skizzenbuch von ca. 1874, V&A, Inv.-Nr. E. 7–1955, S. 42–75. 304 Vgl. z. B. Burne-Jones’ »Beatrice« von 1870 (Gouache, Privatbesitz) und »Vespertina Quies« (1893, TGL). 305 Im Unterschied zu Burne-Jones’ Auffassung des Themas von 1868 für Myles Birket Foster ist Georg in der Illustration reitend dargestellt und ähnelt darin stärker Beispielen der italienischen und deutschen Renaissance. Als Seitenzahl gibt Burne-Jones die 86, wodurch er das Bild zugleich datiert.
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Buchmalerei im Werke Burne-Jones’
wobei die Pflanze als Hinweis auf den Charakter der Dargestellten sowie als Zeichen ihrer ehelichen Liebe gelten könnte.306 Eine klar erkennbare und damit für die Bilddeutung relevante Miniatur findet sich in Burne-Jones’ Porträt der Maria Zambaco von 1870 (Clemens-Sels-Museum, Neuss).307 Hier wiederholt der Künstler sein »Le Chant d’Amour« in der Fassung von 1865 im Museum of Fine Arts Boston. In dieser Gouache blättert die Organistin in dem auf der Orgel stehenden Buch, das mit einer Dekoration von eher undifferenziertem Rankenwerk geschmückt ist, und hat der blumenbekränzte Amor die Augen verbunden, während Pfeil und Bogen vor ihm im Gras liegen. Die Miniatur des im Porträt dargestellten Buches wird seitlich von Leisten mit floralen Ornamenten eingefasst, die denjenigen der gotischen Vorbilder ähneln, die auch Morris’ Rankenentwürfe in »A Book of Verse« aus dem gleichen Jahr beeinflussten : Zierliche Ranken mit blauen und roten Blüten sowie Goldbeeren wachsen regelmäßig empor. Durch die Einstellung der Miniatur in den Kontext des Porträts seiner Geliebten wird auf Burne-Jones in der Rolle des liebenden, melancholischen Ritters angespielt. Anklänge an das Medium der Buchmalerei finden sich schließlich in den Malereien auf Pergament, die Burne-Jones als Bucheinbände engen Freundinnen schenkte.308 Sie scheinen in kleinerem Format seine Beschäftigung mit biblischen Texten aufzugreifen wie auch seine Entwürfe zum Hohelied Salomons aus den 1870er Jahren dokumentieren.309 Die Bucheinbände weisen eine ähnliche florale Rahmeneinfassung und den Einbezug von erklärenden Schriftfeldern bzw. -bändern auf. Sie sind in Tinte, nur leicht koloriert, auf Pergament in Feder ausgeführt.
306 Vgl. a. Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 116, S. 260 ; Debra N. Mancoff, Flora Symbolica. Flowers in PreRaphaelite Art, München u. a. O. 2003, S. 78. 307 Zum Porträt : Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 49, S. 138–140 ; Gisela Zick, Un Chant d’amour. Zu einem Bildnis von Edward Burne-Jones im Clemens-Sels-Museum Neuss, in : Neusser Jahrbuch 1973, S. 21–34 ; Tim Barringer in : Barringer/Rosenfeld/Smith 2012, Kat. Nr. 134, S. 177. 308 Pergamentbucheinband für Helen Gaskell zum »Book of Psalms«, um 1890 : Harfespielender David und Engel vor Landschaft, Zitat nach Ps. 148, Sotheby’s 23.3.1981, Los 44, seit 2011 PML ; siehe auch Einband für »Apocrypha«, ebd., Los 45, beide vermutlich aus den 1890er Jahren, Wildman/Christian 1998, S. 243. Einband des »Buches der Weisheit« (Privatslg.) : thronender Salomon zu Seiten der Personifikation der Weisheit. Bucheinbände für Frances Graham (Privatslg.) : »Apocrypha« (1879) mit Personifikation der Weisheit und dem Gebäude der »Domus Sapientiae«, durch dessen Fenster Personifikationen von Pulchra Dilectio, Timor, Agnitito und Sancta Spes blicken ; »Book of Common Prayer« (1880) : auferstandener Christus und musizierende Heilige im Paradiesgarten (hll. Cecilia, Katharina, Margaretha, Maria Magdalena), ebd., Kat. Nr. 105–106, S. 242–244 ; EBJ 1975, Kat. Nr. 211, S. 72. Einband für Mary Gladstone : Beethovens Lieder mit der Figur des Orpheus, Sotheby’s 7.6.1995, Los 153 ; Wildman/Christian 1998, S. 243. 309 Vgl. zwei Entwürfe in Bleistift (35 x 20,3 cm) nach dem Hohelied Salomons von ca. 1876 : »Awake O North Wind«, »Who is this that cometh out of the wilderness ?«, BMAG, siehe ausführlicher : Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 82–83, S. 188–190.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
Weiterhin bezeugen einzelne Haltungsmotive in Kompositionen von Burne-Jones aus den 1860er Jahren eine große Nähe zu Buchmalerei-Vorlagen aus Oxforder und Londoner Handschriften. So erinnert das auf dem Boden sitzende Paar in »An Idyll« von 1862 (BMAG) – trotz der venezianisch anmutenden Farbigkeit – in seiner Haltung, wenn auch seitenverkehrt, an eine Bas-de-page-Szene in einem vermutlich in Liège entstandenen flämischen Stundenbuch aus der Zeit um 1310–1320 (BL, MS Stowe 17, fol. 59r).310 Hier ist ein neben einem Baum auf dem Boden sitzendes, sich umarmendes Paar gezeigt, wobei der Mann in Rückenansicht abgebildet ist. In der frühen Gouache »Clerk Saunders« von 1861 (TGL) besitzt die Anordnung des Paares – sie weicht zurück, er bedrängt und umarmt sie auf Höhe der Schultern – Parallelen zu einem Randmotiv in einem flämischen Psalter aus der Zeit um 1320 (BLO, MS Douce 6, fol. 80r).311 Der die Harfe spielende Tristan in Burne-Jones’ Glasfensterentwurf »The Madness of Sir Tristram« (1862) für Harden Grange (Bradford Museums & Galleries ; Gouache, 1862, Privatsammlung) könnte auf Anregungen durch die Figur eines sitzenen Harfenspielers im Seitenrand des französischen Stundenbuches BLO, MS Douce 62 (fol. 7r) zurückgehen.312 Waters und Nahum vermuteten – allerdings auf Grund der nur äußerst vagen Gemeinsamkeiten nicht ganz überzeugend – für das Ölgemälde »Der Morgen der Auferstehung« von 1882 (Privatsammlung) und für den Glasfensterentwurf »Das Jüngste Gericht« für die Kathedrale von Birmingham (1885–1887) den Einfluss von Miniaturen mit den drei Marien am Grabe bzw. der Himmelfahrt Christi nach dem Shaftesbury-Psalter (BL, MS Lansdowne 383, fol. 13r–13v ; England, 1. Hälfte des 12. Jh.).313 Abschließend lässt sich festhalten, dass Burne-Jones sich der Buchmalerei gezielt und auswählend bediente. Er verwendet sie wie seine Zeitgenossen zur Sachinformation in Hinblick auf Kostüm, Ausstattung und Ikonographie, als künstlerische Anregung, als atmosphärische oder bedeutungsvolle Beigabe zur Verstärkung des Bildgehalts und der Bildstimmung sowie als Medium für persönliche Geschenke an ihm Nahestehende.
310 Vgl. a. das liegende Liebespaar unter einem Baum mit Musikanten und dem Gott der Liebe in : BL, MS Stowe 17, fol. 273r. Auf fol. 22v findet sich ein Engel mit Orgelportativ, der als Anregung für die Figuren musizierender Engel in den Glasfensterentwürfen von Morris’ »Firma« in Frage kommen könnte. 311 Waters und Nahum verwiesen für die Komposition dieser Szene auf die Miniatur eines Rosenromans der British Library, MS Egerton 881, Frankreich, um 1380, fol. 6v, die einen Mann zeigt, der mit ausgebreiteten Armen auf eine vor einem Tor stehende Frau zuschreitet, Waters/Nahum 2009, S. 180–181, Abb. 63 auf S. 180. 312 Vgl. auch allerdings seitenverkehrt den Harfespieler beim Festmahl im »Queen Mary’s Psalter«, BL, MS Royal 2 B. vii, Abb. bei Shaw 1843 I, Taf. 26. 313 Waters/Nahum 2009, S. 189 ; Abb. 76–79 auf S. 188–189.
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Frühe Buchmalereien William Morris’ aus der Zeit um 1857
2.10 Frühe Buchmalereien William Morris’ aus der Zeit um 1857 Morris’ Beschäftigung mit der Buchmalerei äußerte sich in der Zeit um 1860 zum einen in Entwürfen für verschiedene Materialien und Gattungen, wobei es sich nicht nur um die Übernahme von Mustervorlagen aus Miniaturen handelt, sondern auch um das Nachschöpfen des mittelalterlichen Innenraumes, der in diesen Miniaturen vermittelt wird, zum anderen führte er in den Jahren zwischen 1856–1858 selbst einige wenige Buchmalereien aus. Die zur Illuminierung ausgewählten Texte reflektieren seine zeitgleichen literarischen Interessen : Malory in eigener Verarbeitung, Volksmärchen und Robert Browning. Morris’ frühe Illuminierungsversuche orientieren sich ebenso wie die Buchmalereien in der in seinem Gemälde »La Belle Iseult« (TGL ; Taf. 2) von 1858 eingefügten Handschrift an den von John Ruskin hoch geschätzten Handschriften der Zeit von 1250–1350. Evelyn J. Phimister vermutete, dass Morris die Zusammenfassungen von Ruskins Vorträgen zur Buchmalerei vom 11. und 25.11. sowie 9.12.1854 durch die ausführliche Berichterstattung in »The Builder« kannte.314 Ruskin wiederum war von Morris’ Arbeiten sehr beeindruckt und empfahl ihn an den Kustos der Handschriftenabteilung des British Museums, sein »gift for illumination« mit demjenigen eines »thirteenth century draughtsman« vergleichend.315 Auch Rossetti lobte Morris’ Illuminierungen im Dezember 1856 überschwänglich : »In all illumination and work of that kind he is quite unrivalled by anything modern that I know – Ruskin says, better than anything ancient«.316 Mackail dagegen bewertete die frühen Buchmalereien 1899 kritischer. Er hob ihre »complete mastery of colour« und den »genius with which they reproduced the tone and spirit of earlier mediaeval work, as he [Morris] had studied it first in the painted books of the thirteenth and fourteenth centuries« hervor, aber beschrieb sie als »full of technical defects in drawing«, besonders in Hinblick auf die Buchstaben.317 Wie die Illuminatoren seiner Zeit übernahm auch Morris Motive aus mittelalterlichen Buchmalereien, variierte sie und überführte sie in einen inhaltlich und formal anderen Kontext.
314 The Builder, 25.11., 2.12. und 16.12.1854 ; Phimister 2000, S. 32 mit Verweis auf Mackails Angabe, dass Morris zu dieser Zeit »The Builder« häufig las, vgl. Mackail 1995 I, S. 40. Mackail berichtet hier für das Jahr 1853, dass sich Morris neben der Lektüre des »The Builder« auch mit »the study of mediaeval design and colouring in the painted manuscripts displayed in the Bodleian« beschäftigte, ebd. 315 Brief Ruskins an Edward Augustus Bond, Keeper of Manuscripts am British Museum, von ca. 1857/1858, JRLM, John Ruskin Papers, Eng. MS 1254/53, siehe die Reproduktion des Briefes in : Journal of the William Morris Society II, 1, Frühling 1966, S. 2. 316 Brief Rossettis an William Allingham vom 18.12.1856, zit. nach : Doughty/Wahl 1965 I, Nr. 254, S. 312. Vgl. Fredeman 2002 II, Nr. 56.59, S. 147. 317 Mackail 1995 I, S. 276, vgl. ebd., S. 103–104, 114.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
2.10.1 »Guendolen«
Burne-Jones berichtete in einem Brief von August 1856 : »He [Morris] has written several poems, exceedingly dramatic – the Brownings, I hear, have spoken very highly of one that was read to them ; Rossetti thinks one called Rapunzel is equal to Tennyson : he is now illuminating »Guendolen« for Georgie«.318 Dieses ist mit einem Blatt aus der ehemaligen Sammlung von Alan G. Thomas zu verbinden, das Zeilen des Gedichtes trägt und dessen Illuminierung unvollendet ist – die meisten Initialbuchstaben verblieben ebenso wie das sie begleitende Ornament nur einskizziert (Abb. 8). Zwar wies Marsh daraufhin, dass Burne-Jones’ Fomulierung etwas unklar gehalten ist und sich eher auf Rossetti zu beziehen scheint, aber es gibt keine Hinweise, dass sich dieser je ernsthaft mit eigenen Buchmalereien beschäftigt hat, noch bestand eine so enge Bindung zu BurneJones’ Verlobter Georgiana Macdonald wie bei Morris.319 Die Seite umfasst insgesamt 24 eng aufeinander folgende Zeilen in gotischer Schrift. Die sechs Verse von je vier Zeilen sind mit jeweils drei Initialen und unterschiedlichen, aber regelmäßigen Einzügen auf der Seite verteilt.320 Die Abgrenzung und Zugehörigkeit der einzelnen Textteile – die Textstruktur – wird verunklärt, so dass ein unruhiger Seitenaufbau entsteht. Durch die Anordnung von Text und Dekoration wirkt die »Guendolen«Seite insgesamt ungegliedert und überladen. Dieser Eindruck wird durch die zunächst unsystematisch scheinende Verteilung einer Vielzahl unterschiedlicher dekorativer Einzelelemente hervorgerufen, durch ihre mangelnde Koordination sowie durch die Ballung der Motive am linken Rahmen. Das Fehlen von ruhigen, ausgleichenden Elementen, von einem verbindenden Rhythmus, einer klaren Gliederung offenbart noch Morris’ Unsicherheit bei der Konzeption einer Handschriftenseite. Die von Morris ausgewählten Motive gehen auf Vorlagen in englischen und französischen Handschriften aus der zweiten Hälfte des 13. und des frühen 14. Jahrhunderts zurück. Auf diesen Vorbildern basiert die Einfassung des Textfelds durch einen vierseitigen Rahmen aus breiten Stielen mit Besatz aus langen, schlanken Blättern, goldenen 318 Ebd., S. 108. Der Text wurde im Juli 1856 unter dem Titel »Hands« in »The Oxford and Cambridge Magazine« publiziert und dann als Gesang des Prinzen in Morris’ Gedicht »Rapunzel« integriert, das in »The Defence of Guenevere & Other Poems« 1858 veröffentlicht wurde, CW I, S. 72 ; Dunlap 1975, S. 142 ; Dunlap 1976, S. 50. »Rapunzel« basiert auf einem Text aus den »Kinder- und Hausmärchen« der Gebrüder Grimm, die 1823/1826 in England mit Illustrationen von George Cruikshank publiziert wurden. Whitla 2001, S. 41, nennt die Übersetzung durch E. H. Wehnert von 1853 als Morris’ Quelle. 319 Eine Zuschreibung an Rossetti in : Marsh 1988, S. 15 ; Marsh 1999, S. 35. 320 Zur Schrift : Dunlap 1972/1976, S. 113, 115 ; Dunlap 1975, S. 142 ; Whitla 2001, S. 81, Nr. A. 2. Dunlap stellte eine Verwandtschaft von Morris’ Schrift zur Textura Quadrata des 14. Jahrhunderts in der Vertikalität, der Eckigkeit, dem Kontrast von dünnen und breiten Federstrichen und den in Serifen endenden Vertikalstrichen fest. Morris’ Schrift unterscheide sich von solchen Vorbildern allerdings in einigen Buchstabenformen und der unregelmäßigen Anordnung auf der Seite. In einigen Initialen erkannte Dunlap lombardische Elemente.
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Frühe Buchmalereien William Morris’ aus der Zeit um 1857
Beeren, Spiralranken, Weinblättern, Kreisleisten und eng anliegenden Profilblättern. Die große, leicht abschattierte und damit Plastizität suggerierende T-Initiale mit seitlichem Rankenwerk, das sich in Voluten einrollt, mit Blättern besetzt ist und mit einem Schlangen- oder Fischkörper verschmilzt, erinnert aber auch in der Regelmäßigkeit des Rankenverlaufes und der Rankenstruktur an Beispiele in romanischen Handschriften wie der »Arnstein Bibel« oder dem Psalter des Henry of Blois aus der Mitte des 12. Jahrhunderts (BL, MSS Harley 2798–2999, Cotton Nero C. iv). Halbpalmetten an geraden bandartigen, sich z. T. verdickenden Stielen finden sich auch in Morris’ um 1857 datiertem Manuskript zu »Scenes from the Fall of Troy« (BL, MS. Add. 45321, fol. 65v) einskizziert.321 Sie werden durch Stiele mit ovalen und herzförmigen, efeuartigen Blättern ergänzt. Die kleineren Initialen der dritten und vierten Zeile des ersten Verses von »Guendolen« werden durch Rankenwerk, ein Drachenwesen Abb. 8 William Morris, Guendolen, 1856, zuletzt Sotheby’s, London, 21.–22.6.1993, Los 244. Photo und ein gemeinsames asymmetrisches, stufen- © Sotheby’s, London. artig getrepptes Hintergrundfeld miteinander und mit dem Quadratfeld der großen Initiale verbunden. Bereits hierin finden sich erste Ansätze für das auch Morris’ spätere Handschriften kennzeichnende Bestreben, die verbleibende Freifläche der Seite, etwa durch Zeilenfüllungen, zu dekorieren. Die wenigen vollendeten, von Feldern hinterlegten Initialbuchstaben der Seite werden nach dem Beispiel mittelalterlicher Handschriften von Rankenwerk begleitet, das in Köpfe und florale Motive mündet und in das reptilartige Mischwesen eingefügt sind. Die Initialen sind von phantasievoller, geschwungener Form. Dabei sind diejenigen des zweiten Verses ebenfalls mit dem großen Initialfeld verknüpft, während die Initialen der übrigen Verse durch spiralig eingerollte Efeu- und Blattranken, die auf einer Hintergrundfläche aufliegen, mit dem linken Rahmen verbunden werden. Morris bezog sich hiermit vermutlich auf Handschriften in der British Library und der Bodleian Library, wie den Ormesby-Psalter (BLO, MS Douce 366) aus dem frühen 14. Jahrhundert, der neben Mischwesen und in Köpfen auslaufenden Ranken auch ähnliche Efeumotive, sich regelmäßig einrollende Spiralranken, Beeren und eine die Einzelele321 Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 507, S. 572–574.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
mente zusammenfassende flächige Hinterlegung des Ornaments aufweist, wie es sich auch in Handschriften des 13. Jahrhunderts finden lässt.322 Dunlap zufolge deuten einzelne Blattformen und die runden Beeren auf englische, unter italienischen Einflüssen konzipierte Handschriften als Anregung hin.323 Whitla wiederum verwies auf Parallelen der Initiale T zu derjenigen in Jones’ »Grammar of Ornament«, Taf. LXXI, die in den Blattmotiven des Stammes und den nahezu symmetrischen Einrollungen mit Blattbesatz festzumachen seien.324 Die breiten Leisten, Goldbeeren und großen bunten Blätter erinnern auch an Arbeiten Jones’ für »The Song of Songs« von 1849 mit Buchschmuck in Chromolithographie. Gegenüber den mittelalterlichen Vorbildern werden in Morris’ Illuminierung die floral-vegetabilen Aspekte, das organische Streben und die Kontinuität der Ranken stärker betont, so dass schon in dieser frühen Arbeit seine beiden großen Inspirationsquellen – die Kunst des Mittelalters und das Wachstum der Natur – verbunden werden. Mit dem Efeu erscheint bereits ein florales Motiv, das er auch in seinen Buchmalereien der 1870er Jahre gerne verwenden wird. Der Gedichtseite ähnliche Mischwesen und Blattmotive weist die Schrift des »Guen dolen«-Stuhls auf, an dem Rossetti und Morris im November 1856 arbeiteten. Auch die relativ dunkle, auf Rot und Blau konzentrierte Farbigkeit, die großen Goldflächen in den Zwickelfeldern im linken Seitenbereich, der deckende Farbauftrag und die Verzierung der Ranken mit hellen linearen Wellen- und Kreismustern gehen auf Handschriften des 13. und 14. Jahrhunderts zurück.325 Die auf der unteren Rahmenleiste des Blattes aufgestellte Frauenfigur mit langem blonden Haar, das sie mit ihren Händen zu ordnen scheint, lässt an die in solchen Handschriften beliebten Bas-de-page-Szenen denken. In dieser Figur ist wohl Guendolen zu erkennen, die von einer Hexe in einem Turm gefangengehalten und von dem Prinzen befreit wurde. Diese Zuordnung wird dadurch unterstützt, dass sich der Name Guendolen rechts als Teil des Refrains wiederholt. Der unmittelbar rechts neben der Figur eingefügte Baum deutet den Wald an, der im vierten Teil des Gedichtes erwähnt wird : 322 Vgl. weiterhin BL, MS Harley 3487 (Aristoteles, Oxford, um 1265–1270) ; MS Add. 24686 (Alphonso oder Tenison Psalter) ; BLO, MS Douce 5–6 (flämischer Psalter, um 1320) : Blattwerk, Bas-de-page-Szenen, in Initialfelder eingefügte Köpfe. Vgl. aber auch Motive in Handschriften wie BL, MSS Egerton 1151 (englisches Stundenbuch des 13. Jh.s), Harley 2899 (Psalter von Königin Philippa von Hainault, um 1328–1340), Egerton 2781 (englisches Stundenbuch des 14. Jh.s), Royal 3 E. i (Genesis und Exodus mit Glossa Ordinaria, Oxford, um 1250–1275), Royal 3 D. vi (Peter Comestor, Historia scholastica, ev. London, 1284–1300), 20 D. iv (Legendar, Paris, zwischen 1240–1250) ; 10 E. iv (Smithfield Decretals, ev. Toulouse, um 1300, und London, 1340er Jahre). 323 Dunlap 1976, S. 50. 324 Whitla 2001, S. 41. 325 Vgl. zu den in Weiß eingezeichneten Ornamenten z. B. BL, MS Landsdowne 451, abgebildet bei Shaw 1845, S. 38–39.
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Frühe Buchmalereien William Morris’ aus der Zeit um 1857
»[…] is this real grass, love, that I tread upon ? / What call they these blue flowers that lean across my feet ?«326 Diese Zeilen Rapunzels gehen in »The Defence of Guenevere« unmittelbar dem Gesang des Prinzen voran – jenen Text, den Morris auf dem illuminierten Blatt niederschrieb. In Hinblick auf den Text der Seite selbst ließe sich die dargestellte Szene am ehesten mit dem zweiten Vers verbinden : »Gold or gems she did not wear, / But her yellow rippled hair, / Like a veil, hid Guendolen !«327 Links von der Figur wird eine Art Seenlandschaft sichtbar, wobei das Verhältnis zwischen szenischer Darstellung, Ornament und den Initialquadraten des letzten Verses von Morris noch nicht harmonisch gelöst wurde. Auch einzelne Motive der Initialfelder besitzen einen Textbezug : Das den letzten Vers der Seite einleitende O umrahmt ein etwas grimmig anmutendes Männergesicht mit dunkler Kopfbedeckung und Kleidung und mit orangefarbenem stabartigem Gegenstand. Dunlap vermutete in dieser Figur eine Darstellung des Prinzen in Rüstung und mit Schwert.328 Hier ließe sich ein Bezug zu der Erwähnung seines Schwerts in Vers 4 und 5 herstellen.329 Alternativ könnte in diesem Gesicht auch der Harfner zu erkennen sein, von dem der Prinz das Lied, das er singt, gehört hat.330 Darunter ist in einem purpurfarbenen Kreis ein alter Mann mit Bart gezeigt, in dem Dunlap unter Bezug auf den sechsten und letzten Vers den singenden Prinzen im Alter dargestellt sieht.331 Auch Tittle deutete den Kopf der oberen Initiale als denjenigen des Prinzen, und im ornamentalen Rankenwerk erkannte er nicht nur Verweise auf den Turm, in dem Rapunzel gefangen gehalten wird, sondern auch auf das Gefangensein selbst und auf den Weg des Prinzen durch den Wald.332 2.10.2 »Paracelsus«
Morris’ wenige andere frühe Experimente im Bereich der Buchmalerei weisen ähnliche Motive wie in »Guendolen« auf, ergänzt durch zusätzliche Elemente der Buchmalerei des 13. und 14. Jahrhunderts wie Rahmenleisten mit Tierleibern an den Enden und Fleuronnée.333 Als Geschenk für Robert Browning, den Morris »high among the poets of all time, and I scarce know whether first or second in our own« schätzte, entstand eine Perga326 CW I, S. 72. 327 Ebd. 328 Dunlap 1972/1976, S. 117. 329 CW I, S. 72. 330 Ebd.: »And try to sing that song the dreamy harper sung«. 331 Ebd.: »Floating memories of my maid / Make me pray for Guendolen« ; Dunlap 1972/1976, S. 117. 332 Tittle 2012, S. 111, 122. 333 Vgl. BL, MSS Sloane 2435 (franko-flämisch, Ende des 13. Jh.s), Add. 28681 (englischer Psalter, nach 1262), Harley 3487 (um 1265–1270).
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
mentseite mit dem Text zweier Stanzen eines Gesangs aus Brownings »Paracelsus«, Zeile 190–205 (in der Version von 1849 ; HL, HM 6478 ; Taf. 1).334 Morris und Burne-Jones hatten über Rossetti die Bekanntschaft des Dichters gemacht, der sich von Ende Juni bis Ende August und dann wieder im Oktober 1856 in London aufhielt. Dunlap vermutete entsprechend, dass Morris die Verse im Sommer dieses Jahres schrieb.335 Die Datierung wird durch die Ähnlichkeit von Schrift, Ornamentleisten, Farbgebung und Farbauftrag zu dem »Guendolen«-Blatt gestützt, dessen Entstehung in dieser Zeit durch schriftliche Angaben als gesichert gelten darf.336 Die dichte gotische Schrift ist, wie auch diejenige des »Guendolen«-Blattes, durch den engen Zeilenabstand und die eckige Gebrochenheit der Buchstaben schwer lesbar.337 Insgesamt ist die Schrift Morris’ auf diesen frühen Seiten durch Unsicherheiten im Umgang mit dem Schreibwerkzeug sowie durch Unregelmäßigkeiten in Schriftgröße und Verteilung auf der Seite gekennzeichnet. Die zwei Verse werden jeweils von einer sechszeiligen Initiale auf goldenem Quadratgrund eingeleitet. Die farbigen, weiß ornamentierten Initialbuchstaben laufen in geschwungenen roten Blättern aus und sind so auf das hinterfangende Goldquadrat gesetzt, dass sie zu schweben scheinen. Die Initiale des zweiten Verses, in deren Binnenfeld ein Gesicht eingefügt ist, erhält durch die unterschiedliche Länge der Buchstabenstämme und die fußartigen Blattausläufer eine tanzend anmutende Gestalt. Der Bogen der ersten Initiale wiederum ist als Schlange geformt, die sich in den Stamm hineinbeißt und deren Schwanz in ein langes Blatt übergeht. Die Verse werden links und rechts durch breite rote, blaue und violette Leisten begrenzt, die mit Wellenbändern verziert sind und in drachenartige, geflügelte Tierleiber mit hundeartigen Köpfen übergehen bzw. in Blattranken auslaufen.338 Ober- und unterhalb des Textes werden diese Leisten durch waagerechte rote und blaue Linien verbunden, die mit wellenartigen Blattranken und fleuronnéeartigen Zweigen besetzt sind. Die verbleibenden Freiräume füllte Morris mit blauen und roten, zu Liniengefügen stilisierten, zierlichen Blatt- und Beerenzweigen, die in Grundstruktur, Farbigkeit und Dekoration noch einen etwas uneinheitlichen, experimentellen Charakter besitzen.339 Da die 334 335 336 337
Zit. nach : Mackail 1995 I, S. 58. Dunlap 1972/1976, S. 414. Vgl. Dunlap 1975, S. 142. Zur Schrift : Dunlap 1972/1976, S. 413, der die Ähnlichkeit zum »Guendolen«-Blatt betont ; Whitla 2001, S. 39–40, 81, Nr. A. 1 : Littera textualis quadrata/textura quadrata. Dunlap charakterisierte die Schrift der »Paracelsus«-Seite als »weak gothic letter«, wobei einige Initialbuchstaben Anlehnungen an die lombardische Schrift aufwiesen, Dunlap 1976, S. 49. Die Gestaltung der Unterlängen von g und y ähneln denjenigen des »Guendolen«-Blattes. Einige Oberlängen (l, h, b) oder das obere Ende des p-Stammes können pfeilartig aufgesplittet sein. 338 Bei dem oberen Kopf der linken Leiste sind noch Reste einer Bleistiftvorzeichnung sichtbar, die zeigen, dass der Kopf ursprünglich größer und etwas weiter oben auf der Seite sitzend geplant war. 339 In dem Bereich zwischen den beiden Versen ist noch die etwas von der ausgeführten Fassung abweichende Bleistiftvorzeichnung sichtbar.
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Initialen eine Höhe von sechs Zeilen einnehmen, die Verse aber nur acht Zeilen lang sind, wirkt das Verhältnis zwischen Initiale und Text unausgewogen, ein Eindruck, der durch den Kontrast zwischen eng aufeinander folgenden unruhigen Schriftzeilen und frei auf dem Goldgrund schwebenden Buchstaben, zwischen dunklen, breiten vertikalen Ornamentleisten und dünn eingetragenen waagerechten Linienornamenten gesteigert wird. Die ornamentierten, in Groteskenwesen mündenden Leisten gehen auf Anregungen durch Handschriften aus dem 13. und 14. Jahrhundert zurück wie BL, MS Royal 1 D. i, die Bibel des William von Devon von 1260–1270.340 Die Kombination von Linienornamenten in farbiger Tinte und Deckfarbenmalerei in Initial- und Rahmengestaltung zeigt, wenn auch in anderer Verteilung, der französische Psalter von ca. 1250 (BL, MS Royal 2 B. ii) oder das »De Brailes Stundenbuch« von ca. 1240 (BL, MS Add. 49999). Ähnliche Formen konnte Morris in Abbildungen zeitgenössischer Anleitungen zur Miniaturmalerei finden.341 Ruskin hatte in den bislang zumeist als unangemessen kritisierten Groteskenmotiven das freie Spiel der Phantasie, »the expression, in a moment, by a series of symbols thrown together in bold and fearless connection, of truths« erkannt, wobei er eine Gestaltung dieser Motive »merely in line, or light and shade, or mere abstract colour« gegenüber einer naturalistischen bevorzugte, damit deutlich werde, dass es sich bei diesen Motiven nur um Gedankenspiele handele.342 Morris erprobte bereits in diesem frühen Blatt Pergament als Schreibgrund. Dies bekundet zum einen seinen Wunsch, den mittelalterlichen Vorbildern in materielltechnischer Weise nahezukommen, zum anderen den mit dem Blatt verbundenen Anspruch, das als Geschenk für den verehrten Dichter vorgesehen war. Die Farbe ist etwas grob, aber deckend aufgetragen. Schattierungen gibt Morris noch vereinfachend durch Abmischung mit Grau und Weiß oder durch das Nebeneinandersetzen verschiedener Töne. Das Gold ist etwas unregelmäßig aufgetragen und kaum glänzend. Ein inhaltlicher Bezug zwischen Malerei und Text scheint nicht vorzuliegen. Allein der Frauenkopf der zweiten Initiale könnte auf die im zweiten Vers genannte Königin verweisen. 340 Vgl. a. BL, MSS Egerton 1151 (Stundenbuch, England, 1260–1270), Add. 17341 (Pariser Evangeliar aus dem späten 13. Jh., vgl. Tymms/Wyatt 1866, XIII. century, No. 4–5), Burney 275 (Pariser Traktat von ca. 1300), Add. 48985 (Salvin Hours, 1270–1280). 341 Whitla 2001, S. 40 verweist hierbei korrekt auf BL, MS Add. 21120 (Aristoteles, um 1300) und auf MS Royal 6 E. ix (Adress of the City of Prato to Robert of Anjou, Toskana, 1335–1340). Fleuronnée-Ornamente der Aristoteles-Handschrift waren bei Tymms/Wyatt 1866, XV. century, No. 13, und eine Seite der anderen Handschrift bei Shaw 1845, S. 23, abgebildet. Vgl. a. Humphreys 1849/1995, Taf. XII mit dem Holford Psalter besonders in Hinblick auf die langgestreckten Drachenwesen oder Ward o. J., Taf. IV-V. 342 Ruskin, Lib. Ed. V, S. 132 und 137 ; vgl. a. ebd. XII, S. 495 ff., 506–507. Zur Groteske bei Ruskin : Lucy Hartley, »Griffinism, grace and all« : the riddle of the grotesque in John Ruskin’s »Modern Painters«, in : Colin Trodd, Paul Barlow, David Amigoni (Hrsg.), Victorian Culture and the Idea of the Grotesque, Aldershot 1999, S. 80–94 ; Smith 1995, Kap. 2.; Frances Connelly, The Stones of Venice : John Ruskin’s Grotesque History of Art, in : dies. (Hrsg.), Modern Art and the Grotesque, Cambridge 2003, S. 156–174.
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Morris’ Buchmalerei verdeutlicht in der Anordnung des Textes auf der Seite und der Verteilung der Dekorationselemente die Probleme der Buchmalerei des 19. Jahrhunderts mit der Übertragung mittelalterlicher Vorbilder auf einen Textkorpus, wie er in seiner Gliederung im 13./14. Jahrhundert noch nicht geläufig war. Morris wurde durch seine frühen Buchmalerei-Versuche bewusst, dass es zunächst darum gehen müsse, eine Dekorationsform zu wählen, die dem Inhalt und der Form des Textes entspricht und mit diesen harmoniert. Als er seine Tätigkeit auf dem Gebiet der Buchmalerei um 1870 wieder aufnimmt, wird er auf gotisierende Elemente verzichten. 2.10.3 »Think but one thought of me up in the stars […]«
Ein Blatt mit Morris’ Gedicht »Think but one thought of me up in the stars / Breathe but one prayer for me twixt thy closed lips« (HL, HM 6480 ; Abb. 9) ähnelt dem »Paracelsus«Blatt in Format und Aufbau, in der Anordnung von Text und Ornament auf der Seite und zueinander. Wenn es auch etwas größer als das Browning-Blatt ist, so entspricht es ihm doch in den Proportionen.343 Die 15 Zeilen werden von einem vierseitigen Linienrahmen in Bleistift eingefasst. Dabei erinnert die Gestaltung der linken, in den oberen Seitenrand hinein verlängerten Rahmenleiste an diejenige des Browning-Blattes. Da die dritte und vierte Zeile des Gedichtes sehr kurzgehalten sind, trug Morris in den verbleibenden Freiraum ein an die rechte Rahmenleiste anschließendes Rechteck ein. Dieses deutet eventuell darauf hin, dass er an dieser Stelle eine Dekoration aus Zeilenfüllungen plante, die dem »Guendolen«-Blatt ähnliche ornamentale Füllmotive aufweisen sollte. Morris verwendete seine übliche, d.h. keine kalligraphische, Schrift, wodurch der Eindruck entsteht, dass er zunächst ausprobieren wollte, wie der Text auf der Seite angeordnet und auf welche Weise er geschmückt werden könnte. Nicht nur die zeitliche Nähe zu den publizierten Versionen des Textes, sondern auch das Format der Seite und die vierseitige Rahmung des kompakten Schriftfelds legen eine Zuordnung dieser Seite zu seinen frühen kalligraphischen Arbeiten aus der Zeit um 1857 nahe.344 2.10.4 »The Story of the Iron Man«
Zu den frühen Handschriften von Morris zählt auch eine unvollendete Pergamentseite mit »The Story of the Iron Man« (J. Paul Getty, Wormsley Library). Der Text bildet eine 343 1856 im »Oxford & Cambridge Magazine« publiziert, 1858 unter dem Titel »Summer Dawn« mit leichten Änderungen in »The Defence of Guenevre«. Die auf dem Blatt wiedergegebende Fassung weist z. T. leichte Abweichungen gegenüber der dort publizierten Version auf, z. B. am Gedichtanfang, der »Pray but one prayer for me« lautet ; CW I, S. 144. 344 Diese Datierung auch bei Rosenblum/Pearson 1993, MoW 596, S. 586.
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Version des Grimm’schen Märchens »Der Eisenhans«. Dabei folgt Morris nicht der gängigen englischen Übersetzung, sondern gibt scheinbar seine eigene Fassung des Märchens wieder.345 Er schrieb die Seite 1857 für Georgiana Macdonalds Schwester Louisa (Mrs Alfred Baldwin).346 Diese erinnerte sich 1911 in einem Brief an May Morris : »I believe that your father told me that this part of the ›Story of the Iron Man‹ from Grimm’s Fairy Tales was his first attempt at illuminating«, was in Hinblick auf einen stilistischen Vergleich der einzelnen Blätter eher fraglich erscheint.347 Mackail gibt an, dass Louisa das Geschenk im Winter 1857 erhalten habe, wobei unklar bleibt, ob der Winter 1856/1857 oder 1857/1858 gemeint ist.348 Durch die Reihenfolge von Mackails SchildeAbb. 9 William Morris, Think but one Thought, rungen wird eher der Winter 1856/1857 nahe- 1856/1857, The Huntington Library, Art Collections, gelegt. Eventuell ließe sich auch Rossettis Lob and Botanical Gardens (The Huntington), San von Morris’ Buchmalerei im Dezember 1856 Marino, Calif., HM 6480. © Courtesy of the Huntington Art Collections, San Marino, California. mit der »Eisenhans«-Handschrift in Verbindung bringen.349 Dieses würde bedeuten, dass die drei illuminierten Blätter Morris’ in dem kurzen Zeitabschnitt von Sommer 1856 bis Januar/Februar 1857 entstanden wären. Die komplizierte Seitengliederung und die Vielzahl dekorativer Elemente legen nahe, die Entstehung der »Eisenhans«-Seite eher am Schluss der Handschriftenreihe zu vermuten. Auch Dunlap räumte ein, dass »the densely crowded writing […] seems to reflect the confidence of one who has already practised this form of art with a slighter text«.350 May Morris hob das »somewhat eclectic«, aber »inventive and beautiful« Ornament hervor und verwies auf die Anregungen durch Buchmalereien des frühen 14. Jahrhun-
345 Vgl. Dunlap 1975, S. 143. 346 Brief Louisa Baldwins an May Morris vom 8.6.1911, BL, MS Add. 45347, S. 61 : »I enclose a photograph of the early piece of illuminating your father did for me when I was a child in the year 1857 to the best of my memory.« 347 BL, MS Add. 45347, S. 62 ; May Morris, in : CW IX, S. xix. 348 Mackail 1995 I, S. 116. 349 Brief Rossettis an William Allingham vom 18.12.1856, Doughty/Wahl 1965 I, Nr. 254, S. 312. 350 Dunlap 1972/1976, S.122–123.
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derts.351 Die Malereien erinnerten sie an »the unexplained dreamlike fragments of poems in the Guenevere time«. Mackail wiederum erachtete es als vorstellbar, dass »no illumination had been done since the fifteenth century which was so full of the mediaeval spirit«.352 Er lobte besonders »design and colouring of the border«, die einen »complete grasp of the principles and methods of the art« veranschaulichten.353 Der Text in einer gotischen Schrift ist im Unterschied zu den anderen erhaltenen Seiten in zwei Kolumnen von unterschiedlicher Länge – links 72, rechts 66 Zeilen – angeordnet. Die Zeilen folgen mit geringem Abstand aufeinander. Die gotische Schrift ist derjenigen der anderen Blätter verwandt, aber mit dünnerer Feder und weniger eckig ausgeführt.354 Der Text wird durch eine 16-zeilige Initiale eingeleitet und zeigt ein lombardisches n auf eckigem Goldgrund. Das Binnenfeld ist mit einer Darstellung von Eisenhans’ Käfig in der Mauer des Schlosses gefüllt, das im Hintergrund zusammen mit dem ummauerten Schlossgarten sichtbar ist.355 Im Vordergrund ist auf einer Wiese eine mit einem Deckel verschlossene Zisterne eingefügt. Der in Blau, Rot und Grün ausgeführte Buchstabenkörper ist im linken Schaft mit Rankenflechtwerk und einem Kopf gefüllt und mündet rechts unten in eine Spirale mit Drachenkopf. Am oberen und unteren Ende des linken Schafts sowie an der rechten Bogenneigung wachsen mit Weißzeichnung ornamentierte, große spitze Blätter hervor. Aus den Blättern bilden sich in den linken und oberen Seitenrand hineinragende bunte Spiralranken mit einzelnen größeren Blattmotiven heraus. Regelmäßige, kreisförmig angeordnete Spiralmotive wechseln mit dynamischeren, unruhigeren Schlaufenpartien ab. Wie Bleistiftskizzen mit Drachenwesen, Rankenspiralen, Blättern, Blüten und geometrischen Linienmustern im rechten und unteren Seitenrand andeuten, plante Morris entsprechend zum »Guendolen«-Blatt eine, wenn auch wohl nicht geschlossene, vierseitige ornamentale Einfassung des Textfelds. Weitere Dekorationen begann Morris im Interkolumnium, das er in der oberen Hälfte mit einer Goldleiste füllte, vor der sich Spiralranken, Blätter, reptilartige Mischwesen und Frauenköpfe mit wehenden langen blonden Haaren befinden. Daran schließen sich nach unten hin ähnliche Dekorationselemente in hellerer Tonigkeit an, die durch Weinblattranken ergänzt werden und in Rankenvoluten auslaufen. Durch ein liegendes Mischwesen mit großem Blattschwanz werden im oberen Seitenrand die große Initiale und die Interkolumniumleiste verbunden. Whitla verglich die Kombination von Rankenwerk mit gotischen Buchstaben mit der Johannes-Seite der »Arnstein Bibel« (BL, 351 May Morris, in : CW IX, S. xix. 352 Mackail 1995 I, S. 116. 353 Ebd. 354 Die Unterschiede in der Strichstärke eines Buchstabens sind zurückgenommen und die sich zu Punkten verdickenden Unterlängen von g und y sind etwas ausgeprägter gestaltet. Dunlap 1972/1976, S. 123, erkannte in der Schrift »substantially the same« wie in dem »Guendolen«-Blatt. 355 Zur Buchstabenform : Dunlap 1976, S. 50 ; Whitla 2001, S. 81, Nr. A. 3 (textualis rotunda).
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MS Harley 2799, fol. 185r), die in einer Farbreproduktion in Humphreys’ »Illuminated Books of the Middle Ages« vorlag.356 An den Satzanfängen des »Eisenhans«-Blattes waren zwei- oder dreizeilige Initialen geplant. Da Morris nicht für jeden Satz einen neuen Absatz beginnt, werden die Initialen oft innerhalb der Textkolumne platziert und unterbrechen durch ihre Höhe den kontinuierlichen Zeilenverlauf von links nach rechts hin. Dieses beeinträchtigt ebenso wie die enge Zeilenabfolge und die gotische Schrift selbst die Lesbarkeit des Textes. Hinzu kommt, dass die Kolumnenbreite im unteren Bereich durch ein großes zwischen die Kolumnen eingeschobenes Rechteck so reduziert wird, dass in den Zeilen nur zwei oder drei Worte Platz finden. Vermutlich plante Morris, diese freie Rechteckfläche durch eine Miniatur zu füllen. Die blauen, grünen und roten Buchstaben der wenigen vollendeten kleinen Initialen sind vor Goldfelder gesetzt, die an den Ecken spitz auslaufen, und werden von Ranken, Vögeln oder Mischwesen in den Binnenfeldern begleitet. Das frei auf der Seite eingetragene T der rechten Kolumne wird aus einem Schlangenkörper gebildet. Ein weiteres Dekorationselement bilden Zeilenfüllungen. Sie können auf Goldgrund wie das Interkolumnium eine Dekoration aus Mischwesen und Frauenköpfen oder aus sich jagenden grünen und braunen Tieren zeigen. Diese beziehen sich eventuell auf die am Textanfang beschriebene Vorliebe des Königs für die Jagd und erinnern in der Elastizität der Tierleiber und ihrem friesartigen Nacheinander an Bas-de-Page-Darstellungen in englischen Handschriften der Zeit um 1300. Morris’ Blatt weist in den in die Initialen eingestellten Köpfen und Efeuranken eine weitere Parallele zu diesen Vorbildern auf (Abb. 59).357 Daneben verwendet Morris in feiner blauer und roter Federzeichnung eingetragene Muster aus alternierenden Vögeln und Streublumen bzw. stark stilisierten Ranken. Der Gesamteindruck dieses Blattes ist ebenso wie derjenige der beiden anderen illu minierten Seiten durch das etwas unkoordinierte Nebeneinander vieler verschiedener dekorativer Elemente, die additive Konzeption, das Aneinanderfügen von mediävisie renden Einzelteilen und -formen, das Gegeneinander von schweren, geschlossenen Dekorationselementen und frei auf der Seite eingetragenen Ornamenten unruhig und mächtig und wirkt etwas überladen. Die Seite ist zudem durch die Mischung aus groben archaisierenden Stilzitaten, aus stilisierten und naturalistischer wiedergegebenen Elementen, wie den Weinblättern, geprägt. Die Farbe, hauptsächlich Grün, Blau, Rotbraun und Purpur, ist in unterschiedlicher Dicke aufgetragen und schwankt zwischen einem eher dunklen, deckenden Auftrag und 356 Weiterhin verwies Withla auf die Titelseite von Friedrich de la Motte Fouqués »Sintram and his Companions« in der Ausgabe durch James Burns von 1848 mit Frontispiz nach Dürers Holzschnitt »Ritter, Tod und Teufel«, Whitla 2001, S. 42, 35 ; Humphreys 1849/1995, Taf. IX. 357 Vgl. z. B. Grey-Fitz-Payn Stundenbuch, FMC, MS 242 ; Gorleston-Psalter, BL, MS Add. 49622 (England, 1310–1320, z. B. fol. 8r) ; flämisches Stundenbuch des 14. Jh.s, BL, MS Add. 24681.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
aquarellartiger Transparenz. Überraschend ist zu diesem frühen Zeitpunkt die Qualität und Leuchtkraft des Goldes, auch gerade in Vergleich mit dem manchmal etwas groben Auftrag der Buntfarben. 2.10.5 Zur Reihenfolge und Datierung der Seiten
Im Vergleich der vier erhaltenen Seiten ergibt sich auf Grund von schriftlichen Quellen, Dunlaps ausführlicher Schriftanalyse und einer in den Arbeiten erkennbaren zunehmenden Sicherheit im Arrangement von Text und Dekoration wohl folgende Reihenfolge : Paracelus – »Think but one thought of me […]« – Guendolen – Eisenhans. Die Komplexität und Kompliziertheit der Seitengliederung, das Einplanen einer Miniatur legen es nahe, in »Eisenhans« das letzte Blatt der Reihe zu sehen. Das Blatt in der Huntington Library (MS 6480) wäre zwischen den Geschenken an Robert Browning und Georgiana MacDonald zu platzieren und sollte möglicherweise eine weitere Gabe an Browning bilden, diesmal mit einem eigenen Gedicht von Morris, hatte doch Browning dessen Verse gelobt.358 Die »Paracelsus«-Seite, in der vielleicht das zuerst entstandene Blatt zu sehen ist, folgt noch recht eng den mittelalterlichen Vorbildern in der Gestaltung der Mischwesen und der Verwendung von Fleuronnée, während sich mit der »Guendolen«-Seite ein freierer Umgang mit den Vorlagen und eine naturalistischere Darstellungsweise abzeichnen.359 Erscheint in der »Paracelsus«-Seite die Buchmalerei unabhängig von dem Textinhalt als reine Dekoration, die einen mittelalterlichen Stil suggerieren soll, so ist mit »Guendolen« eine illustrierende Absicht erkennbar, die dann im »Eisenhans«-Blatt in der Verwendung von historisierter Initiale und vermutlich geplanter Miniatur noch ausgeprägter erscheint. Zu überlegen bleibt noch, wie sich die in Morris’ Gemälde »La Belle Iseult« (1858, TGL ; Taf. 2) dargestellte Buchmalerei in dieses Datierungsmodel einfügt. Morris malte seine zukünftige Frau Jane, die er im Herbst 1857 während der Arbeiten an den Wandmalereien in der Oxford Union Debating Society kennengelernt hatte, inmitten einer reichen, ein mittelalterliches Interieur nachschöpfenden Ausstattung, die seine kunsthandwerklichen Interessen verrät und in den genau beobachteten und wiedergegebenen Details den Einfluss der altniederländischen Malerei deutlich werden lässt. Hier sei auf die Faltkanten der Tücher, die genau charakterisierte und durch die Kontrastierung noch betonte Materialität verschiedener Oberflächen, aber auch auf spezifische Motive wie die glänzende Messingkanne, Textilien mit Granatapfelmuster, orientalische Teppiche, Orangen und beutelartig geraffte Bettvorhänge hingewiesen. Inmitten dieser Objektfülle findet sich auf dem Tisch im linken Bildvordergrund ein kleinformatiges aufgeschlagenes Buch mit Buchmalerei. 358 Mackail 1995 I, S. 108. 359 Auch Dunlap datiert die »Paracelsus«-Seite vor dem »Guendolen«-Blatt, Dunlap 1976, S. 49. Eine Datierung in das Jahr 1857 bei Rosenbaum/Pearson 1993, S. 485.
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Das in Pergament oder helles Leder gebundene zweikolumnige Manuskript ist auf der Rectoseite in der unteren Hälfte der rechten Kolume mit einer großen Initiale versehen, von der aus im Interkolumnium eine Ranke oder ein Band emporsteigt, in eine kleinere Initiale mündet und schließlich in Blättern oder Federn ausläuft. Die letzten Zeilen der Kolumne scheinen ebenfalls von einer Initiale begleitet zu werden, deren ornamentale Dekoration im unteren Seitenrand ausläuft. Weitere Dekorationen werden auf den beiden vorangehenden Versoseiten angedeutet. Die unregelmäßige Form der Initialgründe, die dicht aneinandergefügten Zeilen und die dunkle Farbigkeit entsprechen Morris’ frühen illuminierten Blättern. Der zweispaltige Aufbau und die in das Interkolumnium ragende, die Initialen verbindende Leiste wiederholen Motive der »Eisenhans«-Seite. Alternativ zur Datierung in den Winter 1856/1857, in dem dann eine sehr dichte, eng aufeinanderfolgende Entstehung der illuminierten Blätter zu vermuten wäre, könnte auch – gerade angesichts der etwas unklaren Formulierung bei Mackail – aufgrund der gestalterischen Nähe zwischen der »Eisenhans«-Seite und der in »La Belle Iseult« dargestellten Handschriftenseite eine Datierung des Blattes in den Winter 1857/1858 parallel zur Entstehung des Gemäldes angenommen werden.360 In der ausgewogeneren Proportionierung der Elemente ähnelt die Buchseite in »La Belle Iseult« stärker als die »Eisenhans«-Seite mittelalterlichen Vorbildern. Dieses wiederum entspricht dem Ansatz des Bildes, ein ideales und zugleich überzeugendes mittelalterliches Interieur wiederzugeben. 2.10.6 Zusammenfassung und Ausblick
Unklar ist, ob Morris mit seinen illuminierten Arbeiten unzufrieden war, oder ob ihn andere Tätigkeiten wie Dichtung, Hochzeitsvorbereitungen, Bau und Einrichtung eines eigenen Hauses oder später die Gründung der »Firma« und die Ausführung von Aufträgen davon abhielten, sich weiterhin auf dem Gebiet der Buchmalerei zu erproben. Möglicherweise ist die Abwendung von der Buchmalerei auch in Zusammenhang mit der Aufgabe der Malerei insgesamt zu betrachten. Die Unsicherheit hinsichtlich seiner Talente als Zeichner und Maler von Figuren sollte sich auch später, selbst nach erfolgreichen Entwürfen im dekorativen Bereich nicht legen.361 Diese Zweifel an seinen eigenen Fähigkeiten bestanden scheinbar von Anfang an, denn Morris schrieb bereits im Juli 1856 an Cormell Price : Rossetti says I ought to paint, he says I shall be able, now as he is a very great man, and speaks with authority […] I must try. I don’t hope much, I must say, yet will try my best […] if I actu360 Für diese Datierung entschieden sich Salmon/Baker 1996, S. 21. 361 Vgl. zu Morris und seiner Unzufriedenheit mit seiner Figurenzeichnung : May Morris, in : CW IX, S. xxvi, eine entsprechende Erläuterung von S. C. Cockerell, ebd.; Morris 1966 I, S. 27–28 ; Mackail 1995 I, S. 114, 301.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
ally master this art of painting : I dare scarcely think failure possible at times, and yet I know in my mind that my chances are slender.362
Morris’ wieder erwachtes Interesse für die Buchmalerei am Ende der 1860er Jahre geht wohl darauf zurück, dass er sich zu Beginn dieses Jahrzehnts besonders intensiv mit dem Studium mittelalterlicher Handschriften in Zusammenhang mit den dekorativen Projekten zu »The Legend of Good Women«, den Kamindekorationen im Queens’ College in Cambridge und dem »Daisy«-Motiv beschäftigt hatte. Die Arbeit an dem umfangreichen Text des »The Earthly Paradise« und die sich daran anschließende Vorbereitung dieses Textes zum Druck mit Holzstich-Illustrationen von Burne-Jones scheinen allerdings Morris’ Energie und sein Interesse zunächst in den Bereich der Druckkunst geleitet zu haben. Als jedoch die Publikation des »The Earthly Paradise« nicht in dem gewünschten Rahmen erfolgen konnte, wendete sich Morris enttäuscht und unzufrieden über die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nach einem erneuten Versuch in Verbindung mit der Publikation von »Love is Enough« zunächst vom Buchdruck ab, um sich seiner alten Begeisterung für das illuminierte Buch zu widmen, denn hier lagen alle Aspekte der Gestaltung direkt in seiner Hand. Das Druckvorhaben Morris’ war daran gescheitert, dass sich keine Schrift finden ließ, die ein Gegengewicht zu den nach dem Vorbild von Holzschnittillustrationen der Zeit um 1500 konzipierten Illustrationen Burne-Jones’ bilden konnte. Gewisse Reminiszenzen an seine Bemühungen um schöne gedruckte Publikationen lassen sich in den floralen Initialfelddekorationen der Handschriften um 1869/1870 ausmachen. Sie erinnern in dem Maß der Stilisierung der floralen Motive und ihrem Arrangement um den Buchstaben in einem Quadratfeld sowie in dem Punktmuster des Grundes etwas an die von Charlotte und Eleanor Whittingham entworfenen und von Mary Byfield geschnittenen Initialen der Chiswick Press, die Morris 1856 für das von ihm finanzierte »Oxford and Cambridge Magazine« verwendete.363 Mit der Chiswick Press hatte er auch bei »The Earthly Paradise« zusammengearbeitet. Morris konnte im Unterschied zum gedruckten Buch auf der Ebene der illuminierten Handschrift in einem sehr privaten Rahmen Bücher schaffen, die seinen ästhetischen und buchkünstlerischen Vorstellungen entsprachen und eine passende, stimmige Begleitung und Ergänzung des Textes bildeten. Die Wahl des Handschriftenmediums ermöglichte es ihm vor der Gründung der Kelmscott Press, alle Aspekte der Buchproduktion – Verfassen oder Übersetzen, Auswahl des Textes, Wahl der Schrift und der Dekoration sowie ihre gewünschte Umsetzung – an sich zu binden und deswegen genau in der von ihm konzipierten Weise zu verwirklichen. Dabei war er sich des medialen Unterschieds sehr wohl bewusst. Auch wenn er in seinen späteren Aufsätzen die Kontinuität von Buchma362 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 17, S. 28. 363 Zum »Oxford & Cambridge Magazine« : Mackail 1995 I, S. 88 ff.
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lerei und Buchdruck ansprach und im Layout seiner Handschriften und Buchdrucke annähernd gleichen Grundsätzen folgte, so setzte er doch selten die von ihm als Druck geplanten Texte als Handschriften um, sondern wählte solche aus, die ihm für das Medium zu dieser Zeit und für die jeweilige Funktion der Handschrift geeignet schienen.364 Als Morris um 1870 die Buchmalerei wiederaufnahm, blieb zwar auf theoretischer Ebene seine Vorliebe für die Buchmalerei des 14. Jahrhunderts bestehen, wie auch noch seine späteren Erwerbungen und Erläuterungen zur Buchmalerei belegen, doch knüpfte er nun stilistisch nicht an seine früheren Arbeiten an, sondern orientierte sich an anderen, späteren Buchmalerei-Vorbildern. Auch Mackail konstatierte bei Morris’ Buchmalerei einen gewissen Bruch, ein »advance in splendour of colouring and breadth of design, but the earliest are in their simpler treatment as faultless as the latest«.365 Morris’ Neuorientierung ist in Zusammenhang mit seinen Überlegungen zu Angemessenheit von Form – Inhalt – Dekoration, seinen Erwägungen zu einer zeitgemässen Buchmalerei zu sehen.366 In »Some Hints on Pattern Designing« wird er 1881 verlangen, dass der Künstler aufhören solle, die Werke vergangener Zeiten zu kopieren und »tote Kunst« zu produzieren, sondern vielmehr angeregt durch die Gestaltungskriterien historischer Kunstwerke und auf Basis umfassender kunsthistorischer Kenntnisse sowie des Naturstudiums eine seiner eigenen Zeit angemessene Kunst schaffen und zeitgemässe Ausdrucksformen finden solle.367 Die bestehenden Traditionen sollten nach Morris’ Auffassung überdacht und der eigenen Gegenwart entsprechend fortgeführt werden. Eine Abkehr von den früheren Vorbildern ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Morris die Buchmalerei des 14. Jahrhunderts und die gotische Schrift nun als ungeeignetes Modell für die von ihm zur kalligraphischen Abschrift und Illuminierung ausgewählten Texte erachtete. Eine Orientierung an späteren Beispielen und deren Variation schien auch durch die Verwendung einer an den italienischen Schreibmeistern geschulten Kursivschrift nahegelegt, die eine bessere Lesbarkeit des Textes als die gotischen Schriftformen gewährleistete.368 Eine auf gotischen Vorbildern basierende Buchdekoration hätte einer sich auf die antike und karolingische Tradition berufenden Schrift nicht entsprochen und zu einem ästhetischen Mißklang geführt. 364 Vgl. Morris, Arts and Crafts Essays. Printing (1893), in : Morris 1966 I, S. 251–260, hier S. 252. Vgl. a. I. H. I. 1895/2005, S. 116. 365 Mackail 1995 I, S. 277. 366 Vgl. z. B. zum Buchdruck ähnliche Überlegungen in einem Interview im »Daily Chronicle« von 1893, Master Printer Morris, A visit to the Kelmscott Press, Daily Chronicle, 1993, in : Morris 1982, Appendix B, S. 95–98, hier S. 95–96. 367 William Morris, Some Hints on Pattern Designing, 10.12.1881, in : CW XXII, S. 175–205, hier S. 177–178, 199–201. Vgl. eine entsprechende Forderung 1912 von Sydney Cockerell formuliert, BL, MS Add. 52772, S. 138–140, hier S. 140, publiziert als »La Calligraphie & L’Enluminiere Moderne en Angleterre«, Exposition d’Art Décoratif de Grand Bretagne, Palais du Louvre, Paris 1914, S. lxiii-lxvii. 368 Vgl. auch Whitla 2001, S. 70.
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William Morris’ Beschäftigung mit Buchmalerei in den 1850er Jahren
In der folgenden Beschäftigung mit Morris’ illuminierten Handschriften aus den 1870er Jahren wird der Schwerpunkt auf der malerischen Ausstattung liegen – auf dem Bezug der Buchmalerei zum Text, ihrem Verhältnis zu Morris’ zeitgleichen Muster- und Ornamententwürfen in anderen Medien wie Tapeten und Stoffen, zu kunsthistorischen Vorlagen und der ikonographischen Tradition. Überlegungen zu Angemessenheit und Seitenlayout schließen sich an, die nicht nur Aspekte der Seitenkonstruktion, sondern auch das Arrangement verschiedener Elemente und ihre hierarchische Ordnung umfassen. Die Entstehung der umfangreicheren Handschriften – soweit möglich – ist zu rekonstruieren, und der Anteil der jeweils Beteiligten innerhalb der werkstattartigen Gemeinschaftsarbeit herauszufinden. Die Datierungen, die Joseph Dunlap über eine Schriftanalyse erarbeitete, werden auf der Ebene der malerischen Ausstattung überprüft. Als Grundlage der vergleichenden Betrachtung fungieren die datierten Handschriften selbst und Hinweise in der Korrespondenz oder in Äußerungen von Morris’ Zeitgenossen. Morris’ Handschriften entstanden als Geschenke oder für sein Privatvergnügen. Deswegen war der Rezipientenkreis wesentlich kleiner als beim illustrierten Buch : Der Buchschmuck konnte individuell auf die Person des Schenkenden und der Beschenkten abgestimmt, auf den Anspruch einer allgemeinen Verständlichkeit verzichtet werden. Es musste nicht auf die Wünsche und den Geschmack eines größeren Publikums reagiert oder kommerziellen Erwägungen Folge geleistet werden. Allein bei Morris’ letzter, in der Ausstattung aufwendig geplanter Handschrift, der »Aeneis«, kann vermutet werden, dass sie vielleicht als kommerzielles »Buch-Objekt« konzipiert war. So geben die Miniaturen bei Kenntnis des Textes im Vergleich mit »A Book of Verse« oder dem Graham»Rubaiyat« dem Betrachter wenig Rätsel auf.
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3 William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre – Überlegungen zum Verhältnis von Text, Miniatur und Ornament
3.1 Frühe Handschriften der 1870er Jahre – Die ersten Übersetzungen aus dem Isländischen Morris’ erste Lösungsansätze auf der Suche nach einer »modernen« Buchmalerei nach seinen Experimenten aus der Zeit um 1857 dokumentiert seine Handschrift der »The Dwellers at Eyr« von 1869 (»Dwellers I«, BLO, MS Eng. misc. c. 265). Der Buchschmuck zeigt dabei im Verzicht auf reiche Seitenranddekorationen eine gewisse Unsicherheit in der zu wählenden Gestaltung und in Motiven wie Farbgebung einen Anschluss an mittelalterliche Buchmalereien, der dann zunehmend durch die Aufhellung der Farben und die naturalistischere Gestaltung der floralen Elemente zurückgedrängt wird. Gerade bei den isländischen Dichtungen erstaunt die Abkehr von mittelalterlichen Vorbildern für die Dekoration der Handschriften. Doch hier ist ein Verfahren zu vermuten, das in Analogie zur Übersetzungstätigkeit erfolgt, deren Ziel es ist, zum einem die Texte in ihrem sprachlichen und atmosphärischen Charakter zu bewahren, zum anderen sie für die eigene Gegenwart zugänglich zu machen. In Hinblick auf die Buchmalerei würde dieses eine zeitgemäße Dekoration, keine Kopien historischer Stile und die Entscheidung für eine Ausstattung bedeuten, die sich in Stilisierung und Konzentration auf Naturmotive dem Charakter der Dichtungen anpasst. Die Illuminierung der »The Story of the Dwellers at Eyr« erfolgte wohl 1869 in Zusammenhang mit Morris’ Übersetzungen aus dem Isländischen.1 Er hatte im Herbst 1868 mit Eiríkr Magnússon, den er über den Manager der »Firma« George Warington Taylor kennengelernt hatte, begonnen, Isländisch zu lernen, wobei die Übersetzung der isländischen »Eyrbyggja Saga«, »The Story of the Dwellers at Eyr«, eine ihrer ersten Unternehmungen bildete.2 Sie gingen so vor, dass Morris zunächst mündlich übersetzte und
1 Dagegen eine relativ späte Datierung in die Zeit um 1871 durch Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1250, S. 106. Eine Datierung um 1869 durch Dunlap, in : PML 1976, Kat. Nr. 48, S. 110, und in das Jahr 1870 bei Fairbank 1970, S. 58, 65. Eine isländische Ausgabe der »Eyrbyggia Saga« von 1787 (Hafniae) in Morris’ Bibliothekskatalogen von ca. 1876, YCBA, fol. 18r, und Bridwell Lib., fol. 68r, Nr. 901. 2 Vgl. Dunlap 1975, S. 148 ; Henderson 1986, S. 107 ; Brief Morris’ an Cormell Price vom 12.10.1868, in : Kelvin 1984 I, Nr. 64, S. 66. Eine handschriftliche Fassung der Übersetzung : FMC, MS 25F, Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1576, S. 698. 1892 wurde die Übersetzung im zweiten Band der »Saga Library« unter dem Titel »The Story of the Eyr-Dwellers« publiziert.
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dabei von Magnússon korrigiert wurde. Dieser schrieb anschließend die gemeinsame Übersetzung nieder, die Morris dann poetisch überarbeitete.3 Whitla verband Morris’ Kalligraphie mit seiner Tätigkeit als Übersetzer der isländischen Sagen, indem er die kalligraphische Fassung als »simulation of earlier social formations« interpretierte.4 Morris versuche, durch die »private action of calligraphy« »the right medium for the text’s meaning and communication of cultural values« zu finden und sich an anti- und vorkapitalistische Produktionsweisen anzuschließen.5 Die Kalligraphie erscheine als das Medium, das die Kultur der Entstehungszeit des Textes und der eigenen Gegenwart verbindet. Morris gelinge es, in seinen kalligraphischen Übersetzungen das Ethos der isländischen Saga-Kultur an den viktorianischen Leser zu vermitteln. Für Whitla erfolgten Morris’ kalligraphische Übersetzungen mit dem »public purpose of ensuring cultural and social continuities between story and ornament, between books and architecture«, innerhalb »a vast public context of social action«.6 Für Morris sei es wichtig gewesen, die Kontrolle über »methods of production and dissemination« zu behalten, wobei Whitla dieses zwar als Interimslösung begriff, aber auch auf Äußerungen zu sozialen Mängeln in der zeitgenössischen Druckindustrie verwies, die Marx in »Das Kapital« anspricht, und damit die kalligraphischen Produktionen Morris’ als Reaktion auf und als Kritik an diesen Zuständen interpretierte.7 Allerdings las Morris Marx’ Buch erst 1883, worauf auch Whitla hinweist, so dass zu fragen bleibt, ob Morris dieses Problem bereits um 1870 in dieser Intensität bewusst war.8 Für Whitla waren die kalligraphischen Arbeiten Morris’ letztlich als Teil seiner »utopianizing efforts« zu verstehen.9 Die Übersetzung und Wahl der Humanistenschrift erfolge mit dem Ziel, die Texte vor der Vergessenheit zu bewahren, lesbar und damit vermittelbar zu machen. Dieses Anliegen auf Außenwirksamkeit der Handschriften erscheint jedoch fraglich, da die kalligraphische Fassung zwar durchaus als Medium aufzufassen ist, das der oralen Tradition eher entspricht als dasjenige des arbeitsteiligen modernen Druckprozesses, bei dem jedoch die Breitenwirksamkeit fraglich bleibt. Die Vielzahl der isländischen Übersetzungen innerhalb des Handschriften-Œuvres Morris’ ist vielleicht an solche Überlegungen zur mündlichen Überlieferung gebunden :10 Die Handschrift, die von einer Einzelperson in einem Medium ausgeführt wird, das zunächst auch nur für einen überschaubaren Personenkreis konzipiert ist, mag von Morris als dasjenige erachtet worden 3 May Morris, in : CW VII, S. xvii ; Morris 1966 I, S. 455 ; Grace J. Calder, Introduction, in : Morris/Magnússon 1970, S. 1–44, hier S. 17–28 ; Henderson 1986, S. 107. 4 Whitla 2001, S. 26. 5 Ebd., S. 28, 29. 6 Ebd., S. 33, 34. 7 Ebd., S. 70–71, 72 und 73–74. 8 Ebd., S. 72. 9 Ebd., S. 75. 10 Eine entsprechende Auffassung bei Herbert 2000, S. 23.
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sein, das der älteren Überlieferungstradition am ehesten entspricht – durch die Art der Produktion und die persönliche, individuelle Note der Schrift, die der Stimme des Erzählers vergleichbar scheint. 3.1.1 »The Story of the Dwellers at Eyr« von 1869
Die unvollendete Handschrift der »The Story of the Dwellers of Eyr« (BLO, MS Eng. misc. c. 265) ist auf Papier ausgeführt und besteht aus insgesamt 36 Seiten (18 Bl.). Der Text, der eigentlich 65 Kapitel umfasst, ist in dem Oxforder Manuskript nur bis zum 19. Kapitel erhalten, wobei das 17. und der Großteil des 18. Kapitels fehlen (S. 37–46), da Morris diese Seiten 1871 in seine zweite illuminierte Abschrift des Textes einfügte, die im April 1871 beendet wurde (»Dwellers II«, BMAG, Inv.-Nr. 92’20). Der Text setzt auf S. 47 (bis S. 50) mit dem 19. Kapitel wieder ein. Das Schriftfeld aus 24 Zeilen wird von einem Linienrahmen eingefasst, der in roter Tinte (S. 1–4) bzw. in Bleistift (S. 5–20) ausgeführt ist. Ab Seite 21 trug Morris ihn in Sepia ein, wobei er die Linien bis zum Seitenrand hin verlängerte und dadurch die Seite in neun unterschiedlich große Felder unterteilte. Dieses Seitenschema blieb auch für die folgenden Handschriften Morris’ weitgehend verbindlich. Bei einigen Zeilen öffnet sich der rechte Rahmen, um sich an den Enden jeweils leicht einzurollen und dem Wortende zu erlauben, in den Seitenrand vorzudringen.11 Die Seiten sind (ab S. 21) im oberen äußeren Rechteckfeld in Sepia paginiert, und eine in Sepia geschriebene Zusammenfassung des Seitengeschehens wird als Kopftitel im mittleren oberen Feld in einer aufrechten humanistischen (römischen) Schrift eingefügt.12 In Gleichmäßigkeit und Klarheit steht diese Schrift in Kontrast zu der relativ bewegten Textschrift, eine gerundete Kursive mit nach rechts geneigten Oberlängen und phantasievollen, schwungvollen Majuskeln. Die schlanken, leicht nach rechts geneigten Schäfte der Lettern h, l, d, b erinnern – wie auch einige der Großbuchstaben – an Beispiele aus Kalligraphie-Lehrbüchern von Tagliente und Arrighi.13 Ein Band mit vier kalligraphischen Traktaten des 16. Jahrhunderts, dar11 Z. B. auf S. 3. 12 Die Paginierung der Seiten 1–20 in Bleistift erfolgte vermutlich durch eine andere Hand : Dunlap 1972/1976, S. 160. Zur Schrift der Kopfzeile, die durch langgezogene Oberlängen mit deutlich abgesetzten Serifen gekennzeichnet ist, vgl. ebd. Whitla 2001, S. 50, erachtete die Schrift als eine Kombination der beiden ersten Kursivschriften mit der ersten Antiqua-Schrift Morris’, s. a. Nash 1996, S. 298. Nach Whitla basiert Morris’ erste Kursive auf der humanistischen Littera humanistica cursiva, cancellaresca oder cancellaresca all’antica, die zweite sei gekennzeichnet durch die Vielzahl von »hairline diagonals«, Whitla 2001, S. 84, 85. Die erste Antiqua-Schrift Morris’ beruhe ebenfalls auf humanistischen Modellen, der littera humanistica textualis, littera antiqua oder lettera antica, ebd., S. 90. 13 Lodovico degli Arrighi Vicentino, La operina di Ludovico Vicentino, da imparare di scrivere littera cancellarescha, 1522 ; ders., Il modo de temperare le penne con le varie sorti de littere, ca. 1523, publiziert ca. 1524–1527 ; Giovanni Antonio Tagliente, Le presento libro insegna la vera arte de lo excellente scrivere de diverse varie sorti de litere, 1524. WM 1898, Los 256, SoA, Kelmscott. Zu den Minuskeln : PML 1976, S. 111.
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unter diejenigen von Arrighi, Tagliente und Ugo da Carpi, befand sich in Morris’ Bibliothek, und Mackail berichtet von Morris’ intensiver Beschäftigung mit der Kalligraphie, die sein Aufgreifen der Miniaturmalerei begleitete.14 Morris studierte nicht nur die humanistischen Schreiblehrbücher zur Verbesserung seiner Schrift, sondern nahm auch Schreibunterricht bei einem Mr Jones, in dem der Lithograph und Ornamentkünstler Owen Jones vermutet wurde.15 Morris scheint in den frühen 1870er Jahren nicht nur daran gelegen gewesen zu sein, seine Handschrift, sondern auch seine Zeichenkünste zu verbessern, wie Briefe an Murray belegen.16 Eine Verbindung von Handschrift und Zeichnung wurde seit der Renaissance gezogen. Sowohl in der italienischen Kunsttheorie als auch in KalligraphieLehrbüchern wurden Handschrift und Duktus der Zeichnung parallelisiert, wobei Letztere im Sinne der künstlerischen Handschrift als Zeichen des Echtheitsnachweises von Bedeutung war.17 Wie bei der Handschrift diente der Linienverlauf, die Linienartikulation als Unterscheidungsmerkmal.18 Curtis zeigte eine entsprechende Analogiesetzung zwischen Kalligraphie (»penmanship«) und Zeichnung (»drawing«) in der englischen Kunstliteratur des 19. Jahrhunderts auf.19 Ogg 1953, Arrighi I, S. 24, 27, und Arrighi II, S. 50, sowie Tagliente, Taf. Gr. Diagonale Serifen an einigen der Minuskeln verbinden die Buchstaben miteinander. Bei den Majuskeln fallen das an den oberen und unteren Gelenkstellen Schlaufen bildende E, das N mit J-förmigem rechten Schaft, das H mit einem umgekehrt Jförmigen rechten Schaft, K, V und Y mit einem Deckbalken sowie das T mit leicht geschwungenem Deckbalken auf. T und F besitzen außerdem nach links sich einrollende Stämme. Die Schrift ist großzügig mit breiten Abständen ausgeführt. Vergleichen lassen sich das B, das A mit einem fast vertikalen rechten Stamm und das G mit Unterlänge, vgl. Dunlap 1972/1976, S. 153, 158–159. Siehe Ogg 1953, Arrighi I und II, S. 27, 50, und Tagliente, Taf. Bv, Cr. 14 Mackail 1995 I, S. 276–277 ; Fairbank 1970, S. 54–57 ; Osley 1984. 15 Vgl. BLO, MS Autograph d. 24, fol. 94r ; Brief von Morris an Murray vom 18.2.1874, Kelvin 1984 I, Nr. 225, S. 213. Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 143–146. 16 Brief Morris’ an Murray vom 5.11.1873, Kelvin 1984 I, Nr. 215, S. 204–205. 17 Siehe für eine Analogiesetzung z. B. Ambrosius Traversarius, Epistolae et orationes II, Florenz 1759, 1.XI.19n. 385, col. 501, siehe ausführlicher : Emanuele Casamassima, Per una storia delle dottrine paleografiche dall’Umanesimo a Jean Mabillon, in : Studi medievali, ser. III, vol. V, fasc. II, Spoleto 1964, S. 525–578, hier S. 548–549, Anm. 47. Zu italienischen Kalligraphie-Lehrbüchern : Emanuele Casamassima, Trattati di scriptura del cinquecento italiano, Documenti sulle arti del libro collezione promossa dalla Cartiera ventura V, Mailand 1966. 18 Vgl. bei Giulio Mancini, Considerazioni sulla pittura, hrsg. v. Adriana Marucchi, Accademia Nazionale dei Lincei, Fonti e documenti inediti per la storia dell’Arte I, 2 Bde., Rom 1956, Bd. I, S. 327–334. Siehe auch Giovanni Battista Armeninis Ansicht, dass eine frühe gründliche Ausbildung im Schreiben später das Zeichnen erleichtere, in : Giovanni Battista Armenini, De’veri precetti della pittura. Libri tre (1587), Reprint Hildesheim 1971, Buch I, S. 51–59, und bei Marco Boschini, Breve instruzione premessa a le Ricce Minere della Pittura Veneziana, in : La Carta del Navegar Pittoresco. Editione critica con la »Breve Instruzione« permessa alle »Ricche Minere della Pittura Veneziana«, hrsg. v Anna Pallucchini, Civilità veneziana, Fonti e Testi VII, Serie Prima 4, Venedig/Rom 1966, S. 703–704. 19 Curtis 2002, S. 26–27 mit Verweis auf Philip Hamerton, The Graphic Arts, London 1882.
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Dunlap wies darauf hin, dass Morris’ Schrift auf den ersten Seiten wie diejenige eines begeisterten Amateurs wirke, der eine besondere und künstlerisch anmutende Wirkung erzielen möchte, aber noch zu ungeübt sei.20 Seine genaue Schriftanalyse ergab, dass Morris drei verschiedene Schriften verwendete : Die erste Schrift besitzt noch einige Parallelen mit derjenigen der »Bellerophon«-Handschrift (BL, MS Add. 54301) und der Cambridger »Eyrbyggja«-Fassung von 1869 (FMC, MS 25F) ;21 die zweite schließt sich dieser »Grundschrift« an, mit dem Unterschied, dass sich Morris von den extravaganten Majuskeln zugunsten einfacherer Formen trennte ; die dritte ist durch diagonale Serifen gekennzeichnet und weist Parallelen zu derjenigen auf, die Morris am Anfang der »The Story of the Volsungs and Niblungs«-Handschrift (BLO, MS Eng. misc. d. 268) verwendete.22 Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass Morris vermutlich über einen längeren Zeitraum an dem unvollendet gebliebenen Manuskript arbeitete.23 Die Kapitelangaben »Chap :« mit römischer Nummerierung und die kurzen, manchmal von einem roten stilisierten Blattzweig begleiteten Zusammenfassungen setzt Morris in roter Kursive mittig über den jeweiligen Kapitelanfang, wobei die Angaben zum ersten Kapitel in Gold und die Zusammenfassungen wohl, wie Unterschiede in der Schrift nahelegen, später als die eigentliche Textschrift ausgeführt wurden.24 Am Anfang der Handschrift (Abb. 10) verwendet Morris noch – wie auch für den zweizeiligen Titel des Manuskripts – für den auf den Initialbuchstaben folgenden Rest des jeweils ersten Wortes eines Kapitels schwungvolle kursive Majuskeln, die erst mit dem 11. Kapitel (S. 21) von konventionelleren Majuskelformen nach dem Vorbild der Humanistenschriften abgelöst werden. Dabei lässt die unterschiedliche Strichstärke dieser Majuskeln den experimentellen Status des Unterfangens deutlich werden.25 Im Vergleich mit Morris’ späteren Handschriften ist das »Dwellers«-Manuskript zurückhaltend dekoriert, weist jedoch bereits eine durch die malerische Ausstattung her20 Dunlap 1972/1976, S. 156. 21 Dunlap verweist besonders auf Parallelen in der Gestaltung einiger Majuskeln wie der Buchstaben N und G bzw. den durch Schlaufen gekennzeichneten Buchstaben T und H, Dunlap 1972/1976, S. 158 ; Dunlap 1976, S. 55. Zur Datierung des Cambridger Manuskripts : PML 1976, Kat. Nr. 46, S. 110. Vgl. BL, MS Add. 45301, fol. 43r, 43v, 45v, 46v. 22 Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 159–160 ; Nash 1996, S. 298. 23 Siehe dazu : Dunlap 1972/1976, S. 159. 24 Ebd. Auffällig sind die größeren Unterschiede in der Strichstärke innerhalb eines Buchstabens und die zierlichen diagonalen Serifen, die sich innerhalb des Texts erst auf den Schlußseiten der Handschrift, S. 47–50, finden lassen. Allein die Überschriften zu Kapitel III und IV entsprechen der Textschrift, während die anderen Kapitelüberschriften eher der Schrift der »Volsungs«- und »A Book of Verse«-Handschriften von 1870 ähneln. 25 Entsprechen z. B. bei Kapitel I die Majuskeln in ihrer Strichstärke derjenigen der Großbuchstaben der Textschrift, so sind sie in Kapitel II besonders dick geschrieben und damit gegenüber den Majuskeln des folgenden Textes abgesetzt und ausgezeichnet. Dieser Wechsel zieht sich in unregelmäßiger Abfolge durch die Handschrift hindurch.
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Abb. 10 William Morris, The Story of the Dwellers at Eyr, 1869, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. c. 265, fol. 1r. Photo Bodleian Libraries, The University of Oxford.
vorgehobene erste Seite auf. Hier wird der Freiraum zwischen dem Titel, der aus zwei Reihen von kursiven Majuskeln gebildet wird, und dem Anfang des ersten Kapitels durch zwei Reihen von nebeneinander gestellten diagonalen Blattzweigen auf quadratischer Grundfläche in zwei jeweils alternierenden Grüntönen getrennt. Diese Zweige werden in einigen Initialfeldern der zweiten »Dwellers«-Abschrift und des »A Book of Verse« aufgegriffen. Sie erinnern nicht nur an Morris’ Fliesenentwurf »Bough« von ca. 1870, sondern das diagonale Arrangement der Zweige wiederholt sich auch in Morris’ Tapetenentwurf »Fruit« (Abb. 11) von 1862/1864.26 Bei diesem Muster handelt es sich um eng nebeneinandergefügte Zweige mit Zitronen, Granatäpfeln, Pfirsichen und Orangen, die diagonal in eine imaginäre quadratische Grundfläche eingepasst sind.27 Morris arbeitet hier mit dem Kontrast von Flächigkeit, die aus dem Nebeneinander der Zweige und dem linear stilisierten Hintergrundmuster aus Kreisformen mit radial angeordneten Beeren26 Clark 1974, S. 11, Nr. 2 ; Earthly Paradise 1993, Nr. E :7, S. 137–138 ; Myers/Myers 1996, S. 99–103, Abb. 147–152, Taf. 10d-k. Vgl. auch Kachelfelder, die Morris vor 1862 für »The Hill« entwarf (»Leaves and Berries«), ebd., S. 14–15, Abb. 11–12. Diagonal in ein Quadratfeld eingestellte Blattzweige finden sich auch in dem Philip Webb zugeschriebenen Fliesenentwurf »Longden«, ebd., S. 103–104, Abb. 156–161. 27 Für eine entsprechende Anordnung siehe die von Philip Webb entworfene Wanddekoration aus Stuck-Olivenzweigen im Green Dining Room, der von der »Firma« im South Kensington Museum 1866/1867 (V&A) eingerichtet wurde.
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zweigen entsteht, und der naturalistischeren Wiedergabe der Früchte, durch die wiederum Räumlichkeit suggeriert wird. Lochnan wies bei diesem Tapetenentwurf auf Parallelen zu mittelalterlichen Buchmalereien hin.28 Hierbei scheint sie sich auf die illusionistischen Randdekorationen flämischer Handschriften des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts zu beziehen wie BL, MS Harley 4425, in denen naturalistisch wiedergegebene Zweige und Insekten auf einen farbigen Grund aufgelegt wurden. Morris schätzte zwar unter gattungsspezifischen Kriterien diese Art der Buchmalerei nicht sehr hoch, doch fand er hier die genaue Naturbeobachtung wieder, die seiner eigenen Liebe zur Natur entgegenkam. So lobte er 1881 in seinem Vortrag »Art and the Beauty of the Earth« den »sweet and serious external naturalism, illuminated by colour unsurpassed for purity of brightness« der flämischen Malerei.29 Die in ein Quadrat eingestellte Diagonale galt Abb. 11 William Morris, Tapete »Fruit«, um 1868–1870, Morris als ideale Gestaltungsweise für »square Victoria and Albert Museum, London, Inv.-Nr. continuous pattern-work«. In seinem Vortrag E. 3711–1927 (Vermächtnis von J. R. Holliday). © Victoria and Albert Museum, London. »Some Hints on Pattern-Designing« (1881) äußerte er : »Of this square continuous patternwork there are two principal forms of construction : (1) The branch formed on a diagonal line, […]« und die Variante des »powderings on the lines of the diagonal branch«.30 Das erste Kapitel der »Dwellers I«-Handschrift wird von einer dreizeiligen Initiale eingeleitet : Ein goldenes K, das allerdings nicht die glänzende Oberflächenqualität der späteren Beispiele besitzt, befindet sich vor einem rechteckigen Feld mit Wiesenausschnitt und weiß-rosa Blüten. Von dreien der Feldecken gehen Pfauenfedern aus, ein Motiv, das sich bei zwei anderen Initialquadraten wiederholt (S. 3, 10).31 Die folgenden zweizeiligen Initialbuchstaben sind vor quadratische, farbige, teilweise weiß getupfte und mit Punktrosetten, diagonal eingestellten Blatt-, Beeren- oder Blütenzweigen verzierte 28 Lochnan, in : Earthly Paradise 1993, S. 136. 29 William Morris, Art and the Beauty of the Earth, Vortrag vom 13.10.1881, CW XXII, S. 155–174, hier S. 160. 30 William Morris, Some Hints on Pattern-Designing, Vortrag vom 10.12.1881, CW XXII, S. 175–205, hier S. 185. 31 Diese Initialfelder sind mit einem Eichenblatt bzw. einem diagonal eingestellten gelbblättrigen Zweig mit roten Punktblüten dekoriert.
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Hintergrundflächen gesetzt. Auf S. 5 erscheint an ihrer Stelle ausnahmsweise eine diagonal platzierte Pfauenfeder. Von einigen Quadratecken gehen eng an den Quadratseiten anliegende und nur wenig in den Seitenrand hineinragende Blattzweige, Blütenranken oder Blumenstiele aus, darunter Rosenzweige und Tulpen (S. 15, 18, 21, 23, 26). Auf S. 12 und 47 werden die einzelnen Elemente durch zurückhaltende Linienornamente verbunden. Seltener finden sich in den Initialfeldern auch Blumenmotive wie Gänseblümchen oder sonnenblumenartige Blüten (S. 11, 12), die auf Morris’ Fliesenentwurf »Sunflower« von ca. 1870 verweisen.32 Die Initialen bis Kapitel VII (S. 12) sind mit Ausnahme derjenigen zu Kapitel III und IV (S. 5, 6), denen allerdings das begleitende Ornament fehlt, noch von einer gewissen Grobheit und Ungelenkheit, die unterstreichen, dass es sich bei dem Oxforder Handschriftenfragment um einen frühen Versuch Morris’ auf dem Gebiet der Buchmalerei nach seinen ersten Proben aus den späten 1850er Jahren handelt. Sie zeigen in der starken Stilisierung der floralen Motive noch Anklänge an Handschriften aus der Mitte des 14. Jahrhunderts wie den Luttrell Psalter (BL, MS Add. 42130), dessen Seitenranddekorationen kleeblattartige Blätter, Kleeblumen, weiße Vierpassblüten, Wein- und Eichenblät ter enthalten. Diesen ersten Initialfeldern Morris’ fehlt die zierliche Binnenzeichnung, die die späteren Initialgründe seiner Handschriften kennzeichnet und die sich bereits auf S. 5 andeutet. Die Farbe ist glatt und deckend aufgetragen, die Motive sind schwarz konturiert, und auch das Quadrat selbst ist von einer relativ breiten schwarzen Linie eingefasst.33 Die Gestaltung der Blumenmotive erinnert an diejenigen auf Fliesen, die 1867–1868 für die Findon Church in Sussex entworfen wurden und die unterhalb der Reihe musizierender Engel seitlich des Altars verlaufen.34 Sie sind durch eine etwas dunkeltonige Farbigkeit, eine starke Stilisierung und klar nebeneinandergesetzte Farbwerte bestimmt. Ist die Farbgebung auf den ersten Seiten noch dunkel gehalten, so ist ab S. 15 eine leichte Aufhellung und zunehmende Leichtigkeit in der Gestaltung der Dekorationen zu beobachten. Die Feder- und Pinselführung, die Handhabung der schwarzen Konturen, wird im Verlauf der wenigen Seiten der »Dwellers I«-Handschrift feiner und die Ausführung der seitlichen Initialdekorationen lässt eine zunehmende Sicherheit erkennen. Die Motive werden kleinteiliger, mit feinerer Binnenzeichnung und Schattierung wiedergegeben, wobei nun Tulpen (S. 26) und Narzissen (S. 29) vor Kreishintergrund, ein
32 Myers/Myers 1996, S. 104, Abb. 143, 162–166. Die Initiale auf S. 12 unterscheidet sich von den übrigen Initialen durch die asymmetrische Anordnung der floralen Elemente hinter dem Buchstabenstamm und die reiche Rahmengestaltung mit schwarz und gelb umzogenen Konturen, gelbem Fleuronnée und blauen Kreisformen mit gelben Strahlen. Vgl. a. mit dem Tapetenentwurf »Diaper« von 1868–1870, Clark 1974, Nr. 6, S. 12. 33 Ausnahmen bilden die Initialquadrate von Kapitel III und IV, die in Rot konturiert sind. 34 »Findon Buttercup« und »Findon Daisy«, Myers/Myers 1996, S. 74–75 mit Abb., Taf. 30b-c.
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gerasteter kachelartiger Initialgrund mit stilisierten Rosetten (S. 31),35 sowie Bäume vor einem Landschaftsausblick (S. 15, 18) erscheinen.36 Das Baummotiv wiederholt sich auf den Seiten, die Morris für die zweite »Dwellers«-Handschrift übernahm. In den seitlichen Dekorationen ist ein Wechsel von den stark stilisierten Motiven zu naturalistischer dargestellten Blumen und Zweigen zu beobachten. Ab S. 23 werden die Initialen reicher gestaltet, insbesonders die begleitenden floralen Motive. Die Farbe wird oftmals so dünn aufgetragen, dass das Weiß des durchscheinenden Papiergrunds den Farben eine zusätzliche Leuchtkraft verleiht. Diese Variationen deuten darauf hin, dass Morris, wie Dunlap am Beispiel der Schrift zeigen konnte, noch auf der Suche nach angemessenen Dekorationsformen war und sich um eine Beherrschung des Mediums bemühte.37 Dass die feiner gezeichneten, in der Farbwirkung helleren, naturalistischeren Seitenrandekorationen der Kapitel XII–XV (S. 23–30) später als die anderen Initialen eingetragen wurden, wird auch durch Dunlaps Schriftuntersuchungen, den Vergleich mit den »Dwellers II«-Initialen sowie durch die Änderungen im Seitenaufbau – das neunteilige Sepia-Rahmengerüst, die Einfügung von Seitenzahlen und Seitenüberschriften – nahelegt. Dabei scheint Morris in einigen Fällen auch zu unterschiedlichen Zeiten an einer Initialdekoration gearbeitet zu haben. So kontrastiert bei der Initiale auf S. 21 der grobe Farbauftrag, die düstere Kolorierung der Randdekoration mit der feinteiligen Darstellung innerhalb des Initialquadrates. Neue Motive erscheinen auf den Seiten 34 und 47 : Die Initialmajuskeln befinden sich jeweils vor einem Quadratgrund mit blau-roten Blättern bzw. blau-roten, spiralig eingerollten Ranken, dem auf S. 47 seitlich fleuronnéeartige Blätter und Blüten beigestellt sind. Die Motive des ersten Teils werden weitergeführt, aber zierlicher gestaltet und weisen bereits auf Beispiele in den »Dwellers II« und »A Book of Verse« voraus. Die eingerückten linksbündigen »Songs« der Saga (S. 47, 49) werden auf der linken Seite von einem in Bleistift skizzierten, von Ranken umwundenen Stab begleitet. Die Anfänge der »Songs« sollten durch farbige Majuskeln eingeleitet werden.38 Die Dekoration der »Dwellers I«-Handschrift zeigt neben den engen motivischen und gestalterischen Bezügen zu zeitgleichen Musterentwürfen Morris’ für andere Medien noch ein verhaltenes Anlehnen an mittelalterliche Vorbilder. Ornamente in Buchmalereien des 13. und frühen 14. Jahrhunderts mögen als Vorbilder für die rein linearen und geometrischen Dekorationen, die floralen Ornamente der Seitenränder und den deckenden Farbauftrag der ersten Dekorationsmotive gedient haben. Morris kombiniert diese wenigen mittelalterlich anmutenden Elemente mit seinem Interesse an Naturbeobachtung, wobei 35 Vgl. »Longden« von ca. 1870, Myers/Myers 1996, S. 103–104 mit Abb.; vgl. Tapete »Diaper« von 1868–1870, Clark 1974, S. 12, Nr. 6. 36 Auf S. 18 fallen der Baum durch seine ungewöhnlich großen Blätter und der Initialgrund durch seinen Himmelsausschnitt mit atmosphärischen, feinen Übergängen von Blau zu Weiß hin auf. 37 Vgl. Dunlap 1976, S. 55. 38 Diese sind jedoch nur auf S. 48 in Rot, auf S. 49–50 in Bleistift eingetragen.
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der relativ hohe Stilisierungsgrad wohl zum einen als Tribut an mittelalterliche Vorbilder aufzufassen ist, zum anderen mit seinen Überlegungen zur Mustergestaltung in Zusammenhang steht. Er übertrug seine Ideen zur Füllung von Flächen bei Kachel- und Tapetenentwürfen auf das Medium der Miniaturmalerei, die er ebenfalls als eine Flächenkunst erachtete. In allen drei Medien bestand Morris in Reaktion auf viktorianische Produkte darauf, dass die Fläche des Gegenstands nicht durchbrochen, sondern gewahrt werden sollte. Entsprechend lassen sich einige seiner grundlegenden Gedanken zu den Charakteristika von Wanddekorationen in seinem Vortrag »Some Hints on Pattern-Designing« (1881), in dem er Erörterungen zum Wesen eines Flächenmusters und zu seiner Gestaltung besonders in Hinblick auf die Naturnachahmung aufstellte, auch mit seinen Entwürfen für die Buchmalerei verbinden : Beide hatten die Funktion, eine vorgegebene Fläche zu schmücken, ohne den Betrachter in Unruhe oder Gleichgültigkeit zu versetzen.39 Morris forderte bei Musterentwürfen eher einen suggestiven als einen nachahmenden Ansatz : Das Muster solle an die Natur erinnern, sie assoziieren lassen anstatt sie detailliert nachzuahmen.40 Grundlegend für ein Muster erachtete er »order«, denn dieses sei die Bedingung für die zwei weiteren Grundlagen eines gelungenen Musters, für »beauty« und »imagination«.41 »Order« wiederum »invents certain beautiful and natural forms, which, appealing to a reasonable and imaginative person, will remind him not only of the part of nature which, to his mind at least, they represent, but also of much that lies beyond that part«.42 Die stilisierten Naturformen sollen durch farbige Linien konturiert werden, die das Motiv vom Grund abheben.43 Morris erachtete dabei Form und Kontur als grundlegend vor der Farbe : »Remember always, form before colour, and outline, silhouette, before modelling ; not because these latter are of less importance, but because they can’t be right if the first are wrong.«44 Als Motive favorisierte er einfache, einheimische Pflanzen, denen Künstler und Betrachter gemeinsam verbunden seien wie Rose, Lilie, Tulpe, Eichen und Wein. Durch den Anschluss an die Naturform konnte eine weitere seiner Grundanforderungen an die dekorative Kunst erfüllt werden – das »meaning«, da über die Naturformen der Geist und das Gefühl des Betrachters angesprochen werden und ein Kontakt zwischen Gestalter/Produzent und Betrachter entstehe.45 Morris verstand »meaning« somit nicht nur auf einer inhaltlich-ikonographischen Ebene, sondern zugleich als Ausdruck eines verbin39 Morris, Some Hints on Pattern-Designing, CW XXII, S. 179. 40 Ebd., S. 177, 178, 179. Siehe zum Bezug von Natur und Dekoration auch Morris’ Vortrag »The Lesser Arts« vom 4.12.1877, CW XXII, S. 3–27, hier S. 5 ; vgl. William Morris, The History of Pattern-Designing (1882), ebd., S. 206–234, hier S. 209. 41 Morris, Some Hints on Pattern-Designing, CW XXII, S. 180. 42 Ebd., S. 181. 43 Ebd., S. 187 und S. 199 : »Definite form bounded by firm outline is a necessity for all ornament.« 44 William Morris, »Art and the Beauty of the Earth«, 13.10.1881, CW XXII, S. 155–174, hier S. 168. 45 William Morris, Making the Best of It, vor 1879, CW XXII, S. 81–118, hier S. 111.
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denden kulturellen Erlebnishorizonts. Durch die Andeutung von Natur wäre es zudem möglich, »to give all men some pleasure for the eyes and rest for the mind«.46 Morris’ Anliegen war ein individueller, zeitgemäßer Stil, der allerdings auf einer Kenntnis der kunsthistorischen Vorläufer aufbauen solle. Er empfahl : »Don’t copy any style at all, but make your own ; yet you must study the history of your art […].«47 Sein Ziel war es, die Qualitäten eines jeweiligen Stils im Vergleich zu analysieren sowie Vergangenheit und Gegenwart über die Tradition zu verbinden.48 Tradition bedeutete für Morris etwas Lebendiges, das durch Kontinuität und Wandel zugleich charakterisiert war. Entsprechend ging er in der Illuminierung seiner Handschriften der Zeit um 1870 vor : Die Illuminierung greift auf Naturmotive zurück, stilisiert diese jedoch und verwendet ihre Grundformen, die sich an diejenigen der mittelalterlichen Buchmalerei anschließen, jedoch lebendiger und zeitgemäßer wirken. Die Malereien reflektieren Morris’ Bestreben, seine Muster als »source of both interest and sensory pleasure« zu gestalten, sie für die Sensibilisierung der Sinne und Vorstellungskraft einzusetzen,49 sowie sein Ziel, Gebrauchsgegenstände auf eine Weise zu gestalten, »to give people pleasure in the things they must perforce use«.50 3.1.2 Morris’ Textabschriften von »The Story of Bellerophon in Lycia« und »The Story of Rhodope«
Einige der Motive der »Dwellers I«-Handschrift wie sonnenblumenartige Blüten, Bäume mit großen Blättern und Pfauenfedern lassen sich auch in Zeichnungen finden, die Morris in den späten 1860er Jahren in die Seitenränder seiner Textabschriften von »The Story of Bellerophon in Lycia« (BL, MS Add. 45301, fol. 20v–52r) und »The Story of Rhodope« eintrug (BL, MS Add. 45304).51 Die stilisierten Tulpen- oder Krokusblüten von »The Story of Bellerophon in Lycia«, fol. 47r, werden als Quadratbegleitung auf S. 18 der »Dwellers I«-Handschrift variiert ; Rosen und Kornblume von »The Story of Rhodope«, fol. 1v–2r bzw. fol. 12v, erscheinen neben den Initialen auf S. 47 und S. 31. 46 Morris, The Lesser Arts, CW XXII, S. 25. 47 Morris, Some Hints on Pattern-Designing, CW XXII, S. 200. Vgl. auch Morris in »The Lesser Arts«, ebd., S. 16. 48 William Morris, Address at the twelfth annual meeting, 3.7.1889, Antiscrape, AWS I, S. 146–157, hier S. 152. 49 Helsinger 2002, S. 210 ; ebd., S. 215. 50 Morris, The Lesser Arts, CW XXII, S. 5. 51 Morris 1966 I, S. 413. Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 61, 565, S. 518, 582, als Teil des »The Earthly Paradise« konzipiert. Zur Schrift : Dunlap 1972/1976, S. 137–142 ; Nash 1996, S. 298, Kat. Nr. N.3, S. 302 mit Abb., Abb. 15 auf S. 28 ; Whitla 2001, S. 47 (»cancellaresca corsiva« und »antiqua tonda«). Pfauenfedern, Rankenlinien, Blattzweige und Schriftproben finden sich auch in HL, Inv.-Nr. HM 6418, Bd. IV, fol. 144r–v, »The Earthly Paradise«, Vorrede zur Geschichte von »Acontius und Cydippe«, Rosenbaum/ Pearson 1993, MoW 546, S. 579 ; Abb. bei Waggoner 2003, Abb. 63 auf S. 90.
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Die Seitenränder der beiden Textabschriften weisen immer wieder florale Motive oder kalligraphische Versuche auf, die auf Morris’ erneutes Interesse für Buchdekoration hindeuten und sein spielerisches Experimentieren mit Motiven und Dekorationsweisen dokumentieren. Sie bilden willkürliche, vom Text unabhängige Versuche. Sie sind nicht als Textdekoration konzipiert, sondern scheinen vielmehr beiläufig in Denkpausen eingetragen oder wie eine schnell ausprobierte Idee. Dieses wird besonders dann deutlich, wenn ein Motiv variiert wird wie in »The Story of Bellerophon in Lycia«, fol. 42v : Morris zeigt Himmelsschlüsselchen oder Gänseblümchen, umgeben von einem Blattkranz, als einen dichten Blütenbusch mit fünf Blüten und darunter lockerer und regelmäßiger mit nur vier Blüten komponiert, den Blumenarrangements seiner Tapete »Daisy« Abb. 12 William Morris, Tapete »Daisy«, 1864, (Abb. 12) ähnelnd.52 Diese Skizzen legen die Victoria and Albert Museum, London, Inv.-Nr. E. Vermutung nahe, die Anregung für das Muster 442–1919 (Geschenk von Morris & Co.). © Victoria »Daisy« sowohl in kunstgeschichtlichen Vorand Albert Museum, London. lagen als auch in der Naturbeobachtung selbst zu suchen. Darüber befinden sich im Seitenrand flüchtige Skizzen von »Blumenfleuronnée« und von Blütenranken an Spalieren, die wiederum Parallelen mit der frühen Tapete »Trellis« von 1864 erkennen lassen.53 Entsprechende Zeichnungen von sich einrollenden Blattranken, Rankenbändern, Beeren- und Blütenzweigen, spiralig eingerollten Ranken mit herzförmigen Blättern finden sich auch in BL, MS Add. 45298A, das verschiedene Gedichte Morris’ aus der Zeit enthält, in der er an »The Earthly Paradise« arbeitete.54 In »The Story of Rhodope«, das vermutlich 1868/1869 entstand und die erste Geschichte des Novembers im dritten Teil des »The Earthly Paradise« umfasst (publiziert 1870), finden sich in besonders reichem Maße auf spätere Handschriftendekorationen vorausweisende Skizzen in die Seitenränder eingetragen.55 Hierzu zählen spiralförmige Ranken mit Blättern (fol. 1r, 2r, 4r, 5r, 6r–v, 9r, 13r), Zweige mit langen, spitzen und 52 Siehe Parry 1996, Abb. 15 auf S. 48 ; eine weitere dem »Daisy«-Kontext zuzuordnende Skizze in Morris’ Skizzenbüchern, HRC, MS 2934, fol. 5r, und BL, MS Add. 45336, fol. 18v in Zusammenhang mit dem Best Bedroom von »Red House« (mit Raumplan und Messdaten). 53 Clark 1974, Nr. 3, S. 12. 54 BL, MS Add. 45298A, fol. 86r, 87v, 99r. Vgl. a. BL, MS Add. 45299, fol. 18r. 55 Zwei Sorten blauen linierten Papieres, 325 × 205 und 340 × 210 mm ; 14 Bl., davon 27 S. beschrieben.
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kurzen, breiteren Blättern (fol. 1r, 4r, 5r, 6v, 7r), die denjenigen auf Seite 1 in »A Book of Verse« ähneln, verschiedene Blatt-, Blüten- und Weidenzweige (fol. 1v–5r sowie fol. 3r, 4v). Es finden sich auch Pfauenfedern und Äste mit großen Blättern (fol. 1v, 4r, 6r, 8v–9r). Auf fol. 3v experimentierte Morris mit Initialbuchstaben auf ornamentierten Quadratgründen (Abb. 13) : Die Initialmajuskel N wird zweimal mit einem diagonal eingestellten Zweig hinterlegt, wobei der Zweig einmal mit schwarzen, das andere Mal mit hellen Blättern besetzt ist. Diese Dekorationsform gefiel Morris scheinbar so gut, dass er sie kurz darauf in den »Dwellers II«, »The Story of the Volsungs und Niblungs« und »A Book of Verse« übernahm. Das Initialquadrat mit dem Buchstaben D zeigt einen reicheren und vielteiligeren Schmuck aus einzelnen Blattzweigen, die in die Freiräume von Außenund Innengrund gestellt sind. Ober- und unterhalb dieser Skizzen finden sich Zeichnungen von stilisierten Sonnenblumen oder Margeriten (s. a. fol. 6r). Dabei erinnert die Stilisierung der Blume mit kleinen, regelmäßig um eine karierte, runde Mitte angeordneten Blütenblättern an Zeichnungen in Morris’ Skizzenbuch (BL, MS Add. 45336, fol. 29v), die – wie eine Beischrift von Morris belegt – auf Ornament- Abb. 13 William Morris, The Story of gründe in Miniaturen in den »Reisen des Rit- Rhodope, späte 1860er Jahre, British ters John de Mandeville« (BL, MS Add. 24189) Library London, MS Add. 45304, fol. 3v (Detail). © The British Library Board (MS zurückgehen. Die sich in Voluten einrollenden Add. 45304). Linienranken im oberen Seitenrand von »The Story of Rhodope«, fol. 4r, 6r, 6v, 12r, 13r, 23r, weisen auf Morris’ Zeilenfüllung auf der Titelseite der zweiten Dwellers-Handschrift (BMAG, Inv.-Nr. 92’20) voraus. »The Story of Bellerophon in Lycia« bildet einen der letzten Teile von »The Earthly Paradise«, so dass man seine Entstehung in die Zeit um 1869 datieren kann.56 Die Skiz56 Verschiedene Sorten blauen linierten Papiers, 320 x 90, 340 x 210, 325 x 200 mm (mit Britannia-Wasserzeichen) ; 52 Bl., beschrieben und paginiert. Zur Datierung : Mackail 1995 I, S. 204 : »early in 1869«. Der Text wurde 1870 im vierten Teil von »The Earthly Paradise« publiziert.
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zen in den Seitenrändern umfassen schräg gestellte, nebeneinandergereihte Blattzweige, Blumen, Faden- und Blattranken (fol. 45r), Bäume oder Äste mit großen enganliegenden Blättern, die an Baummotive in den beiden »Dwellers«-Handschriften erinnern (fol. 25v, 26r, 51r), und kalligraphisch gestaltete Buchstaben, darunter Entwürfe für Majuskeln und kalligraphische Experimente zu einzelnen Worten oder Wortteilen, bei denen sich Parallelen zu Arrighis Vorlagen nachweisen lassen.57 Einzelne Motive wie schräggestellte Blattzweige (fol. 23v, 45r) und Weidenzweige mit leicht gewellten Blättern (fol. 26v) finden sich auch in »A Book of Verse«. Dies gilt ebenfalls für den auf fol. 28r eingezeichneten sich spiralig einrollenden Blattzweig, die langen, lappigen Blätter und die kleinen, lebendig arrangierten Blüten (s. a. fol. 49v), die stilisierten Blumen (fol. 47r) sowie die Rosenzweige und Winden (fol. 48r). 3.1.3 »The Story of the Volsungs and Niblungs«
In der Gestaltung einzelner Buchstaben lassen sich Parallelen zwischen dem »Bellero phon«-Text, der ersten »Dwellers«-Handschrift und »The Story of the Volsungs and Niblungs« (BLO, MS Eng. misc. d. 268) nachweisen.58 Ein Vergleich der Ornamente der beiden Textabschriften in der British Library von ca. 1868/1869 und den illuminierten Handschriften unterstützt die Annahme, dass Morris an der Oxforder Fassung der »The Dwellers at Eyr« 1869 arbeitete und vermutlich schon im Herbst/Winter dieses Jahres mit der »Volsungs«-Handschrift begann. »The Story of the Volsungs and Niblungs« oder »Völsunga Saga« (BLO, MS Engl. misc. d. 268) ist somit in die Zeit zwischen Ende 1869 und Anfang 1870 zu datieren.59 Morris brach die Arbeit an dieser Handschrift eventuell ab, um im Februar 1870 mit dem kürzeren »A Book of Verse« zu beginnen.60 Der Text wurde im Mai 1870 als »Völsunga Saga : The Story of the Volsungs and Niblungs, with Certain Songs from the Elder Edda« bei F. S. Ellis in einer Auflage von 750 Exemplaren und zwölf großformatigen Kopien publiziert, von denen einige auf der ersten Textseite illuminiert wurden.61 Morris berichtete am 21.12.[1869] C. E. Norton : »I 57 Siehe besonders BL, MS Add. 45301, fol. 43r, 45v, 46r ; vgl. Dunlap 1976, S. 53. 58 Vgl. ebd., S. 52–53. Hierzu zählen die leicht nach rechts geneigten Oberlängen, N und G mit j-förmigen Unterlängen, das g aus zwei, durch einen geraden Linienzug verbundenen Kreisen, ein T mit geschwungenem Deckbalken und die Form der Majuskel E. Bei der ersten »Dwellers«-Handschrift verwendet Morris außerdem das R mit einem geschwungen auslaufenden Stamm. 59 Zu dieser Datierung : Fairbank 1970, S. 66 ; Dunlap 1975, S. 149 ; PML 1976, Nr. 49, S. 111 ; Banham/Harris 1984, S. 219, Nr. 185. Eine Datierung um 1871, d. h. nach »A Book of Verse« : Alexander/Pächt 1973 III, Nr. 1251, S. 10, wobei dieser Vorschlag auf Grund der Ornamentgestaltung weniger überzeugend als die frühere Datierung ist. 60 Vgl. Dunlap, in : PML 1976, S. 56. Zur Datierung des Arbeitsbeginns des »A Book of Verse« in den Februar : Mackail 1995 I, S. 208. 61 Die Rohfassung der Übersetzung stammte vermutlich von Eíríkr Magnússon, vgl. Brief von Morris an Webb vom 15.8.[1869], Kelvin 1984 I, Nr. 86, S. 89, vgl. ebd., Anm. 4 ; Vallance 1989, S. 379. Texte der »Edda
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have begun a translation of the Nibelungen […] ; I have also another Icelandic translation in hand, the Völsunga Saga viz, which is the Ice : version of the Nibelungen, older I suppose, and to my mind, without measure nobler and grander.«62 Er lobte sie als »the most complete and dramatic form of the great Epic of the North« und verglich sie mit der Ilias : »this is the Great Story of the North, which should be to all our race what the Tale of Troy was to the Greeks«.63 Die Handschrift ist unvollendet, unpaginiert und beinhaltet von den insgesamt 43 Kapiteln nur den Text von Kapitel I–XXXV.64 Sie besteht aus 74 beschriebenen Blättern und ist – wie »A Book of Verse« – auf Papier mit dem Wasserzeichen von C. Ansell von 1864 geschrieben. Die »Volsungs«-Handschrift schließt sich in der Schrift zunächst den späteren Seiten der »Dwellers I«-Handschrift (BLO, MS Eng. misc. c. 265) an, wobei die kursive Buchschrift gleichmäßiger ausgeführt ist als in der älteren Handschrift.65 Die Oberlängen der Minuskeln sind nach rechts hin geneigt. Die Kleinbuchstaben h, k, d, m und n tragen unten rechts lange, klar abgesetzte, dünne, diagonale Serifen, die eine Verbindung zum folgenden Buchstaben schaffen.66 Das f besitzt eine sich links kurvig einrollende Unterlänge ; diejenige von p und q ist lang ausgezogen und endet in einem schrägen Serif. Das t ist im Vergleich mit den anderen Buchstaben kurzstämmig, und das g besteht aus zwei durch einen Strich verbundenen Kreisen. Die Majuskeln greifen einige der schwungvollen Formen der »Dwellers I« auf. Der obere Bogen des B schwingt Saemundar« befanden sich in Ausgaben von 1787 (Hafniae), 1867 (Christiana ; WM 1898, Los 246) und 1868 (Kopenhagen) in Morris’ Bibliothek, vgl. Bibliothekskataloge von ca. 1876 (YCBA, fol. 17v) und von 1890/1891 (Bridwell Lib., fol. 68r, Nr. 898, Nr. 899, und fol. 14r, Nr. 157) ; Texte der »Edda Snorra Sturlusonar« in Ausgaben von 1848 (Hafniae ; WM 1898, Los 247 ; YCBA, fol. 17v) und 1876 (Kopenhagen ; Bridwell Lib., fol. 54r, Nr. 711). Die englische Übersetzung von 1842 durch G. W. Dasent war ebenfalls in Morris’ Bibliothek vorhanden, WM 1898, Los 248. Zur isländischen Literatur in Morris’ Bibliothek : Whitla 2001, S. 55–57. Zu Morris’ und Magnússons Übersetzung : Kennedy 1994, S. 287–289. Paul Acker 2016 wies nach, dass sich Morris’ Übersetzung auf die Fassung von Svend Grundtvig, Saemundar Edda hins froða, Kopenhagen 1868, bezieht. 62 Zit. nach Kelvin 1984 I, Nr. 95, S. 98. 63 Vorwort von Morris zu : Völsunga Saga : The Story of the Volsungs and Niblungs, with Certain Songs from the Elder Edda. Translated from the Icelandic by Eiríkr Magnússon & William Morris, CW VII, S. 283–286, hier S. 283, 286. Vgl. auch Morris’ Brief an Swinburne vom 21.12.1869 : »I am about an Icelandic translation now which quite throws all the other stories into the shade […] This is the Völsunga, the story of the Nibelungen in fact : […]«, zit. nach Kelvin 1984 I, Nr. 96, S. 100. 64 Die Handschrift enthält den Text bis CW VII, S. 382, Absatz II. Ab Kapitel XIII sind die Initialquadrate ohne Initialmajuskel nur noch in Bleistift, die Kapitelangaben und der Wortrest nur noch in Sepia eingetragen. Das Füllornament zwischen den Kapiteln fehlt auf fol. 27r–v. Mit Beginn des 19. Kapitels auf fol. 34r ist der Wortrest nur noch in Bleistift vermerkt und fehlen die Kapitelangaben. Ab fol. 37r finden sich dann nur noch florale Ornamente in Sepia, sie fehlen ab fol. 42v. Fol. 44v–47r tragen wieder Kapitelangaben in Bleistift. 65 Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 159 ; ders. 1976, S. 55 ; Whitla 2001, S. 51 : Morris’ zweite Kursivschrift. 66 Dunlap verglich die diagonalen Serifen mit denjenigen auf den letzten Seiten der »Dwellers I«-Handschrift, Dunlap 1975, S. 149 ; ders. 1972/1976, S. 164.
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weit nach links aus und wird ungefähr bis auf Höhe des Querstriches herabgezogen. Das N besitzt zunächst noch eine J-förmige Unterlänge. Ab fol. 28r verwendet Morris dann – ebenso wie für das H, das vorher einen J-förmigen linken Stamm besitzt – eine klassische Kapitalisform. Zunächst schließt er Majuskeln wie A, R, M, Y, W, U oben und unten gerne durch einen Querstrich. Dabei können sowohl der übliche als auch der geschlossene Typus gleichzeitig verwendet werden. Die meisten Majuskeln büßen im Verlauf der Handschrift die geschwungene Gestaltung des Buchstabenkörpers zugunsten von Formen aus der humanistischen Buchschrift ein.67 Allein die schwungvollen Versionen der Buchstaben A, T und F werden beibehalten. Dunlap charakterisierte das Erscheinungsbild der Seiten als »woven look«.68 Die Kapitel werden durch die Angabe »CHAP :« mit römischer Nummerierung und Punkt in Gold, zweizeilige Initialen mit goldenen Majuskeln auf farbigem Quadratgrund, der von einem dunkleren Rahmen eingefasst und in den ein Blütenzweig eingestellt ist, und dem Wortrest in Goldkapitalis eingeleitet. Als Motive der Initialgründe finden sich neben den diagonalen Blattzweigen der »Bough«-Variante auch Ranken, Blätter, Blumenstiele sowie sich volutenartig einrollende Blattzweige, die an Morris’ Fliesenentwurf »Scroll« von ca. 1870 und seine Tapete »Diaper« von ca. 1868–1870 denken lassen.69 Zugleich erinnern diese Initialfelder an Vorlagen in französischen und italienischen Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts, die auf zumeist rotem oder blauem Grund feine weiße Rankengeflechte enthalten.70 Die Initialen auf fol. 7v und 19v wiederholen das in den »Dwellers I« verwendete Motiv der blühenden oder früchtetragenden Bäume auf einer Blumenwiese vor blauem Himmel. Morris verzichtet jedoch auf die das Initialquadrat im Seitenrand begleitenden floralen Ornamente der »Dwellers«-Manuskripte, bzw. es lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass eine solche Dekoration vorgesehen war. In Hinblick auf die Initialgestaltung weist die »Volsungs«-Handschrift somit, wie auch in Zierlichkeit und feiner Nuancierung der Malerei, eine engere Beziehung zu »A Book of Verse« auf. Gerne baut Morris die Initialdekoration auf einer Grundfarbe auf, die in verschiedenen Abtönungen verwendet wird, und überzieht den Initialgrund mit einem feinen Punktmuster. Die Freizeile zwischen der Kapitelangabe und dem Textanfang sollte wie in der »Dwellers I«-Handschrift durch kurze Überschriften mit Angaben zum Kapitelinhalt gefüllt werden.71 Zwischen Ende eines Kapitels und Anfang des folgenden fügt Morris, wie auch 67 Dunlap 1976, S. 56 ; ders. 1972/1976, S. 164. 68 Ebd., S. 165. 69 Myers/Myers 1996, Abb. 140, 141 auf S. 100 ; Clark 1974, Nr. 6, S. 12. Die Initialen sind bis fol. 21v farbig ausgeführt, danach nur noch in Bleistift eingetragen. 70 Vgl. eine Handschrift mit Bußpsalmen und Gebeten, Italien, spätes 15. Jh., ehemals Sammlung S. C. Cockerell, Abb. in : Johnston 1987, Taf. XX, S. 417 ; vgl. auch BL, MSS Yates Thompson 8 (Gebetbuch der Marguerite de Bar, Lothringen, um 1302–1304), Royal 17 E. vii. 71 Dieses findet sich jedoch nur bei Kapitel XI, fol. 19v.
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bei seinen zweikolumnigen Handschriften und Fragmenten aus dem Umkreis der »Kormak«- und »Frithiof«-Handschriften (PML, MA 1804 ; J. Paul Getty, Wormsley Library), auf die noch einzugehen sein wird, in Breite der Textspalte Blüten und Blattzweige ein. Sie wiederholen sich bei den Gesängen, deren Beginn durch ein zweizeiliges Initialquadrat eingeleitet wird.72 Das Ornament ist hier zwischen die Zeilen und in die verbleibenden Freiräume im Schriftfeld ausfüllend eingefügt. Die florale Motivik wechselt mit jedem Vers, so dass die Textgliederung durch die Dekoration unterstrichen wird. Im Falle eines Kapitelschlusses findet sie sich auch an den Seitenenden. Diese zumeist in Sepia ausgeführten, sorgfältig nebeneinandergereihten Füllornamente bestehen oft – wie auch auf der ersten Seite der »Dwellers I«-Handschrift – aus Blatt- und Blütenzweigen, die dem Kachelentwurf »Bough« ähnelnd diagonal gestellt sind.73 Morris verwendet zudem stilisierte Blumen in additiver Reihung (fol. 3r, 4r, 10r), darunter Rosen (fol. 7v), Jasminblüten (fol. 19v), Disteln (fol. 21r), Kleeblumen (fol. 21v), Tulpen (fol. 23v), Veilchen (fol. 34r), Heckenrosen (fol. 35v), Gänseblümchen (fol. 36v, 37r), Winden (fol. 37v, 39r, 40v), Wicken oder Erbsenblüten (fol. 38r). Ein in Bleistift im unteren Seitenrand skizzierter Zitronenzweig auf fol. 56r ähnelt denjenigen seiner Tapete »Fruit« (Abb. 11). Wie in den »Dwellers I« betont Morris den Anfang der Handschrift durch eine besonders reiche Gestaltung : der zweizeilige Titel in Kapitalis (in Bleistift eingetragen), die erste Textzeile in Goldkapitalis, eine dreizeilige historisierte Initiale und eine in Sepia, schwarzer Tinte und Bleistift eingetragene Seitenranddekoration mit acht Musikantinnen auf einer Blumenwiese (Taf. 3). Lediglich die Beckenschlägerin oben im inneren Seitenrand ist farbig ausgeführt. Zwischen den Grasbüscheln sind neben einzelnen Blüten auch dreistielige Blumen mit rosettenartigem Blattkranz eingefügt, die Ähnlichkeit zu Morris’ Muster »Daisy« besitzen (Abb. 12).74 Die Musikantinnen und floralen Ornamente sind ohne perspektivische Erwägungen nebeneinandergestellt, so dass wie später in »The Rubáiyát of Omar Khayyám« (BL, MS Add. 37832) eine musterhafte Wirkung entsteht. Die »Blumenwiese« dient als reine Flächendekoration, mit der ein hoher Stilisierungsgrad, eine Reduktion der plastischen Wirkung und ein Verzicht auf eine stimmige tiefenräumliche Wiedergabe einhergehen. Das additive Nebeneinander der Blumen auf dieser Seite erinnert wie auch die floralen Ornamente der »Songs« an die Streublumen, die George Wardle, Mitarbeiter und Manager (1870–1890) der »Firma«, auf den ersten zehn Textseiten des »A Book of Verse« einzeichnete. Fairbank schrieb ihm deswegen auch das florale Ornament der
72 Eine Ausnahme findet sich auf fol. 13r, wo jede Zeile durch eine Goldmajuskel und die erste Zeile des »Song« durch eine Initiale auf hellblauem Quadratgrund mit weißem Rankenmuster hervorgehoben wird. 73 Bei den »Songs« sind die in Sepia eingetragenen Ornamente manchmal leicht koloriert (fol. 13r, 36v–39v). 74 Clark 1974, Nr. 1, S. 11 ; Myers/Myers 1996, S. 16–20, Taf. 3–5.
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»Volsungs«-Seite zu.75 Dunlap erachtete mit Recht die Verwendung dieses Blumenmusters als Hinweis für eine frühe Datierung der Handschrift.76 Die meisten Musikantinnen lassen sich, wie auch in den späteren Handschriften des »A Book of Verse« (V&A) und des »Rubáiyát« (BL), mit Figuren in Glasfensterentwürfen der »Firma« verbinden77 und basieren wohl z.T. auf Vorlagen in illuminierten mittelalterlichen Handschriften.78 Musikantinnen finden sich gerne auf ausgezeichneten Seiten in Morris’ Handschriften, wobei die meisten dieser Handschriften für seine Freundin Georgiana Burne-Jones konzipiert wurden. Vielleicht entstand auch das Oxforder Manuskript als Geschenk für sie, das dann aufgrund des Umfangs nicht beendet wurde. Die Musikantinnen sollen nicht nur einen festlichen Auftakt geben, sondern auch an die mündliche Überlieferungstradition der isländischen Sagas erinnern, auf die enthaltenen Gesänge oder die liedartige Qualität der Dichtung hinweisen. Dieser 75 Fairbank 1970, S. 66 ; vgl. a. Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1588, S. 701. 76 Dunlap 1972/1976, S. 161. 77 Vgl. zur Beckenschlägerin links oben : Figuren in einem Dreipassfenster in St. Michael and All Angels, Lyndhurst, Hants., nach einem Entwurf von Burne-Jones, 1862–1863, Sewter 1974, Abb. 116, 125. Profilfigur mit Harfe auf Höhe der Mitte des inneren Seitenrandes : Figurenstudie von Morris, dat. 1862–1875, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.340. Rückenfigur mit T-förmiger Leier links unten : Fenster von St. John the Evangelist, Torquay, Devon., 1865, nach einem Entwurf von Burne-Jones, Sewter 1974, Abb. 222, 224. Frontal dargestellte schreitende Frau im unteren Seitenrand vgl. mit den Monatspersonifikationen, die 1866–1867 durch Burne-Jones mit Assistenz von Charles Fairfax Murray auf den Feldern der Vertäfelung im »Green Dining Room« des V&A entstanden, und mit den Jahreszeitenpersonifikationen, die von Burne-Jones 1869/1870 für den Speisesaal von F. R. Leyland, 49 Prince’s Gate, London, ausgeführt wurden. Musikantin mit T-förmiger Leier im oberen rechten Seitenrand, die sich in der mittelalterlichen Gewandung mit Haube und einem Kleid mit langen Überärmeln von den anderen Musikantinnen unterscheidet : Fenster in Bradford Cathe dral, Yorks., ca. 1864 nach Entwürfen von Morris ; St. Oswald’s, Durham, 1864–1866 ; St. John the Evangelist, Torquay, Devon., 1865, vgl. Sewter 1974, Abb. 190, 194, 209, 222 ; vgl. Figurenzeichnungen von Morris, um 1862, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.418, 2000.5.381 (um 1864), 2000.5.385 ; Werkstattarbeit, 1864, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1849F (hier jeweils die Haltung der Arme seitenverkehrt zur Figur des Seitenrands). Die Kopfbedeckung und Kopfneigung dieser Musikantin lässt sich auch mit einer Frauenfigur auf der von Morris bemalten Tür des Schrankes in der Halle des »Red House«, ca. 1861, vergleichen. Skizzen von stehenden Frauen in ähnlicher Haltung, jedoch ohne Musikinstrument, finden sich auch von Murray : PUAM, Inv.-Nr. x1948– 1497, x1948–1495. Eine den Blick nach hinten wendende Frauenfigur ohne Instrument im oberen rechten Seitenrand : bisher kein Vorbild auszumachen. Sie ähnelt jedoch, wenn auch mit seitenverkehrter Armhaltung, einer Figurenstudie Morris’, dat. 1865–1875, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.342. Geigenspielerin mit gesenktem Bogen im unteren rechten Seitenrand : Fenster in St. John the Evangelist, Torquay, Devon., 1865 ; St. Oswald’s, Durham, 1864–1866, Sewter 1974, Abb. 222, 209. Frau mit phantasievollem Seiteninstrument unten rechts : »Song of Solomon Window« (seitenverkehrte Darstellung einer Musikantin), St. Helen’s, Darley Dale, Derbys., 1862–1863, Sewter 1974, Abb. 110. 78 Vgl. z. B. für die Figuren mit T-förmiger Leier (Psaltery), Harfe und Geige die Abbildung in : Shaw 1843 I, Taf. 26 ; Wright 1862, Abb. 127–129 auf S. 186–187 nach dem »Queen Mary’s Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii) und nach BL, MS Royal 14 E. vii. Vgl. zu letzterem Vorbild besonders Morris’ Entwürfe für leierspielende Engel für ein Fenster in Bradford Cathedral, Yorks., um 1864, WMGW, Sewter 1974, Abb. 194.
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Bezug auf die mündliche Überlieferung betont die spezifische Vermittlung und Entwicklung von Inhalten, eine lebendige Teilhabe daran ; tradierte Inhalte bleiben durch die individuellen Variationen des Erzählers lebendig und aktuell. Hierin unterscheiden sie sich von literarischen Texten, denen gerne ein Autorenbildnis vorangestellt wurde. Zu den bekanntesten Beispielen hierfür zählen die Evangelistenporträts, doch finden sich Autorenporträts auch an den Anfängen von anderen Handschriften und zeigen die Autoren und Autorinnen von religiösen, historischen oder profanen Texten entweder schreibend in ihrem Studierzimmer oder bei der Übergabe ihres Werkes an hochrangige Persönlichkeiten. In diesem Zusammenhang dient das Bild – gerade in Hinblick der Evangelistenporträts – als Zeichen der Authentizität des Textes. Bei Texten wie »The Story of the Volsungs and Niblungs« ist kein Autor bekannt. Überliefert wurden die Geschichten und Gesänge nicht in geschriebener Form, sondern sie wurden vorgetragen und gesungen von dem »Sagaman«, wie ihn Morris nennt.79 So fungieren die Figuren der Musizierenden als Verweis auf die orale Überlieferungstradition dieser später niedergeschriebenen Texte. Die Musikantinnen bildeten für Morris eine zugleich überzeugende dekorative und praktische Lösung : Er konnte auf Figurenstudien für Glasfenster zurückgreifen und das erprobte Schema der »Figur vor floralem Hintergrund« variieren. Die Figuren des Seitenrands und die historisierte Initiale der ersten »Volsungs«-Seite wurden vermutlich von Charles Fairfax Murray ausgeführt.80 Dabei sind die in Bleistift eingetragenen eleganten schlanken Musikantinnen von einer sichereren Hand gezeichnet als die farbig ausgeführte Beckenschlägerin. Sie unterscheidet sich in ihrem schmalen Körperbau, der geringeren Größe und dem kleineren Kopf ein wenig von den anderen sieben Figuren. Der steife, etwas flache Faltenfall lässt kaum einen Körper unter dem Gewand erahnen. Im Bereich der Nackenzone scheinen Korrekturen vorzuliegen. Diese Figur ist eventuell Morris zuzusprechen, obwohl seine Figuren eher von einer gewissen untersetzten Stämmigkeit geprägt und weniger schlank als diejenigen von Murray und Burne-Jones gehalten sind, wie auch im Vergleich mit seinen Zeichnungen von musizierenden Frauen auffällt, die in der Zeit zwischen 1860 und 1870 vermutlich für Glasfensterentwürfe der »Firma« entstanden. Morris, der seinen Fähigkeiten als Figurenmaler stets misstraute, gab vielleicht die Arbeit nach einem ersten, ihn nicht zufriedenstellenden Versuch, ähnlich wie später bei den »Ynglings«- und »Oden«-Handschriften, an Murray ab, der die Figur durch partielle Übermalung an seine eigenen Figuren anpasste.
79 Vgl. William Morris, Preface, Völsunga Saga : The Story of the Volsungs and Niblungs, with certain Songs from the Elder Edda. Translated from the Icelandic by Eiríkr Magnússon & William Morris, in : CW VII, S. 283–286, hier S. 283. 80 Vgl. May Morris, in : CW IX, S. xxi : »a highly finished picture by C. F. Murray, of Sigurd sitting on Fafnir«. Dunlap schreibt die Musikantinnen Morris zu, PML 1976, S. 111.
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Die erste Seite erhält als zusätzlichen Akzent eine dreizeilige historisierte Initiale, die vor grünem Buschwerk auf einer Blumenwiese Sigurd in einer Rüstung zeigt (Taf. 3). Er sitzt auf dem Rücken des besiegten braunen Drachen Fafnir und hat seinen Fuß auf dessen Kopf gestellt, in der Rechten das Schwert haltend. Fafnirs rot-blaue Flügel sind in ganzer Breite des Quadratfeldes ausgestreckt. Seine Darstellung weicht darin von der Beschreibung im Text als wurmartiges Wesen ab. Der vermutlich in Gold vorgesehene Initialbuchstabe H wurde nicht eingetragen. Dargestellt ist der Sieg über Fafnir, der im 18. Kapitel »The Slaying of the Worm Fafnir« geschildert wird.81 Morris entschied sich vermutlich wegen des besonders phantasievollen, dramatischen, mit der Welt des Rittertums verbundenen Moments dafür, diese Szene an den Anfang zu stellen. Reizvoll erschien möglicherweise auch der Kontrast zwischen dem männlichen, kämpferisch geprägten Initialfeld und der weiblichen, harmonischen, floral bestimmten Sphäre des Seitenrands. Weitere historisierte Initialen waren vermutlich geplant, um andere wichtige Szenen der Geschichte zu markieren und illustrierend herauszuheben. Allerdings gelangte nur eine zweite historisierte Initiale auf fol. 18r am Beginn des zehnten Kapitels (»The Ending of Sinfjotli, Sigmund’s Son«) zur Ausführung. Sie zeigt eine nach rechts gewendete, in ein blau-weißes, mittelalterlich anmutendes Gewand und eine Haube gekleidete Frau mit Gefäß. Dabei handelt es sich entweder um die im Text erwähnte »exceeding fair woman« oder, wahrscheinlicher, um Königin Borghild, die mit dem Trinkgefäß dargestellt ist, das zunächst Sigmund annimmt und an dessen vergiftetem Inhalt dann sein Sohn Sinfjotli stirbt, der Borghilds Bruder aus Liebe zu der »schönen Frau« getötet hatte.82 Die für Morris’ Handschriften-Œuvre seltene Wahl von historisierten Initialfeldern – sie wiederholen sich, abgesehen von der »Aeneis«-Handschrift, nur in dem »Ynglings«Manuskript – mag als Rückbezug auf die Welt des Mittelalters zu verstehen sein, mit dem die isländischen Texte in Hinblick auf die Geisteshaltung parallelisiert werden könnten. Dabei wurde die Szene nicht in den Buchstabenkörper, sondern in das Initialquadrat eingepasst. Der Buchstabe wurde ihr vorgeblendet. Ein Brief Morris’ an Murray könnte über weitere geplante Dekorationen der »Vol sungs«-Handschrift Aufschluss geben : »Herewith the space for the picture for the lay of Gudrun« – dem Gesang der Gudrun.83 Auf fol. 61r der Oxforder Handschrift ist vor dem Beginn des 31. Kapitels, dem »First Lay of Gudrun«, ein neunzeiliger Freiraum belassen, in den vielleicht eine Miniatur eingefügt werden sollte, die, entsprechend dem Text, wohl die über dem Leichnam Sigurds trauernde und klagende Gudrun zeigen sollte.84 Der 81 Völsunga Saga, Kap. XVIII, CW VII, S. 328–331. 82 »[…] and there with he [Sinfjotli] had sight of an exceeding fair woman, and yearned above all things for her ; but that same woman was wooed also of the brother of Borghild, the king’s wife, and this matter they fought out betwixt them«, zit. nach : The Story of the Volsungs and Niblungs, CW VII, S. 311. 83 Brief Morris’ an Murray vom [15.11.1868 ?], zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 94, S. 97. 84 »Of the Lamentation of Gudrun over Sigurd Dead, as it is told in the Ancient Songs«, CW VII, S. 366.
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folgende Text ist durch das Wort Gudrun und den jeweils ersten Buchstaben der Verse in Bleistiftkapitalien, die vermutlich vergoldet werden sollten, betont und gegenüber den anderen Textpartien herausgehoben. Morris lobte den »First Lay of Gudrun« in seinem Vorwort zur Übersetzung als »the most lyrical, the most complete, and the most beautiful of all the Eddaic poems ; a poem that any age or language might count among its most precious possessions«.85 Diese Bewunderung der Verse könnte ihre Akzentuierung innerhalb des Textes erklären. Morris hatte sich in den Jahren um 1865 in Zusammenhang mit dem »The Earthly Paradise«-Projekt mit dem Problem der Illustration beschäftigt und sein Interesse daran ist weder von einem buchkünstlerischen, dichterischen noch kunst- oder buchhistorischen Standpunkt aus zu bezweifeln. So äußerte er 1893 in seinem Vortrag »The Ideal Book« : The picture-book is not, perhaps, absolutely necessary to man’s life, but it gives us such endless pleasure, and is so intimately connected with the other absolutely necessary art of imaginative literature that it must remain one of the very worthiest things towards the production of which reasonable men should strive. 86
In den 1890er Jahren betonte Morris in Vorträgen die dekorativen Qualitäten eines Bildes : »No picture seems to me is complete unless it is something more than a representation of nature and the teller of a tale. It ought to be ornamental. It ought to be possible for it to be part of a beautiful whole in a room or church or hall« – oder in einem Buch.87 Die Verbindung von Narration und Dekoration fand Morris in den Arbeiten Rossettis und in einem noch stärkeren Maße in denjenigen von Burne-Jones verwirklicht. Dieser habe der präraffaelitischen Kunst noch das »element of perfect ornamentation, the completely decorative side of the Art« hinzugefügt und sie damit erst zu einer Weiterführung der eigentlichen präraffaelitischen Kunst gemacht.88 Deswegen mag es erstaunen, dass Morris in den »Dwellers« keine illustrierenden Miniaturen vorgesehen zu haben scheint, und es 85 CW VII, S. 285, vgl. Morris’ Brief an William Bell Scott vom 15.2.1870, Kelvin 1984 I, Nr. 103, S. 109–110, S. 110 : »it is a wonderful poem, entirely free from any affectation or quaintness, as simple and as direct as the finest classical poems […]«. 86 William Morris, The Ideal Book, 1893, in : Morris 1982, S. 67–73, hier S. 73, vgl. a. ders., The Woodcuts of Gothic Books, 1892, in : ebd., S. 25–44, hier S. 27. 87 William Morris, Address on the Collection of Paintings of the English Pre-Raphaelite School in the City of Birmingham Museum and Art Gallery, 24.10.1891, in : Morris 1966 I, S. 296–310, hier S. 303. Vgl. Caroline Arscotts Erörterungen zum Verhältnis narrativer und ornamentaler Elemente in den Arbeiten von Morris : Caroline Arscott, Morris Carpets, RIHA Journal 0089, Special Issue »When Art History Meets Design History«, März 2014, http://www.riha-journal.org/articles/2014/2014-jan-mar/special-issue-art-design-history/ arscott-morris-carpets [Zugriff am 4.4.2014]. 88 Morris 1966 I, S. 302.
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nur einen Hinweis für solche in der »Volsungs«-Handschrift gibt, zumal in einigen seiner Handschriftenfragmente durchaus Miniaturen vorgesehen waren. Dieser Verzicht mag mehrere Gründe gehabt haben : Zum einen hatte Morris große Zweifel an seinen eigenen Fähigkeiten als Maler, zum anderen wäre eine solche Handschrift ein äußerst zeitaufwendiges Vorhaben gewesen. Vielleicht war auch Burne-Jones’ geringes Interesse an den isländischen Sagas einer der Gründe dafür, dass er nicht für Miniaturen dieser Handschriften hinzugezogen wurde. Andere ebenfalls plausible Gründe bilden der Umfang der Handschriften – d. h. die Annahme, dass eine stärker arbeitsteilige und aufwendigere Anfertigung einen zu langen Zeitraum in Anspruch genommen hätte – oder Überlegungen zum Charakter der Dichtung, dem eine rein ornamental dekorierte Handschrift angemessener erschien, bzw. der Tradition der isländischen Handschriften selbst. Vielleicht hatte Morris auch noch keine klare Vorstellung davon, wie er eine solche Ausmalung mit Miniaturen organisieren, wie er Miniatur und Text harmonisch verbinden sollte. 1870 wurde eine limitierte Ausgabe der »Völsunga Saga« gedruckt, deren erste Seite in einigen Exemplaren illuminiert wurde. Diese Malereien bekräftigen durch ihre Dekoration die These, eine Entstehung der Oxforder »Volsungs«-Handschrift zwischen dem »Dwellers I«-Manuskript und dem »A Book of Verse« um 1869/1870 anzusetzen.89 Die Seite des Exemplars von Philip Webb (CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.V11) zeigt eine der Titelseite der Handschrift entsprechende Reihung von Grasbüscheln und allerdings zumeist nur einstämmigen Blüten in Rosa, Gelb- und Blau-Tönen, während die Kopie von Edward Burne-Jones (HL) ein Nebeneinander von zwei verschiedenen, diagonal eingefügten Blattzweigen aufweist, zwischen die blaue Blüten und »Goldpollen« eingestreut sind.90 Dieses Muster wiederum ähnelt dem Beginn der »Dwellers I«-Handschrift. Auf beiden Seiten der gedruckten Exemplare ist das Schriftfeld von Stäben oder Ästen eingefasst, um die sich an den Längsseiten Ranken winden, die alternierend mit Blättern und Blüten besetzt sind, während sich um die Querstäbe jeweils akanthusartige Blätter schlingen. Die zweizeilige goldene Initiale H, die den Text einleitet, wird in beiden Fällen von einem diagonalen Blattzweig hinterlegt. Im unteren Seitenrand ist eine runde Fläche ausgespart, die, von einem Blattkranz mit Blüten eingerahmt, die Initialen des Besitzers vor einer zierlichen, sich einrollenden Ranke aufnimmt. Im Webb-Exemplar wird noch der obere Teil des Schriftfeldes durch drei Reihen von Rosetten innerhalb von Punktkreisen gefüllt. Entwürfe für ähnliche Rahmengestaltungen aus Ranken und Stäben finden sich in einem Skizzenbuch Morris’ (HRC, MS 2934).91 Eine Zeichnung (fol. 5r) zeigt Zweige, die von den Ecken und der Mitte der das Schriftfeld einfassenden, von Ranken umwundenen 89 Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 80. 90 Greensted/Wilson 2003, Kat. Nr. 141, S. 140, Abb. 64 ; Berger 1984, S. 46, Kat. Nr. 236, S. 55, Abb. auf S. 30. S. a. Vallance 1989, S. 379. 91 Als Geschenk Jane Morris’ vom 5.8.1897 an S. C. Cockerell, V&A 1934, Kat. Nr. 320. Das Skizzenbuch ist wohl in die Zeit zwischen 1870/1871 und 1873/1874 zu datieren, da es eine frühe Fassung des Prologs der »Volsungs« von 1870 und Entwürfe für Seitendekorationen enthält, die mit den gedruckten »Volsungs«-
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Rahmenleisten ausgehen. In den Raum zwischen den Ranken fügt Morris noch einen Zweig ein. Im unteren Seitenrand ist ein von einem Kranz gerahmtes Medaillon mit den Initialen J. M. eingetragen. In einer zweiten Skizze (fol. 6r) probiert Morris zwei verschiedene Arten des Rankenarrangements um die Rahmenleisten aus : Zwei Zweige werden so um den Stab gelegt, dass sie sich in dessen Mitte treffen und an den Enden noch in die Seitenränder hineinragen bzw. Ranken umschlingen die Leisten in regelmäßigem S-förmigen Schwung. Auf fol. 7r folgt eine Rahmenecke mit mehreren ausstrahlenden Blattzweigen. Diese Auffassung von Rahmen und Zweigen weist auf die zweite Handschrift der »The Story of the Dwellers at Eyr« voraus.
3.2 »A Book of Verse« – Das Problem der »Illustration« Bevor Morris jedoch die zweite »Dwellers«-Abschrift begann, führte er für Georgiana Burne-Jones als Geburtstagsgeschenk eine illuminierte Handschrift mit 25 seiner eigenen Gedichte, darunter zwei Übersetzungen aus dem Isländischen, mit dem Titel »A Book of Verse« (V&A, Inv.-Nr. MSL 131–1953) aus.92 Der beigegebene Kolophon gibt an, dass die Handschrift am 26.8.1870 beendet wurde. Sie entstand seit Februar 1870 in Zusammenarbeit mit Charles Fairfax Murray, Edward Burne-Jones und George Wardle.93 Der Kolophon listet, dem Vorbild mittelalterlicher Handschriften und früher Buchdrucke folgend, den jeweiligen Anteil der Mitarbeiter genau auf : As to those who have had a hand in making this book, Edward Burne-Jones painted the picture on page 1 : the other pictures were all painted by Charles F. Murray, but the minstrel figures on the title page, and the figures of Spring, Summer and Autumn on page 40, he did from my drawings. / As to the pattern-work, George Wardle drew in all the ornament on the first ten pages, and I coloured it ; he also did all the coloured letters both big and little ; the rest of the ornament I did, together with all the writing. / […].94
Ausgaben zusammenhängen, sowie Notizen zu Handschriften der British Library, die sich eher mit der Gestaltung in den Handschriften der »Three Icelandic Sagas« und der »Oden« von 1873–1874 verbinden lassen. 92 May Morris, in : CW IX, S. xxi. Morris veröffentlichte einige der Gedichte in zum Teil überarbeiteter Form in »Poems by the Way« als zweites Buch 1891 bei der Kelmscott Press, Peterson 1985, Nr. A2, S. 6–8. Bei den Übersetzungen handelt es sich um »The Ballad of Christine« und »The Son’s Sorrow«, Goodwin 1983, S. 24–26 ; David Latham, in : William Morris, Poems by the Way, The William Morris Library, Bristol 1994, S. xvi. 93 Zur Datierung des Arbeitsbeginns in den Februar : Mackail I 1995, S. 208–209. Carole Cable vermutete, dass die Künstler die Arbeit an ihrem Gemeinschaftswerk Anfang des Jahres aufnahmen, Cable 1978, S. 85. Sie verbindet mit diesem Projekt einen Brief Burne-Jones’ an Murray vom 10. November 1869, in dem der ältere Künstler rät : »Wardle has written for your address in reference to some work – if it promises to be at all remunerative take it – painting is going to the dogs«, HRC, teilweise zit. in : ebd.; Elliott 2000, S. 26. 94 Zitiert nach dem Kolophon.
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Im Juni 1870 drängte Morris Murray zu einer Beschleunigung der Arbeit an den Miniaturen : »I should be so much obliged if you could get on with the little pictures, for I have done all the ornament here, including that to a fresh ›hawthorn brake‹«.95 Mit der Arbeit an »A Book of Verse« lässt sich vielleicht auch ein von Kelvin in das Jahr 1870 datierter Brief Morris’ an Murray verbinden : »[…] and look at my ›blooming letters‹ over wh : I have been working hard like a baby as I am«.96 In der Sammlung der Society of Antiquaries in London, MS 984/1/1–2, haben sich zwei aussortierte Seiten erhalten, die den vollständigen Text von »The Lapse of the Year« bzw. einige Zeilen zu »The Shows of May« tragen.97 Sie entsprechen zwar in der Anordnung des Texts auf der Seite jeweils weitgehend der ausgeführten Fassung, aber unterscheiden sich in der Gestaltung der Vers- und Zeilenanfänge. Vielleicht erschien Morris bei »The Lapse of the Year« der Wechsel farbiger und goldener Kapitalbuchstaben an den Zeilenanfängen als zu bunt und unruhig, und vermutlich hätte die Einfügung einer zweizeiligen Initiale am Gedichtanfang bei »The Shows of May« dazu geführt, dass der Text nicht mehr harmonisch auf einer Seite unterzubringen gewesen wäre. Die Gedichte, die Morris in »A Book of Verse« zusammenstellte, sind durch ein gemeinsames Thema verbunden – die Trennung von Liebenden, das Sehnen nach einem unerreichbaren Geliebten, die Unerfüllbarkeit der Liebe, die als Idealzustand erinnert und herbeigesehnt, aber deren Erfüllung bei aller scheinbaren Hoffnung nicht erwartet wird, sowie Einsamkeit, Vergänglichkeit, der Wechsel der Jahreszeiten, das Eintreten der Dämmerung. Der Titel der Handschrift geht vermutlich auf den elften Vers des »The Rubáiyát of Omar Khayyám« zurück, das Morris 1872 ebenfalls für Georgiana BurneJones illuminieren sollte : »Here with a Loaf of Bread beneath the Bough, / A Flask of Wine, a Book of Verse – and Thou / Beside me singing in the Wilderness – And Wilderness is Paradise enow«.98 In diesen Versen scheinen all jene Aspekte vereinigt, die Morris schätzte – Essen und Wein, die Gesellschaft von guten Freunden, Gedichte und die Natur. Der Bezug auf das »Rubáiyát« würde die Bedeutung unterstreichen, die er seiner Freund95 Brief Morris’ an Murray vom 25. Juni 1870, zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 120a, S. 123. Morris bezieht sich auf »Love and Death«, »A Book of Verse«, S. 19–20. 96 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 100, S. 106. Zur Datierung : ebd., S. 107, Anm. 2. 97 SoA, MS 984/1/2 : 2 Bl. Papier mit dem Wasserzeichen C. Ansell 1864 in den Maßen 280 x 213 mm, 24 Z./S., beschrieben nur auf fol. 1r mit »The Lapse of the Year«, fol. 1v–2v in Bleistift liniert. Schriftfeldgröße und Breite der Seitenränder entsprechen denjenigen in »A Book of Verse«. Wie in »A Book of Verse« sind die Namen der Jahreszeiten durch Goldkapitalis hervorgehoben, aber zusätzlich sind auf der einzelnen Seite noch die Zeilenanfänge durch farbige oder goldene Kapitalien markiert. SoA, MS 984/1/1 : 1 Bl., 280 x 213 mm, fol. 1r Text von »The Shows of May« bis Zeile 7, fol. 1v in Bleistift liniert. Schriftfeld : 165 x 118 mm, 24 Z./S. Seitenränder : oben 50, unten 67 mm, innen 36, außen 68 mm. In »A Book of Verse« leitet Morris alle Verse durch ein einzeiliges Initialquadrat und die Zeilen durch blaue und goldene Kapitalen ein, während auf dem Einzelblatt der Gedichtanfang durch ein zweizeiliges Initialquadrat ausgezeichnet wird. Prov.: Miss Hobbs 1986 an SoA. »A Book of Verse«, S. 40 und 7. 98 Zit. nach : The Rubaiyat of Omar Khayyam, London o. J., o. S. Vgl. Dunlap 1975, S. 151.
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schaft zu Georgiana Burne-Jones beimaß, und zugleich auf den Zustand hindeuten, der in den Gedichten des »A Book of Verse« herbeigesehnt wird. Morris wurde vermutlich von Burne-Jones auf das »Rubáiyát« hingewiesen, dem wiederum das Buch durch A. C. Swinburne vermittelt wurde, von dem auch Morris den Text entlieh.99 Er interessierte sich für das »Rubáiyát« im Rahmen seiner Neigung zu mittelalterlicher Dichtung. In einer Liste seiner Lieblingsliteratur von 1885 führte er den Text gemeinsam mit Dante, Chaucer, dem Nibelungenlied, »Renard The Fox« und »other Arabian and Persian Poetry« unter »Mediaeval Poetry« auf, wobei er einschränkte, dass er nicht einschätzen könne, »how much of the charm of this lovely poem is due to FitzGerald, the translator«.100 Die Beliebtheit des Textes bei Morris spiegelt sich auch darin, dass er vier Abschriften davon ausfertigte, wovon drei illuminiert wurden.101 Mit dem reich geschmückten Gedichtband mag Morris Georgiana Burne-Jones nicht nur ein Geburtstagsgeschenk bereitet, sondern ihr auch für die freundschaftliche Unterstützung gedankt haben, die er durch sie zu einer Zeit erhielt, als die Beziehung zwischen seiner Frau Jane und Dante Gabriel Rossetti vermutlich schon sehr eng war. Während Henderson »A Book of Verse« als »a token of his [Morris’] love for Georgiana BurneJones« betrachtet, betont Faldet, dass obwohl »A Book of Verse« das Thema von Trennung und Verlust variiert, es doch ein Zeichen für die enge Verbindung durch Freundschaft darstelle.102 Das Anfertigen und Annehmen eines solchen Geschenkes könnte als Ausdruck der Seelenverwandtschaft zwischen Morris und Georgiana Burne-Jones aufgefasst werden, die beide um 1870 unter Eheproblemen litten, denn Edward Burne-Jones unterhielt zu dieser Zeit eine Beziehung zu Maria Zambaco. Auch Rosie Miles widmete sich, beruhend auf Jacques Derridas Überlegungen zum Charakter eines Geschenkes und Jacques Lacans Herleitung von »desire«, dem Geschenk Morris’ an Georgiana Burne-Jones, wobei sie »desire« im Sinne von »a means of exchange« deutet.103 Die Handschrift »A Book of Verse« zählt zu den vielleicht bekanntesten illuminierten Arbeiten Morris’ und erfreute sich schon früh großer Beliebtheit, wobei sie besonders wegen ihrer »naivety« und einer »certain simplicity of sentiment« geschätzt wurde.104 J. 99 100 101 102
GBJ 1993 II, S. 33. Zit. nach : CW XXII, S. xiv. BL, MS Add. 37832 ; Privatbesitz ; BLO, MSS Don. f. 3, Eng. misc. e. 233/1, fol. 18–25. Henderson 1986, S. 115 ; Faldet 1996, S. 66–69 ; Goodwin 1996, S. 399. Marsh interpretierte das Buch als »decorous, dignified love token«, wobei »its personal significance lay not in its content, but in its making«, Jan Marsh, The Pre-Raphaelite Sisterhood, New York 1985, S. 284. Bingaman merkte an, dass die Handschrift »seemingly indicates an erotic exchange between its maker and its recipient«, was durch die Entstehung als »collaborative project« allerdings relativiert werde, Bingaman 2000, S. 96. Sie kommt zu dem Schluss : »As a gift to Georgiana, the ritual of this book’s production is undeniably complicated«, ebd., S. 97. Siehe zum »A Book of Verse« als Zeichen für die enge Beziehung zwischen Schenkendem und Beschenkter auch George 2000, der diese Handschrift in den Kontext der viktorianischen »gift books« einstellt. 103 Miles 1999, S. 140–143. 104 May Morris, in : CW IX, S. xxii ; Fairbank 1970, S. 61.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
W. Mackail lobte die »modernness which owes nothing to any tradition : and a freshness, a direct appeal to first principles and instincts, which […] charms by its simplicity and fitness even more than the later and technically finer work«, während Lewis F. Day die »extreme delicacy of their [die Miniaturen] workmanship« hervorhob.105 3.2.1 Seitenaufbau und Schrift in »A Book of Verse«
Morris schrieb in »A Book of Verse« den Text von je 24 Zeilen pro Seite in einer Kursivschrift, die sich an die der vorangehenden »Volsungs«-Handschrift (BLO, MS Eng. misc. d. 268) anschließt.106 Die Schrift weist nicht nur dieselbe diagonale Betonung der Serifen auf, sondern auch den schwungvollen Deckbalken des T, dieselbe Gestaltung von p, f und t sowie die oben nach rechts hin gebeugten Oberlängen.107 Allein das g ist schwungvoller eingetragen, da die untere Schlaufe über den verbindenden Strich hinaus gezogen ist, so dass der Eindruck einer winkelförmigen Verbindung entsteht. Das Schriftfeld wird, wie auf den ersten »Dwellers I«-Seiten, von einer sepiafarbenen, manchmal nun auch grünen Linie eingefasst, ohne dass diese jedoch in die Seitenränder hinein verlängert werden. Teilweise durchstossen Worte den Linienrahmen, der sich dann, in kleinen Schnörkeln auslaufend, öffnet und die Worte in den Seitenrand hineinragen lässt. McGann versuchte, zwischen dieser formalen Gestaltung der Rahmenlinie und den Zeilen »Art thou so weary that no word there seems / Beyond these four walls, hung with pain and dreams ?« in »The Weariness of November« (»A Book of Verse«, S. 10) einen Zusammenhang herzustellen :108 Die vier Wände seien durch den Rahmen des Textfeldes visualisiert, wobei sein Aufbrechen durch die längere Zeile die Freiheit von Schmerz und Träumen meine. Diese Gestaltungsweise bilde einen »calligraphic escape from the four walls«.109 Allerdings lässt sich diese formal-inhaltliche Entsprechung nicht bei anderen Gedichten nachweisen, bei denen ebenfalls lange Verszeilen den Rahmen des Textfeldes aufbrechen, um in den Seitenrand hineinzuragen. Somit erweist sich Morris’ Vorgehen eher ganz pragmatisch als Lösung eines Platzproblems.110 Der Zwischentitel (S. [vii]) ist, ebenso wie die Gedichttitel, die als Überschriften jeweils mittig im oberen Seitenrand angeordnet sind, in Goldkapitalis geschrieben. Die in Goldfarbe ausgeführten arabischen Seitenzahlen sind immer in die äußere obere Seitenecke eingefügt. Reiches florales Ornament prägt fast alle Teile der Handschrift. So ist 105 Mackail 1995 I, S. 277 ; Day 1899, S. 28. 106 Vgl. Dunlap 1975, S. 149–150 ; Whitla 2001, S. 51 : Morris’ zweite Kursivschrift. 107 Weitere Charakteristika der Schrift bilden Majuskeln mit Grund- und Deckbalken wie einige der U-, Wund M-Buchstaben, ein gerundetes E nach Arrighis Kalligraphie-Buch, die Verwendung eines geschwungenen I sowie seiner Kapitalisform, vgl. dazu ausführlich Dunlap 1972/1976, S. 171–173. 108 McGann 1992, S. 69. 109 Ebd. 110 Vgl. hierzu auch die Rezension von McGann 1993 durch Drucker 1994.
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auch die Überschrift des Inhaltsverzeichnisses in Goldkapitalis (S. [v]) vor ein Feld gestellt, das von einem kleinen, auf einem Erdhügel ansetzenden Baum mit langen, geraden Zweigen gefüllt ist, an denen rosafarbene und blaue Blüten sitzen. Das linierte Schriftfeld wird von diesem Kopffeld durch einen schmalen Streifen mit einem sepiafarbenen Beerenzweig getrennt. Sind die jeweiligen Seitenzahlen zu den Gedichten rechts immer in Gold ausgeführt, wechselt Morris für die Großbuchstaben in den Gedichttiteln Gold, Rot und Blau ab. Zweizeilige Initialbuchstaben in goldener Kapitalis auf farbigem Quadrat mit floralen Rankenornamenten leiten zumeist, mit Ausnahme der Seiten 1–10, die Gedichtanfänge ein.111 Die Gestaltung der Initialfelder schließt sich an diejenige in den »Dwellers I«- und »Volsungs«-Handschriften an und erinnert an Initialfelder in Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts.112 Ähnliche Beispiele mit stilisiertem Rankenwerk mit Blattbesatz, das in seinem Verlauf der Gestalt des Buchstabens folgt, ihn rahmt und Freiräume füllt, finden sich auch in zeitgenössischen Musterbüchern für Illuminatoren wie in Delamottes »Mediaeval Alphabets and Initials« (1861).113 Die Felder der Buchstaben sind in »A Book of Verse« gerne in zwei Abtönungen einer Farbe gehalten, wobei ein dunkleres Motiv auf dem helleren Quadratgrund aufgetragen ist. Das Initialfeld wird oftmals mit einem hellen Punktmuster überzogen oder die Farbe wird fein getupft aufgetragen. Die Initial-Buchstaben werden zumeist von einem Blattzweig hinterlegt, der auch winzige Beeren oder Blüten tragen und, wie in den früheren Initialen und dem Kachelentwurf »Bough«, diagonal eingestellt sein kann. Daneben finden sich ein spiralartiges Arrangement oder zur Mittelachse symmetrisch angeordnete, sich volutenartig einrollende Blütenranken bzw. gerade stehende Pflanzen. Die sich zusammenrollende Ranke mit Besatz aus Blättern und Beeren im Binnenfeld auf S. 33 geht auf das gleiche Kompositionsprinzip zurück und besitzt denselben hohen Stilisierungsgrad wie Morris’ Tapete »Diaper« (1868–1870) und der Kachelentwurf »Scroll« (um 1870). Das Arrangement aus einem Kreis, von dem einzelne Beerenzweige ausstrahlen (S. 21, Abb. 23), wiederholt sich in reicherer Form im Hintergrund der Tapete »Fruit« (Abb. 11).114 Durch Zugrundelegung von klaren geometrischen Formen, von Diagonale, Kreis und Vertikale, erscheint, wie sich auch in den anschließenden Untersuchungen zur Struktur der Ornamente in den Seitenrändern herausstellen wird, Morris’ florale Ornamentik trotz aller Kleinteiligkeit und Kompliziertheit in der Binnenstruktur stets geordnet und wirkt niemals unruhig.115 111 112 113 114 115
Weitere Ausnahmen : S. 19, 26. Der Wortrest ist jeweils in Goldkapitalis geschrieben. Vgl. z. B. BL, MSS Harley 5762, 2917. Delamotte 1861, Taf. 13–14. Clark 1974, Nr. 2, S. 11. Vgl. Morris’ Forderung zum Entwerfen von Tapetenmustern, in : ders., Some Hints on Pattern-Designing, 10.12.1881, CW XXII, S. 175–205, hier S. 179.
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Bei der Gestaltung der Versanfänge ist kein einheitliches Schema erkennbar. Morris verwendet jeweils farbige und goldene Kapitalbuchstaben in abwechslungsreicher Folge : Die erste Zeile des Verses kann von einem goldenen Initialbuchstaben auf einzeiligem ornamentiertem Quadratfeld eingeleitet werden ; ein Farbton kann für die Majuskeln der Versanfänge eines Gedichtes beibehalten werden ; es wechseln farbige und goldene Majuskeln bei der Einleitung der Verse ab oder aber je Verszeile alternieren farbige und goldene Majuskeln. In wenigen Fällen ist, bei Verzicht auf eine ausgezeichnete Initialmajuskel, das erste Wort des Verses in Goldkapitalis geschrieben. Durch diese Wechsel gestaltete Morris die Seiten des Buches lebendig und trennte die einzelnen Gedichte deutlich voneinander, wobei sie durch die Goldüberschriften und den Wortrest in Gold wiederum harmonisch verbunden werden. Zwar definierte Morris 1893 in seinem Vortrag »The Ideal Book« die Doppelseite als Grundlage für die ästhetische Wirkung und Gestaltung eines Buches, doch ist diese Forderung für »A Book of Verse« noch nicht bindend.116 Hier ist das florale Ornament stets rechts vom Text in das linear umrandete Schriftfeld eingefügt, so dass es die sich gegenüberliegenden Seiten eher trennt. Jede Seite ist als in sich geschlossene Einheit konzipiert. Allein das florale Ornament und die in Gold ausgeführte Schrift in den Seitenrändern schaffen verbindende Momente, zumal auch nur in wenigen Fällen die floralen Dekorationen durch bestimmte Motive, die Art ihrer Anordnung, das Dekorationsprinzip oder einen grundlegenden Farbton bzw. eine Farbkombination miteinander korrespondieren.117 Wenn der Schluss eines Gedichtes in »A Book of Verse« auf einer Seite nur noch wenige Zeilen einnimmt, fügt Morris noch einige Pflanzen unterhalb des Textblocks ein und zieht dann an dieser Stelle den Schriftfeldrahmen, so dass die unteren zwei Drittel oder die Hälfte der Seite frei bleiben. 3.2.2 Das florale Ornament des »A Book of Verse«
Jede Seite der Handschrift ist mit floralem Ornament geschmückt, wobei der Blumenschmuck der Randleisten in »A Book of Verse« nicht so homogen gestaltet ist wie in späteren Handschriften Morris’, denn nach zehn Seiten mit Streublumen zeigen die restlichen organisch aufgebaute oder übereinander gestaffelte florale Motive. Wie die früheren Dekorationen lassen auch sie in Hinblick auf Ornamentstruktur, d. h. in ihrer grundlegenden Anordnung auf der Seitenfläche wie der Beziehung der Einzelelemente zueinander und innerhalb eines übergeordneten Gliederungssystems, sowie in der Motivik selbst eine enge Verwandtschaft zu Morris’ zeitgleichen Tapeten- und Stoffentwürfen erkennen.118 116 William Morris, The Ideal Book (1893), in : Morris 1982, S. 67–73, hier S. 70. 117 Z. B.: »Meeting in Winter«, S. 28–29 ; »The Son’s Sorrow«, S. 38–39 ; »Sundering Summer«, S. 41–42 ; »Lonely Love and Loveless Death«, S. 44–45. 118 Die Früchte auf S. 35, 38–39 verweisen auf die Tapete »Fruit«, die von Morris bevorzugte Darstellungsform
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Peter Floud charakterisierte dessen Musterentwürfe aus der Zeit von 1872–1876 als geprägt durch Naturalismus, durch »meandering lines, flowing over the surface in loose informal curves, with the structure of the repeats deliberately concealed«.119 Morris erreiche die Wirkung von »spontaneous growth«, das betont werde durch das »asymmetrical, and apparently haphazard, placing of the principal objects, and by the way in which buds and shoots seem to branch off as nature, rather than formal logic of a repeating pattern would require«.120 Nur in Ausnahmefällen scheint Morris die florale Dekoration konkret auf den Text zu beziehen : Die Rosen der Randornamente von »The Praise of Venus« (S. 49–51 ; Abb. 25) und »A Garden by the Sea« (S. 32 ; Abb. 23) werden im Text erwähnt ; die weißen Blüten auf S. 19 verweisen auf den in »Love and Death« genannten Weißdorn ; Rosen und Mohn auf S. 21 greifen die Thematik des Gedichtes von Liebe, Schlaf und Tod auf (Abb. 22). Ob die Geißblattranken auf S. 15 zu »Missing« entsprechend der Emblemliteratur als Zeichen immerwährender, treuer Liebe, die die Suchenden verbindet, zu interpretieren sind, muss offenbleiben. In den meisten Gedichten finden Gärten, Blumen, Blüten oder Wachstum in irgendeiner Form Erwähnung, so dass die floralen Motive durchaus auf den Text Bezug nehmen.121 Wie Faldet am Beispiel der floralen Ornamente von »Love and Death« darlegte, sei es Morris’ Anliegen, auch bei diesen »purely decorative« Elementen aufzuzeigen, dass »in the face of decay it is important to seize, create, or enjoy beauty«.122 Neben den naturalistisch wiedergegebenen Rosen, Tulpen, Geißblatt, Akelei finden sich auch stilisierte Kornblumen,123 Vergiss-mein-nicht, Rittersporn, Liliengewächse, Gänseblumen und kleine rosafarbene Nelken, die an das florale Repertoire in Rahmender voll erblühten Rose auf seine Tapete »Trellis«, während seine Vorliebe für Weidenzweige und Jasminblüten den Chintz »Jasmine Trellis« (1868–1870) und die Tapeten »Jasmine« und »Willow« hervorbrachte (1872, 1874), Clark 1974, Nr. 2, S. 11 ; Nr. 3, S. 12 (die Vögel von Philip Webb gezeichnet) ; Nr. 1, S. 56 ; Nr. 12, S. 13 ; Nr. 17, S. 14. Zierliche Weidenzweige fügte Morris auch als Hintergrundmotiv in seine Tapeten »Powdered« und »Lily« von 1874 ein, ebd., Nr. 15, 13, S. 13. Weintrauben und -laub finden sich in »A Book of Verse« nur zweimal (S. 43, 44) und erinnern in dem Kontrast zwischen naturalistisch dargestelltem Weinlaub und stilisierten Trauben an seine Tapete »Vine« von 1874, ebd., Nr. 14, S. 13. Vgl. auch mit den Trauben an Weinranken, die sich gemeinsam mit Rosenzweigen um einen Stab winden, in Morris’ Entwurf für ein Rahmenornament für »Love is Enough«, ca. 1871. 119 Floud 1959, S. 17. 120 Ebd. 121 Auch die Tradition der Blumensprache ist zu berücksichtigen, siehe hierzu in Hinblick auf England im 19. Jahrhundert : Sabine Haas, »Speaking Flowers and Floral Emblems«. The Victorian Language of Flowers, in : Karl Josef Höltgen/Peter M. Daly/Wolfgang Lottes (Hrsg.), Words and Visual Imagination. Studies in the Interaction of English Literature and the Visual Arts, Erlanger Forschungen, Reihe A Geisteswissenschaften 43, Erlangen 1988, S. 241–259. 122 Faldet 1996, S. 71. 123 Nach Hamilton/Hart/Simmons 2000, S. 108, handelt es sich dabei um die Centaurea Scabiosa (SkabiosenFlockenblume).
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bordüren französischer Handschriften des späten 14. und 15. Jahrhunderts denken lassen.124 Beispiele solcher Ornamente, in denen sich stilisierte und eher naturalistisch aufgefasste Blumen mischten, waren auch in der zeitgenössischen Literatur zur Buchmalerei abgebildet (Abb. 14).125 Sie wurden häufig kombiniert mit Goldpollen und Akanthusblättern, deren Vorder- und Rückseite eine unterschiedliche Färbung aufweisen – Motive, die in Morris’ »Oden«-Handschrift aufgegriffen werden.126 Die naturalistische Wiedergabe der Pflanzen zeigt Parallelen zu Morris’ Musterentwürfen wie »Trellis«, »Fruit« (beide 1862/1864 ; Abb. 11) oder »Jasmine Trellis« (1868–1870) und weist auf das Londoner »Rubáiyát« voraus.127 Die Seiten 1–10 des »A Book of Verse« zeigen die von George Wardle gezeichneten und von Morris kolorierten, additiv neben- und übereinander gesetzten Streublumen, die sich an die Blumenornamente der Titelseiten der »Dwellers I«- und »Volsungs«Handschriften von 1869/1870 anschließen. In »A Book of Verse« fügte Wardle die Blütenund Blattstiele als Zeilenfüllung und Verstrenner in ordentlicher Reihung, der Linierung des Schriftfeldes folgend, nebeneinander. Diese ersten zehn Seiten werden durch die Zierlichkeit der floralen Elemente charakterisiert, die sich in ihrer Farbgebung an die farbigen Kapitalbuchstaben anschließen. S. 1–6 werden dabei durch die gemeinsamen roten und weiß-gelben Streublumen bestimmt, während S. 7–10 zwar durch das Motiv aus horizontal gereihten Zweigen und die rechts eingefügten Streublumen als thematisch zu124 Vgl. Très Belles Heures de Notre Dame, Jacquemart des Hesdin, spätes 14. Jh., Bibliothèque Royale Albert Ier, Brüssel, MSS 11060–11061. Auch dort findet sich eine Mischung von stilisierten und naturalistischen Blumen, darunter Gänseblumen, Kornblumen, Rosen, Akelei, Wildnelken. Vgl. a. mit einem Pariser Stundenbuch, um 1435, BL, MS Add. 18192 ; Stundenbuch der Amédée de Saluces, Savoyen, 3. Viertel des 15. Jh.s, BL, MS Add. 27697. Hier fällt die Mischung aus emporwachsenden Pflanzen und additiv nebeneinandergeordneten Zeigen auf, wie sie sich auch in Morris’ Handschrift auf S. 22 in der Kopfleiste finden lässt. Vgl. a. mit den Seitenranddekorationen in den Stundenbüchern BL, MSS Harley 5762 und 2936, deren Kenntnis bei Morris durch die Notizen in seinem Skizzenbuch (BL, MS Add. 45305, fol. 7r) belegt ist. Vgl. zur Darstellung von Früchten : BL, MSS Harley 2935, Add. 21909. Vgl. Morris’ florale Ornamente mit denen in den Froissart- und Alexanderroman-Handschriften, BL, MSS Harley 4379–4380 und Royal 15 E. vi, Abb. in : Shaw/Madden 1830–1833, Taf. 41, 43 ; Jehan de Wavrins »Chroniques d’Angleterre«, BL, MS Royal 15 E. iv, Abb. in : Humphreys 1849/1995, S. 93 ; Bedford-Stundenbuch um 1423, BL, MS Add. 18850, hier finden sich auch die Elipsenformen ausbildenden Verschlingungen der Ranken. 125 Vgl. a. Wyatt/Tymms 1860/1987, Taf. 12 zum 15. Jh.: BL, MS Royal 14 D. i (hier stilisierte Blüten in Kombination mit Akanthus, Goldpollen und naturalistischeren Pflanzen) ; Madden/Shaw 1830–1833, Taf. 43 : BL, MS Royal 15 E. vi ; Jones 1995, Taf. LXXIII, 15. 126 Vgl. z. B. BL, MSS Royal 14 E. i-ii, 14 E. v, 15 D. i, 15 D. v, 15 E. iv (Bd. 1), 17 F. ii-iii, 18 D. ix, 18 E. iv-v, 19 E. v, MS Cotton Augustus A. v. Hierbei handelt es sich um Handschriften, die zwischen ca. 1475 und 1480 in Brügge für Edward IV. ausgeführt wurden. Diese Handschriften kannte Morris vermutlich, da sie aufgrund der detaillierten Miniaturen umfassende Informationen über mittelalterliche Rüstungen, Kleidung, Innenraumausstattungen und Gerät vermitteln. 127 Vgl. besonders die Geißblatt- und Jasminranken auf S. 15, den Weiß- und Rotdorn auf S. 19, die Rosen auf S. 21, 49, 51, das Geißblatt auf S. 46 und die Äpfel auf S. 50.
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sammengehörig, jedoch durch eine seitenweise wechselnde Farbgebung der Blumensorten als jeweils eigenständige Gedichte gekennzeichnet werden. Eine den Ornamenten der ersten zehn Seiten entsprechende Dekoration kehrt in »A Book of Verse« nur noch in den von Morris ausgeführten Blumenmotiven auf den Seiten 13–14 (mit Grashintergrund), 26–27 und 38–39 wieder, hier allerdings als Verstrennung in Kombination mit Fruchtbäumen im rechten Rand. Das Blumenornament der Seiten 38–39 besitzt in der regelmäßigen Reihung von allerdings nur zweistämmigen Blüten, die von Gras getrennt werden, die engste Verwandtschaft zur Tapete »Daisy«. Vermittelt Morris durch das Motiv des Baumes auf dieser Doppelseite einen Eindruck von Räumlichkeit, so wird dieser durch das Fehlen der perspektivischen Wiedergabe bei den Wiesenblumen zurückgenommen. Die Wiesenhintergründe wirken, als seien sie hinter den Bäumen hochgeklappt worden. Der Rasen aus formelhaften, kommaartigen, kurzen Strichen erscheint nicht so sehr als Boden, auf dem Abb. 14 British Library London, MS Royal 14 D. i, Augustinus, De Civitate Dei, spätes 15. Jahrhundert, die Pflanzen wachsen, sondern als flächiger in : Matthew Digby Wyatt/W. R. Tymms, The Art of Hintergrund. Diesen Effekt wiederholt Morris Illuminating …, London (1. Aufl. 1860, Reprint Ware, Hertfordshire 1987), Taf. XV Century, No. 12. in den Wiesenstücken auf S. 44–45 und 48. Auf den Seiten 13–14 bzw. 26–27 gliedert er die Anordnung der einzelnen Blütenstiele, indem er ein Richtungsschema, eine Neigungsrichtung zugrundelegt, aus dem sich ähnlich wie bei »Daisy« ein rhythmisches Arrangement der Einzelelemente auf der Seite ergibt.128 Zur Gruppe der additiv komponierten Ornamente zählen auch die Arrangements von einzelnen sich volutenartig einrollenden oder nahezu umgekehrt S-förmig gewundenen Blütenzweigen (S. 23), wobei durch Überschneidungen der Eindruck von Kontinuität vermittelt wird. Außerdem verwendet Morris in »A Book of Verse« schräg gestellte Blüten- und Blattzweige, aufstrebende, sich volutenartig einrollende, leicht geschwungene Ranken und 128 Auf S. 16–17 stellt er die Stiele gegeneinander, während auf S. 26–27 ein Wechsel zwischen Einrahmen und Trennen erfolgt.
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blühende oder früchtetragende, auf einem Bodenstück ansetzende Sträucher, in die kleine Blüten – Tulpen, Rosen, Sonnenblumen, Lilien, Rittersporn, Akelei – eingestreut sind. Die Sträucher erinnern an diejenigen in den unteren Feldern der Orgelwand, die Morris und seine »Firma« in der Kirche von Beddington 1869 ausführten, während sich die Kombination von Ranke und eingestreuten Blumen in den Tapeten »Larkspur« und »Powdered« von 1872 und 1874 wiederholt.129 Morris schätzte diesen »continuous growth of curved lines«, den er als Charakteristikum der Gotik erachtete.130 Die natürlichen Größenverhältnisse der Pflanzen werden nicht berücksichtigt : Kornblumenblüten sind genauso groß wie Tulpen, Rosen oder Sonnenblumen. Das Wachstum der Ranken ist nicht immer von logischen Überlegungen bestimmt, sondern eine kontinuierlich aufstrebende Pflanze kann durchaus mit unterschiedlichen Blüten besetzte Zweige tragen (S. 11). Hier erscheint der Rhythmus wichtiger, der durch die wechselnde Farbigkeit der Blütenranken unterstrichen wird, wobei Morris einen Wechsel von Blau und Rot bevorzugt. Die organisch emporwachsenden floralen Ornamente unterscheiden sich in der Art ihrer Binnenstrukturierung voneinander, wobei die Rankengestaltung wieder auf jenen drei grundlegenden Qualitäten der »ornamental pattern work« von »beauty, imagination, and order« beruht und bestimmt wird durch das »conventionalizing of nature«.131 Dabei bildet »order« das grundlegende Element, durch das sich erst die Schönheit und die Vorstellungskraft entfalten kann.132 Stilisierung ist für Morris das Mittel, um Motive der Natur zu zeigen, ohne diese detailliert nachzuahmen und dennoch auf eine solche Weise wiederzugeben, dass sie den Betrachter ansprechen und an die Natur selbst und die Erfahrungen in ihr erinnern.133 Abhängig von der Dichte des Rankenwuchses kann die Wirkung eher die eines Neben- oder eines Übereinanders von Ranke und Blütenstielen sein. Weiterhin finden sich seltener einzelne stark geschwungene Ranken, die durch aufeinander aufbauende, regelmäßige volutenartige Einrollungen bestimmt werden (S. 35, 44). Werden zwei Ranken in den Seitenrand eingestellt, so werden sie hintereinander angeordnet, wobei die Doppellagigkeit des Entwurfes durch die Farbgebung und die unterschiedliche Struktur der Ranken unterstrichen wird (S. 24, 40).134 Sich überschneidende Ranken bilden bevorzugt schlanke, leicht spitzzulaufende Ovalformen aus. Als stabilisierendes Element dient der Pfahl, um den Morris gerne die Pflanzen windet und der zugleich die vertikal ausgerichtete Kontinuität betont. Dieses Ornament ist als Ausschnitt aufgefasst, fehlt ihm doch die 129 130 131 132 133 134
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Clark 1974, Nr. 11 und 15, S. 13. Morris, Some Hints on Pattern-Designing, CW XXII, S. 185. Ebd., S. 179, 181. Ebd., S. 180. Ebd., S. 181. Vgl. in diesem Zusammenhang Morris’ Anmerkungen zu Reliefwirkung in Mustern. Er unterscheidet eine Reliefwirkung, die durch den Kontrast von Hell-Dunkel-Werten entsteht, und eine solche, die durch die Einfassung der Gegenstände durch eine farbige Konturlinie erzielt wird, ebd., S. 187.
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Standfläche, auf der Pflanze und Stab ansetzen. Diese Ausschnitthaftigkeit betont noch die Anmutung des kontinuierlichen Wachstums. Ähnliche Ordnungsmuster bestimmen die in ein schmales Hochrechteck eingepassten Rankenmotive, die Morris im Rahmen der nicht verwirklichten Pläne für eine Ausgabe seiner Dichtung »Love is Enough« ca. 1871 entwarf. Die geplante Buchpublikation sollte zusätzlich mit Holzstichillustrationen nach Entwürfen von Burne-Jones ausgestattet werden, wurde dann allerdings 1872 ohne Buchschmuck veröffentlicht.135 Mackail berichtet, dass Morris illuminierte Exemplare dieser Publikation plante : »In some copies these [die Bordüren] were to have been filled in with colours and gilding, so that it would have been another illuminated book, with the text printed, not written«.136 Auch in den »Love is Enough«-Entwürfen verwendete Morris gerne zwei unterschiedliche, sich um einen Stab windende Rankengewächse oder zwei einander umschlingende, aufsteigende Ranken, die eine mit großen Blättern, die andere mit kleinen Blüten wie Jasmin oder Rittersporn besetzt. Diese Verschränkung von kleinblättriger Ranke und großblütigem Zweig wiederholt sich in den Tapeten »Jasmine«, »Scroll« und »Marigold« sowie dem Chintz »Tulip and Willow« aus den Jahren 1871–1875.137 Die Kombination von einer stark geschwungenen Ranke mit volutenartigen Einrollungen und einer nahezu gerade emporstrebenden Ranke, von deren Stamm Zweige ausstrahlen, kehrt in der Struktur der Tapete »Vine« von 1873 wieder.138 Ähnlichkeiten bestehen auch in der Gestaltung der Rankenornamente und der floralen Hintergründe der Glasfenster der »Firma« aus der Zeit um 1869–1875. Sewter teilte die floralen Hintergrundornamente dieser Jahre in die folgenden Kategorien ein : »open foliage with winding stems«, »scrol led foliage«, »rose hedge«, »Gothic tree« und »dense foliage with fruit or flowers«139. Die weitgehend durch organisches Wachstum und natürliche Wiedergabe charakterisierte Form der floralen Dekoration verwendete Morris durchgängig auch in seinen beiden nächsten Handschriften für Georgiana Burne-Jones : die zweite Fassung der »The Story of the Dwellers at Eyr« (BMAG, Inv.-Nr. 92’20) und »The Rubáiyát of Omar Khayyám« (BL, MS Add. 37832). Neben seinen theoretischen Überlegungen zum Entwerfen von Mustern, die 1881 in »Some Hints on Pattern-Designing« mündeten, scheint Morris in »A Book of Verse« ebenso wie in Tapeten und Stoffmustern mit unterschiedlichen Formen 135 Probedrucke in der WMGW, Fine Print 1976, S. 20–22, Nr. K 775 ; PML 1976, Kat. Nr. 65, S. 118–119, Taf. LXII-LXIII ; Robinson/Wildman 1980, Kat. Nr. 152, S. 101, Abb. 68 auf S. 104. Das Buch wurde zunächst 1872 bei Ellis & White, London, publiziert und erschien 1897/1898 mit zwei Illustrationen nach BurneJones bei der Kelmscott Press, Peterson 1985, Nr. A52, S. 138–139. 136 Zit. nach : Mackail 1995 I, S. 286. Er fügt hinzu : »Some of the scenes are written, as it were, directly for illumination«, ebd. 137 Z. B. A Book of Verse, S. 40, 46, 49. Clark 1974, Nr. 9, S. 13 (ca. 1871) ; Nr. 16, S. 13 (1875) ; Nr. 2, S. 56 (1873). 138 A Book of Verse, S. 24, 40. 139 Sewter 1974, S. 36, 65.
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des Arrangements auf der Fläche experimentiert zu haben, um auf praktischem Wege überzeugende Gestaltungsmöglichkeiten zu entwickeln. Der »floriated diaper«, bei dem die Konturen der Rautenform durch Stengel gebildet werden »and leaves or flowers fill the spaces between the lines«, ist nach Morris eine Weiterentwicklung der eckigen oder gekurvten Raute, die wiederum als Grundlage aller Muster zu erachten sei.140 Dabei entspricht die sich in den Buchmalereien widerspiegelnde Auffassung vom floralen Ornament seinen späteren theoretischen Äußerungen zur Mustergestaltung. So erachtete er »rational growth« als »necessary to all patterns, or at least the hint of such growth ; and in recurring patterns, at least, the noblest are those where one thing grows visibly and necessarily from another«.141 Er forderte weiterhin : »Take heed in this growth that each member of it be strong and crisp, that the lines do not get thready or flabby or too far from their stock to sprout firmly and vigorously ; even where a line ends it should look as if it had plenty of capacity for more growth if so it would.«142 Durch den organischen Wuchs erhält die Anordnung der Einzelelemente auf der Seite Stabilität. Es entsteht eine logische vertikale Abfolge, eine harmonische Verbindung von Randornament und den floralen Verstrennungen, die zumeist als ausgreifende Zweige an die Ranke des rechten Rands angeschlossen oder als lose Zweige in das Rankenwerk eingebunden werden. Eine ähnliche, von der Idee des organischen Wachstums und der Naturwiedergabe geprägte Dekorationsauffassung findet sich auch in spätmittelalterlichen Handschriften wie einer lateinischen Abhandlung über die Laster aus dem späten 14. Jahrhundert (Italien ; BL, MSS Add. 27695, 28841). Die Anordnung der floralen Elemente in den Rand ornamenten von »A Book of Verse« in Form eines additiven Übereinanders einzelner Zweige, zweier sich überkreuzender Zweige oder von sich einrollenden Ranken weist ebenfalls Parallelen zu mittelalterlichen Handschriften auf.143 Morris übernimmt somit von mittelalterlichen Vorbildern nicht nur die floralen Motive, sondern auch die Ornamentstrukturen und übersetzt diese variierend in »seine eigene Sprache«, so dass sie zunächst nicht unmittelbar den Bezug erkennen lassen : Durch Assimilieren und Umarbeitung von Anregungen entsteht etwas Eigenes und Originelles. 140 Morris, Some Hints on Pattern-Designing, CW XXII, S. 184, 185. 141 Ebd., S. 199 ; vgl. a. Morris, Making the Best of It, um 1879, CW XXII, S. 81–118, hier S. 109 : »[…] every line in a pattern should have its due growth, and be traceable to its beginning […]«. 142 Morris, Some Hints on Pattern-Desiging, CW XXII, S. 199 ; vgl. Morris, Making the Best of It, ebd., S. 110. 143 Z. B. zum additiven Übereinander von Zweigen : französisches Stundenbuch, um 1470, BL, MS Egerton 2045 ; Creméaux Hours, eventuell Lyon, um 1440, BL, MS Add. 18751 ; Pariser Stundenbuch, Mitte 15. Jh., BL, MS Egerton 2019 (siehe hier auch die an Morris’ »Daisy« erinnernde Anordnung von mehreren Blütenstielen zu einer Blumenstaude, z. B. im unteren Seitenrand von fol. 135r). Zu den sich volutenartig einrollenden Ranken vgl. französisches Stundenbuch, um 1500, BL, MS Harley 2936, fol. 36r ; Umfray Hours, Frankreich, 2. Viertel des 15. Jh.s, BL, MS Sloane 2468 ; Oldhall Hours, Frankreich, Ende der 1420er Jahre, BL, MS Harley 2900, fol. 55r. Zur Ovalform durch zwei sich überschneidende Ranken vgl. Gorleston Psalter, um 1310–1320, BL, MS Add. 49622, fol. 8r ; vgl. a. Frontispiz nach BL, MSS Add. 17341 und Royal 1 D. i, in : Wyatt/Tymms 1860/1987.
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Als weitere Anregungen sind die Naturauffassung der Präraffaeliten und Herbarienillustrationen zu vermuten.144 So lässt sich Morris’ Verbindung von Stilisierung der Ornamentstruktur und Naturalismus der Ornamentmotive – die Blüten und Früchte – auf Vorstellungen der Präraffaeliten zurückführen. Marica Werner betonte, dass Realismus das grundlegende Ziel der ersten Gruppe der Präraffaeliten bildete, und verwies auf theoretische Schriften aus dem Umfeld der Gruppe, darunter F. G. Stephens Aufsätze »The Purpose and Tendency of Early Italian Art« sowie »Modern Giants« in der zweiten und vierten Nummer von »The Germ«.145 Nachvollziehbar scheint die zu einzelnen Seiten geäußerte Kritik, dass Morris dem floralen Ornament den Vorrang gegenüber dem Text einräumte, da es in den Schriftbereich hineinragen und damit die Lesbarkeit beeinträchtigen kann.146 Vielleicht ist das enge Beieinander von Schrift und Dekoration darauf zurückzuführen, dass Morris, wie später bei seinen Kelmscott Press-Drucken, eine dicht gefüllte Seite wünschte. Er knüpfte in der Wahl eines die Gedichte kontinuierlich begleitenden Ornaments an die Gestaltung der »Song«-Partien in den »Dwellers«- und »Volsungs«-Handschriften an, die – im Unterschied zum Erzähltext – von floralem Ornament begleitet werden. Dieses ist unter »Layout«-Erwägungen mit dem Wunsch nach einem geschlossenen Schriftfeld verbunden. Die Wahl von organisch aufstrebendem Rankenwerk oder sich zu einem kontinuierlichen Arrangement zusammenschließenden Zweigen entspricht eher der fließenden, fortlaufenden Textstruktur als das statische Muster der früheren Streublumen. Weitere Analogien lassen sich zwischen der Regelmäßigkeit der ornamentalen Grundstruktur, d. h. dem rhythmischen Ein- und Ausschwingen der Zweige und Ranken, und der Gedichtstruktur, d. h. dem Versmaß, dem Reim oder sich wiederholenden Zeilen, ausmachen. 3.2.3 Die Titelseite des »A Book of Verse«
Die Handschrift wird von einer Titelseite mit den Angaben »A Book of Verse / by / William Morris / written in London / 1870« in Goldkapitalis eingeleitet, deren Aufbau dem144 Zur Herbarienillustrationen siehe die Exemplare aus Morris’ Bibliothek : De historia stirpium commentarii insignes, maximis impensis et vigilius elaborati, adiectis tarvndam vivis plusquam, Leonharto Fuchsio (L. Fuchs), Basileae 1542 ; The Herball of Generall Historie of Plantes des John Gerard, London 1633, SoA, siehe Kelmscott 1981, Kat. Nr. B2, B3. Vgl. aber auch mit Illustrationen in einem Herbarienbuch, gedruckt in Venedig 1571 (Johnston 1987, Abb. 135–141 auf S. 194–200), oder mit frühen Herbarien-Handschriften wie BLO, MS Bodley 130, ein »Herbal« aus Bury St. Edmunds, spätes 11. oder frühes 12. Jh., (Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 53). 145 Werner 2005, S. 66–67. Stephens empfahl, statt der Naturdarstellung nach dem Vorbild der Alten Meister zu folgen, doch lieber wie die Künstler des Trecento direkt nach dem Naturvorbild zu arbeiten, vgl. The Germ. The Literary Magazine of the Pre-Raphaelites, Vorwort von Andrea Rose, Ashmolean Museum, Oxford 1992, S. 58–64, 169–173. 146 Dunlap 1976, S. 57.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
jenigen in zeitgenössischen gedruckten Büchern entspricht (Abb. 15). Hierin wich Morris von der Gestaltung in seinen anderen Handschriften und den Kelmscott Press-Drucken ab, bei denen er auf eine solche Titelseite verzichtete, sondern Angaben wie Publikationsort und -jahr entsprechend früher Buchdrucke in einem Kolophon am Buchende einfügte.147 Vielleicht erachtete er diese an zeitgenössischen Publikationen orientierte Form der Titelseite für eine Handschrift mit moderner Literatur oder mit Versdichtung als angemessen, nicht aber für eine alte Saga oder einen mittelalterlichen Prosatext, für die er vielmehr eine Gestaltung bevorzugte, die an Vorbilder des Mittelalters und der Renaissance anschloss. Die Titelseite zeigt vier Musikantinnen, die nach Entwürfen von Morris ausgeführt zwischen schlanken, pappelartigen Bäumen und großen Rosen und Mohnblumen vor einem Zaun stehen. Sie befinden sich vor einem Hintergrund aus verschiedenen weißblütigen Zweigen unter dem goldgerahmten Profilporträt Morris’ auf grünem, mit Lorbeerzweigen, als Attribut des Dichters, gefülltem Grund.148 Die Größenverhältnisse sind, wie auch schon bei den Musikantinnen der ersten Seite der »Volsungs«-Handschrift, eher unter dekorativen als realistischen Ansprüchen behandelt. Die vier Figurenmotive der Titelseite gehen auf Morris’ Entwürfe für eine Serie von Musikantinnenfiguren aus der Zeit um 1863 zurück, die auch für zeitgleiche Glasfenster und Kachelfelder der »Firma« verwendet wurden.149 Sie bilden einen feierlichen Auftakt und verweisen auf 147 Siehe Margaret M. Smith, The Title-page : its Early Development 1460–1510, British Library, London 2000. 148 Das von Murray gemalte Porträt Morris’ geht nach Angaben von May Morris auf eine Photographie von Mr Parsons zurück, May Morris, in : CW II, S. xxvi ; dies., in : CW IX, S. xxii. Der Photograph John Parsons fertigte die Aufnahme am 14.6.1870 an, Brief Morris’ an Murray, [13.6.1870], Kelvin 1984 I, Nr. 118a, S. 121. Das Miniaturporträt ähnelt auch einer 1868–1870 datierten Photographie Morris’ im Profil von Ellis & Green, V&A, Inv.-Nr. Ph.1780–1939. Die Miniatur ist am inneren Rand des Medaillons signiert : William Morris MDCCCLXX. C. F. Murray pinx. Morris saß auch Murray Modell, Brief Morris’ an Murray, [21.6.1870], Kelvin 1984 I, Nr. 118b, S. 122 ; Porträts Morris’ von Murray in der Whitworth Art Gallery, Manchester, und in der National Portrait Gallery London (Inv.-Nr. 3652), beide Porträts seitenverkehrt zur Miniatur. 149 Vgl. Robinson/Wildman 1980, Kat. Nr. 119, S. 77. Die Entwürfe in Bleistift und Wasserfarben im AMO und der WAGM. Zur nahezu frontal dargestellten Harfespielerin : Kachel, Enwurf, um 1872–1874, FMC ; Glasfenster, St. John the Baptist, Tuebrook, Liverpool, ca. 1868 ; Glasfenster, ca. 1872–1874, V&A ; Sewter 1974, Abb. 276, 362 ; Myers/Myers 1996, Abb. 112, Taf. 30a, 32b ; Figurenstudien, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1809J, 2000.5.1847E, 2000.5.1523B (undat. bzw. 1876 und 1868, Werkstattarbeit). Zur Frau mit Tförmiger Leier : Kachel, V&A ; Glasfenster, St. John the Baptist, Tuebrook, Liverpool, ca. 1868 ; St. Peter’s, Kirkbampton, Cumberland, 1871 ; St. Peter and St. Paul, Cattistock, Dorset, 1882 ; Sewter 1974, Abb. 276, 358, 556 ; Myers/Myers 1996, Abb. 107, 121, Taf. 30a ; Figurenstudien, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.315 (Morris, um 1870) und 2000.5.1524D, 2000.5.1522B (1868, Werkstattarbeit). Zur nach links gewendeten Harfenistin : St. Michael’s, Tilehurst, Berkshire, 1869 ; St. Peter’s, Kirkbampton, Cumberland, 1871, Sewter 1974, Abb. 303, 358 ; Figurenstudie, TGL, Inv.-Nr. A00815 ; Figurenstudien, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.2813 (Morris, um 1869) und 2000.5.1847H, 2000.5.1524B, 2000.5.1525C (1875, 1867, 1873, Werkstattarbeit). Zur Flötenspielerin : Fenster, Llandaff Cathedral, Glamorgans., 1868, Sewter 1974, Abb. 284 ; Glasfenster, V&A, Inv.-Nr. C.677–1923 ; Zeichnung, TGL, Inv.-Nr. A 00817 ; Figurenstudie, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.313 (Morris,
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den »Song«-Charakter einiger Gedichte. Unklar ist der jeweilige Anteil von Morris und Murray in der Konzeption der Titelseite. So hat sich ein kurzer Brief von Morris an Murray erhalten, in dem Morris schreibt : »Please leave the Venus with Wardle, and he will give you the photographs – do as you please about the title page«.150 Es ist unklar, was Morris hiermit wirklich meint, ob es sich um eine gestalterische oder organisatorische Freiheit handelt. Morris wird jedoch konkrete Vorstellungen von dem Erscheinungsbild besessen und diese an Murray weitergegeben haben. Morris erachtete die Titelseite als eine Möglichkeit, das ohnehin durch die Auswahl eigener Gedichte persönliche Geschenk noch persönlicher zu gestalten, indem er zusätzlich wie eine Art Widmung sein Profilporträt einfügen ließ. Damit trägt die Titelseite eine doppelte »Signatur« : den geschriebenen Namen Abb. 15 William Morris, Charles Fairfax Murray, A und die Züge des Dichters. Der Dichter wäre Book of Verse, Titelseite, 1870, Victoria and Albert Museum, London, NAL, MSL 131–1953. © Victoria in doppelter Weise für Georgiana Burne-Jones and Albert Museum, London. anwesend und in ihrer Erinnerung präsent. Zugleich knüpfte Morris mit der Entscheidung für ein Autorenporträt an Vorbilder aus der spätantiken, mittelalterlichen und Renaissance-Buchmalerei sowie in zeitgenössischen Buchdrucken an, in denen dieses gerne als Frontispiz eingefügt wurde. Die Art der Figurenanordnung zwischen Bäumen wiederum erinnert an Entwürfe Burne-Jones’ für nicht ausgeführte bestickte Wandbehänge für John Ruskin nach Geoffrey Chaucers »The Legend of Good Women« von ca. 1863 sowie an Morris’ e igene Entwürfe für eine Stickerei-Serie mit einer vermutlich ähnlichen, aber nach persönlichen Vorlieben abgewandelten Folge für den Speisesaal seines »Red House« (Abb. 16).151 undat.), 2000.5.1525B (1871, Werkstattarbeit). Beide Figuren in einem Fenster des südlichen Querschiffes, Jesus College Chapel, Cambridge, 1873, Sewter 1974, Abb. 413 ; Myers/Myers 1996, Abb. 110, 117, 118, Taf. 31a, 32c. 150 Brief Morris’ an Murray, [nach Kelvin Juli-August 1870], zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 120c, S. 123. 151 Edward Burne-Jones, Entwurf in Bleistift von 1863, der die Frauen auf einer Blumenwiese vor einem rosenbewachsenen Zaun, getrennt durch kleine Bäumchen, zeigt, BMAG, Inv.-Nr. 13’04, siehe Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 160, S. 197–202. Zu Morris’ Stickereifeldern (SoA, Kelmscott Manor und Castle Howard Collection) : Dufty 1985, S. 8–9, 13–30, Taf. VI–XXV ; Braesel 2009. Skizzen Morris’ zu diesem Projekt in
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Dabei weist die Thematik des Zyklus und die Art der Figurenpositionierung auf einem schmalen Grasstreifen, getrennt durch hochstämmige Bäume, große Ähnlichkeit mit den Wandmalereien der »Sieben Heldinnen« in der Sala Baronale des Castello von Manta auf, die wohl um 1411–1416 entstanden und einem Künstler aus dem Umkreis des Turiner Hofmalers Giacomo Jaquerio zugeschrieben werden.152 Es ist bisher nicht bekannt, ob Burne-Jones und Morris von diesen Arbeiten wussten. Möglicherweise waren den Künstlern die Stichreproduktionen der Fresken im vierten Band der »Memorie StoricoDiplomatiche appartenenti alla città ed ai marchesi di Saluzzo raccolte dall’avvocato Delfino Muletti Saluzzese e pubblicate con addizione e note da Carlo Muletti« (Saluzzo 1830) bekannt. In Handschriften dagegen erscheinen die Heldinnen mit Attributen und Wappenschilden bevorzugt nebeneinander in einer Architektur, deren Vorderseite entfernt wurde, um den Betrachter hineinblicken zu lassen.153 Die Hintergrundgestaltung mit schlanken Bäumen und Blumen vor einem Zaun erinnert aber auch an Gartendarstellungen wie in BL, MS Harley 4425, fol. 12v (Abb. 2). Bei Morris’ Stickerei-Zyklus diente die persönliche Auswahl von Heldinnen und Liebenden der Verehrung von Frauen insgesamt und besonders seiner jungen Frau Jane sowie der Feier seiner Liebe zu ihr. Die Auswahl von mythologischen und mittelalterlichen Frauen sowie weiblichen Heiligen verweist auf weibliche Tugenden. Morris folgte dabei allerdings weder den »klassischen« Serien von Boccaccio oder Chaucer noch dekorativen Zyklen des Mittelalters und der Renaissance, sondern scheint vielmehr seinen eigenen Reigen an Heldinnen in der Kombination verschiedener Quellen erstellt zu haben. Er wiederholt nun dieses dekorative Schema aus Figuren und Bäumen in dem gänzlich anderen Kontext der Titelseite des »A Book of Verse«, wobei er die Heldinnen/Liebenden gegen die Figuren von Musikantinnen austauschte.154 Die riesigen roten Rosen und roten Mohnblüten verweisen traditionell auf Liebe und Schlaf. Ihre ungewöhnliche Größe erscheint den Bedeutungsgehalt des Motives zu unterstreichen. So könnte angenommen werden, dass sie auf das Verhältnis zwischen Morris seinem Skizzenbuch, BL, MS Add. 45336, fol. 23v, 24v. Diese zeigen auf einem Rasenstreifen stehende, von Bäumen getrennte Frauenfiguren. Auf fol. 25r Zeichnungen für den Hintergrund der Stickereien aus stilisierten Gänseblümchen und Punktrosetten, die in variierter Form in den Malereien der »Dwellers«-Handschriften wiederkehren. Weiterführende Literatur : Mackail 1995 I, S. 159 ; Fairclough/ Leary 1981, S. 23, 77–78, Nr. E6-E11 ; Leary 1981 ; Banham/Harris 1984, S. 197–207, Kat. Nr. 157–174 ; Parry 1987, S. 13–14, Abb. auf S. 14, 22–23 ; Braesel 2009 ; Dudkiewicz 2016. Burne-Jones variierte seine Entwürfe für die Stickereien ca. 1864 in Glasfensterentwürfen : Fenster für »The Hill«, V&A (beide 1864), und Peterhouse College, Cambridge (1869, Combination Room), Sewter 1974, Abb. 197–199, S. 30 ; Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 163–168, S. 205–206. Weitere Serien zu diesem Thema bilden die Kachelpaneele für Sandroyd und »The Hill«, Witley, von 1863/1864, Myers/Myers 1996, S. 21–26, 40–41, 78–79, 90–91. 152 Zur Zuschreibung : Steffi Roettgen, Wandmalereien der Frührenaissance in Italien 1400–1470, München 1996, S. 42. 153 Vgl. z. B. Livre du Chevalier Errant, BNP, MS fr. 12559, fol. 125v, zugeschr. dem Meister der Cité des Dames. 154 Braesel 2017.
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Abb. 16 William Morris, Entwurf für eine Stickerei-Serie mit einer Folge von »Heldinnen« für den Speisesaal des »Red House«, um 1860, Notizbuch, British Library London, MS Add. 45336, fol. 23v. © The British Library Board (MS Add. 45336).
und Georgiana Burne-Jones zur Entstehungszeit der Handschrift verweisen, somit auf schlafende, ruhende Liebe und Sehnsucht hindeuten. In der Folge ließen sich die Miniaturen als Thematisierung einer äußerst engen persönlichen Bindung zwischen Morris und Georgiana Burne-Jones sowie der schwierigen Situation der Beteiligten zwischen ehelicher Gebundenheit und persönlichen Frustrationen und Neigungen lesen. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass es keinerlei Überlieferungen auf ein anderes als freundschaftliches Verhältnis zwischen Morris und Georgiana Burne-Jones gibt, dass beide strenge moralische Vorstellungen und große Loyalität besaßen, dieses Projekt zwar sehr privat war, aber doch eine Anzahl von Personen, darunter ihr Ehemann, beteiligt waren, und die Handschrift auch im Morris-Kreis betrachtet worden ist. Interessant ist nichtsdestotrotz, dass das Motiv der schlafenden Liebe auch in Miniaturen der Handschrift aufgegriffen zu sein scheint : So könnte die die letzte Miniatur abschließende schlafende Venus (S. 51) als eine Entscheidung gedeutet werden, die Gefühle ruhen zu lassen und die gegenseitigen Emotionen nicht zu verfolgen. Die in den Gedichten thematisierte und in den Miniaturen vielfältig umgesetzte Ferne der Geliebten bei aller Nähe, das häufig verwendete trennende Flussmotiv, die immer wieder kurz vor der Vereinigung vereitelte Zusammenkunft unterstützen ebenfalls diese Deutung.155 Auch wenn nicht entschieden 155 Zu einer biographischen Deutung von Gedichten Morris’, die sich auch in »A Book of Verse« finden : K. L.
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werden kann, ob das Blumenmotiv auf die enge Bindung zwischen Schenkendem und Beschenkter verweist, so kann es doch auf neutraler Ebene als Hinweis auf den Inhalt der folgenden Verse gelten, die um Liebe, Begehren/Sehnsucht und Verlust kreisen. Zaun und Blumen deuten auf den Garten als friedvollen Treffpunkt der Liebenden. Unter Berücksichtigung der Bedeutung von Heldinnen-Zyklen nach 1860 im Kreis von Morris könnte vermutet werden, dass die Titelseite des »A Book of Verse« als Transfer der Heldinnen-Idee aufzufassen ist. Durch den kompositorischen Rückbezug auf die früheren Zyklen betont Morris die Qualitäten, moralischen Standards und exemplarischen weiblichen Tugenden seiner Freundin Georgiana Burne-Jones. Die Idee des »Minnesangs«, die Feier der Frauen, wird nun von den Musikanten übernommen. Es mag vermutet werden, dass Morris seine ursprüngliche Idee der Heldinnen/Liebenden zwischen Bäumen des Stickerei-Zyklus in eine subtile Feier der Tugenden seiner engen Vertrauten Georgiana Burne-Jones überführte und zugleich den Aspekt des Festlichen betonte. Somit kann die Titelseite des »A Book of Verse« als eine abgeleitete, reduzierte und abstraktere Version der früheren Serie interpretiert werden : Der Heldinnen/Liebenden-Zyklus verbindet in unterschiedlicher Form die beiden für Morris wichtigen Frauenfiguren – in den frühen 1860er Jahren seine junge Frau Jane, in den Jahren um 1870 seine loyale Vertraute Georgiana Burne-Jones. 3.2.4 Die Forschungsliteratur zu »A Book of Verse«
In den letzten Jahren hat sich zunehmend die Literaturwissenschaft mit »A Book of Verse« beschäftigt, wobei die kunsthistorischen Traditionen und der durchaus pragmatische Ansatz im Werk von Morris und seinen Kollegen vernachlässigt wurden. Jerome McGanns Interesse galt der »integration of medium and message«, also dem Verhältnis zwischen Inhalt und seiner äußeren Präsentation.156 Wie auch bei anderen Buchprojekten wollte er »poetry as a materially oriented act of imagination« vorstellen.157 Als Anlass für das Anfertigen von Handschriften betrachtete auch er das Scheitern des »The Earthly Paradise«-Projekts, wodurch Morris gezwungen worden sei, die Umsetzung seines »Ideal Book« zunächst in einem anderen Medium, der Handschrift, zu suchen. »A Book of Verse« gerate dabei zu dem »first complete example« seiner poetischen Vorstellungen, so dass »the book has imagined a total integration of all its textural elements«.158 Auch Rosie Miles erachtete »A Book of Verse« als »a response to Morris’s failure to revolutiGoodwin, Unpublished Lyrics of William Morris, in : Yearbook of English Studies 5, 1975, S. 190–206. Goodwin kommt in seiner Analyse der Gedichte zu der Vermutung, dass Georgiana Burne-Jones »any passionate declarations« ablehnte, S. 206. Dieses könnte die versteckten Hinweise auf Zuneigung und das Andeuten des Ruhenlassens der Gefühle erklären. 156 McGann 1993, S. 45 ; vgl. ders. 1992, S. 55, 56. 157 McGann 1992, S. 58. 158 Ebd., S. 65.
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onize the printed book at this time« und sah seine Entstehung an das Fehlschlagen des »The Earthly Paradise«-Projekts gekoppelt.159 Diese Erfahrung bestimme die Auswahl der Gedichte und der Miniaturmotive in »A Book of Verse«, in denen immer wieder Verlust bzw. das Scheitern kurz vor Erreichen des Zieles thematisiert werden, und die Wahl des Mediums, der illuminierten Handschrift, bei deren Ausfertigung alle Arbeiten in einer Hand lägen. Sie schloss sich in ihren Betrachtungen an W. J. Mitchells Theorie des »imagetext« an, die von dem »whole ensemble of relations between media« ausgeht, und legte ihren Überlegungen eine Auffassung des »A Book of Verse« als »composite material artefact« zugrunde.160 David Faldet stellte »A Book of Verse« in Überlegungen zu Morris’ grundlegenden Vorstellungen zur Kunst ein und erachtete es als Zeugnis für dessen Auffassung von der Untrennbarkeit von Kunst und Arbeit sowie seiner »powerful love of objects that bore the physical trace of the labourer’s work«, womit auch die Unnachahmlichkeit der individuellen Kunstäußerung verbunden sei, zu der sich Morris später in seinen Vorträgen äußerte.161 So bildete für Faldet »A Book of Verse« »the perfect realization of one of his aims as an artist : integrating a visual trace of himself with the beauty and the message of his poems«, eine adäquate Umsetzung seines Wunsches nach »physical presentation of his poems«.162 Faldet bezog sich für seine Analyse des »A Book of Verse« auf Charles Sanders Peirces System und Terminologie von »index«, »icon« und »symbol« : »The illustrated and decorated works consistently combine symbol (abstract words) and index (traces of Morris’s labour) with iconic representations (illustrations and decorations) as well.«163 Er betonte die »indexical function of the artistic work« in Morris’ Ästhetik, denn der »index«, das Werk, verweise auf den Künstler selbst.164 Amy Bingaman wiederum zog das »A Book of Verse« in ihre Untersuchungen zu Morris und den Strukturen und Verfahrensweisen der »Firma« in Hinblick auf die »brotherhood« als Exempel für die Verbindung von persönlichen und professionellen Bereichen mit ein, die sie als ein Übergangsstadium zum Erwachsenwerden, als Spielerei bewertete.165 Für sie fungieren Handarbeit und Geschenkaustausch als Einzelpersonen vereinigendes, dem Mittelalter zuzuordnendes Moment, das bei Morris zunehmend durch Renaissance-Vorbilder und -Strukturen ersetzt werde.166 Gerade die Miniatur zu »Praise of Venus« diente ihr als Anzeichen für die wachsende Renaissance-Neigung von Mor-
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Miles 1999, S. 135 ; Faldet 1996, S. 66. Miles 1999, S. 134. Faldet 1996, S. 61, 62. Ebd., S. 61. Ebd., S. 63. Ebd., S. 74–75. Bingaman 2000, S. 83. Ebd., S. 94, 101, 102.
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ris.167 Sie band dessen kalligraphische Tätigkeit daran, dass die Produktion der »Firma« zunehmend von »modernen« Bedingungen bestimmt werde und Morris diesem gegenzusteuern versuche, indem er mit den Handschriften schöne Bücher, »both poetically and materially«, gestaltete.168 Dabei ist bisher in Bezug auf »A Book of Verse« trotz der Betonung der Untrennbarkeit von Bild und Text kaum auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Miniatur und Gedichttext eingegangen oder versucht worden, die Miniaturen mit Beispielen aus dem zeitgleichen malerischen und dekorativen Werk von Morris und Burne-Jones in Beziehung zu setzen. Joseph Dunlap, der sich ausführlich mit Morris’ Kalligraphie beschäftigte, äußerte lediglich : »Another comment that may be made about the illustrations is that they seem to relate to the text«.169 3.2.5 Die Miniaturen in »A Book of Verse«
Auf einigen Seiten der Handschrift sind in die floralen Ornamente, zumeist am Gedichtende, von einem schmalen Goldrahmen eingefasste szenische Miniaturen in Form von Bildstreifen, Bildfeldern oder Medaillons eingefügt. Anlass für eine Miniatur bildete vermutlich nicht nur der Freiraum auf der Seite, sondern auch die Bedeutung von bildhaften Momenten, die Stimmung des jeweiligen Gedichtes sowie die assoziative Nähe zu thematischen Vorlieben des Kreises der jüngeren Künstlergeneration der Präraffaeliten um Rossetti. Von den 51 Textseiten sind nur zehn mit figürlicher Dekoration ausgestattet.170 Morris’ Gedichte enthalten weitgehend Stimmungsschilderungen, wobei die Landschaft die Gefühlshaltung der Protagonisten widerspiegelt. Deswegen war von Murray Phantasie gefordert, die vagen Angaben szenisch zu verdichten, wobei er sich z. T. an dem figürlichen Repertoire Burne-Jones’ orientiert haben mag, zumal gerade dessen Ar167 168 169 170
162
Ebd., S. 96–97. Ebd., S. 97. Dunlap 1972/1976, S. 171. Zu den Gedichten ohne Miniaturen : S. 7 The Shows of May (publiziert als »May« in : »The Earthly Paradise II«, CW IV, S. 1) ; S. 8 The Fears of June (publiziert als »July« in : ebd., S. 143) ; S. 9 The Hopes of October (publiziert als »October« in : »The Earthly Paradise III«, CW V, S. 122–123) ; S. 10 The Weariness of November (publiziert als »November« in : ebd., S. 206) ; S. 13–14 Rest from Seeking (publiziert in »The Man who never Laughed again« in : ebd., S. 188–189) ; S. 17–18 Prologue to the Volsung Tale (publiziert als »A Prologue in Verse« in : »Völsunga Saga : The Story of the Volsungs and Niblungs …«, CW VII, S. 289–290) ; S. 21 Guileful Love ; S. 22 Summer Night ; S. 26–27 Love Alone ; S. 33–35 The Ballad of Christine (publiziert in : »Poems by the Way« unter dem Titel »The Lay of Christine«, Übersetzung aus dem Isländischen, CW IX, S. 201–202) ; S. 36 To Grettir Asmundson (publiziert in : »Grettis Saga : The Story of Grettir the Strong …«, CW VII, S. xxxvi) ; S. 37–39 The Son’s Sorrow (publiziert in : »Poems by the Way« mit dem Vermerk »from the Icelandic«, CW IX, S. 206–207) ; S. 43 To the Muse of the North, Grettis Saga 1869 (vgl. May Morris, CW, IX, S. xxv ; publiziert in : »Poems by the Way«, CW IX, S. 116) ; S. 44–46 Lonley Love and Loveless Death ; S. 47–48 Birth of June (publiziert als »The End of May« in : »Poems by the Way«, CW IX, S. 196).
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beiten durch eine ähnliche melancholische, oftmals resigniert-passive Stimmung geprägt sind wie Morris’ Gedichte in »A Book of Verse«. Zudem griff Murray Motive aus Dekorationsvorhaben der »Firma« wie den Serien mit Jahreszeiten-Personifikationen oder den »The Legend of Good Women«-Projekten variierend auf. Es ist, besonders nach Kenntnis von Murrays Skizzenbuch in der Pierpont Morgan Library (Inv.-Nr. 1963.8), davon auszugehen, dass es sich bei den Miniaturen, deren Motive von Morris nicht explizit im Kolophon einzelnen Künstlern zugeordnet wurden, um Entwürfe Murrays handelt. Auch wenn dieser sich vielleicht durch Arbeiten von BurneJones anregen ließ, handelt es sich jedoch stets um seine eigenen Bildschöpfungen : Die Arbeiten setzen Einflüsse von Burne-Jones eigenständig für einen neuen Kontext um. Murray bediente sich seiner Vorbilder lediglich zweckorientiert als Vorrat für Figurenmotive wie besonders in den Miniaturen zu »A Garden by the Sea« und »The Praise of Venus« deutlich werden wird. Bei den präraffaelitischen Malern, besonders bei Rossetti, bestand eine enge Verbindung von Bild und Wort. Sie trugen als Ergänzung ihrer Gemäldesujets auf die einfassenden Rahmen Texte auf oder integrierten in ihre Gemälde Schriftfelder, die bestimmte Aspekte der Bildaussage verdeutlichen sollten.171 Morris verstärkte in »A Book of Verse« den Bezug von Text und Bild, wenn der textuale und der visuelle Teil einander fast als gleichwertige Elemente gegenübergestellt und durch den floralen Rahmen gemeinsam eingefasst werden. Dieses räumliche Zusammenfügen unterstreicht die Aufforderung nach einem gemeinsamen Lesen/Betrachten, wobei sich die in dem Handschriftenkontext spezifische Aussage in der Gesamtheit der Informationen ergibt. In »A Book of Verse« lassen sich mehrere Formen von visuellen Erzählhaltungen und Text-Bild-Bezügen unterscheiden : Es finden sich Einzelbilder oder mehrteilige Bildstreifen, die einen bestimmten Moment bzw. mehrere Szenen des Gedichtes selbst aus seinem konkreten oder assoziierten literarischen Kontext illustrieren können. »Missing«
Bei den mehrteiligen Miniaturen kann eine kontinuierliche Erzählweise auftreten, wobei mehrere aufeinanderfolgende Momente der Handlung in einer fortlaufenden Landschaft in Leserichtung aneinandergefügt werden können. Diese Erzählweise findet sich im Miniaturstreifen zu »Missing« (S. 16 ; Abb. 17), in dem Murray durch die Einfügung von vertikalen Goldleisten und kompositorischen Motiven die drei Teile des Streifens 171 Grieve 1973 ; Roberts 1995, S. 59–74 ; McGann 2000, S. 71–72 ; Marysa Denmoor, Art-Catholic Revisited : Dante Gabriel Rossetti’s Early Paintings and Northern Renaissance Art, in : The Journal of Pre-Raphaelite Studies N. S. 14, Frühjahr 2005, S. 5–13. Kelvin beschäftigte sich ausführlich mit der Bedeutung des Rahmens im literarischen und künstlerischen Werk von Morris. Dabei betonte er die Elemente des Umschließens, des Eindringens und der Verbindung sowie der Bewegung, des Transitorischen als grundlegend, Kelvin 1989.
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als einzelne Bildfelder definiert und dadurch das Nacheinander der Szenen andeutet.172 Der Bildstreifen wird durch den Wechsel des Bildformates (Querformat – Hochformat – Querformat), der Gewandfarben (Rot – Blau – Rot) und des Charakters der Landschaft (Wald – Lichtung – Wald) rhythmisiert. Murray folgt in der Gestaltung der Herbstlandschaft und der Figurenhaltung sehr eng Morris’ Gedichtvorlage, in der die erfolglose Suche zweier Liebender nach einander sowie die Klage des Erzählers und seine Sehnsucht nach Liebe geschildert werden.173 Murray übersetzte die von Morris beschriebene Selbstbezogenheit des Erzählers in das in sich geschlossene Sitzmotiv der mittleren Figur.174 Die Komposition des Bildstreifens erlaubt neben der sich zunächst anbietenden kontinuierlich fortschreitenden Leseweise von links nach rechts hin auch andere Leserichtungen und die Herstellung unterschiedlicher Bezüge. Sie lädt den Betrachter ein, verschiedene Beziehungsmöglichkeiten und Verknüpfungen durchzuspielen. Mittelpunkt bleibt dabei stets die Figur des blaugekleideten Mannes des mittleren Feldes, des Erzählers. Seine ruhige Haltung vermittelt den Eindruck von Dauerhaftigkeit, und Murray kontrastiert in den Figuren des Sitzenden und der Stehenden bzw. Gehenden das passiv hinnehmende Leid des unbeteiligten Erzählers mit dem Leid der Suchenden, das sie aktiv, wenn auch erfolglos, zu bekämpfen trachten. Durch die Doppelbesetzbarkeit der rechten Figur, die durch Gewandfarbe und Frisur der Frau des linken Kompartiments zwar ähnlich, aber doch nicht vollkommen übereinstimmend gestaltet ist, entsteht ein Moment der »Uneindeutigkeit«. So kann das rechte Bildfeld entweder die vom Leid gebeugte Frau (»[…] she turned away / Into the dark wood«) oder den ihr folgenden Mann zeigen.175 Für die erste Deutung spricht der stringentere, dichtere Zusammenhang, die formal-inhaltliche Symmetrie der einzelnen Felder der Miniatur, denn, wie im Gedicht geschildert, folgt auf die Begegnung der Frau mit dem Erzähler im linken und mittleren Bildfeld ihre Trennung im rechten Feld. Neben der naheliegenden kontinuierlich fortschreitenden Leseweise von links nach rechts lässt sich eine weitere Leserichtung erkennen, die analog zum Verlauf des Gedichtes beim mittleren Feld beginnend die seelische Verfassung des Erzählers schildert, dann über seine aufgestellte Rechte zum linken Feld, zum Erscheinen der Frau, hinleitet, wieder zurück zum Erzähler führt und über sein ausgestelltes rechtes Bein zum rechten Feld geht, um schließlich über den am Boden liegenden Ast oder flach wachsenden Baum wieder im 172 A Book of Verse, S. 15–16 ; publiziert in »Poems by the Way«, unter dem Titel »Error and Loss«, CW IX, S. 108. 173 So fügte Murray in die Herbstlandschaft, die in ihrer Trostlosigkeit die »sorrow of my mood« und »grieve« widerspiegelt, die herbstlichen »misty hills« und den »silent wood« des ersten Verses sowie das »leaf strewn grass« des zweiten ein, A Book of Verse, S. 15. Auch in der Figurenhaltung orientierte sich Murray an der literarischen Vorlage : So folgt die Frau des linken Kompartiments der Beschreibung : »Then stood and gazed upon me pityfully / With grief worn eyes«, ebd. 174 Zur Selbstbezogenheit des Erzählers : ebd., S. 15 Vers I, Zeile 1–2 ; S. 16, Vers V, Zeile 6–7. 175 Ebd., S. 15.
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»A Book of Verse« – Das Problem der »Illustration«
Abb. 17 William Morris, Charles Fairfax Murray, A Book of Verse, »Missing«, 1870, Victoria and Albert Museum, London, NAL, MSL 131–1953, S. 16–17. © Victoria and Albert Museum, London.
mittleren Bildfeld zu enden. Die rotgekleidete Figur des rechten Bildfeldes kann bei einer Vernachlässigung der traditionellen Leserichtung und von Morris’ Angaben zur Handlungszeit auch doppelt besetzt werden : Sie kann sowohl die wieder in den Wald hineintretende Frau meinen als auch den sie suchenden Mann. Die Vagheit dieses Bildstreifens wird noch durch die winzige, nur als dunkle Silhouette erkennbare Figur verstärkt, die sich im mittleren Bildfeld unterhalb der beiden Bäume im Tal des Hintergrundes befindet. In ihr könnte am ehesten der Suchende vermutet werden. Wenn das Angebot zur mehrfachen Lesbarkeit des Bildstreifens als intendiert zu bewerten ist, so ist von einer Parallelität von Lesen und Betrachten auszugehen : Bild und Text werden als einander begleitende und ergänzende Erzähleinheiten aufgefasst, wobei zum einen die Kontinuität der Handlung, zum anderen die Schilderung der Gefühle der Protagonisten im Vordergrund stehen. Basierend auf der Deutung der rechten, rotgekleideten Figur als Suchende, ist anzunehmen, dass Murray durch die Situierung der Figuren innerhalb der drei Kompartimente die Aussage und Stimmung des Gedichtes unterstreicht. Die Frau links ist, noch auf eine positive Antwort über den Verbleib des von ihr gesuchten Geliebten hoffend, nahe an den kauernden Mann des folgenden Bildfeldes gerückt. Die Verbindung der beiden Figuren wird dadurch betont, dass beide von den kahlen Bäumen des Waldes hinterfangen werden, während die Bäume an der Rahmenleiste, die das mittlere vom 165
William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
rechten Feld teilt, trennend gegenläufig geneigt sind. Die Verzweiflung über die negative Information wird durch das Trennungselement unterstrichen. So scheidet zusätzlich ein schräg angeordneter, flach über den Boden wachsender Baum den Sitzenden von der sich entfernenden Gestalt. Dieser Baum fungiert als Gegenstück zu dem in den Miniaturstreifen hineinführenden, im Vordergrund des linken Bildfeldes auf dem Boden liegenden Ast, der auf die Stehende hinleitet. Ein Baumstumpf und ein schlanker Baum setzen am rechten Ende des Bildstreifens einen Schlussakzent. Die kahlen Bäume und die braungefärbten Büsche trennen den Erzähler und die Liebende von dem sonnenerhellten Tal des Hintergrunds ab. Die Figuren wirken durch ihren Schmerz in dem schattigen Bereich des Waldes gefangen. Dieser Kontrast zwischen den dunklen Wäldern des Vorder- und Mittelgrunds und dem helleren Landschaftsausblick mit einem Wiesental, das von einem bläulichen, sonnenbeschienenen Bergzug begrenzt wird, betont die hoffnungslose Stimmung des Gedichtes. Das Motiv der Vegetation, die eine Art von Käfig um die Figuren bildet, mag Murray von Burne-Jones übernommen haben, in dessen Werk dieses Motiv häufiger verwendet wird.176 Es lassen sich auch gewisse Entsprechungen in den Haltungsmotiven zu Figuren in Entwürfen von Burne-Jones und Morris aufzeigen.177 Gewisse Parallelen in der Haltung der sitzenden Figur und der sehnsuchtsvoll gedehnten Körperhaltung der Stehenden lassen sich auch zu einem Blatt in einer Sammlung von Murray zugeschriebenen Zeichnungen in den Huntington Art Collections ausmachen, die um 1867 datiert werden (HAC, Inv.-Nr. 70.132.1, 12). Studien, die sich mit diesen beiden Figuren verbinden lassen,
176 Z. B. Edward Burne-Jones’ »Briar-Rose«-Zyklus (1874–1890, Buscot Park, Oxfordshire ; 1871–1873 für William Graham, Museo de Arte de Ponce, Puerto Rico), »The Beguiling of Merlin« (Öl auf Lwd., 1870– 1874, Lady Lever Art Gallery, Port Sunlight) oder »Love among the Ruins« (1870–1873, Privatsammlung). 177 Die Haltung der linken Frauenfigur mit den zum Gesicht erhobenen Händen ähnelt derjenigen der Ariadne und Kleopatra in Burne-Jones’ Entwürfen aus dem Kontext der »The Legend of Good Women«Projekte (Kleopatra und Dido-Fenster, 1864, V&A ; Karton für das Ariadne- und Lucretia-Fenster, um 1864, BMAG, Sewter 1974, Abb. 199, 200) sowie Figuren aus seinen Illustrationsentwürfen zu »The Story of Cupid and Psyche« für das »The Earthly Paradise«-Projekt (»The Procession to the Unknown Monster«, »The Earthly Paradise«, Wandfeld im BMAG, Illustrationsentwurf von ca. 1865, AMO). Die zusammengekauerte Haltung des Mannes, die eventuell auch Motive von antiken Reliefs und Vasenmalereien aufgreift, erinnert wiederum an Burne-Jones’ Studien aus dem Zusammenhang seiner Gouache »The Lament« von 1866 (WMGW ; Studien, BMAG) oder der Klavierdekoration »Death and the Maidens« von ca. 1860, V&A (vgl. a. eine Zeichnung, ca. 1860, National Gallery of Victoria, Melbourne). Murrays Zeichnungen HAC, Inv.-Nr. 70.132.1 und 70.132.12 beide bezeichnet mit 67. Die rechts wieder in den Wald eintretende Figur, die zugleich auf die folgende Seite hinüberleitet, wiederholt eines der um 1865/1870 im Werke Burne-Jones’ sehr beliebten Haltungsmotive, das er auch in den Illustrationen zu »Cupid and Psyche« verwendete (»Psyche entering Hades«, um 1864/1865, Entwurf im AMO ; Holzstich, V&A, Inv.-Nr. E. 546–1921). Es geht auf Andrea Mantegnas in Stichen überlieferte Darstellung von Christus, der in die Vorhölle herabsteigt (1460/1470), zurück, Nachstiche nach Mantegna : Bartsch 25 1980, Nr. 5 (230). Vgl. aber auch Morris’ Zeichnung einer weinenden Frau in Rückenansicht, um 1861, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.16.
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»A Book of Verse« – Das Problem der »Illustration«
Abb. 18 Charles Fairfax Murray, Entwurf für »Missing« für »A Book of Verse«, Skizzenbuch, 1868– 1870, The Morgan Library & Museum, New York, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 30r. Purchased as the gift of the Fellows. Photo © The Pierpont Morgan Library, New York.
finden sich zudem in einem Konvolut seiner Zeichnungen im Princeton University Art Museum.178 In Murrays Skizzenbuch in New York (PML, Inv.-Nr. 1963.8., fol. 30r ; Abb. 18) hat sich eine weitere Zeichnung erhalten, die weitgehend der Miniatur entspricht. Die Felder werden jeweils durch die Farbangaben »red«, »grey blue« und »purple & yellow« begleitet, so dass hier entweder drei verschiedene Figuren mit entsprechend gefärbter Kleidung oder drei unterschiedliche Tageszeiten gemeint sind. Diese Angaben regen an, auch in den drei Figuren des Miniaturstreifens die drei Protagonisten zu sehen : die Suchende, den Klagenden und den Geliebten der suchenden Frau. Allerdings scheint die hockende Figur des mittleren Felds in Murrays Entwurf einen Haarknoten zu tragen, was wiederum nahelegt, in allen drei Figuren die Suchende zu sehen. Der Leser wird dann in die Position des Erzählers versetzt, der die suchende Frau herankommen, ihr Schicksal beklagen und schließlich in den Wald hineingehen sieht. Ein Fluss leitet in der Zeichnung den Betrachter durch den dreiteiligen Bildstreifen. Die Darstellung auf fol. 178 Vgl. für die hockende Figur : PUAM, Inv.-Nr. x1948–1424 ; vgl. für die Frauenfigur des linken Felds, wenn auch seitenverkehrt : PUAM, Inv.-Nr. x1948–1471, x1948–1488.
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31r des Skizzenbuches entspricht in der Positionierung der Figuren im Bildraum bereits der Miniatur. Die beiden Zeichnungen im New Yorker Skizzenbuch verdeutlichen Murrays Intention, die Trennung der Figuren durch das Mittel von Nähe und Ferne, von Hell und Dunkel herauszuarbeiten. Für die Illustrationsform von in Streifenform angeordneten, in sich abgeschlossenen Einzelbildern, die verschiedenen zeitlichen Ebenen eines Handlungsstranges angehören, könnte sich Murray auf Rossetti bezogen haben, der diese Form der visuellen Erzählung in seinen Darstellungen von Paolo und Francesca (1855, TGL) bzw. den Begegnungen von Dante und Beatrice verwendete.179 Dabei ist für Rossettis Gliederung jeweils charakteristisch, dass zwei Szenen mit den Hauptakteuren durch ein schmaleres Feld getrennt werden, das unbeteiligte, außerhalb der eigentlichen Geschichte stehende Figuren zeigt, so dass die Trennung, aber auch die inhaltliche Spiegelung unterstrichen wird. Wenn die mittlere Bildfigur von Murrays Bildstreifen als der Erzähler zu deuten wäre, läge eine weitere Parallele vor. Die Gleichzeitigkeit von räumlichem Nebeneinander und zeitlichem Nacheinander ist auch ein Moment, das Burne-Jones’ illustrative Friesdekorationen mit Szenen aus der Geschichte von Amor und Psyche prägt, die seit 1872 für den Speisesaal von George Howard, 9. Earl of Carlisle, in 1 Palace Green, London, entstanden und die auf seine Entwürfe für Holzstiche zu Morris’ Fassung der Geschichte in der von diesem geplanten Edition des »The Earthly Paradise« von 1865 zurückgehen.180 Da die Bilder dieser Friesdekorationen durch Zusammenziehen von Einzelszenen der Illustrationsentwürfe entstanden, unterscheiden sie sich von den anderen erzählenden Gemäldeserien Burne-Jones’ wie denjenigen zur St. Georgs-, Pygmalion- und Perseus-Geschichte (mit Ausnahme des ersten Feldes »Die Berufung des Perseus«, in dem zwei Momente der Handlung dargestellt sind), die als durch einen Handlungszusammenhang zu einem mehrteiligen, chronologisch arrangierten Zyklus verbundene Einzelbilder zu charakterisieren sind. BurneJones bediente sich in den Amor und Psyche-Bildfeldern verschiedener Illustrationsansätze : Neben Einzelszenen vereinte er auch zwei Szenen in einem Bildfeld, wobei als Momente der räumlichen und damit immer zeitlichen Trennung zum einen Motive des Bildraumes fungierten, die zwei auf einer Bildebene nebeneinander angeordnete Szenen 179 Vgl. National Gallery of Canada, Ontario, und TGL, Surtees 1971 I, S. 36–38, Nr. 75, und S. 70–74, Nr. 116–117. 180 Die Wandfelder, bis 1881 durch Walter Crane vollendet, in den BMAG, Inv.-Nr. 187’22–198’22. Die BMAG besitzt auch eine Serie von elf Entwürfen in Aquarell und Gouache zu den Friesdekorationen, Inv.-Nr. 199’22–209’22. Weiterhin haben sich 86 Entwürfe für Illustrationen zur Amor und Psyche-Geschichte des »The Earthly Paradise« und 47 Zeichnungen zu den Illustrationen (AMO) sowie 45 Holzstich-Illustrationen (ein vollständiger Abdruck in der BMAG, Inv.-Nr. 155’13–198’13) erhalten ; Birmingham 1930, S. 32– 36 ; Birmingham 1939, S. 76–87. Weiterführende Literatur : Bill Waters, Painter and Patron : The Palace Green Murals, Apollo 102, November 1975, S. 338–341 ; Wildman/Christian 1998, S. 118–128 ; Katharina Wippermann, Der »Amor und Psyche«-Zyklus für Palace Green 1, in : Conrad/Zettel 2009, S. 85–95.
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»A Book of Verse« – Das Problem der »Illustration«
Abb. 19 William Morris, Charles Fairfax Murray, A Book of Verse, »The Lapse of the Year«, 1870, Victoria and Albert Museum, London, NAL, MSL 131–1953, S. 40–41. © Victoria and Albert Museum, London.
voneinander scheiden, zum anderen verteilte er die Szenen auf unterschiedliche Bildebenen, so dass sich die zeitlich frühere Szene im Bildhintergrund und die zeitlich jüngere dagegen im Bildvordergrund befinden. »The Lapse of the Year«
Bei dem Gedicht »The Lapse of the Year« (S. 40 ; Abb. 19) fügte Murray additiv eine Folge von thematisch zusammengehörigen Einzelbildern zu einem den Text abschließenden Bildstreifen aneinander.181 Eine Entsprechung zwischen dem Aufbau des Gedichtes und dem des Miniaturstreifens lässt sich dahingehend feststellen, dass analog zu dem übereinstimmenden Versaufbau die Einzelfelder eine gleichartige Komposition aus einer statuarischen Personifikation der Jahreszeit in einem farblich ihrer Jahreszeit entsprechenden Gewand und passenden Attributen vor einer Landschaft zeigen. Ein181 A Book of Verse, S. 40 ; publiziert in »Poems by the Way« unter der Bezeichnung »Verses for Pictures«, CW IX, S. 189, das Gedicht zum Winter abweichend. Die Verse »Night« und »Day«, die den Jahreszeiten-Versen vorangehen bzw. diese abschließen, fehlen in »A Book of Verse«. Die Version der Jahreszeiten-Gedichte in »A Book of Verse« wurde in »The Academy« vom 1.2.1871 veröffentlicht, May Morris, in : CW IX, S. xxxvii.
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zige Ausnahme bildet die bewegtere Darstellung des Winters, die auch nicht auf Morris, sondern auf Murray zurückgeht, denn ähnlich wie im Falle der Titelseite stammen, wie aus dem Kolophon und einem Brief Morris’ an Murray von ca. Juni 1870 hervorgeht, die Vorlagen für die Figuren – wenn auch z. T. einem thematisch anderen Zusammenhang zugeordnet – von Morris : I have got the writing all ready for you, & have looked out the cartoons of seasons : but don’t know anything about the Spring baring her breast ; it must have been some other drawing, but would suit my verses very well, so Ill [sic !] find it : will you come over here soon & when, to talk about these other illuminations, I should be so glad to get them done this month if possible.182
Der Brief scheint darauf hinzuweisen, dass sich Murray selbst an den Entwurf erinnerte und sich an Morris wandte, um dessen Zustimmung, die Zeichnung als Vorbild zu verwenden, einzuholen und gleichzeitig die Übersendung der Vorlage zu veranlassen. Der Brief macht auch deutlich, dass Morris mit Murray die Gestaltung der Miniaturen besprach, so dass vermutlich die Grundidee für die Anlage der Miniaturen Morris und ihre zeichnerische Umsetzung Murray zuzuschreiben ist. Die Personifikation des Frühlings trägt ein grünes Gewand und hält in der gesenkten Rechten einen Blattzweig, während die Linke das Kleid von der Schulter herabzieht und die linke Brust entblößt, worin vielleicht ein Verweis auf die Zeilen »too soft of heart« zu sehen ist.183 Sie steht auf einer Blumenwiese vor einer mit blühenden Ranken bewachsenen Ziegelmauer, hinter der das Meer, die aufgehende Sonne und, sie links und rechts rahmend, knospende Bäume sichtbar sind. Der von einer bewachsenen Mauer eingefasste Garten greift das von Burne-Jones und Rossetti gerne verwendete Motiv des »Hortus conclusus« auf. Rechts in dem ummauerten Garten ist eine steinerne Sitzbank eingefügt, auf der ein kleines Buch liegt. Sie schließt ungefähr auf Höhe der obersten Stufe der Treppe ab, die links in den Garten des zweiten Bildfeldes hineinführt, in dem die Personifikation des Sommers, in ein weißes, leicht durchscheinendes Gewand mit Rose im Taillenbund gekleidet, steht. Weitere, die Bildfelder verbindende Entsprechungen lassen sich aufzeigen : Der Mauerabschluss im »Frühling« und der Ansatz des Treppengeländers im »Sommer«, die Armlehne der Sitzbank und der obere Rand des Wandbrunnens befinden sich ungefähr auf einer Höhe. Der Wandbrunnen am linken Rand des Sommerbildes steht in einem länglichen Wasserbecken, ebenso wie die Sitzbank des Frühlingsfeldes auf einem gefliesten, den Rasen einfassenden Weg ansetzt. Die Personifikation des Sommers hält in der Rechten eine Lilie und in der ausgestreckten Linken eine goldgehöhte Sonne mit Flammenstrahlen.184 Sie hebt sich leuchtend von dem Grün 182 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 120b, S. 123. 183 A Book of Verse, S. 40, Vers I, Zeile 1. 184 Das Motiv der eine Sonne haltenden Personifikation des Sommers findet sich bei Cesare Ripa erwähnt,
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der dichten Laubkronen der Bäume am rechten Bildrand ab. Eine niedrige Rosenhecke trennt den Garten von der grünen Hintergrundlandschaft, die von einer Meeresküste und einem Bergzug abgeschlossen wird. Die Personifikation des Herbstes ist in ein orangefarbenes Gewand gekleidet, in dessen mit der Rechten hochgerafftem Rock sie Äpfel aufbewahrt. Die erhobene Linke umfasst eine Ähre. Sie steht in einer Landschaft mit Heugarben im Hintergrund, wobei das Feld von der Baumlandschaft des Vordergrunds durch einen Zaun abgetrennt wird. Im linken Hintergrund deutet Murray durch rötliche Dächer ein Dorf oder einen Bauernhof an. Ein schmaler Sandweg leitet, den Rahmen zum Sommerfeld auf Höhe des Heckenansatzes berührend, schräg durch das Herbstbild hindurch direkt zu den züngelnden Flammen des im linken Vordergrund des Winterfeldes dargestellten Feuers. Der Weg verbindet somit die drei Felder miteinander und führt den Betrachter in einem gleitenden Blickverlauf durch den Miniaturstreifen. Murray zeigt sich somit, wie in dem Bildstreifen zu »Missing«, bestrebt, die einzelnen Bildfelder durch das Wiederholen von Kompositionsmotiven oder das Weiterführen von Kompositionslinien miteinander zu verbinden. Wie auch in »Missing« verwendet er das Motiv der gegeneinander geneigten Bäume am Rand der Bildfelder, um trotz der verbindenden Elemente ihre Eigenständigkeit zu betonen. Die Personifikation des Winters ist in einen blauen Mantel gehüllt, den sie eng um sich zieht. Sie befindet sich in einem verschneiten Wald mit zwei Holzfällern und dem Feuer im linken Hinter- bzw. Vordergrund. Der schräg gestellte graue Stamm des linken und die Reihe von kurzen Baumstämmen des rechten Vordergrunds, die zugleich einen Abschlussakzent setzen und aus dem Bild hinausführen, heben in ihrem V-förmigen Arrangement die Personifikation hervor. Die Landschaftshintergründe der Miniaturen verbildlichen nicht nur die vier Jahreszeiten, sondern auch die vier Tageszeiten : Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend. Im Vergleich von Murrays Miniaturen mit Burne-Jones’ Gouachen mit Jahreszeiten-Personifikationen, die 1869–1870 für Frederick Leyland entstanden, fällt in Ersteren die größere Bedeutung der Landschaftshintergründe, in Letzteren eine subtilere Farbgebung und eine engere Verbindung durch florale Motive auf. Burne-Jones’ Frühling kennzeichnet sich durch den Farbklang Hellblau-Gold und einen blühenden Apfelbaum, der Sommer durch Grün-Weiß sowie früchtetragende Apfelbäume, Rosen und Vergiss-mein-nicht. Der Herbst ist in Rot mit wenig Blau gehalten ; die Äpfel sind nun reif. Der Winter schließlich trägt ein graues, pelzgefüttertes Gewand und steht vor einer hellbraunen Draperie, hinter der kahle Bäume aufragen. Sie wärmt sich, ein Buch lesend, an einem Feuer. Die vier Bildfelder werden nicht nur durch die Komposition mit stehender Figur vor einer Cesare Ripa, Iconologia, hrsg. von Piero Buscaroli, Nachdruck der Ausgabe Padua 1618, 2 Bde., Turin 1986, Bd. II, S. 185. Der begleitende Holzschnitt zeigt allerdings die von Ripa beschriebene Alternative der brennenden Fackel. Es ist ungewiss, ob Murray diese Vorlage kannte.
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Draperie, hinter der Bäume aufragen, zusammengehalten, sondern auch dadurch, dass Burne-Jones deutlich macht, dass es sich jeweils um einen ähnlichen Standort handelt. Zwar sind Marmorboden und die den Hintergrund abschottende Draperie jeweils unterschiedlich gefärbt, doch werden die Apfelbäume in den verschiedenen Stadien gezeigt und im Vordergrund befindet sich stets, die Personifikationen vom Betrachter trennend, ein schmaler Streifen Wasser.185 Die Farbigkeit unterstützt die Kontinuität der Bildfelder : Der dominierende Farbton der vorangehenden und folgenden Jahreszeit ist jeweils in die Farbigkeit des Bildfeldes eingeschlossen. So weist der Frühling im Goldton auf das mattere Beige des Winters zurück und in den weißen Blüten auf das weiße Gewand des Sommers voraus. Im Sommer greifen die Vergiss-mein-nicht das Hellblau des Frühlings auf, während die Rosen auf das Rot des Herbstfeldes einstimmen. An das intensive Grün des Sommers wird im Herbst durch die Farbigkeit der Blätter erinnert ; Seerosen greifen das Weiß des Sommer-Gewandes auf. Im Winterfeld schließlich wiederholt das rot eingebundene Buch mit den blauen Bändern die Farbkombination des Kleides des Herbstes. In einzelnen motivischen Details wie dem weißen durchscheinenden Kleid und der Rosenhecke des Sommers sowie dem Feuer im Winterfeld lassen sich Parallelen zwischen dem Miniaturstreifen und diesen Dekorationen Burne-Jones’ feststellen. Zwar besitzen die vier Felder des Miniaturstreifens in den statuarischen Haltungsmotiven der Figuren, in ihren Attributen, Gewandfarben und Hintergrundmotiven Parallelen zu dem Leyland-Zyklus sowie zu vier Kachelfeldern für den Kamin des Combination Room in Peterhouse College, Cambridge (um 1870), und zu Burne-Jones’ Serie von Monatspersonifikationen für die Wandvertäfelung des Green Dining Room, V&A (um 1866–1868), doch besagt der Kolophon des »A Book of Verse«, dass die Figuren des Frühlings, Sommers und Herbstes auf Zeichnungen von Morris zurückgehen.186 Tat185 Eventuell diente Burne-Jones als Anregung für die Komposition seiner Jahreszeiten-Bilder die Abbildung der hl. Agnes nach einem Gemälde von Lukas van Leyden bei Shaw 1843 II, Taf. 78. Die Heilige steht hier auf einem Steinboden hinter einem Grasstreifen mit Blumen und vor einer kostbaren Stoffbahn, oberhalb derer der Blick in eine Landschaft geboten ist. 186 Die Serie von Jahreszeiten-Gouachen (122,5 x 45 cm) ergänzt durch Personifikationen des Tages und der Nacht malte Burne-Jones für Leylands Speisesaal : »Day« und »Night« im Fogg Art Museum, Cambridge, Mass.; die Jahreszeiten : ehem. Piccadilly Gallery, London, und Michael Hasenclever, München. Zur Leyland-Serie : GBJ 1993 II, S. 9–10 ; Burne-Jones 1974, Nr. 15, o. S.; Burne-Jones 1975, Kat. Nr. 109– 112, S. 44–45. Weitere Entwürfe zu Jahreszeitenpersonifikationen : Burne-Jones 1971, Kat. Nr. 1 a-b, o. S.; Burne-Jones 1974, Nr. 7–8 (um 1864 datiert), o. S. Sewter stellte diese Entwürfe in Zusammenhang mit einem Jahreszeiten-Zyklus von Burne-Jones, der in »Della Robbia ware« hergestellt werden sollte, Sewter 1974, S. 95, Anm. 19, nach : Lisle 1907, S. 192. Zu den Peterhouse-Dekorationen : Myers/Myers 1996, S. 80, 97, Taf. 36a-d. Die Entwürfe für diese Kachelfeld-Personifikationen, die auch in Glasfenster übertragen wurden, werden sowohl Burne-Jones als auch Morris zugeschrieben, vgl. ebd., S. 80, und Sewter 1974, S. 63. Glasfenster von ca. 1867, BMAG, Sewter 1974, Abb. 271–274. Vielleicht ist davon auszugehen, dass für den Peterhouse-Zyklus sowohl Entwürfe von Burne-Jones als auch von Morris verwendet wurden, denn das Haltungsmotiv des Frühlings entspricht demjenigen des Leyland-Bildes, während andere Personifikatio-
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sächlich basiert die Personifikation des Frühlings, die Morris in seinem Brief erwähnte, auf seinem Entwurf zu einer mehrteiligen Dekoration, der vermutlich im Kontext des »The Legend of Good Women«-Projekts für das »Red House« entstand. Morris’ Zeichnung (V&A, Inv.-Nr. E. 2793–1927 ; Abb. 20) ist in vier Figurenfelder unterteilt, von denen jeweils zwei übereinander angeordnet sind.187 Die Personifikation des Frühlings in »A Book of Verse« wiederholt die Frauenfigur des linken oberen Feldes der Zeichnung, die mit der Linken ihre Brust entblößt und in der gesenkten Rechten einen Blütenzweig hält, um den sich eine gekrönte Schlange windet, weshalb diese Frau wohl als Kleopatra zu deuten ist.188 Die Fraunen dem Figurentypus ähneln, den Morris in seinen Zeichnungen für die Stickereien mit Frauenfiguren für das »Red House« verwendete. Kacheln und Gouachen stimmen darin überein, dass die Personifikationen jeweils auf einer sehr schmalen Vordergrundbühne vor einem herabhängenden Stoff stehen, hinter dem Abb. 20 William Morris, Entwurf für die Jahreszeiten, Baumkronen aufragen. Sind bei dem Leyland-Zyklus um 1863, Victoria and Albert Museum, London, Inv.die Behänge einfarbig und an einer Stange befestigt, Nr. E. 2793–1927. © Victoria and Albert Museum, so sind sie in der Kachelserie reich gemustert und London. an einer Steinmauer angebracht. Im Unterschied zur Leyland-Serie und den Miniaturen sind die Personifikationen der Kachelfelder nimbiert. Einige der »Green-Dining Room«-Entwürfe Burne-Jones’ wurden von Murray ausgeführt, der anschließend die Bildfelder noch überarbeitete, um eine einheitliche Wirkung zu erzielen, Vallance 1989, S. 82. Vgl. die Personifikation des Herbstes in »A Book of Verse« mit denjenigen des Frühlings und des Winters in den Glasfenstern nach Entwürfen von Morris, ca. 1867, BMAG, Sewter 1974, Abb. 271, 274. Diese Figur ähnelt auch Burne-Jones’ späterem Entwurf der »Pomona« für eine Tapisserie von 1884/1885, WAGM. 187 Morris’ Entwurf in Bleistift, Sepia und grüner Wasserfarbe, 340 x 250 mm. Der Figurentypus lässt eine Datierung um 1863 vermuten. 188 J. R. Holliday, aus dessen Sammlung der Entwurf stammt, berichtete May Morris in einem Brief vom 29.2.1920 von dieser Arbeit, BL, MS Add. 45347, fol. 164v. Dabei benennt er die oberen beiden Figuren als Kleopatra (oben links) und Lukretia (oben rechts, mit Schwert). In einem anderem Entwurf Morris’ in Bleistift, der die obere linke Frauenfigur wiederholt, wobei allerdings der Zweig durch einen Stab oder ein mit der Spitze nach oben weisendes Schwert ersetzt wird, ist sie in der oberen rechten Ecke in Bleistift als Lukretia benannt, V&A, Inv.-Nr. E. 2801–1927. Zwei verwandte Figurenstudien auch in HAC, Inv.-Nr. 2000.5.351 und 2000.5.307, dat. um 1870 bzw. zwischen 1857–1870, Parry 1996, Kat. Nr. G.16a, Abb. auf S. 104.
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Abb. 21 Charles Fairfax Murray, Entwurf für »Winter«, Princeton University Art Museum, Inv.-Nr. x1948– 1455. Bequest of Dan Fellows Platt, Class of 1895. Photo © The Trustees of Princeton University.
enfigur des unteren rechten Feldes, die ihr Gewand mit der Rechten rafft, während die Linke erhoben und ihr Blick nach rechts gewendet ist, besitzt Ähnlichkeit zu der Figur des Herbstes des »A Book of Verse«.189 Im Vergleich mit Morris’ Figuren erweisen sich jedoch die von Murray ausgeführten als schlanker und zierlicher. Murray selbst führte verschiedene Entwürfe für die Personifikationen der Jahreszeiten aus, die Parallelen zu den Miniaturen in »A Book of Verse« aufweisen. So zeigen mehrere Zeichnungen im Princeton University Art Museum eine Frau, die ihren Rock nun mit beiden Händen rafft statt mit einer wie im »Herbst«.190 Andere Zeichnungen Murrays in Princeton zeigen stehende Frauen, die mit der Rechten das Gewand raffen und in der gesenkten Linken einen Stab halten.191 Eine weitere Zeichnung bildet eine in wehende Gewänder gehüllte, an einem Feuer stehende Frau ähnlich wie im »Winter«-Feld des »A Book of Verse« ab (Abb. 21).192 Die zugehörigen Darstellungen Murrays für Frühling und Sommer lassen keine Parallelen zu den entsprechenden Jahreszeiten-Darstellungen der Handschrift erkennen, jedoch ähnelt die in einem Buch lesende Frau des Sommers – wenn
189 Vgl. Zeichnungen von Morris in der HAC, Inv.-Nr. 2000.5.308 (dat. 1857–1870), 2000.5.306 (dat. 1857–1870, seitenverkehrt zur Figur der Miniatur), 2000.5.17 (um 1863, mit üppigerem Rockfall in der Rechten, Fackel in der erhobenen Linken). Vgl. a. Inv.-Nr. 2005.5.390 (dat. 1864–1872, nach rechts gewendet, das Gewand mit beiden Händen raffend), 2005.5.360 (dat. um 1860–1870, die Rechte gesenkt, die Linke rafft den Rock des Gewands), 2005.5.389, benannt als Herbst (um 1862, nach links gewendet, beide Hände raffen den Rock). 190 PUAM, Inv.-Nr. x1948–1462, –1453. Siehe ebenfalls Inv.-Nr. x1948–1477 (allerdings stärker nach links gedreht), –1391 (die rechte Figur), –1520 (leicht nach links gewendet, den Kopf gesenkt). 191 PUAM, Inv.-Nr. x1848–1464 (dat. »7. 75«), –1465 (dat. »75+«). 192 PUAM, Inv.-Nr. x1948–1455. In Murrays Diary für 1874 und 1875 finden sich einige Einträge für dekorative Felder mit Darstellungen der Jahreszeiten für die Firmen »Morris« und »Collinson & Lock«, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.28, Einträge unter 27.11.1875, 2.12.1875, »cash account« mit den Daten 6.1., 8.1. und 21.6.1875 sowie im Memorandum für 1876.
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auch seitenverkehrt – derjenigen in der Miniatur zu »A Garden by the Sea« in »A Book of Verse« (S. 32).193 Die Vorgehensweise, die Jahreszeiten durch Figuren in entsprechenden Landschaften darzustellen, erinnert an die Monatsbilder in den Kalendarien flämischer und französischer Stundenbücher des 15. Jahrhunderts, wie sie sich Morris schon Anfang der 1860er Jahre in der British Library angesehen hatte.194 »Love Fulfilled«
In »A Book of Verse« lassen sich bei den Miniaturen nicht nur verschiedene Erzählweisen, sondern auch mehrere Arten des Bild-Text-Bezuges ausmachen. So sind Illustrationen mit direktem Textbezug von denjenigen zu unterscheiden, die eher indirekt und auf einer assoziativen Ebene durch die Gefühlshaltung mit dem Text verbunden zu sein scheinen, ohne diesen im eigentlichen Sinne zu illustrieren, sondern sich wohl auf andere literarische Vorlagen bzw. den weiteren Kontext, aus dem das jeweilige Gedicht entnommen ist, beziehen. Diese Verweise und Parallelisierungen unterstreichen den Gehalt und die Stimmung des Gedichttextes. So lassen sich bei zwei Miniaturen Bezüge zu Texten herstellen, die für den Kreis um Rossetti besonders wichtig und prägend waren – Dante Alighieris Schriften und die Bearbeitungen der Artus-Sage. Das komplexe Denken, das Malerei und Literatur in engen Bezug zueinandersetzt und sich ergänzen lässt, kennzeichnet die Schaffensweise der Präraffaeliten, besonders diejenige Rossettis, Burne-Jones’ und Morris’ : Literarische Stoffe wie die Geschichten von Dante und Beatrice, Tristan und Isolde oder Lancelot und Guenevere dienten diesen Künstlern u. a. auch zur Verarbeitung eigener Probleme und Seelenzustände. Dante Gabriel Rossetti, dessen Assistent Murray war und bei dem auch Burne-Jones gelernt hatte, führte eine Anzahl von Gouachen und Gemälden aus, für die er Motive von Dante übernahm.195 Rossetti, dessen Vater ein Dante-Forscher war, hatte bereits 1848, im Gründungsjahr der Präraffaeliten, Dantes »Vita Nuova« (publ. 1861) übersetzt.196 Auch Burne-Jones beschäftigte sich, wie ein Skizzenbuch bezeugt, in der ersten Hälfte der 1870er Jahre mit Dantes »Göttlicher Komödie«, fertigte er doch Skizzen nach Miniaturen in Dante-Handschriften der British Library an.197 193 PUAM, Inv.-Nr. x1948–1454, –1452. 194 BL, MS Add. 45305, fol. 6r–7v, 99v ; May Morris, in : CW IX, S. xviii. 195 Murray arbeitete im Januar 1867 und seit 1869/1870 für Rossetti, wobei das Kopieren von dessen Werken zu seinen Aufgaben zählte, Brief Murrays an Samuel Bancroft vom 6.9.1893, zit. in : Elzea 1980, Nr. 17, S. 32–33. 196 Cecil Grayson, Dante Gabriel Rossetti’s Translation of the Vita Nuova, in : Gizzi/Rossetti 2003, S. 65–71, hier S. 65. 197 Burne-Jones’ Skizzenbuch von ca. 1870–1875 (zur Datierung : Burne-Jones 1975, Kat. Nr. 344, S. 94), V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955, S. 66–70, 73–79 : Zeichnungen nach Kupferstichen von Baccio Baldini, die als Illustra-
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Motive aus der »Göttlichen Komödie« scheinen in der Miniatur zu »Love Fulfilled« (S. 12) verarbeitet. Diese zeigt drei sich in einer Landschaft gegenüberstehende Figuren. Der mit einem langen schwarzen Gewand und einer enganliegenden blauen Kappe bekleidete Mann auf der rechten Seite entspricht in seiner Kleidung dem Typus des Autorenporträts des Humanismus.198 Er presst mit der Rechten in einer Geste des Erstaunens oder des Erschreckens ein kleines rotes Buch an seine Brust. Sein in ein rotes, mit Flammen ornamentiertes Gewand gekleideter Begleiter, dessen Haupt von einer rötlichen Lichtaureole umgeben ist, hält in seiner Linken Pfeil und Bogen. Dieses lässt in der Figur Amor vermuten, der hier allerdings ohne Flügel dargestellt ist. Murray variierte die Figur auf Schranktürfeldern,199 sich an Vorbildern im Werke Rossettis wie »Beata Beatrix« (TGL, 1863–1870) orientierend, in dem Amor in ein rotes Gewand gekleidet mit Flammenkranz um den Kopf und einer Flamme auf der Hand erscheint.200 In der Miniatur tionen der Ausgabe der »Divina Commedia« (mit einem Kommentar von Christoforo Landino) von 1481 durch Niccolò di Lorenzo della Magna, Florenz, beigegeben waren, Bartsch 24 1980, Nr. 37 (175)–56 (187), und Kommentarband zu Bd. 24, hrsg. von Mark Zucker, New York 1993, S. 222–226. Burne-Jones besaß später, 1884, die Ausgabe mit Reproduktionen der inzwischen für die Berliner Sammlungen erworbenen Dante-Zeichnungen Botticellis. Er kritisierte zwar die Publikation, blieb aber begeistert von den Arbeiten Botticellis : »I think them perfectly glorious – every touch and thought is that Master at his best«, zit. nach : GBJ 1993 II, S. 147. Burne-Jones erwähnt in dem Londoner Skizzenbuch zwei Dante-Handschriften, die er in der British Library sah : »Dante in British Museum« und »another Dante« mit der Signatur 19.587 (BL, MS Add. 19587 : Neapel, ca. 1370), V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955, S. 66 (Skizzen bis S. 69) und 70. Bei der erstgenannten Handschrift dürfte es sich um BL, MS Egerton 943 handeln (Emilia oder Padua, 2. Viertel des 14. Jh.s). Zu den Dante-Handschriften : Peter Brieger, Millard Meiss, Charles S. Singleton, Illuminated Manuscripts of the Divine Comedy, 2 Bde., London 1969. 198 Zum Figurentypus vgl. Murrays Aquarell »The Writing on the Image«, dat. in die 1890er Jahre, Sotheby’s, London 16.6.1982, Los 299. 199 Vgl. die Darstellung Amors in der Murray zugeschriebenen Malerei auf dem Schrank von Collinson & Lock in der Sammlung des MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst in Wien (Inv.-Nr. H 420 5.817) sowie auf einem Türfeld von ca. 1871 (MMA, Inv.-Nr. 22.177.2), das ebenfalls von einem Kabinettschrank der Firma Collinson & Lock stammt (Entwurf von Thomas Collcutt). Ich danke Dr. Christian Witt-Dörring vom MAK für zusätzliche Informationen zu dem Schrank. Amor, dessen Haupt von einer Lichtaureole umgeben ist und der rote Flügel besitzt, trägt auch in der New Yorker Arbeit ein knöchellanges, weites, rotes Gewand, wenn auch die Ornamente fehlen und er in den Händen brennende Fackeln hält. Die Amor begleitenden Figuren auf den New Yorker Türfeldern entsprechen dem Programm des Wiener Schrankes. Ich danke dem Metropolitan Museum of Art für zusätzliche Informationen zu den Werken. Siehe für diese Art von Arbeiten auch Murrays Vermerke in seinem Diary von 1874, CFLP, Inv.-Nr. 1983. A. 27, Einträge am 13., 15., 19.3., 23.6.1874 zu Malereien auf Feldern mit Darstellungen von Amor (»Love«), Alcestis, Phyllis, Minerva, Diana, Venus, Finis, Juno. Zu einem »Triumph of Venus« für Lock : ebd., Einträge zum 13., 18., 20., 21.6.1874. Einträge zur Arbeit an dekorativen Feldern aus dem Themenkreis der antiken Göttinnen und der »Good Women« finden sich durchgehend in Murrays Kalenderbüchern von 1874–1877. 200 Vgl. Dante Gabriel Rossetti, Dantis Amor, 1860, TGL, und Dante’s Dream, um 1871, Walker Art Gallery, Liverpool.
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fassen sich beide Figuren an den Händen. Ein flacher Bach trennt sie von einer blonden Frau, die in ein blaues, mit Sonnenkreisen verziertes Kleid gehüllt ist und die ihnen ihre Arme in einer Geste entgegenstreckt, die als empfangend, anrufend oder bittend gedeutet werden kann.201 Die Figuren befinden sich vor kontrastierenden Landschaften : Steht die Frau in einer grünen Flusslandschaft mit blühender Wiese, Weidenkätzchen und einer aufgehenden Sonne, werden die Männer vor einer kargen, steinigen Felslandschaft mit dürren Bäumen positioniert, die als bildliche Umsetzung der Worte »Of a life forever blind / Uncontent and waste and wide« aufgefasst werden könnte (S. 11). Der rechte Teil der Landschaft ist dann als Spiegelung des Gemütszustands des Mannes zu erklären. Die Trennung der Figuren und ihrer unterschiedlichen Welten wird durch die Vertikale des hinter dem Mann aufragenden Felsblocks und die verschiedenartigen Gewänder der Figuren betont. Dabei ist die Frau durch die Sonnenmotivik ihres Gewands der gleichen überirdischen Sphäre zuzurechnen wie Amor. Kompositorisch bietet die Szene eine ähnliche Situation wie in der Miniatur zu »Two Sides of the River«, auf die noch einzugehen ist : Eine Berührung wäre von dem Standpunkt der Personen aus durchaus möglich, diese wird aber in der Miniatur durch das leichte Zurückweichen des Mannes verhindert, so dass trotz Nähe eine Distanz entsteht. Das Thema des Gedichtes bildet die Trennung der Liebenden, das Beklagen des Verlustes der Geliebten, wobei nicht sicher ist, ob es sich tatsächlich um einen Verlust oder nicht vielmehr um eine niemals gefundene Liebe handelt. Die Vision der Geliebten bewirkt einen gewissen Trost. Die dargestellte Szene selbst ließe sich am ehesten als Umsetzung der Worte des zweiten Verses auffassen : »Thou shalt wake, and think it sweet / That thy love is near and kind / Sweeter still for lips to meet ; / Sweetest, that thine heart doth hide / Longing all unsatisfied […]« (S. 11). Die Deutung der Frauenerscheinung als Vision oder Traum würde den unterschiedlichen Charakter der Landschaften erklären. Das Rot und Blau der Gewänder der Frau und Amors werden in den Kornblumen, Nelken und den Granatäpfeln – ein Symbol für Tod und Auferstehung – wiederholt, die sich in dem verbleibenden Raum des Schriftfeldes ranken. Mit Motiven aus Dantes »Göttlicher Komödie« ließen sich die grundlegende Konstellation von einer Frauenerscheinung, eines Dichters und Amors in kontrastierenden Landschaften, die Gestik von Ansprechen und Erschrecken vergleichen, doch kann sie, da sich keine vollständige Übereinstimmung zwischen dem Text Dantes und der Miniatur feststellen lässt, nicht mit absoluter Sicherheit als Illustration nach dessen Werk ge201 Vgl. mit einer Kompositionsskizze nach einer Dante-Miniatur der BL in einem Skizzenbuch von BurneJones, vermutlich um 1861, V&A, Inv.-Nr. E. 1–1955. S. 109. Die Verzierung des Gewands der Frau in »A Book of Verse« könnte sich auf die Schlusszeile der »Göttlichen Komödie« beziehen, auf der auch die Hintergrundgestaltung von »Dantis Amor«, 1860, TGL, basiert, Treuherz/Prettejohn/Becker 2003, Kat. Nr. 46, S. 160. Zur Vermischung von Elementen der »Vita Nuova« und der »Göttlichen Komödie« bei Rossetti : Maryan Wynn Ainsworth, Dante Gabriel Rossettis’ Dantis Amor, in : Journal of Pre-Raphaelite Studies 1, 1, November 1980, S. 69–78, hier S. 73–74.
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sehen werden.202 Es scheint sich eher um eine freie Umsetzung einer Vision Dantes von Beatrice zu handeln, wie sie dieser in der »Vita Nuova« schildert, oder eine Begegnung Dantes mit Beatrice, von der im 30. und 31. Gesang des Purgatorio der »Divina Commedia« berichtet wird.203 Da die Kleidung der Frau von derjenigen Beatrices abweicht, könnte in der Miniatur auch die Begegnung zwischen Dante und Matelda dargestellt sein, die im 28. Gesang beschrieben wird. Allerdings bestehen auch zu dieser Szene Abweichungen in Hinblick auf die beteiligten Figuren und die Landschaftsszenerie. Zudem finden sich im Gegensatz zu den Szenen mit Dante und Beatrice kaum Darstellungen seines Treffens mit Matelda im Werke der Künstler um Rossetti.204 Eine andere Arbeit Murrays gibt Anlass zu überlegen, ob er sich manchmal nicht auch gewisse Freiheiten in der Gestaltung der Textvorlage nahm : Es handelt sich um die Malerei auf dem Aufsatz eines Schrankes der Firma »Collinson & Lock« (MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien, Inv.-Nr. H 420 5.817 ; Entwurf : T. E. Collcutt, 1871).205 Murray zeigt einen Triumphzug mit einem von Löwen gezogenen Wagen, auf dem sich eine Frau mit einem zu ihren Füßen sitzenden jugendlichen Amor befindet, der seinen Bogen spannt. Der Wagen wird von Putten umgeben, die Schriftbänder halten ; ihm folgen angekettete Figuren. Der Zug stößt auf eine Gruppe heranstürmender Personen. Trennend und leicht in den Mittelgrund zurückgesetzt, befindet sich zwischen ihnen ein alter Sänger in Begleitung dreier Frauen. Es liegt nahe, die Darstellung als Triumph der Liebe, der Venus, über Dichter und Philosophen zu deuten. Allerdings stimmt die Ausgestaltung des Triumphzugs weder mit derjenigen Petrarcas, der »Hypnerotomachia Poliphili« von Francesco Colonna oder mit der von Dante im Purgatorio XXIX, 92–129, und XXX, 31–33, 64–81, geschilderten überein. Murray scheint vielmehr unter Zugrundelegung einzelner aus Petrarcas Triumph der Liebe entlehnter Elemente eine eigene Fassung des Zuges konzipiert zu haben, die für den zeitgenössischen Betrachter möglicherweise leichter zu lesen war. Die Schrankfelder wiederum zeigen jeweils ste202 A Book of Verse, S. 11–12 ; publiziert in »Poems by the Way«, CW IX, S. 139. 203 Die Auffassung von Amor als Feuergestalt findet sich in der »Vita Nuova« Gesang III, diejenige von Amor als Pilger an einem Fluss in Gesang IX, Gizzi/Rossetti 2003, S. 99, 105. In Gesang XXIV schildert Dante ein Treffen mit Amor und die Begegnung mit Giovanna, die auch Primavera genannt wird und die Beatrice begleitet, ebd., S. 133. 204 Vgl. Rossettis »Dante’s vision of Matilda gathering Flowers«, Gouache, 1855, Verbleib unbekannt, Surtees 1971 I, Nr. 72, S. 32 ; Zeichnungen im AMO und BMAG (aus der Sammlung Murrays), ebd., Nr. 72A, B. 205 Auf den Wiener Schrank könnten sich die Einträge »Triumph of Venus« und »8 panels of Goddesses« für »Lichtenstein« in einem Brief von Lock an Murray mit Rechnungsliste vom 12.9.1878 beziehen, die frühere Arbeiten miteinzuschließen scheint, JRLM, MS 1281, fol. 461. Zu den verschiedenen Fassungen des Schranks : Jonathan Meyer, Great Exhibitions : London – New York – Paris – Philadelphia 1851–1900, Woodbridge 2006, S. 211–212. Zwar zeigt der 1876 in Philadelphia präsentierte Schrank einen entsprechenden Triumph im Aufsatz, doch war er durch einen antikisierenden Charakter geprägt. So waren die Türfelder mit Frauenfiguren in antikisierenden Draperien sowie mit an der Antike orientierten Ornamenten bemalt.
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hende Frauen vor niedrigen Bäumen. Es handelt sich um Ariadne, Thisbe, Alcestis, Medea, Kleopatra und Phyllis, die durch Amor und Fama begleitet werden. Murray griff für die Frauen auf den Themenkreis der »Legend of Good Women« zurück, mit dem sich Morris und Burne-Jones in den frühen 1860er Jahren beschäftigt hatten. Die kleineren Schrankfelder zeigen die Morris’ frühe Kachel- und Initialentwürfe kennzeichnenden diagonal eingestellten Blatt- und Blütenzweige. Falls es sich in der Miniatur tatsächlich um eine Szene handeln sollte, die von Dantes Arbeiten angeregt wurde, könnte sie auf Grund der Gefühlshaltung des Textes, die derjenigen des Morris’schen Gedichtes ähnlich ist, in »A Book of Verse« eingefügt worden sein.206 Der literarische Querverweis mittels einer Illustration würde in diesem Falle die Stimmung aus Sehnen und Verlust in Morris’ Gedicht, die mit Dantes’ Sehnsucht nach Beatrice vergleichbar scheint, unterstreichen und die Unerreichbarkeit der Geliebten akzentuieren. Es würde sich damit um eine eher »assoziierende Illustration« handeln : Murray oder Morris hätte analog zur Schilderung des emotionalen Zustands im Gedicht ein literarisches Beispiel ausgewählt, um die Gefühlsschilderung an einer konkreteren Szene, als Morris’ Text sie vorgibt, darzustellen, wobei das Wissen und das Erkennen der Bezüge durch den Leser eine Voraussetzung bildet. Vor diesem Hintergrund wird das »Zielpublikum« des »A Book of Verse« relevant : Da es sich neben der Beschenkten selbst um den gemeinsamen Freundeskreis des Schenkenden und der Beschenkten handelte, die mit den Dichtungen von Morris und mit Überlegungen und Ideen der Künstler um Rossetti vertraut waren, konnte diese Art von assoziativen Gedankenmustern vorausgesetzt werden. Andere vorstellbare Quellen für die Miniatur wären Geoffrey Chaucers »The Legend of Good Women«, Texte von Giovanni Boccaccio, der als Vorbild Chaucers geschätzt wurde, oder eine Begegnung zwischen Petrarca und Laura, wobei weder Boccaccio noch Petrarca für Bilderfindungen des Rossetti-Kreises so bedeutend waren wie Dante. In Hinblick auf Chaucer ist festzuhalten, dass sich die Darstellung des Mannes nicht mit derjenigen des Dichters in den dekorativen Projekten von Morris und Burne-Jones aus der Zeit um 1863 deckt, die an Chaucers Porträt in Thomas Hoccleves »Regement of Princes« (BL, MS Royal 17 D. vi, fol. 93v) angelehnt ist und den Dichter mit einem schmalen Kinnbart zeigt.207 Zudem möchte die Darstellung der Frau zu keiner der aufgeführten »Heldinnen« passen. Jedoch könnte es sich möglicherweise um die Wiedergabe der Begegnung des Dichters mit Alcestis vom Beginn der »Legend of Good Women« handeln : 206 Vgl. in diesem Zusammenhang besonders die Zeilen »Hast thou longed through weary days / For the sight of one loved face, […] Since the sweet unhoped for best / Was a shadow and a breath – […]«, A Book of Verse, S. 11. 207 Zu Chaucer-Darstellungen im Werke Burne-Jones’ : »Chaucer in his Study«, 1863–1864, Ruskin Galleries, Bembridge School, Isle of Wight ; Glasfenster »Chaucer asleep«, 1864, V&A ; Entwurf in Bleistift »Chaucer sleeping«, um 1864, BMAG, Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 162, 163, 166, S. 202–206.
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Chaucer wird von Amor begleitet, der ihn für sein schlechtes Urteil über Frauen in früheren Dichtungen durch den Auftrag büßen lässt, von »Heiligen der Liebe« zu berichten. Vorstellbar wäre auch, dass sich diese Miniatur auf das auf der gegenüberliegenden Seite beginnende Gedicht »Rest from Seeking« aus »The Man who never Laughed again« bezieht, wobei dann zu bedenken bliebe, warum Morris und Murray nicht den auf S. 14 vorhandenen Freiraum zum Einfügen der Miniatur nutzten. In dem schwarzgekleideten Mann wäre der »weary seeker over land and sea« in Begleitung Amors auszumachen, der nach langer Suche endlich die »sweet full streams« gefunden hat.208 Die karge Landschaft, in der sich der Mann und Amor befinden, könnte die »parched lips« und das »hungry heart« bildlich übersetzen. Die Frau wiederum könnte als die Sprecherin identifiziert werden, die den Nahenden bittet : »Draw nigh, draw nigh beloved !«209 Das Fehlen von Merkmalen, die eine eindeutige Zuordnung der Miniatur erlauben, stattet sie mit einer Ambivalenz aus, die eine Fülle von Interpretationen erlaubt. Der Doppelbezug, die mehrfache Besetzung einer Illustration durch unterschiedliche Texte erscheint als ein ungewöhnliches Moment, das zugleich auf Deutungsansätze und die Herstellung von Bezügen innerhalb der Texte rückwirken mag. Diese Art der »offenen Illustration« ist durch das Mittel der »Uneindeutigkeit« charakterisiert, d. h. sie zeigt eine Szene, die durch unterschiedliche Texte mit einer jeweils spezifischen Bedeutung ausgefüllt werden kann. »Love and Death«
An Merlin und Nimue aus der Artus-Sage wiederum erinnert die Kombination eines älteren bärtigen Mannes und einer jungen Frau vor einem Weißdornbusch in dem runden Miniaturfeld zu »Love and Death« (S. 20 ; Abb. 22). Dieses Paar beschäftigte Burne-Jones besonders in den Jahren nach 1872.210 Als Hinweis auf die Zauberin Nimue mag auch das zu Füßen der Frau liegende aufgeschlagene Buch dienen, denn ein Buch mit Zaubersprüchen bildet ein sehr wichtiges Requisit für diese Sage. An die Merlin-Geschichte lassen weiterhin die zusammengekauerte Haltung des Mannes, mit der das breite, geöffnete Sitzmotiv der Frau kontrastiert, sowie der das Paar dicht umschließende Weißdornbusch denken. Der Refrain der Verse, »Kiss me, sweet ! for who knoweth / What thing cometh after death ?«, würde auf das Eingeschlossensein Merlins durch seine Liebe zu Nimue 208 A Book of Verse, S. 13. Zu Amor vgl. ebd.: »I think the sky calls living none but three / The God that looketh thence, and thee and me ; / And He made us, but we made Love to be«. 209 A Book of Verse, S. 13. 210 Zu Burne-Jones’ Fassungen der Merlin und Nimue-Geschichte : Bildfeld in der Oxford Union Debating Hall, 1857 ; »Merlin and Nimue«, Gouache, 1861, V&A ; »The Beguiling of Merlin«, Öl auf Lwd., 1872/ 1873–1877, Lady Lever Art Gallery, Port Sunlight ; Burne-Jones’ »XV. Witches’ Tree« in »The Flower Book«, BML, Inv.-Nr. 1909–5–12. Paul Thompson erkannte in dem Paar William Morris und seine Frau Jane, Thomson 1993, S. 150. Dieser Deutung widerspricht jedoch das blonde Haar der Frau.
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Abb. 22 William Morris, Charles Fairfax Murray, A Book of Verse, »Love and Death«, 1870, Victoria and Albert Museum, London, NAL, MSL 131–1953, S. 20–21. © Victoria and Albert Museum, London.
verweisen. Murray verbindet die Figuren dadurch, dass er die Haare der Frau über den Kopf des Mannes legt, während seine Linke auf ihrer Schulter ruht. Für den Mann wählte er dunkle Farben, Braun und Blau, während die junge Frau ein leuchtend orangerotes Gewand trägt. Blau und Rot werden in den Blüten der von dem Goldrahmen der Miniatur volutenartig ausschwingenden Zweige aufgegriffen. Es muss wohl offenbleiben, ob Murray eigenständig diese Szene entwickelte oder ob er auf Anregungen aus dem Zusammenhang von Burne-Jones’ »Merlin und Nimue«-Arbeiten zurückgriff. Die stets stehende Darstellung der Fee in Letzteren mag ebenso wie das für Burne-Jones unübliche Motiv der entblößten Brust darauf hinweisen, dass es sich um eine Bildidee Murrays handelt. Mit Kenntnis der Herkunft des Gedichtes »Love and Death« aus »Ogier The Dane«, Morris’ Fassung einer altfranzösischen Romanze, die in »The Earthly Paradise II« publiziert wurde, kann der ältere Mann der Miniatur auch als Ogier the Dane und die junge Frau als Feenkönigin Morgan le Fay identifiziert werden, die vor dem in der ersten Zeile des Gedichtes erwähnten Weißdornbusch gezeigt werden.211 Weißdornzweige füllen auch die Ränder von S. 19. Der greise Dänenkönig Ogier sollte gemäß eines Versprechens, das bei seiner Geburt gegeben wurde, bei der schönen Feenkönigin erwachen, um 211 A Book of Verse, S. 19–20 ; publiziert in »Ogier the Dane«, »The Earthly Paradise II« 1868, CW IV, S. 247– 248.
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mit ihr in dem paradiesartigen Garten Avallon zu leben. Später sollte er zu neuen Kräften kommen, um noch einmal in die Welt zurückzukehren. Die in der Miniatur dargestellte Szene bezieht sich allerdings nicht direkt auf das in »Ogier The Dane«, geschilderte szenische Umfeld des Gedichtes, sondern zeigt einen in der Geschichte an früherer Stelle beschriebenen Moment des Geschehens.212 Das in »A Book of Verse« wiederholte Gedicht erscheint in »The Earthly Paradise« als Gesang eines jungen Paares, dem Ogier lauscht, als er bereits wieder in die Welt zurückgekehrt ist. Dagegen zeigt die Miniatur wohl die Szene, in der der alte Dänenkönig, nachdem er auf der idyllischen Insel angelangt war und sich unter einem Weißdornbusch niedergelassen hatte, im Halbschlaf die Fee erblickt.213 Die Anordnung und Darstellung der Figuren in der Miniatur basiert jedoch wiederum auf den Wünschen, die die Fee an der Wiege des Kindes spricht.214 Dabei erscheinen einzelne Motive des in »Ogier The Dane« als Wechselgesang angelegten und in »A Book of Verse« wiederholten Gedichtes auch in der Ogier-Geschichte selbst : Beide nennen Weißdornbüsche und eine Geliebte mit Kranz im blonden Haar ; Liebe, Tod und Verlust prägen jeweils den Inhalt. Ist in dem Gedicht melancholisch die Gewißheit der Vergänglichkeit thematisiert, so erscheint in der Geschichte der Paradiesgarten Avallon, der Ort immerwährender Liebe und kontinuierlichen Lebens, als utopisches Gegenstück. Im Bewusstsein von Tod und Vergänglichkeit ruft der Dichter auf, die Liebe im Heute zu genießen. Die Illustration ist nur mit Kenntnis des narrativen Kontexts, dem das Gedicht entnommen ist, stimmig zu entschlüsseln und bleibt ohne diese Informationen – abgesehen von einigen motivischen Verbindungen – etwas rätselhaft. Ausgehend vom reinen Gedichttext, unabhängig von der zugehörigen Geschichte, ist die Miniatur mehrdeutig. Aufgrund des Altersunterschieds, der in Farbigkeit der Gewänder und im Haltungsmotiv der Figuren betont wird, könnte in der Szene auch eine Illustration des alten Mannes vermutet werden, der entsprechend Vers 4, Zeile 3–4, an seine Liebe denkt. Die Frau wäre dann als Vision aus seiner Erinnerung aufzufassen. Eine andere Möglichkeit, die den ursprünglichen Wechselgesang berücksichtigt und für die sich auch Faldet in seiner textimmanenten Deutung entscheidet, ohne allerdings auf den Altersunterschied einzugehen, wäre, dass das Paar vereinigt gezeigt ist, aber im Bewusstsein der Vergänglichkeit, für die ihm die Weißdornblüte, die Farbe Weiß und die Schönheit der Frau als Zeichen dienen. Das Paar vergewissert sich, dass es sich im Alter an diesen Moment seiner Liebe erinnern wird.215 Die Darstellungsweise der Frau bezieht Faldet auf den zweiten Vers des 212 Nach May Morris’ Angaben diente Morris die französische Romanze »Ogier le Danois« als Vorlage, die er in der Pariser Ausgabe von Nicolas Bonfons von 1583 besaß (WM 1898, Los 693 ; Bibliothekskataloge von ca. 1876, YCBA, fol. 7v, und von 1890/1891, Bridwell Lib., fol. 33, Nr. 420), vgl. CW III, S. xxi. 213 The Earthly Paradise II, CW IV, S. 225–231. 214 CW IV, S. 214. 215 Vgl. Faldet 1996, S. 70.
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Gedichtes.216 Weiterhin parallelisiert er, ohne die anderen floralen Seitenranddekorationen der Handschrift und die floralen Motive in Morris’ Stoff- und Tapetenentwürfen zu berücksichtigen, das Motiv des Überkreuzens mit dem engen Nebeneinander des Paares in der Miniatur.217 Einzelne Motive der Miniatur, die auf die Themen Alter, vertreten durch den Mann, und Liebe, versinnbildlicht durch die Frau, hindeuten, werden in dem folgenden Gedicht der Handschrift, »Guileful Love«, aufgegriffen, so dass sich Ansätze zu einer Doppelillustration finden lassen.218 Die Motive Schlaf und Vergänglichkeit werden in den Rosenranken und weißen Mohnblüten der Seitenränder (S. 21) wiederholt, wobei sich die Farbigkeit der floralen Motive harmonisch an die der gegenüberliegenden Seite anschließt. Es hat sich ein Blatt (PML, MA 4011, fol. 1) erhalten, das – wie in »A Book of Verse« – auf der Rectoseite den Text von »Guileful Love« (S. 21) und auf der Versoseite von »Summer Night« trägt.219 Die unvollendete Rectoseite dieses Blattes wurde von George Wardle mit nebeneinandergesetzten Streublumen auf Gras illuminiert, die an diejenigen der Seiten 1–10 in »A Book of Verse« anschließen.220 Der Ausschnittcharakter der »Wiesenansicht« wird durch Überschneidungen an Seitenrand und Textfeld angezeigt. Der Bezug zwischen Ornamentik und Text erfolgt auf allgemeinere Weise als in den ausgeführten Seiten : »Ah, better still and better all things grew, / As more the root and heart of Love I knew […] Where is the green earth now, where is the sun ?« (fol. 2r). Morris schrieb die Seite vermutlich neu, da er in beiden Gedichten Formulierungen veränderte und bei »Summer Night« zudem die Stellung einzelner Verse austauschte und noch Zeilen hinzufügte. Auf der Rückseite ist der unbeschriebene Bereich des Textfeldes mit vier in Bleistift skizzierten Zweigen gefüllt, wobei sich Obst- und Blattzweige abwechseln. Zwischen die beiden letzten Verse sind Blütenstiele eingezeichnet, die denjenigen der Vorderseite entsprechen. Murray führte in seinem Skizzenbuch eine Anzahl von Zeichnungen zur Ogier-Geschichte aus (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 54r, 59r–61r, 111r), ohne dass sich jedoch eine 216 Ebd. 217 Ebd. 218 A Book of Verse, S. 21 : »Love showed me Death, and said, Make no delay / Love showed me Change, and said, Joy ebbs away ; / Love showed me Eld amid regrets grown grey«. 219 Notiz S. C. Cockerells auf dem Vorsatz. PML, MA 4011, fol. 2r–2v, Papier, 280 × 210 mm, Seitenränder : oben 48, unten 67, innen 25, außen 61 mm, das Schriftfeld 165 × 120 mm, die Initialen nur in Bleistift eingetragen ; fol. 2v in Bleistift skizzierte Streublumen und alternierende Frucht- und Blattzweige ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 487, MoW 191 und 598, S. 533, 587. Diese Gedichte befinden sich in »A Book of Verse« auf S. 21 und 22. MA 4011 insg. 11 Blatt, Einband von Thomas Cobden-Sanderson 1899 für S. C. Cockerell, signiert und datiert 28.4.1899, als Geschenk von Jane Morris an Cockerell. Prov.: SCC 1956, Los 93 ; Major J. R. Abbey-Auktion, Sotheby’s, London, 1.12.1970, Los 2909 ; Sammlung Norbert Strouse, PML. 220 PML, MA 4011, fol. 2r, Beischrift von S. C : Cockerell : »The decoration of this page is by George Wardle«. Die Dekoration der Seite ist nicht vollendet. Einzelne Blüten sind unkoloriert, nur in Bleistift eingetragen, ebenso wie die Initiale und der sich anschließende Wortrest.
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dieser Arbeiten mit der Miniatur verbinden ließe.221 Drei der Szenen auf fol. 60r zeigen den am Brunnen schlafenden Ogier, der von der Feenkönigin und ihrer Hofdame gefunden wird.222 Vielleicht lassen sich auch Zeichnungen in Huntington als Vorstudien für diese Skizzen deuten. Sie zeigen ebenfalls Begegnungen eines Paares im Garten bei einem Brunnen, das Auffinden eines Schlafenden durch Frauen (HAC, Inv.-Nr. 70.132.11, 12).223 Die Miniatur zu »Love and Death« gehört zu denjenigen Illustrationen der Handschrift, die einen Moment abbilden, der aus dem außerhalb der eigentlichen Gedichthandlung bestehenden Kontext der Geschichte entnommen wurde. Diese Miniaturen sind ohne den weiteren Kontext, der in »A Book of Verse« nicht gegeben ist, schwer zu erschließen, der aber im Morris-Kreis bekannt gewesen sein dürfte. »Sundering Summer«
Ein entsprechendes Vorgehen bestimmt die Miniatur zu »Sundering Summer«. Dieses Gedicht von der Liebessehnsucht ist Morris’ Geschichte von Acontius und Cydippe aus »The Earthly Paradise« entnommen.224 Acontius singt es am Anfang der Geschichte, kurz nachdem er mit den anderen Seeleuten auf Delos gelandet ist. Die Miniatur (S. 42) ist in zwei Medaillons geteilt, wobei sich die räumliche Trennung des Mannes, Acontius, und der Frau, Cydippe, die durch die unterschiedlichen Hintergrundlandschaften – links der Ausblick von einem grünen Hügel auf einen Strand und eine Meeresküste, rechts dagegen in ein von Bergen eingefasstes grünes Tal – betont wird, beim Lesen des Gedichtes auch als eine zeitliche erweist : Das rechte Medaillon erscheint als eine Vision des Mannes, als Erinnerung an vergangene Tage.225 Die Darstellung Cy221 Auf fol. 54r neun Felder mit verschiedenen Szenen der Geschichte, darunter die Segnungen durch die Feen, Ogiers Wanderung an den Klippen und die Fahrt mit dem Boot ; fol. 59r »Ogier« : auf der oberen Zeichnung ein schlafender Mann an einem Brunnen liegend, ein Zug von Frauen, auf den unteren Zeichnungen ein Mann und eine Frau, die auf den Frauenzug hinschreiten, bzw. ein sich umarmendes Paar ; fol. 60r vier Studien »Ogier in the Queen’s Garden« (The Earthly Paradise II, CW IV, S. 242–243). 222 CW IV, S. 242. Es könnte auch ein früherer Moment der Geschichte wiedergegeben sein, als die Feenkönigin Ogier im Garten von Avallon am Brunnen findet (ebd., S. 225 ff.), aber die Ansicht des Schlosses im linken Bereich der Seite scheint eher auf die Verse CW IV, S. 241 zu deuten. Ein Entwurf, der ebenfalls eine Nähe zu dieser Szene aufweist, befindet sich in der Murrray zugeschriebenen und um 1867 datieren Sammlung von Zeichnungen in der HAC, Inv.-Nr. 70.132.98. Skizzen des Schlafenden im Garten, der durch einen Zaun von einer Baumlandschaft abgegrenzt wird, in PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 61r, im Inhaltsverzeichnis des Skizzenbuches als »Avalon« bezeichnet. Auf fol. 111r finden sich Zeichnungen zu »The Waking of Ogier«. 223 Möglicherweise lassen sich auch andere Skizzen mit der Geschichte verbinden : HAC, Inv.-Nr. 70.132.5 (die Ammen und das Kind), 70.132. 6, 10 (der König). 224 A Book of Verse, S. 41–42 ; publiziert in »The Story of Acontius & Cydippe«, The Earthly Paradise III, CW V, S. 125–126. 225 Für die Szenerie des linken Medaillons scheint Murray vage Motive der Verse aufzugreifen : Es finden sich
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dippes, unter einem Busch auf einer Blumenwiese sitzend und einen Kranz haltend, folgt vage der in »The Earthly Paradise« geschilderten zweiten Begegnung des Paares, während das andere Medaillon vermutlich den über das Verschwinden der Geliebten bekümmerten Acontius zeigt, der sich klagend an den Augenblick ihres Zusammentreffens erinnert, aber dabei auch zugleich den letzten Vers des Gedichtes in »A Book of Verse« illustriert.226 Murray variiert mit dieser zweiteiligen Miniatur seine Idee der »doppelten Illustration«, um, wie in »Love and Death«, zugleich den Gedichttext selbst und eine dem weiteren Kontext des Gedichtes entnommene Szene zu illustrieren. »Meeting in Winter«
Bei direkt auf den Gedichttext bezogenen Miniaturen lassen sich in »A Book of Verse« hinsichtlich der Momentwahl unterschiedliche Ansätze finden : In der – ungewöhnlicherweise – im inneren Seitenrand platzierten Miniatur zu »Meeting in Winter« (S. 28) zeigt Murray ein sich umarmendes und an den Händen fassendes Paar vor einer Türöffnung, durch die man auf einen verschneiten, von grauen Gebäuden umstellten Hof schaut.227 Die Tür öffnet sich nach vorne hin, so dass sich der Betrachter in dem imaginären Innenraum befindet, den das Paar gerade betritt. In dieser Miniatur setzt Murray Motive des Textes um, der die Miniatur links und rechts unmittelbar begleitet, so dass in dem Bildfeld eine Variante der »Doppelillustration« vorliegt : Sie ist zum einen als allgemeiner gehaltene Illustration der direkt benachbarten Zeilen aufzufassen, zum anderen der »rustling tree«, »flowers, in vain ye bow a down« und »the forgetful sea«, A Book of Verse, S. 41, 42. Die Szenerie bezieht sich aber auch auf einen späteren Handlungsort der Geschichte, CW V, S. 137–138. 226 CW V, S. 129 : »Against a flowering thorn-bush fair, / Hidden by tulips to the knee / His heart’s desire his eyes did see. / Clad was she e’en as is the dove, / Who makes the summer sad with love ; / High-girded as one hastening / In swift search for some longed-for thing ; / Her hair drawn by a silken band / From her white neck, and in her hand / a myrtle-spray«. Zur Darstellung des Acontius : CW V, S. 131–132, 144. Murray wiederholte das Haltungsmotiv der Cydippe in der rechten Figur seiner Entwurfszeichnung für »The King’s Daughters« (Education Trust Ltd., Ruskin Galleries, Bembridge), dessen allerdings abweichende Ölversion um 1875 entstand (Dulwich Picture Gallery), Ruskin 1991, Kat. Nr. 96, Abb. auf S. 54. Das Sujet geht auf Rossettis Gedicht »My Father’s Close«, eine Übersetzung aus dem Altfranzösischen zurück, ebd., S. 54 ; Christian 1989, Kat. Nr. 42, S. 91. Entwurf mit drei Frauen zu Rossettis »The King’s Daughters« in Murrays Skizzenbuch, PML, Inv. Nr 1963.8, fol. 94r. Vgl. auch die der Dulwicher Version entsprechende Skizze in Murrays Diary von 1878 mit Farbangaben zur Kleidung, Murrays Diary für 1878, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 30, Eintrag zum 26.12.1878. 227 A Book of Verse, S. 28–30 ; publiziert in »Poems by the Way«, CW IX, S. 133–134, vgl. dazu May Morris, in : ebd., S. xxxv. Eine Anzahl von Studien Burne-Jones’ von sich umfassenden Paaren, allerdings undatiert, sind aus der Sammlung Murrays erhalten, BMAG, Inv.-Nr. 2’04–4’04 und 480’27. Zur Haltung des Paares vgl. a. die Skizze in Murrays Diary von 1878 zum 30. August, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 30. Ursprünglich Teil der »The Story of Orpheus and Eurydike« des »The Earthly Paradise«, Goodwin 1996, S. 399.
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als diejenige eines konkreten zweiten Moments des Gedichtes – die Ankunft des Paares im Gasthaus, von der auf der gegenüberliegenden Seite berichtet wird.228 Es handelt sich bei dieser Miniatur nicht nur um eine der wenigen, die einen bestimm ten im Gedichttext erwähnten Moment visuell umsetzen, sondern auch um eine der seltenen optimistischeren Szenen, in der das Sehnen nacheinander und die Hoffnungslosigkeit überwunden zu sein scheint. Zwar können Einsamkeit und Winter durch die Liebe nicht aufgehoben, aber sie können gemildert werden. Murray und Morris zeigen ein Paar einsam in einer kalten, toten Welt, gegen die es sich durch die enge Umarmung, das Beisammensein schützt. Das Gedicht jedoch, in Form eines Gesanges, in dem Dinge vorgestellt und in einer ausführlichen Schilderung vorweggenommen werden, gilt nicht dem vollzogenen, sondern dem erhofften Wiederbeisammensein der Liebenden in einer von Trostlosigkeit und Kälte bestimmten Welt. Das Paar wird durch die Vertikalen des Türrahmens eingefasst, während die sich zur Bildmitte stufenweise absenkenden Dächer der den Hof abschließenden Häuser ihre aneinanderruhenden Köpfe einrahmen. Die Verbindung der Seiten wird durch das Ornament der Seitenränder unterstützt, das einander entsprechend gestaltet ist. Eine ähnliche Zusammenstellung von einem bärtigen Mann und einer Frau, die sich eng umschlingen, variierte Murray in mehreren Studien in seinem Skizzenbuch (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 7r–11r). Sie sind durch Murray auf fol. 8v mit dem 9.4.1869 datiert und auf fol. 7r mit der Überschrift »A Dream from W. Morris Prose Story« bezeichnet.229 Diese Zeichnung ist durch die Haltung der Frau, die mit zurückgelegtem Kopf zu dem Mann aufblickt, während vier weitere Männer, die sich in der rechten Bildhälfte befinden, zu ihnen hinüberschauen, allerdings dramatischer gestaltet. Weitere Skizzen zu einem sich eng umarmenden Paar finden sich auf fol. 56v (mit 13.4.1871 datiert, die Skizze ausgeschnitten und aufgeklebt) und 57r. Sie stammen aus der Geschichte »The Doom of King Acrisius« aus dem ersten Band des »The Earthly Paradise«. Miniatur und Zeichnungen lassen vermuten, dass Murray Bildideen weiterentwickelte und variierte, die ursprünglich für einen anderen Zusammenhang entstanden waren oder durch einen anderen Text von Morris angeregt wurden.
228 Murray bezieht sich für seine Miniatur auf Vers 2, Zeile 5–6 und Vers 5, Zeile 1–10. A Book of Verse, S. 28 : »As we twain hand touching hand / Once again together stand« ; ebd., S. 29 : »They shall open and we shall see / The long street litten scantily / By the stream of light before / The guest halls half open door« ; ebd.: »Trembling shalt thou cling to me«. 229 Bei »A Dream« handelt es sich um eine der frühen Schriften von Morris’, die er noch während seiner Studienzeit in Oxford, 1854, verfaßte. CW I, S. 159–175. Die Zeichnung bezieht sich auf die Umarmung des Paares am Ende der Geschichte, ebd., S. 174.
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Abb. 23 William Morris, Charles Fairfax Murray, A Book of Verse, »A Garden by the Sea«, 1870, Victoria and Albert Museum, London, NAL, MSL 131–1953, S. 32–33. © Victoria and Albert Museum, London.
»A Garden by the Sea«
Ein sehr enger Bezug auf den Gedichttext erfolgt in der Miniatur zu »A Garden by the Sea« (S. 32 ; Abb. 23), die eine in einem Buch lesende, zwischen zwei Flüssen auf einem baumbewachsenen Wiesenstreifen schräg nach links vorne schreitende Frau zeigt.230 Wie in »Love fulfilled«, »The Lapse of the Year« und »Love and Death« findet auch hier das dargestellte Buch keine Erwähnung im Text.231 Vielleicht dient es in dieser Miniatur lediglich als Vorwand, die Figur in einer in sich selbst versunkenen Haltung darzustellen, die – wie auch die Bewegungsrichtung der Frau nach links und die perspektivische Anlage in leichter Aufsicht – den Aufbau einer Beziehung zum Betrachter verhindern und die unüberbrückbare Distanz des Erzählers zu der geliebten Frau unterstreichen soll.232 230 A Book of Verse, S. 31–32 ; publiziert in »Poems by the Way«, CW IX, S. 149, vgl. William Morris, The Life and Death of Jason, CW II, S. 69–70. »The Life and Death of Jason« war ursprünglich als Teil des »The Earthly Paradise« geplant, wurde dann aber getrennt im Januar 1867 publiziert. 231 Murray illustriert die Szene, die in Vers II, Zeile 5, beschrieben ist, A Book of Verse, S. 31 : »Her feet upon the green grass trod«. 232 Diese Miniatur ist die einzige der Handschrift, die von einem hochgelegenen Betrachterstandpunkt aus konzipiert ist. Die meisten anderen Bildfelder sind von einem frontalen Standpunkt aus in leichter Auf-
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Wird im letzten Vers des Gedichtes immer noch eine wenn auch schon resignierende Hoffnung spürbar, so wird diese durch die bildnerischen Mittel als unerfüllbar dargestellt. Das Buch könnte jedoch – wie es auch bei den zuvor erwähnten drei Miniaturen möglich ist – als Verweis auf das »A Book of Verse« selbst betrachtet werden. Seine Materialität wie sein Inhalt würden dann in sich selbst reflektiert werden, wodurch die Trennung zwischen realer und poetischer Welt tendenziell aufgehoben wäre.233 Die einfachste Erklärung für sein Erscheinen in dieser Miniatur scheint sich durch einen Vergleich mit der in einem Buch lesenden Frauenfigur in Burne-Jones’ Bild »Prinzessin Sabra« von 1865/1866 anzubieten, der Murrays Figur in Kleidung, Haltungsmotiv und den Rosen des Hintergrunds weitgehend entspricht.234 Burne-Jones’ Bild entstammt dem Zusammenhang seiner sieben Bildfelder umfassenden Serie zur St. Georgs-Legende, die er für Myles Birket Fosters Haus »The Hill« (Witley, Surrey) entwarf und an deren Beendigung Murray seit 1866 beteiligt war.235 Neben der Haltung der rechten Hand, die das Gewand rafft, und der Gehrichtung der Prinzessin, die bei Burne-Jones von links nach rechts hin schreitet, unterscheidet sich Murrays Miniatur im Betrachterstandpunkt, in der Erweiterung der Landschaftsszenerie, dem ersten bis dritten Vers des Gedichts folgend, durch Rosen und Lilien und dem Hintergrund mit Bergzügen und Meer,236 wobei sich das Motiv der dicht hinter einem Zaun aufragenden Blüten auch bei Burne-Jones findet. Morris schildert die Gartenwelt als eine seltsame Mischung zwischen Leben und Leblosigkeit, wobei dieses Moment in Murrays idyllischer Szenerie nur in den karg belaubten Bäumen auf dem Grasstreifen zwischen den Flüssen deutlich wird.237 Dieser Leblosigkeit entspricht auch das Motiv des »little garden-close«, des geschlossenen Gartens.238 Beide sicht komponiert. Murray scheint somit in dieser Miniatur bewusst die Perspektive als bedeutungshaltiges Mittel einzusetzen. Für McGann wird der Sprecher des Gedichts durch den Rahmen der Miniatur vom Betreten des Gartens abgehalten, McGann 1992, S. 68. 233 Vgl. zu einem ähnlichen Verfahren Morris’ in seiner Dichtung »The Earthly Paradise« bei Helsinger 2002, S. 220, 222. 234 Edward Burne-Jones, »Princess Sabra« oder »The King’s Daughter«, Öl auf Lwd., 1865–1866, Musée d’Orsay, Paris ; Zeichnung in Bleistift, 35,8 × 19,8 cm, BML, Inv.-Nr. 1954–5–8–9 ; Burne-Jones und Murray, »Princess Sabra«, Aquarell und Gouache, vermutlich zweite Hälfte der 1860er Jahre, Sotheby’s, London 11.11.1998, Los 17, S. 13 ; Bleistiftzeichnung, Sotheby’s, London 5.6.1996, Los 147, S. 96. 235 Burne-Jones arbeitete von ca. 1865 bis 1867 an den Bildfeldern, Burne-Jones 1975, Nr. 88, S. 41 ; Wildman/ Christian 1998, S. 101. 236 Vgl. mit einem Glasfensterentwurf Burne-Jones’ aus der Serie »The Song of Songs« für St. Helen’s, Darley Dale, Derbyshire, 1862, BMAG, Inv.-Nr. 176’00, Sewter 1974, Abb. 107. Zwar stimmt die Gehrichtung der Figur mit derjenigen in der Miniatur überein, doch unterscheidet sie sich in ihrer aufwendigeren Kleidung und darin, dass sie an Stelle des Buches eine Blume in der erhobenen Hand hält. 237 Dem üppigen Wachstum der Rosen und Lilien stellt Morris Leblosigkeit gegenüber : »And though within it no birds sing, / […] And though the apple boughs are bare / Of fruit and blossom«, »Dark hills whose heath bloom feeds no bee«, A Book of Verse, S. 31. 238 A Book of Verse, S. 31, Vers 1, Zeile 1.
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Abb. 24 Charles Fairfax Murray, Entwurf für »A Garden by the Sea« für »A Book of Verse«, Skizzenbuch, 1868–1870, The Morgan Library & Museum, New York, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 33r. Purchased as the gift of the Fellows. Photo © The Pierpont Morgan Library, New York.
Motive dienen Morris dazu, den als paradiesartig geschilderten Garten als ein lebensfernes Gefängnis zu zeigen. Der Zustand des Erzählers, der nur in der Erinnerung und im Herbeisehnen einer unerfüllbaren Zukunft existiert, wird wie der Garten als Mischung zwischen Tod und Leben definiert. Unklar bleibt, ob es sich bei der vom Erzähler beschriebenen Szene um eine Erinnerung an die Vergangenheit oder um eine Vision bzw. um die Vorstellung eines imaginären idealen Zustands handelt. Für McGann bildete der Garten, unterstützt durch einen Keats-Verweis im Gedicht selbst, einen Ort »of imagination and erotic desire«.239 Entwürfe und Skizzen für diese Miniatur, die auf der Versoseite des Blattes mit der Datierung 29.6.1870 versehen sind, haben sich in Murrays Skizzenbuch (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 33r ; Abb. 24) erhalten und lassen die Genese der Miniatur verfolgen : Die größere obere Zeichnung zeigt die Lesende im Profil nach links gewendet nahe am Betrachter, wodurch sie als seitenverkehrte Variation der bereits erwähnten »Prinzessin Sabra« erscheint, während die linke untere Zeichnung den oberen Entwurf variiert, wobei die Bäume anders verteilt sind, so dass die Figur mehr Freiraum erhält, und die mittlere 239 McGann 1992, S. 67.
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schon das Haltungsmotiv der Miniaturfassung aufweist.240 Der Gartenbereich ist noch kleiner gestaltet und die Bäume umstellen die Figur enger. Murray wiederholte die Szene dieser Miniatur in Öl auf Leinwand.241 Zeichnungen in Princeton wiederum zeigen Studien und Entwürfe mit einer nach rechts gehenden, lesenden Frau, die ihr Buch mit beiden Händen hält.242 Das Wiederholen dieses Haltungsmotives unterstreicht, dass es sich wohl trotz der Nähe zu Burne-Jones’ »Princess Sabra« um eine eigene Bildkonzeption Murrays bzw. um ein intensives, bewusstes Umarbeiten von Burne-Jones’ Vorlagen handelt. Mit der Miniatur liegt eine Illustration vor, die von den deskriptiven Partien des Gedichtes ausgeht und darauf aufbauend, dessen Aussage durch kompositorische Mittel umzusetzen versucht. Dieses Vorgehen könnte als eine »Zusammenfassung« oder als »Nacherzählung« mit visuellen Mitteln definiert werden. »The Two Sides of the River«
Ein ähnliches Vorgehen kennzeichnet Burne-Jones’ Miniatur auf Seite 1, die dem Gedicht »The Two Sides of the River« vorangestellt ist. Sie wird aus einzelnen Elementen des Gedichts konstruiert, woraus eine bildliche Darstellung entsteht, die in genau dieser Form auf der literarischen Ebene nicht vorliegt, sondern vielmehr als szenenfindende Addierung von Motiven der Textvorlage zu verstehen ist.243 Morris’ Gedicht in Form eines Wechselgesangs mit dem Thema der Trennung der Liebenden fehlt eine Handlung, stattdessen formuliert es Klagen und Hoffnungen, die in Resignation enden. Statt eine Vielzahl von Figuren darzustellen, wie es die Überschriften der Verse des Wechselgesanges andeuten, konzentriert sich Burne-Jones exemplarisch auf ein Paar, wobei Mann und Frau voneinander getrennt jeweils auf einer Seite eines Flusses in einer blaugrüntonigen, von einem Bergzug begrenzten Landschaft knien und die Arme nacheinander ausstrecken.244 Die Frau scheint sich mit der linken Hand an dem zierlichen Bäumchen 240 Bezeichnet mit : »1st designs for a garden by the sea by Morris«. 241 Charles Fairfax Murray, Female Figure in a Grove, Öl auf Lwd., 25 × 42,2 cm, o. D., Handley Read 1974, Kat. Nr. 53. Vielleicht lassen sich Einträge in Murrays Kalenderbüchern für 1874 und 1875 mit dieser Fassung verbinden : »Queen reading in garden«, Murrays Diary für 1874, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 27, Eintrag zum 10.4.1874, vgl. a. die Skizze zum 24.10.1874 (diese Figur allerdings mit Umhang über dem Kleid dargestellt und nach rechts gewendet) ; »Girl reading«, Murrays Diary für 1875, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 28, Eintrag zum 13.11.1875. 242 PUAM, Inv.-Nr. x1948–1481, –1482, –1454. Andere Zeichnungen einer nach rechts gewendeten Lesenden unterscheiden sich durch den reich drapierten Mantel, in den die Frau gehüllt ist : PAUM, Inv.-Nr. x1948–1510 (ausradierte Datierung ROMA 74 [ ?]), –1511, –1458. 243 A Book of Verse, S. 1–6 ; publiziert in »Poems by the Way«, CW IX, S. 135–138. Murray fertigte ungefähr gleichzeitig einen Entwurf nach Morris’ Gedicht an : »The Girls crossing the Stream«, Brief Murrays an Samuel Bancroft vom 27.7.1893, in : Elzea 1980, Nr. 14, S. 28. 244 Die Figurenkonstellation erinnert an Verkündigungsdarstellungen des Quattrocento. Burne-Jones, der
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am rechten Bildrand festzuhalten, um sich möglichst weit vorneigen und dem Geliebten nahekommen zu können. Burne-Jones verwendete für die Miniatur das von ihm bevorzugte niedrige, querrechteckige Bildformat, in das er die gesamte Bildhöhe einnehmende Figuren einfügte. Er beschränkte sich auf wenige Farbtöne, wobei Landschaft und Figuren durch einzelne Farbakzente, durch das Abschattieren und Nuancieren der Grundfarben Gelb, Rot und Blau miteinander verbunden werden. Dadurch entsteht eine lebendige, vibrierende Oberfläche, die durch den deckenden, gestrichelten Farbauftrag noch betont wird. Burne-Jones fasste die Miniatur mit einem breiten goldenen Rahmen ein, der sich von den schmalen Goldleisten der Miniaturen Murrays unterscheidet. Der für die Seite sehr mächtige Rahmen setzt zwar einen Anfangsakzent, trennt aber auch Bild und Text voneinander, zumal die zierlichen Streublumen der Rahmenleisten, die die Blumen im Vordergrund der Miniatur aufgreifen, kein Gegengewicht bilden können. Diese Rahmung betont den Eigenwert des Bildfeldes und stellt es als gleichwertige, unabhängige Erfindung dem Gedichttext gegenüber. Die Farbigkeit der Miniatur, das gelbliche Sonnenlicht245 und die Streublumen des Vordergrunds deuten zwar das Ende des Winters an, der die Trennung verursachte, doch bleibt Burne-Jones’ Miniatur durch eine gewisse Ambivalenz gekennzeichnet, die dem unsicheren Schicksal der Paare des Gedichts entspricht, denn, wie die Gestik des Sehnens andeutet, ist die Trennung der Liebenden nicht aufgehoben. Hierin setzte Burne-Jones die Verse Morris’ visuell um, in denen die Überwindung der Trennung immer wieder nahe scheint, nur um stets erneut ins Ungewisse herausgezögert zu werden. Dabei wird die gespannte Haltung der Frau nicht nur zu einem Sinnbild für die Intensität ihrer Liebe, 1859 und 1862 Italien bereist hatte, war gerade Anfang der 1860er Jahre in Zusammenhang mit Aufträgen für Glasfenster bei »Morris, Marshall, Faulkner & Co.« mit Verkündigungsdarstellungen beschäftigt. Er gestaltete dieses Sujet in Glasfenstern für St. Martin’s-on-the-Hill, Scarborough, Yorks. (1862), All Saints, Dedworth, Berks. (1863), All Saints, Coddington, Notts. (1865), St. Stephen’s Parish Church, Guernsey (1864/1865) und für die Church of the Annunciation, Brighton, Sussex (1866), die jedoch keine engere Verbindung zu der Miniatur aufweisen ; Sewter 1974, Abb. 69–70, 150, 220, 207, 257. 1862 hatte BurneJones die Gouache »The Annunciation, The Flower of God« gemalt (Privatbesitz), und um 1863 führte er Verkündigungsszenen für mehrere Altarbilder aus, darunter ein Triptychon für George und Edward Dalziel, Gouache, 1863 (Privatbesitz), und zwei Fassungen eines Triptychons für St. Paul’s Church, Brighton (beide 1861, die erste Fassung in der TGL, Inv.-Nr. N 04743). Weiterführende Literatur : Ronald Parkinson, Two Early Altar-Pieces by Burne-Jones, Apollo 102, November 1975, S. 320–323. Das Motiv von zwei knienden bzw. gebeugten Figuren, die durch Gestik und Körperhaltung aufeinander bezogen sind, variierte Burne-Jones vielfältig, und es prägt beispielsweise seine Versionen von »Cupid delivering Psyche«, das zunächst als Illustration für Morris’ Dichtung »The Story of Cupid and Psyche« für »The Earthly Paradise« um 1865 entstand : Entwurf in Bleistift, BMAG ; Zeichnung in Bleistift, AMO ; Probedrucke der von Morris in Holz gestochenen Illustrationen, SoA ; Gouachen von 1865–1867, Cecil Higgins Gallery, Borough of Hammersmith und Fulham Libraries, London ; Öl auf Lwd., ca. 1871, Sheffield Art Gallery. 245 May Morris beschrieb die Miniatur als »beautiful moonlight picture«, CW IX, S. xxxvi.
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sondern auch für die Stärke ihrer Hoffnung. Der Fluss dient Morris und Burne-Jones als Zeichen für die Entfernung und die in die Unendlichkeit weisende Trennung des Paares. Das Verharren von Burne-Jones’ Figuren, festgehalten und »eingefroren« in der Zeit, im Moment, bevor ihr Streben seine Erfüllung findet, weist Parallelen zu anderen Werken des Künstlers auf, wie zu seinem »Briar Rose«-Zyklus (Versionen : 1871–1873, Museo de Arte de Ponce, Puerto Rico ; 1874–1890, Buscot Park, Oxfordshire), in dem nicht der »klassische« Höhepunkt des Märchens, der Moment des Erwachens Dornröschens durch den Kuss des Prinzen, dargestellt wird, sondern der Zustand kurz zuvor, so dass die Szene in einem eigentümlichen zeitlichen Schwebezustand verbleibt, in dem noch alle Möglichkeiten offen sind. Der Wunsch scheint für Burne-Jones bedeutender als seine Erfüllung ; die Vorstellung von dem Zustand der Erfüllung kann niemals von der tatsächlichen Erfüllung übertroffen werden. Hierdurch verweist der Künstler auf die Unerfüllbarkeit der Wünsche an sich und auf die Furcht vor dem Ende eines Sehnens in der prosaischen Realität des alltäglichen Lebens. So scheinen sich Burne-Jones’ Figuren in ihrem Innehalten, ihrem Zögern noch einmal ihre Vorstellungen in Erinnerung zu rufen, bevor diese von der Realität, in die sie mit dem Moment der Wunscherfüllung transferiert werden, verdrängt werden. Morris’ dagegen formuliert in seinen Gedichten in »A Book of Verse« gerade die Unmöglichkeit der Wunscherfüllung und das resignative Akzeptieren dieses Faktums. Die Vereinigung der Liebenden bleibt in den meisten Gedichten nur eine Vision, ein Traum, dessen Unerreichbarkeit dem Erzähler bereits bei der Formulierung bewusst ist. Burne-Jones übersetzte den Titel, die Flussmetaphorik und die Stimmung des Gedichtes in eine Miniatur, ohne eine konkrete Szene zu illustrieren.246 Durch die selektive Art der Bildfindung mittels Übernahme einzelner Motive erschuf er ein visuelles Äquivalent zu den Worten. Es handelt sich somit um keine Illustration im »traditionellen Sinne«, die eine bestimmte vom Autor formulierte Begebenheit bildlich umsetzt, sondern um eine den Inhalt und Charakter des Gedichtes interpretierende, prägnante visuelle »Zusammenfassung«. »Hope Dieth, Love Liveth«
In der Miniatur zu »Hope Dieth, Love Liveth« (S. 25) arbeitet Murray mit den Personifikationen der Hoffnung und Liebe, die, in farblicher Entsprechung zu den Blumenranken der Seite, als rot und blau gekleidete, engelähnliche Wesen vor einem flammenden Wolkenhimmel erscheinen.247 Die in Blau gekleidete Hoffnung liegt herabgestürzt am Boden, während »Love« mit ausgebreiteten Armen, nach oben blickend, auf einer Wolke 246 Burne-Jones bezieht sich auf Formulierungen wie »Are not her hands stretched out to me ?« und »What rushing stream can keep us long alone«, A Book of Verse, S. 4 (Vers 14, Zeile 1) und S. 2 (Vers 6, Zeile 4). 247 A Book of Verse, S. 23–25 ; publiziert in »Poems by the Way«, 1891, CW IX, S. 106–107.
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vor gelben Flammen steht – selbst wenn die Hoffnung auf Erfüllung verloren ist, bleibt die Liebe bestehen.248 Figuren und Farbigkeit lassen an William Blakes graphische Arbeiten denken.249 Blake spielte eine wichtige Rolle im Kreis um Swinburne und Rossetti, der an Alexander Gilchrists Publikation »The Life of William Blake« von 1863 beteiligt war.250 Robert Schmutzler zeigte überzeugend auf, dass gerade Rossetti Motive, Kompositionsprinzipien wie Parallelismen und Reihung, Stilisierung und die Vorliebe für eine geschwungene Körperkontur von Blake übernahm.251 Er erwarb 1847 ein Skizzen- und Notizbuch Blakes und regte Swinburne zu seinem Blake-Essay von 1868 an.252 Rossettis Interesse an Blake basierte nicht nur auf einer ähnlichen Doppelbegabung als Maler und Dichter, auf dem geheimnisvoll-visionären Charakter von Blakes Arbeiten und dem daraus abzuleitenden Künstlerbild, der technischen Qualität seiner Malerei, die er in den eigenen Gouachen aufgriff, sondern auch auf der »love of the Gothic forms of beauty«, den »evidences of Gothic feeling«, die Rossetti zu einem Vergleich mit Arbeiten der von ihm hoch geschätzten Künstler Orcagna, Luca della Robbia und Giotto anregten.253 Marcia Werner betonte Rossettis Würdigung von Blakes »unison of natural study with ima248 Zur Darstellung von »Love«, S. 23 : »Strong are thine arms O Love, and strong / Thine heart to live and love and long«. 249 Vgl. z. B. mit Blakes »Albion Rose«, um 1793 (Druck 1794–1796), BML, oder mit »Jacob’s Dream«, um 1805, BML ; Blakes »Satan arousing the Rebel Angels«, 1808, V&A, ließe sich als Vorbild für die Kombination einer am Boden liegenden und einer die Arme emporhebenden Figur vor einem Hintergrund aus Wolken und Flammen anführen. MacCarthy 1994, S. 268, vergleicht den Gesamteffekt des »A Book of Verse« in der Mischung aus Buchstaben und Bildelementen, der »very secret and suggestive visual land scape«, dem »blurring of feeling and a layering of memory« nicht nur mit den Werken der französischen Symbolisten, sondern auch mit Blakes Arbeiten : »It has something of the graphic visionary intensity of Blake.« 250 Brief Rossettis an Mrs Alexander Gilchrist vom 13.9.1862, in : Doughty/Wall 1965 II, Nr. 445, S. 454–455. Vgl. auch die Einschätzung Blakes durch William Bell Scott als »genius«, dessen Arbeiten gekennzeichnet seien von »intellectual passion«, »intensity of expression«, »beauty of contour«, William Bell Scott, William Blake, Etchings from his works, London 1878, Introduction, S. (4). Diese Ausgabe befand sich in Morris’ Bibliothek, WM 1898, Los 192. Zu Dante Gabriel und William Michael Rossettis Anteil an der Gilchrist-Ausgabe : Anne Gilchrist, Preface to the First Edition, in : Gilchrist 1998, S. xiii-xv, hier S. xiv ; zur Rezeption Blakes im Rossetti-Kreis : Deborah Dorfman, Blake in the Nineteenth Century. His Reputation as a Poet from Gilchrist to Yeats, New Haven/London 1969, Kap. V-VI ; Lothar Hönnighausen, Aspekte des Blake-Verständnisses in der Ästhetik des 19. Jahrhunderts. Blake und die Präraphaeliten, Zeitschrift für Kunstgeschichte 33, 1970, S. 41–53 ; Pieper 1997 zu Rossetti und Gilchrist, siehe hier S. 139–170, zu Scotts ambivalenter Haltung gegenüber Blake S. 106–111. 251 Robert Schmutzler, Art Nouveau-Jugendstil, Stuttgart 1977 (1. Aufl. 1962), S. 45–50, hier S. 46, 50. 252 Algernon Charles Swinburne, William Blake. A Critical Essay, London 1868. Zur Wertschätzung Blakes durch Swinburne : Catherine W. Morley, Swinburne’s »Notes on the Royal Academy Exhibition, 1868«, in : Journal of Pre-Raphaelite Studies 2, 2, Mai 1982, S. 49–82, hier S. 52–53 ; Pieper 1997, S. 83–90. Zu Rossettis Blake-Mappe : David V. Erdman, The Notebook of William Blake. A photographic and typographic facsimile, Oxford 1977. 253 Rossetti in : Gilchrist 1998, S. 307, 308, 309. Zu den technischen Aspekten : ebd., S. 388–389, vgl. Pieper
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gination«, von seiner Verbindung von genauer Naturdarstellung, virtuoser Wiedergabe, »poetic feeling« und »social commentary«.254 Murray wiederum besaß spätestens 1910 einige der »illuminierten« Bücher Blakes.255 Morris selbst hatte ein wohl eher etwas ambivalentes Verhältnis zu Blake, denn wenn er seine Arbeiten auch als geprägt von einem »real and strange genius for the decorative or beautiful side of art«, von einem Verständnis für »the power of words in verse but also the power of form and colour to delight the eye at the same time it exalts the mind« erachtete, so bezweifelte er doch ihre Allgemeinverständlichkeit, wie seine Äußerung, »that part of him which a mortal can understand«, andeutet.256 Für ihn fungierte Blake wohl nur bedingt als Anregung,257 denn bei Morris ist der Bezug zum Mittelalter so evident und durch schriftliche wie visuelle Quellen ausreichend belegt, dass Blake höchstens als eine zusätzliche Inspiration betrachtet werden kann. Zudem entschied sich Morris für andere Medien, für die Tradition des illuminierten Pergamentcodex und des gedruckten Buches mit »Holzschnitt«-Illustrationen, während Blake eine individuell gefärbte und seinen persönlichen Bedürfnissen angepasste Drucktechnik entwickelte, die in der Verwendung von Kupferplatten dem 18. Jahrhundert verbunden ist. In einem Skizzenbuch Murrays in Austin hat sich eine Zeichnung erhalten, die mit der Miniatur zu »Hope Dieth, Love Liveth« in Zusammenhang zu bringen ist.258 Zwei Engel sind auf einer Waldlichtung dargestellt, wobei der niedersinkende von dem stehenden Engel mit beiden Armen und dem linken Knie gestützt wird.259 Der Körper des Zusammenbrechenden, dessen Kopf zum Boden gewendet ist, bildet eine Diagonale. Eine detailliertere Ausführung der Skizze lässt sich in einem anderen Skizzenbuch Murrays (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 27r) finden. Hier ist die Waldlichtung wiederholt, aber es sind bereits Flammenlinien am Boden eingetragen, und der Stehende trägt einen Blumenkranz auf der Stirn. Auf anderen Blättern dieses Skizzenbuches finden sich Studien, die auf die Fassung in »A Book of Verse« vorausweisen, wobei in einigen der Stehende mit vor der Brust verschränkten Händen dargestellt ist anstatt mit emporgestreckten Armen wie in der Miniatur.260 Figurenstudien Murrays in der Sammlung des Princeton Univer1997, S. 120–121. Zu den Ähnlichkeiten zwischen Blake und Rossetti : Richard L. Stein, The Ritual of Interpretion. The Fine Arts as Literature in Ruskin, Rossetti and Pater, Cambridge, Mass., 1975, S. 126–127. 254 Gilchrist 1998, S. 309 ; vgl. ebd., S. 392–395 ; Werner 2005, S. 146. 255 Brief S. C. Cockerells an Murray vom 11.4.1910, HL, MS HM 36946. Aus dem Brief geht hervor, dass Murray ein Exemplar der »Songs of Innocence and Experience« besaß. Auf ein frühes Interesse für Blake deutet Murrays Besuch einer Blake-Ausstellung im Jahre 1874 hin, Elliott 2000, S. 58. 256 William Morris, The Gothic Revival II (1884), in : Morris 1969, S. 74–93, hier S. 75 ; Brief Morris an den Herausgeber der Pall Mall Gazette vom 2.2.1886, in : Kelvin 1987 II, Bd. 2, Nr. 1207, S. 517. 257 Siehe hierzu Mitchell 1994, S. 148, Anm. 1. 258 Murrays Skizzenbuch, HRC, Inv.-Nr. 1008 3. 259 Vgl. a. PUAM, Inv.-Nr. x1948–1354 (23,8 × 30,4 cm) : Figurengruppe mit ähnlichem Haltungsmotiv, das aber auch an Pietà-Gruppen denken lässt. 260 Murrays Skizzenbuch, PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 26r–28r ; vgl. hierzu die Figurenstudie (links auf dem
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sity Art Museums wiederholen oder variieren Haltungsmotive der liegenden und der stehenden Figur mit ausgebreiteten Armen.261 In »A Book of Verse« verzichtet Murray auf einen näher differenzierten Handlungsort und nimmt eine deutlichere Trennung der beiden Engel vor. Er akzentuiert die Gegensätze von Oben und Unten, Liegen und Stehen und unterstreicht dieses durch die unterschiedliche Färbung der Gewänder. »The Praise of Venus«
Die die Handschrift abschließende Miniatur zu »The Praise of Venus« (S. 51 ; Abb. 25), zeigt, ähnlich wie diejenige zu »Missing«, drei verschiedene Momente des Gedichtes in einem dreiteiligen Bildstreifen, ohne dass jedoch in diesem Falle die Landschaft als Kontinuum gestaltet wird.262 Der Bildstreifen wird von zierlichen Blütenranken mit eingestreuten voll erblühten Rosen, der Blume der Venus, hinterlegt. Sich um einen roten Pfahl windende Heckenrosen begleiten den Text auf der ersten Seite des Gedichtes (S. 49), und Rosen sind zwischen die sich ebenfalls um einen roten Stab windenden Apfeloder Orangenzweige von S. 50 eingestreut. Diese Früchte wiederum könnten als Hinweis auf den Sieg der Venus beim Urteil des Paris oder als Paradiesmotiv dienen. Auf S. 50 benutzt Morris einen zwischen die Zeilen geschobenen Apfelzweig im Sinne einer »Redepause«, durch die Kommendes akzentuiert werden soll, und das in Gold geschriebene »Therefore«, das durch ein zweizeiliges Initialquadrat mit zierlichen, diagonal überkreuzten Blütenzweigen eingeleitet wird, setzt den betonten Beginn visuell um. Das linke Bildfeld der Miniatur auf S. 51 gibt, den Angaben in Morris’ Gedicht folgend, vor einer Küstenlandschaft die durch hohes Gras schräg nach rechts schreitende Venus als lebensspendende Gottheit, rosenstreuend und begleitet von Tauben, während das rechte Bildfeld die ruhende Venus inmitten einer leicht hügeligen Flusslandschaft mit
Blatt) in Princeton : PUAM, Inv.-Nr. x1948–1345. Auf fol. 26r mit 24.[5.1870] datiert, die vorangehende Seite, fol. 25v, durch Murray mit 23.5.1870 datiert. Auf fol. 26r zwei Studien in Kreisform, einmal die stehende Figur, emporschauend mit vor der Brust verschränkten Händen, vor ihm die liegende Figur, ein anderes Mal mit gesenktem Kopf gezeigt, zu der liegenden Figur herabblickend, dazu Studien für die liegende Figur. Auf fol. 27v weitere Studien für die liegende Figur und eine kleine, kreisförmige Skizze, die auf die ausgeführte Version vorausweist und die stehende Figur mit ausgebreiteten Armen zeigt. Auf fol. 28r ist die stehende Figur mit ausgebreiteten Händen und Flammenaureole um den Kopf dargestellt. Dabei sind zwei Varianten für die Haltung des rechten Armes gegeben – einmal in gesenkter, das andere Mal in angehobener Stellung. 261 Figurenstudien für die liegende Figur : PUAM, Inv.-Nr. x1948–1345 (Bleistift, 24,8 × 30,3 cm), –1342 (Bleistift, 24 × 30,5 cm) ; Studien für die stehende Figur : PUAM, Inv.-Nr. x1948–1378 (Bleistift, 23,8 × 30,5 cm), –1501 (Bleistift, 30,3 × 22,8 cm). 262 A Book of Verse, S. 49–51 ; publiziert in »The Hill of Venus«, The Earthly Paradise IV, 1870, CW VI, S. 289– 230.
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schlanken Bäumen und Rosensträuchern zeigt.263 Ihr Haltungsmotiv mit dem rechts lagernden Kopf, den links ruhenden Füßen, dem leicht angewinkelten linken Bein und der auf der Hüfte aufliegenden Rechten erinnert, wenn auch seitenverkehrt, an Giorgiones »Ruhende Venus« (1508/1510) in Dresden. Nicht nur Burne-Jones erhielt in den frühen 1860er Jahren wichtige Impulse durch Giorgiones Werk, die sich in Arbeiten wie »Le Chant d’Amour« (MMA, 1868–1877) nachweisen lassen, sondern auch Murray schätzte diesen Künstler sehr.264 Das nahezu frontale Haltungsmotiv der Venus im mittleren, schmaleren Feld, das sie am Strand vor einer Meereslandschaft als schaumgeborene Göttin zeigt, findet sich bereits in Illustrationsentwürfen Burne-Jones’ für »The Story of Cupid and Psyche« für »The Earthly Paradise« von ca. 1865 und geht wohl auf Botticellis »Geburt der Venus« (um 1484) in den Uffizien zurück.265 Die Bergzüge im Hintergrund und das bewegte Wasser der See, die am Strand liegenden Muscheln zeigen ebenso wie die von links unten heranfliegenden Tauben und die Andeutung eines Nimbus um Venus’ Kopf eine besondere Nähe zu Burne-Jones’ Illustration »Venus« aus dieser Serie.266 Raymond Watkinson verwies in Zusammenhang mit der Venus-Darstellung des mittleren Feldes auf eine Venusfigur von Morris, die er in die späten 1860er Jahre datiert (SoA).267 Der leicht geneigte Kopf mit nachdenklichem Gesichtsausdruck und die Beinhaltung der Figuren entsprechen seitenverkehrt einander. Während jedoch Murrays Venus mit der Linken ihre Brust bedeckt und mit der gesenkten Rechten ihr knielanges Haar hält, ordnet Morris’ Figur mit beiden Händen ihre langen Haare. Seine Venus ist außerdem reich mit Rosengirlanden um die Hüfte und im Haar geschmückt, ähnlich wie seine »Nympha Florum« (V&A, Inv.-Nr. E. 2792–1927). Diese Arbeit gehört vielleicht zur Gruppe von um 1863 zu datierenden Zeichnungen aus dem Umfeld der »The Legend of Good Women«-Projekte, deren Figuren durch einen etwas stämmigen, kräftigen Körperbau gekennzeichnet sind, der von den seltsam elongierten Proportionen der »Venus« abweicht.268 263 Vgl. zu den Landschaften der Bildfelder jeweils A Book of Verse, S. 50. 264 Frühere Fassungen von »Le Chant d’amour« : Malerei auf Burne-Jones’ Piano von ca. 1860, V&A ; Gouache, 1865, Museum of Fine Arts Boston ; Gouache, 1866, Privatsammlung. Vgl. a. Burne-Jones’ Gouache »An Idyll« von 1862 (BMAG) und »Green Summer« von 1864 (Privatsammlung). Für Einflüsse Murrays durch die venezianische Malerei siehe »The King’s Daughters« (um 1875, Dulwich Picture Gallery) oder »The Violin Player« (1888 in den Grosvenor Galleries ausgestellt ; Walker Art Gallery, Liverpool), Christian 1989, Kat. Nr. 41, 42, S. 91. 265 Vgl. »The Court of Venus«, um 1865, Entwurf Burne-Jones’, BMAG ; Druck des Holzstiches, V&A, Inv.-Nr. E. 1838–1920 ; »Psyche«, ebenfalls zu »The Earthly Paradise« entworfen, V&A, Inv.-Nr. E. 1812–1920. 266 Die Figur ist in dieser Illustration allerdings nach rechts gedreht : Entwurf von 1865, AMO ; Holzstich, V&A, Inv.-Nr. E. 1811–1920. 267 Watkinson 1996, S. 35–36, Taf. II ; Dufty 1985, S. 16, Taf. XII. 268 Ein weiterer »Venus«-Entwurf von Morris, der in den kräftigeren Körperproportionen der »Nympha« ähnelt : HAC, Inv.-Nr. 2000.5.21, um 1862 datiert. Die Venus unterscheidet sich in ihren Flügeln und den wehenden Haaren sowie der Ausrichtung des Kontraposts von derjenigen in der Miniatur in »A Book of
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Abb. 25 William Morris, Charles Fairfax Murray, A Book of Verse, »The Praise of Venus«, 1870, Victoria and Albert Museum, London, NAL, MSL 131–1953, S. 50–51. © Victoria and Albert Museum, London.
Zwar wird in dem bereits erwähnten undatierten Brief Morris’ an Murray vom Sommer 1870 eine Venus erwähnt, doch bleibt unklar, auf welche Venus er sich bezieht bzw. ob diese Venus mit derjenigen in »A Book of Verse« in Verbindung zu bringen ist.269 Fraglich bleibt auch, ob die erwähnten Photographien zur Venus in Bezug stehen oder zu einem anderen Auftrag Morris’ an Murray. Sollte Murrays Venus tatsächlich auf diejenige Morris’ und nicht auf Vorbilder aus dem Werke Burne-Jones’ zurückgehen, bliebe auch die Frage offen, warum Morris dieses nicht, wie in Bezug auf die Titelseite und die Jahreszeitenpersonifikationen, im Kolophon erwähnte. Die drei Felder des Bildstreifens sind durch die unterschiedliche Wiedergabe der Sonne auch als Darstellungen von Tageszeiten zu erkennen : Links der Morgen mit Sonnenaufgang und leichtem Frühnebel, in der Mitte der Mittag mit einer gleißend hellen Sonne und rechts der Nachmittag, die Dämmerung mit der untergehenden Sonne, die warmes, gelbrotes Licht spendet, das sich als Goldhöhung an den Stämmen der Bäume Verse«. In einem Skizzenbuch Morris’ von ca. 1861 hat sich eine Liste von einigen durch Attribute unterschiedenen »Nymphen« überliefert, in deren Zusammenhang vielleicht die Londoner Zeichnung entstand (BL, MS Add. 45306, fol. 65v–66r, eventuell auch fol. 65r) ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1780, S. 740. 269 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 120c, S. 123, dort in die Zeit Juli/August 1870 datiert.
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im linken Vordergrund fängt. Dieser Miniaturstreifen ist als Abschluss konzipiert, da Murray die beiden Figuren in den äußeren Feldern in ihrer Körperwendung jeweils auf die Venus des mittleren, schlankeren Kompartiments bezieht, die in einem ruhigen, nahezu frontalen Kontrapost dargestellt ist. Dieser mittlere Teil weicht nicht nur im Format ab, sondern wird auch durch die helle, kühle, weißblaue Farbigkeit hervorgehoben, die sich von den wärmeren gelbgrünen Tönen der seitlichen Landschaften unterscheidet. Das Schreiten der Venus des linken Feldes nach rechts, das in der Bewegung der Tauben, dem Verlauf des Flusses und der Neigung der Bäume im rechten Hintergrund aufgegriffen wird, führt ebenso zur Mitte hin, wie die leicht nach links hin absinkende Ruhehaltung der Figur im rechten Feld. Durch diese Mittel setzt Murray einen Akzent auf der Seitenmitte und verzichtet abschließend auf seitenüberleitende Motive in der Komposition. Angesichts der eher von Unglück und Liebesleid geprägten vorangehenden Gedichte setzt Morris mit diesen abschließenden, der Venus gewidmeten Versen eine harmonische Schlußnote, zumal in den letzten beiden Strophen betont wird : »O VENUS O thou love alive / Born to give peace to souls that strive« (S. 51).270 Zeichnungen in Murrays Skizzenbuch (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 18r, 20r und 29r) zeigen verschiedene Motive, die er in den Bildfeldern der Miniatur variiert. Fol. 18r und 20r geben eine stehende weibliche Aktfigur, umgeben von Schwänen, in einer Küstenlandschaft mit Bäumen. Die Zeichnungen sind mit dem 16. und 18.[11.1869 ?] bezeichnet und entstanden für eine Geschichte des »The Earthly Paradise III«, »The Land East of the Sun«.271 Im Unterschied zu diesen Entwürfen ist die mittlere Venus in »A Book of Verse« nicht nach rechts, sondern nach links gewendet, die Schwäne fehlen und sie verkreuzt ihre Arme nicht über Brust, um ihre Hände an die linke Wange zu legen. Auf fol. 29r befindet sich eine Skizze für die Darstellung der schlafenden Venus (»Venus sleeping«), die hier bekleidet an einer Seeküste oder einem Fluss in einer Baumlandschaft am Boden sitzt und deren Haltung derjenigen der Figur des mittleren Feldes zu »Missing« ähnelt (S. 16). Das Blatt enthält eine weitere Skizze einer in einer Muschel über das Meer nahenden Venus, die von einer Aureole umgeben ist.272 Auf fol. 34r (Abb. 26) folgen zwei Entwürfe, die bereits in der dreiteiligen Streifenform, den Haltungsmotiven, wenn auch noch nicht in der Figurenausrichtung, mit der ausgeführten Fassung weitgehend übereinstimmen (»Venus Song«). Im oberen Streifen ist links als Studie für das erste Kompartiment des Miniaturstreifens Venus auf einer Wiese vor der Meeresküste stehend gezeigt, ein Motiv, das Murray in der ausgeführten Fassung durch das kräftige Ausschreiten und eine stärkere Drehung des Körpers nach rechts dy270 Zwar wird hierin ein optimistischerer Ton als in den anderen Gedichten der Handschrift angeschlagen, doch sollte dieses nicht dazu verführen, mit Bingaman eine Deutung als »release of all previous pain and tension« vorzunehmen, die in »the peaceful repose of fully requited love« enden, Bingaman 2000, S. 97. 271 Vgl. PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 18v, 20v. Vgl. CW V, S. 33–34. 272 Eventuell bezieht sich die untere Zeichnung auf die Geschichte von Acontius und Cydippe, CW V, S. 142.
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Abb. 26 Charles Fairfax Murray, Entwurf für »A Praise of Venus« für »A Book of Verse«, Skizzenbuch, 1868–1870, The Morgan Library & Museum, New York, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 34r. Purchased as the gift of the Fellows. Photo © The Pierpont Morgan Library, New York.
namisiert. Im unteren linken Feld probierte er die Wirkung einer nach links schreitenden Venus aus. Das mittlere Kompartiment der Entwürfe stimmt weitgehend mit der Version des »A Book of Verse« überein, lediglich das Haar scheint in den Entwürfen bewegter und ihr linker Arm hängt seitlich am Körper herunter, während der Rechte leicht abgewinkelt ist. In der rechten Skizze des oberen Entwurfes schließlich versuchte Murray ein etwas anderes Liegemotiv für das rechte Kompartiment des Minaturstreifens : Die liegende Venus ist nach vorne zum Betrachter gedreht und hat ihren Kopf schlafend auf den angewinkelten linken Arm gelegt. Der dunkelschraffierte Hintergrund deutet auf eine Nachtszene hin. Das entsprechende Feld des unteren Streifens zeigt bereits die ausgeführte Fassung. Die Variation von Botticellis »Geburt der Venus« durch Murray ist ein Zeugnis für die wachsende Begeisterung in England für den italienischen Künstler.273 Zwar besaß die Lon273 Vgl. hierzu Levey 1960 ; Haskell 1980, S. 174–178 ; Gianna Piantoni, Burne-Jones e la fortuna dell’arte italiana in Inghilterra fra preraffaellismo e simbolismo, in : EBJ 1986, S. 30–43 ; Watts 1993 und 1995 ; Vanessa Müller, »How Botticellian«. Ästhetische Priorität und der Widerruf Pygmalions. Studien zur BotticelliRezeption im englischen Ästhetizismus, Münster 2000 (Dissertation Bochum) ; Adrian S. Hoch, The Art
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doner National Gallery bis 1855 keine seiner Arbeiten, aber Rossetti hatte 1848 seine »Madonna mit dem Christus-Kind und dem Johannes-Knaben« im Louvre gesehen und erwarb sogar 1867 Botticellis Porträt der Smeralda Bandinelli (um 1471–1475, V&A).274 BurneJones sah Botticellis »Marienkrönung« 1859 in Florenz und reagierte begeistert.275 Das englische Publikum konnte Gemälde Botticellis 1857 auf der Ausstellung in Manchester, 1868 in Leeds und 1871 in der Royal Academy betrachten. Ausgerechnet 1870 war eine Chromolithographie der »Geburt der Venus« durch die Arundel Society publiziert worden – ein Bild, das William Michael Rossetti bei seinem Florenz-Aufenthalt 1860 besonders beeindruckt hatte.276 1870 erschien auch Walter Paters Botticelli-Aufsatz in »The Fortnightly Review«, die schon 1868 einen Artikel Swinburnes über die Zeichnungsbestände der Uffizien (»Notes and Designs of the Old Masters in Florence«) gedruckt hatte, in dem dieser auch ausführlicher auf Botticelli einging.277 Pater betonte die Beziehung zwischen Dante und Botticelli, indem er Botticelli als »poetical painter« charakterisierte, »blending the charm of story and sentiment, the medium of the art of poetry, with the charm of line and colour, the medium of abstract painting«.278 Ruskin wiederum sollte sich, abgesehen von einem kurzen Verweis im Jahr 1855, erst 1871, ausführlicher 1872 zu Botticelli äußern.279 Burne-Jones dürfte an Botticellis Werken gerade der traurig-melancholische Ausdruck der Gesichter interessiert haben, auf den auch Pater unter Bezug auf die »Geburt der Venus« hinwies : »[…] what is unmistakable is the sadness with which he has conceived the goddess of pleasure, as the depository of a great power over the lives of men« – eine Beschreibung, die durchaus dem Zusammenspiel zwischen Miniatur und Gedicht in »A Praise of Venus« zu entsprechen scheint.280
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of Alessandro Botticelli through the Eyes of Victorian Aesthetes, in : John E. Law und Lene Ostermark-Johansen (Hrsg.), Victorian and Edwardian Responses to the Italian Renaissance, Aldershot 2005, S. 55–85 ; Elizabeth Prettejohn, Botticelli and the Pre-Raphaelites, in : Mark Evans, Stefan Weppelmann mit Ana Debenedetti, Ruben Rebmann (Hrsg.), Ausst.-Kat. The Botticelli Renaissance, Gemäldegalerie Berlin, Victoria & Albert Museum London 2015–2016, Berlin und London 2015, S. 76–81. Levey 1960, S. 296, 300, 301 ; Gail S. Weinberg, D. G. Rossetti’s Ownership of Botticelli’s »Smeralda Brandini«, Burlington Magazine 146, Januar 2004, S. 20–26. Levey 1960, S. 299 ; GBJ 1993 II, S. 64–65 ; Fraser 1995, S. 126–127. Watts 1995, S. 84. Zu dem dem viktorianischen Geschmack angepassten Erscheinungsbild der Venus in der Arundel-Chromolithographie : Faxon 1996, S. 55. Bertram 1950 ; Levey 1960, S. 302 ; Weinberg 1987, S. 26. Siehe Pater 1986. Zum Interesse an der Kunst des Quattrocento : Anderson/Wright 1994, S. 17–28 ; John Hale, England and the Italian Renaissance. The Growth of Interest in its History and Art, London 1996 (1. Aufl. 1954), Kap. VII. Zit. nach : Pater 1986, S. 34. Pater erwähnt, dass Botticelli einen Kommentar zur »Göttlichen Komödie« verfasst haben soll. Vgl. Weinberg 1987, S. 26. Die Vorlesungen Ruskins von 1872 wurden in »Ariadne Florentina« 1873–1876 publiziert, Ruskin, Lib. Ed. XXII, S. 291–490. Weitere Erwähnungen Botticellis aus diesem Jahr in »Flors Clavigera«, Letter 22, Lib. Ed. XXVII, S. 371–393. Pater 1986, S. 39 ; vgl. »a sentiment of eneffable melancholy«, ebd., S. 36.
»A Book of Verse« – Das Problem der »Illustration«
Eine besondere Bedeutung erhielt Botticelli im Kreis um Rossetti und Ruskin durch die von Vasari in seinen Viten erwähnte Verbindung zu Dantes »Göttlicher Komödie«. Botticelli wurden die Entwürfe der Inferno-Illustrationen von Baccio Baldini in der Florentiner Ausgabe von 1481 zugeschrieben, denen sich auch Pater widmete.281 Die damals in der Sammlung Hamilton verwahrten Zeichnungen Botticellis zu Dante (heute im Kupferstichkabinett Berlin) waren dagegen weniger bekannt, auch wenn sie Gustav Friedrich Waagen 1854 in seinen »Treasures of Art in Great Britain« lobend erwähnte und in diesem Zusammenhang eine Faksimilierung forderte.282 3.2.6 Zusammenfassung
Das »A Book of Verse« kennzeichnet sich somit dadurch, dass seine Miniaturen durch eine Vielfalt unterschiedlicher narrativer Ansätze bestimmt werden : Der zur Darstellung ausgewählte Moment kann eine im Gedicht selbst beschriebene Szene detailgetreu umsetzen oder aus verschiedenen Elementen des Gedichtes heraus konstruiert worden sein, woraus eine Bilderfindung resultiert, die in genau dieser Form in der literarischen Vorlage nicht erscheint. Weiterhin kann auch eine nicht im Gedicht selbst enthaltene Szene als Sujet übernommen worden sein. Diese kann dem weiteren Umkreis des Gedichtes entstammen, also einen Moment der Geschichte illustrieren, aus der auch das Gedicht entnommen wurde, oder aber aus einem ganz anderen narrativen Kontext abgeleitet worden sein. So stellen die Miniaturen einen direkten, indirekten oder assoziativen Textbezug her. Im Mittelpunkt der Illustrationsabsicht scheint nicht so sehr die visuelle Übersetzung eines spezifischen Handlungsmomentes zu stehen, sondern eine Umsetzung und Intensivierung des Gefühlsgehalts und der Stimmung der Gedichte, etwa durch Parallelisierung mit anderen mit entsprechenden Stimmungen verbundenen literarischen Stoffen oder Verweise darauf. Dieses entspricht dem Vorgehen der Maler um Rossetti, die zum einen eigene Erfahrungen in literarische Sujets überführten, zum anderen Alltagsobjekte bedeutungsvoll aufluden, um eine bestimmte Szene auszuschmücken oder auf ein zukünftiges Ereignis vorauszuweisen. Holman Hunt, Millais und Rossetti griffen in ihren religiösen Sujets auf die tradierten Symbole zurück, die ihnen durch ihre Kenntnisse der frühen italienischen und altniederländischen Malerei bekannt waren, und Millais und Brown setzten Objekte der viktorianischen Gegenwart in profanen Szenen ein, um die Geschichte dichter und vieldeutiger zu erzählen.283 Ein Kenner dieser Bilder war daran 281 Watts 1995, S. 87. 282 Ebd., S. 93–94. Sie erlangten jedoch erst bei ihrer Versteigerung 1882 größere Aufmerksamkeit, hierzu genauer ebd., S. 92–97 ; Watts 1993 ; Dagmar Korbacher (Hrsg.), Ausst.-Kat. Der Botticelli-Coup. Schätze der Sammlung Hamilton im Kupferstichkabinett, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin 2015, Köln 2015. Die Faksimilierung erfolgte 1887. 283 Siehe hierzu George P. Landow, William Holman Hunt and Typological Symbolism, New Haven & Lon-
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gewöhnt, genau hinzusehen und Nuancen wahrzunehmen, die Bedeutung scheinbar belangloser Gegenstände zu berücksichtigen. Murrays Tätigkeit und Erfahrungen als Kopist sowie die oftmals vagen szenischen Angaben in den Gedichten mögen den Rückgriff auf ihm durch seine Tätigkeit vertraute Kompositionen und auf figürliche Skizzen seines »Meisters« Burne-Jones erklären. Murray, der sowohl von Morris als auch von Ruskin als Kopist geschätzt und beschäftigt wurde, beurteilte seine künstlerische Begabung dieser Tätigkeit entsprechend : » […] but I never could do much on my own account – I have no invention !«.284 Dabei ist im Einzelnen nicht festzumachen, ob es sich bei einigen der Motive um Bilderfindungen Murrays, die Arbeiten Burne-Jones’ ähneln, oder um den Bedürfnissen der Handschrift angepasste, erweiterte Variationen bereits vorhandener Skizzen und Zeichnungen Burne-Jones’ handelt. Die Landschaften, in die Murray dem Text folgend die Figuren hineinsetzte, unterscheiden sich jedoch durch ihre Tiefenräumlichkeit und den auf Weitsicht angelegten Ausblicken von den schmalen Bildräumen Burne-Jones’, die durch architektonische oder vegetabile Mauern abgeschottet werden, und dürften auf Murray zurückgehen. Die Datierungen, die Murray den Zeichnungen seines Skizzenbuches (PML, Inv.-Nr. 1963.8) beigegeben hat und die vom 7.2.1868 bis Juni 1872 reichen, verbinden nicht nur die Skizzen mit dem »A Book of Verse«, sondern erlauben es auch, die Entstehung der Entwürfe in zeitlicher Folge nachzuvollziehen. Da viele Seiten nicht nur Zeichnungen zu »The Story of Gunnlaug the Worm-Tongue« und »The Story of Frithiof the Bold«, sondern auch zu Teilen von Morris’ »The Earthly Paradise« tragen, ist weiterhin zu überlegen, ob es sich um Kopien nach Burne-Jones oder um eigene Erfindungen Murrays zu den jeweiligen Sujets handelt, deren Entstehungsumstände jedoch unklar sind.285 Es bliebe in diesem Falle zu erwägen, ob Murray die Entwürfe als Übung zu Bilderfindundon 1979 ; ders., Victorian Types, Victorian Shadows. Biblical Typology in Victorian Literature, Art and Thought, Boston u. a. O. 1980. 284 Zit. nach : Benson 1924, S. 212. Zu Murrays Arbeit für Ruskin in den 1870er und 1880er Jahren : Robinson 1975 ; Clegg/Tucker 1992, S. 100, 102, 111–114, 116–117. Ruskins Lob von Murray als »a heaven-born copyist«, in : W. S. Spanton, An Art Student and His Teachers in the Sixties, London 1927, S. 79, zit. nach : Barrington 1994, S. 16. 285 PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 14r »Land East of the Sun and West of the Moon« (The Earthly Paradise III), fol. 24r »The Writing of the Image« (22.[1.1870 ?], The Earthly Paradise II), fol. 40–46 »The Man born to be King« (The Earthly Paradise I), fol. 55–56 »The Watching of the Falcon« (The Earthly Paradise II), fol. 57 »The Doom of King Acrisius« (The Earthly Paradise I), die bereits erwähnten Zeichnungen zu »Ogier« (The Earthly Paradise II) auf fol. 54r und fol. 59–60, fol. 70r »The Ring given to Venus« (The Earthly Paradise IV) – sowie, auf fol. 68–69, 72 und 83–85 zu »The Saga of Gunnlaug the Worm-Tongue«, die Morris mit Magnússon übersetzte und die im Januar 1869 in »The Fortnightly Review« sowie 1875 in »Three Northern Love Stories« publiziert wurde (CW X). Das Blatt vor den ersten Zeichnungen zur »Gunnlaug Saga« ist mit Januar 1871 datiert. Die Zeichnung zu »The Writing of the Image« übertrug Murray auch in ein in die 1890er Jahre datiertes Gemälde, Sotheby’s, London 16.6.1982, Los 299. Beide beziehen sich auf CW IV, S. 77–78. Zu dem Illustrationsvorhaben des »The Earthly Paradise« : Dunlap 1971 ; CW III, S. xxiiiff.
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gen nutzte, ob sie entstanden, während Morris die Texte im Freundeskreis vortrug, oder ob Burne-Jones oder Morris einen Teil der Entwurfstätigkeit oder -vorbereitung an Murray delegierten. Das könnte auch für die Murray zugeschriebenen Zeichnungen in Huntington (Inv.Nr. 70.132) zutreffen, von denen einige Blätter mit 1867 datiert sind. Sie sind sehr unterschiedlich gestaltet und umfassen Skizzen nach Tieren, Modellen und Kunstwerken. Die Skizzen, die vielleicht mit »Rapunzel«, »The Earthly Paradise« und den »Scenes from the Fall of Troy« zu verbinden sind,286 sind entweder als einzelne durch einen Linienrahmen eingefasste Entwürfe angelegt (Inv.-Nr. 70.132.10, 63) oder als Alternativentwürfe (Inv.Nr. 70.132.66). Es können auch aufeinanderfolgende Handlungsmomente nebeneinandergefügt werden (Inv.-Nr. 70.132.15, 17). Andere Zeichnungen wiederum scheinen, wie Flüssigkeit der Übergänge und Flüchtigkeit des Duktus nahelegen, während des Vorlesens skizziert worden zu sein (Inv.-Nr. 70.132.4, 11, 12). Bei diesen Blättern gehen Figurengefüge ineinander über, werden verschiedene Ideen in knappen Skizzen ausprobiert, durch kräftige Linien modifiziert, erfolgen verschiedene Versionen eines Haltungsmotives. In Hinblick auf Murrays bildkonzeptuellen Anteil an »A Book of Verse« ist weiterhin interessant, dass sich in Austin eines seiner Notizbücher erhalten hat, in das Morris einige Gedichte, die er für »A Book of Verse« ausgesucht hatte, eintrug.287 Es sind die Gedichte »Love Fulfilled« (V&A, S. 12), eine Version von »Missing« (V&A, S. 15–16) sowie diejenigen von »Guileful Love« (V&A, S. 21) bis zu »The Birth of June« (V&A, S. 47) in der Reihenfolge eingetragen, in der sie dann auch in der Londoner Handschrift erscheinen. Allein »A Garden by the Sea«, »To Grettir Asmundson« und »Sundering Summer« fehlen in dieser Reihe. Eventuell sollten die Gedichte dazu dienen, Murray auf die Stimmung des »A Book of Verse« vorzubereiten und als Vorlage für die Anfertigung von Miniaturentwürfen fungieren, wobei allerdings nicht alle Verse einen Bildschmuck erhielten. Weiterhin finden sich in einem im Princeton University Art Museum verwahrten, Murray zugeschriebenen Konvolut von Zeichnungen solche, die zwar an Figurenentwürfe von Morris oder Burne-Jones erinnern, die aber nach dem Modell entstanden und somit nicht als Zeichnungen nach anderen Werken aufzufassen sind.288
286 Die Zeichnungen HAC, Inv.-Nr. 70.132.3, 17 besitzen Parallelen zu »Rapunzel« aus »The Defence of Guenevere« (publ. 1858), Inv.-Nr. 70.132.10–12 dagegen zu »The Proud King« in »The Earthly Paradise I«. »Scenes From the Fall of Troy«, CW XXIV, S. 3–51. Das Manuskript mit verschiedenen Fassungen befand sich im Besitz von Murray, BL, MS Add. 45321, Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 507, S. 572. 287 Notizbuch von Charles Fairfax Murray mit Gedichten von Dante Gabriel und Christiana Rossetti, Edgar Allen Poe, Algernon Swinburne und William Morris, HRC. Ich danke Ms T. N. Sidney Tibbetts vom HRC für ihre freundliche Unterstützung. 288 Die Zeichnungen stammen wohl aus zwei unterschiedlichen Alben : PUAM, Inv.-Nr. x1948–1310 bis x1948–1410 und x1948–1411 bis x1948–1534 sowie x1948–1542. Die Zuschreibung erfolgte durch John Christian. Ich danke Dr. Laura M. Giles, PUAM, für die Informationen zu den Zeichnungen.
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Die Art und Weise, in der die zu illustrierenden Szenen ausgewählt wurden, welche Kriterien dabei hineinspielten, wird sich wohl nicht mehr erschließen lassen. Morris, der als Dichter und Initiator des Vorhabens den engsten Bezug zu dem Unternehmen besaß, wird feste Vorstellungen vom Aussehen der Illustrationen gehabt haben.289 Leider vermag auch die Korrespondenz zwischen ihm und Murray aus dem Jahr 1870, die im Harry Ransom Center der University of Texas in Austin verwahrt wird, keine nähere Auskunft über die Entstehungsumstände der Miniaturen zu geben.290 Die in einigen Fällen feststellbare Ambivalenz und Doppeldeutigkeit der Miniaturen, ihr »Rätselcharakter« in Hinblick auf die Gedichte dürfen, solange die Entstehungshintergründe der Handschrift, d.h. das Verhältnis Schenkender und Beschenkte, die Art der Zusammenarbeit und die Überlegungen, die der Ausführung der Malereien vorangingen, nicht genau bekannt sind, lediglich als Möglichkeiten erachtet werden, als deutbares Potential. Durch die Kombination mit den Miniaturen scheint die »Offenheit« gesteigert, der Leser/Betrachter dazu eingeladen, eine eigene Deutung des Zusammenhangs der beiden Elemente zu erarbeiten. Als sicher kann nur gelten, dass Morris auswählte, welche Gedichte Miniaturenschmuck erhalten sollten, da er, noch bevor Murray seine Miniaturen ausführte, die Grundanlage der Seitendekoration und den Freiraum, der von einer Miniatur gefüllt werden sollte, festgelegt haben wird. Die Gedichte des »A Book of Verse« funktionieren auch, wie spätestens ihre Publikation in »Poems by the Way« von 1891 zeigt, ohne die Miniaturen, zumal sie ursprünglich auch ohne Gedanken an eine Illustration verfasst und erst dann für die Handschrift ausgewählt wurden. Jedoch verleihen die Miniaturen den Gedichten Nuancen, betonen bestimmte Aspekte, regen – jedenfalls den heutigen Leser – durch das Mittel der Uneindeutigkeit zu einem genauen Betrachten des Bildfelds und einem gründlichen Lesen des Textes an, da er sich dadurch die Möglichkeit zu verschaffen glaubt, die Beziehung zwischen Text und Bild zu klären. Die Miniaturen scheinen sich eher an Rossettis freierem Umgang mit einer literarischen Vorlage wie im Falle seiner Illustrationen zu Moxons Tennyson-Ausgabe zu orientieren und an seinen mehrszenigen Bildkompositionen, die einen Handlungsstrang verdichtend vorstellen. Murray und Morris werden aber auch durch frühitalienische Wandmalereien und Miniaturenzyklen in Handschriften Anregungen für die Technik der visuellen Erzählung erhalten haben. Zu berücksichtigen bleibt im Sinne eines Korrektivs für die Deutungsvorschläge die Gestaltung der Illustrationen für die Kelmscott Press. Zwar handelt es sich hierbei um Druckwerke, die für eine größere Öffentlichkeit konzipiert waren, aber es fällt doch die textorientierte, relativ eindeutige Wiedergabe der Inhalte auf. Sie erzählen Aspekte einer 289 Vgl. Brief Morris’ an Murray, Juni 1870, Kelvin 1984 I, Nr. 120b, S. 123. 290 Ich danke Mr J. B. Bird vom Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin, für seine freundliche Unterstützung.
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Geschichte in ihrem Medium, bilden Protagonisten und Handlungsmomente ab, wobei die verweisende, interpretierende Ebene eher vernachlässigt scheint.Auch in Anbetracht von Morris’ anderen künstlerischen Äußerungen bleibt die Frage bestehen, ob die recht komplizierte und vielschichtige Konzeption des Bild-Text-Bezuges eher ein unbeabsichtigter Effekt ist, der sich dem heutigen Leser vermittelt. Morris’ Arbeiten in verschiedenen Bereichen erscheinen geprägt und motiviert von persönlichen Erfahrungen, aus denen er dann pragmatisch vorgehend eine ästhetische Konsequenz zieht – es geht ihm letztlich um die Verbesserung einer Sache sowie um den Weg und die Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen. Vielleicht sollte auch bei den Miniaturen eher von einem pragmatischen Ansatz der Angemessenheit ausgegangen werden : Die drei Künstler schaffen Miniaturen, die Momente und Motive des Gedichtes auf eine dem Text entsprechende Weise umsetzen und die sich dabei in die ornamentale Gestaltung und die Gliederung der Seite harmonisch einfügen. Unter dieser Prämisse ließe sich die folgende knappe Deutung der Miniaturen festhalten : Bei »Love Fulfilled« (S. 12) erscheint die Frau entweder als Vision des Mannes, der sich in Begleitung von Amor befindet, oder es ist der Aufruf der Frau aus dem in der Handschrift folgenden Gedicht »Rest from Seeking« dargestellt : »draw nigh beloved« (S. 13). In der Miniatur zu »Missing« (S. 16) trifft die suchende Frau auf den Erzähler des Gedichtes und setzt dann ihre Suche in Richtung des Waldes fort. In der Miniatur zu »Love and Death« (S. 20) ist das Liebespaar des ersten Verses vor dem Weißdornbusch gezeigt. »Hope Dieth, Love Liveth« (S. 25) wird mit einer Miniatur der am Boden liegenden Personifikation der Hoffnung und der stehenden Personifikation der Liebe abgeschlossen. Auf S. 28 (»Meeting in Winter«) ist das Liebespaar bei der Ankunft im Gasthaus dargestellt. »A Garden by the Sea« (S. 32) wird von einer Miniatur der Geliebten im Garten begleitet, während sich bei »The Lapse of the Year« (S. 40) ein Streifen mit Personifikationen der Jahreszeiten in entsprechenden Landschaften findet. Zu »Sundering Summer« (S. 42) ist eine zweiteilige Miniatur eingetragen, die die Klage des Mannes über den Verlust der Geliebten thematisiert. Die Handschrift abschließend, findet sich ein Streifen mit drei Darstellungen der Venus, die den Beschreibungen des Gedichtes und der Venus-Ikonographie folgen. Auffallend ist in der Ausschmückung der Handschrift der Bezug auf das Buch selbst, zum einen in dem Porträt des Autors auf der Titelseite, zum anderen in der Darstellung eines Buches in vier der neun Miniaturen : Der Mann vom Typus des Gelehrten oder Dichters, der in der Miniatur zu »Love Fulfilled« (S. 12) ein Buch an sich presst, das Buch, das im Gras vor dem Paar in der Miniatur zu »Love and Death« (S. 20) liegt, die Geliebte, die in der Miniatur zu »A Garden by the Sea« konzentriert und ohne Blick für die Umgebung in einem Buch liest, und das auf die Bank gelegte Buch im Feld der Frühlingspersonifikation zu »The Lapse of the Year« (S. 40). Hierdurch scheint die Handschrift »A Book of Verse« nicht nur als real existierendes Buch vorzuliegen, sondern zugleich in den Miniaturen zu den in ihr enthaltenen Gedichten zu erscheinen. 205
William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
In den Miniaturen des »A Book of Verse« lassen sich zusammenfassend zwei, sich in anderen Schaffensbereichen Morris’ wiederholende Züge erkennen : zum einen Kunstproduktion als psychologische Hilfe, woraus sich für andere Bereiche die Vorliebe für Bildsujets und Geschichten von komplizierten Dreierbeziehungen und durch die Liebe verursachten Freundschaftsproblemen erklärt, zum anderen die sich in den Motivzitaten und der arbeitsteiligen Herstellung abzeichnende »handwerkliche« Auffassung, die Parallelen zum Entstehungsprozess von Glasfenstern oder Kacheldekorationen der »Firma« aufweist, sich aber auch an die Praxis mittelalterlicher Skriptorien anschließt. Das »A Book of Verse« bietet sich als ein Zeugnis für die freundschaftliche Zusammenarbeit der Künstlergruppe dar, als ein Beispiel für den Umgang mit einem überschaubaren Repertoire an Mustern und Figuren, die nach dem jeweiligen Szenengehalt und Dekorationswunsch eingesetzt werden. Es vermittelt vor diesem Hintergrund einen gewissen Einblick in den Schaffensvorgang, der mit Erzeugnissen der »Firma« »Morris, Marshall, Faulkner & Co.« verbunden war, wenn auch dieses Buch als eine persönliche, sehr private Freundschaftsgabe entstand. Die Handschrift ist das Produkt eines durch gemeinsame Ideen und Kunstvorstellungen zusammengehaltenen kleinen »Skriptoriums«, ein Zeugnis für ein aus gemeinsamen Bemühungen entstandenes Kunstwerk.291 Die für den heutigen Betrachter oftmals etwas rätselhaften Bezüge zwischen Bild und Gedichttext waren für die Beschenkte und ihren Kreis vor dem gemeinsamen Ideen-Hintergrund zu entschlüsseln. Elemente einer persönlichen, literarisch fundierten Zeichensprache und ein ausgesprochener Pragmatismus verbinden sich auch in dieser Handschrift auf eine für Morris und seinen Kreis durchaus charakteristische Weise.
3.3 Die zweite »The Dwellers of Eyr«-Handschrift In Anschluss an »A Book of Verse« entstand ebenfalls als Geschenk für Georgiana Burne-Jones seit Herbst 1870 die bereits erwähnte zweite Handschrift der »The Story of the Dwellers at Eyr« (BMAG, Inv.-Nr. 92’20 ; »Dwellers II«), die, wie Morris im Kolophon festhält, am 19. April 1871 beendet wurde. Vielleicht hatte Morris bereits die »Dwellers I«-Handschrift als Geburtstagsgeschenk für Georgiana Burne-Jones vorgesehen, erkannte dann aber, dass er die Arbeit in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht bewältigen würde und wendete sich mit dem »A Book of Verse« einem etwas überschaubareren Vorhaben zu. Als er seine Absicht wieder aufgriff, gefielen entweder einige Seiten der »Dwellers I« nicht mehr bzw. hatte er Änderungen in der Übersetzung vorgenommen,
291 Vgl. hierzu : Mackail 1995 I, S. 278 : »[…] and here too, as in larger work, he found the excellence as well as the pleasure of art to lie in co-ordination of skilled workmen.«
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Die zweite »The Dwellers of Eyr«-Handschrift
weswegen er nur einzelne Seiten aus dem früheren Oxforder Fragment auswählte und in die neue Handschrift übernahm.292 Morris führte erneut in einem Kolophon seine Mitarbeiter und ihren jeweiligen Anteil auf : I translated this book out of Icelandic with the help of my master in that tongue, Eiríkr Magnússon, […] : it was the first Icelandic book I read with him. I wrote it all out myself, and did all the ornament throughout the book myself except the laying on of the gold leaf on pp : 1, 230, and 239. which was done by a man named Wilday, a workman of ours.
Vielleicht lassen sich Morris’ Äußerungen über seine Tätigkeit als Kalligraph und Buchkünstler in einem Brief an Charles Fairfax Murray, der 1870 datiert wird, mit dieser »Dwellers«-Handschrift in Verbindung bringen : »and look at my ›blooming letters‹ over wh : I have been working hard like a baby as I am.«293 3.3.1 Seitenaufbau und Schrift der »The Story of the Dwellers at Eyr«
Die Handschrift besteht aus 239 paginierten Seiten Text und Anhängen, von denen über 100 Seiten aus Morris’ erster »Dwellers«-Handschrift von 1869/1870 (BLO, MS Eng. misc. c. 265) stammen.294 Sie zeigen eine entsprechende Initialgestaltung, florale Motive, Art des Arrangements im Seitenrand, Farbwahl und deckenden Farbauftrag. Allerdings ist die Ornamentik dieser Seiten nicht einheitlich konzipiert, so dass zu vermuten ist, dass Morris zwar den Text schon geschrieben, aber noch nicht vollständig mit Überschriften, Initialen und Randornamenten versehen hatte, sondern dieses z. T. erst zu dem späteren Zeitpunkt erfolgte. 292 Dunlap weist nach, dass zwischen den drei Fassungen der »Dwellers«-Übersetzungen – den beiden Handschriften und der 1892 publizierten Version – im Detail Unterschiede bestehen, Dunlap 1972/1976, S. 179. 293 Kelvin 1984 I, Nr. 100, S. 106. 294 Neu geschrieben wurden der Text auf den S. 1–36, 47–50 und ab S. 145. Auf S. 1–4 und S. 48–50 kommt es zu einer Mischung von kursiven Majuskeln und Kapitalisformen. Wie die Schrift mit geschwungenen Majuskelformen, »Arrighi-E«, einem N mit j-förmiger Unterlänge und geneigten Oberlängen nahelegt, stammen S. 37–46 und S. 51–144 aus Morris’ früherer »Dwellers I«-Handschrift, BLO, MS Eng. misc. c. 265. Ab S. 100 verwendet Morris in unregelmäßiger Folge bereits klassische Kapitalisformen für die Großbuchstaben, besonders bei N, I, E, K und H. Oftmals schreibt er auf einer Seite sowohl in älteren als auch in jüngeren Majuskelformen. Das T mit geschwungenem Deckbalken, wenn auch ohne den sich nach links einrollenden Stamm der »Dwellers I«-Version findet sich bis zu S. 162, auf der es durch eine klassische Kapitalisform abgelöst wird. Bis S. 144 ist die Schrift weitgehend durch nach rechts geneigte Schäfte gekennzeichnet. Die Majuskeln der ersten Seiten tragen noch geschwungene Deckbalken, wie T und F, oder lang ausgezogene Serifen an den Köpfen und Füßen wie H, M, N, S, während sich die Bogenlinien des A und D oben leicht einrollen. Das G besitzt eine j-förmige Unterlänge. Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 177–179 ; Whitla 2001, S. 51 : Morris’ zweite Kursivschrift.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Das Schriftfeld der »Dwellers II«-Seiten ist durch Sepialinien eingefasst, die, wie in den späteren »Dwellers I«-Seiten, bis zu den Seitenrändern gezogen werden. Arabische Seitenzahlen sind in das äußere obere Rechteck, zusammenfassende Seitenüberschriften mit hohen Schäften in Sepia in das mittlere obere Feld eingetragen.295 Die Kapitel werden durch die mittig platzierten Angaben »Chap :« mit römischer Nummerierung eingeleitet, auf die in der anschließenden Zeile in kleinerer Schrift ebenfalls mittig die Zusammenfassung des Kapitelinhalts folgt. Die Kapitelbezeichnungen und -titel sind wohl zu einem früheren Zeitpunkt weitgehend in Rot geschrieben worden, während später eingetragene in Sepia ausgeführt sind. Dabei gehen den roten Überschriften manchmal rote stilisierte Blattzweige oder Ranken voran. Für eine spätere Datierung der Sepia-Überschriften spricht, dass sie keine Majuskeln mit geschwungen Serifen, sondern die klassische Kapitalisform aufweisen.296 In den Außenrändern können in Sepia und schwarzer Tinte Anmerkungen eingetragen sein, die wichtige historische Jahreszahlen nennen oder versehentlich ausgelassene Worte einfügen. Wie die Seitenüberschriften sind Inhaltsverzeichnis, Prolog und Epilog in einer breiten, großzügigen, gerundeten humanistischen Kursive mit hohen Oberlängen geschrieben, die derjenigen der Überschriften auf den letzten Seiten der »Dwellers I«-Handschrift ähnelt.297 Fairbank unterschied in der »Dwellers II«-Handschrift insgesamt drei verschiedene Schriften : Eine Kursive mit leichter Rechtsneigung, eine mit ausgeprägten Serifen und eine humanistische Kursive.298 Der wesentliche Unterschied zwischen den Schriften der beiden »Dwellers«-Manuskripte beruht in der Gestaltung des g und dem Hinzufügen der langen dünnen diagonalen Serifen, die die einzelnen Buchstaben miteinander verbinden.299 Allerdings deuten sich diese diagonalen Serifen schon auf den späteren »Dwellers 295 Die Schrift der Seitenüberschriften ist größer als der eigentliche Text gehalten. Sie ist durch hohe schlanke Schäfte mit deutlich abgesetzten Serifen und breit ausladenden mächtigen Majuskeln in Kapitalisform gekennzeichnet und ähnelt etwas derjenigen Schrift, die Morris in seinen zweikolumnigen Handschriften verwendet. 296 Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 195. Dunlap datierte die Entwicklung dieser Schriftform in den Winter 1870/1871, wobei er auf die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit der bereits begonnenen Arbeit an der Londoner »Omar Khayyám«-Handschrift (BL, MS Add. 37832) hinwies. Whitla 2001, S. 90, Nr. G. 3 : Morris’ erste Antiqua-Schrift. 297 Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 182. Im Prolog (S. [vii-viii]) sind die diagonalen Serifen weniger steil ausgezogen als im Text der S. 145 ff. Morris verwendet zudem ein f ohne Unterlänge. Beim Inhaltsverzeichnis (S. [iv]), das durch eine Überschrift in Kapitalis eingeleitet wird, sind die Kapitelnummern in römischen Zahlen vorangestellt. Der Prolog (S. [vii-viii]) ist in Sepia geschrieben und durch Kapitalbuchstaben ausgezeichnet, die alternierend in Gold und Silber am Zeilenanfang stehen. Morris wiederholte dieses Schema im Epilog (S. [248–249]) und für die Anfänge der Gesänge. Inhaltsverzeichnis, Prolog, Epilog und Namensindex sind nicht paginiert. 298 Fairbank 1970, S. 67. 299 Zu den Serifen vgl. Dunlap 1972/1976, S. 177. Das g in der »Dwellers II«-Fassung trägt auf der rechten Seite ein Ohr, und die Verbindungslinie der beiden Ovale ist spitzwinklig geknickt.
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Die zweite »The Dwellers of Eyr«-Handschrift
I«-Seiten an. Die Schrift der »Dwellers II« ist derjenigen in »A Book of Verse« verwandt, wirkt aber durch die Serifen der Oberlängen etwas reicher und strenger.300 Die erste Textseite (Taf. 4) gestaltete Morris sowohl farblich durch eine üppige Verwendung von Gold als auch durch die reiche florale Motivik besonders aufwendig und setzte damit einen Anfangsakzent. Das Schriftfeld wird von einem blauen Stabrahmen eingefasst. Das obere Drittel ist von sechs Zeilen in Goldkapitalis gefüllt, die den Titel der Handschrift und Angaben zum ersten Kapitel nennen. Dem Titel ist ein kleiner goldener Blattzweig vorangestellt, und in die letzte Zeile ist eine Füllung in Form einer stilisierten goldenen Blütenranke eingesetzt, die in regelmäßigem Schwung einen Ast mit abgebrochenen Zweigen umwindet. Sie wiederholt sich am Ende des ersten Textabsatzes. Ähnliche Zeilenfüllungen in Form eines Astes mit abgebrochenen Zweigen konnte Morris aus der Handschrift BL, MS Harley 2917 (fol. 28r, 35r) kennen, die er sich vor allem wegen der Monatsarbeiten angeschaut hatte. Ähnlichkeiten bestehen zudem zur Interkolumniumsdekoration des Stundenbuches des René von Anjou (BL, MS Egerton 1070, Paris und Aix-en-Provence, um 1410/1442–1443, zugeschrieben dem Egerton-Meister, der Boucicaut-Werkstatt sowie Barthélemy d’Eyck), bei der sich zweifarbige Akanthusblätter um einen Ast mit abgebrochenen Zweigen winden. Morris’ Ranken besitzen in dem regelmäßigen wellenartigen Auf- und Abschwingen auch Parallelen zu Rankenskizzen in seinem »Rhodope«-Manuskript (BL, MS Add. 45304, fol. 6r, 6v, 13r). Auf den sechszeiligen Beginn folgen eine dreizeilige Initiale und der Wortrest in alternierend blauer und grüner Kapitalis. Hier findet sich zum ersten Mal die für Morris’ Handschriften typische Form der Texteinleitung durch Reihen aus Kapitalis, einem Kapitelanfang aus mehrzeiliger Initiale und einem in Kapitalis geschriebenen Wortrest, die sich jeweils farblich aufeinander beziehen. Die blaue K-Initiale, die mit einer zierlichen weißen Binnenzeichnung aus geschwungenen Linien verziert ist, befindet sich auf goldenem Quadratgrund, aus dem in schwarzer Umrisszeichnung 25 sorgfältig über- und nebeneinandergestellte Rosetten herausgearbeitet sind. Sie erinnern in der kachelfeldartigen Abfolge an Beispiele im Oxforder »Dwellers I«-Fragment (S. 31). Von den Ecken und der Mitte der blauen Rahmenleiste windet sich jeweils ein kurvig geschwungener Zweig in den Seitenrand hinein. Zwischen die mit kleinen Sepia-Blüten besetzten goldenen Blattzweige der Rahmenecken sind einzelne Blumenstiele eingestreut. Morris greift im Motiv des Zweiges oder Stieles mit Streublumen in den Zwischenräumen eine Dekorationsform des »A Book of Verse« auf. In diagonaler Entsprechung weist die obere linke Ecke rosa Wildnelken und die untere rechte rosa Rosen auf, die rechte obere Ecke Kornblumen und die untere linke blaue Akeleiblüten. Die von den Ecken ausgehenden Ranken werden jeweils durch grünblättrige Zweige mit goldenen Granatäpfeln (oben), Orangen (unten und rechts) und Goldeicheln (links) voneinander getrennt, die auf der Mitte der Rahmenleisten ansetzen. 300 Vgl. PML 1976, Kat. Nr. 51, S. 111–112.
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Die Idee, den Rahmen zum Ausgangspunkt für die florale Ornamentik der Seitenränder zu machen, erhielt Morris wohl durch mittelalterliche Handschriften, wobei in diesen zumeist auch die Rahmenleisten selbst mit floralen Ornamenten dekoriert sind (Abb. 27).301 Schon in den illuminierten Seitenranddekorationen der großformatigen Exemplare der »The Story of the Volsungs and Niblungs« von 1870 deutet sich diese Art der Rahmengestaltung an, und die Entwürfe (HRC, MS 2934 ; Abb. 28) weisen auf die »Dwellers II«-Gestaltung von Schriftfeldrahmen und floraler Seitenranddekoration voraus, wenn sie den Ursprung der Zweige an Ecke und Mitte des Rahmens binden (fol. 5r, 6r und 7r).
3.3.2 Die Initialgestaltung der »The Story of the Dwellers at Eyr«
In der »Dwellers II«-Handschrift werden die Kapitel durch eine zweizeilige schwarze InitiAbb. 27 British Library London, MS Harley 2900, Stundenbuch, Nord- oder Nordwest-Frankreich ale in einem Initialquadrat eingeleitet, die, bis (ev. Rouen ?), um 1430–1440, in : Matthew Digby auf wenige Ausnahmen (z. B. auf S. 75), wie Wyatt/W. R. Tymms, The Art of Illuminating …, auch schon in der früheren Handschrift im London (1. Aufl. 1860, Reprint Ware, Hertfordshire Seitenrand von floralem Rankenwerk begleitet 1987), Taf. XV Century, No. 10. wird. Der Wortrest ist in schwarzer Majuskelschrift oder Kapitalis eingetragen.302 Auch Initialfeldmotive wie Landschaftsausschnitte, ein Baum auf einer Blumenwiese, diagonal eingestellte Blattzweige, zierliche Punktblü301 Vgl. z. B. BL, MSS Add. 16997 (Chevalier Hours, Paris, um 1420), Harley 2900 (Stundenbuch, ev. Rouen, 1430–1440), Harley 2952 (Stundenbuch, Paris oder Bourges, 1. Viertels des 15. Jh.s). In BL, MS Add. 25695, einem Stundenbuch aus Paris von ca. 1470, werden Text und Miniaturen durch einen dreiseitigen Rahmen aus einzelnen Ästen eingefasst, von dem stilisierte Blütenranken in die Seitenränder hineinreichen. Ein Seitenrahmen von MS Harley 2951 abgebildet in : Shaw/Madden 1830–1833, Specimen 17. Siehe für frühere Beispiele mit stilisierten Efeuzweigen : Humphreys 1849/1995, Taf. XIII mit einer Seite aus dem Stundenbuch des Herzogs von Anjou von ca. 1380. Eine weitere Anregung vermittelten vielleicht die nach historischen Vorbildern entworfenen Rahmenleisten der Textseiten in Wyatt/Tymms 1860/1987. 302 Geschwungene Majuskeln erscheinen als Wortrest ab S. 37, wobei die Linienbreite wie bei dem Oxforder Fragment variiert.
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Die zweite »The Dwellers of Eyr«-Handschrift
Abb. 28 William Morris, Skizzenbuch, Seite mit Rahmenentwurf und Skizzen von Gänseblümchen, um 1870, Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin, MS 2934, fol. 5r. Photo © Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin.
tenranken, den Buchstabenstamm parallel begleitende Blütenstauden werden ebenso wie die Verzierung der »Song«-Partien durch blühende, sich um einen Stab windende Ranken in der zweiten »Dwellers«-Handschrift aufgegriffen. Die zumeist diagonal in das Feld eingestellten oder volutenartig eingerollten floralen Elemente variieren zudem Morris’ Fliesenentwürfe »Bough« und »Scroll«.303 Als florale Motive dienten ihm verschiedene Blumen, vorzugsweise Wildnelken, Akelei und Tulpen. Die Blumenstauden können in der Komposition von zwei oder drei leicht zur Seite geneigten Blütenstielen, die von einem Blattkranz umgeben werden, auch dem »Daisy«-Schema folgen.304 Sie gehen auf die »Wiesen-Initialen« der »Dwellers I« zurück, werden aber feiner und nuancierter gestaltet. Die Motive sind in der Regel in einer helleren oder dunkleren Nuance des Farbtons des Hintergrunds ausgeführt. Einige der Initialgründe können sich auch nach unten hin aufhellen, wie es kennzeichnend für die Initialgründe der »The Story of Hen Thorir« und »Ynglings«-Handschriften ist (BLO, MS Eng. misc. d. 266, und SoA, MS 906).305 Bei diesen Initialen sind die Motive stark stilisiert und mit zumeist dünner Linie eingetragen, worin sie an Initialdekorationen des frühen 14. Jahrhunderts anzuschließen 303 Myers/Myers 1996, Abb. 140, 141 auf S. 100 ; vgl. a den Tapetenentwurf »Diaper«, Clark 1974, Nr. 6, S. 12. 304 BMAG, Inv.-Nr. 92’20, S. 29, 47, 210. Eine Variante des »Daisy«-Initialfeldes bildet die Initialdekoration auf S. 178, die einen Wiesenausschnitt mit »Daisy«-artig verteilten Blumengruppen zeigt. Auf S. 67 findet sich eine »Daisy«-ähnliche Blume, die in ihrer äußeren Kontur die Initiale A auf den Kopf gestellt wiederholt. 305 Z. B. BMAG, Inv.-Nr. 92’20, S. 14–15, 21, 186–187, 190, 194.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
scheinen. In den »Dwellers II« finden sich sowohl diagonal eingestellte Blütenzweige in starker Stilisierung des Naturvorbildes wie auf Seite 11 als auch in eher naturalistischer Darstellungsweise wie auf Seite 31. Komposition und Motive der Initialquadrate weisen gewisse Parallelen zu Morris’ Initialentwürfen für die von ihm 1871 geplante Ausgabe seiner Dichtung »Love is Enough« auf. Auch hier finden sich naturalistisch dargestellte Blüten, diagonal eingestellte Zweige, deren Bewegung jedoch dadurch zunimmt, dass Morris sie um Buchstabenteile herum windet.306 Die Initialquadrate werden in den Seitenrändern von floralen Ornamenten aus Blattund Blütenzweigen oder einzelnen Blumenstielen begleitet, deren Anordnung zueinander reich variiert wird. Morris übernimmt Dekorationsschemata des »A Book of Verse« wie additiv übereinandergefügte, durch enge Anordnung und einen gemeinsamen Rhythmus verbundene Blattzweige, zwischen die einzelne Blumenstiele eingestreut werden (S. 3, 29, 31), zwei sich überkreuzende Ranken oder Zweige oder eine Variante dieser Form mit zwei Ranken oder Zweigen, die sich mehrfach so überschneiden, dass sie elipsenartige Formen ausbilden. Diese Ranken können sich auch – wie schon in »A Book of Verse« – einen Stab emporwinden. Eine Sonderform dieses Dekorationsmotives bilden Zweige und Blumenstiele, die vor den Stab gelegt sind. Schlanke Akanthusblätter, die sich um einen Stab winden und an Rahmendekorationen in dem von Morris so geschätzten Alexander-Roman (BLO, MS Bodley 264, fol. 2v) erinnern, finden sich nur zweimal als Begleitung der Initialquadrate (S. 39, 178). Daneben zeigt Morris einzelne, leicht geschwungene und sich oftmals in das Schriftfeld hinein neigende Zweige, denen drei zueinander parallele Blütenstiele oder Blätter schräg aufgelegt sind. Eine Sonderform bilden Apfelbäume, um deren Stämme sich eine Rosen-, Geißblatt- oder Weinranke windet (S. 11, 106, 148). Das Motiv erinnert an Baumdarstellungen wie sie sich auch in Morris’ bereits erwähnten Plänen zur Dekoration des Speisesaales des »Red House« durch Wandbehänge mit Frauenfiguren vor gemusterten Hintergründen von 1860/1861 finden.307 So zeigt ein erhaltener Behang die vermutlich nach einem seiner Entwürfe gestickte hl. Katharina neben einem Zitronenbaum, um den sich Geißblatt rankt, und auf einem Karton Morris’ findet sich ein Orangen- oder Apfelbaum mit Rosenranke.308 Das Motiv wiederholt sich auch in Glasfenstern der »Firma« und der Tapisserie »The Woodpecker« (1884/1885, WMGW).309 Möglicherweise über-
306 Waggoner 2003, Abb. 64 auf S. 90/91. 307 Siehe dazu : Fairclough/Leary 1981, S. 23, Nr. E6–11 auf S. 77–78 ; Leary 1981, S. 257, Abb. 6 ; Dufty 1985, S. 8–9, 13–15, 29, Taf. VIII, IX ; Parry 1987, S. 13–14. Siehe auch die nicht vollendete Stickerei eines Granatapfelbaumes, Dufty 1985, S. 29, Taf. XXVI. 308 Die auf braunem Samt applizierte Stickerei und der Karton in der Sammlung der SoA. 309 Vgl. das Motiv des »Gothic tree« in den Glasfenstern für St. Nicholas, Whiston, und St. Mary’s, Speldhurst, um 1873, sowie St. Martin’s, Marple, Cheshire, 1873, V&A, Sewter 1974, S. 38, Abb. 396, 399. In der Tapisserie »Woodpecker« windet sich im Hauptfeld blauer Akanthus um den Stamm eines Apfelbaums, wäh-
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Die zweite »The Dwellers of Eyr«-Handschrift
nahm er das Baummotiv von mittelalterlichen Handschriften, wie dem englischen, um 1393 illuminierten Karmeliter-Missale (BL, MSS Add. 29704–29705, 44892).310 Morris scheint die Seiten der »Dwellers II« nicht in chronologischer Abfolge illuminiert zu haben, so dass sich verschiedene Dekorationsstufen nicht nacheinander, sondern eher durch die Handschrift verstreut finden lassen. Trotzdem ist durch einzelne charakteristische Elemente eine Einteilung der Dekorationen in verschiedene Stufen möglich. Initialen, die einen etwas grob anmutenden Farbauftrag, eine ungelenke Zeichnung und eine enge Bindung der Ornamentik an die Seiten und Ecken des Quadrates aufweisen, entsprechen den Initialen des Oxforder »Dwellers«-Fragments und wurden aus der früheren Handschrift entnommen. Morris verziert diese Initialquadrate im Seitenrand mit Eichenblättern und einzelnen Blütenstielen, schlanken Akanthusblättern, die sich regelmäßig einen Ast emporwinden, stilisierten floralen Motiven und abstrakten Linienmustern.311 Pfauenfedern finden sich nur einmal auf S. 115 und werden, in Anschluss an mittelalterliche Vorbilder, von einer Sepia-Schlaufenreihe begleitet. Morris verbindet die aufstrebende und darin die Vertikale betonende, in Motiv und Struktur naturalistischen Vorbildern verbundene Seitenranddekoration durch geneigte oder kurvig geschwungene Zweige mit den Initialquadraten, die wiederum durch den höheren Stilisierungsgrad und die bevorzugte Diagonalanordnung der Motive zur Schrift überleiten. Er stuft somit hier – in Entsprechung zu seinen Überlegungen zu Mustern in der Raumausstattung – die Musterstruktur und das Maß der Stilisierung nach der Funktion der Elemente ab. Wahrscheinlich war die Dekoration auf einigen der aus den »Dwellers I« übernommenen Textseiten noch unvollendet. So findet sich etwa auf den S. 51–106 oft ein Initialquadrat im Stil der »Dwellers I« mit Seitenrandornamenten zusammengestellt, die Ähnlichkeit mit denjenigen des »A Book of Verse« besitzen, wenn sie auch weniger reich und dicht gestaltet sind. Die vermutlich ersten Seitenrandornamente der später entstandenen Textteile zeigen zierliche, stilisierte und etwas formelhaft behandelte florale Elemente, die noch relativ eng und ordentlich, in einfacher und klarer Anordnung an das Initialquadrat angeschlossen sind. Die Zweige und Ranken fallen durch den etwas kargen Bewuchs und die relativ helle Farbigkeit auf. Wenn Morris wie auf S. 67 und 174 das »Elipsenschema« verwendet, so scheinen hierbei der magere Bewuchs des Zweiges und der blattlose Ast auf ein Probestadium hinzudeuten. Daneben lassen sich bei gleichrend sich im Rahmen Geißblattranken um einen Ast mit abgebrochenen Zweigen schlingen, Parry 1987, S. 109–110. 310 Dort erscheint dieses Motiv neben historisierten Initialen im Seitenrand. Auf fol. 93r dieser Handschrift windet sich, von Goldgrund hinterlegt, blau-roter Akanthus um einen zierlichen Baumstamm. Auch in Buchdrucken ist diese Art der Baumgestaltung nachweisbar, so in der Paradiesdarstellung auf der Titelseite von John Parkinsons »Paradisus in Sole«, London 1629. Vgl. auch BL, MS Harley 4380, fol. 1r, 148r mit Baumdarstellungen, bei denen sich an Stelle der Ranken eine Banderole um den Stamm windet. 311 BMAG, Inv.-Nr. 92’20, S. 37, 39, 109, 113, 117, 115. Die Kapitelangaben und kurzen Inhaltszusammenfassungen sind auf diesen Seiten wie in den »Dwellers I« in roter Tinte geschrieben.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
bleibender Ornamentstruktur einzelne Seitenranddekorationen mit reicherer, feiner gemalter und naturalistischerer Gestaltung finden (S. 178, 197, 210). Einige Seiten (S. 67, 78, 173–174, 207–213) werden von einer sehr hellen Farbigkeit bestimmt, die – wie die Titelseite der »Hen Thorir«-Handschrift (BLO, MS Eng. misc. d. 266) – auf Grün- und Gelbtönen beruht. Auf S. 3–34, 93–106, 125–148 finden sich zunehmend Seitenranddekorationen, die mehr Raum beanspruchen und die durch üppiges, dichtes, ausgreifendes Wachstum sowie eine naturalistischere Wiedergabe der Pflanzen und zierliche Detailliertheit gekennzeichnet sind, die derjenigen der »A Book of Verse«-, »Hen Thorir«- und »Ynglings«Handschriften ähnelt und auf das Londoner »Rubáiyát« vorausweist. Auf »A Book of Verse« deutet auch die häufige Verwendung von stilisierten kleinen rosa oder hellblauen Blüten, von Kornblumen und Nelken, wobei Morris in den »Dwellers II« eine besondere Vorliebe für sternförmige Blüten zeigt, die zumeist nur in Sepia eingezeichnet sind. Wie in der Londoner Handschrift von 1870 mischt Morris diese kleinen stilisierten Blüten mit naturalistisch dargestellten Pflanzen. So finden sich florale Motive, die in der Art ihrer Stilisierung an französische und englische Buchmalereien der Gotik angelehnt scheinen, neben Orangen, Jasminblüten, Weintrauben, Äpfeln, Granatäpfeln, Rosen, Akelei, Veilchen, Gänseblümchen, Lilien, Nelken, Zitronen und Weidenzweigen, die auch die Seiten des »A Book of Verse« prägen. Ab Seite 93 ist eine zunehmende farbliche Entsprechung von Initialgrund und floralem Ornament zu beobachten. Dadurch bindet Morris die verschiedenen dekorativen Elemente zu einem einheitlichen Ganzen und ersetzt den additiven Charakter des Ornaments durch ein einheitlicheres und geschlosseneres Erscheinungsbild.312 Eine Besonderheit der Handschrift bilden die prächtigen Randdekorationen von S. 186, 187, 190, 194 und 230, die sich durch ihr besonders weit in die Seitenränder ausgreifendes Wachstum und ihre Metallhöhungen von den anderen floralen Ornamenten unterscheiden, wenn sie auch die Struktur mittels verkreuzter Anordnung um einen Stab oder des Übereinanderlegens von Zweigen beibehalten. In engem Arrangement füllen die dicht bewachsenen Zweige fast die gesamte Breite des Seitenrands. Sie tragen grün- oder rotsilberne Äpfel, rotgoldene Granatäpfel oder Blüten, Silberlilien, silberne und goldgrüne Blätter. Morris greift nicht nur in den regelmäßigen Einrollungen der Ranken auf Vorlagen in Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts zurück, sondern auch bei der Anordnung von zwei sich überkreuzenden Zweigen (S. 187), die im Seitenrand jeweils nach oben und unten streben. Sie ähnelt den späteren Ausformungen des von Humphreys als »gothic bracket« bezeichneten Rahmenmotives gotischer Handschriften.313 312 Dieses Bestreben, die Bestandteile der Initialdekoration enger miteinander zu verknüpfen, zeigt sich auch auf S. 3, auf der das florale Ornament des Seitenrands das Initialquadrat teilweise hinterlegt. Diese Form der Aneinanderbindung wiederholte Morris in der »Ynglings«-Handschrift, SoA, MS 906. 313 Humphreys 1849, S. 6.
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Die zweite »The Dwellers of Eyr«-Handschrift
Die eingerückten linksbündigen Gesänge werden in den »Dwellers II« abwechselnd durch einen silbernen und einen goldenen Kapitalbuchstaben oder eine rote Majuskel in der ersten Verszeile eingeleitet. Ist links ein recht gleichmäßiges Ornament mit emporrankenden, z. T. um einen Stab gewundenen Pflanzen eingefügt, so erweist sich das der rechten Seite aus Blatt-, Blüten- und Fruchtzweigen stärker variiert. Hier finden sich leicht geschwungene Ranken oder additiv über- und nebeneinandergestellte Zweige, wobei diese auch als Zeilenfüllung für die den Gesängen vorangehende letzte Textzeile dienen können. Die volutenartigen Einrollungen der Ranken, die ein Kennzeichen der Ornamentstruktur in »A Book of Verse« bilden, finden sich nur selten (S. 49, 51). Die reiche, beidseitige dekorative Einfassung hebt die Gesänge gegenüber dem Prosatext heraus, wobei der Stab auf der linken Seite dem Arrangement Stabilität verleiht. Morris kombinierte gerne silberne Stäbe mit Goldkapitalis und Silberkapitalis mit roten und blauen Stäben. Dabei werden die Ornamentmotive der Gesänge, befinden sich mehrere auf einer Seite, nicht kontinuierlich weitergeführt, sondern wechseln vielmehr von Gesang zu Gesang. Reicht ein Gesang jedoch über zwei Seiten hinweg, wird die Kontinuität des Textes durch die Beibehaltung der floralen Ornamentmotive kenntlich gemacht. Diese floralen Motive wurden vermutlich erst später eingezeichnet, denn das Ornament der in der »Dwellers I«-Schrift geschriebenen S. 46 aus hellblauer Blattranke und rosa Nelken um einen Silberstab setzt sich auf der in der späteren Schrift geschriebenen S. 47 fort. Die wohl zuerst dekorierten Gesänge, besonders diejenigen im ersten Texteinschub aus dem »Dwellers I«, verweisen noch in der Mischung von stilisierten und naturalistisch aufgefassten Pflanzen, von organischem Wachstum und einzelnen eingestreuten Blütenstielen auf »A Book of Verse«.314 Einzelne Motive, wie der Pfahl vor einem GrasHintergrund, gehen direkt auf Formen in »A Book of Verse« zurück, 315 während andere Motive, wie das Überkreuzen und Verschränken zweier Zweige, von denen einer nach oben, der andere nach unten weist, oder lose übereinander gestaffelte, leicht schräg gestellte florale Einzelformen von Morris vielleicht aus Vorlagen in mittelalterlichen Handschriften übernommen wurden. Ab S. 123 fällt eine Zunahme an Dichte und Ausweitung der »Song«-Ornamente auf, drängen Ranken und Zweige nun auch in die Zeilen hinein, um Gesangsteile rahmenartig zu umschließen und von den Textbereichen abzugrenzen. S. 123, 133–134 sind durch die besonders reiche Gestaltung des linken Randes durch Stab, Blüten- bzw. Fruchtranke und einen kleinen Apfel- bzw. Eichenbaum herausgehoben. In ihrem Naturalismus und ihrer dichten Anordnungsstruktur erinnern gerade diese Dekorationen an die in ein schmales Hochrechteck eingepassten, aufstrebenden, sich entweder umeinander oder um einen Stab windenden Rankenornamente von Morris’ »Love is Enough«-Entwürfen.
314 Vgl. z. B. die Jasminranken auf S. 38 mit denjenigen in »A Book of Verse«, S. 15. 315 Vgl. »Dwellers II«, S. 48, und »A Book of Verse«, S. 44–45.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Akanthusblätter werden als Begleitung der Gesänge häufiger verwendet, wobei sie zumeist zweifarbig angelegt sind und sich locker in weitem Schwung gemeinsam mit zierlichen Blattzweigen um einen farbigen Stab winden.316 Eine frühe Verwendung dieses Motives findet sich, ergänzt durch Gänseblümchen, in den Deckenmalereien für die All Saints Church in Middleton Cheney, wo die »Firma« ab 1865 auch Glasfenster aus führte.317 Auf S. 239 endet die Übersetzung in Entsprechung zum Anfang der Handschrift in vier Zeilen von Goldkapitalis mit drei Blütenzweigen als Zeilenfüllung. Der sich an den Text anschließende, in zwei Kolumnen gegliederte Namensindex wird nach Buchstaben durch zweizeilige Initialen untergliedert, deren Quadratgrund-Dekoration mit diagonalen Blütenzweigen, sich einrollenden Ranken, Bäumen oder Blumenstauden auf einem Wiesenstreifen an diejenige des Textes anschließt, wobei allerdings sowohl Buchstabe als auch der dichte florale Hintergrund nur in Sepia ausgeführt sind.318 3.3.3 Zusammenfassung
Die spätere »Dwellers«-Handschrift entwickelt das Schema und das Dekorationsprinzip des früheren Fragments z. T. unter Verwendung von dessen Seiten weiter, wobei die das ornamentierte Initialquadrat begleitenden floralen Motive an Größe und Naturalismus, aber auch an strukturellem und farblichem Reichtum zunehmen und die Ideen des »A Book of Verse« variierend fortsetzen. Die Ornament- und Initialgestaltung deutet auf eine Entstehung der »Dwellers II« nach »A Book of Verse« in zeitlicher Nähe zu den zweikolumnigen Handschriften und dem »Ynglings«-Manuskript. Die »Dwellers II«Handschrift präsentiert die zunehmende Sicherheit Morris’ in der Illuminierung und seine wachsende Erfahrung in der Organisation von Ornamenten auf der Seite in ihren unterschiedlichen Stadien. Nach der zögernden und zurückhaltenden Illuminierung der früheren »Dwellers I«-Seiten ist nun eine größere Freiheit sowie Freude am Experiment, an der Darstellung des natürlichen Wachstums zu beobachten, die sich in der zunehmenden Ausdehnung der Seitenrandmotive und ihrer steigenden Komplexität spiegeln. Parallel zu seinen Arbeiten als Entwerfer von Flächenmustern für Tapeten und Stoffe und entsprechend den zugrundeliegenden Überlegungen, die Morris allerdings erst 1881 in »Some Hints on Pattern Designing« formulierte, ersetzte er die stilisierten, auf mittelalterlichen Buchmalereien beruhenden Pflanzen mehr und mehr durch einheimische, 316 Vgl. z. B. BMAG, Inv.-Nr. 92’20, S. 78, 130–131, 219, 226–227. 317 Siehe ausführlicher zu den Malereien in der All Saints Church, Middleton Cheney : Parry 1996, Kat. Nr. H.27, S. 128, Abb. 52 auf S. 112. 318 Der Namenindex ist in zwei Kolumnen von je 40 Zeilen arrangiert, wobei ein lineares Gerüst die Fläche der Seite in 15 Rechtecke von unterschiedlicher Größe teilt. Kolumne : 277 × 83 mm ; Interkolumnium : 8 mm. Seitenränder : oben 30, unten 47, innen 21, außen 40 mm. In der Kopfzeile : »An index of names of people«.
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Handschriften mit doppelkolumnigem Seitenaufbau
deutlich wiederzuerkennende Sorten – allein die Nelken und Gänseblümchen werden beibehalten.319
3.4 Handschriften mit doppelkolumnigem Seitenaufbau Wohl um 1871 entstand eine Reihe von Handschriften und Handschriftenfragmenten mit Morris’ Übersetzungen aus dem Isländischen, deren Illuminierung in den meisten Fällen in Bleistift skizziert verblieb und die durch die Anordnung des Textes in zwei Kolumnen je Seite gekennzeichnet sind. Sie schließen darin an das Aufbauprinzip des Namensindex der zweiten »Dwellers«-Handschrift an. Morris arbeitete an diesen Seiten vielleicht zwischen seinen Geschenken für Georgiana Burne-Jones – den »Dwellers II« und dem Londoner »Rubáiyát«. Die Handschriften werden durch die Nennung des Titels in einem Kapitalisblock am Beginn der ersten Textspalte eingeleitet. Weitere Gemeinsamkeiten bestehen in Gliederung und Verteilung der Dekorationen : Die Kapitelbezeichnung »Chap :« mit römischer Nummerierung und die etwas kleiner geschriebenen Kapitelüberschriften sind jeweils mittig in den Kolumnen platziert und zumeist in Bleistift oder Sepia eingetragen. Die florale Dekoration ist entweder zwischen Ende und Beginn der Kapitel in Kolumnenbreite eingefügt und passt sich darin der neuen Textanordnung an oder begleitet wie in den »Dwellers II« den Text. Auch bei der ersten Lösung kann auf der ersten Seite der Handschrift der Seitenrand zusätzlich mit Blüten- und Blattranken gefüllt sein. Die Kapitel werden durch zweizeilige Initialen mit Kapitalisbuchstaben auf Quadratgrund und dem Wortrest in schwarzer Kapitalis eingeleitet. 3.4.1 »The Story of Kormak, the Son of Ogmund«
Besonders eng an den Aufbau des Namensindex der »Dwellers II« ist »The Story of Kormak, the Son of Ogmund« (PML, MA 1804) angelehnt, Morris’ und Magnússons Übersetzung der isländischen, vermutlich aus dem 13. Jahrhundert datierenden »Kormáks Saga«, die das Leben des Kriegers und Dichters Kormak erzählt und von seiner unglücklichen Liebe zu Steingerd berichtet.320 Wie beim Namensindex der »Dwellers II« werden die Begrenzungslinien der Kolumnen in die Seitenränder hineingezogen, so dass 319 William Morris, Some Hints on Pattern-Designing, 10.12.1881, CW XXII, S. 175–205, hier S. 176–178. 320 Ein weiteres Blatt hat sich in der Emery Walker Library, CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, erhalten, fol. 31 mit dem Text des 12. und 13. Kapitels ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1568.5, S. 695–696 (hier fol. 29). Es entspricht zwar in dem verwendeten Papier und dem zweikolumnigen Aufbau der »Kormak«Handschrift (PML, MA1804), weist aber einige Abweichungen in der Schrift auf. Die Rectoseite ist nur mit vier Zeilen beschrieben, an die sich sechs Zeilen von Schriftproben anschließen. Eine isländische Ausgabe der »Kormaks Saga« von 1832 (Hafniae) in Morris’ Bibliothekskatalog von ca. 1876, YCBA, fol. 19r.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
ein 15-teiliges Seitenraster aus Rechtecken unterschiedlicher Größe entsteht. Die Überschriften im oberen Seitenrand bezieht Morris jeweils auf die Kolumne.321 Seitenzahlen sollten in das obere äußere Rechteck eingetragen werden.322 Morris verwendete eine gerade humanistische Buchschrift mit einem f ohne Unterlänge, die nach Fairbank eine gewisse Ähnlichkeit zu Taglientes »lettera antiqua tonda« aufweist, ohne diese jedoch genau zu kopieren.323 Von S. 3 bis zur ersten Kolumne von S. 36 gibt Morris den geraden Buchstabenschäften horizontale, im rechten Winkel anstoßende Serifen, die sich bei den Oberlängen der Minuskeln oft leicht nach links absenken. Dagegen finden sich auf den beiden ersten Seiten der Handschrift (fol. 1r–v) schräge Serifen, die durch eine leichte Verdickung der Schäfte vorbereitet werden. Diese Schrift wirkt weniger steif, die Verbindungen der Buchstabenteile scheinen fließender als auf den folgenden Seiten. Dunlap stellte in diesem Zusammenhang die Vermutung auf, dass eventuell die beiden ersten Seiten später durch Morris neu, d. h. ein zweites Mal, geschrieben wurden, zumal diese Schrift sicherer ausgeführt scheint und derjenigen ab S. 37 ähnelt.324 Ab fol. 8v lässt sich beobachten, dass die Serifen an den Oberlängen nach rechts gezogen werden, so dass ein nahezu horizontaler, dachartiger Abschluss entsteht.325 Dadurch wird der Eindruck einer leichten Verdickung der Oberlängen betont. Die Majuskeln sind groß und breit ausgeführt. Dass die Zeilen der Gesänge durch jeweils farblich alternierende Kapitalbuchstaben eingeleitet werden sollten, legt der Wechsel von Sepia- und Bleistiftkapitalien auf fol. 2r nahe. Die erste Zeile des Titels (fol. 1r) – die zweite der gesamten Titelüberschrift in Kolumnenbreite – wird seitlich von Blattzweigen eingefasst, und als den Titel abschließende Zeilenfüllung dient eine sich in regelmäßigen Abständen um einen Zweig windende stilisierte Blattranke, die Parallelen zu Randzeichnungen in »The Story of Rhodope« aufweist (fol. 4r, 6r, 13r). Das Rankenornament, das Morris für den inneren Seitenrand und den Zwischenraum von Titel und Anfang des ersten Kapitels plante, ist in Bleistift skizziert und zeigt schwungvoll sich einrollende, regelmäßig um einen Stab windende Blatt- und Blütenranken, wobei im oberen Bereich noch einzelne stark eingerollte Zweige eingefügt sind. Die Dichte und Üppigkeit der Pflanzen lassen an einige der letzten Gesangseinfassungen der »Dwellers II«-Handschrift denken. Ornamentale Dekorationen führte Morris nur auf wenigen Seiten in Sepia oder Bleistift aus. Dabei handelt es sich um zierliche Blatt- und Blütenzweige, die die Gesänge zu drei Seiten rahmen oder die zwischen die Kapitel eingefügt sind, wobei sich die Kapitel angabe dann inmitten des Rankenwerks befindet. In Arrangement und Organisation der 321 Nur bis S. 2 (fol. 1v) ausgeführt. 322 Nur auf S. 1 (in Tinte). 323 Fairbank 1970, S. 56 ; Whitla 2001, S. 53 : Morris’ erste »roman« Schrift. 324 Dunlap 1972/1976, S. 206. 325 Ebd.
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Handschriften mit doppelkolumnigem Seitenaufbau
Ornamente greift er auf bewährte Schemata des »A Book of Verse« und der »Dwellers«-Handschriften zurück. So reiht er auf fol. 1v (Abb. 29) alternierend schräggestellte Beeren- und Weidenzweige neben- und übereinander wie auf der ersten Seite der »Dwellers I«-Handschrift oder auf einigen der von Wardle illuminierten Seiten des »A Book of Verse« (S. 7, 9–10). Die zwischen die Kapitel in Kolumnenbreite eingefügten Zweige können auch so angeordnet sein, dass sie in der Mitte stehen und die begleitenden, eingestreuten Zweige zu den Seiten streben (PML, MA 1804, fol. 7r, 11r). Die Ranken der Gesangspartien rollen sich volutenartig ein oder überschneiden sich elipsenartig. Sie können entweder von weiteren Zweigen begleitet, durch – wie in »A Book of Verse« und den »Dwellers II« – eingestreute Blumenstiele bereichert werden oder in alternierendem Wechsel nebeneinandergefügt sein. Als Gesangsrahmung verwendete Morris außerdem zierliche, auf blumenbewachsenen Wiesenstreifen stehende Bäume, deren Stämme von Weinranken Abb. 29 William Morris, The Story of Kormak, son of umwunden sein können (fol. 10r, 11r ; Abb. Ogmund, ca. 1871, The Morgan Library & Museum, 30) und von denen einzelne Zweige weit in die New York, MA 1804, fol. 1v. Gift of John M. Crawford Jr.; 1956. Photo © The Pierpont Morgan Library, New obere Rahmenleiste ausgreifen.326 York. Als Ornamentmotive finden sich Weiden-, Blüten- und Beeren- oder Fruchtzweige (fol. 1v, 2r, 10r, 13v, 21r), Rosen (fol. 2r, 6v, 10r, 13r), Mohnblumen oder akanthusähnliche Blätter mit tulpenartigen Blüten (fol. 6v), Granatäpfel (fol. 6v), Frucht- und Jasminzweige (fol. 7r, Jasmin auch auf fol. 11r), Erbsenblüten (fol. 10r), Margeriten oder Sonnenblumen (fol. 10v, 13r), Herzblätter (fol. 11r, 13r), Trauben (fol. 10r, 11r) und Apfelbäumchen (fol. 10r, 11r). Immer wieder fällt die naturalistische Darstellung der Pflanzen auf, besonders auf fol. 10r (Abb. 30) und 13r. Motive und Ornamentstruktur – das Nebeneinander von Volutenranken, einzelnen eingestreuten Blumenstielen und sich elipsensartig überschneidenden Zweigen – legen für diese Handschrift eine Datierung in die Zeit um
326 Vgl. auf Wiesen ansetzende Bäume : »A Book of Verse«, S. 36, 38–39 ; vgl. auch den mit Weinranken umwundenen Baum in der »Dwellers II«-Handschrift, S. 148.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
1871 nahe.327 Dabei erinnern die etwas fragilen Bäume ebenso wie das naturalistische Wachstum an Ornamente des »A Book of Verse«, aber auch an Randgestaltungen der »Dwellers II«Handschrift von 1871.328 Eine innerhalb der Gruppe der doppelkolumnigen Handschriften eher frühe Datierung ist aufgrund des Seitenaufbaus und des additiven Arrangements von Einzelzweigen wahrscheinlich. 3.4.2 Die Fragmente der »The Story of the Ynglings«, von »Hafbur and Signy« und »The Story of Frithiof the Bold«
Abb. 30 William Morris, The Story of Kormak, son of Ogmund, ca. 1871, The Morgan Library & Museum, New York, MA 1804, fol. 10r. Gift of John M. Crawford Jr.; 1956. Photo © The Pierpont Morgan Library, New York.
Zusammen mit den »Kormak«-Seiten sind Fragmente dreier anderer doppelkolumniger Handschriften eingebunden, die ebenfalls in einer humanistischen Buchschrift auf großformatigem Whatman-Papier geschrieben sind.329 Ein Blatt trägt den Anfang der »The Story of the Ynglings« aus »The Heimskringla« (PML, MA 1804, fol. 23r–v ; Abb. 31) und ist mit einer dünneren Feder als die »Kormak«-Seiten geschrieben.330 Eine Übersetzung dieses Textes ist allerdings erst für den Februar 1873 gesichert.331 Die Buchstaben tragen hohe Schäfte mit nur kurzen Serifen. Die Majuskeln sind groß und breit eingetragen. Dunlap wies dar-
327 Zur Datierung : Calder, in : Morris/Magnússon 1970, S. 17 ; PML 1976, Nr. 52, S. 112. Die Datierung um 1871 wird durch Angaben von Cockerell und May Morris unterstützt, May Morris, in : CW IX, S. xx. Sie vermutet eine Entstehung der »Frithiof Saga« um 1871 und datiert die »Kormak«-Handschrift »of the same period«. Cockerell hielt fest, dass die »Kormak«-Schrift »not later than 1871« entstanden sei, seine handschriftliche Notiz auf dem Vorsatz, PML, MA 1804. 328 Vgl. A Book of Verse, S. 15, 19, 46 ; BMAG, Inv.-Nr. 92’20, S. 48 ff. Die Schrift des Londoner »Rubáiyát« zeigt Unterschiede wie kürzere Oberlängen, einen weniger weit nach rechts gezogenen Bogen des f, ein g ohne spitzen Winkel. 329 Fol. 23 Heimskringla, fol. 24 Hafbur & Signy, fol. 25–26 Frithiof the Bold. 330 Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1591, S. 702, datiert 1870–1873. 331 Vgl. Brief Morris’ an Aglaia Ionides Coronio vom 11.2.1873, Kelvin 1984 I, Nr. 184, S. 177–179 ; Mackail 1995 I, S. 291.
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aufhin, dass die Schrift in »a poorer pen« als das ebenfalls eingebundene »Hafbur and Signy«Fragment ausgeführt und deswegen eventuell vor diesem zu datieren sei.332 Freiräume lassen vermuten, dass Morris auch hier zwischen den Kapiteln florales Ornament in Breite der Kolumnen vorgesehen hatte.333 Ungewöhnlich sind die Skizzen (H.: 40 mm) am Kopf der Kolumnen, die zeigen, dass er an dieser Stelle einen Streifen von sieben hochrechteckigen, durch Rahmenleisten getrennten Bildfeldern plante. Sie weisen zwar keinerlei figürliche Motive auf, sollten aber wohl, wie die Beischriften andeuten, mit Darstellungen nordischer Gottheiten gefüllt werden : Morris trug u. a. die Namen Thor, Baldur, Freya, Odin ein.334 Die streifenartige Reihung von vermutlich durch Einzelfiguren bestimmten Bildfeldern verweist auf Murrays Bildstreifen der Jahreszeiten-Personifikationen in »A Book of Verse« (S. 40). Im Seitenrand befinden sich vage Skizzen mit einem Stab, um den sich Ranken winden. Das zweiseitige Fragment von »Hafbur and Signy« (PML, MA 1804, fol. 24r–v) trägt die ersten 18 Verse von Morris’ Übersetzung. Er begann eine unvollendete zweite kalligraphische Niederschrift des Texts vermutlich 1874 (BLO, MS Eng. misc. e. 233/2).335 Die Schrift,
Abb. 31 William Morris, The Story of the Ynglings, ca. 1873, The Morgan Library & Museum, New York, MS MA 1804, fol. 23r. Gift of John M. Crawford Jr.; 1956. Photo © The Pierpont Morgan Library, New York.
332 Dunlap 1972/1976, S. 199. 333 In der zweiten Kolumne von fol. 23r ist der Eigenname Odin in Bleistiftkapitalien eingetragen. Auf dieser Seite wird von seinen Taten und seiner Verehrung berichtet. 334 Die Rückseite des Blattes (fol. 23v) weist am Kopf der Kolumnen Vertikalen, ein eingezeichnetes Seitengerüst und Linierungen auf, ist aber unbeschrieben. Unklar ist, ob Morris auf beiden Seiten einen Bildstreifen plante oder ob es sich nur um eine als Probe fungierende Variation nach Aufgabe des Blattes handelt, zumal die eingeschriebenen Namen mit denjenigen der Vorderseite übereinstimmen. 335 Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 195, S. 534. Der Text liegt auch in handschriftlichen Fassungen von Morris vor, die am 3.2. und 4.2.1870 datiert sind, HL, HM 6427, fol. 151r–164r und fol. 165–177 (nur die Rectoseiten beschrieben) ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 193–194, S. 534. Vgl. a. May Morris, in : CW IX, S. xxxviii. Der Text wurde 1891 in »Poems by the Ways« bei der Kelmscott Press publiziert, Peterson 1985, A2, S. 6–8.
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die sich an diejenige der »Kormak«-Seiten anschließt, ist durch kurze horizontale Serifen und ein f ohne Unterlänge gekennzeichnet.336 Am Beginn der ersten Kolumne ließ Morris acht Zeilen für den Anfang des Textes frei, der wohl in goldenen oder farbigen Kapitalien eingetragen werden sollte. Es sind bis auf den Raum, der für die Ausführung von ein- und zweizeiligen Initialen gelassen wurde, kaum Hinweise auf die geplanten Dekorationen vorhanden. Allein im Interkolumnium sind einige schwungvolle Bleistiftlinien auszumachen, die auf florale Rankenornamente hindeuten : Um einen Stamm winden sich zwei Ranken, die auch in die Freizeilen zwischen den Versen hineinreichen. Einzelne undifferenzierte Kreislinien, die als Ranken zu deuten sind, erscheinen außerdem im oberen rechten Seitenrand. Vier weitere Seiten tragen den Text vom Ende des sechsten bis fast zum Ende des neunten Kapitels der »The Story of Frithiof the Bold« (PML, MA 1804, fol. 25r–26v).337 Morris und Magnússon publizierten die Übersetzung des isländischen Originals in »The Dark Blue«, vol. I, März-August 1871 (S. 42–58, 176–182). Die Übersetzung war bereits im November oder Dezember des Vorjahres abgeschlossen.338 Sie wurde 1875 in den Band »Three Northern Love Stories and other Tales« aufgenommen.339 Die Schrift ähnelt derjenigen der anderen Fragmente, ist aber mit einer etwas breiteren Feder geschrieben, so dass die Buchstaben größer ausgeführt sind und der Gesamteindruck des Schriftbildes etwas dunkler ist.340 Sie ist durch horizontale, leicht nach links unten geneigte Serifen geprägt. Morris verwendet ein G mit j-förmiger Unterlänge, ein f ohne Unterlänge und ein g mit Ohr. Das »Frithiof«-Fragment zeichnet sich durch eine recht aufwendige Dekoration aus goldenen Kapitelangaben (»CHAP.« mit römischer Nummerierung) sowie zweizeiligen Initialbuchstaben auf Quadratgrund, Wortresten und Seitenüberschriften mit der Titelnennung in Goldkapitalis aus. Letztere sind mittig im oberen Seitenrand platziert, somit über das Interkolumnium und das lineare, die Seite in 15 Rechtecke teilende Seitengerüst in Sepia hinweg geschrieben. Die Initialquadrate (fol. 25r) weisen schräg eingestellte Blattzweige nach Art der »Bough«-Kachel auf. Die Zeilen der Gesänge werden z. T. mit alternierend blauen oder roten und goldenen bzw. bronzefarbenen Kapitalbuchstaben eingeleitet.341
336 Dunlap 1972/1976, S. 199. 337 Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1546, S. 689. Fol. 26v ohne Dekoration, nur Text. Die Ornamente zwischen Kapitel VI und VII lediglich grob in Bleistift skizziert, florale Ornamente auch auf fol. 25v–26r eingezeichnet. 338 Brief Morris’ an Henry Buxton Forman ohne Datumsangabe, vermutlich November/Dezember 1870, Kelvin 1984 I, Nr. 125, S. 125–126. 339 Henderson 1986, S. 140–141. Zu »Three Northern Love Stories« siehe Brief Morris’ an Henry Buxton Forman vom 8.12.1873, in : Kelvin 1984 I, Nr. 217, S. 206. 340 Dunlap 1972/1976, S. 200 ; Whitla 2001, S. 53 : Morris’ erste »roman« Schrift. 341 Die meisten allerdings nur in Bleistift eingetragen.
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In der Anordnung des floralen Ornaments folgt Morris den »Kormak«-Seiten, so dass die Gesänge gerahmt und die Kapitel getrennt werden, wobei die Ranken und Zweige nur sehr grob in Bleistift skizziert sind. Nur fol. 26r präsentiert in Kolumnenbreite detaillierte Zeichnungen in Sepia über Bleistift mit sich elipsenartig verschränkenden Orangenzweigen und einem Rosenbusch, der neben einem Stab ansetzt. Auf der Rückseite sind sich einrollende Ranken mit eichenartigen Blättern und Beeren flüchtig und unvollendet skizziert. Fol. 25r (Abb. 32) wiederum weist in allen vier Seitenrändern Bleistiftskizzen von Ornamenten auf : im inneren und äußeren Seitenrand sich um einen Stab windende Blattranken und Blütenzweige, im oberen Seitenrand sich volutenartig um die Titelüberschrift einrollende Linien und im unteren eine auf einem kleinen Erdhügel ansetzende Ranke mit ausstrahlenden Zweigen. Genauer sind lediglich die Blattzweige im oberen äußeren Seitenrand und die Blätter- und Blütenzweige im inneren Abb. 32 William Morris, The Story of Frithiof the Seitenrand gearbeitet. Links seitlich der Ranke Bold, ca. 1871/1873, The Morgan Library & Museum, im unteren Seitenrand sind zwei Figuren an- New York, MS MA 1804, fol. 25r. Gift of John M. Crawford Jr.; 1956. Photo © The Pierpont Morgan gedeutet, während eine grob skizzierte, zum Library, New York. Schriftbereich gewendete Flötenspielerin in der oberen Hälfte des äußeren Seitenrands eingefügt ist.342 Dieses Figurenmotiv deutet auf eine Entstehung des Handschriftenfragments in der Zeit der Ausführung der Londoner »Ynglings«-Handschrift (SoA, MS 906) und des Londoner »Rubáiyáts« hin, das Morris 1871 begann und im Oktober 1872 beendete. Im unteren Seitenrand von fol. 25v sind ebenfalls sich volutenartig einrollende Linien eingetragen, die von einem Blattzweig begleitet werden. Es ist auf Grund der Vielzahl und Verschiedenheit der Ornamentmotive sowie ihrer Struktur, die keine Einheitlichkeit erkennen lässt, zu vermuten, dass Morris diese beiden
342 Vgl. mit der vermutlich von Morris entworfenen Flötenspielerin des »Rubáiyát«, BL, MS Add. 37832, S. [19].
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Blätter ursprünglich für das »Frithiof«-Manuskript vorgesehen hatte, dann aber aussortierte und zum Ausprobieren von Dekorationsideen verwendete.343 3.4.3 »The Story of Frithiof the Bold«
Die in Privatbesitz befindliche ebenfalls doppelkolumnige Handschrift »The Story of Frithiof the Bold« nimmt in der Gruppe eine Sonderstellung ein, da sie nach Morris’ Tod vollendet wurde und zwei Miniaturen aufweist. Morris hatte zwar die Abschrift der Übersetzung abgeschlossen, aber die Dekoration war unvollendet, als er das Manuskript an Charles Fairfax Murray gab. Dieser beauftragte im November 1906 Louise Lessore (verheiratete Powell, 1882–1956),344 eine Schülerin Edward Johnstons, mit der Beendigung der ornamentalen Ausstattung und Graily Hewitt (1864–1952) mit der Ausführung von Vergoldungen und kalligraphischen Arbeiten.345 Hewitt, ein gelernter Jurist, hatte sich zunächst in seiner Freizeit mit Kalligraphie beschäftigt und widmete sich ihr schließlich, durch das Vorbild Johnstons ermutigt, hauptberuflich. Besonderes Interesse brachte er der Vergoldung entgegen, und er erprobte verschiedene Rezepte, um die beste Technik zu finden.346 Hewitt war ein enger Freund von Sir Sydney Cockerell (1867–1944), der seit 1892 als Sekretär von William Morris und seit 1894 als Sekretär der Kelmscott Press arbeitete. Wie Morris war Cockerell ein begeisterter Sammler von illuminierten Manuskripten, denen auch während seiner Amtszeit als Direktor des Fitzwilliam Museums in Cambridge (1908–1937) stets sein besonderes Interesse galt. Hewitt und Powell waren bis 1907 mit der Arbeit an der »Frithiof«-Handschrift beschäftigt.347 343 Vgl. a. Dunlap 1972/1976, S. 202. 344 Zu Louise Powell : Maureen Batkin, Alfred and Louise Powell, in : Mary Greensted (Hrsg.), The Arts & Crafts Movement in the Cotswolds, Stroud 1993, S. 92–109. 345 In einem Brief vom 25.11.1906 erkundigt sich Lessore bei Murray nach den Bezahlungsmodalitäten (per Stück oder nach Arbeitszeit) und kündigt an : »I will do a little sketch before I begin any of the work and bring it for you to see«, JRLM, MS 1281, fol. 547. Siehe auch den Brief Alfred Powells an seine Mutter Emma vom 25.11.1906, in dem er berichtet, dass seine Frau sowohl an der »Frithiof«-Saga arbeite als auch den Auftrag zur Beendigung der Ornamente des ebenfalls von Morris nicht beendeten Vergil-Manuskripts erhalten habe, Powell Papers, Sammlung Jill Thompson-Lewis. Ich danke Jacqueline Sarsby für das freundliche Bereitstellen dieser Quelle. 346 Siehe BL, MS Egerton 3783 von 1935 : Jede Seite ist mit einer anderen Goldtinte geschrieben. In einem beigefügten Heft listet Hewitt die jeweiligen Rezepte und kritische Bemerkungen, Vor- und Nachteile auf. 347 Hewitt sandte am 23.1.1907 Murray eine Rechnung über das Anfertigen von Überschriften, Kapitelnummern, goldenen und farbigen Buchstaben, Titel und Schlusswort in der »Frithiof«-Handschrift, Brief Hewitts an Murray vom 23.1.1907, HRC. Am 17.2.1907 berichtete er über die Fortschritte bei seinen Vergoldungen und bei der Illuminierung durch Louise Powell (»Mrs Powell’s illuminations to it look splendid«), und am 10. März 1907 teilte Hewitt Murray die Vollendung seines Anteils am »Frithiof« mit : »Your Frithiof is complete without disaster, and looks jolly«, Briefe Hewitts an Murray vom 17.2. und 10.3.1907, HRC. In
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Im Unterschied zur »Kormak«-Handschrift sind die das Schriftfeld definierenden Linien nicht in die Seitenränder hinein verlängert. »The Story of Frithiof the Bold« ist mit braunschwarzer Tinte in einer geraden humanistischen Buchschrift mit schrägen Serifen geschrieben.348 In den dreieckigen Verdickungen am Ende der Oberlängen, die durch die nach rechts hinübergezogenen Serifen entstehen, ähnelt sie der Schrift auf den ersten »Kormak«-Seiten. Es findet sich die winklig gebrochene Verbindung des g, das an der rechten Seite der oberen Buchstabenschlaufe ein Ohr trägt, und ein f ohne Unterlänge. Die Rundungen bei d und g sind groß und kreisförmig ausgebildet, während das a zweistöckig geformt und das b mit einem relativ kleinen Kopf versehen ist. Die Kapitalbuchstaben sind von großer, breiter Gestalt. Auffällig ist, dass die obere Schlaufe des B oftmals etwas breiter als die untere gehalten ist. Die Kolumnen sind – für Morris eher ungewöhnlich – im unteren Seitenrand jeweils außen arabisch in Tinte nummeriert. Die Seitenüberschriften mit der Titelnennung sind wie beim »Frithiof«-Fragment (PML, MA 1804, fol. 25r–26v) in Goldkapitalis geschrieben und mittig, das Interkolumnium überspannend, in den oberen Seitenrand gestellt. Ebenfalls in Gold ausgeführt sind die mittigen Kapitelangaben (»Chap.«) mit römischer Nummerierung, die zweizeiligen Initialbuchstaben und der Wortrest.349 Hewitts Kapitalbuchstaben unterscheiden sich von denjenigen Morris’ durch größere Klarheit, Präzision und Ebenmäßigkeit, wodurch sie allerdings auch gleichförmiger und weniger »lebendig« wirken. Die Initialquadrate zeigen eine Dekoration aus Rankenwerk oder einem diagonal eingestellten Blattzweig, die an »A Book of Verse« und die »Dwellers II« anknüpft. Die Zeilen der Gesänge beginnen jeweils alternierend mit goldenen und blauen oder goldenen und roten Initialbuchstaben. Eine maschinenschriftliche Notiz Murrays listet Morris’ Anteil an dem »Frithiof«Manuskript auf und berichtet über die Vollendung der Handschrift : This MS, the ornaments of which were completed in 1907, was one of the earliest written by William Morris. He gave it me in an incomplete state. The border and flowery ornaments on the first page are by Miss Lessore (afterwards Mrs Alfred Powell). Wm. Morris drew and coloured the flowery headings, tail pieces and ornaments to the 3rd, 4th, 5th, 6th, 8th and 11th columns also three unfinished headings (drawn in only) to the 10th, 15th and 16th columns. The remaining coloured pieces in the 15th and 16th columns and those in the 13th, 14th and 17th are mine. Mrs Powell began on the 18th whence the remainder of the ornaments to the end are hers but I did the little picture at the head of the 14th chapter and the figures in the border to
einem Brief an Murray vom 23.3.1907 erwähnte Hewitt, dass er den »Frithiof« an Louise Powell weitergegeben habe, HRC. Brief vom 16.4.1907 mit Dank für die Bezahlung, HRC. Diese kündigte in einem Brief vom 11.4.1907 Murray die Zusendung des »Frithiof« an, JRLM, MS 1281, fol. 548. 348 Dunlap 1972/1976, S. 207. 349 Nur die Kapitelbezeichnung zu Kapitel II auf fol. 1v ist in Blau ausgeführt.
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1st page. / Wm. Morris set the pattern of the initials to the 2nd, 3rd and 4th chapters. The others were done by Mrs Powell. Most of the gilding was done by Mr. Graily Hewitt and the book was bound by Mr Cobden-Sanderson in 1885.350
Vallance beschrieb die Handschrift 1897 in ihrem unvollendeten Zustand : »They [the ornaments] consist of floral sprays executed with exquisite delicacy of design and colouring ; but for the most part the outline only of the ornaments has been roughed in in pencil.«351 Es ist in diesem Zusammenhang zu überlegen, inwieweit die ausgeführte Dekoration Morris’ Vorstellungen folgte, ob überhaupt Miniaturen vorgesehen waren oder ob die Kapitelzwischenräume nicht einheitlich wie bei der »Kormak«-Handschrift nur durch florales Ornament gefüllt werden sollten. Morris gab zwar durch die Textanordnung und die von ihm ausgeführten Dekorationen eine Grundlage vor, die aber Spielraum für Variationen ließ. Murray jedoch wird mit Morris’ Dekorationsabsichten vertraut gewesen sein und war, wenn von einem geplanten Miniaturenschmuck auszugehen ist, eventuell, wie Zeichnungen in seinem Skizzenbuch (PML, Inv.-Nr. 1963.8) nahelegen, in die Konzeption und Ausfertigung der Handschrift noch unter Morris’ Leitung einbezogen. Die von Lessore ausgeführte üppige Rahmendekoration auf S. 1 (Taf. 5) aus langen, weißen, bräunlich schattierten Blättern, goldgefüllten, mit punzierten Mustern dekorierten Blüten und Knospen auf einem blau-rot-grünen, mit weißen Dreipunktgruppen verzierten Polstergrund, folgt allerdings nicht Morris’ illuminierten Handschriften, sondern orientiert sich, ausgehend von einer Idee Hewitts, an den Seitenrändern des KelmscottChaucers von 1896 und an der Farbigkeit Florentiner Weißrankenornamente der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.352 In der Mitte des unteren und etwas oberhalb der Mitte des äußeren Seitenrands ist jeweils eine runde Fläche ausgespart, die wohl entweder wie bei den gedruckten und illuminierten »Volsungs«-Exemplaren mit den Initialen des Besitzers oder aber mit zusätzlichen szenischen Malereien gefüllt werden sollte. Die erste Kolumne beginnt mit dem Titel der Handschrift in zwei Zeilen von Goldkapitalis. Zierliche Rosenranken trennen eine querrechteckige Miniatur (35 × 76 mm) von dem Titel und dem Beginn des ersten Kapitels. Sie gibt einen Innenraum wieder, in dem im rechten Vordergrund ein sich umarmendes Paar auf einer Holzbank vor einer floral dekorierten Wand sitzt. Auf der linken Seite werden hinter einer hölzernen Sitzbank durch zwei Fenster mit eingestellten Säulen sowie rechts durch eine leicht geöffnete Tür Ausblicke in eine durch einen Zaun abgegrenzte Gartenlandschaft mit einer Meeresbucht im Hintergrund ermöglicht.353 Unter Bäumen sitzt eine Gruppe von bunt gekleideten Figuren, in der ein weiteres in Orange und Blau gekleidetes Paar steht. 350 351 352 353
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Maschinenschriftliche Notiz Murrays in PML, MA 1804. Vallance 1989, S. 383. Brief Hewitts an Murray vom 22.1.1908, HRC. Der Raum mit der Bank vor den Fenstern ähnelt demjenigen in Murrays Aquarell »Music in Summer« im
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Abb. 33 Charles Fairfax Murray, Skizzen zu Helga und Gunnlaug, Skizzenbuch, 1868–1870, The Morgan Library & Museum, New York, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 72r. Purchased as the gift of the Fellows. Photo © The Pierpont Morgan Library, New York.
Die Szene im Innenraum zeigt vermutlich das Beisammensein von Ingibiorgs Eltern, König Beli und seiner Frau, während im Hintergrund das Paar im Kreise seiner Kinder dargestellt ist.354 Eine ähnliche Komposition findet sich in Murrays Skizzenbuch, das mehrere Zeichnungen mit einem vor einem Fenster und einem Wandbehang sitzenden Paar enthält (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 72r, 73r ; Abb. 33). Diese bilden jedoch eine Szene des vierten Kapitels ab : Frithiof steckt Ingibiorg seinen Armreif als Zeichen seiner Zuneigung an. Weitere Skizzen auf fol. 73r zeigen einen an einem Abhang hockenden, nachdenklich den Kopf aufstützenden Mann, einen Schlafenden, der im Wald von einer Figur betrachtet wird sowie einen stehenden Mann in langem Gewand im Gespräch mit zwei ihm gegenüber erhöht sitzenden Männern. Hierbei handelt es sich wohl um Entwürfe für die folgenden Szenen : Frithiof »in an heavy mood« in Begleitung Biorns (Kap. II), der im Skizzenbuch, PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 36r. 354 Vgl. Eiríkr Magnússon/William Morris, Three Northern Love Stories and other Tales, London 1875, CW X, S. 48. Um eine Szene zwischen Frithiof und Ingibiorg wird es sich nicht handeln, da sich die Darstellung der beiden Männer in den Miniaturen unterscheidet.
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Beisein von Frithiof im Wald schlafende König Ring (Kap. XIII), Frithiofs Werbung bei Ingibiorgs Brüdern (Kap. II) oder König Rings Boten vor Helgi und Halfdan (Kap. III).355 Auf der zweiten Miniatur vor Kapitel XIV in Kolumne 40 ist in einem Raum links ein Paar dargestellt, ein alter weißbärtiger Mann und eine junge blonde Frau, in einem fast die ganze Höhe der Miniatur einnehmenden Himmelbett mit blauen Behängen liegend. Ihnen zugewendet steht am Fußende des Bettes ein in Rot und Grün gekleideter Ritter, der die Vorhänge des Bettes zur Seite zieht.356 Durch das große Fenster der Rückwand werden eine karge Seenlandschaft mit einer einzelnen Baumgruppe und das davor grasende Pferd des Ritters sichtbar. Der durch den zurückgezogenen Vorhang erkennbare umgeknickte Baum wird durch eine Unterbrechung der Bergkette betont. Verbindet dieser Baum durch seinen geknickten Verlauf klammerartig die Frau und den Stehenden, so wird Letzterer zugleich durch die markanten Vertikalen des Bettvorhanges sowie durch die Horizontalen der Bettdecke bzw. der Sockelleiste des Bettes von ihr getrennt. Der Ritter bildet durch den Farbton seiner Kleidung den einzigen warmtonigen Akzent innerhalb der von kühlen Blau- und Grünwerten bestimmten Miniatur. Die Szene illustriert den im 14. Kapitel geschilderten Abschied Frithiofs von König Ring von Ringrealm und Ingibiorg, die diesen während Frithiofs Abwesenheit auf den Orkney-Inseln geheiratet hatte.357 Nach den komplex deutbaren Miniaturen des »A Book of Verse« handelt es sich in »Frithiof« um Illustrationen, die der Geschichte folgend, wichtige Momente des Handlungsablaufes visuell umsetzen und damit Akzente innerhalb der Geschichte bilden. Das den Text unterstützende Element dieser Illustrationen wird auch darin deutlich, dass Murray bestrebt ist, in der detailliert wiedergegebenen, doch spärlichen Ausstattung und den kargen Landschaften den Handlungsort lebendig werden zu lassen. Zeit und Ort, die Murray atmosphärisch schildert, sollen die Umstände der Geschichte anschaulich und nachvollziehbar machen. 43 farbige florale Dekorationen befinden sich zwischen den Kapiteln und als Begleitung der Gesänge, die wie in der »Kormak«-Handschrift zu drei Seiten eingefasst werden und dadurch die Gesänge gegenüber dem Fließtext abheben.358 Die Malereien Morris’ auf fol. 1r–5v umfassen Initialquadrate mit diagonal eingestellten oder rankenden Blatt- und Blütenzweigen, Füllornamente aus zierlichen, sich zumeist schwungvoll einrollenden Ranken aus grünen Blattzweigen mit kleinen roten und blauen Blüten in Kolumnenbreite sowie Dekorationen am Fuß der Kolumnen aus einem kleinen Erdhügel mit Blütenzweigen.359 In Stilisierungsgrad und Arrangement entspre355 CW X, S. 50. 356 Die Szene ereignet sich »early of a morning-tide« in »that hall, wherein slept the king and queen, and many others«, CW X, S. 77. 357 Vgl. CW X, S. 77. 358 Zwölf weitere Dekorationen, die nach der 18. Kolumne folgen, blieben unvollendet, May Morris, in : CW IX, S. xx. 359 Vgl. ähnliche kleine Erdhügel mit darauf ansetzenden Blütenzweigen in »A Book of Verse«, Inhaltsverzeichnis.
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chen die floralen Ornamente denjenigen der »Kormak«-Handschrift. Die Ornamente Lessores zeigen zwar eine ähnliche florale Motivik und Anordnung wie die von Morris ausgeführten Dekorationen, doch sind sie durch einen unterschiedlichen Charakter geprägt : Sie sind klarer, regelmäßiger und flächiger gestaltet, weisen weniger Überschneidungen auf, da die einzelnen Elemente eher nebeneinander auf der Fläche angeordnet werden, und wirken etwas lichter, stärker stilisiert und leuchtender in der Farbgebung, wobei ein intensives gelbliches Hellgrün kennzeichnend ist. Lessore organisiert die Ranken durch Überkreuzungen, Ovalbildungen, wellenartigen Verlauf und volutenartige Einrollungen, während Morris’ Rankenornamente um 1870/1871 durch das geschickte Überschneiden einzelner Zweige einen fast kontinuierlich aufsteigenden Eindruck vermitteln. Während er die konturierten Ranken mit Wasserfarbe ausfüllt, zeichnet Lessore die Zweige mit feinem Pinsel in dünner Strichelung ein. Auch bei den Initialdekorationen lassen sich Unterschiede zwischen beider Arbeiten feststellen : Lessore verwendet für Morris ungewöhnliche Farbtöne wie ein milchiges Blau oder ein leuchtendes Hellrot. Ihre Initialdekorationen sind in einigen Fällen so kleinteilig und additiv angelegt, dass innerhalb des Initialquadrates keine klare Ornamentstruktur zu erkennen ist. Murrays Notiz ermöglicht eine Zuschreibung des floralen Ornaments der dritten bis sechsten, der achten und elften Kolumne sowie die unvollendeten oberen Dekorationen der zehnten, 15. und 16. Kolumne an Morris. Dieser skizzierte auch die Initialen zu den Kapiteln II–IV. Im Auktionskatalog von 1989 wird vermutet, dass die dreizeilige unkolorierte Initiale der 16. Kolumne eventuell in Zusammenarbeit von Morris und Murray entstand, ob beide jedoch auch zur gleichen Zeit daran arbeiteten, wird offengelassen.360 Ein Gemeinschaftswerk ist auch in den Füllornamenten dieser Kolumne zu erkennen. Ist die Ausführung unter Murray sehr gut belegt, so wird eine Datierung des Arbeitsbeginns unter Morris durch die unterschiedlichen Angaben aus seinem Kreis erschwert. Zumeist wird die Handschrift 1873–1874 datiert. Mackail, der das »Frithiof«-Manuskript als »work of remarkable delicacy and beauty« lobte, erwähnte es in Zusammenhang mit den »Three Icelandic Sagas«, an denen Morris nach seiner zweiten Island-Reise von 1873 bis zum Februar 1874 arbeitete.361 Auch Vallance deutete eine Datierung um 1874 an, indem er auf die »somewhat similar script to the last [Morris’ »Aeneis«-Handschrift], and adorned with illuminations by the same hand« verwies.362 Eine Datierung in diesen Zeitabschnitt ist zudem wahrscheinlich, da Morris seit spätestens Dezember 1873 mit der Publikation der »Three Northern Love Stories« beschäftigt war, die neben der FrithiofGeschichte auch »Gunnlaug the Worm-Tongue« beinhalten sollte.363 May Morris dage360 361 362 363
Christie’s 19.5.1989, S. 87. Mackail 1995 I, S. 299. Sotheby’s 7.7.1919, Los 67 gibt als Datum 1873 an. Vallance 1989, S. 383. Vgl. Kelvin 1985 I, Nr. 217 (Brief Morris’ an Buxton Forman [8.12.1873]), S. 206, und Nr. 223 (Brief Morris’ an Eiríkr Magnússon [27.1.1874]), S. 212.
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gen hielt fest, dass das Manuskript »probably 1871« entstanden sei.364 Murray unterstützt diese frühe Datierung durch seinen Vermerk : »This manuscript was one of the earliest written by William Morris.«365 Ein Brief Morris’ an Murray ohne Datumsvermerk, von Kelvin 1871 datiert, könnte mit der »Frithiof«-Handschrift in Verbindung stehen, da außer Fragmenten keine andere Abschrift des Textes von Morris erhalten und bekannt ist.366 Eine Datierung des Manuskripts in die Zeit um 1871 wird weiterhin durch den handschriftlichen Eintrag von Cockerell im »Kormak«-Manuskript unterstützt : »It is uniform with a manuscript of the Frithiof Saga, belonging (1898) to C. Fairfax Murray«, wobei er die »Kormak«-Schrift »not later than 1871« datierte.367 Auch Dunlap entschied sich für eine Datierung um 1871.368 John Nash und William Withla dagegen favorisierten die spätere Datierung in die Zeit 1873–1874.369 Wenn die anderen Handschriften der doppelkolumnigen Gruppe in die Zeit 1871/1872 zu datieren sind, wird man auch das »Frithiof«-Manuskript in diese Zeit setzen müssen. Es wäre ungewöhnlich, wenn Morris zu einem späteren Zeitpunkt, also 1873/1874, für eine einzige auf Layout und Dekorationen früherer Handschriften zurückgreifen sollte. 3.4.4 »The Story of Hen Thorir« und »The Story of the Banded Men«
Eine zweite Gruppe von illuminierten doppelkolumnigen Handschriften mit Übersetzungen aus dem Isländischen präsentiert anstelle der floralen Dekorationen in Kolumnenbreite zwischen den Kapiteln eine den Kapitelanfang begleitende florale Randdekoration, die sich an diejenige der »Dwellers II« anschließt. Zu dieser Gruppe zählen die Übersetzungen der »The Story of Hen Thorir« und »The Story of the Banded Men« (BLO, MSS Eng. misc. d. 266 und 267), die Morris ein zweites Mal, 1873–1874, in der illuminierten Handschrift »Three Icelandic Sagas« (FMC, MS 270*), wieder als Geschenk für Georgiana Burne-Jones, niederschrieb. Bei den Oxforder Manuskripten vollendete Morris zwar den Text, führte aber nicht die Arbeit an der ornamentalen Dekoration zu Ende. »The Story of Hen Thorir« (BLO, MS Eng. misc. d. 266) ist in einer gerundeten humanistischen Kursivschrift geschrieben, die zunächst noch derjenigen der »Dwellers II« ähnelt, die Morris am 19.4.1871 beendete, und ist wie diese gekennzeichnet durch feine diagonale, einzelne Buchstaben verbindende Serifen, schlanke Oberlängen mit Serifen, die die leichte Neigung der Schrift nach rechts mildern, ein f mit kurvig nach links eingerollter Unterlänge, ein g mit spitzem Winkel in der Verbindungslinie zwischen Kopf und 364 May Morris, in : CW IX, S. xx. 365 PML, MA 1804, Vorsatzblatt. 366 »Please give bearer Frithiof I am asked to read it tonight – You shall have it back tomorrow morning – Send it all«, zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 131a, S. 130 ; vgl. Rosenbaum/Pearson 1993, S. 689–690. 367 Zit. nach : PML, MA 1804. 368 Dunlap 1972/1976, S. 422. 369 John Nash, in : Parry 1996, S. 304 ; Whitla 2001, S. 86, 90, 93.
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Handschriften mit doppelkolumnigem Seitenaufbau
Schlaufe. Ab S. 11 verzichtete Morris auf die diagonalen Serifen und verwendete geradere Oberlängen mit kürzeren Serifen.370 Die Majuskeln zeigen im »Hen Thorir«-Manuskript eine zurückhaltendere Gestaltung.371 Auf den Seiten 12 und 17 verwendete Morris zur Hervorhebung der Passagen plötzlich für einige Worte doppelt so große Buchstaben. Auf diesen Seiten erscheint auch ein zweistöckiges a und – wie in den »Kormak«- und »Frithiof«-Handschriften – ein f ohne Unterlänge.372 Die ersten drei Zeilen der »Hen Thorir«-Handschrift sind mit alternierenden Goldund Silberkapitalien gefüllt, wobei in der dritten Zeile drei nebeneinander gereihte akanthusartige Blätter in Gold und Silber als Zeilenfüllung dienen. Sie erinnern in ihrer Anordnung etwas an die kontinuierliche Abfolge der sich spiralig um die Baumstämme windenden Blatt- und Akanthusranken der »Dwellers II«-Handschrift. Die erste Seite wird zusätzlich durch florale Dekorationen im linken Seitenrand ausgezeichnet : eine grüne Blattranke, deren Einschwingungen seitlich jeweils von hellen Streublumen, darunter Nelken, Gänseblümchen, Tulpen, ausgefüllt werden, windet sich einen Goldstab empor – ein Motiv, das sich in den Seitenrändern von »A Book of Verse«, in der »Dwellers II«-Handschrift und in Morris’ »Love is Enough«-Entwürfen wiederholt. Die Klarheit der Anordnung und das gebändigte Wachstum erinnern dabei am ehesten an die floralen Ornamente, die die Gesänge auf den Seiten begleiten, die Morris vermutlich aus seiner ersten »Dwellers«-Handschrift in die zweite Version übernahm.373 Das Motiv der eingestreuten Blumen und das relativ lockere Arrangement des Ornaments weisen Parallelen zu der Randgestaltung in »A Book of Verse« auf. Die Farbwahl für die einleitenden Majuskeln und floralen Elemente aus kaltem Grün und hellen Gelbtönen verleihen der Seite einen frischen, kühlen Charakter. Das erste Initialfeld greift die Metalltöne des Stabes und der Überschrift in den Silber- und Goldschuppen auf, über denen zwei Apfelzweige vor einem blauen Himmelsstreifen eingefügt sind. Die übrigen Initialquadrate können mit helleren, den Farbton des Grundes variierenden Ornamenten aus kleinteiligen, stilisierten Zweigen und Blumen (S. 4, 6, 7, 11, 15) oder mit einem diagonal in das Quadrat eingestellten Blatt- oder Blütenzweig verziert werden (S. 7, 12). In der Wahl der dekorativen Elemente, der feinen Malweise und der hellen, klaren Farbigkeit ähneln sie Initialgründen des »A Book of Verse«, während die Schattierung der Gründe, d. h. die Zunahme der Farbintensität von unten nach oben, sich in der »Dwellers II«-Handschrift wiederholt. Im Unterschied zu den »Kormak«- und »Frithiof«-Handschriften lässt Morris keinen Freiraum zwischen den Kapiteln. Die in Gold eingetragene Bezeichnung »Chap :« mit 370 Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 188 ; Dunlap 1976, S. 59 ; Whitla 2001, S. 51 : Morris’ zweite Kursivschrift. 371 Das G z. B. verliert die j-förmige Unterlänge, das T seinen geschwungenen Deckbalken, die Füße der Buchstabenstämme werden verkleinert. 372 Manchmal werden beide Schriftformen noch nebeneinander verwendet wie z. B. in der Überschrift zu Kapitel II, Dunlap 1976, S. 59. 373 Vgl. BMAG, Inv.-Nr. 92’20, S. 51–55.
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römischer Nummerierung folgt mittig gestellt unmittelbar auf den Abschluss des vorangegangenen Kapitels. Die Kapitelanfänge werden durch florale Ranken in den Seitenrändern oder dem Interkolumnium betont : Übereinandergelegte und sich überkreuzende Blatt- und Blütenzweige, in die auch Blumen eingestreut sein können, und geschwungene Apfel-, Blütenund Blattzweige begleiten die Initialquadrate. Die in »A Book of Verse« beliebte Kombination aus Weiden- und Rosenzweigen, aus Apfel- bzw. Granatapfelzweigen und von kleinen Blüten besetzten Ranken wird in »Hen Thorir« aufgegriffen (S. 2, 4, 11). An Seitenrandgestaltungen in den »Dwellers II« erinnern zwei unterschiedliche miteinander verschränkte oder übereinander angeordnete Zweige, die schwungvoll in die Seitenränder hineinreichen (BLO, MS Eng. misc. d. 266, S. 4, 6, 12 ; Abb. 34) oder in gegensätzliche Richtungen verlaufend und an den Enden einander überschneidend eine klammerartige Begleitung ausbilden (S. 2). Einmal nur, im Interkolumnium auf S. 7, findet Abb. 34 William Morris, The Story of Hen Thorir, 1871 oder 1873, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. sich das an die »Dwellers II« (S. 11) und Mor266, S. 6. Photo Bodleian Libraries, The University ris’ Entwürfe für die »Red House«-Stickereien of Oxford. erinnernde Motiv des Obstbaums, um dessen Stamm sich eine Rose windet. Auf »A Book of Verse« und »Love is Enough« verweist die Dekoration auf S. 23 mit einer auf einem Grasstreifen ansetzenden Weinrebe und einer Blattranke, die sich miteinander verschränken. Die »Hen Thorir«-Handschrift schließt sich nicht nur, wie es Dunlap zeigen konnte, unter kalligraphischen Aspekten, sondern auch im Arrangement und in der Auswahl der floralen Dekoration an das »A Book of Verse« und besonders an die zweite »Dwellers«Handschrift an.374 In Format, Papier, Aufbau und Schrift ähnlich ist »The Story of the Banded Men« (BLO, MS Eng. misc. d. 267) gehalten, wobei die Ähnlichkeit der Schrift auf den hinteren Seiten besonders stark ausgeprägt ist.375 Ab S. 11 wirkt die Schrift zunächst kleiner, etwas mehr geneigt und komprimierter, ändert Morris die Schreibweise für das g. Ab S. 14 erscheint 374 Zur Schrift : Dunlap 1976, S. 58. 375 Dunlap 1972/1976, S. 189.
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ein geschwungenes E nach Arrighis Vorbild, dessen untere Schlaufe auf den späteren Seiten vergrößert wird und, als Unterlänge behandelt, den zweiten Buchstaben des Wortes von unten her umfängt.376 S. 17 weist zum ersten Mal ein a und e in Unzialform auf (bis S. 29).377 Die Schrift wird offener und gerader bei Betonung der Vertikalen.378 Das Schriftbild wirkt relativ dicht, eng und wird durch die hohen Oberlängen geprägt. Auf S. 17 haben die Buchstabenschäfte fast die dreifache Länge des Buchstabenkörpers erreicht, so dass sich Unter- und Oberlängen auf Grund ihrer Höhe bzw. Länge miteinander verbinden. Ab S. 31 verwendet Morris dann eine enge, etwas kleinere, klare und zierliche Schrift. Er reduziert ab S. 33 die Höhe der Oberlängen, die sehr gerade und nur mit einer kurzen Serife gebildet sind. Auf späteren Seiten findet sich eine leichte Verbreiterung der Oberlängen mit kurzen Serifen, die auf die klare humanistische (römische) Buchschrift vorauszuweisen scheinen, die Morris in dem Londoner »Rubáiyát« verwendete. Abb. 35 William Morris, The Story of the Banded Dunlap erkannte Beziehungen zu Beispielen Men, 1871 oder 1873/1874, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 267, S. 1. Photo Bodleian Libraries, von »roman lettering« in den Schriften Arrighis The University of Oxford. und Taglientes und wies auf eine Verwendung ähnlicher Formen in Morris’ »Aeneis«-Handschrift von 1874/1875 hin.379 Seine Schriftuntersuchungen zusammenfassend stellte er fest, dass die Handschrift eine »mixture of letter forms and more interest in variety than in consistency« zeige.380 Er vermutete, dass auch sie über einen längeren Zeitraum mit Abständen und Pausen entstanden sei, wobei er auf den Wandel der Schreibweise von »Eyr« zu »Ere« seit dem 10. Kapitel aufmerksam machte und diese Änderung innerhalb eines Zeitraumes von April 1871 bis Dezember 1873 ansetzte.381 376 Ebd., S. 189. 377 Ebd., S. 191. 378 Ebd. 379 Ebd. Whitla 2001, S. 86, dagegen betont die kursiven Elemente der Schrift. 380 Dunlap 1972/1976, S. 192. 381 Ebd., S. 193.
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Dem Textbeginn ist auf der ersten Seite (Abb. 35) der Titel in drei Zeilen von Kapitalis, alternierend in Purpur und Rot, vorangestellt – eventuell die Grundierung für eine spätere Metallauflage wie bei der »Hen Thorir«-Handschrift. Als Zeilenfüller dient ein Blattzweig mit roten Blüten. Die zweizeilige T-Initiale entspricht mit ihrem sich nach unten aufhellenden Quadratgrund und einer zum Buchstabenstamm symmetrischen kleinteiligen floralen Dekoration den Initialen der »Hen Thorir«- und »Dwellers II«-Handschriften. Der linke Seitenrand wird von zwei sich umwindenden, elipsenartige Formen ausbildenden Blattzweigen gefüllt, die Ornamentstrukturen in »A Book of Verse« und der »Dwellers II«Handschrift verbunden sind. Im oberen Drittel des inneren Seitenrands ansetzend, ist ein einzelner Zweig mit großen margeritenähnlichen Blüten in die Ranken eingefügt, der in den oberen Seitenrand in die Breite der ersten Kolumne hineinragt. Diese Anordnung wiederum variiert diejenige des floralen Ornaments auf der ersten Seite der »Kormak«Handschrift. Morris füllte in den »Banded Men« entsprechend auch die Fläche zwischen Titel und Textbeginn in Breite der Kolumne, die Kapitelangaben (»Chap :« mit arabischer Nummer sowie ebenfalls mittig platzierte Angaben zum Inhalt) hinterlegend, mit einem dichten Geflecht aus sich einrollenden Punktblütenranken. Die restliche Dekoration der Handschrift ist nur in Bleistift skizziert.382 Die beiden Oxforder Handschriften sind auf Grund ihrer Schrift und ihrer Dekoration vermutlich in die Zeit zwischen der Arbeit an der »Dwellers II«-Handschrift und dem Beginn der »Rubáiyát«-Handschriften, somit in das Jahr 1871 zu datieren. John Nash schlug dagegen eine Datierung um 1874 vor.383 Allerdings sind Morris’ datierte Handschriften dieser Jahre durch die Verwendung von Weißranken-Ornament charakterisiert, das in den beiden Handschriften fehlt. Weiterhin sollte bedacht werden, dass für 1871 nur die Beendigung der »Dwellers II« und der Beginn des Londoner »Rubaíyáts« überliefert sind, während in der Zeit um 1873/1874, abgesehen von Morris’ vielfältigen anderen Aktivitäten, die umfangreichen Handschriften der »Three Icelandic Sagas« und der »Oden« entstanden. Würde die spätere Datierung zutreffen, müsste überlegt werden, in welcher Beziehung sie zu den »Three Icelandic Sagas« in Cambridge stehen und weshalb Morris diese Seiten nicht – wie es sich im Falle der »Dwellers I« und »Dwellers II« beobachten ließ – in sein Geschenk für Georgiana Burne-Jones integrierte. 3.4.5 Die Cheltenhamer Fragmente
In Cheltenham hat sich zusammen mit Seiten eines »Lancelot«- und »Heimskringla«Projekts ein Fragment mit der dritten Geschichte der »Three Icelandic Sagas«, »The Story 382 Auch den letzten Satz des Textes trug Morris in Bleistift ein, um ihn vermutlich später wie in der »Dwellers II«-Handschrift als Schlussakzent zu vergolden. 383 Nash, in : Parry 1996, S. 307.
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of Howard the Halt«, erhalten (CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, fol. 11r– 19r).384 Es ist anzunehmen, dass sich Morris bereits vor Ausfertigung der Cambridger »Three Icelandic Sagas« mit Gedanken zu einem solchen Projekt beschäftigte. Die drei Fragmente sind in einer humanistischen Buchschrift geschrieben, die durch leicht nach rechts geneigte Oberlängen mit schrägen Serifen gekennzeichnet ist, die sich aber im Detail voneinander unterscheiden. Das f hat zumeist keine Unterlänge, Kopf und Schlaufe des g werden durch einen Winkel verbunden bzw. durch eine gerade mittig angesetzte Linie, wobei die Schlaufe von querovaler Form ist. Die »Lancelot«-Seiten (fol. 1r–8r) weisen eine stärker nach rechts geneigte Schrift mit einem f mit Unterlänge auf, die vermutlich durch die zunehmende Schreibsicherheit und -geschwindigkeit erklärt werden kann. Die Schrift der »Heimskringla«-Seiten (fol. 22r–30r) ist breiter und dunkler gehalten. Insgesamt ähnelt die Schrift der Cheltenhamer Fragmente derjenigen, die Morris in den beiden Oxforder Handschriften (BLO, MSS Eng. misc. d. 266, 267) verwendete, während Papier und Seitenaufbau mit der »Kormak«Handschrift (PML, MA 1804) übereinstimmen.385 In den Oxforder Handschriften sind die Buchstaben g und G, die wohl auf die zweite »Dwellers«-Handschrift zurückgehen, ähnlich ausgeführt. Die Fragmente schließen sich an die Gliederung und Gestaltung der anderen doppelkolumnigen Handschriften an. In den Seiten von »The Story of Howard the Halt« zeichnet Morris sich überschneidende, Elipsenformen ausbildende Eichen- und Blattzweige (fol. 11v) und sich umwindende Blattzweige (fol. 11v, 13r, 13v) ein, wobei diejenigen auf fol. 13v (Kap. IV) zugleich als Zeilenfüllung und zur Hinterfangung des Initialbuchstabens dienen. Die »Lancelot du Lac«-Geschichte, die auch in weiteren Handschriften zumeist ohne Dekoration (SoA, MSS 905/1–4) überliefert ist, die sich in Schrift, Seitenaufbau und Details der Übersetzung von der Cheltenhamer Version unterscheiden, weist am Beginn einen 15-zeiligen Freiraum auf, auf den der Titel mit den Worten »Here beginneth …« folgt.386 Diesen
384 »Fragments translated written out and decorated by William Morris from Lancelot du Lac. The Saga of Howard the Halt. The Heimskringla etc.« : 4 Bl. Kelmscott Press-Papier mit dem Daisy-Wasserzeichen+fol. 1r–8r Lancelot du Lac+fol. 8v–10v leer+fol. 11r–19r-The Story of Howard the Halt+fol. 19v–21v leer+fol. 22r–23r The Foreword of Snorri Sturluson+fol. 23v–30r The Story of the Ynglings+fol. 31 Kormak Saga+fol. 32 : ein Bl. Papier mit einem Wasserzeichen von 1869 bemalt mit einer stark stilisierten floralen Leiste in Elipsenstruktur mit Rosen und Lilien+fol. 33–34 : 2 Bl. Pergament, fol. 33r mit den ersten drei Quartains des »Rubáiyát of Omar Kahayyám«+4 Bl. Kelmscott-Papier. Einband aus braunem Maroquin von Douglas Cockerell, signiert und datiert : 19 DC 02. Rosenbaum/Pearson 1993, S. 486, MoW 1560.5, S. 693, MoW 1520.5, S. 684, MoW 1534.5, S. 687, MoW 1590.5, S. 702 ; Greensted/Wilson 2003, Abb. 69–71. 385 Die drei Cheltenhamer Fragmente sind wie die »Kormak«-Handschrift auf J. Whatman-Papier von 1870 in den Maßen 400 × 240 mm in zwei Kolumnen von je 40 Zeilen geschrieben, im Gegensatz zu den beiden Oxforder Handschriften, die auf C. Ansell-Papier von 1869 in den Maßen 285 × 215 mm mit 27 Zeilen pro Kolumne ausgeführt sind. Greensted/Wilson 1993, Abb. 69–71. 386 Siehe zu den »Lancelot du Lac«-Übersetzungen Morris’, SoA, MSS 905/1–4, die in die Zeit 1870–1874 da-
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wiederholt Morris einige Zeilen weiter nochmals in Bleistift.387 Vielleicht sollte der Freiraum ursprünglich durch eine Miniatur gefüllt werden. Die erste Titelnennung ist in einer großen Kapitalis in Sepia geschrieben und von einem Alinea-Zeichen eingeleitet. Das Alinea-Zeichen wiederholt sich bei den Kapitelzusammenfassungen, die in einer größeren und breiteren Schrift als der restliche Text ausgeführt sind. Die wenigen im »Lancelot«-Fragment ausgeführten Initialquadrate schließen sich in ihrem zweizeiligen Aufbau, dem nach unten sich aufhellenden Quadratgrund und der in einem helleren Farbton ausgeführten, zierlichen floralen Ornamentik an diejenigen der »Dwellers II«Handschrift an. Wie in den »Hen Thorir«- und »Ynglings«-Handschriften sind die Initialbuchstaben und der Wortrest in Sepia oder schwarzer Tinte ausgeführt, so dass insgesamt ein etwas dunkler Eindruck entsteht. Als seitliche Begleitung der Initialquadrate finden sich Zweige und Blüten, darunter sich verschlingende Weißdornranken in Sepia (fol. 3v), eine sich spiralig um eine Blattranke mit tulpenartigen Blüten windende blaublühende Ranke (fol. 3v), eine weitere mit drei eingestreuten orangegelben Tulpen (fol. 7r ; Abb. 36). Die Anordnung des Ornaments in zwei Lagen mit sich in ihrer Ausrichtung abwechselnden Blüten folgt dem Vorbild der »Dwellers II«. Die florale Ornamentik ist in einer ähnlich differenzierten Malweise wie diejenige des »Ogier«-Fragments (BLO, MS Eng. misc. d. 265, fol. 1r–v) und der »Dwellers II« ausgeführt (BMAG, Inv.-Nr. 92’20) und weist einen entsprechenden dichten, mit Weiß abgemischten Farbauftrag auf. Auf fol. 6r ist zwischen Kapitelzusammenfassung und Text ein mehrzeiliger Freiraum gelassen. Vielleicht war auch an dieser Stelle eine Miniatur oder wie in der »Kormak«Handschrift florales Ornament vorgesehen. Das dritte Textfragment mit einer Anordnung des Textes in zwei Kolumnen umfasst »The Foreword of Snorri Sturluson« und den daran anschließenden Beginn der »The Story of the Ynglings«.388 Morris und Magnússon übersetzten den Text der »Heimskringla«, einer Chronik der nordischen Könige von mythischer Zeit bis in diejenige ihres Autors Snorri Sturluson (1178–1241), unter dem Titel »The Stories of the Kings of Norway called the Round World«. Bereits 1872 plante Morris eine Übersetzung dieses Textes.389 Er schrieb am 23.5.1872 an Eríkír Magnússon : »I am wanting badly to get on with some of the translations Heimskringla for example, and shall to ask your help tiert werden : Roger Simpson, William Morris’s unpublished Arthurian translations, The Journal of William Morris Studies XX, Nr. 4, Sommer 2014, S. 7–18. 387 Rosenblum/Pearson 1993, MoW 1519–1520, S. 684. 388 Der Text publiziert im dritten Band der Saga Library, London 1893. Weitere kurze »Ynglings«-Fragmente in der PML, MA 1804, fol. 23, und MA 4011, fol. 2r–4v ; eine 104 Textseiten umfassende Version in der SoA, MS 906 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1591, 1592, S. 702, und MoW 1535, S. 687, sowie MoW 1536, 1593, S. 687, 702–703. 389 Ausgaben der »Heimskringla« in Morris’ Bibliothekskatalog von ca. 1876, von 1777 (Havniae, 6 Bde.), 1868 (Christiana), und in der Übersetzung durch Laing von 1844 (London, 3 Bde.) : YCBA, fol. 17r, und Bridwell Lib., fol. 60r, Nr. 799, fol. 70r, Nr. 920 und fol. 18r, Nr. 206.
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Handschriften mit doppelkolumnigem Seitenaufbau
Abb. 36 William Morris, Lancelot, um 1872, Cheltenham Art Gallery & Museum, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, fol. 7r. Photo © The Cheltenham Trust and Cheltenham Borough Council.
therein : […].«390 Bisher wurde der Beginn der Übersetzung eher in den Februar 1873 gelegt,391 doch eventuell arbeiteten Morris und Magnússon schon seit Oktober 1872 daran.392 Durch die Angaben zum Übersetzungsverlauf scheint der frühest mögliche Beginn der Handschrift erst Ende 1872 nach Beendigung der beiden »Rubáiyát«-Handschriften anzusetzen zu sein.393 Vermutlich zeigen die Cheltenhamer Seiten ein frühes Stadium des Projekts, das sich an die in zwei Kolumnen angeordneten isländischen Übersetzungen anschließt, das Morris dann aber zugunsten eines einspaltigen Seitenaufbaus aufgab (SoA, MS 906).
390 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 163, S. 159. 391 Dunlap 1972/1976, S. 198 ; Brief Morris’ an Aglaia Ionides Coronio vom 11.2.1873, Kelvin 1984 I, Nr. 184, S. 177–179. 392 Vgl Brief Morris’ an Magnússon, [4.11.1872 ?], Kelvin 1984 I, Nr. 175, S. 168–169. 393 Vgl. a. Dunlap 1972/1976, S. 198.
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Morris plante bei dem Fragment, die erste Seite des Vorworts durch einen das Schriftfeld einfassenden Rahmen zu betonen (fol. 21r). Anhaltspunkte über die vorgesehene Dekoration dieser Rahmenleisten geben nur eine im unteren linken Seitenrand skizzierte schmale Blattranke, die sich regelmäßig um einen Stab windet, und gleichmäßig aufsteigende Ranken mit eingestreuten Blumen auf gleicher Höhe im Interkolumnium. In das zweizeilige Initialquadrat, das auf einen fünfzeiligen Freiraum und den zweizeiligen Titel in Bleistiftkapitalien folgt, ist ein Blattzweig eingestellt. Die darauffolgende erste Seite der Saga mit einem sich über beide Kolumnen erstreckenden Titel (fol. 22v) sollte eine reiche Rahmendekoration aus sich einrollenden Ranken tragen, in die – wie es sich in den Zeichnungen im unteren Seitenrand andeutet – Figuren eingestellt werden sollten. Vielleicht plante Morris hier eine Malerei in der Art der fünf prächtigen Seiten des Londoner »Rubáíyat«. Die Kapitelzwischenräume sollten durch Rankenwerk gefüllt werden, wie es die »Kormak«-Handschrift aufweist, während als Begleitung der Gesänge auf der rechten Seite wie bei der »Dwellers II«-Handschrift sich überschneidende und verklammernde Zweige und Ranken vorgesehen waren, die auch die Verse voneinander und vom Prosatext trennen.394 Der Charakter des Ornaments im »Ynglings«-Fragment ähnelt in seinem hohen Stilisierungsgrad demjenigen der Zeilenfüllungen der »Story of the Banded Men«- und der »The Story of Halfdan the Black«-Handschrift (BLO, MS Eng. misc. d. 267, PML, MA 3471), deren Schrift wiederum der Londoner »Ynglings«-Fassung (SoA, MS 906) verwandt ist und wohl um 1872 zu datieren ist.395 Die Cheltenhamer Fragmente passen sich harmonisch in die Gruppe der doppelkolumnigen Manuskripte ein. Bei der Datierung der drei Fragmente innerhalb dieser Werkgruppe müssen der Bezug von Schrift und Ornament zu den Handschriften von 1871 bis 1872 sowie die Tatsache bedacht werden, dass zwei der Texte, »Lancelot« und »Ynglings«, später, vermutlich 1872, als einspaltige Handschriften entstanden, die auch in Dekoration und Schrift gegenüber den Fragmenten variieren. Wie bei den früheren Handschriften lassen sich auch bei dieser Gruppe Parallelen zu Morris’ ungefähr zeitgleichen Stoff- und Tapetenmustern erkennen. Die Ornamentstruktur von sich überschneidenden und dabei Elipsen ausbildenden Zweigen, von denen einer kleine Blätter und Blüten trägt, während der andere größere Blätter und Blüten aufweist, wiederholt sich in der Tapete »Marigold« von 1873/1875.396
394 Fol. 26v Blütenranken in Bleistift ; fol. 27r Rosen und blaublühende Zweige. 395 Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1554, S. 691. 396 Clark 1974, Nr. 16, S. 13, siehe dort auch zur Datierung.
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Handschriften mit doppelkolumnigem Seitenaufbau
3.4.6 Zusammenfassung
Es bleibt zu festzuhalten, dass die Datierung der Gruppe der doppelkolumnigen Handschriften problematisch ist, sowohl in ihrer Reihenfolge als auch innerhalb des Œuvres Morris’. Ihre Entstehung um 1871 wird durch die Ergebnisse der Analyse von Schrift und Dekoration nahegelegt, während die Überlieferung zu Übersetzungs- und Editionsverlauf sowie Angaben von Morris’ Vertrauten auch eine spätere Datierung zwischen 1873 und 1874 möglich erscheinen lässt. Knüpfen die Handschriften mit Kolumnendekoration wie das »Kormak«-Manuskript an die »Dwellers II«- und Londoner »Rubáiyát«-Seiten an, indem die Schriftfeldlinien in die Seitenränder hinabgezogen sind und das f ohne Unterlänge gebildet wird, so scheint die zierliche, dünne florale Dekoration auf frühere Arbeiten wie »A Book of Verse« zurückzugehen. Zwar könnte die Verwendung der Kolumnendekoration auf eine gewisse Gewöhnung an das neue Layout verweisen und als eine Anpassung an neue Gegebenheiten interpretiert werden, doch wirkt das florale Ornament stärker stilisiert und zudem verwendete Morris frühe additive Organisationsformen aus der Zeit um 1870. Die Oxforder Seiten und die Cheltenhamer Fragmente wiederum scheinen in den reicheren floralen Motiven Dekorationsideen den »Dwellers II« verwandt und somit eine Verbindung zwischen der Birminghamer Handschrift, dem »Ogier«-Fragment und den »Rubáiyáts« herzustellen. Bei diesen Handschriften wird jedoch das f mit Unterlänge geschrieben und nur das Textfeld selbst durch den Linienrahmen eingefasst. Layout und Schrift widersprechen den Datierungshinweisen, die durch die malerische Dekoration vermittelt werden. Somit weist jede der beiden doppelkolumnigen Gruppen schon auf stilistischer Ebene Aspekte für und gegen eine frühere oder spätere Datierung innerhalb der Gruppe auf, deren Entstehung deswegen letztlich relativ breit im Zeitraum von 1871 bis 1873 anzusetzen ist. Eine Arbeit Morris’ an dieser Gruppe parallel zu seinen größeren Projekten der »Dwellers II« und seinen anderen Geschenken für Georgiana Burne-Jones könnte vermutet werden und würde die Unterschiede innerhalb des Schriftbilds einzelner Handschriften erklären. Vielleicht ist auch von einer nicht kontinuierlichen Arbeit an einer Handschrift auszugehen und vielmehr anzunehmen, dass die Ausführung von Schrift, kalligraphischer und ornamentaler Dekoration jeweils zu unterschiedlichen Zeiten mit größerem zeitlichen Abstand und unterbrochen von der Arbeit an anderen Handschriften erfolgte. Dunlap äußerte allein zur Schrift die Vermutung, dass sich Morris kalligraphisch von den etwas übertriebenen Buchstaben zu einer zunehmenden Zurückhaltung und Strenge hin entwickelt habe, wobei das »Frithiof«-Manuskript bei der Reihe von zweikolumnigen Handschriften dann die letzte bilde.397 Diese These der »Entwicklung« in der Kalligraphie findet nicht ihre Entsprechung in der floralen Ornamentik : Die »Kormak«- und »Frithiof«-Handschriften offenbaren eine additive Kombination aus 397 Dunlap 1972/1976, S. 207.
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Zweigen und eingestreuten Blumen, fragile Bäumchen mit zierlichen Stämmen, ein loses Arrangement der Elemente, durch die noch das Weiß des Seitengrunds hindurch sichtbar wird, wie es auch die »Dwellers II«-Seiten kennzeichnet, während bei den Oxforder Fragmenten eher eine Fortsetzung der Tendenz zu organischem Aufstreben und dichtem, üppigem Wachstum zu beobachten ist, wie es sich auch im Londoner, am 16.10.1872 beendeten »Rubáiyát« finden lässt.
3.5 Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham 3.5.1 »The Rubáiyát of Omar Khayyám« für Georgiana Burne-Jones
Die Handschrift »The Rubáiyát of Omar Khayyám« (BL, MS Add. 37832), die Morris am 16. Oktober 1872 abschloss, entstand als drittes Geschenk für Georgiana Burne-Jones.398 Mackail berichtet, dass Morris schon vor der Beendigung der »The Story of the Dwellers at Eyr«-Handschrift (BMAG, Inv.-Nr. 92’20) am 19. April 1871 die Arbeit an der »Rubáiyát«-Handschrift aufnahm.399 Dabei ist jedoch anzunehmen, gerade in Hinblick auf Morris’ Arbeit an den doppelkolumnigen Handschriften, dass der größte Teil der »Rubáiyát«-Handschrift erst 1872 entstand.400 Das kleinformatige Manuskript des »Rubáiyát« ist auf 23 paginierten Seiten Pergament geschrieben, das Morris hier zum ersten Mal seit seinen frühen Versuchen erneut verwendete. Die Blätter messen nur ca. 152 × 117 mm.401 Jede Seite trägt 17 Zeilen, wobei wie in den »Dwellers II« das Rahmengerüst des Schriftfeldes in Sepia über die Seitenränder hinweg fortgesetzt ist und die Seite in neun unterschiedlich große Rechteckflächen unterteilt. Morris schrieb den Text in einer kleinen, geraden humanistischen Minuskel, die auf Grund der relativ großen Zeilenabstände besonders zierlich wirkt. Die Oberlängen der Buchstaben h, l, b und d verbreitern sich nach oben mit einem kurzen
398 Zum Datum der Fertigstellung : handschriftliche Notiz Morris’ auf [S. 24] : »I finished my work on this book on the sixteenth of October 1872.« 399 Mackail 1995 I, S. 278 ; Fairbank 1970, S. 66. 400 Vgl. Georgiana Burne-Jones’ Notiz vom September 1908 in BL, MS Add. 37832 ; Dunlap 1976, S. 59. Ein undatierter Brief Morris’ an Murray lässt sich wohl mit dem »Rubáiyát«-Manuskript verbinden : » […] I will come over to you tomorrow (Friday) morning and settle about the space & writing & so get to work on the vellum ready for you«, zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 131c, S. 131, hier in die Zeit zwischen Frühjahr 1871 und Oktober 1872 datiert. 401 Vielleicht handelt es sich hierbei um das von Edith Marion Story gesendete Pergament, für das sich Morris an 10.5.1871 in einem Brief bedankt, Kelvin 1984 I, Nr. 133, S. 132.
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
schrägen Abstrich, das f besitzt keine Unterlänge.402 Die Großbuchstaben sind in Kapitalis geschrieben. Die Verantwortlichkeit für die verschiedenen Teile der Gestaltung und Ausführung sind für diese Handschrift dank einer eingelegten Notiz Georgiana Burne-Jones’ vom September 1908 detailliert überliefert : William Morris wrote out and illuminated this copy of the Rubáiyát of Omar Khayyám in 1872, in order to do honour to the poem and to its English Translator, Edward Fitzgerald, whose name he did not then know. Morris did the whole of the writing and all the ornament except the figures, of which some were designed by himself and some by Edward Burne-Jones. They were painted in the book by Mr. Charles Fairfax Murray, and owing to their all having thus passed under the same hand became more alike than the originals actually were. I therefore asked Mr. Murray in 1906, to be good enough to tell me, as far as he could remember, to which artist the different figures should be ascribed. He did so, and lapse of time had made him uncertain as to three amongst the number. Counting downwards, on the left side of the first page, there are three little half-length figures of women, in circles formed by the ornamental foliage of the border. The first & second he attributes to Edward Burne-Jones ; about the third he is doubtful, but inclines to think it also may be by E.B-J. Of the three full-length figures in the right hand-border he says the top one is by Morris, the next doubtful, & possibly by BurneJones ; the third is by Morris. So also is the little seated figure in the bottom border. The double page in the middle of the book contains six full length figures, three in each outside border, and all were designed by Morris, except possibly the top one on the right hand. The two sitting figures below, one on each page, are by Burne-Jones. The last double page has fifteen pictures. Fourteen of these are in the borders, and the other, on a larger scale goes quite along the right hand page, in a space below, where the poem ends. It is of two women holding a scroll with the words TAMAN SHUD. This and the two seated figures in the bottom border are by Morris, the other twelve figures in the side borders are by E.B-J. […].
Die Handschrift vermittelt nicht nur in dem üppigen Wachstum der floralen Ornamente einen reichen und prächtigen Eindruck, sondern auch in der großzügigen Verwendung von Goldfarbe. In Goldkapitalis sind sowohl der dreizeilige Titel des Manuskriptes auf S. 1 als auch die Seitenüberschriften im oberen Seitenrand mit dem Kurztitel »Omar Khayyám« geschrieben. Jede Verszeile wird von einer Goldmajuskel eingeleitet, und jedem Quartain ist mittig die Versnummer in einer goldenen arabischen Ziffer vorangestellt. Auch die Seitenzahlen in der oberen äußeren Ecke der Seite sind in Goldfarbe ausgeführt.
402 Zur Schrift : Dunlap 1972/1976, S. 216 ; Dunlap 1975, S. 152 ; PML 1976, Nr. 54, S. 112. Nach Angaben Graily Hewitts schrieb Morris den Text mit einer Krähenfeder, Hewitt 1934, S. 7 ; Whitla 2001, S. 90–91 : Morris’ erste Antiqua-Schrift.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Die florale Dekoration folgt in ihrer Anlage und ihrer Begrenzung durch den linearen Rahmen des Schriftfeldes dem Vorbild des »A Book of Verse«, doch ist sie im »Rubáiyát« dichter, lebendiger und in kräftigeren Farben gehalten. Die Tendenz zum organischen Wachstum, das sich bereits in der früheren Handschrift fand, hat sich verstärkt : Morris lässt die Pflanzen und Ranken von der unteren rechten Ecke des Schriftfeldes emporwachsen, wobei sich einzelne Ranken zwischen die Verse schieben und die goldenen Versziffern hinterfangen oder kreisförmig einfassen. Eine Ranke ragt auch jeweils in die obere Zeile des Schriftfeldes hinein und bildet eine obere florale Rahmenleiste. Häufig winden sich die Ranken im rechten Feldrand um einen bunten Stab. Nach wie vor streut Morris in die Ranken einzelne Blüten oder kurze Zweige (S. 6, 17) ein, wobei er den Eindruck von Kontinuität durch das dichte, enge Arrangement der Pflanzen erzielt. Die durch volutenartige Einrollungen geprägte Ornamentstruktur des »A Book of Verse« wird weitgehend durch die übereinander gefügten Elipsen- oder Ovalformen ersetzt, welche durch die Überschneidungen zweier Ranken gebildet werden. Erstreckte sich das florale Ornament des »A Book of Verse« trotz der z. T. naturalistisch wiedergegebenen Motive weitgehend in die Fläche hinein, so besitzen die Ranken des »Rubáiyát« eine raumhaltige Wirkung ; das Nebeneinander des »A Book of Verse« wird durch ein Hintereinander abgelöst, das sich dort auf den Seiten 15, 19, 46 und 49 ankündigte. Dabei wirken die Pflanzen noch naturalistischer als in »A Book of Verse« und lassen Morris’ Begeisterung und Interesse für die englische Flora deutlich werden.403 Es finden sich in den Randornamenten des »Omar Khayyám« Geißblatt und Nelken (S. 2, 21), Tulpen (S. 3 mit Weißdorn, S. 17), Rosen (S. 4, 11), Trauben und Weinlaub (S. 5, 13 ; Taf. 6), Ehrenpreis und Geißblatt (S. 6), Rittersporn und Äpfel (S. 7), Akelei (S. 9), Jasmin und Mohn (S. 10), Erdbeeren (S. 14), Kirschen (S. 15), Lilien und Nelken (S. 16), Schneeballblüten (S. 18), aber auch Granatäpfel (S. 8) und Zitronen (S. 12). Morris verzichtete auf die an gotische Buchmalereien erinnernden Kornblumen und rosafarbenen Blüten, die in der früheren Handschrift in die naturalistischen Ranken eingeflochten waren. Dieser Naturalismus in der Wiedergabe der Pflanzen erntete bei den Kritikern neben der harmonischen Verbindung von »minute elaboration« und dekorativen Ansprüchen sowie der Entwicklung einer zeitgenössischen, aber auf den Traditionen basierenden Buchmalerei stets großes Lob.404 Mackail sprach von der Übertragung eines »almost PreRaphaelite naturalism to the methods and limits of ornamental design« und erachtete 403 Vgl. May Morris, in : CW IX, S. xxii : »I do not think there is a single conventional or nameless flower in the small slim volume : the sweet pea, honeysuckle, monkshood, columbine, whitethorn, blue borage are there, and a score of familiar blossoms. It is a flowergarden turned into a book, wonderfully natural, wonderfully harmonious, while the skill and subtlety of the workmanship are beyond criticism.« 404 Vallance 1989, S. 383 : »the effect is perfectly decorative : and so far from being in any sense a reproduction or copy of old work, it seems rather, by carrying on the art in accordance with old traditions, to bring it to a stage of evolution of style in advance of anything it ever attained before«. Zapf sah in der Pracht des Blumenschmucks Ähnlichkeiten zu orientalischen Handschriften, Zapf 1949, S. 18.
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
die Dekoration als »unsurpassable in their truth to nature and their decorative effect«.405 Geschätzt wurde das »jewel-like«-Erscheinungsbild der Handschrift.406 Negative Kritik erhielt das Manuskript nur selten. Diese betraf hauptsächlich das Verhältnis von Schrift und Ornament.407 So bemängelte Paul Thompson, dass das Ornament zu schwer für die kleinformatigen Seiten erscheine.408 Vergleichbare Urteile wurden auch dem Graham»Rubaiýát« zuteil.409 Wieder weisen einige der floralen Ornamente Entsprechungen zu Entwürfen Morris’ für andere Medien wie Tapeten, auf : Die Weinlaubranken mit Trauben lassen an »Vine« (1874), die Jasminzweige an »Jasmine« (1872) und die Rosen an diejenigen in »Trellis« (1862/1864) und »Rose« (1877), die Früchte an »Fruit« (1862/1864 ; Abb. 11) denken.410 Auch zu den Rahmenleisten, die Morris 1871/1872 für »Love is Enough« entwarf, bestehen enge Parallelen in der Ornamentstruktur mit kontinuierlich nach oben rankenden, dicht arrangierten Zweigen sowie in der Art der Wiedergabe von Rosen und Trauben.411 Unterschiede gegenüber dem »Rubáiyát« lassen sich jedoch in der strengeren Stilisierung der Trauben zu einer fast dreieckigen Grundform wie in »A Book of Verse« und in dem Arrangement der Ranken ausmachen. Dieses ist im »Rubáiyát« durch eine lockerere und losere Zusammenfügung bestimmt. Parallelen lassen sich zudem zwischen den floralen Randornamenten des Londoner »Rubáiyát« und den floralen Hintergründen in einigen der zur gleichen Zeit von der »Firma« ausgeführten Glasfenstern erkennen, wie denjenigen für die Jesus College Chapel, Cambridge, ca. 1872–1874.412 Dazu zählen nicht nur das Repertoire aus Rosen, Äpfeln, Granatäpfeln, Geißblatt und Weinlaub mit Trauben, sondern auch das Arrangement einiger dieser Pflanzen um einen Stab. Ansonsten wirkt die Anordnung der Ranken in den Fensterentwürfen weniger markant in vertikaler Abfolge strukturiert. Dieses ist in dem unterschiedlichen Format begründet, das im oberen Teil der Glasfenster eher eine Erstreckung des Ornaments in der Horizontalen erforderte. Die Londoner Handschrift besitzt fünf besonders reich gestaltete Seiten, in denen die Dekoration im Gegensatz zu den anderen alle Seitenränder überzieht. Als einzige Seiten des Buches sind sie mit Goldranken und Musikantenfiguren verziert und tragen eine G-Initiale im oberen Seitenrand, die auf die Beschenkte verweist. Der Aufbau des Ornaments auf diesen Seiten schließt sich an denjenigen der ersten Textseite der Birming405 406 407 408 409 410
Mackail 1995 I, S. 279. May Morris, in : CW IX, S. xxii. Hewitt 1934, S. 7. Thompson 1993, S. 151. Zapf 1949, S. 18. Clark 1974, Nr. 14 und 12, S. 13, vgl. a. mit dem Chintz »Jasmine Trellis«, 1868–1870, ebd., Nr. 1, S. 56 ; ebd., Nr. 3, S. 12 ; Nr. 21, S. 14 ; Nr. 2, S. 11. 411 Fine Print 1976, S. 20–21, Nr. K 775 ; PML 1976, Kat. Nr. 65 auf S. 118–119, Taf. LXIII. 412 Sewter 1974, Abb. 428–432 ; s. a. den Morris zugeschriebenen Entwurf für ein Glasfenster mit Weinlaub und Trauben, WMGW, Sewter 1974, Abb. 442, dort um 1875 datiert.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
hamer »Dwellers II«-Handschrift an : Das Schriftfeld wird von einem farbigen Rahmen eingefasst, an dessen Ecken und Mitten jeweils, den Rahmen teilweise umwindend oder überschneidend, ein sich volutenartig einrollender Blatt- oder Blütenzweig übergehängt und befestigt ist, so dass ein regelmäßiges, doch abwechslungsreiches florales Ornament entsteht. Auf S. [1] gehen von einem blauen Rahmen Goldzweige mit blauen Weinblättern aus. Auf S. [18] umwinden blühende Weißdornzweige in den Ecken und mit Punktrosetten besetzte Goldzweige in den Mitten einen hellbraunen Rahmen, während auf der gegenüberliegenden Seite Jasminzweige (in den Ecken) und eine andere Art weißblütiger Zweige einander an einem blauen Rahmen abwechseln. Auf der abschließenden Doppelseite, S. [22–23 ; Taf. 7], variiert Morris dieses Schema : Der hellbraune Rahmen auf S. [22] wird von alternierend weiß- und blaublütigen Zweigen umgeben, während S. [23] einen prächtigen Schlussakzent mit alternierenden Goldzweigen um einen grauen Schriftfeldrahmen setzt. Das G ist jeweils in Blau, Bronze oder Silber eingefügt. Diese Seiten unterscheiden sich nicht nur durch die Üppigkeit des Goldes, sondern durch eine insgesamt etwas kühlere Farbigkeit aus Weiß, Blau und Grün, das durch etwas Gelb-Orange ergänzt wird. Dabei alterniert die Farbigkeit zwischen den einzelnen pflanzlichen und figürlichen Motiven, wodurch die Einheit und Zusammengehörigkeit der aufgeschlagenen Doppelseite betont werden. Allerdings ist auf den Seiten ohne Figurenschmuck das florale Ornament stets in den rechten Rand des Schriftfeldes gesetzt, so dass die Seiten wie in »A Book of Verse« voneinander getrennt werden. Jedoch fasst Morris die Doppelseiten zusammen, indem die inneren Seitenränder jeweils sehr schmal, die äußeren relativ breit gehalten sind, jedoch nicht die Breite des unteren Rands erreichen. Darin folgen sie den später von ihm aufgestellten Proportionsforderungen für Seitenränder in gedruckten Büchern.413 Weiterhin betont er das Gegenüber durch die gemeinsame Farbigkeit oder einzelne florale Motive, so dass sich die beiden Seiten harmonisch ergänzen und zusammenfügen. Wie bei den vier Musikantinnen der Titelseite des »A Book of Verse« lassen sich für die meisten der insgesamt 31 Figuren – darunter ganz- und halbfigurige Darstellungen von Musikanten (Abb. 37) im äußeren, sitzende im unteren und Büsten im inneren Seitenrand – Vorbilder aus dem Repertoire für Glasfenster von »Morris, Marshall, Faulkner & Co.« nachweisen.414 Auch im »Rubáiyát« zeigt sich, dass die Figurenentwürfe der 413 William Morris, The Ideal Book (1893), in : Morris 1982, S. 67–73, hier S. 70–71. 414 Vgl. die Vorlagen, die die »Firma« 1916 auf der Arts & Crafts Exhibition zeigte : W. T. Whiteley, Arts and Crafts at the Royal Academy, Studio 70, 1917, S. 18–29, hier Abb. auf S. 24 und 29. S. 1 : Im inneren Seitenrand : Halbfiguren einer Frau mit Leier (oben) und einer Harfenspielerin (unten ; beide eventuell nach Burne-Jones) : vgl. mit Glasfenster, St.-Martin’s-on-the-Hill, Scarborough, Yorks., 1862 (Sewter 1974, Abb. 69). Dazwischen Frau mit Turban. Im äußeren Seitenrand oben : Figur mit Orgelportativ (nach Morris) : vgl. mit Entwurf für ein Fliesenfeld (WAGM, Inv.-Nr. D.9.1940) ; Fenster in St. John the Baptist, Tuebrook, Liverpool, ca. 1868 ; St. Peter’s, Kirkbampton, Cumberland, 1871 ; St. Cecilia Fenster, Christ Church Cathedral, Oxford, 1875 (Sewter 1974, Abb. 276, 358, 497) ; Findon Reredos, 1867–1868 (Myers/ Myers 1996, Abb. 116, Taf. 31a) ; Figurenstudie, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1522C (1868, Werkstattarbeit). Im
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
äußeren Seitenrand Mitte : Profilfigur (eventuell nach Burne-Jones) : vgl. mit »Song of Solomon Window«, St. Helen’s, Darley Dale, Derbys., 1862–1863 (Sewter 1974, Abb. 107). Eine Figurenstudie von Morris im V&A legt jedoch nahe, diese Figur wie auch die beiden anderen Musikantinnen des Seitenrands auf Morris zurückzuführen : Figurenstudie Morris’ in Bleistift, V&A, Inv.Nr. E. 2804–1927 ; vgl. a. V&A, Inv.-Nr. E. 2804–1927 und HAC, Inv.-Nr. 2000.5.380 (seitenverkehrt). Im äußeren Seitenrand unten : Frau mit Leier. Im unteren Seitenrand eine am Boden sitzende Frau, die mit der Linken ihre Augen verdeckt, als würde sie weinen oder erwachen (nach Morris) : vgl. mit einer Zeichnung Morris’ im V&A, Inv.-Nr. E. 2800–1927 ; vgl. außerdem mit den sitzenden Frauen in Burne-Jones’ »Green Summer« von ca. 1864 (Fassungen in Gouache und in Öl jeweils in Privatsammlungen : siehe Rötelzeichnung einer sitzenden Frau in Rückenansicht, BMAG) und »The Sleeping Beauty« aus dem »Dornröschen«-Zyklus sowie Murrays »The King’s Daughters« (ca. 1875, Dulwich Picture Gallery). S. 18–19 : Im unteren Seitenrand : jeweils Harfenspieler (nach Burne-Jones) : vgl. All Saints, Middleton Cheney, Northants, 1870 ; The Vyner Memorial window, Christ Church Cathedral, Oxford, 1872–1873 (Sewter 1974, Abb. 322, 353). S. 18 : Im äußeren Seitenrand : drei Musikantinnen (nach Morris). Im äußeren Seitenrand oben : Figur mit Orgelportativ : St. Michael’s, Tilehurst, Berks., 1869 ; St. Abb. 37 William Morris, Figurenstudie – Engel mit Peter’s, Kirkbampton, Cumberland, 1871 (Sewter 1974, Dulcimer, um 1862, Graphit auf Papier, Eintrag Abb. 303, 358) ; Entwurf für ein Fliesenfeld (AMO, auf der Versoseite : »Bradford 1864«, Huntington Myers/Myers 1996, Abb. 106, 119, Taf. 32d) ; FigurenLibrary, Art Collections, and Botanical Gardens (The studien, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1524C, 2000.5.1853B Huntington), San Marino, Calif., Inv.-Nr. 2000.5.418. (um 1867 bzw. 1874). Im äußeren Seitenrand Mitte : © Courtesy of the Huntington Art Collections, San frontale Figur mit Zimbeln : vgl. Figurenstudie Morris’, Marino, California. V&A, Inv.-Nr. E. 2796–1927. Im äußeren Seitenrand unten : Lauten- oder Geigenspielerin : Glasfenster, V&A, ca. 1872–1874 ; Llandaff Cathedral, Glamorgans, 1868 ; St. Michael’s, Tilehurst, Berks., 1869 (Sewter 1974, Abb. 361, 284, 303) ; Figurenstudie Morris’, V&A, Inv.-Nr. E. 2806–1927 (Myers/Myers 1996, Abb. 115, 121) ; Figurenstudien, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1848B, 2000.5.1522D (1875 bzw. 1868) ; vgl. Figurenstudien von Charles Fairfax Murray : PUAM, Inv.-Nr. x–1948–1474 (Bleistift, dat. 4. 74, 25,1 × 17,1 cm), –1408 (allerdings mit voluminösem Umhang, Bleistift, 23,5 × 31,5 cm). S. 19 : Im äußeren Seitenrand oben : Figur mit Dulcimer (eventuell nach Morris, obwohl Murray BurneJones als Künstler vermutete) : Bradford Cathedral, Yorks., ca. 1864 ; Kartons, WMGW ; Llandaff Cathedral, Glamorgan, 1869 (Sewter 1974, Abb. 190, 194, 305) ; Figurenstudien von Morris, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.384, 2000.5.418 (Abb. 37), um 1864 bzw. um 1862 sowie eine Werkstattarbeit von 1864, HAC,
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
»Firma« mehrfache Möglichkeiten der Verwendung, auch in unterschiedlichen Medien, erlaubten. Allerdings bestehen keine Bezüge zwischen den Figuren und den Handlungsmomenten des Textes. Lediglich die sitzende Frauenfigur im unteren Seitenrand auf S. 1 könnte sich auf den ersten Vers und das Motiv des Erwachens beziehen. Einige der Musikanten in den äußeren Seitenrändern von S. 1, 18–19 erinnern an stehende musizierende Engel in Werken Fra Angelicos. Arbeiten dieses Künstlers kannten Burne-Jones und Morris aus der National Gallery, London, und dem Louvre.415 Fra Angelicos Werk war auch auf den 15 Stichtafeln zu betrachten, die der französischen Übersetzung von August Wilhelm von Schlegels Aufsatz von 1817 über dessen Marienkrönung (»Mariae Krönung und die Wunder des hl. Dominikus von Johann von Fiesole«) beigegeben waren. Parallelen lassen sich weiterhin zu Engelsfiguren im Münster von York vermuten, die in einem Stich in John Carters »Specimens of the Ancient Sculpture and Painting now remaining in this Kingdom from the earliest period to the reign of Henry VIII. […]« abgebildet waren.416 Zum weiteren Vergleich ließen sich musizierende Engel in Handschriften des frühen 14. Jahrhunderts wie dem »Queen Mary’s Inv.-Nr. 2000.5.1849F. Im äußeren Seitenrand Mitte : Flötenspielerin (nach Morris) : St. Mary’s, Tadcaster, Yorks., 1878 ; St. Peter’s, Kirkbampton (Sewter 1974, Frontispiz, Abb. 358) ; Figurenzeichnung, TGL, Inv.Nr. A00816 ; Figurenstudien, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1523A, 2000.5.1524E (1868 und 1873). Beide Figuren auch in einem Fenster in der Jesus College Chapel, Cambridge, 1873 (Sewter 1974, Abb. 413 ; Myers/Myers 1996, Abb. 109). Im äußeren Seitenrand unten : Rückenfigur mit Zimbeln (Morris zugeschr.) : HAC, Inv.-Nr. 2000.5.341 (William Morris) ; die in Sepia eingezeichnete Figur in »The Story of the Ynglings« (SoA, MS 906, S. 94) ; ähnliche Rückenfiguren nach Burne-Jones in dem Fensterfeld »Virgins, Matrons and Children«, St. John the Evangelist, Torquay, Devons., 1865 (Entwurf BMAG ; Sewter 1974, Abb. 222, 224). S. 22–23 : Im äußeren Seitenrand : Halbfiguren von Musikanten (nach Burne-Jones). S. 22 : Oben : Geigenspieler : Fenster, St. Oswald’s, Durham, 1864–1866 (Sewter 1974, Abb. 209) ; Figurenstudie, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1534F (um 1865, Werkstattarbeit). Auf S. 22 und 23 mittig : Glockenschläger : Fenster, St. John the Evangelist, Torquay (dort wird auch der Geigenspieler aufgegriffen) ; St. Martin’s-onthe-hill, Scarborough (Karton, BMAG, Sewter 1974, Abb. 222, 69, 71, 72). Unten : Figur mit Orgelportativ : Fenster, St. Martin’s-on-the-hill, Scarborough ; St. Oswald’s, Durham, 1864–1866 (Sewter 1974, Abb. 69, 209). S. 23 : oben : Harfenspieler : Fenster, St. Martin’s-on-the-hill, Scarborough (Sewter 1974, Abb. 69) ; HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1809j, 2000.5.847E, 2000.5.1523B (um 1868, Werkstattarbeiten). Unten : Harfenspieler : Song of Solomon window, St. Helen’s, Darley Dale, Derbys., 1862–1863 ; St. Michael and All Angels, Lyndhurst, Hants., 1862–1863 (Sewter 1974, Abb. 107, 116) ; vgl. HAC, Inv.-Nr. 2000.5.319, 2000.5.1524B, 2000.5.1525C, 2000.5.2813 (Morris, um 1869). Einige der Musikantinnen wiederholen sich auch in den Malereien auf der Orgelwand der Kirche von Beddington, die durch die »Firma« 1869 ausgeführt wurden, Crow 1934, Abb. auf S. 49. 415 Charles Eastlake hatte 1860 für die National Gallery das Fra Angelico zugeschriebene Predellafeld mit dem schwebenden Christus (1419–1435), erworben. Vgl. a. mit den musizierenden Engeln in Fra Angelicos Tabernakel der Leinenweberzunft, 1433–1435, San Marco, Florenz. Auf ihrer gemeinsamen Reise zu den nordfranzösischen Kathedralen von 1855 führte Morris seinen Freund im Louvre vor Fra Angelicos »Marienkrönung«, GBJ 1993 I, S. 114. Morris erwarb Stiche nach diesen Arbeiten, Brief Morris’ an Cormell Price, 6.7.1855, Kelvin 1984 I, S. 14 ; vgl. Roberts 1992, S. 18–22 ; Weinberg 1997, S. 51–52. 416 John Carter, Specimens of the Ancient Sculpture and Painting now remaining in this Kingdom from the
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 168v) oder einem flämischen Stundenbuch (BL, MS Stowe 17, fol. 22v, 129r) heranziehen. Alle Beispiele weisen leicht gedrehte Figuren in bodenlangen, gerade herabfallenden Gewändern auf.417 Einzelne Figurenmotive wie die Glockenschläger auf S. 19 wiederholen sich in mittelalterlichen Buchmalereien und waren in Publikationen antiquarischen Inhalts zugänglich.418 Die Halbfiguren der Musikanten in den äußeren Seitenrändern von S. 22–23 wiederum erinnern an die Figuren der musizierenden Engel in den Medaillons der Dachzone von Hans Memlings Ursula-Schrein in Brügge, eine Stadt, die Morris erst 1870 zum wiederholten Mal besucht hatte.419 Neben den Musikantinnen finden sich in den inneren Seitenrändern (S. 1, 22–23) noch Frauenköpfe mit turbanartiger Kopfbedeckung (jeweils nach BurneJones), die Burne-Jones’ Entwürfen für eine Abb. 38 William Morris, Figurenstudie einer Serie von Glasfenstern mit Köpfen von Frauen- sitzenden Frau, um 1872, Graphit auf Papier, Eintrag figuren aus Geoffrey Chaucers »The Legend of auf der Versoseite : »Figure of Omar Khayyam«, Huntington Library, Art Collections, and Botanical Good Women« aus der Zeit um 1863 ähneln.420 Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., Inv.Hinzu kommen in den unteren Seitenrändern Nr. 2000.5.288. © Courtesy of the Huntington Art sitzende Frauenfiguren, die nach Murrays Er- Collections, San Marino, California. innerung auf Vorlagen von Morris zurückgehen (Abb. 38).421 Auf S. 22 ist die Frauenfigur nach innen gewendet und blickt zum
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earliest period to the reign of Henry VIII. […], London 1787, Bd. II, gegenüber S. 40 mit Erläuterungen von Francis Douce, der die Figuren in die Zeit Heinrichs VI. datierte, ebd., S. 42–43. Vgl. a. die Abbildung musizierender Engel im »Queen Mary’s Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii) im Art Journal 1856, S. 185, und in The Building News xxiv, 9.5.1873, S. 530. Wright 1862, Abb. 126, S. 185 nach BL, MS Harley 5102 aus dem 13. Jh. Musikanten, allerdings in zeitgenössisch-modischer Kleidung, finden sich auch in Handschriften von Severius Boethius’ »De arithmetica, De musica«, z. B. in Neapel, Biblioteca Vittorio Emmanuele III, V. A. 14, fol. 47r. Vgl. in Morris’ Brief an Aglaia Ionides Coronio vom 24.7.1874, in : Kelvin 1984 I, Nr. 239, S. 226. Die Kartons in der BMAG ; eines der Fenster, »Penelope«, im V&A, jeweils 1863, Sewter 1974, Abb. 156– 160. Köpfe mit ähnlichen Hauben auch in Burne-Jones’ Skizzenbuch von ca. 1861 unter verschiedenen Studien zur Kleidung des Mittelalters, V&A, Inv.-Nr. E. 1–1955, S. 266, 268, 270, 272. Weitere Haubenstudien mit der Bezeichnung »Christine de Pisan« in Burne-Jones’ Skizzenbuch, FMC, Inv.-Nr. 1083, datiert um 1856/1857. Zu S. 22 vgl. HAC, Inv.-Nr. 2000.5.406 (um 1862), 2000.5.337–338. Die Frauenfigur auf S. 23 erinnert vage
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Betrachter, während sie einen Blumenkranz flicht ; diejenige auf S. 23 wiederum sitzt in einem Stuhl mit halbrunder Rückenlehne, legt ihre Rechte fragend oder erschrocken auf die Brust und hält sich zurückweichend mit der Linken an der Rückenlehne fest. Sie erinnert in diesem Haltungsmotiv an Darstellungen Mariens in Verkündigungsszenen. Auf S. 23 wird das untere Drittel des Schriftfeldes von zwei Frauen eingenommen, die eine Schriftrolle mit den Worten »TAMAN SHUD« (Taf. 7) halten und vor weißblütigen Ranken stehen. Diese Figuren basieren auf Vorlagen, die Morris ca. 1864–1866 für die Malereien in der Deckenkehle der Jesus College Chapel, Cambridge, entwarf.422 Die Kombination von Figuren und floralem, sich einrollendem Rankenwerk erscheint wie eine freie Umsetzung der Seitenrandgestaltungen in Handschriften des 14. und frühen 15. Jahrhunderts, wenn auch mit anderer Motivik.423 So zeigen die Malereien in dem Gebetbuch von Johann ohne Furcht, Herzog von Burgund, eine französische Handschrift aus der Zeit von 1410–1419 (BL, MS Harley 2897, fol. 188v ; Abb. 39), vor stilisierten Ranken musizierende Engel auf Erdschollen und im unteren Seitenrand eine sitzende, Wappenschilde haltende Frau. Morris kannte diese Handschrift wie ein Vermerk in seinem Skizzenbuch (HRC, MS 2934, fol. VIIIr) belegt. Auch Anregungen durch Handschriften wie BL, MS Add. 15254, eine flämische Bibel, sind zu vermuten. Im Seitenrand von fol. 13r sind innerhalb der durch sich überschneidende Ranken gebildeten Ovale an Photographien von Jane Morris aus der ersten Hälfte der 1860er Jahre, vgl. Photographie von John Parsons und Dante Gabriel Rossetti, 1865 ; siehe zu diesen Photographien : Colin Ford, A Pre-Raphaelite Partnership : Dante Gabriel Rossetti and John Robert Parsons, Burlington Magazine CXLVI, 2004, S. 308–318. Morris entwarf für frühe Fenster der »Firma« Verkündigungsdarstellungen : All Saints, Selsley, Gloucs., 1862, Karton von 1861, AMO, Sewter 1974, Abb. 40–42 ; St. Michael and All Angels, Brighton, 1862, Entwurf in der WMGW, ebd., Abb. 62–63. Das Figurenmotiv basiert auf einer Figurenstudie von Morris für die Verkündigung, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.288, datiert um 1872 (Abb. 38). Von Burne-Jones haben sich verschiedene Studien sitzender Frauen aus der Zeit 1861 erhalten, deren Stil sich demjenigen von Dante Gabriel Rossetti anschließt, vgl. Christie’s, 28.11.2000, Los 37, und 28.2.2007, Los 8. Vielleicht stammten Murrays Vorlagen auch aus diesem Werkkomplex. 422 Vgl. zu den Deckenmalereien in Cambridge : Robinson/Wildman 1980, Kat. Nr. 53 ; Brief Morris’ an Edmund Henry Morgan vom 27.11.1866, in : Kelvin 1984 I, Nr. 35, S. 46–47. Morris wiederholte diese Figuren der »Rubáiyát«-Handschrift auch im »Vanderpoel memorial window« für die Trinity Church, Saugertieson-Hudson, New York, 1874 (Sewter 1974, Abb. 478), und in der Tapisserie »The Orchard« von 1890, V&A. Vgl. für die linke Figur die Entwürfe, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1904i, 2000.5.295 (William Morris), um 1872 datiert. Die rechte Figur weist Parallelen zu den Figurenentwürfen, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1904g, 2000.5.1904b (beide um 1872) auf. 423 Vgl. a. BL, MS Add. 25695. Für musizierende Engel innerhalb der vom Rankenwerk gebildeten Medaillons : Les Belles Heures des Duc de Berry, The Cloisters, Metropolitan Museum of Art, New York, Inv.-Nr. 54.1.1 (Gebrüder Limburg, Paris oder Bourges, 1405–1408/1409), fol. 30r ; für Halbfiguren von Engeln : SpitzStundenbuch, Paris, um 1420, J. Paul Getty Museum, Los Angeles, MS 57. Eine Anregung könnten zudem Handschriften des 14. Jahrhunderts gewesen sein, wie BLO, MSS Douce 62, Douce 6 (flämischer Psalter, um 1300) oder BL, MS Royal 10 E. iv (Smithfield Decretals, ev. London, 1330–1340). Auf solche Vorbilder hatte sich Morris bei der Dekoration seiner frühen Handschriften aus den 1850er Jahren bezogen.
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
Figuren eingetragen. Dieses Dekorationsprinzip ermöglichte es Morris, bei einer naturalistischen Wiedergabe der Pflanzen, wie sie John Ruskin gefordert hatte, und einer Einbeziehung dreidimensionaler Motive die Flächigkeit der Seite durch die unrealistischen Größenverhältnisse und die Art der Zusammenstellung zu bewahren. Morris wählte für das dritte Geschenk für Georgiana Burne-Jones einen rein dekorativen Ansatz, wobei ihm an der harmonischen Zusammenfügung von Pflanzenformen und Figuren gelegen war. Die Verbindung dieser beiden Motivebenen, die Organisation der floralen Elemente, die kontinuierliche Abfolge des Ornaments waren Probleme, um deren Lösung er sich in mehreren Medien seit längerem bemühte. Die kleinformatige Handschrift bildet auf Grund der malerischen Delikatesse, die besonders das florale Ornament und den Abb. 39 British Library London, MS Harley 2897, Einsatz der Goldfarbe betrifft, ein Geschenk Gebetbuch des Johann ohne Furcht und der von festlichem Charakter. Morris lag bei seiner Margarete von Bayern, Frankreich (Paris), um 1410–1419, fol. 188v. © The British Library Board (MS Dekoration daran, die Stimmung des Textes Harley 2897). umzusetzen. Die Aspekte von Lebensgenuss und Pracht werden durch das Thema der Musik und die Goldfarbe vermittelt, während die vielfachen Verweise auf Wachstum, Fruchtbarkeit und Gärten ihre Entsprechung in den üppigen, organisch wachsenden Ranken der Seitenränder finden. Die Dekoration der Handschrift ist durch Ausgewogenheit und Harmonie bestimmt, die die im Text angesprochene Schönheit und Fruchtbarkeit der Natur hervorheben. 3.5.2 Die Seiten in der Sammlung der William Morris Gallery in Walthamstow
In der Sammlung der William Morris Gallery, Walthamstow (Inv.-Nr. J578), sind vier Pergamentblätter erhalten, bei denen es sich wohl um verworfene Seiten zum Londoner »Rubáiyát« handelt.424 Diese Zuordnung ist auf Grund der Schrift, der Seitengröße, der 424 In dem Band insgesamt 11 Bl., die in Zusammenhang mit dem Londoner »Rubáiyát« stehen, davon einige Seiten unbeschrieben (nur liniert), Pergament, ca. 153 × 110 mm, Schriftfeld : ca. 100 × 70 mm, Seitenränder : oben 20 mm, unten 35 mm, innen 15 mm, außen 25 mm ; Walthamstow 1969, Nr. J578, S. 44 ; Fine Print 1976, S. 23–24. Einband aus braunem Maroquin mit Blindstempelung von Douglas Cockerell, 1902
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Zeilenzahl sowie der Anordnung der Einzelelemente auf der Seite möglich.425 Die in Bleistift skizzierten Kapitalien zeigen an, dass für den Anfang jeder Zeile farbige oder goldene Großbuchstaben geplant waren. Das zweite Blatt der »Rubáiyát«-Fragmente weist im äußeren Bereich des Schriftfeldes – wie in der Londoner Fassung – dem oberen Seitenrand entgegenstrebende Blattzweige auf. Sie sind in Bleistift eingezeichnet, lediglich zwei der oberen Zweige sind leicht in Tinte konturiert. Auf dieser Seite deuten die z. T. etwas verlaufene Tinte sowie Zeichen von Abreibungen oder Ausradierungen auf die Gründe für die Aussortierung der Seite. Weitere entsprechende Probeseiten ohne Dekorationsskizzen befinden sich in der British Library und in der Bodleian Library.426 Fünf Blätter der Walthamstower Sammlung mit dem Text des »Rubáiyát« weisen eine ähnliche, wenn auch etwas größere und mit leichten Variationen ausgeführte Schrift auf. So ist die Oberlänge des f weniger geneigt, die etwas längeren Oberlängen tragen Anstriche. Das erste Blatt dieser Seitengruppe trägt flüchtig in Bleistift eingezeichnete Motive, die auf eine dem Dekorationsschema des Londoner »Rubáiyáts« verwandte Malerei hindeuten. Der Titel der Handschrift ist in den drei ersten Zeilen des Schriftfelds in Kapitalbuchstaben mittig über dem Text flüchtig und unvollständig in Bleistift eingetragen und wird in der vierten Zeile von einer kurzen Sepia-Ranke vom folgenden Text abgetrennt. Vielleicht sollte diese ansonsten freibelassene Zeile die Versnummer aufnehmen. Diese sind bei den folgenden Quartains in römischen Ziffern inmitten einer floralen Einfassung eingetragen, die in den äußeren Teil des Schriftfeldes hineinrankt und den dort verbleibenden Freiraum füllt. Im oberen Seitenrand ist eine von Rankenlinien eingefasste Ovalform angedeutet, die eventuell Initialen umfassen sollte, während im äußeren Seitenrand sehr grob vier Figuren und eine einzelne Rose eingetragen sind. Die unterste, nach links gewendete und leicht vornübergebeugte Figur bezieht sich vermutlich auf die im unteren Seitenrand skizzierte kniende Figur, die ihre Linke ausgestreckt und die Rechte vor die Brust gelegt hat. (monogrammiert und datiert). Die Blätter als Geschenk von Jane Morris am 19.1.1899 an Sydney Carlyle Cockerell. Fünf weitere Blätter mit von Morris geschriebenen »Rubáiyát«-Texten gab Murray am 8.11.1916 an Cockerell ; am 23.11.1916 kam ein einzelnes Blatt hinzu ; von der WMGW 1956 bei Sotheby’s erworben : SCC 1956, Los 94a. 425 Dunlap 1972/1976, S. 422. 426 BL, MS Ashley 5755, 2 Bl., fol. 111r–112v, dünnes Pergament, ca. 150 × 115 mm, Schriftfeld : ca. 98 × 70 mm, Seitenränder : oben 20 mm, unten 35 mm, innen 18 mm, außen 27 mm, 17 Z./S. Auf fol. 111r sind Schriftfeld und Linien nur in Bleistift eingetragen. Fol. 111v–112v tragen den Text von Vers 31–40. Die Schrift dieser Seiten entspricht derjenigen des Londoner »Rubáiyát«. An den Zeilenanfängen sind jeweils Kapitalien in Bleistift eingefügt. Zwischen den Versen ist eine Freizeile für die Versnummer gelassen. Eventuell wurde auch dieses Doppelblatt auf Grund der Verwischungen auf fol. 111v und gewissen Unsicherheiten in der Schrift sowie Unregelmäßigkeiten im Tintenauftrag aussortiert. BLO, MS Eng. misc. e. 233/1, fol. 26r–33, Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1252, S. 107 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 486 (4) und (8) ; Whitla 2001, S. 91. Siehe a. BL, C43c26 Scraps, 1 Bl., Pergament, 153x110 mm, 17 Z./S., Rosenbaum/Pearson 1993, S. 486 (6).
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
Vier weitere Blätter tragen eine entsprechende, wenn auch teilweise etwas uneinheitliche Schrift, in der sich Buchstabenformen mit und ohne Abstrich abwechseln. Sie weisen jedoch keine Dekorationsskizzen auf und sind oft nur einseitig und unvollständig beschrieben. Auf zwei weiteren Walthamstower Blättern wird der Text des »Rubáiyát« plötzlich von den ersten Zeilen von Morris’ Dichtung »The Lovers of Gudrun« abgelöst.427 Die auf seiner Übersetzung der isländischen »Laxdaela Saga« beruhende Dichtung wurde 1870 im dritten Band des »The Earthly Paradise« publiziert.428 Da Morris bereits am 15.4.1870 Georgiana Burne-Jones eine Abschrift dieses Textes geschenkt hatte (FMC), könnte er eventuell geplant haben, ihr eine zweite illuminierte Fassung des Textes zukommen zu lassen, von deren Ausführung er dann wohl wegen der Textlänge nach seinen Erfahrungen mit der »Dwellers«-Handschrift absah.429 May Morris nannte diese Saga eine der »earlier romantic tales of the Earthly Paradise« und lobte sie als die »most intense of the Northern Sagas«, die durch die »enhanced nobility of its spirit and manner«, den »terse self restraint« und das »relentless drama« sowie den »undertone of piety and tenderness« geprägt werde – Qualitäten, die Morris wahrscheinlich besonders schätzte.430 Diese Gruppe von Walthamstower Seiten ist auf Grund der Schrift vermutlich in der Zeit um 1871/1872 entstanden, wobei die Datierung durch die widersprüchlichen Zeitangaben zu Morris’ zweikolumnigen Handschriften und zu dem »Rubáiyát« für Frances Graham erschwert wird. Es ließe sich eventuell – angesichts der leichten Abweichungen in der Schrift und ausgehend von einer Entstehung im Anschluss an das Londoner »Rubáiyát« – vermuten, dass es sich hierbei um Blätter handelt, die in Zusammenhang mit der zweiten »Rubaíyát«-Handschrift entstanden, dann aber nach einer Planänderung und der Festlegung eines neuen Dekorationsschemas aussortiert wurden. Vielleicht sind die Blätter mit den »Gudrun«-Zeilen sogar noch als Probeseiten anzusehen, die Morris ausführte, bevor er mit der Arbeit an dem Londoner »Rubáiyát« begann, oder sie waren Übungsblätter, mit denen er versuchte, sich für einen der Texte zu entscheiden, und zugleich das Pergament als Schreibgrund ausprobierte.
427 Pergament, 150 × 110 mm, Schriftfeld : 100 × 70 mm, 17 Z./S. Der »Gudrun«-Text beginnt in der zweiten Zeile der Versoseite des ersten dieser Blätter und wird auf der Versoseite des zweiten, dessen Rectoseite nur liniert ist, wiederholt. Vgl. Cockerells Beischrift auf der letzten ansonsten unbeschriebenen Pergamentseite von J578 : »opening lines of Lovers of Gudrun«. Rosenbaum/Pearson 1993, S. 550, MoW 315. 428 MacCarthy 1994, S. 304. Eine Ausgabe dieser Saga ist in Morris’ Bibliothekskatalog von ca. 1876 aufgeführt, YCBA, fol. 18r. 429 FMC, Inv.-Nr. F25, datiert 15.4.1870, Rosenbaum/Pearson 1993, S. 550, MoW 313. Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 196. Die Abschrift in der HL, Inv.-Nr. HM 64185. Den Text hatte Morris im Juni 1869 übersetzt. 430 May Morris, in : CW V, S. xxxi.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
3.5.3 »The Rubáiyát of Omar Khayám« – eine zweite Version für Frances Graham
Ist die Londoner Handschrift durch Morris geprägt, so erweist sich die zweite, in Privatbesitz befindliche Handschrift des »Rubáiyát« durch Burne-Jones bestimmt, der sie gemeinsam mit Morris für Frances Graham, die Tochter seines Freundes und Auftraggebers William Graham, anfertigte, zu der er eine sehr enge freundschaftliche Bindung besaß. Etwas unklar ist die Überlieferungstradition zu diesem zweiten »Rubáiyát«. Mackail schrieb, dass Morris noch vor Beendigung der Londoner Handschrift »another copy of the same poem for Burne-Jones on paper« begann »and in it Burne-Jones himself painted six extraordinarily beautiful pictures, each in a different scheme of colour and showing […] his finest qualities of design and invention«.431 In seiner Formulierung bleibt offen, ob die Handschrift als ein Geschenk für Burne-Jones entstand oder ob Morris sie auf Wunsch von Burne-Jones ausfertigte, der sie wiederum von vornherein als Geschenk für Frances Graham vorgesehen hatte. So findet sich, wohl in Interpretation der Mackail-Quelle, der Verweis, dass Morris »intended the second to be for Ned [Edward Burne-Jones]. But Ned could not resist giving the exquisite ›painted book‹ to Frances«.432 Hierbei bliebe allerdings die starke Einbeziehung des ursprünglich Beschenkten – Edward Burne-Jones – erstaunlich. Das »Rubáiyát« bildet – abgesehen von der ersten Miniatur in »A Book of Verse« – die einzige Handschrift Morris’, bei der Burne-Jones selbst die Bildfelder ausführte und diese Aufgabe nicht an Charles Fairfax Murray delegiert wurde, der dann dessen Entwürfe umsetzte. Der Grund für seine direkte Teilhabe an diesen beiden Projekten liegt vermutlich in seiner engen persönlichen Bindung zu den Beschenkten. Die Handschrift unterscheidet sich in einigen maßgeblichen Punkten von Morris’ Londoner »Rubáiyát« : Sie ist großformatiger, auf Papier und mit der abweichenden Schreibweise »The Rubáiyát of Omar Khayám« ausgeführt. Auch der Titel auf der ersten Textseite »Rubáiyát of Omar Khayám of Naishápúr« divergiert von der anderen Handschrift. Sie ist, wie die doppelkolumnigen Handschriften »The Story of Hen Thorir« und »The Story of the Banded Men« (BLO, MSS Eng. misc. d. 266, 267), auf Büttenpapier mit dem Wasserzeichen C. Ansell 1869 in den Maßen 215 × 280 mm geschrieben und wird in die Zeit von 1871/1872 bzw. 1872/1873 datiert, wobei die etwas spätere Datierung auf May Morris’ Angaben zurückgeht.433 Mackail erwähnte, dass das Manuskript noch
431 Mackail 1995 I, S. 279. 432 Fitzgerald 1997, S. 146 ; Flanders 2001, S. 137. 433 May Morris, in : CW IX, S. xx ; PML 1976, Nr. 55, S. 112. Christian datierte die Handschrift in das Jahr 1872, in : Burne-Jones 1975, Nr. 271, S. 84. Eine späte Datierung in das Jahr 1874 durch Rosenbaum/Pearson 1993, S. 485, dagegen ebd., S. 486, eine abweichende Datierung um 1872–1873.
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
vor Beendigung des Londoner »Rubáiyát« (16.10.1872) begonnen wurde.434 Hewitt und Fairbank sprachen sich für die frühe Datierung um 1871/1872 aus.435 Die Schrift ist eine gerade hochstämmige humanistische Buchschrift mit ausgeprägten Serifen. Das g ist durch einen spitzen Winkel oberhalb der unteren Schlaufe gekennzeichnet ; dem f fehlt die Unterlänge. Die Schriftgröße, die ausgeprägte Höhe der leicht nach rechts geneigten Oberlängen und die deutlich abgesetzten Serifen bilden die wesentlichen Unterschiede zu der kleinen, zierlichen humanistischen Buchschrift des Londoner »Rubáiyát«.436 Die Schrift ähnelt nun eher derjenigen, die Morris in seinen »Kormak«-, »Frithiof«-, »Ynglings«- und »Halfdan«-Manuskripten verwendete.437 Das Schriftfeld wird von einer sepiafarbenen Linie eingerahmt, die im Unterschied zum Londoner »Rubáyiát« nicht über die Seitenränder hinweg geführt wird. Ansonsten entspricht die Seitengliederung weitgehend der Londoner Handschrift : Die Seitenüberschrift – hier im Unterschied mit dem vollen Titel »Rubáiyát of Omar Khayám« – steht mittig im oberen Seitenrand in Goldkapitalis, die goldenen arabischen Seitenzahlen in den oberen äußeren Seitenecken ; die Quartains sind durch goldene Versnummern – im Graham»Rubáiyát« allerdings in römischen Ziffern – getrennt, die Zeilen von Kapitalisbuchstaben eingeleitet, wobei jeweils ein goldener und ein farbiger Buchstabe alternieren. Verwendet Morris hier blaue, grüne, türkis- und sepiafarbene Kapitalbuchstaben, so wurden alle Zeilen des Londoner »Rubáiyát« durch goldene Kapitalbuchstaben begonnen. Der verbleibende Freiraum am rechten Feldrand und zwischen den Versen wird wieder von Blüten- und Blattzweigen gefüllt. Die Einheit der Doppelseite wird in dieser Handschrift durch die übereinstimmende Farbigkeit der einleitenden Kapitalbuchstaben sowie oftmals durch die sich wiederholenden floralen Motive, Farben und eine ähnliche Art des Arrangements betont. Setzte Morris im Londoner »Rubaiyat« die Tendenzen zum organischen Wachstum um einen Stab fort, die sich in »A Book of Verse« ankündigten, und führte die florale Dekoration naturalistischer, üppiger, dichter, lebendiger und in kräftigeren Farben aus, so wird das Ornament im zweiten »Rubáiyát« zwar auch aus zwei sich überkreuzenden, schlanke Ovale formenden, organisch aufstrebenden Ranken gebildet, aber es enthält noch sich überschneidende Einzelzweige, stilisierte sowie einzelne eingestreute Blüten, seltener dagegen das Stabmotiv.438 Auch Mackail stellte fest, dass das Graham»Rubáyiát«»more in the style of the »Book of Verses« [sic !] but with somewhat more profuse ornament« ausgeführt sei.439 Als florale Motive erscheinen Winden (S. 2), Eicheln 434 435 436 437 438
Mackail 1995 I, S. 279. Hewitt 1934, S. 7 ; Zapf 1949, S. 45 ; Fairbank 1970, S. 66. Vgl. dazu ausführlicher : Dunlap 1972/1976, S. 224. Ebd., S. 225. Whitla 2001, S. 53, 92 : Morris’ erste Antiqua-Schrift. Das Stabmotiv findet sich z. B. auf S. 2, 7, 10. Als Beispiel für stilisierte Blüten siehe die aus Punkten, Kreissegmenten und kurzen Strichen gebildeten Goldblüten (S. 8, 9). 439 Mackail 1995 I, S. 279.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
(S. 3), Jasmin und weiße Rosen (S. 6), Granatäpfel (S. 11), weiße und rote Mohnblumen (S. 18, 19), die als Zeichen für Vergänglichkeit und Tod gedeutet werden können. Die Mischung aus sich rankenden und überkreuzenden, additiv zusammengefügten Einzelzweigen erinnert ebenso wie die häufige Verwendung von zierlichen weißen Blüten und volutenartig eingerollten Ranken an die floralen Ornamente in Morris’ »Dwellers II« von 1871. In beiden Handschriften fällt zudem eine Vorliebe für metallische Höhungen und Kupfertöne auf.440 Auf einigen Seiten lässt Morris im Graham-»Rubáiyát« die floralen Zeilenfüller vom linken Schriftfeldrand zur Versziffer bis in den rechten Seitenrand ranken statt sie von den Ranken im rechten Schriftfeldbereich ausgehen zu lassen. Die nun auch von links ausgehende Bewegung verstärkt bei dieser Handschrift die in Farbgebung und Motivik festgestellte Tendenz zur Gestaltung des geöffneten Buches als harmonische Doppelseite : Die Buchmitte wird zur Achse, von der sich die Ranken nach außen bewegen. Das Ornament ist auf einigen Seiten blasser und heller, weniger dicht, etwas steifer und stärker in die Fläche ausgerichtet als in der Londoner Handschrift gestaltet. Es dominieren Weiß und Grün neben blassen Rot- und Gelbtönen.441 Eine annähernd entsprechende Farbwahl zeigen einige Seiten des »A Book of Verse« und die wenigen Seiten der unvollendeten Handschrift »The Story of Hen Thorir« (BLO, MS Eng. misc. d. 266), mit der das Graham-«Rubáiyát« auch gewisse Details der Schriftgestaltung verbindet.442 Im Graham-»Rubáiyát« wird die Helligkeit der Blüten durch die dunklen Grüntöne der Blätter betont, wobei diese in der Farbigkeit einen Bezug zu den eher dunklen Farbtönen der Miniaturen herstellen. Auf diesen Seiten sind in Entsprechung zu den breiten Goldrahmen der Bildfelder in den Seitenrändern goldene Ranken und Blüten angelegt. Die Betrachtung der Schrift und des Ornaments veranlasst, das Londoner »Rubáiyát« als Synthese und Verbesserung von bereits erprobten Ideen ans Ende eines Gestaltungsprozesses zu setzten, während das Graham-»Rubáiyát« eher eine Mittelposition einzunehmen scheint, ähnlich wie die »Dwellers II«-Handschrift und die zweispaltigen Manuskripte. Dieses würde für eine Datierung in die Zeit 1871–1872, noch vor dem Londoner »Rubáiyát«, sprechen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass Morris über Burne-Jones von dem »Rubáiyát« erfuhr und über ihn Swinburnes Kopie entlieh.443 Während die Londoner Handschrift sich in der Gestaltung an das »A Book of Verse« anschließt und auf den hier erzielten Ergebnissen in der Behandlung der floralen Or440 441 442 443
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Vgl. BMAG, Inv.-Nr. 92’20, S. 226, 227, 230. Vgl. auch Mackail 1995 I, S. 279. V&A, Inv.-Nr. L.131–1953, S. 13, 23–27 ; Dunlap 1972/1976, S. 225. GBJ 1993 II, S. 33–34. Die bekannten Exemplare des »Rubáiyát« aus Morris’ Bibliothek stammen erst aus der Zeit von 1879–1894 : Omar Khayyam and Jami’s Salaman & Absal, London 1879, Bibliothekskatalog von 1890/1891, Bridwell Lib., fol. 55, Nr. 728 ; Works of Edward Fitzgerald, 2 Bde., London 1887, ebd., fol. 63, Nr. 843, und WM 1898, Los 408 ; Edward Fitzgerald, Rubáiyát of Omar Khayyám, London 1894, ebd., Los 409. Zu Burne-Jones’ Begeisterung für das »Rubáiyat« : GBJ 1993 II, S. 33–35 ; Horner 1933, S. 114–115.
Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
namente aufbaut, worüber die Figuren zurücktreten, zeigt sich die zweite »Rubáiyát«Handschrift durch sechs große Miniaturen bestimmt, die sich in ihrer Platzierung im oberen Seitendrittel und den breiten, schweren Goldrahmen an Burne-Jones’ Miniatur »The Two Sides of the River« in »A Book of Verse« (S. 1) anlehnen. Das Gold der Rahmen wird in dem zweiten »Rubáiyát« in den Blüten und den Ranken des floralen Ornaments aufgegriffen. Die Weiterführung einer einmal erfolgreich erprobten Form der Miniaturmalerei von gemäldehafter Konzeption wäre ebenso wie Burne-Jones’ massgeblicher Anteil an der Ausführung ein Argument dafür, in ihm den Initiator der Frances Graham geschenkten Handschrift zu sehen. Der ausgeprägte Bildcharakter der Miniatur unterscheidet sie von den kleineren, in das florale Rankenwerk eingefügten, von Murray ausgeführten Miniaturen in »A Book of Verse«. Morris selbst tendierte, wie in den Handschriften deutlich wird, die in der Folge des »A Book of Verse« entstanden, zu einer Verbindung von Figur und Ornament in den Rahmenleisten der Handschriften. Ist das Londoner »Rubáiyát« durch festliche Pracht gekennzeichnet, so kontrastiert in der Graham-Handschrift die Vegetation der Seitenränder mit der melancholischen Stimmung der Miniaturen, die sich auf die im Text angesprochenen Aspekte von Verlust und Vergänglichkeit zu beziehen scheinen. Die sechs Miniaturen zeigen mit einer Ausnahme jeweils ein Paar, wobei der Textbezug eher vage bleibt, sich nur leichte Übereinstimmungen feststellen lassen.444 Es handelt sich nicht um narrative Szenen, um Illustrationen im engeren Sinne, sondern vielmehr um bildhafte Umsetzungen der Atmosphäre des Textes, um die Visualisierung seiner melancholischen Stimmung und Vanitas-Thematik. Dieses wird durch die Wahl von Abend- und Nachtlandschaften (S. 3, 13, 17), die Kontrastierung von einem dunklen Innenraum und einem hellen blühenden Garten (S. 9) erzielt sowie durch die Motivwahl von Ruinen, Grabmal und trostloser, düster anmutender Vegetation (S. 5, 13) und zudem auf symbolische Weise durch das Einfügen von traditionell als Vanitas-Symbole geltenden Details wie Lampe, Blumenvase, Spiegel und Muschel in der Miniatur auf S. 9. Sie waren Burne-Jones vermutlich durch seine Beschäftigung mit der altniederländischen Malerei vertraut. So variiert der Rundspiegel denjenigen in Jan van Eycks Bild der Arnolfini-Hochzeit, das sich seit 1842 in der Sammlung der National Gallery in London befindet.445 444 Vgl. Dunlap 1975, S. 152 ; ders. 1976, S. 60. 445 Eine Skizze des Giovanni Arnolfini in Morris’ Skizzenbuch mit Angaben zu Farbe und Material der Kleidung, BL, MS Add. 45336, fol. 2r. Zeichnungen Burne-Jones’ nach van Eyck z. B. in seinem Skizzenbuch, V&A, Inv.-Nr. E. 4–1955, S. 84 : Kopf und Buch der Madonna des Genter Altars. Der Rundspiegel erfreute sich bei den Präraffaeliten großer Beliebtheit und findet sich auch in Gemälden und Gouachen von Rossetti und Holman Hunt. Burne-Jones verwendete ihn bereits 1861 in seiner Gouache »Fair Rosamond and Queen Eleanor« (Privatsammlung). Im Hintergrund dieser Gouache findet sich auch eine Vase, die derjenigen der Miniatur im »Rubáiyát« ähnelt. Anregungen für die Details der Ausstattung erhielt BurneJones vielleicht durch das Studium von Quellensammlungen wie Henry Shaws »Dresses and Decorations of the Middle Ages […]«, London 1843. Zeichnungen von mittelalterlichen Gegenständen nach Tafeln
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Das relativ niedrige querrechteckige Format der Miniaturen von nur 10 Zeilen Höhe zwang Burne-Jones zur Verwendung von Sitz- oder Hockmotiven. Die Figuren sind eng in das Bildfeld eingespannt und nehmen fast dessen gesamte Höhe ein. Die Bildräume werden aus parallel hintereinandergefügten Schichten gebildet, wobei eine Wand oder Mauer den Blick in die Bildtiefe verstellt. Das Hauptmotiv, das Paar, erhält in Architekturmotiven ein Gegengewicht und lässt Burne-Jones’ kleinformatige Kompositionen harmonisch und ruhig wirken. Seine Figuren sind in diesen Miniaturen wie in denen zu »A Book of Verse« in einem lockeren Duktus ausgeführt. Die Falten sind z. T. schwungvoll eingetragen, Weißhöhungen breit und körnig aufgesetzt. Die Köpfe sind ohne individuelle Gesichtszüge gestaltet, wodurch der ohnehin androgyn anmutende Charakter noch betont wird. Der pastose Duktus und die Bevorzugung von Grün- und Blautönen entspricht seinen Gouachen der Zeit um 1870 wie »Green Summer« von 1864, das auch in einer Ölfassung von 1868 erhalten ist, die übrigens von William Graham erworben wurde (beide in Privatsammlungen). Als weitere Beispiele lassen sich »The King’s Wedding« (ehem. Sammlung William Graham) und das Porträt Maria Zambacos, jeweils von 1870 (beide im ClemensSels-Museum, Neuss), nennen.446 Die kühlen Blau-Grün-Werte werden stets durch wärmere Rot- oder Gelb-Orange-Nuancen ergänzt. Allerdings ist die Verwendung von Goldhöhungen, wie sie sich in den Miniaturen findet, für Burne-Jones’ Tafelbilder der Zeit eher ungewöhnlich.447 Burne-Jones beschränkt sich in den Miniaturen jeweils auf wenige Farbtöne, die in verschiedenen Nuancen das Kolorit der Miniatur bestimmen, so dass Mackail zu der etwas übertriebenen Meinung gelangte, dass jede Miniatur in einem eigenen Farbklang ausgeführt sei, und die verbindenden Momente übersah.448 Hewitt wiederum erachtete die Farbgebung der Miniaturen als zu dunkel.449 Nicht nur farblich, sondern auch motivisch lassen sich Parallelen zu Burne-Jones’ zeitgleichen Tafelbildern finden. So wird der Hintergrund der Titelminiatur, in deren rechtem Vordergrund ein kniender Mann eine traurig gebeugte Frau tröstend umarmt, von einem Fluss und diesen einfassenden mittelalterlich anmutenden Gebäuden und einer Brücke ausgefüllt, die an diejenigen in Burne-Jones’ »The Mill« (1870–1882, V&A) und »Le Chant d’Amour« (1868–1873, MMA) erinnern. Die Szenerie der Titelminiatur ist in eine helle, blaugrüne, frühe Morgenlandschaft mit einem sich im Wasser spiegelnden und Textabbildungen aus dieser Publikation finden sich in Burne-Jones’ Skizzenbüchern, Skizzenbuch von 1865–1867, V&A, Inv.-Nr. E. 4–1955, S. 92–93, 70 nach Shaws Tafeln 33, 58, 66 ; vgl. a. die Details zur mittelalterlichen Ausstattung im Skizzenbuch, V&A, Inv.-Nr. E. 1–1955, S. 269–272. 446 Vgl. weiterhin die Gouachen : »Vesper«, 1872, und »Night«, 1872 (Privatsammlungen). 447 Vgl. »The Garden of the Hesperides«, 1870–1873 (Hamburger Kunsthalle), »Laus Veneris«, 1873–1878 (Laing Art Gallery, Newcastle-upon-Tyne), »The Days of Creation«, 1870–1876 (Gouache, Fogg Art Gallery, Harvard University Arts Museums). 448 Mackail 1995 I, S. 279 ; vgl. Dunlap 1972/1976, S. 224. 449 Hewitt 1934, S. 10.
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
Mond gesetzt. Die Wahl dieser Tageszeit ermöglicht es dem Künstler, an den ersten Vers des »Rubáiyát« anzuknüpfen. Der Farbklang Weiß-Grün wird in der floralen Dekoration in den unteren zwei Seitendritteln aufgegriffen, wodurch verhindert wird – ebenso wie durch das Abmischen der dunklen Farben des Bildfeldes mit Weiß –, dass die Miniatur zu erdrückend auf der Seite wirkt. Dabei erinnern der verbleibende, von dem dichten Blattwerk und hellen Blüten der geschwungenen Zweige gefüllte Bereich der Titelseite wie auch das von Blütenstielen hinterlegte »Kuza Nama« des Londoner »Rubáiyát« (S. 18) an die Ranken des »A Book of Verse« und an Morris’ florale Füllornamente in seinen Handschriften mit Doppelkolumne wie der »Kormak«-Handschrift von 1871 (PML, MA 1804). An den Handschriftenanfang (Titelseite) und das Textende (S. 17) sind sich farblich, szenisch und kompositorisch aufeinander beziehende Bildfelder gesetzt : Dem Textanfang ist die Darstellung eines sich am rechten Bildrand umarmenden Paares vorangestellt, und am Textende ist an dieser Stelle ein harmonisch beieinander sitzendes, eng umschlungenes Paar an einem nächtlichen Fluss gezeigt, wodurch ein positiver Abschluss vermittelt wird. Es betrachtet die hinter dem Fluss aufsteigenden Häuser, deren Silhouette und Fensteranordnung die beiden Figuren betonen.450 Ein links auf den Fluss fallendes helles Lichtquadrat lässt vermuten, dass es vor einem innen beleuchteten Gebäude sitzt. Burne-Jones bezieht sich in dieser harmonischen Szene vielleicht auf die letzten Verse des »Rubáiyát«, die von einer gewissen versöhnlich-resignativen Stimmung geprägt werden (72.–74. Vers), um mit einer endgültigen Hervorhebung der Vergänglichkeit aller irdischen Dinge abzuschließen : »Ah Love, could thou and I with Fate conspire/to grasp this sorry scheme of things entire […]« (Vers 73).451 Statt des sich im Wasser spiegelnden Vollmonds der ersten Miniatur, steigt in der letzten eine Mondsichel hinter den Häusern empor. Die Figurenkomposition richtet sich in diesem »Rubáiyát« nach der Stellung der Miniatur in der Handschrift : Vermittelt der kniende Mann der Titelminiatur, unterstützt durch sein purpurfarbenes Gewand, trotz der Abschlussmotive des gebeugten Frauenrückens und des Baumstamms am rechten Bildrand einen Schub nach rechts, in das Buch hinein, so bilden die nach links gedrehten Körper des Paares und die von einer Ranke bewachsene Mauer in der letzten Miniatur markante Schlussmotive. Wie diese Darstellung von Intimität im Kontext des Werkes Burne-Jones’ überrascht, so erstaunt auch die emotionale Intensität in der zweiten Miniatur (S. 1, fol. 3r), wohingegen sich das passive und melancholische Beieinander der Paare der übrigen Bildfelder enger an seine Gemälde anlehnt. Die zweite Miniatur der Handschrift zeigt vor einem Sternenhimmel mit Mondscheibe ein auf einer Steinbank sitzendes, sich umarmendes und küssendes Paar. Das Bildfeld wird rechts durch einen Orangenbaum begrenzt, dessen Zweige das Paar hinterfangen und dessen Früchte den Farbton des Kleides der 450 Vgl. mit William Holman Hunts Gouache »The Ponte Vecchio«, um 1867, V&A, Inv.-Nr. 196–1894. 451 Die Miniatur ist allerdings den Versen 69–70 vorangestellt.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Frau aufgreifen. Die Orangenzweige werden im Seitenrand in Gold wiederholt. BurneJones betont die Intensität des Kusses zum einen durch den Farbkontrast der Gewänder (Orange und Blau-Schwarz), zum anderen indem er, die Gesichter der Figuren verdeckend, für die Vermittlung der Emotion hauptsächlich die Konturen der Körper einsetzt. Ungewöhnlich für sein Œuvre ist auch das Haltungsmotiv der Frau, die ihr rechtes Bein auf die Bank aufgelegt und ihren Oberkörper dabei vor, dem Mann entgegen, geneigt hat. Sie ist im Unterschied zu den passiven, eher traurigen Frauenfiguren, die seit der ersten Hälfte der 1870er Jahre seine Werke kennzeichnen, über ihre Haltung, die Farbe und die Transparenz ihres Kleides als temperamentvolles, sinnliches, emotional agierendes Wesen aufgefasst. Das Orange wird in der fünften Miniatur aufgegriffen, allerdings in einen RotbraunTon gewandelt, der das Bildfeld in verschiedenen Nuancen bestimmt (S. 13, fol. 9r) und eine Dämmerung- oder Abendstimmung vermittelt. Im linken Bildvordergrund sitzt eine nach rechts gewendete Figur, das Kinn sorgenvoll aufgestützt, bekümmert und nachdenklich nach rechts blickend, wo sich, umgeben von blattlosen Bäumen und Büschen, eine Ruinenarchitektur befindet, vor der ein Sarkophaggrab zu vermuten ist. Die Mitte der Miniatur wird von einem mächtigen Säulenschaft akzentuiert, vor dem ein Rosenbusch blüht. Die Haltung der Figur scheint seitenverkehrt diejenige der am rechten Bildrand sitzenden Frau in Burne-Jones’ »The Lament« zu variieren.452 Die Dämmerung und die als Grab zu interpretierende Rechteckform entsprechen dem durch Gedanken zu Tod und Vergänglichkeit geprägten Inhalt der Verse, die die Seite unterhalb der Miniatur füllen (52.–54. Vers). Rosenbusch und Ruinen erscheinen bereits in der dritten Miniatur der Handschrift (S. 5, fol. 5r), die dem 18. Vers vorangeht : »Sometimes I think that never blows so red / The rose as where some buried Caesar bled«. Diese Miniatur variiert Burne-Jones’ ungefähr zur gleichen Zeit entstandene Gouache und die spätere Ölfassung »Love among the Ruins« (1870–1873), deren Titel von einem Gedicht Robert Brownings übernommen wurde.453 Sie zeigen im rechten Vordergrund ein sich umarmendes Paar, das sich vor einer grauen, mächtigen Mauer mit ornamental gegliederter Torrahmung befindet, vor der das Fragment eines kannelierten Säulenschafts liegt und ein magerer Rosenbusch blüht. Der auf einem Steinblock sitzende Mann hält zwischen seinen Beinen eine Harfe und wendet sich zu der neben ihm niederknienden, ängstlich blickenden Frau um. Die Gouache- und die Ölfassung unterscheiden sich von der Miniatur in den reicheren architektonischen Details und dem gitterartigen Wachstum der Rosenranken, die, ähn452 Edward Burne-Jones, The Lament, Aquarell und Deckfarben, 1865–1866, WMGW ; Ölfassung von 1866 in Privatbesitz. 453 Nachdem die Gouache 1893 bei Photoaufnahmen in Paris schwer beschädigt wurde, fertigte der Künstler eine Replik in Öl an, die 1894 in der New Gallery gezeigt wurde. Die Gouache befindet sich in einer Privatsammlung, die Ölreplik in Wightwick Manor, Wolverhampton, National Trust.
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Die »Rubáiyát«-Handschriften für Georgiana Burne-Jones und Frances Graham
lich den Bildern des »Dornröschen«-Zyklus, an dem Burne-Jones seit 1870 arbeitete, die Figuren zu umfangen und vom Hintergrund abzutrennen scheinen. Während die Miniatur rechts mit einem dunklen Wald abschließt, fügte Burne-Jones in den großformatigeren Versionen Bogenstellungen ein, die in dunkle Höfe führen. Der Gegensatz von der palastartigen Anlage der Hintergrundarchitektur, die ehemalige Größe und Macht vermittelt, und der Säulenfragmente sowie der überwachsenden Natur unterstreicht den Eindruck der Verlassenheit und des Untergangs.454 Der Gesichtsausdruck der Frau ist in diesen Arbeiten eher träumerisch-melancholisch gehalten. Die in der Miniatur abgebildeten Ruinen und Rosen beziehen sich vermutlich auf Zeilen des 16., 17. und 18. Verses.455 Der im »Rubáiyát« angesprochene Verfall ehemaliger Größe ist auch Thema in Brownings Gedicht »Love among the Ruins«, das von einem Liebespaar Abb. 40 William Morris, Edward Burne-Jones, The handelt, das sich abends in den Ruinen einer Rubáiyát of Omar Khayám (»Graham-Rubáiáyt«), um ehemals mächtigen und reichen Stadt trifft. 1872, Privatbesitz, S. 9, in : Hermann Zapf, William Setzt Browning die Liebe als beständigere und Morris. Sein Leben und Werk in der Geschichte der Buch- und Schriftkunst, Monographien größere Macht gegen den weltlichen Ruhm, so künstlerischer Schrift 11, Scharbeutz 1949, S. 45. scheint Burne-Jones’ Paar allerdings eher bewusst zu sein, dass ihre Liebe auch von jener Vergänglichkeit bedroht ist, der ihre Umgebung bereits unterlag.456 Auch die vierte Miniatur (S. 9, fol. 7r, Vers 35 ; Abb. 40) erinnert an großformatige Arbeiten von Burne-Jones. So scheint die Bildszenerie mit einer grauen Halle, hinter der 454 Vielleicht gehen Details in der Architektur auf Anregungen durch die Holzschnittillustrationen von Francesco Colonnas »Hypnerotomachia Poliphi« in der Ausgabe durch Aldus Manutius, Venedig 1499 zurück, vgl. http://www.nationaltrustcollections.org.uk/object/1288953 [Zugriff am 5.2.2015] ; de Girolami Cheney 2014, S. 13. De Girolami Cheney vergleicht die Haltung der Frau mit derjenigen des knienden Pygmalion in »The Souls Attains«, dem dritten Bild aus Burne-Jones’ vierteiligem »Pygmalion«-Zyklus (1867, BMAG), und derjenigen Psyches in »Cupid and Psyche« (1865–1872, Cecil Higgins Art Gallery, Bedford), ebd., S. 12–13. 455 »Think in this battered caravanserai / Whose portals are alternate night and day […] They say the lion and the lizard keep / The courts where Jamshyd gloried and drank deep«, zit. nach : BL, MS Add. 37832, S. 5–6. 456 Vgl. Bell 1901, S. 65. Bell verglich die Wirkung des Bildes mit dem »strain of sweet and sad music«, ebd.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
sich ein von roten Mauern eingegrenzter Innenhof mit blühenden Bäumen und einem Brunnen befindet, an diejenigen des »Pygmalion«-Zyklus anzuknüpfen, dessen erste Fassung 1868–1870 entstand (Privatsammlung). In der Halle sitzt ein Paar, wobei die als Rückenfigur auf dem Boden gelagerte Frau ihren mit einem Blumenkranz geschmückten Kopf an das Knie des neben ihr auf einer Holzbank sitzenden Mannes gelegt hat. Dieser hat seinen Kopf sorgenvoll oder, wie es Dunlap formulierte, in »weariness or dejection« in seine linke Hand gestützt.457 Die Miniatur offenbart Burne-Jones’ Interesse an etwas komplizierten, verschränkten Haltungsmotiven in den kleinen Bildern der Handschrift, wobei die Zusammengehörigkeit der Figuren durch ein grundlegendes Haltungsmotiv unterstrichen werden kann. Solche motivischen Variationen lassen sich hier in der entgegengesetzten Neigung des Oberkörpers und dem senkrechten Abschluss durch den aufgestellten linken Arm finden oder in der dritten Miniatur (S. 5) in der einander entsprechenden Ausrichtung der Beine der Figuren. Dunlap vermutete, dass es sich bei dem Paar der vierten Miniatur um die »thoughtful soul to solitude retires« des vierten Verses handeln könnte.458 Vielleicht wird jedoch eher ein Bezug zu der Melancholie und den Gedanken an die Vergänglichkeit hergestellt, die den 35. und 37. Vers bestimmen. Bei dieser Miniatur fallen die das Licht reflektierenden Ausstattungsgegenstände auf : Der Glanz der gläsernen Lampe und des Rundspiegels in der oberen linken Ecke finden ihren Widerpart in den Lichthöhungen auf der Metallvase in der unteren rechten Ecke. Diese schimmernden Materialien lassen ebenfalls an Burne-Jones’ »Pygmalion«-Zyklus (besonders in der Version der BMAG) denken mit seinen polierten Steinoberflächen der Säulen und Böden. Burne-Jones scheint in seinen sechs Miniaturen die Themen Leid, Entfremdung und Vergänglichkeit zu gestalten, um schließlich mit einer eher versöhnlichen Note zu enden. Er illustriert den Text, wie auch in der Miniatur zu »Two Sides of the River« in »A Book of Verse«, auf eine assoziative Weise, indem er dessen Stimmung aufgreift und sie von der schriftlichen in eine visuelle Ebene überträgt, wobei er – ähnlich wie der Dichter – bestimmte Bilder bzw. Motive einsetzt, um diese melancholische Vergänglichkeitsstimmung zu suggerieren. 3.5.4 Zusammenfassung
Weder Burne-Jones noch Morris waren, wie spätere Illustratoren des in England sehr beliebten Textes bemüht, die wenigen szenisch umsetzbaren Handlungsmomente her457 Dunlap 1972/1976, S. 222. Zur Haltung des Mannes vgl. den inmitten von Rosenranken schlafenden Chaucer in einem Entwurf für Wandbehänge, an denen Burne-Jones und Morris von 1874 bis ca. 1876 arbeiteten und die bis ca. 1880 von Margaret Lowthian Bell und ihrer Tochter für den Speiseraum ihres Landhauses Rounton Grange gestickt wurden, WMGW. Das kauernde Haltungsmotiv der Frau scheint denjenigen der Figuren in Burne-Jones’ früher Gouache »Green Summer« von 1864 verwandt. 458 Dunlap 1972/1976, S. 222.
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Illuminierte Übersetzungen aus dem Isländischen
auszusuchen und in ihrer Wiedergabe die exotische, sinnliche Welt des Orients zu schildern.459 Stattdessen bleiben Burne-Jones’ »Rubáiyát«-Miniaturen seiner eigenen vage mittelalterlich anmutenden Bildwelt verbunden. Es sei nochmals die voneinander abweichende Auffassung des Textes und der Konzeption der Dekoration in den zeitlich eng beieinander liegenden Handschriften betont. Ist die Londoner Handschrift die eines in den angewandten Künsten tätigen »Designers«, so ist die Graham-Fassung diejenige eines Malers. Die Unterschiede zeigten sich in der Wahl gerahmter Bildfelder bei Letzterer, die die Vergänglichkeit alles Irdischen thematisierenden Aspekte des Textes betonen, und derjenigen üppiger Vegetation bzw. den Musikantenfiguren bei dem Londoner »Rubáiyát«, die eher die lebensbejahenden und -genießenden Seiten des Textes aufgreifen, und erlauben die Schlussfolgerung, dass die Konzeption der beiden Handschriften von vornherein bei zwei verschiedenen Künstlern lag. Durch die Nachtszenerien, die dunkle Farbigkeit und die kauernden Haltungsmotive der Figuren erweckt Burne-Jones eine melancholische Stimmung, die sich von der Festlichkeit des Londoner Exemplars unterscheidet. Erst durch die im Charakter sehr unterschiedliche und voneinander abweichende Illuminierung der beiden Handschriften wird ersichtlich, was Burne-Jones und Morris jeweils an dem »Rubáiyát«-Text faszinierte.
3.6 Illuminierte Übersetzungen aus dem Isländischen : »The Story of Gunnlaug« und die »Stories« der »Heimskringla« Verschiedene illuminierte Fassungen von isländischen Übersetzungen Morris’ lassen sich auf Grund der Analyse von Schrift und Dekoration in das zeitliche Umfeld der beiden »Rubáyiát«-Handschriften einordnen. Diese umfassen »The Story of Gunnlaug«, »The Story of Ogier the Dane« und drei »Stories« der umfangreichen »Heimskringla«. 3.6.1 »The Story of Gunnlaug Worm-tongue and Raven the Skald«
»The Story of Gunnlaug Worm-tongue and Raven the Skald«, Morris’ und Magnússons Übersetzung von »Gunnlaugs saga Ormstungu ok Skald-Hrafns« (BLO, MS Eng. misc. e. 233/1, fol. 1r–16v) besteht aus 16 Blatt Pergament (ca. 150 × 114 mm).460 Morris ver459 Vgl. z. B. die Illustrationen von Edmond Dulac und Willy Pogány, beide 1909. Einen Überblick bei : William H. Martin, Sandra Mason, The Art of Omar Khayyam, New York/London 2007 ; Garry Garrard, A Book of Verse. A Biography of the Rubaiyat of Omar Khayyam, Thrupp, Stroud 2007, Kap. 10, S. 187–222. 460 Die Oxforder Handschrift beinhaltet den Text vom ersten bis zur Mitte des vierten Kapitels. In Morris’ Bibliothekskatalog von ca. 1876, YCBA, fol. 18r, ist eine isländische Ausgabe der »Gunnlaugs Saga« von 1775 (Hafniae) aufgeführt. Vgl. Bibliothekskatalog von 1890/1891, Bridwell Lib., fol. 68r, Nr. 897 (dort mit der Datumsangabe 1774). In diesem späteren Katalog auch die zweibändige Publikation »Islandinga Saga«, die die »Gunnlaug Saga« beinhaltet, ebd., fol. 68r, Nr. 902. Der Text wurde in der »Fortnightly Review« im
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
wendet eine klare, gerade, hochstämmige humanistische Buchschrift mit Serifen, die nach rechts hinübergezogen werden, so dass der Eindruck einer dreieckigen Verdickung an den Ober- und Unterlängen entsteht. Die Schrift ähnelt derjenigen des Londoner »Rubáiyát« von 1871/1872. Das g zeigt allerdings den spitzen Winkel der Walthamstower Fragmente und des Graham-»Rubáiyát«. Während auf fol. 1v und 2r die Schrift noch relativ breit angelegt ist, wird sie ab fol. 3r zierlicher ; die Höhe der Oberlängen wird zurückgenommen, auf die unteren Abstriche verzichtet, die Strichstärke verringert. Ab fol. 10r wird die Schrift nochmals kleiner und zierlicher. Dunlap vermutete auf Grund des Schriftwechsels, dass Morris über einen längeren Zeitraum hinweg an der Handschrift arbeitete.461 Auf fol. 9v findet sich in Bleistift eingetragen die Kapitelüberschrift »CHAP IV«, auf die zunächst eine Freizeile für die Zusammenfassung und dann der Textbeginn folgt. Auf fol. 16v erscheinen in den beiden letzten Zeilen die ersten Worte aus Vergils »Aeneis« in einer kursiven Schrift, die sich von derjenigen unterscheidet, die Morris in seiner »Aeneis«-Handschrift verwenden sollte. Vielleicht sind die beiden Zeilen ein Hinweis darauf, dass Morris schon über einen längeren Zeitraum hinweg mit dem Gedanken spielte, eine illuminierte Handschrift des Vergil-Textes anzufertigen. Die Datierung der Seiten wird in der Forschungsliteratur eher vage zwischen 1870 und 1874 angesetzt.462 Dunlap vermutete ausgehend von den »Aeneis«-Zeilen und der Vorbereitung der »Gunnlaug«-Geschichte zur Publikation in den »Three Northern Love Stories« eine späte Entstehung des Fragments in der Zeit von Ende 1873 bis Anfang 1874.463 Morris war seit Dezember 1873 mit der Edierung der »Three Northern Love Stories« beschäftigt und könnte in diesem Zusammenhang dazu angeregt worden sein, eine illuminierte Fassung des Textes anzufertigen.464 Dunlap verglich weiterhin die Schrift auf den hinteren Seiten des »Gunnlaug«-Manuskripts mit derjenigen des Oxforder »Rubáiyáts« (BLO, MS Don. f. 3), das Anfang 1874 zu datieren ist.465 Diese weist ähnlich hohe, sich dreieckig verdickende Buchstabenschäfte auf. Die erste Seite des Fragments trägt im oberen Drittel des Schriftfelds (in der Höhe von sechs Zeilen) die Skizze für eine querrechteckige Miniatur in voller Breite des Schriftspiegels (Abb. 41). Diese Art des Arrangements der Miniatur am Seitenkopf erinnert an
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Januar 1869 publiziert und 1875 in die »Three Northern Love Stories…« eingeschlossen. Nach Magnússons Angaben war die »Gunnlaug Saga« der erste der gemeinsam übersetzten Texte, nach Morris’ Kolophon in der zweiten »Dwellers«-Handschrift handelte es sich dabei jedoch um die »Eyrbyggja Saga«. Vgl. zu Magnússons Angaben : CW VII, S. xvi ; Dunlap 1972/1976, S. 226. Ebd., S. 230 ; Whitla 2001, S. 94, Nr. G. 14 : Morris’ erste Antiqua-Schrift. Rosenbaum/Pearson 1993, S. 691, MoW 1550 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1252, S. 107, erweitern den Zeitraum sogar auf 1876. Bei Nash 1996, S. 306, Kat. Nr. N.10, und Whitla 2001, S. 94, Nr. G. 14, eine Datierung um 1874. Dunlap 1972/1976, S. 226, 231. Ebd., S. 226–227. Ebd., S. 230–231.
Illuminierte Übersetzungen aus dem Isländischen
Burne-Jones’ Miniaturen in »A Book of Verse« (S. 1) und im Graham-»Rubáiyát«. Darauf folgt ein neunzeiliger Freiraum, in den vermutlich der Titel, die längere Autorennennung und die Überschrift zum ersten Kapitel in Kapitalbuchstaben eingetragen werden sollten. Die beiden letzen Zeilen der Seite tragen den Textanfang, wobei Morris Platz für eine zweizeilige Initiale und den Wortrest in Kapitalis aussparte. An den folgenden Kapitelanfängen sind einige dieser Buchstaben in Bleistift ausgeführt. Die wohl Murray zuzuschreibende Miniatur ist zwar unvollendet, aber recht genau in Tinte vorgezeichnet und z. T. hellrot, hellblau und grün koloriert. Sie zeigt neun Figuren, die fast die gesamte Höhe des Bildfeldes einnehmen. Links steht ein sich umarmendes und küssendes Paar zwischen Bäumen. Links daneben wendet sich eine Frau mit Schleier vor einer Baumgruppe von dem Paar ab und zum linken Bildrand. Auf der rechten Seite steht hinter einem kleinen Wiesenhügel eine Gruppe von in Mäntel gehüllten jungen Frauen mit gelockten Abb. 41 William Morris, Charles Fairfax Murray, The Haaren. Eine frontal gezeigte Frau in einem Story of Gunnlaug the Worm-Tongue and Raven the hellgrünen Umhang, den sie eng um sich zieht Skald, 1871 oder 1872–1873, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. e. 233/1, fol. 1r. Photo Bodleian und der partiell ihr Gesicht verhüllt, trennt das Libraries, The University of Oxford. Paar und die Gruppe. Der Hintergrund mit einer Landschaft aus Hügeln und Bäumen ist lediglich in wenigen Linien skizziert. Die Komposition der Figuren und die Haltungsmotive des sich umarmenden Paares und der eingehüllten Frau gehen auf Giottos Fresko von der Begegnung Joachims und Annas an der Goldenen Pforte in der Arena-Kapelle in Padua zurück (um 1310).466 Irritierend sind die Größenunterschiede zwischen den äußeren, größer dargestellten Frauen, die dadurch eine Rahmenfunktion erhalten, und den inneren Figuren. Die Miniatur stellt nicht, wie sich vermuten ließe, die Verlobung von 466 Die Fresken lagen seit 1854 als Holzschnitte in einer von Ruskin kommentierten Publikation der Arundel Society vor, John Ruskin, Giotto and his Works in Padua being An Explanatory Notice of the Series of Woodcuts Executed for the Arundel Society after the Frescoes in the Arena Chapel, Arundel Society, London 1854, Ruskin, Lib. Ed. XXIV, Taf. VI. Vgl. auch mit der Gruppe verschleierter Frauen in der Murray zugeschriebenen Zeichnung, HAC, Inv.-Nr. 70.132.23 von ca. 1867.
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Helga und Gunnlaug dar, von der am Ende des vierten Kapitels berichtet wird, sondern die Verbindung von Thorstein und Jofrid, die im ersten Kapitel erfolgt, denn die übliche Darstellung Gunnlaugs in anderen Arbeiten Murrays als junger, blonder Mann weicht von derjenigen des hier zu sehenden Mannes mit Bart und dunklen Haaren ab. Das Schriftfeld der Seite ist in Bleistift gerahmt, wobei die kräftige Umrandung darauf hindeuten mag, dass Morris für die erste Seite einen besonders reichen Rahmen plante. Um die Linie herum winden sich in den Seitenrändern grob eingezeichnete Blattranken, deren Anordnung auf der Höhe der Mitte und an den Ecken an die Dekoration auf der ersten Seite der »Dwellers II«-Handschrift erinnert. Freiräume am Ende von Kapitel I aus sechs, am Anfang von Kapitel III aus acht sowie am Ende von Kapitel IV aus neun Zeilen deuten vielleicht daraufhin, dass an diesen Stellen neben den zweizeiligen Kapitelangaben und Überschriften weitere Miniaturen vorgesehen waren, zumal sich keinerlei Hinweise für florale Ornamente finden lassen, wie sie die »Kormak«- oder »Frithiof«Handschriften bestimmen. Lediglich auf fol. 9v sind Ranken in Bleistift im äußeren Seitenrand skizziert. Auf fol. 9r ist der Name Helga und die Bezeichnung Fair in roter Kapitalis eingetragen. Dass Murray sich mit der Geschichte von Gunnlaug beschäftigte, belegen ein in die Zeit um 1880–1885 datiertes Gemälde mit dem Titel »The Last Parting of Helga and Gunnlaug« und eine detaillierte Kreideskizze von 1875.467 Eine Kompositionsskizze, die den beiden Werken zugrundeliegt, findet sich bereits in Murrays Skizzenbuch (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 83r) mit zwischen Februar 1868 und Juni 1872 ausgeführten Entwürfen. Ein vorangehendes Blatt (fol. 67v) ist mit dem Datum von Januar 1871 versehen, so dass auch eine Entstehung der Helga und Gunnlaug-Studien für dieses Jahr vermutet werden kann. Gemälde, Zeichnung und New Yorker Entwürfe zeigen, Morris’ Text folgend, die Begegnung von Helga the Fair in Begleitung von drei Frauen mit Gunnlaug und seinem Bruder Hermund an einem in Windungen verlaufenden Fluss in einer Wald- und Wiesenlandschaft.468 Gunnlaug schaut sehnsuchtsvoll, den linken Arm ausgestreckt, über 467 Gemälde in Öl auf Holz, 30,4 × 67,3 cm ; Zeichnung in Kreide auf Papier, 33 × 66 cm, beide in der Samuel & Mary R. Bancroft Jr. and Related Pre-Raphaelite Collection in der Delaware Art Gallery, Wilmington ; Elzea 1984, S. 88, Abb. auf S. 89 ; Christian 1989, Nr. 43, S. 91 ; D. B. Elliott, in : Wildman 2004, Kat. Nr. 33–34, S. 162–165. Die Datierung beruht vermutlich auf Murrays eher vagen Angaben in einem Brief an Samuel Bancroft Jr. vom 6.12.1892 : »It [das Gemälde] belongs to a friend of mine who has had it for some years and has now placed it my hands again for sale«, zit. nach : Elzea 1980, S. 13–14, Nr. 5 ; Elzea 1984, S. 90–91. Gemälde und Zeichnung unterscheiden sich hauptsächlich in der Darstellung der beiden Männer. Sind diese im Gemälde als Krieger gekleidet und halten ihre Hände auf dem Schwertknauf, so tragen sie in der Zeichnung und in den New Yorker Skizzen enganliegende Kappen und lange Gewänder, die an Darstellungen von Gelehrten und Dichtern erinnern. Gunnlaug streckt seine Linke in Richtung Helgas aus, deren Kopf in der Gouache von einem Tuch verhüllt ist, während sie im Gemälde und den New Yorker Zeichnungen ihr langes blondes Haar offen trägt. 468 The Story of Gunnlaug the Worm-Tongue and Raven the Skald, in : Three Northern Love Stories, London 1875, CW X, Kapitel XIV : The Holmgang at the Althing, S. 38–39.
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den Fluss zu Helga, die scheu ihre Hände übereinandergelegt und den Blick gesenkt hat. In der Ölfassung wiederholt Murray den Kontrast in der Vegetation, die die Miniatur zu »Love fulfilled« in »A Book of Verse« (S. 12) prägt : So sind auf Gunnlaugs Seite abgestorbene Bäume eingefügt, während auf Helgas Seite die Bäume dicht und kräftig belaubt sind. Dies scheint bereits im New Yorker Skizzenbuch auf fol. 83r angelegt, wenn die Seite Gunnlaugs durch eine eher karge Felslandschaft bestimmt wird, während Helga und ihre Begleiterinnen vor Obstbäumen stehen. Die Gouache »The Last Parting of Helga and Gunnlaug« verkürzt die Szene des Gemäldes auf die beiden Protagonisten, die in der Gemäldeversion entsprechenden Haltungsmotiven in roten Gewändern am Ufer des Flusses in einer vereinfachten Hügellandschaft stehen.469 Sie wiederholt sich in einer Zeichnung auf fol. 72r des New Yorker Skizzenbuches (Abb. 33). Hier ist die Begegnung ebenfalls auf das Paar konzentriert unter Auslassung ihrer jeweiligen Begleiter. Weitere Skizzen auf der Seite zeigen ein Paar nebeneinander auf einer Bank sitzend – im Gespräch oder sich umarmend – sowie einen Schreiber in einem Raum und den Ausblick in einen Hof.470 Kompositorisch erinnert der Gemäldeentwurf Murrays an die Illustration mit der Darstellung Poliphilios, der Thelemia umarmt, in Francesco Colonnas »Hypnerotomachia Poliphili«, die 1499 bei Aldus Manutius in Venedig gedruckt wurde. Die Aufteilung in drei Gruppen, deren rechte aus mehreren Frauen von einer dichten Baumgruppe hinterfangen wird, die durch Zäsur betonte Figur der Helga bzw. bei Colonna die beiden sich umarmenden Figuren, das Motiv eines Flusses, das die Trennung der Figuren betont, scheint durch Murray variierend übernommen worden zu sein. Sowohl Burne-Jones als auch Morris schätzten die Holzschnitte dieses Buches.471 Sie dienten vermutlich schon in Zusammenhang mit dem geplanten Illustrationsprojekt des »The Earthly Paradise« Burne-Jones als Anregung. Sowohl Burne-Jones als auch Morris besaßen eine Ausgabe des Textes mit den Illustrationen von 1499.472 Für beide war das Buch vielleicht nicht nur wegen der ästhetischen Qualität der Holzschnitte und ihrem harmonischen Verhältnis zum Text relevant, sondern auch durch die Geschichte, die von dem Traum des Poliphilio berichtet, in dem er auf seinen Wanderungen vielen mythologischen Gestalten begegnet, bis er seine zunächst unerreichbare Geliebte Polia wiedertrifft (i 2v), nur um nach der glücklichen Vereinigung wieder zu erwachen. Viele der illustrierten Sujets waren für 469 Charles Fairfax Murray, The Last Parting of Helga and Gunnlaug, Gouache, undatiert, 163 × 213 mm, Kunsthandel. 470 Vgl. a. HAC, Inv.-Nr. 70.132. 100. Vielleicht beziehen sich diese Skizzen auf das Schachspielen des Paares, CW X, S. 14. 471 Vgl. Fitzgerald 1997, S. 108. 472 Vgl. Peterson 1991, S. 51 ; WM 1898, Los 370. Vermutlich schenkte Morris eine Ausgabe des Textes um 1866 Burne-Jones (Houghton Library, Harvard University) und erwarb wohl in den 1870er Jahren die Ausgabe von 1545, die die Holzschnitte der Ausgabe von 1499 wiederholt. Vgl. a. de Girolami Cheney 2014, S. 220, Anm. 2.
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Burne-Jones von großem Interesse, und es wird vermutet, dass ihm einige als Inspiration bei der Entwicklung seiner Gemälde dienten.473 So inspirierte ihn wohl das Motiv des auf einer Wiese Schlafenden in der ersten Illustration der »Hypnerotomachia Poliphili« (a 6v) bei seinen Entwürfen des schlafenden Chaucers (um 1864, BMAG). Es verwundert nicht, wenn auch Murray bei seiner Szenenfindung auf diese Vorlage zurückgegriffen hätte. Eine weitere Anregung könnte jedoch auch die Miniatur auf fol. 1v von Évart de Trémaugons »Le Songe du Vergier« (Paris, 1378 ; BL, MS Royal 19 C. iv) bilden, eine Handschrift, die Morris in seinem Notizheft (BL, MS Add. 45336 auf fol. 43v), allerdings unkommentiert, aufführt. In dieser Miniatur ist der schlafende Dichter an einem Fluss inmitten eines Bäumen gesäumten Gartens gezeigt, in dem sich auch Personifikationen befinden. Eine weitere Zeichnung, die Murray mit »The meeting at the stream« (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 32r) betitelte, scheint auch mit der »Gunnlaug«-Geschichte in Verbindung zu stehen und das Paar zu einem späteren Moment zu zeigen, als beide den Fluss überquert haben, sich treffen und miteinander sprechen.474 Allerdings befindet sich diese Zeichnung bei den Entwürfen für »A Book of Verse«, zwischen denjenigen für »Missing« und »A Garden by the Sea«, und könnte auch eine Szene aus dem erst genannten Gedicht umsetzen – das Treffen des Erzählers mit der Geliebten oder dem Geliebten (Vers 4), wobei allerdings der Fluss keine Erwähnung findet. Im Skizzenbuch sind weitere Zeichnungen zur Geschichte von Helga und Gunnlaug enthalten, die vielleicht in Zusammenhang mit einer geplanten Illuminierung des Oxforder Fragments entstanden. Sie zeigen den legendären Autor des Textes, »Ari the Learned«, im Stil mittelalterlicher Autorenbilder in seinem Studierzimmer (PML, Inv.Nr. 1963.8, fol. 77r und 72r oben rechts), »The Death of Helga the Fair« (fol. 68r, 69r), von dem das letzte Kapitel berichtet (Kap. XVIII), die Geister von Gunnlaug und Raven, die in Kapitel XVII ihren Vätern erscheinen (fol. 84r). Auf fol. 72r finden sich mehrere Skizzen für ein eng auf einer Bank beieinander sitzendes Paar sowie ein Ausblick durch flache Bögen in einen Hof, die sich entweder auf den Tod Helgas oder auf die »Frithiof«-Geschichte beziehen. Beide Motive griff Murray später für seine Miniatur in der »Frithiof«-Handschrift auf (Privatbesitz, 1. Kolumne). Auf fol. 73r des Skizzenbuches sind Szenen zur Frithiof-Geschichte eingetragen, von denen die erste ebenfalls ein auf einer Bank sitzendes Paar zeigt. Auf fol. 85r hat Murray Gunnlaug skizziert, der vor König Ethelred (Kap. VII) singt, sowie Gunnlaug, der Helga den Mantel umlegt (Kap. XXXV), und zwei weitere Szenen. Auch Murrays Diary von 1874 dokumentiert seine Beschäftigung mit dieser Geschichte und listet die Arbeit an Zeichnungen zu Helga und Gunnlaug beim Schachspiel (10.2.1874), Helgas Tod (13.2.1874) sowie Helga und Gunnlaug bei der
473 Vgl. Caroline Arscott, Edward Burne-Jones (1833–1898), in : Prettejohn 2012, S. 223–235, hier S. 230. 474 CW X, S. 39.
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Jagd (9.1.1874) auf.475 Arbeiten mit Sujets aus der »Gunnlaug«-Geschichte sind auch in seinem Diary von 1878 vermerkt.476 Ein weiteres Fragment der »Gunnlaug-Saga« befindet sich in einer kleinen humanistischen Buchschrift, die derjenigen des Londoner »Rubáiyát« von 1871/1872 ähnelt, und ist wie das Oxforder Fragment auf Pergament in den Maßen von ca. 150 × 115 mm ausgeführt (BL, MS Add. 45317, fol. 45r–46v).477 Zeile 1–6 sind frei belassen und unliniert, um vermutlich wie in der Oxforder Handschrift eine Miniatur aufzunehmen, und auch der Rest der Seite entspricht im Aufbau der ersten Seite des Oxforder Blatts. Zeile 7–10 sollten den Titel tragen ; die Initialen sind zweizeilig mit Quadratgrund eingefügt. Die Ergebnisse aus Schriftanalyse, Rahmengestaltung und Stellung der Skizzen innerhalb des New Yorker Skizzenbuches scheinen zunächst eine Datierung in die Zeit um 1871/1872 in der Nähe der beiden »Rubáiyát«-Handschriften zu erlauben. Dagegen weisen Elemente der auf den späteren Seiten verwendeten Schrift eher auf eine Verwandtschaft mit derjenigen des Oxforder »Rubáiyát« von ca. 1874 hin. Morris’ Interesse galt jedoch in dieser Zeit der italienischen Weißrankeninitiale, für die sich im »Gunnlaug«Fragment keinerlei Hinweise finden lassen. Auch wenn er, wie Dunlap feststellte, in seiner Kalligraphie nicht unbedingt einem logischen Nacheinander von Schriften folgte, sondern durchaus manchmal auf ältere Schriftformen zurückgriff, so schien er doch bei Ornamentik und Seitenaufbau zu bestimmten Zeiten relativ feste Vorlieben besessen zu haben, um sie dann zugunsten neuer Gestaltungsmöglichkeiten und -ideen aufzugeben, so dass angesichts der ersten Seiten für eine frühere Datierung der Handschrift um 1871/1872 zu plädieren wäre.478 Dunlaps These von einer längeren Arbeit Morris’ an dem Fragment erscheint als stimmigste Erklärung. 3.6.2 Das Einzelblatt zu »The Story of Ogier the Dane«
Ein in der Datierung ebenfalls kompliziertes Blatt liegt in dem Einzelblatt mit Textteilen aus »The Story of Ogier the Dane« vor (Zeile 36–79 ; BLO, MS Eng. misc. d. 265,
475 Murrays Diary für 1874, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 27, Einträge zum 10. und 13.2.1874. In Murrays Diary von 1875, CFLP, Inv.-Nr. 1983. A. 28, am 5.–7.9.1875 ein Eintrag zu einem Karton für Helga und Gunnlaug beim Schachspiel. 476 Murrays Diary für 1878, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 30, Eintrag zum 27.8.1878 mit dem Vermerk, dass er die Zeichnung begonnen habe, wobei eine Skizze der Szene eingefügt ist, in der Helga mit drei Begleiterinnen und Gunnlaug mit seinem Begleiter durch einen Fluss getrennt einander gegenüberstehen. Am 28.8. ist die Beendigung der Zeichnung eingetragen. 477 Jede Seite trägt 17 Zeilen mit dem Anfang des ersten Kapitels. Schriftfeld und Seitenränder entsprechen der Oxforder Handschrift. Schriftfeld : 97 × 70 mm ; Seitenränder : oben 20 mm, unten 33 mm, innen 18 mm, außen 27 mm. 478 Zu Morris’ Kalligraphie : Dunlap 1972/1976, S. 152.
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fol. 1r–v).479 Morris’ Version der französischen Romanze »Ogier le Danois« wurde 1868 im zweiten Band des »The Earthly Paradise« veröffentlicht und diente schon für ein Gedicht in »A Book of Verse« als Vorlage (S. 19–20).480 Das Pergamentblatt ist wie die »Dwellers II«Seiten von 1871 durch bis zum Seitenrand hinausgezogene Sepialinien in neun Felder aufgeteilt. Die Seitenüberschrift mit dem Titel, der über die aufgeschlagene Verso- und Rectoseite geführt ist, und die Seitenzahl sind in goldener Farbe in dem oberen mittleren und äußeren Feld eingetragen. Es alternieren hellblaue und goldene Kapitalbuchstaben an den Zeilenanfängen. Der Text ist in einer kleinen humanistischen Buchschrift mit geraden, hohen Oberlängen, die mit horizontalen oder leicht schrägen Serifen besetzt sind, ausgeführt. Dunlap verglich die Schrift mit dem Londoner »Rubáiyát«, wobei die beiden »Ogier«-Seiten ein weniger geschwungenes f sowie ein g mit spitzem Winkel zeigen – Merkmale, die auch das Graham-»Rubáiyát« kennzeichnen.481 Das Abb. 42 William Morris, The Story of Ogier the Dane, 1871, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 265, p kann einen wellenartig geschwungenen Abfol. 1v. Photo Bodleian Libraries, The University of strich an der Unterlänge aufweisen. Oxford. Morris fügte in den rechten Rand des Schriftfelds florale Ornamente ein, die, auch als Zeilenfüller fungierend, aus größeren, lose übereinander angeordneten Zweigen mit roten und blauen Blüten (S. 3) bzw. aus kontinuierlich aufsteigenden, sich überschneidenden Ranken mit großen, tulpenartigen, hellroten Blumen und ausgezahnten Blättern bestehen (S. 4 ; Abb. 42). Seitenaufbau, Anordnung des floralen Ornaments und seine Einstellung jeweils in den rechten Seitenrand, Feinheit und Nuanciertheit der Malerei erinnern an Morris’ Handschriften der Zeit von 1871/1872 wie das zweite »Dwellers«-Manuskript und das Londoner »Rubáiyát«. Den dichten, mit Weiß abgemischten Farbauftrag verwendete er auch
479 CW IV, S. 211–212. 480 May Morris, in : CW III, S. xxi. 481 Dunlap 1972/1976, S. 226.
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in seinen zweikolumnigen Manuskripten wie dem Cheltenhamer »Lancelot«-Fragment oder dem Oxforder »Hen Thorir«. Dunlap datierte die Seiten auf Grund der Schrift in die Zeit um 1872, vielleicht sogar 1873.482 Ausgehend von einem Vergleich von auf dem Blatt niedergeschriebenen und dem publizierten Text rekonstruierte er unter Zugrundelegung des Seitenaufbaus mit 22 Zeilen die Gestaltung der ersten Seite der Handschrift. Dieses ergab einen nur 13 Zeilen umfassenden Text und einen neunzeiligen Freiraum am Textanfang, der vermutlich durch Malerei und Titel gefüllt werden sollte, wobei Dunlap sogar die Möglichkeit einer Dekoration durch eine Weißrankeninitiale erwog.483 Die Kombination von einer Weißrankeninitiale mit den bereits ausgeführten floralen Ranken im Seitenrand erscheint jedoch in Anbetracht der erhaltenen Handschriften Morris’ mit solchen Initialen eher fraglich. Vielmehr wird durch das »Gunnlaug«-Fragment ebenso wie durch das Graham-»Rubáiyát«, wie auch Dunlap einräumte, eine Dekoration des Freiraumes durch eine Miniatur in Breite des Schriftfelds und einem sich daran anschließenden Titel in Kapitalis nahegelegt.484 Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass sich, wie für das »Gunnlaug«-Fragment, im Skizzenbuch Murrays mehrere Zeichnungen zur »Ogier«Geschichte erhalten haben, die nicht mit der Miniatur in »A Book of Verse« zu verbinden sind und somit vermutlich für einen anderen Kontext entstanden (PML, Inv.-Nr. 1963.8, fol. 54r, 59–60).485 Die Zeichnungen könnten allerdings auch darauf hindeuten, dass Morris entweder schon an den Illustrationen der Geschichte für seine »The Earthly Paradise«-Edition arbeitete oder dass seine Geschichte Murray als Anregung für eigenständige Bilderfindungen diente. Zusammenfassend lässt sich, basierend auf der Verwendung von bildartigen Miniaturen, der Art des floralen Ornaments, dem Seitenaufbau sowie Details der Schrift, für die beiden Oxforder Fragmente eine Datierung in die Zeit vermuten, in der Morris am ersten und zweiten »Rubáiyát« arbeitete, d. h. um 1871–1872. 3.6.3 »The Story of the Ynglings«
Neben den Oxforder Fragmenten war Morris auch mit einer unvollendeten Handschrift der »The Story of the Ynglings« (SoA, MS 906) befasst, die einspaltig auf Pergament ge482 483 484 485
Ebd., S. 226 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 565, MoW 448 : ca. 1872. Dunlap 1972/1976, S. 226. Ebd., S. 228. Auf fol. 54r acht Felder mit verschiedenen Szenen der Geschichte ; fol. 59r »Ogier« : auf der oberen Zeichnung ein schlafender Mann an einem Brunnen liegend, ein Zug von Frauen, auf den unteren Zeichnungen ein Mann und eine Frau, die auf den Frauenzug hin schreiten, bzw. ein sich umarmendes Paar ; fol. 60r vier Studien »Ogier in the Queen’s Garden«, davon zeigen drei Szenen zwei lebhaft diskutierende oder weisende Figuren an dem Brunnen, an dem Ogier schläft (The Earthly Paradise II, CW IV, S. 242–243), fol. 61r Avalon und fol. 111r »The Waking of Ogier«.
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schrieben ist. Von diesem Text existieren das bereits erläuterte doppelkolumnige Fragment (PML, MA 1804, fol. 23r–v), für dessen Dekoration er in Streifenform nebeneinander gefügte Bildfelder der nordischen Götter vorgesehen hatte, und das ebenfalls doppelkolumnige Fragment (CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, fol. 21r–30r) mit floralen Rahmenskizzen, die wie das New Yorker »Frithiof«-Fragment (PML, MA 1804, fol. 25r–26v) wohl auch Figurendekoration einschließen sollten und deswegen auf eine Entstehung in zeitlicher Nähe des Londoner »Rubáiyát« deuten. Die Übersetzung von Snorri Sturlusons »Heimskringla« ist wohl trotz Plänen vom Mai 1872 frühestens Ende 1872, eher nach Beendigung der beiden »Rubáiyát«-Handschriften zu datieren.486 Die Handschrift »The Story of the Ynglings« beinhaltet das Vorwort und die erste Geschichte aus Snorris Sturlusons Sammlung. Morris führte auch Handschriften mit Übersetzungen von »The Story of Halfdan the Black« und »The Story of Harald Fairhair« (PML, MA 3471 ; BLO, MS Eng. misc. d. 265, fol. 9–24) aus, die in der »Heimskringla« auf die »Ynglings-Saga« folgen, so dass vielleicht von einem umfassenderen Handschriftenprojekt auszugehen ist.487 Morris verwendete eine humanistische Buchschrift mit hohen Oberlängen, die schräge, z. T. leicht geschwungene Serifen tragen, und mit langen diagonalen Serifen an der Unterlänge des p. Auf den ersten Seiten fällt die Tendenz zur Kursive auf, ein Phänomen, das Dunlap als »semi-italic category« bezeichnete.488 Einzelne Buchstaben ändern innerhalb der Handschrift ihre Form, wie das e und das a, die ab S. 4 bzw. ab S. 10 häufig in Unzialform geschrieben werden. Das kurzstämmige t fällt durch die diagonale Verbindung zwischen dem linken Teil des Querstriches und dem oberen Ende des Buchstabenstammes auf, die nach oben hin noch schwungvoll verlängert werden kann. Das g trägt zunächst noch rechts einen kleinen Haken, der im Laufe der Handschrift jedoch nach links versetzt und dann in großem Schwung über den Buchstabenkopf hinweg gezogen wird.489 Die Majuskeln sind groß und breit in Kapitalis ausgeführt. Einige der Buchstaben, E, F, L und T, tragen z. T. an den Querstrichen lange Serife, das Y einen Deckbalken. Das geschwungene E folgt Formen aus Arrighis Kalligraphie-Lehrbuch. Auf den ersten Seiten besitzen die Majuskel- und Minuskelformen des k noch eine Schlaufe am oberen Querstrich. Nur auf S. i ist das f mit geschwungener Unterlänge gebildet. Dunlap verwies auf Ähnlichkeiten der Schrift am Anfang der »Ynglings«-Handschrift mit derjenigen der »Hen Thorir«-Handschrift (BLO, MS Eng. misc. d. 266), bei der je486 Dunlap 1972/1976, S. 198 ; Brief Morris’ an Aglaia Ionides Coronio vom 11.2.1873, Kelvin 1984 I, Nr. 184, S. 177–179 ; Brief Morris’ an Magnússon vom 23.5.1872 und vom 4.10.[1872], ebd., Nr. 163, S. 158–159, Nr. 170, S. 164 ; Brief Morris’ an Magnússon, [4.11.1872 ?], ebd., Nr. 175, S. 168–169, S. 179, Anm. 1. Zur Datierung : Mackail 1995 II, S. 309. 487 Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 242–243. 488 Ebd., S. 238 ; Whitla 2001, S. 92, Nr. G. 9, S. 95 : Morris’ erste Antiqua-Schrift. 489 Auf S. 4 erscheint zum ersten Mal der Haken auf der linken Seite. Ab S. 13 verwendet Morris beide gFormen.
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doch die Anstriche der Oberlängen länger und schwungvoller gestaltet sind, die Buchstaben n, m, h am rechten Buchstabenstamm häufig diagonale, die Buchstaben verbindende Serifen tragen.490 Die Schrift der späteren »Ynglings«-Seiten wiederum bezeichnete er als eine Variation der »high-ascender roman hand«, wie sie sich im Londoner »Rubáiyát« findet.491 Unterschiede sind in den höheren Oberlängen und der insgesamt stärkeren vertikalen Betonung der »Ynglings«-Schrift auszumachen. Dunlap erkannte weiterhin Ähnlichkeiten zur Schrift des »Banded Men«-Fragments (BLO, MS Eng. misc. d. 267).492 Er bemerkte, dass die »Ynglings«-Schrift »may be less attractive than in some other ma nuscripts«.493 Bei dem »Preface« sind die Seitenüberschriften in einer hochstämmigen, breiten Humanistenschrift eingetragen : »Preface of Snorri Sturluson« auf der Verso- und »the Round World« auf der Rectoseite.494 Seitengerüst, Überschrift und römische Seitenzahlen sind in Sepia ausgeführt. Dabei wird der Rahmen des Schriftfelds – im Unterschied zum folgenden »Ynglings«-Text – in den Seitenrand hinein fortgeführt. Dunlap vermutete deshalb, dass das »Preface« zunächst unabhängig von den »Ynglings« entstanden sei.495 Die Titelüberschrift des Vorworts in zwei Zeilen von Sepia-Kapitalis wird durch die Hinterlegung mit zierlichen, sich verschlingenden und einrollenden Punktblütenzweigen in schwarzer Tinte herausgehoben, deren Arrangement an dasjenige auf dem von Morris entworfenen Bucheinband zu »Love is Enough« (1873) erinnert. Eine zweizeilige weiße Initiale auf einem blauen Initialquadrat mit schräg eingestelltem Blattzweig mit weißen Punktblüten leitet den Text des Vorwortes ein. »The Story of the Ynglings« selbst beginnt mit einem Titel in vier Zeilen von Bleistiftkapitalien und einem zweizeiligen, nur in Bleistift eingetragenem Initialquadrat am Textanfang. Die Initiale reicht in die vierte Zeile herauf, so dass Überschrift und Textanfang miteinander verbunden werden. Die ohne Freizeilen aufeinander folgenden Kapitel werden durch die linksbündige Bezeichnung »Chap :« mit römischer Numerierung sowie der sich daran anschließenden Kapitelüberschrift in Sepia eingeleitet. Dieser Aufbau wiederholt sich in den Handschriften »Three Icelandic Sagas«, »The Story of Halfdan the Black« und in den »Oden«. Ein zweizeiliger farbiger Initialbuchstabe auf ornamentiertem Quadratgrund, auf den der Wortrest in Kapitalis in verschiedenen Farben oder Gold folgt, leitet Kapitel und Gesänge ein. Häufig sind die Initiallettern und die Kapitalbuch490 491 492 493 494
Dunlap 1976, S. 61. Ebd.; PML 1976, S. 113. Dunlap 1972/1976, S. 237–238. Dunlap 1976, S. 61. Ausnahmen bilden S. iv-v, die beide als Seitenüberschrift »The Round World« tragen. Whitla 2001, S. 92, Nr. G. 8 : Morris’ erste Antiqua-Schrift. 495 Dunlap 1972/1976, S. 238. Der Seitenaufbau des »Preface« (S. i-vii, fol. 1r–4r) wiederholt sich nur auf der ersten Textseite. Der »Ynglings«-Text ist in Bleistift in arabischen Zahlen paginiert.
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staben in Sepia ausgeführt, so dass die Gesamtwirkung einiger Initialfelder etwas dunkel ausfallen kann. Bei den Gesängen war eine alternierende Farbgebung an den Zeilenanfängen geplant.496 Die Initialquadrate besitzen farbige Gründe, die sich, wie in »The Story of Hen Thorir« und der »Dwellers II«-Handschrift, nach oben hin verdunkeln und mit stilisierten floralen Motiven gefüllt sind, darunter diagonal eingestellte oder sich volutenartig einrollende Zweige mit Punktblüten nach dem Prinzip der »Bough«- und »Scroll«-Kacheln. Die floralen Motive sind zumeist in einem etwas helleren Farbton als der Grund ausgeführt und die Blüten in Weiß eingetragen. Die florale Ornamentik bleibt relativ gleichförmig, nur auf S. 65 findet sich ein schräg in das Quadratfeld eingestellter Apfelbaum auf einer Wiese, der denjenigen auf S. 190 der »Dwellers II« wiederholt. Bei einigen Initialfeldern verwendet Morris einen Rot konturierten diagonalen Goldzweig auf Silber- oder Goldpunktgrund.497 Florale Motive sollten die Initialen im Seitenrand, wie in den »Dwellers II« bzw. den Oxforder »Hen Thorir«- und »Banded Men«-Handschriften, begleiten, wobei die Ausführung der Dekorationen jedoch scheinbar unsystematisch erfolgte und unvollendet verblieb. Diese floralen Motive sind in Leichtigkeit, Klarheit und zugleich Dichte der Anordnung, dem eleganten Schwung denjenigen der »Hen Thorir«- und »Dwellers II«Ornamente verbunden, erinnern aber auch in Dichte und Naturalismus der Pflanzen an das Londoner »Rubáiyát« und die Entwürfe für das »Love is Enough«-Projekt, das Morris nach der Rückkehr von seiner ersten Island-Reise (6.7.–7.9.1871) begann und für das 1872 Probedrucke angefertigt wurden. Hierzu zählen die sich um einen Stab windenden Weinranken mit Trauben auf S. 16, die sich ebenfalls um einen Pfahl rankenden Jasminund Geißblattzweige auf S. 60 oder die sich verschränkenden Rosen- und Granatapfelzweige auf S. 63. Der auf S. 21, 65 (Abb. 43) und 75 von schlanken Akanthusblättern umwundene Stab geht auf Motive der »Dwellers II«-Handschrift zurück und ist in den »Ynglings« einheitlich von schlanken Weidenzweigen hinterlegt.498 Morris definiert die Pflanzen nicht nur durch Farbe und Formen, sondern auch durch die Art des Wachstums ihrer Zweige. So kontrastiert er auf S. 36 die Steifheit des blaugrünen Weidenzweiges mit dem weitausgreifendem, dynamischem Wachstum der sich einrollenden hellgrünen Blattranken, die blaue rispenartige Blüten tragen. Neben den floralen Dekorationen der Kapitelanfänge erscheinen in den »Ynglings« auch Frauenfiguren, die die Initialquadrate im Seitenrand begleiten. Nur zwei dieser Dekorationen wurden in Farbe vollendet, bei den anderen wurden lediglich die Figuren in Sepia eingezeichnet, und es fehlt das die Figuren hinterfangende florale Ornament. Die farbigen Figuren stehen vor sich verschränkenden Zweigen auf halbkreisförmigen, mit 496 Vgl. den Wechsel von Grün und Sepia auf S. 20–21. 497 SoA, MS 906, S. 62, 64. 498 Vgl. BMAG, Inv.-Nr. 92`20, S. 131, 226.
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Illuminierte Übersetzungen aus dem Isländischen
Abb 43 William Morris, The Story of the Ynglings, 1872–1873, The Society of Antiquaries of London, MS 906, S. 64–65. By kind permission of the Society of Antiquaries of London.
Blüten bewachsenen Erdsoden. Diejenige auf S. 10 in einem blauen Kleid greift mit der Linken eine der sie einfassenden zierlichen, hellrosa Blütenranken, während sie in der gesenkten Rechten eine Blume hält.499 Die in ein hellrotes Gewand gekleidete blonde Frau zum 16. Kapitel (S. 23 ; Abb. 44) fasst, nur leicht nach rechts gedreht, mit beiden Händen ein Notenblatt und hält lesend den Kopf gesenkt.500 Hinter ihr steigen sich verschränkend, wie im Seitenrand von S. 63, ein roter Rosen- und ein Granatapfelzweig empor. Die beiden Figuren wirken durch die geraden, durch lineare Binnenzeichnung in Sepia artikulierten Gewandfalten etwas steif. Diejenige auf S. 10 fällt durch den etwas eckigen Kopf und die sehr langen Oberschenkel auf, und diejenige auf S. 23 (Abb. 44) hat wohl, wie das sie begleitende Ornament, etwas durch Abreibungen gelitten oder ist nicht vollendet worden. Die anderen nur in Sepia eingezeichneten Frauenfiguren vermitteln trotz einer gewissen Elongierung einen stimmigeren Eindruck und eine größere 499 Vgl. ihre Haltung mit Morris’ Zeichnung einer Frauenfigur, die in der gesenkten Rechten und in der erhobenen Linken jeweils einen Stab oder einen Zweig hält, V&A, Inv.-Nr. E. 2799–1927. 500 Vgl. mit Morris’ Zeichnung einer Sängerin, V&A, Inv.-Nr. E. 2798–1927, wobei Abweichungen in der Kleidung vorliegen. Es besteht weiterhin eine vage Ähnlichkeit zu Musikantinnen-Figuren mit einer Leier vor der Brust, wie sie sich in Glasfenstern der »Firma« finden wie Bradford Cathedral, Yorks., 1864 (Entwürfe von Morris in der WMGW) ; St. Oswald’s, Durham, 1864–1866 ; Llandaff Cathedral, Glamorgans, 1868 ; Jesus College Chapel, Cambridge, 1873 (Sewter 1974, Abb. 190, 194, 209, 284, 413). Eine Zeichnung von Murray zeigt eine Figur mit ähnlicher Handhaltung, aber ohne Notenheft, die frontal und mit stärker geneigtem Kopf dargestellt ist, PUAM, Inv.-Nr. x1948–1415, Bleistift.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Abb. 44 William Morris, The Story of the Ynglings, 1872–1873, The Society of Antiquaries of London, MS 906, S. 22–23. By kind permission of the Society of Antiquaries of London.
Sicherheit in der Figurendarstellung. Sie wiederholen wie in »A Book of Verse« und im Londoner »Rubáiyát« Entwürfe von Morris für Glasfenster und Kachelfelder.501 Die Unterschiede in der Figurenzeichnung deuten auf zwei verschiedene ausführende Hände hin. Morris begann vermutlich selbst damit, die Frauengestalten einzuzeichnen und zu kolorieren. Die Sängerin auf S. 23 könnte aufgrund ihrer Proportionen, ist sie doch zierlicher und kleiner als die anderen Figuren, und der etwas ungeschickt anmutenden Modellierung von Morris begonnen und dann von Murray überarbeitet worden sein. Die Figur auf S. 10 wiederum scheint in Proportionen und Kopftypus eher den an501 S. 6 : Figur mit einem Blumenkranz in der Linken, das Gewand mit der Rechten raffend : Figur im unteren rechten Feld von Morris’ Entwurf, V&A, Inv.-Nr. E. 2793–1927 ; Figur des Herbstes, in »A Book of Verse«, S. 40. S. 12 : Geigenspielerin in gerade fallendem Kleid : V&A, Inv.-Nr. E. 2802–1927. S. 28 : im Profil nach rechts schreitende Figur mit Blütenzweig : Zeichnung, V&A, Inv.-Nr. E. 2797–1927 ; Zeichnungen, HAC, Inv.-Nr. 2000.5.340, 2000.5.380. S. 42 : Lautenspielerin in einem an der Hüfte gegürtetem Gewand : V&A, Inv.-Nr. E. 2806–1927 ; Figurenstudien in den HAC, Inv.-Nr. 2000.5.1848B, 2000.5.1522D (1875 bzw. 1867, Werkstattarbeit) ; vgl. BL, MS Add. 37832, fol. 9v. S. 70 : frontale Frauenfigur mit Blattzweig in der erhobenen Linken : Morris’ Lukretia-Entwurf, V&A, Inv.-Nr. E. 2794–1927. S. 79 : sich nach rechts umwendende Frau : allerdings mit Profilkopf, V&A, Inv.-Nr. E. 2804–1927 ; HAC, Inv.-Nr. 2000.5.12 (William Morris, um 1861) ; vgl. BLO, MS Eng. misc. d. 268, S. vii. S. 86 : Flötenspielerin : Zeichnung Morris’, TGL, Inv.Nr. A 00816 ; Zeichnungen in HAC, Inv.-Nr. 200.5.1523A, 2000.1524E ; Fenster in St. Oswald’s, Durham (1864–1866) und St. John’s the Baptist, Tuebrook, Liverpool (1868, Sewter 1974, Abb. 209, 276) ; vgl. BL, MS Add. 37832, fol. 19r. S. 94 : Rückenfigur mit Becken : HAC, Inv.-Nr. 2000.5.341, vgl. BL, MS Add. 37832, fol. 19r.
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deren Musikantinnen zu entsprechen. Sie steht außerdem auf einer flacheren Erdscholle als die Sängerin, deren Bodenausschnitt nahezu halbkreisförmig gestaltet ist. Es ist zu vermuten, dass die leicht gelängten Figuren von Murray nach Morris’ Entwürfen eingefügt wurden, nachdem dieser aus Unzufriedenheit mit seiner Arbeit diesen Teil der Illuminierung abgab. Morris unternahm in der folgenden Zeit wieder Versuche, sich in der Figurenzeichnung zu schulen, war aber trotzdem nie mit seiner Arbeit in diesem Bereich zufrieden.502 So schrieb er an Murray am 5.11.1873 : […] true I have made a step in getting models and have meant to take to drawing again : but I have so little hope about the whole affair that I can scarcely fix my attention on it so that it hardly seems worth the extreme worry and nuisance it gives me : however I shall keep it going a little longer & see what happens to me about it.503
Von Murray stammt auf S. 15 die Initialfelddekoration mit »a charming head […] of Odin, ›one-eyed and seeming ancient‹«.504 Odin ist frontal als Brustbild gezeigt mit einem langen weißen Bart, auf einem Auge blind und eine Kappe mit muschelförmiger Brosche tragend. Seine Linke ist weisend oder im Sprechgestus erhoben. Auf seinen Schultern sitzt jeweils ein Rabe, sein persönliches Tier. Murrays Darstellung des Gottes als alter Mann entspricht dem Inhalt des zehnten Kapitels, das von seinem Tod berichtet. Im Vergleich mit der fein differenzierten Malweise des Initialfelds fallen bei den beiden farbigen Musikantinnen die lineare Faltengestaltung, das deckende Inkarnat, der gröbere Duktus und die Probleme in der Darstellung der Hände auf. Ob auch noch andere Darstellungen germanischer Gottheiten in den Initialfeldern vorgesehen waren, ist ungewiss, da sich dafür kaum weitere Hinweise finden lassen und die meisten Initialfelder der Handschrift mit stilisierten floralen Motiven gefüllt sind.505 Allein auf S. 18 findet sich im Seitenrand der Eintrag »puss«. Hiermit könnten Katzen, die Attribute von Odins Frau, der Göttin Freya, gemeint sein. Vielleicht waren die Katzen als Dekoration für den Seitenrand vorgesehen. Daraus ergibt sich jedoch kein Hinweis, ob auch eine Darstellung der Göttin selbst im Initialfeld geplant war. Dass Morris neben den dekorativen Elementen weitere auf den Inhalt bezogene Malereien plante, zeigt die Randbeischrift »ship at fire« oder »ship affire« mit einer entspre502 Vgl. a. Morris 1966 I, S. 27. 503 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 215, S. 204–205. Der Autor des Artikels im »Quarterly Review« von 1899 vermutete in Hinblick auf die dekorativen Aufträge der »Firma«, dass Morris die Figurenzeichnung nicht aus Unzufriedenheit mit den eigenen Fähigkeiten aufgab, sondern wegen seiner Zugriffsmöglichkeiten auf Figurenentwürfe von Burne-Jones, Rossetti und Murray, die ihm besser gefielen als seine eigenen Arbeiten, Quarterly Review 1899, S. 507. Vgl. Mackail 1995 I, S. 208. 504 May Morris, in : CW IX, S. xxi. 505 Paul Acker vermutete, dass noch Darstellungen für die Gottheiten Niord (auf S. 16), Frey (S. 17) und Freya (S. 18) geplant waren, Acker 2010, S. 9.
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chenden groben Skizze (S. 44). Ungewiss ist, ob diese Szene als Rand- oder Initialfelddekoration vorgesehen war. Auf S. 72 ist vermerkt : »House aburning [ ?]«. Beide Motive würden mit dem Inhalt der Kapitel korrespondieren : Kapitel XXVII berichtet davon, wie der sterbende König Haki von Schweden und seine toten Krieger auf einem brennenden Schiff in das offene Meer treiben ; Kapitel XL schildert das Inbrandsetzen der neuerbauten Halle der sieben Könige durch König Ingiald, der die anderen sechs schwedischen Könige dabei tötet und ihr Land in seinen Besitz bringt. Als besondere Dekoration zeichnete Morris’ enger Freund, der Architekt Philip Webb, im Seitenrand von S. 4 zwei Hasen in Sepia ein, die vermutlich durch florale Motive ergänzt werden sollten. Webb war bei Glasfenstern, aber auch bei Tapeten und später Tapisserien der »Firma« für die Tiere verantwortlich. Die »Ynglings«-Hasen erinnern an diejenigen, die er später für »The Forest Tapestry« (1887) entwerfen sollte. Die Gestaltung des floralen Ornaments und der Initialfelder sprechen ebenso wie die Verwendung von Musikantinnenfiguren für eine Datierung in den Zeitraum der »Dwellers II«- und »Rubáiyát«-Handschriften. Und auch die Schrift legt eine Entstehung um 1872 nahe. Die Quellen jedoch lassen den Beginn der »Ynglings«-Handschrift frühestens ab Winter 1872 möglich erscheinen. Rosenbaum und Pearson entschlossen sich ebenso wie Dunlap für eine Datierung um 1873, in das Jahr, in dem Morris’ Übersetzungstätigkeit an der »Heimskringla« gesichert ist.506 Angesichts der Tatsache, dass Morris zu dieser Zeit aber bereits an dem umfangreichen, reich ausgemalten Manuskript der »Three Icelandic Sagas« arbeitete, ist wohl von einer davor erfolgten Entstehung der »Ynglings« im Winter 1872 und Frühjahr 1873 auszugehen. Die Handschriften dieser Gruppe ähneln dem Typus, den Morris in »The Ring given to Venus« in »The Earthly Paradise« erwähnt. Hier beschreibt er wie der Priester die Seiten seines Buches umblättert, »half noting at first the flowers therein, / Drawn on the margin of the yellowing skin / Where chapters ended ; or fair images / Of kings and lords amidst of war and peace / At books’ beginnings«.507 3.6.4 »The Story of Halfdan the Black
»The Story of Halfdan the Black«, Morris’ Übersetzung der »Hálfdanar saga Svarta«, folgt in Snorri Sturlusons »Heimskringla«-Sammlung auf »The Story of the Ynglings«.508 Das sieben Blatt Pergament umfassende Manuskript von Morris’ Übersetzung (PML, MA 506 Rosenbaum/Pearson 1993, S. 703 ; Dunlap 1972/1973, S. 422 ; Dunlap, in : PML 1976, Nr. 56, S. 112. 507 The Earthly Paradise IV, CW VI, S. 174. 508 Publiziert 1893 im dritten Band der »Saga Library« in der Übersetzung durch Morris und Magnússon, S. 77–87. Jane Morris legte ihrem Geschenk an Lady Anne Blunt einen Brief bei, in dem sie erklärte : »[…] it is an unfinished manuscript as you will perceive with spaces left for illumination alas ! never done. I have chosen this as one of the most beautifully written of all those he left, done when he was at his best«, Brief vom 19.9.[1897], eingelegt in PML, MA 3471.
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3471, fol. 1r–7v) ist in einer humanistischen Buchschrift geschrieben und entspricht in seinen Maßen von 250 × 215 mm etwa den »Ynglings«-Seiten. Die Schrift ist gekennzeichnet durch hohe Oberlängen mit kurzen Serifen, die zu einer leichten Verdickung der Schäfte beitragen. Das t ist dagegen klein mit einem langen steilen Serif oberhalb des Querbalkens gestaltet, wodurch der kurvige Schwung des unteren Buchstabenteils weitergeführt wird. Dem f mit kurvig gebogener Oberlänge fehlt die Unterlänge, das p trägt an der Unterlänge einen langen schrägen Abstrich. Auffällig sind die relativ langen Kommata sowie die Verwendung von Unzialformen bei a und e. Der Gesamteindruck ist derjenige einer klaren Schrift, die durch die breiten Majuskeln und die hohen Oberlängen der Minuskeln bestimmt wird. Wie bereits Dunlap feststellte, bildet die »Halfdan«Schrift eine Variante der in der »The Story of the Ynglings« verwendeten Schrift.509 Es liegt somit die Vermutung nahe, im »Halfdan« den Folgetext des früheren Manu skripts zu sehen.510 Die Dekoration der »Halfdan«-Seiten ist allerdings im Unterschied zur Londoner »Ynglings«-Handschrift sehr zurückhaltend konzipiert. Der Titel auf fol. 1r ist in zwei Zeilen von Kapitalbuchstaben in Sepia eingetragen und durch eine schlichte Zeilenfüllung in Form einer Sepia-Ranke aus linear stilisiertem, federartigem, sich schwungvoll einrollendem Farn ergänzt. Darauf folgt linksbündig, wie in der »Ynglings«Handschrift, die Bezeichnung »Chap :« mit arabischer Ziffer und mit einer Überschrift, die eine kurze Inhaltsangabe des Kapitels gibt, sowie eine zweizeilige Initialmajuskel – allerdings ohne Angaben für ein Initialquadrat – und der Wortrest in Kapitalbuchstaben. Die Verwendung von stark stilisierten Zeilenfüllern erinnert nicht nur an diejenigen in den zweikolumnigen Handschriften der »The Story of Hen Thorir« und »The Story of the Banded Men« (BLO, MSS Eng. misc. d. 266, 267), sondern auch an Morris’ Randzeichnungen in »The Story of Rhodope« aus den späten 1860er Jahren (BL, MS Add. 45304, fol. 4r, 13v).511 Vielleicht ließ er sich durch Motive in Handschriften der British Library, wie MSS Harley 2863, 2934 und 5049 anregen, die er in den frühen 1860er Jahren wegen der Darstellungen der Monatsarbeiten studiert hatte.512 Auf fol. 5r der »Halfdan«Handschrift befinden sich in der unteren Hälfte des äußeren Seitenrands Bleistiftskizzen, die auf geplante Dekorationen aus sich verschränkenden Ranken und einer daneben auf einer Erdscholle stehenden Figur hindeuten, worin ein weiterer Bezug zur Londoner »Ynglings«-Handschrift zu erkennen ist. Gleichzeitig verweist das Motiv einer Figur inmitten von Vegetation auch auf den Inhalt des sechsten Kapitels der Saga, das den Traum Königin Ragnhilds schildert, in dem sie in einem Garten aus einem Dorn einen hohen Baum mit weit ausgreifenden Zweigen wachsen lässt.
509 510 511 512
Dunlap 1976, S. 61 ; PML 1976, Nr. 57, S. 113. Dunlap 1972/1976, S. 242. Ebd., S. 243. Vgl. Notizbuch von Morris, BL, MS Add. 45305, fol. 6v, 7v.
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3.6.5 »The Story of Harald Fairhair«
Zusammen mit der »Halfdan«-Geschichte eingebunden ist das erste Drittel der folgenden Saga der »Heimskringla« (»Haralds saga Hárfagra«), »The Story of Harald Fairhair« (PML, MA 3471, fol. 8r–24v, bis Kap. XXI).513 Die Fortsetzung – der Rest von Kapitel XXI bis XXXIX – befindet sich in einer anderen Handschrift (BLO, MS Eng. misc. d. 265, fol. 9r–24v). Die große, klare und gerade Schrift gleicht derjenigen der »Halfdan«-Seiten, lediglich in einigen der Großbuchstaben kommt es zu Abweichungen.514 Es wiederholen sich die a- und e-Unzialformen, die hohen Oberlängen mit kurzen Serifen und die großen, breiten Kapitalisbuchstaben. Dunlap stellte fest, dass einige Buchstabenformen wie diejenige des V bereits auf die »Three Icelandic Sagas« von 1873/1874 vorausweisen (FMC, MS 270*).515 Titel, Kapitelüberschriften, zweizeilige Initialbuchstaben am Anfang der Kapitel und Gesänge sind nur in Bleistift eingetragen, aber wieder in Initialquadrate eingestellt. Dadurch dass Morris in den Gesängen die zweizeilige Anfangsinitiale und den Kapitalbuchstaben, der die zweite Zeile des Gesanges einleitet, nebeneinanderstellt, d.h, unter die in Kapitalis geschriebenen Buchstaben des Wortrestes, entsteht ein etwas irritierendes Schriftbild. Aufgrund der Schriftanalyse sind beide »Harald«-Teile und die »Halfdan«Seiten in die Zeit um 1872/1873 zu datieren.516
3.7 Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten Die letzten Handschriften Morris’ entstanden in den Jahren 1873–1875 und offenbaren eine besondere Affinität zur Buchmalerei der Renaissance, vor allem zu italienischen Weißrankenornamenten (a bianchi girari), der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Handschriften dieser Gruppe beeindrucken durch den Reichtum und die Detailliertheit ihrer malerischen Dekoration. 3.7.1 Italienische Handschriften des späten 15. Jahrhunderts als Vorbild
Die Orientierung Morris’ an kunsthistorischen Vorbildern der italienischen Renaissance ist vielleicht mit seinem wachsenden Interesse für das Quattrocento oder – jedenfalls 513 514 515 516
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Publiziert 1893 im dritten Band der »Saga Library«, S. 91–145. Vgl. Dunlap 1976, S. 61 ; Dunlap 1972/1976, S. 245. Dunlap 1976, S. 61. Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 422 : ca. 1873 ; PML 1976, Nr. 57, S. 113 : ca. 1872.
Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
in Hinblick auf die »Oden« und die »Aeneis« – mit der Suche nach einer Dekorationsform zu begründen, die dem Charakter und der Stilstufe der antiken Literatur entspricht. Handschriften italienischer Humanisten überlieferten die antiken Texte und statteten diese mit einem Buchschmuck aus, der sich wiederum an der Antike orientierte, sei es in Hinblick auf Ornamente oder figürliche Szenen. Aus Morris’ Streben nach einer harmonischen Entsprechung zwischen dem jeweiligen Text, seiner Herkunft und einem Dekorationsstil ist vermutlich der Rückgriff auf Ornamentmotive solcher Handschriften zu erklären. Sein Ziel war es wohl, in der Illuminierung seiner Abschrift eines antiken Textes eine mit diesem assoziierte Dekorationsform aufzugreifen. Die Vermutung, dass Morris italienische Handschriften mit Weißrankeninitialen aus der Bodleian Library und der British Library kannte, wird durch seinen Brief an Murray vom 26.3.1874 unterstützt, in dem er sich in Zusammenhang mit den »Oden« ausdrücklich auf diese Vorbilder bezieht. Er berichtet, dass er sich der »Italian work of about 1450 for a type« zugewendet habe und fügt die Zeichnung eines von Ranken umwundenen Buchstabens A mit Blattblüte ein.517 Dass er diese Ornamente dann auch für isländische Texte übernahm, mag durch seine Gleichsetzung der nordischen und antiken Dichtung begründet gewesen sein. Vielleicht kannte Morris aber auch isländische Handschriften, die mit solchen Weißrankeninitialen verziert waren, und erachtete deswegen die Verwendung dieses eigentlich mit Italien verbundenen Ornamentmotives als passend.518 Es erscheint zunächst etwas erstaunlich, dass Morris, der die nordeuropäische mittelalterliche Buchmalerei so sehr schätzte, für seine eigenen Handschriften in der Zeit um 1874 auf ganz andere Vorbilder für Schrift und Ornamentform zurückgriff. Dunlap begründete diese Wahl gerade in Anbetracht der zuweilen negativen Einstellung des Künstlers gegenüber der Renaissance und der scheinbaren Diskrepanz zwischen theoretischem und praktischem Ansatz damit, dass Morris gewusst habe, dass sich die italienischen Illuminatoren auf Vorbilder des 12. Jahrhunderts bezogen, die wiederum auf karolingische Handschriften des späten 9. Jahrhunderts und ottonische Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts zurückgingen.519 So äußerte Morris 1894 in »Some Notes on the Illuminated Books of the Middle Ages« : 517 Brief Morris’ an Murray vom 26.3.1874, zit. nach : Kelvin 1984 I., Nr. 231, S. 219–220. Morris verwahrte ca. 1876 zwei illuminierte italienische Manuskripte von ca. 1450 bzw. 1478 in seiner Bibliothek, die er vielleicht schon 1873/1874 besaß und aus denen er möglicherweise ebenfalls solche Anregungen bezogen hatte. Es handelt sich dabei um : »Xenophon Deligibus, Illuminated, Italy. About 1450« ; »Proleani Astronomia, handsomely illuminated, written Naples in 1478« (heute : JRLM, MS Ryl. Lat. 53), YCBA, fol. 2r. 518 Vgl. z. B. BLO, MS Icel. e. 1, Jónsbók, Island, vermutlich um 1400, Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1290, S. 112. 519 Dunlap 1972/1976, S. 237 ; Dunlap 1975, S. 153. Vgl. z. B. BLO, MSS Laud misc. 410 (fol. 1–76 ; Heiligenlegenden, Südwest-Deutschland, Ende des 10. Jh.s), D’Orville 77 (Cicero, Orationes Caesarianae, Süddeutschland, Anfang des 11. Jh.s), Pächt/Alexander 1966 I, Nr. 26, 28 ; BLO, MS Laud Lat. 25 (Evangelium,
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The first harbinger of the great change that was to come over the making of books I take to be the production in Italy of most beautifully-written copies of the Latin classics. These are often very highly ornamented ; and at first not only do they imitate (very naturally) the severe hands of the eleventh and twelfth centuries, but even (though a long way off) the interlacing ornament of that period.520
Eine entsprechende Herleitung der italienischen Buchmalerei findet sich schon bei Owen Jones in seiner »Grammar of Ornament« (1856) und bei Humphreys, der in der Initialornamentik des 12. Jahrhunderts aus Akanthusranken die Grundlage für die italienischen Weißrankeninitialen des 15. Jahrhunderts vermutete.521 Er empfahl, diese Ornamentformen für Rahmendekorationen zum Erzielen von »the greatest and most beautiful effect« zu verwenden.522 Auch Delamotte stellte 1860 die italienischen Weißranken wegen ihrer »exquisite chasteness« als besonders geeignete Vorbilder für den Illuminator dar.523 In seinen »Mediaeval Alphabets and Initials« bildete er mehrfach Initialen mit Weißranken und großen weißen Blüten auf mehrfarbigem Grund mit Punktgruppen ab.524 Morris war im Frühling 1873 zum ersten Mal, gemeinsam mit Burne-Jones, nach Italien gereist, wo er Florenz und Siena besuchte. Obwohl seine Neigung eher der nordeuropäischen Kunst galt, war er von den Bauten in Florenz und der Landschaft begeistert.525 Das Erlebnis der italienischen Kultur mag als Anregung für seine Beschäftigung mit der Literatur der römischen Antike und der italienischen Buchkunst des 15. Jahrhunderts gedient haben. Norditalien, Mitte des 12. Jh.s), dies. 1970 II, Nr. 47, S. 5. Pächt arbeitete in seiner Untersuchung zur Herkunft der humanistischen Buchdekoration heraus, dass die Renaissance-Künstler die Weißrankeninitialen aus Handschriften des 9.–12. Jahrhunderts im Glauben übernahmen, dass es sich bei mit diesen Ornamenten verzierten, in der karolingischen Minuskel geschriebenen Handschriften der antiken Autoren entweder um antike Handschriften selbst oder um Kopien handelte, die in der antiken Tradition standen, Otto Pächt, Notes and Observations on the Origin of Humanistic Book-Decoration, in : D. J. Gordo (Hrsg.), Fritz Saxl (1890–1948). A Volume of Memorial Essays from his Friends in England, London u. a. O. 1957, S. 184–194, hier S. 188. Morris’ Kritik an der italienischen Renaissance galt eher dem damit verbundenen politischen System sowie der Malerei der Hoch- und Spätrenaissance. Er lobte dagegen die frühen italienischen Buchdrucke, die kunsthandwerklichen Produkte und griff auch später bei seinen Textilentwürfen immer wieder auf Renaissance-Vorbilder aus der Sammlung des V&A zurück, vgl. Barbara Morris, Inspiration for Design. The Influence of the Victoria & Albert Museum, London 1986, S. 94–106 ; dies., William Morris and the South Kensington Museum, Victorian Poetry 13, 3–4, Herbst-Winter 1975, S. 159–175, hier S. 160. 520 Zit. nach : Morris 1982, S. 13. 521 Jones 1995, S. 107 ; Humphreys 1849/1995, S. 13. 522 Ebd. 523 Delamotte 1860, S. 23. 524 Delamotte 1861, Taf. 11 und 15 sowie Titelseite. 525 Zu Morris’ Italienaufenthalt : GBJ 1993 II, S. 35–36 ; MacCarthy 1994, S. 327–330 ; Briefe Morris’ an seine Frau Jane vom [6.4.1873], an seine Mutter Emma Shelton Morris vom 9.4.1873 und an Philip Webb vom 10.4.[1873], in : Kelvin 1984 I, Nr. 189–191, S. 183–186.
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3.7.2 Die »Three Icelandic Sagas«
Die »Three Icelandic Sagas« (FMC, MS 270*) verbinden die Einflüsse, die Morris vor ihrer Ausfertigung im Frühling und Sommer 1873 erfuhr : seine Reisen in Italien und Island. Auch die damit einhergehende Unterbrechung seiner kalligraphischen Tätigkeit, die durch die hohe Arbeitsbelastung aufgrund seiner Publikationsprojekte verlängert wurde, könnte zu einem Vorbildwechsel, zum Ausprobieren neuer Dekorations- und Schriftformen angeregt haben. Die »Three Icelandic Sagas« bilden Morris’ viertes und letztes Handschriften-Geschenk an Georgiana Burne-Jones. Auf sie verweisen die im unteren Rand von S. 1 eingetragenen Initialen GBJ, die alternierend in Gold bzw. Silber ausgeführt sind und vor einem Zweig mit kleinen rosafarbenen und hellblauen Blüten liegen. Die »Sagas« greifen ein früheres Projekt aus der Zeit um 1871 auf, zu dem sich drei doppelkolumnige Handschriften erhalten haben (BLO, MSS Eng. misc. d. 266, 267 ; CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, fol. 11r–19r). Die Texte, die Morris gemeinsam mit Magnússon übersetzte, wurden erst 1891 als erster Band der »Saga Library« publiziert. Georgiana Burne-Jones fügte, als sie 1909 die Handschrift dem Fitzwilliam Museum in Cambridge schenkte, eine Notiz über ihre Entstehung bei (S. [246]) : »The three Stories in this book were translated from the Icelandic by William Morris and Eiríkr Magnússon. They were written out, and all the Illuminated Letters were designed and painted, by William Morris, about the year 1873.« Die Handschrift umfasst »The Story of Hen Thorir«, »The Story of the Banded-Men«, »The Story of Haward the Halt« und »A Gloss in Rhyme on The Story of Haward, by William Morris«. Morris arbeitete 1873 an der Handschrift, die er Anfang Februar 1874 vollendete.526 Am 26.3.1874 schrieb er Charles Fairfax Murray : »As to what I am doing in my Scribe’s capacity – I wrote a book (on paper confound it) of about 250 p.p. translations of unpublished Icelandic stories with pretty letters to each chapter, which looked well on the whole. I finished this early in February.«527 Dunlap hob hervor, dass die »Icelandic Sagas« wohl eines der kalligraphisch reichsten und kunstvollsten Manuskripte von Morris bilden.528 Bis auf die Seiten- und Kapitelüberschriften, die arabischen Seitenzahlen und der Text des »A Gloss in Rhyme …«, die in Sepia ausgeführt wurden, sind die übrigen Texte in schwarzer Tinte geschrieben. Die Überschriften in den oberen Seitenrändern tragen auf der Versoseite jeweils den Titel, auf der Rectoseite eine kurze Zusammenfassung des auf der Seite geschilderten Geschehens. Das Seitengerüst ist in Sepia eingezeichnet und über die Seitenränder hinweggezogen, so dass die Seite in neun unterschiedlich große Rechteckfelder aufgeteilt wird. Die Kapitelanfänge sind durch eine linksbündige Kapitelüberschrift mit der Ab526 Vgl. May Morris, in : CW IX, S. xxi ; Dunlap 1975, S. 152 ; Dunlap 1976, S. 64. 527 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 231, S. 219. Siehe a. Cockerells Notiz in den »The Icelandic Sagas« auf S. [246]. 528 Dunlap 1976, S. 65.
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kürzung »Chap :« und einer römischen Ziffer sowie die daran anschließende Kapitelzusammenfassung kenntlich gemacht. Nachträgliche Worteinfügungen sind in Sepia im äußeren Seitenrand eingetragen.529 Die Schlusszeilen der Geschichten sind immer besonders sorgfältig mit größerem Buchstabenabstand geschrieben und betonen damit das jeweilige Ende. Morris schrieb den Text der 244 Seiten umfassenden Handschrift in einer eckigen Kursive, die durch die Vielzahl von phantasievollen und exzentrischen Majuskeln gekennzeichnet ist.530 Sie ergibt ein bewegtes, dichtes, dunkles Schriftbild auf der Seite. Die Oberlängen der Buchstaben sind mäßig hoch und enden in langen diagonalen Serifen. Auch die Kommata sind schwungvoll und diagonal eingefügt. Am auffälligsten unter den Kleinbuchstaben ist das mit einer Unterlänge gebildete f geformt, dessen Schaft oben schwungvoll nach rechts ausläuft und über die Seiten hinweg immer dynamischere, längere und kompliziertere Schlaufen und Schnörkel erhält. Die Serifen der Buchstaben sind an den Wortenden oftmals so lang ausgezogen, dass sie eine Verbindung zu dem folgenden Buchstaben bilden. Die Majuskeln sind von ungewöhnlicher Gestalt, wobei teilweise verschiedene Versionen eines Buchstabens in der Handschrift verwendet werden.531 Sie können ausgeprägte Ober- und Unterlängen aufweisen ; der Buchstabenkörper kann eckig gebrochen werden ; der Schaft sich wie bei A und J knotenartig verdicken, sich in der Mitte einziehen (M) oder von einer zweiten dünnen geraden oder zickzackartigen Linie begleitet (B, C, R, T) sein. Das S besitzt häufig eine Verdoppelung des Mittelstriches und wird von einem Diagonalstrich so durchlaufen, dass der Eindruck entsteht, als ob sich der Buchstabe um diesen spiralartig windet.532 Das H bildet Morris zunächst noch mit einer Serife am linken Stamm und einem höheren, nach rechts geneigten rechten Stamm, wählt dann ab S. 41 eine »lombardische« Form mit doppeltem linken Stamm und Querstrich, deren Dachbalken ab S. 44 an Länge zunimmt. Dunlap mutmaßte, dass Morris sich partiell an lombardische Vorbilder anlehnte und diese mit eigenen Erfindungen mischte.533 Einzelne Buchstaben in seiner Schrift gehen wohl auf den Einfluss italienischer Schreibmeister wie Arrighi zurück.534 529 S. z. B. auf S. 93, 112, besonders viele solcher Einträge finden sich in der dritten Geschichte. 530 Zur Schrift ausführlich : Dunlap 1972/1976, S. 272–277 ; Dunlap 1975, S. 152–153 ; Dunlap 1976, S. 64–65 ; Whitla 2001, S. 51 : Morris’ dritte Kursivschrift. 531 Für die erste und dritte Geschichte verwendet Morris ein E nach Arrighis Vorbild mit geschwungener Unterlänge, für die zweite Geschichte ein E mit doppeltem Stamm. Es finden sich drei verschiedene Formen für M und W, Dunlap 1972/1976, S. 274. 532 Das S mit Diagonalstrich ab S. 1 und wieder ab S. 133, ab S. 72 und 142 ein S mit doppeltem Querstrich und Diagonalstrich, ab S. 89 und 147 mit doppeltem Querstrich, aber ohne Diagonalstrich, die reichste Form ab S. 113 und 160 : ein S mit doppeltem Querstrich, dessen Diagonalstrich durch eine Schlaufe an den oberen Buchstabenbogen angebunden wird. 533 Dunlap 1972/1976, S. 272–274 ; Dunlap 1976, S. 64–65. 534 Fairbank 1970, S. 61 ; Dunlap 1972/1976, S. 274 ; Dunlap 1976, S. 64.
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Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
Die Überschriften in den oberen Seitenrändern sind zwar etwas größer, aber in derselben Schrift wie der Text der Sagas gehalten, wobei die Oberlängen ausgeprägter und die Abläufe z. T reich und kompliziert verschlungen sind. Auffällig ist die letzte Seitenüberschrift, deren Buchstaben in besonders vielfältigen Verschlingungen auslaufen. Die Kapitelüberschriften sind, wenn auch wohl mit einer dünneren Feder geschrieben, in der gleichen Größe wie die Textbuchstaben gehalten, aber mit reichen und phantasievollen Schlaufenbildungen und Schnörkeln ausgezeichnet. Vielleicht wurden sie später eingetragen, da etwa das H nur die Buchstabenform aufweist, die Morris ab S. 44 verwendet. Für die Titel am Anfang der jeweiligen Geschichte verwendet Morris breite Kapitalbuchstaben in Gold und Silber, die in ihrer mächtigen Schlichtheit einen Anfangsakzent setzen. Die Majuskeln des auf die Kapitalis-Initiale folgenden Wortrests dagegen wirken wie aus gefalteten Stoffbahnen oder aus steifen Bändern geformt und drapiert. Dieser Effekt wird durch die farbige Binnenzeichnung noch betont. Sie besitzen teilweise Fleuronnée-Ausläufer. Obwohl sich für diese originellen Faltbuchstaben scheinbar keine direkten Vorbilder ausmachen lassen, werden auch hierfür als Anregung lombardische Initialformen vermutet.535 Diese »Faltinitialen« wiederholen sich in den »Sagas« bei den »Songs«, bei denen jede Zeile von einer solchen Initiale eingeleitet wird, wobei zumeist zwei Farben alternierend verwendet werden. Die Dekoration in den »Three Icelandic Sagas« ist im Unterschied zur Schrift sehr homogen gestaltet und basiert auf dem Vorbild der italienischen Weißrankeninitiale. Nur in dem abschließenden »A Gloss in Rhyme« (S. 241-[244]) verzichtet Morris auf diesen Initialtypus. Dieser Textteil unterscheidet sich auch darin, dass er zwar in derselben Schrift, jedoch kleiner und in Sepia ausgeführt ist. Seine vier Untergliederungen werden jeweils von einem einzeiligen farbigen »Faltbuchstaben« eingeleitet, der mit zierlichen stilisierten floralen Ranken und mit Goldpollen an sepiafarbenem Fleuronnée verziert ist. Die Dekoration dieses Textteiles wirkt durch den Verzicht auf Initialgründe hell und leicht. Jede der drei »Icelandic Sagas« wird von einer vierzeiligen Weißrankeninitiale eingeleitet, die auf einem sich zur Mitte hin leicht einschwingenden Quadrat mit Polstergrund steht (S.1, 58, 133 ; Taf. 8). Der mit Ornamenten aus Punkten oder Punktrosetten überzogene Polstergrund hinterfängt auf der linken Seite die Ranken und folgt ihrem unregelmäßigen Verlauf im Seitenrand. Diese Initialfelder, ihre Ornamente und die anschließenden Buchstaben des ersten Wortes sind von exquisiter, subtil abgestimmter Farbigkeit. So sind die Weißranken farbig fein abschattiert oder gehöht, mit kleinen und großen, farbig entsprechenden Blüten besetzt. Die partiell gehöhten Initialbuchstaben und die Ranken heben sich von den zierlich gemusterten Polstergründen elegant und 535 Dunlap 1976, S. 65. Vgl. aber auch mit Stundenbuch, BL, MS Harley 2936 (Paris, um 1500–1510, zugeschr. dem Meister von Martainville 183) : Im Kalendarium Grisaille-Lettern aus gedrehten Bändern, die in Blätter und Ranken münden, allerdings vor rotem Hintergrund mit Goldornamenten.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
wirkungsvoll ab. 52 kleinere zweizeilige Weißrankeninitialen finden sich an den Kapitelanfängen (Taf. 9). Diese sind zunächst quadratischen Feldern aufgelegt, bis sich auf S. 78 die erste Initiale findet, bei der Morris wie bei den großen Initialen eine unregelmäßige, dem Rankenverlauf folgende Hintergrundfolie verwendet. Diese Form wiederholt sich allerdings erst wieder auf S. 125. In »The Story of Howard the Halt« tritt dieser Typus häufiger auf und wird zunehmend freier und lebendiger gestaltet. Dieses fällt besonders nach S. 221 auf. Die bis dahin rechte gerade Einfassung wird nun wie bei den großen Initialen leicht zur Mitte eingezogen. Bei den Initialen auf S. 221 und 222 ist die rechte untere Ecke, wie auch bei der großen H-Initiale zu »Howard the Halt« lang und spitz herabgezogen. Besonders prächtige und große Initialen schmücken die Seiten 202 und 238. Ihr Rankenwerk reicht nicht wie bei den anderen ungefähr jeweils eine oder zwei Zeilen nach oben und unten, sondern fast vier Zeilen tief. Die Initialbuchstaben können durch Schattierung des Buchstabenkörpers den Eindruck einer gewissen Plastizität vermitteln. Dabei erfolgt diese Schattierung in einer sich deutlich absetzenden Farbe oder in Gold. Der Wortrest ist häufig entsprechend in Gold oder dieser Farbe, die einen Farbton des Initialgrundes aufgreift, ausgeführt, oder aber in alternierenden Gold- und Silbermajuskeln gehalten. Bei den zweizeiligen Initialen fällt zunächst eine Bevorzugung von Grün-Blau-Tönen, Vorbildern in italienischen Handschriften folgend, für die Polstergründe auf, vor denen sich die hellrosa schattierten Weißranken abheben. Im Verlauf der zweiten Geschichte werden die Initialen etwas leuchtender und bunter in der Farbgebung gestaltet. Häufiger lassen sich nun Rot, Hellpurpur, Gelb und Braun finden. Zunehmend verwendet Morris farbige, hauptsächlich rote, grüne und blaue, weiß gehöhte Ranken, die dem Typus der Weißrankeninitiale folgen. Die Tendenz zu einer dunkleren und intensiveren Farbgebung kennzeichnet die Initialdekorationen der dritten Geschichte.536 Erst bei dieser Saga erscheinen auch Goldpollen im Rankenwerk. Morris schließt sich in seiner Version der Weißrankeninitiale eng den italienischen Renaissance-Vorbildern an. Von dort übernimmt er die Polstergründe, die mit Dreipunktgruppen, mit Punktrosetten oder mit dicht aneinandergesetzten, die Fläche überziehenden Punkten gefüllt sind. Die Anlage der Ranken, die zumeist links oder mittig am unteren Feldrand oftmals in tütenartig ineinander gestaffelten »Borkenstücken« mit rüschenartiger Randeinfassung ansetzen, sich um den Buchstaben schlingen und in zusammengefalteten Blättern (Halbblättern), phantasievollen Blumen, Doldenblüten mit einem Kranz aus ausgezahnten Blättern um eine lang ausgezogene spitze Mitte oder in aus Blättern gebildeten Knospen münden, geht auf solche Vorlagen zurück. Morris verbindet für die ersten Initialen der Handschrift die italienische Weißranke mit seinem bewährten »Bough«-Schema aus einem diagonal in das Initialquadrat eingestellten Zweig, das die Initialen der Handschriften um 1870–1872 wie »A Book of Verse« 536 Dunlap 1972/1976, S. 275.
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Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
oder die »Dwellers II« kennzeichnete (FMC, MS 270*, S. 3, 39, 41). Auch das »Scroll«Schema mit einem sich volutenartig einrollenden Blattzweig wird aufgegriffen (FMC, MS 270*, S. 78, 125). Die grundlegende Struktur entspricht einander, nur die Ornamentmotive haben sich geändert : statt der stilisierten gotisierenden Blüten, Gartenblumen und Früchte findet sich nun die italienisierende Weißranke. Die klare Grundstruktur wird durch die kleinen, sich verschlingenden, einrollenden und den Buchstaben umwindenden Rankenausläufer verunklärt. Dabei komponiert Morris das Hintergrundornament stets unter Berücksichtigung der Buchstabenform. So stellt er in die Mitte des O (S. 3) eine aufwärtsstrebende Blüte, füllt den oberen Zwischenraum des N (S. 41) mit einer großen Blume. Er organisiert die florale Ornamentik der Initialgründe in sich überkreuzenden, sich volutenartig einrollenden oder verschlingenden Ranken. Eine Sonderform, die sowohl an Strukturen von Morris’ früheren Ornamententwürfen erinnert als auch den italienischen Vorbildern besonders eng verbunden ist, bildet die Initialdekoration aus zwei sich zweifach überkreuzenden und dadurch eine Elipsenform ausbildenden Ranken (Taf. 9).537 Daneben finden sich auch Ranken, die auf Höhe der Quadratmittelachse hochstreben und ihre Blätter und Ausläufer seitlich ausbreiten oder einrollen. Neben den typischen Weißranken und Phantasieblüten verwendet Morris in seinen Initialen auch Eichenblätter (S. 18), Tulpen (S. 83, 93), Weidenzweige (S. 161, 201), fleischige Palmettenblätter (S. 163), Weinlaub (S. 133), Gänseblümchen (S. 215), Akelei (S. 221, 238), Lilien (S. 150) und goldene päonienartige Blüten an Silberranken (S. 218). An Morris’ frühere Handschriften aus der Zeit von 1870 bis 1872 erinnern besonders das Initialfeld auf S. 161 mit einem diagonal eingestellten Weidenzweig und kleinen stilisierten Blüten sowie der auf S. 218 frei in den Seitenrand hineinragende Weidenzweig, der als Hintergrund für die in großen Blüten mündenden Blattzweige dient.538 Diese Kombination von Initialquadrat und ohne Hinterfangung in den Seitenrand strebender Ranke scheint auf die »Oden«-Initialen vorauszuweisen, wenn auch in den »Three Icelandic Sagas« noch weitgehend das Fleuronnée und die Goldpollen fehlen. Morris’ Vorbilder für die »Icelandic Sagas« sind in Handschriften wie BL, MSS Harley 2593, 3481, 3694 und 4902 zu suchen (Abb. 45).539 Dort lassen sich die unregelmäßi537 Siehe z. B. FMC, MS 270*, S. 58, 112, 133, 136, 184. 538 Frei in den Seitenrand hineinreichende Blüten nur noch auf S. 133 und 215. 539 Vgl. MSS Harley 2593 (Giannozzo Manetti, De dignitate hominis, Florenz, 1455, Francesco d’Antonio del Chierico, Maestro delle Deche di Alfonso d’Aragona), 3481 (Plato, Übers. Marsilio Ficino, Opera, Neapel, ca. 1491–1493, Matteo Felice), 3694 (Titus Livius u. a., Ab urbe condita u. a. Texte, Florenz, um 1470–1480, zugeschr. Francesco Rosselli), 4902 (Augustinus, De Civitate Dei, Florenz, um 1470, Meister des Vitez Livius). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Hewitt 1934, S. 4. Hewitt sah sich zu Morris’ Kalligraphie »a Livy with fine white-vine illumination of the strap and star sort« aus der Sammlung der British Library an, den Morris selbst in seinem Skizzenbuch erwähnt, HRC, MS 2934, fol. 13v (BL, MSS Burney 198, Harley 3694). Vgl. a. BL, MSS Harley 3109 (Hieronymus, Epistulae, Rom, 3. Viertel des 15. Jh.s, ev. Andrea da Firenze).
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Abb. 45 British Library London, MSS Harley 3109 (Hieronymus, Epistulae, Rom, 3. Viertel des 15. Jahrhunderts, zugeschr. Andrea da Firenze) und 4902 (Augustinus, De Civitate Dei, Florenz, um 1470, zugeschr. dem Meister des Vitez Livius), in : Frederic Madden/Henry Shaw, Illuminated Ornaments …, London 1830–1833, Taf. XXI.
gen, dem Rankenverlauf angepassten ornamentierten Gründe sowie die Phantasie- und Palmettenblüten nachweisen. Die Verbindung von Quadratform und frei in den Seitenrand hineinreichendem Außengrund geht ebenso wie die etwas einfachere Gestaltung der zweizeiligen Initialen auf solche Handschriften zurück, wie sie sich auch in der Sammlung der Bodleian Library finden lassen.540 Auch die in Morris’ erstem Bibliothekskatalog aufgeführte Handschrift von Christianus Prolianus’ »Astronomia« ist mit Weißrankenornamentik geschmückt (JRLM, MS Ryl. Lat. 53) ebenso wie die erst zu einem späteren Zeitpunkt in seine Sammlung gelangte Handschrift von Leonardo Brunis »Historia Florentina«, Florenz, um 1440–1450.541 Beispiele solcher Initialen mit Weißrankenornamentik auf Polstergrund waren auch in den Lehrbüchern zur Buchmalerei aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgebildet (Abb. 45).542
540 BLO, MSS Laud Lat. 73 (Terenz, Komödien, Florenz 1430–1440), D’Orville 82 (Cicero, Orator, Brutus, Florenz, um 1450), Laud Lat. 48 (Cicero, Orationes, Rom ?, um 1450), Canon. Class. Lat. 51 (Vergil, Werke, Venedig ?, 3. Viertel des 15. Jh.s), Canon. class. Lat. 296 (Livius, 3. Dekade, Toskana, 1476), Rawl. G. 138 (Cicero, Orationes, Rom, 3. Viertel des 15. Jh.s), Douce 214 (Plutarch, Lives, Florenz, um 1440) ; Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 225, 240, 335, 535, 307, 349, 233. Zu den zweizeiligen Initialen vgl. z. B. BLO, MSS Canon. Class. Lat. 26 (Horaz, Oden, Rom, um 1450), D’Orville 20 (Terenz, Komödien, Siena, 1461), ebd., Nr. 340, 278. Vgl. a. BLO, MS Douce 310, eine von Gherardo und Monte di Giovanni di Miniato illuminierte Pergament-Kopie von Plinius’ »Historia Naturalis«, Nicholas Jenson, Venedig 1476 (ebd., Nr. Pr. 48, S. 109), die Morris kannte und deren Schrift er bei seinen ersten Überlegungen zur Gründung einer Presse als Vorbild heranzog, vgl. Brief Morris’ an Frederick Startridge Ellis, 21.11.1889, Kelvin 1996 III, Nr. 1678, S. 124. 541 Heute : BLO, MS Buchanan c. 1 ; WM 1898, Los 131 ; Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 230. Die Handschrift war zur Entstehungszeit der »Sagas« noch nicht in Morris’ Bibliothek, da sie in dem in die Zeit um 1876 datierten Bibliothekskatalog (YCBA) fehlt. In Morris’ Bibliothek befand sich auch eine Florentiner Handschrift von 1455 mit Poggio Bracciolinis »De varietate fortuna«, BLO, MS Buchanan d. 4 ; WM 1898, Los 863 ; Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 265. Siehe aber auch die Weißrankendekorationen in Morris’ Exemplar von St. Augustinus’ »De Civitate Dei«, Sweynheym und Pannartz, Subiaco 1467, Bridwell Library, Southern Methodist University (WM 1898, Los 142). 542 Vgl. z. B. Abbildungen von Initialen aus Handschriften aus der Sammlung der British Library in : Hum-
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Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
Abb. 46 William Morris, Skizzenbuch, Seite mit Skizzen nach Initialen in Handschriften, um 1870, Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin, fol. 15r. Photo © Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin.
Einträge in dem in Austin aufbewahrten Skizzenbuch Morris’ (HRC, MS 2934) vermitteln Aufschluss darüber, welche italienischen Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts er in den frühen 1870er Jahren in der British Library konsultierte. Die Vermerke zu den Handschriften belegen, dass er sich besonders für die Schrift, die Gestaltung der ersten Seite, für Flechtornamente und Weißrankeninitialen interessierte.543 Er machte knappe charakterisierende Bemerkungen zu dem Erscheinungsbild und der Qualität von Schrift, Bildschmuck, Ornamenten, technischer Ausführung und vermerkt die Nützlichkeit der Handschrift als Vorlage.544 Hinzukommen Angaben zur Datierung und in wenigen Fäl-
phreys 1849, S. 60–61, Bsp. 12 ; Humphreys 1849/1995, Taf. 26, S. 17–18 ; Wyatt/Tymms 1860/1987, Taf. 18 zum 15. Jahrhundert ; Shaw/Madden 1833, Taf. XXI ; Delamotte 1861, Taf. 15. 543 Vermerke zu Weißrankeninitialen finden sich in HRC, MS 2934, Einlegeblatt und fol. 13v zu MSS Add. 14781, Harley 3293 (Polybii Historiorium libri 5, vermutlich Mantua oder Ferrara, 3. Viertel des 15. Jh.), 2662 (Marcus Fabius Quintilianus, Institutiones, ev. Ferrara, 1434) ; zum Flechtwerk (fol. 10v–11r, 11v und 12v) zu BL, MSS Harley 7183 (Homiliar, ev. Florenz, 2. oder 3. Viertel des 12. Jh.), 5600 (Herodot, Homer, Narratio de gente et vita Homeri, Iliad, Florenz, 1466, zugeschr. Ioannes Rhosos), 2662, Add. 21120, 11933, 14777. 544 HRC, MS 2934, fol. 12v : »useful« in Hinblick auf BL, MS Harley 3410 (Petrarca, Gedichte, ev. Mailand, 2. oder 3. Viertel des 15. Jh.).
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len zur kunstgeschichtlichen Einordnung.545 Zusätzlich finden sich Skizzen nach Blattblüten und Knollenranken, wie sie italienische Handschriften der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts prägen (HRC, MS 2934, fol. 11v, 12r nach BL, MSS Add. 15287 und Harley 2761), sowie nach Akanthusblättern (fol. 10v nach BL, MS Add. 18720). Skizzen von sich einrollenden Akanthusblättern, wie sie Morris in seiner »Oden«-Handschrift verwenden wird, finden sich auf fol. 14r und solche zu Blattblüten, Knollenranken, z. T. als Initialschmuck auf fol. 15r–18r (Abb. 46). Die Details beschäftigen sich mit den Blütenformen, den Rankenverbindungen, dem Ansatz der Blüten und Blätter an den Ranken. Vielleicht kannte Morris auch Initialen in illuminierten Manuskripten des englischen Schreibers Thomas Candour.546 Sie greifen die Form der Florentiner Weißrankeninitiale auf, ergänzen sie allerdings mit frei in die Seitenränder hineinwachsenden zierlichen Blütenranken, an denen auch Goldpollen und große Phantasieblumen sitzen, die sich in Morris’ Initialen zu »Howard the Halt« wiederholen.547 Morris’ Initialen ähneln denjenigen in Candours Handschriften in der abwechslungsreichen Variation des WeißrankenTypus durch Farbschattierungen und der Verbindung mit anderen floralen Motiven, die sie von der manchmal etwas gleichförmigen Gestaltung in den italienischen Manuskripten abheben. Weitere Abweichungen gegenüber den italienischen Beispielen weisen Morris’ Initialen in der Zierlichkeit der Ranken und in dem Vermeiden einer bandartigen Qualität auf. Er ersetzt die vielen unübersichtlichen knoten- und schlaufenartigen Verbindungen der italienischen Vorlagen durch organisches Wachstum mit Haupt- und Nebensträngen. Seine Polstergründe sind von einer reicheren Farbpalette bestimmt, während diejenigen der italienischen Handschriften weitgehend auf die Farben Blau, Grün und Rot beschränkt bleiben. Durch diese Variationen in Komposition, Zusammensetzung und Farbigkeit gegenüber den kunsthistorischen Vorlagen erhält Morris’ Handschrift trotz aller Verbundenheit zu Renaissance-Beispielen einen originellen Charakter. Seine Initialen vermitteln in der ausgesuchten harmonischen Farbigkeit und dem Zusammenklang mit Gold und Silber einen sehr kostbaren Eindruck. 545 HRC, MS 2934, fol. 10v : Charakterisierung des Buchschmucks von MS Royal 6 E. ix (Convenevole da Prato, Versadresse an Robert von Anjou, König von Neapel, von der Stadt Prato in der Toskana, »Regia Carmine«, Toskana, um 1335–1340, Pacino di Buonaguida) als »Giotesque«, bei MS Harley 2760 (Vitruv, De Architectura, Frankreich oder Italien, 3. Viertel des 13. Jh.) Anmerkung zur Lokalisierung : »Not Italian – French«. 546 BLO, MS Bodley 915 (Works by Poggio and other humanists, 3. Viertel des 15. Jh., Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1088) ; BL, MS Harley 2471 (Plinius, De viris illustribus, Sextus Rufus, Liber Augustalis, England, 2. oder 3. Viertel des 15. Jh., zugeschr. Thomas Candour) ; Glasgow University Library, MS Hunter 274 (Lactantius, Treatises, um 1450), Abb. in : The Glory of the Page. Medieval and Renaissance Illuminated Manuscripts from the Glasgow University Library, The Art Gallery of Ontario, Toronto 1988, Kat. Nr. 38, S. 91 und Farbabb. 23. 547 Vgl. z. B. S. 215 und 218.
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Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
3.7.3 Die »Oden« des Horaz
In einem verwandten Stil dekoriert ist Morris’ Pergament-Handschrift der Horaz’schen Oden, »Q Horatii Flacci Carminum« (BLO, MS Lat. class. e. 38), die mit den Maßen 168 × 117 mm eine der kleinsten seiner Handschriften bildet. Er selbst besaß mehrere Ausgaben der »Oden«, darunter die mit Holzschnitten ausgestattete Straßburger HorazAusgabe durch Johannes Grieninger von 1498 und die Florentiner Edition mit einem Kommentar von Landini von 1482 sowie eine lateinische Ausgabe von 1844.548 Morris arbeitete, wie ein Brief an Murray vom 26.3.1874 belegt, seit März 1874 an den »Oden« :549 »The odes are short so there is nearly an ornamental letter to every page, which makes it a heavyish piece of work : however I have written about half & done 20 letters«.550 Er erwähnt außerdem seine derzeitigen Vorlieben, italienische Buchmalereien um 1450, die er durch die Skizze einer A-Initiale verdeutlicht, deren Anordnung von sich überkreuzenden, vierfach einrollendenden Ranken der Initiale L auf S. 12 der »Oden« ähnelt. Zugleich merkt er an, dass er »more style in the ornament« erlangt h abe.551 Morris plante die Beendigung der Handschrift für den Sommer 1874, war jedoch noch im September des Jahres damit beschäftigt.552 Im März berichtete er in mehreren Briefen von seiner Arbeit an den Illuminierungen.553
548 WM 1898, Los 707, 605. Zur Straßburger Ausgabe : Morris’ Bibliothekskatalog von ca. 1876, YCBA, fol. 4r, mit der Jahresangabe 1598. Dabei handelt es sich vermutlich um einen Schreibfehler, vgl. zu der abweichenden Datumsangabe : Needham, in : PML 1976, S. 23. Im Bibliothekskatalog von 1890/1891 sind die Horaz-Ausgaben »Quinti Horatii Flacci curae H. H. Milman« von 1853 (WM 1898, Los 441) sowie »Quintus Horatius Flaccus«, Amsterdam 1728, aufgeführt, Bridwell Library, Dallas, fol. 24, Nr. 296, und fol. 39, Nr. 506. Die Ausgabe von 1844 ehem. Sanford and Helen Berger Collection, Berger 1984, Kat. Nr. 118 ; Parry 1996, Kat. Nr. A1, Vermerk vom 21.3.1855. 549 Brief Morris’ an Murray vom 26.3.1874 : Kelvin 1984 I, Nr. 231, S. 219–220 ; Mackail 1995 I, S. 303. Da Morris die »Three Icelandic Sagas«, wie er in dem Brief schreibt, Anfang Februar beendete, könnte er mit den »Oden« auch bereits früher begonnen haben (vgl. Kelvin 1984 I, S. 219), zumal er Ende März schon die Hälfte des »Oden«-Textes geschrieben hatte. Morris scheint sehr eifrig an der Handschrift gearbeitet zu haben, ebd., S. 220. Vgl. a. Eintrag aus George Price Boyces Tagebuch vom 22.3.1874 : »He [William Morris] was doing some letter illumination on vellum to a manuscript of the Odes of Horace«, zit. nach : Surtees 1980, S. 59. 550 Zit. nach : Kelvin 1984 I, S. 219, Abb. auf S. 220. 551 Zit. nach : ebd., Nr. 213, S. 219. 552 Brief Morris’ an Philip Burne-Jones vom 28.9.1874, Kelvin 1984 I, Nr. 249, S. 232 : »I have had rheumatism in my right foot and have been quite lame and pinned to my room where I have done many pretty letters«. Kelvin vermutete allerdings, dass es sich bei der erwähnten Handschrift um die »Aeneis« handelt, ebd., S. 234, Anm. 1. Mackail folgend, begann Morris jedoch erst gegen Ende des Jahres 1874 mit dieser Handschrift, Mackail 1995 I, S. 303. Zur Beendigung der »Oden« im Sommer 1874 : Morris in dem Brief an Murray vom 26.3.1874, Kelvin 1984 I, S. 220. 553 Brief Morris’ an Aglaia Ionides Coronio [5.3.1874], Kelvin 1984 I, Nr. 227, S. 216 ; Brief an Louisa Baldwin
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Unklar ist, für wen die illuminierte »Oden«-Handschrift ausgeführt wurde. Da Morris in dem Brief bereits sein Vorhaben einer illuminierten »Cupid & Psyche«-Handschrift »for the market« vorstellt, könnten die »Oden« bereits vor einem entsprechenden Hintergrund entstanden und die Hinwendung zu antiken Texten und Dekorationsformen der italienischen Renaissance in Hinblick auf ein größeres Publikum erfolgt sein, das der isländischen Literatur und der mittelalterlichen Buchmalerei insgesamt weniger Interesse entgegenbrachte.554 Die Handschrift verblieb in der Dekoration unvollendet : Viele farbige Majuskeln sind nur in Bleistift ausgeführt ; einige der Initialen, besonders in Buch IV, sind, wenn auch detailliert, nur eingezeichnet und nicht koloriert.555 Seitenüberschriften finden sich lediglich bis S. 84, die Seitenzahlen sind ab S. 117 nur in Bleistift eingetragen und ab S. 148 fehlen mit wenigen Ausnahmen (S. 163, 174) die farbigen Kapitalbuchstaben. Für die »Oden«-Handschrift griff Morris wieder auf die Mitarbeit von Burne-Jones und Murray zurück. May Morris berichtet, dass the page-border beginning Book II is entirely by my father’s hand and specially interesting ; it is quite finished and he has painted the heads with his own hand. I am inclined to think that the heads are entirely his own, partly from the look of them. Also, I have the Burne-Jones drawings for the three other pages, but not this ; and Mr. S. C. Cockerell sends me the following extracts from the beginning of a catalogue of my father’s library which he wrote out calligraphically about 1890 : »the Leaves of an Odes of Horace written and ornamented by myself : but there are some heads in the ornament designed by Burne-Jones and some of these are painted by C. F. Murray : I did those in the ornament of book 2.«556
Murray war einige Zeit später, Anfang Juli 1877, mit den »Oden« beschäftigt, wie seine Diary-Einträge dieses Jahres zeigen. Während seines Aufenthaltes in London Ende Juni dinierte er bei Morris und »looked at leaves of Horace for illumination«.557 Er arbeitete nach seiner Rückkehr nach Pisa vom 4.–7. Juli 1877 an der Illuminierung nach den Entwürfen Burne-Jones’.558
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vom 26.3.1874 : »staying at home all day & working very hard at my illumination now my chief joy«, ebd., Nr. 230, S. 218. Kelvin 1984 I, Nr. 231, S. 219–220. Die Initialen auf S. 155, 156, 165, 167, 172, 177, 181 in Tinte mit reichem Rankenwerk detailliert eingezeichnet, auf S. 151 vorbereitet mit Bolus und Goldgrund, auf S. 163, 169, 173 goldenes Initialquadrat angelegt, auf S. 160 nur Stellung des Initialquadrats in Bleistift vermerkt. Zit. nach : May Morris, in : CW XI, S. xxvii-xxviii ; vgl. Bibliothekskatalog von ca. 1890, Kall., S. 3. Vgl. auch Burne-Jones’ Eintrag in seinem »Notebook« von 1861–1882, fol. 41v, 20.9.1872 : »Vergil and Horace 10,-,-«. Eintrag vom 25.6.1877, Murrays Diary für 1877, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 29. Murrays Diary für 1877, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 29, Einträge zum 4.–7.7.1877, Eintrag zum 4.7.1877 (»miniatures from Mr. [Burne-]Jones’s designs«). Er beendete seine Arbeit am 7.7.1877, ebd. (»miniature for
Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
Der Text der »Oden« ist in lateinisch in schwarzer Tinte mit einem Krähenfederkiel geschrieben.559 Seitenüberschriften und -zahlen sind dagegen wie auch das über die Seitenränder hinaus gezogene Seitengerüst in rotbrauner Tinte ausgeführt. Die Überschriften im oberen Seitenrand tragen jeweils auf der Versoseite den Autorennamen »Q. Horatii Flacci«, auf der Rectoseite die Bezeichnung »Carminum liber« mit der entsprechenden römischen Ziffer. Sie sind in derselben Schrift wie der Text, jedoch etwas größer geschrieben. Die Gedichte werden durch Zeilen mit dem Eintrag »Carmen« mit römischer Ziffer und Titel in roter Tinte voneinander getrennt. Morris schrieb den Text in einer kleinen, etwas spitzen, dichten Kursive, die der Schrift der »Icelandic Sagas« zwar ähnelt, aber durch den Verzicht auf exzentrische Majuskeln zugunsten römischer Kapitalbuchstaben klarer und ruhiger wirkt.560 Die Buchstaben l, d, b besitzen hohe Oberlängen, während das t kurzstämmig gebildet ist. Die Serifen sind ausgeprägt und diagonal angelegt. Wie bei den »Icelandic Sagas« läuft der Schaft des f, dem allerdings die Unterlänge fehlt, in immer komplizierter werdende, dynamische Schnörkel aus, die schlaufenartig das f mit den vorangehenden oder folgenden Buchstaben verbinden können. Bei dieser Schrift wurden Einflüsse durch Arbeiten italienischer Schreiber des späten 15. Jahrhunderts vermutet.561 Jede Ode wird von einer dreizeiligen Initiale eingeleitet, auf die der Wortrest in Kapitalbuchstaben folgt. Im Laufe des Textes werden einige Initialen, besonders solche mit dem Buchstaben E, auch vierzeilig gestaltet. Die Buchstaben des Wortrests können in zwei alternierenden Farben oder im Wechsel von Gold- und Silberbuchstaben bzw. Gelbund Rotgold ausgeführt sein, wobei einigen zierliche, stilisierte Blatt- und Blütenranken hinterlegt sind (ab S. 84). Farbige, silberne oder goldene Kapitalbuchstaben markieren die Zeilenanfänge und heben Eigennamen hervor. Die Farbigkeit von Blau, Rot und Grün wiederholt sich in der Gestaltung der Initialfelder und Seitenranddekorationen. Die Buchstaben können ebenfalls mit schräg gestellten oder sich einrollenden Blatt- und Blütenzweigen (zuerst auf S. 8) oder mit Fleuronnée (zuerst auf S. 22) verziert sein. Dabei sind sie in der Farbgebung je Doppelseite aufeinander abgestimmt. Deswegen kann sich page of Horace for Mr Morris finished 7th«) und Eintrag unter »cash account« mit dem Datum 4. Juli. Unklar bleibt angesichts dieser späten Arbeit an den »Oden«, worauf sich zwei frühere Einträge Murrays zu Miniaturen für Morris von 1874 und 1875 beziehen : »left miniatures with him«, Murrays Diary für 1874, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 27 (Eintrag zum 19.8.1874 in Zusammenhang mit einem Besuch bei Morris) sowie der Vermerk zum Eingang eines Schecks von Morris »on acct of miniatures«, Murrays Diary für 1875, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 28, Memorandum, Eintrag zum 9.1.1875 : »£15 cheque on acct of miniatures / painted one for £5 / therefore in debt £10 / Winter of 1876 painted 7 miniatures«. 559 May Morris, in : CW XI, S. xxvii. 560 Zur Schrift : Dunlap 1972/1976, S. 280–281 ; Dunlap 1975, S. 153 ; Dunlap 1976, S. 65 ; Whitla 2001, S. 52, 89 : Morris’ vierte Kursivschrift, eine kleine regelmäßige Schrift mit diagonaler Verbindung einzelner Buchstaben. 561 Thompson 1993, S. 153. Hewitt verglich die Schrift mit derjenigen in einem Psalter aus der Sammlung von St. John Hornby, Hewitt 1934, S. 7.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
bei einem Seitenwechsel auch die Farbigkeit innerhalb einer Ode ändern. Die Initialen dienen somit nicht dazu, den Text einer Ode als Einheit zu betonen, sondern sollen vielmehr die harmonische Wirkung des aufgeschlagenen Buches gewährleisten. Jedes der vier Bücher der »Oden« sollte von einer fünfzeiligen Initiale und der ersten Textzeile in Kapitalis eingeleitet werden. Als zusätzlicher Schmuck und Trennungselement zwischen den einzelnen Büchern waren prächtige ornamentale Seitenrahmen mit figürlichen Feldern vorgesehen. Allerdings wurde nur die Dekoration für den Beginn des zweiten Buches (S. 54 ; Umschlagvorderseite) vollendet. Bei den übrigen drei ist zwar der Figurenschmuck ausgeführt, doch fehlt die Kolorierung der floralen Ornamente von Buch III und IV, der Akanthusrahmen zu Buch I sowie die farbige Ausführung einiger Initialen und Kapitalien. Morris scheint somit, nachdem er die Seiten von Murray zurückerhalten hatte, die Arbeit an den einleitenden Seiten der Bücher nicht fortgesetzt zu haben. Das charakteristische Ornamentmotiv dieser Handschrift sind farbige Akanthusblätter, die die Initialen am Anfang der Gedichte und die Rahmen zu den vier Büchern schmücken. Für Morris bildete das Akanthusblatt eines der ältesten, beständigsten wie auch vielseitigsten Ornamente.562 Der Verweis auf die Entstehungszeit des Textes wird nicht nur in der Wahl des Ornamentmotives, sondern auch in den Rahmenfeldern vorgenommen, die Faune sowie die Köpfe von Nymphen, Frauen, Königen und Kriegern mit antikisierenden Frisuren und Kleidungsdetails zeigen. Der Textbezug bleibt bei diesen figürlichen Motiven allerdings eher vage.563 Morris’ Wahl von Schrift, Ornament und Büstenfeldern zeigt einen bewussten Anschluss an Handschriften mit antiker Dichtung der italienischen Renaissance.564 Dieses 562 Morris, The History of Pattern-Designing. A lecture delivered in Support of the society for the protection of ancient buildings, 1882, CW XXII, S. 206–234, hier S. 220. 563 Zu Buch I mit König, Krieger, bekränzten Frauen und Satyrn : »Maecenas, Sproß uralten Königstamms«, »Lagerleben und Krieg«, »junges Weib«, »Efeu, der Preis kundiger Dichterstirn«, »Satyrreigen und leichtfüßiger Nymphen Tanz«, Euterpe, Polyhymnia (zit. nach : Horaz, Werke in einem Band, Übersetzung vom Manfred Simon, Berlin & Weimar 1990, S. 3–4) ; Buch II mit bekränztem Mann, Frauen, Krieger : Konsul Metelus, Fortuna, »Muse des ernsten Spiels«, »Held im ew’gen Ruhm«, Juno, Dione (ebd., S. 36–37) ; Buch III mit Musikantinnen : »Priester der Musen« (ebd., S. 57) ; Buch IV mit Nymphen oder langhaarigen Frauen : »Späte Liebe«, Venus (ebd., S. 93). 564 Als Anregung für die Einfügung von Feldern mit Büsten in die floralen Seitenrahmen lassen sich ebenfalls italienische Handschriften aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts anführen, in denen sich sowohl Büsten von Figuren in zeitgenössischer Kleidung als auch in antikisierendem Gewand finden, wobei sich Letztere oft an Münz- oder Gemmenbildnisse anlehnen. Vgl. z. B. BLO, MSS Digby 231 (Cicero, Orationes, illuminiert von Francesco d’Antonio del Chierico, Florenz, ca. 1460–1465), Auct. F. 6. 28 (Q. Curtius Rufus, Historia Alexandri Magni, Florenz, 1430–1440, und Neapel, Ende des 15. Jh.s), Canon. Liturg. 242 (Stundenbuch, Venedig oder Padua, Ende des 15. Jh.s), Buchanan e. 15 (Lucius Fenestella, De magistratibus Romanorum, Vendig, 1470/1480, ehem. Sammlung William Morris, WM 1898, Los 297), Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 289, 226 und 372, 575, 558. Gallant vermutet eher englische Handschriften des 15. Jhs. als Anregung wie die Bedford Psalter and Hours (BL MS Add. 42131, London, ca. 1414–1422) oder Arbeiten der Scheere-Werkstatt, Gallant 1988, S. 79. Vielleicht wurde Morris auch durch das Bedford Stundenbuch, BL,
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ist durch Erwägungen zur Angemessenheit und harmonischen Entsprechung von Text, Dekoration, Stilwahl begründet. Der Rückgriff auf diese Vorbilder wurde jedoch vielfach dahingehend kritisiert, dass Morris’ zunehmende Kenntnisse in der Geschichte der Buchmalerei seine Eigenständigkeit beeinträchtigt hätten.565 Auch Graily Hewitt konstatierte, obwohl er auch bei dieser Handschrift Morris’ Originalität lobte : »The Horace seems the most imitative of Renaissance style of all his MSS.«566 Zwar bezieht sich Morris in den Handschriften von 1873 bis 1875 enger als vorher auf historische Buchmalereien, doch kombiniert er stets verschiedene stilistische Elemente harmonisch und stimmig miteinander und erreicht eine große farbliche Delikatesse. Seine Originalität ist nun in der Variation der Vorbilder zu suchen.567 Mit Ausnahme der Felder zum zweiten Buch (S. 54 ; Umschlagvorderseite), die von Morris entworfen und ausgeführt wurden, fertigte Charles Fairfax Murray Figuren und Köpfe nach Entwürfen von Burne-Jones aus.568 May Morris äußerte, dass Morris’ »medallion heads are greyish and low in tone and admirably in keeping with their frame, though they have not the shell-like transparency and lightness of Mr. Murray’s work on the other three pages, and Father was doubtless not satisfied with them.«569 Die Figuren leiten in ihrer Ausrichtung den Blick des Lesers über die Seite und stellen eine Verbindung zur vorangehenden wie folgenden Seite des Buches her. Der Rahmen zum ersten Buch ist im Unterschied zu den drei folgenden Buchanfängen nicht nur mit vier quadratischen Eckfeldern, sondern zusätzlich mit vier rhombenförmigen Feldern auf Höhe der jeweiligen Randmitte ausgezeichnet. Auf blauem Hintergrund zeigen die Eckfelder die Köpfe eines jugendlichen Kriegers, eines Königs und bekränzter Frauen, während die anderen Felder Ganzfiguren von sitzenden, flöteblasenden knabenhaften Faunen tragen. Scheint der Kopf des Kriegers (oben links) demjenigen des Perseus in Burne-Jones’ Entwürfen für den heute in der Staatsgalerie Stuttgart aufbewahrten Bildzyklus verwandt, so erinnert der Frauenkopf (unten rechts) in der turbanartigen Haarfrisur an Vorbilder vom Anfang des 15. Jahrhunderts.570 Der Profilkopf des Königs
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Add. MS 18850 angeregt. Hier werden Eckmedaillons von schmalen Ranken mit Akanthusblättern eingefasst (z. B. fol. 19r, 65r, 70v). Entsprechendes findet sich auch in einem anderen Stundenbuch des Bedford Meisters, BLO, MS Douce 144, fol. 63r. Thompson 1993, S. 151. Hewitt 1934, S. 7–8. Diese Auffassung auch bei Gallant 1988, S. 64. May Morris, in : CW XI, S. xxvii. Ebd., S. xxviii. Vgl. den Kriegerkopf mit demjenigen des Perseus in Burne-Jones’ »The Finding of Medusa«, seit ca. 1876, Staatsgalerie Stuttgart ; Studien des Perseus im Harnisch, FMC und BMAG, Löcher 1973, Abb. 56, 64–65, Kat. Nr. 4t, 4u. Wenn Murray 1877 an den »Oden« arbeitete, konnte er auf Entwürfe zu diesem 1875 begonnenen Zyklus zurückgreifen. Zur turbanartigen Frisur vgl. Pisanello, Der hl. Georg und die Prinzessin Silena, 1434–1438, Sant’Anastasia, Verona.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
(oben rechts) wiederum scheint auf griechische Vasenmalereien oder Reliefs zurückzugehen und ähnelt demjenigen des Neptun in Burne-Jones’ Entwürfen für Miniaturen zu Morris’ »Aeneis«-Handschrift.571 Es hat sich eine Bleistiftskizze für einen Seitenrahmen aus Doppelleisten erhalten, der durch die Feldeinteilung dem Seitenaufbau zu Buch I entspricht (CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Y7/EWL Y7 ; Abb. 47). Die Leisten überschneiden sich, bilden Felder in den Ecken und den Mitten der Seiten aus, wo sie Verschlingungen formen, von denen Akanthusranken ausgehen sollten. Die rhombenförmigen Felder werden von einem quadratischen Feld hinterlegt. Morris erprobte im unteren Seitenrand geometrische Muster für die Zwickelfelder aus Blatt- oder Strahlenornamenten. Die besonAbb. 47 William Morris, Rahmenentwurf für die ders im unteren rechten Rahmenteil dynamisch »Oden«, 1874, Cheltenham Art Gallery & Museum, eingetragenen Linien zeigen, dass Morris, wie Inv.-Nr. 1991.1016.996.Y7/EWL Y7. Photo © The im Rahmen für das zweite Buch, plante, diese Cheltenham Trust and Cheltenham Borough Council. Leisten mit Akanthusblättern zu umwinden. Der Gold eingefasste Rahmen zum zweiten Buch (S. 54 ; Umschlagvorderseite) wird von einem Gerüst aus Goldstäben mit Quadratfeldern in den Ecken gegliedert. Um diese Stäbe winden sich grün-blaue Akanthusblätter mit Goldknospen spiralig vor einem blau-schwarzen Polstergrund, der mit weißen stilisierten Blütenranken überzogen ist. Die Eckfelder enthalten die Köpfe zweier junger Frauen, eines Kriegers und eines bekränzten Mannes vor einem dunkelroten Hintergrund, der sich an dem sogenannten »Pompejanischen Rot« zu orientieren scheint. Der deckende Auftrag der mit Weiß abgemischten Farbe, die schwarze Konturierung und die lineare Binnenzeichnung, die besonders in der Gestaltung der Nase und der Augen auffällt, unterscheiden Morris’ Arbeit deutlich von den durch einen feinen, nuancierten und getupften Farbauftrag bestimmten Malereien Murrays. Durch das leichte Durchscheinen des weißen Pergaments erhalten dessen Miniaturmalereien stets eine gewisse Leichtigkeit und Feinheit. Durch den punktartigen Farbauftrag entsteht eine leicht vibrierende Oberfläche, die die Motive lebendig wirken lässt. Der Text beginnt mit einer fünfzeiligen Silberinitiale auf goldgepunktetem Grund, die von Goldranken mit hellblau-weißen Blüten umwunden wird und an den Typus der ita571 Vgl. Entwurf Burne-Jones’ für die »Aeneis«, FMC, Inv.-Nr. 1183–17.
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lienischen Weißrankeninitiale angelehnt ist. Initialmajuskel und Ranke sind mit einem punzierten Muster verziert. Auf das Initialquadrat folgen die ersten Worte des Gedichts in Gold- und Silber bzw. Gelb- und Rotgoldkapitalien, die sich je Zeile abwechseln, während die Majuskeln des Fließtextes in Gold gehalten sind. Zum dritten Buch (S. 88) sind die floralen Rahmenmotive aus dichten, volutenartig sich einrollenden Akanthusblättern mit knollenartigen Blüten nur in Sepia konturiert. Sie bilden in den Mitten der Seitenränder jeweils kreisförmige Freiflächen aus, in die die Köpfe flötespielender blonder Frauen eingetragen sind. Dabei fällt der Kopf im linken Seitenrand durch seinen reichen Kopfputz aus weißen und blauen Perlen auf. Nur die fast frontal dargestellte Frau des gegenüberliegenden Medaillons ist ohne Instrument gezeigt. Auf der ersten Seite des vierten Buches (S. 149) sind in dichter Anordnung große, lange, sich eng einrollende, von knollen- und tulpenartigen Blüten begleitete Akanthusblätter, die sich jeweils in der Mitte der Seitenränder treffen und miteinander verschlingen, nur leicht in Bleistift skizziert, während die figürlichen Dekorationen in den Seitenecken farbig ausgeführt sind.572 Dort finden sich die Büsten nackter Frauen mit langen blonden Haaren, die sie mit den Händen ordnen. Nur die Frau in der oberen rechten Ecke blickt in einen Spiegel. Diese mit der Schönheitspflege beschäftigten Frauen begleiten ein Gedicht, das u. a. der Venus gewidmet ist. Ihre teilweise ausgreifende Gestik sprengt die Medaillons und reicht in die florale Ornamentik hinein. Sie erinnern durch ihre erhobenen Arme, den nackten Oberkörper und die langen Haare an Burne-Jones’ Darstellungen von Seejungfrauen der 1870er Jahre. Diese wiederum scheinen sich an das Motiv einer Nixe, die in einen Rundspiegel blickt und ihre Haare kämmt, in mittelalterlichen Buchmalereien anzulehnen.573 Eine aussortierte Seite der »Oden« in Cheltenham trägt den Textbeginn des vierten Buches umgeben von einem Rahmen, der im Verlauf der Akanthusranken und der Anordnung der Freiflächen auf Höhe der Seitenmitten demjenigen des dritten Buches ähnelt.574 Ein Vergleich der beiden Rahmenzeichnungen ergibt, dass Morris in der Handschrift auf die engen Einrollungen der Blätter zuguns572 Für diesen Akanthusrahmen haben sich in Tinte konturierte Entwürfe erhalten : WMGW, Inv.-Nr. J 578, »Rejected leaves …«, insg. drei beschriebene Blätter der »Oden«, Pergament, ca. 168 × 118 mm, Geschenk von Jane Morris an S. C. Cockerell, 29.1.1899 (siehe den handschriftlichen Vermerk auf dem Vorsatzblatt) ; SCC 1956, Los 94a ; Fine Print 1976, S. 23–24 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 487. Eine Durchzeichnung auf transparentem Papier ist ebenfalls beigefügt, mit deren Hilfe vermutlich der Rahmenentwurf der aussortierten Walthamstower Seite auf die neue Seite in der Oxforder Handschrift übertragen wurde. Morris hatte die Textseite eventuell aus kalligraphischen Erwägungen heraus aussortiert. Ein entsprechender Entwurf in der PML, MA 4011 (Tinte über Bleistift, 215 × 140 mm, SCC 1956, Los 93 ; Abbey-Auktion, Sotheby’s, London, 1.12.1970, pt. VII, Los 2902 ; Sammlung Norman H. Strouse ; Morris & Co. 1975, Kat. Nr. 154). 573 BLO, MS Douce 62, fol. 51r ; BL, MS Royal 2 B. vii, fol. 96v ; BL, MS Add. 42130, fol. 70v. 574 CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Y7/EWL Y7, Rosenbaum/Pearson 1993, S. 487. Bl. 1 : Buch IV, Gesang 1 ; Bl. 2 : Buch IV, Gesang 15 ; Bl. 3 : Buch IV, Gesang 11–12. Morris trug in dem Cheltenhamer Blatt einen Doppelstab ein, der allerdings von den Blättern verdeckt wird. Es bleibt offen, ob er zunächst noch für
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
ten eines sanfteren Schwungs verzichtet und die Medaillons von der Leistenmitte in die Seitenecken verschiebt. In der Handschrift finden sich insgesamt 97 Initialen (Abb. 48), davon 86 farbige und 11 unvollendete, in Sepia und schwarzer Tinte konturierte. Die dreizeiligen Initialen am Anfang der Gedichte bilden den Ausgangspunkt für florales Ornament, das weit und üppig in die Seitenränder hineinreicht. Auf einem leicht zu den Seitenmitten eingezogenen Quadratgrund steht ein Buchstabe in römischer Kapitalis. Zum Ende der Handschrift werden die quadratischen Gründe, die einfarbig oder als mehrfarbiger Polstergrund gestaltet sein können und mit Goldpunkten oder mit hellen Punktrosetten an Ranken ornamentiert sind, etwas größer und besitzen nahezu gerade Seiten.575 Von der unteren oder seltener oberen Seite der Quadrate ausgehend, wachsen bunte Ranken vom Formentypus der Weißranke in Abb. 48 William Morris, The Odes of Horace/Q komplizierten Verschlingungen und KnotenHoratii Flacci Carminum, 1874, Bodleian Library Oxford, MS Lat. class. e. 38, S. 18. Photo Bodleian bildungen, mit Phantasieblüten und KnollenLibraries, The University of Oxford. blättern besetzt, frei, d. h. ohne Hinterfangung durch den Initialgrund wie in den »Three Icelandic Sagas«, in die Seitenränder hinein. Die Ranken werden durch Gold- und Silberpollen, die auch eingeprägte Muster und feinen Linienbesatz aufweisen können und an zumeist sepiafarbenen Linien ansetzen, sowie durch naturalistische Blüten und Blattzweige ergänzt. Die floralen Ornamente der Seitenränder sind reicher und üppiger als in den »Sagas« komponiert. Sie sind fein schattiert und mit Weiß abgemischt. Neben den farbigen Polstergründen verwendete Morris oft auch Gold- oder Silberquadrate, die, werden sie noch mit goldenem oder silbernem Rankenwerk gefüllt oder mit eingeprägten Mustern ornamentiert, in Kombination mit einem goldenen oder silbernen Kapitalbuchstaben einen besonders prächtigen Eindruck vermitteln. Diese Initialen dekorierte er gerne mit schmalem purpurfarbenem oder blauem Linienornament, das stabartig das das vierte Buch eine Gliederung durch Stäbe und gerahmte Felder vorsah oder ob ihm die Stäbe lediglich als Orientierungsachse für das Akanthusornament dienten. 575 Die größeren Initialfelder umfassen drei und eine halbe oder vier Zeilen und beinhalten in der Regel schlanke Buchstaben wie E, I, N, siehe z. B. S. 47, 50, 67, 73, 75.
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Quadrat begleitet. Solche Fleuronnée-Stäbe können aber auch mit farbigen Initialfeldern kombiniert werden. Die Initialen ähneln im Rankentypus und den knotenhaften Verschlingungen italienischen Vorbildern aus der Zeit um 1440–1480, auf die sich Morris schon für die »Sagas« bezog. In diesen Handschriften fand Morris die Kombination von Weißranken, ornamentierten Polstergründen und Goldpollen vor (Abb. 45).576 Einzelne Dekorationsformen wie die Ornamentleiste, die das Initialquadrat auf S. 110 begleitet, gehen wohl ebenfalls auf Handschriften dieser Jahre zurück.577 Das ist auch für die üppigen, länglichen Blätter der Initiale auf S. 32 zu vermuten, in die Morris Akeleiblüten einfügte.578 Er verbindet in den »Oden« die stilisierten floralen Formen vom Typus der Weißranke mit naturalistischen Motiven, wozu neben den Akeleiblüten, Rosen (S. 143), Lilien (S. 165) oder Mohn (S. 64) auch Goldähren (S. 97, 136, 137) und Goldbeeren (S. 70, 110) zählen.579 Die blattartigen Knospen und die Doldenblüten mit spitzer Mitte und schlanken ausgezahnten, oftmals gerüschten Blättern, wie sie die italienischen Weißrankeninitialen und diejenigen der »Three Icelandic Sagas« bestimmen, werden zugunsten Morris’ eigener bunter Phantasieblüten zurückgestellt, die auch mohnblüten-, päonien- und artischockenähnliche Motive oder perlenartige Dolden umfassen können. Sie werden gerne von kleineren tulpen- oder lilienförmigen Blüten begleitet. Eine weitere Änderung betrifft die zunehmende Farbigkeit der »Weißranken«. Die Kombination naturalistisch wiedergegebener Pflanzen mit Akanthus, Phantasie blüten und Goldpollen erinnert an Bordüren französischer und englischer Handschriften aus dem 15. Jahrhundert.580 Auch die stilisierten Kornblumen und Winden an 576 Vgl. z. B. BL, MS Harley 3293 (Polybii Historiorium libri 5) ; BLO, MS D’Orville 83 (Cicero, De natura deorum, Florenz, um 1450–1460, Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 273). Vgl. Thompson 1993, S. 151. Beispiele für Weißranken-Initialquadrate mit frei in den Seitenrand hineinreichenden Blüten : BLO, MS Canon. Class. Lat. 207 (Cicero, De inventione rhetorica, Bologna, Mitte 15. Jh.), Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 661. Gallant 1988, S. 64, 63, nennt als mögliche Vorbilder die bei Shaw/Madden 1830–1833, Taf. XVII abgebildeten Handschriften BL, MSS Harley 3109 und 4902 sowie weitere italienische Handschriften des 15. Jh.s in der British Library wie MSS Harley 5285 und Add. 14782. 577 Vgl. z. B. mit einer Plato-Handschrift aus der Sammlung Ferdinands I. von Aragon, BL, MS Harley 3481 (vgl. Notiz in Morris’ Skizzenbuch, HRC, MS 2934, fol. 13v) ; hl. Hieronymus, Psalter und Gebete, geschrieben von Joachinus de Gigantibus von Rotenberg für Papst Sixtus IV., Italien 1481, ehem. Sammlung S. C. Cockerell, Abb. in : Johnston 1987, Taf. XIX, S. 416–417. 578 Vgl. BLO, MS Canon. Class. Lat. 300 (Livius, 3. Dekade, Toskana, 1420–1430), Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 217. 579 Zur Kombination von Weißranken, die auf das Initialquadrat beschränkt bleiben, und frei in den Seitenrand hineinwachsenden naturalistischen und stilisierten pflanzlichen Motiven : Bologneser Handschriften aus der Mitte des 15. Jh.s, BLO, MSS E. D. Clarke 24, Canon. Class. Lat. 207, Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 660, 661. Gallant führte die naturalistische Wiedergabe der Pflanzen auf Anregungen durch HerbarienIllustrationen, etwa von John Gerard, sowie Darstellungen in den Seitenrändern niederländischer Stundenbücher, etwa demjenigen der Maria von Burgund (ÖNB, Cod. 1857) zurück, Gallant 1988, S. 78. 580 Vgl. z. B. BL, MSS Add. 27697 (Stundenbuch der Amadée de Saluces, Savoyen, 3. Viertel des 15. Jh.s),
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schlaufenartig gewundenen Ranken von bandartiger Qualität könnten auf diese Vorbilder zurückgehen (S. 34, 40, 46), wie sie sich in etwas anderer Form auch in »A Book of Verse« finden.581 In dichterer, bunterer und oftmals reicherer Zusammenstellung lassen sich ähnliche Dekorationselemente auch in norditalienischen Handschriften des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts nachweisen.582 Einen besonderen Einfluss mögen englische Handschriften des 15. Jahrhunderts gebildet haben, in denen italienische Anregungen verarbeitet wurden, wie diejenigen Thomas Candours, die Weißrankeninitialen mit üppigen, tief in die Seitenränder reichenden Ranken mit Besatz aus Phantasieblüten und Goldpollen vereinigen.583 Einige englische Handschriften in der Bodleian Library aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts wiederum sind durch den üppigen Schmuck von Goldpollen und Akanthusblättern bestimmt.584
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Add. 18850 (Stundenbuch des John, Duke of Bedford, Paris, 1423–1430), Add. 42131 (Psalter and Hours des John, Duke of Bedford, London, ca. 1414-ca. 1422), Egerton 2019 (Stundenbuch, Paris, Mitte 15. Jh.), Add. 30899 (Stundenbuch, Paris, frühes 15. Jh.), Add. 18192 (Stundenbuch, Paris, um 1436), Add. 31835 (Stundenbuch, Amiens, 1430–1440), Harley 4431 (Christine de Pisan, Werke, Paris, 1410) ; BLO, MS Digby 227 (Abingdon Missale, England, 1461, Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1065). Hier findet sich auch der sich um einen Stab windende Akanthus als Motiv der Rahmenleisten. Morris kannte von diesen Handschriften wenigstens die »Bedford Hours«, die er, allerdings erst 1894 in seinem Aufsatz »Some Notes on the Illuminated Books of the Middle Ages« erwähnte. Er führte sie in seinen Randnotizen, neben dem Stundenbuch des Duc de Berry (Grandes und Petites Heures des Duc de Berry, BNP, MSS. Lat. 919, 18014) als Beispiel für gelungene Buchmalereien aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an und bezeichnete sie als »exceedingly splendid«, zit. nach : Morris 1982, S. 121, Anm. 7. S. a. Jones 1995, Taf. LXXII, Abb. 10, 12, 15, Taf. LXXIII, Abb. 2. Auch Gallant verwies auf BL, MS Add. 18850 als mögliches Vorbild neben einem französischen Gebetbuch des 15. Jh.s, BL, MS Harley 2952, Gallant 1988, S. 63. Die schlaufenartigen Verknotungen der Ranken erinnern an Ornamentmotive in einem englischen Karmeliter-Missale von ca. 1393, BL, MSS Add. 29704, 29705, 44892. Vgl. z. B. BL, MS Add. 22569 (Stundenbuch, Verona, frühes 15. Jh.) ; BLO, MS Canon. Class. Lat. 4 (Ovid, Heroides, vermutlich Veneto, 15. Jh.), Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 481. Zur Kombination von bunten Akanthusblättern und Goldpollen vgl. BLO, MSS Canon. Class. Lat. 252 (Cicero, De officiis, de oratore, Bologna, Mitte des 14. Jh.s), Canon. Misc. 58 (Boccaccio, De mulieribus claris, Bologna, Ende des 14. Jh.s), Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 126, 131 ; BL, MS Add. 18198 (Graduale, Florenz, 14. Jh.). Vgl. BL, MS Harley 2471 (Plinius-Handschrift, 3. Viertel des 15. Jh.s) ; Glasgow University Library, MS Hunter 274 (Lactantius, De ira Dei, De opificio Dei, Mitte des 15. Jh.s). BLO, MSS Fairfax 4 (Roger of Waltham, Compendium Morale, 3. Viertel des 15. Jh.s), Arch. Selden. B. 10 (John Herding, Chronicle, ca. 1470–1480), Rawl. liturg. f. 2 (Stundenbuch der Rous Familie, Norfolk, spätes 15. Jh.), Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1098, 1117, 1112. Beispiele für Dekorationen mit Akanthus und Goldpollen auch in Chaucer-Handschriften der BL, MSS Harley 1758 (The Canterbury Tales, England, 2. oder 3. Viertel des 15. Jh.s) und Lansdowne 851 (Canterbury Tales, ev. London, um 1410, zugeschr. Herman Scheere) oder dem Karmeliter-Missale, BL, MSS Add. 29704–29705. Vgl. a. BL, MS Cotton Vesp. B. xxi (Admirality Ordonances, 1413–1415) mit reichen Akanthusrahmen und -initialen, die mit löffelartigen Blättern und Goldpollen kombiniert werden. Für englische Initial- und Rahmengestaltungen siehe auch ein um 1450 datiertes Musterbuch, BL, MS Sloane 1448A, vgl. Robert W. Scheller, Exemplum. Model-Book Drawings and the Practice of Artistic Transmission in the Middle Ages (ca. 900 – ca. 1470), Amsterdam 1996, Kat. Nr. 23, S. 250–255.
Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
Das besondere Merkmal der »Oden«-Initialen bildet gegenüber den früheren, auf den gleichen Vorbildern basierenden Dekorationen der »Three Icelandic Sagas« die reiche Verwendung von mehrfarbigen Akanthusblättern. Diese können, den Initialbuchstaben umwindend und hinterfangend, in das Initialquadrat eingestellt oder als Teil des floralen Ornaments in die Seitenränder eingefügt sein, wo sie mit Rankenwerk, Goldpollen und Phantasieblüten kombiniert werden bzw. sich auch um einen farbigen Stab winden können. Morris verwendete Akanthusblätter zwar bereits in früheren Handschriften wie den »Dwellers II«, doch erscheinen sie dort noch nicht als bestimmendes Ornamentmotiv. Akanthusblätter prägen auch die etwas späteren Entwürfe des Künstlers : Seine Tapete »Acanthus« von 1875 (Abb. 49) zeigt senkrecht angeordnete, sich volutenartig einrollende Abb. 49 William Morris, Tapete »Acanthus«, 1875, Victoria and Albert Museum, London, Inv.-Nr. Circ. Akanthusblätter, wobei sich diese wie bei dem 281–1959 (Geschenk von Walter Taylor Esq.). © Rahmen auf S. 54 vor einem Ornament aus hel- Victoria and Albert Museum, London. len zierlichen Ranken mit schmalen Blättern und kleinen Punktblüten auf dunklem Grund befinden.585 Im Unterschied zum Tapetenentwurf ist der Akanthus in den Rahmenleisten der »Oden« nur in einer Lage aufgelegt, wobei sich aber die Blätter in komplizierteren Verschlingungen, z. T. schlaufenartig vor- und zurückwinden. In der Tapete dagegen steigen die Blätter der vorderen Lage in sehr regelmäßigem Schwung und Gegenschwung auf, während die hinteren Blätter weniger gewundenen seitlich vom Stamm wegstreben. Die kompliziert anmutende Wirkung entsteht in der Tapete erst durch das Übereinanderlegen, wobei die Regelmäßigkeit des Rapports die Blätter gliedert. Morris entwarf außerdem einen bedruckten Baumwollvelvet »Acanthus«, der am 25.4.1876 registriert wurde.586 Dessen Akanthusmotiv ähnelt in dem zu einer Mittelachse symmetrischen Aufbau mit ein- und ausschwingenden Blättern, die von zierlichen Blattranken mit rosetten- und lilienartigen Blüten hinterlegt werden, den Akanthus-Kachelfeldern, die William de Morgan ca. 1876 für »Morris & Co.« ausführte.587 Akanthusblätter prägen 585 Clark 1974, S. 14, Nr. 18. 586 Parry 1987, S. 149, Nr. 15. Siehe auch die großen Blätter in dem Seide-Wollgewebe »Anemone« (registriert : 8.2.1876), ebd., Nr. 13. 587 Solche Kachelfelder entstanden ca. 1876–1880 im Auftrag des Architekten George Devey für das Bade-
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
auch Morris’ Tapisserien, deren erste, »Acanthus and Vine«, von ihm 1879 entworfen und gewebt wurde (SoA).588 Auch in späteren Tapisserien wie der »Forest Tapestry« von 1887, der »Woodpecker Tapestry« und »Pomona«, beide 1884/1885, wird das Akanthusmotiv aufgegriffen.589 Day verwies auf Parallelen zwischen den schwungvollen Akanthusmotiven der Tapete »Batchelor’s Button« von 1892 mit Malereien in Sienesischen Chorbüchern.590 Das Motiv der sich um Stäbe windenden Akanthusblätter, das Morris in den Rahmenleisten zu Buch II und in einzelnen Initialen der »Oden«-Handschrift verwendet, wiederholt sich in den Malereien auf den Deckenbalken der Oxford Union Debating Hall von 1875, die Morris’ frühere Dekorationen von 1857 mit Groteskenmotiven ersetzen.591 Der Künstler übernahm das Motiv des sich um einen Stab oder Ast windenden zweifarbigen Akanthus wohl aus den Rand-, Rahmen- und Initialdekorationen von Handschriften des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts.592 Diese Art der Dekoration schmückt etwa das berühmte Stundenbuch des René von Anjou (BL, MS Egerton 1070), die »Chevalier Hours« (BL, MS Add. 16997, Paris, um 1420), das Beaufort Stundenbuch (BL, MS Royal 2 A. xviii, England oder Flandern, eventuell nach 1401) und den Psalter der Isabella von York (BL, MS Royal 2 B. xiv, vermutlich London, zwischen ca. 1426 und 1458).593 Sie findet sich auch in der englischen Handschrift von Marco Polos »Li Livres du Graunt Caam« von ca. 1400, die mit einer französischen (ca. 1338–1344) und englischen Fassung (um 1400) des Alexander-Romans zusammengebunden ist (BLO, MS Bodley 264).594 Morris hatte diesen Handschriftenband wenigstens am 27.4.1856 und 28.11.1894 angesehen.595 Sein Skizzenbuch aus den frühen 1870er Jahren (HRC, MS 2934) enthält Zeichnungen nach Rankenwerk und Blattblüten nach BL, MSS Add. 15287,
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zimmer von Membland Hall, Devon. Sie wurden bis 1913 im Angebot der »Firma« geführt. Akanthus-Kachelfelder in der WMGW, im V&A, im Kunstgewerbemuseum Köln und angeboten bei Sotheby’s, London, 19.12.1989, Los 81. Morris’ Entwurf in der WMGW ; Myers/Myers 1996, S. 123, Abb. 221–222 auf S. 124. Parry 1987, S. 101–102. Zur »Forest-Tapestry« (die Tiere von Philip Webb, Details von Henry Dearle entworfen, für Alexander A. Ionides’ Wohnung in 1 Holland Park gewirkt, V&A) : Parry 1987, S. 111, 140, Abb. auf S. 114–115 ; zur »Woodpecker-Tapestry« (WMGW) : ebd., S. 109–110 ; zu »Pomona« (1. Fassung) : ebd., S. 19, 108. Day 1899, S. 18 ; Clark 1974, Nr. 44, S. 17. Entwurf für das Deckenschema von 1875, 1874–1875, Kelmscott House Trust, Abb. in : Naylor 1990, S. 154. Vgl. a. BLO, MS Rawl. liturg. d. 1 (Stundenbuch, ev. London, um 1420), Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 869. Hewitt zog einen Vergleich mit der Bibel Richards II. und dem Stundenbuch der Königin Elizabeth, London, um 1420–1430, BL, MSS Royal 1 E. ix und Add. 50001, Hewitt 1934, S. 8. Vgl. auch mit BLO, MSS Canon. Misc. 576 (Johannis de Balbis, Catholicon, Venedig, Anfang des 15. Jh.s), Digby 232 (John Lydgate, The Siege of Troy, England, nach 1420), Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 446 ; dies. 1973 III, Nr. 868. BLO, MS Bodley 264, Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 792 und 793. Das Motiv des um einen Stab gewundenen Akanthus wird auch auf der später dem französischen Alexanderroman hinzugefügten Titelseite, fol. 2v, aufgegriffen, dies. 1966 I, Nr. 297. Peterson 1991, S. 338, Anm. 11.
Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
Harley 2761 und von Akanthusblatt-Ornamenten nach BL, MS Harley 2278 (Abb. 46).596 Diese Dekorationsmotive waren auch in den zeitgenössischen Publikationen und Handbüchern zur Buchmalerei abgebildet (Abb. 45).597 Gerne verwendete Morris, wie seine mittelalterlichen Vorbilder, zweifarbige Akanthusblätter, bei denen sich die Farbgebung der Vor- und Rückseite eines Blattes voneinander unterscheidet.598 Zwar benutzt Morris in der Handschrift durchgängig einen Ornamenttypus, doch lassen sich im Verlauf der Handschrift leichte Änderungen und Variationen ausmachen. Er scheint gewisse dekorative Ideen auszuprobieren und oft nach einigen Beispielen wieder aufzugeben. Buch I ist durch eine zunächst helle Farbigkeit mit Weißhöhungen gekennzeichnet, durch das glatte, bandartige, Schlaufen bildende, auf dem Weißrankentypus basierende Rankenwerk mit stilisierten Blüten und einer Vielzahl von gefederten Goldpollen nach Vorbildern der französischen Buchmalerei, wobei der anfangs zierliche und feinteilige Rankenverlauf zunehmend durch ein dynamisches und großzügiges Arrangement abgelöst und die Farbigkeit bunter und intensiver wird (ab S. 16).599 Manchen der Initialbuchstaben fehlt die rüschen- oder borkenartige Einfassung am Rankenansatz, die für die »Weißranken« charakteristisch ist. Bei einigen Initialen bedeckt das Rankenwerk fast die gesamte Höhe des Seitenrands. Einzelnen farbigen Initialmajuskeln gibt Morris durch Abtönungen und Aufhellungen sowie auf S. 53 am Ende des ersten Buches durch die Verzierung mit einem hellen geometrischen Muster eine plastische Gestalt. Die Initialdekoration dieser Seite unterscheidet sich auch durch die besonders üppigen und farbenprächtigen Akanthusblätter von den vorangehenden Initialen. Die grün-schwarzen, blauen, weiß-grünen und purpur-rosafarbenen Blätter werden mit großen Goldpollen 596 HRC, MS 2934, fol. 11v, 12r, 15r, 16r, 17r, 18r und fol. 14r, [viii]v und [ix]r (mit Verweis auf BL, MS Egerton 1070). Einträge zu BL, MSS Add. 16997 und Cotton Dom. A. xvii, der Psalter Heinrichs VI. (Paris, Anfang des 15. Jh.s), der z. B. auf fol. 49r ebenfalls sich um einen Stab windende Akanthusblätter aufweist, ebd., fol. [viii]r. 597 Vgl. z. B. Abbildungen nach BL, MSS Burney 175 (Aulus Gellius, Noctes Atticae, Italien, vermutlich Rom, um 1465–1470, Buchmalerei zugeschr. Niccolò Polani), Royal 14 D. i (Augustinus in der französischen Übersetzung durch Raoul de Presles, De Civitate Dei, ev. Brügge, letztes Viertel des 15. Jh.s), Harley 2900, 3293 und 3481, in : Wyatt/Tymms 1860/1987, Taf. 8, 10, 12, 15, 18 zum 15. Jahrhundert. Ein sich um einen Stab windender Akanthus aus BL, MS Egerton 1070 war abgebildet und durch ausführliche Angaben zur Farbigkeit erläutert in : Bradley/Goodwin 1865/1870, S. 48–49. Siehe auch Shaw/Madden 1833, Taf. XLIII mit Bordürenbeispielen aus BL, MS Royal 15 E. vi (The Talbot Shrewsbury Book, Rouen, 1444–1445, Talbot-Meister, der Meister des Lord Hoos Stundenbuchs), die Akanthus, Goldpollen, naturalistische und stilisierte Blumen aufweisen. 598 Vgl. z. B. BL, MSS Royal 19 E. v (Romuléon, Brügge, 1480), Royal 19 D. iii (Bible historiale, Clairfontaine und Paris, 1411), Add. 42131 (Bedford Psalter and Hours), Royal 15 E. iv (Jehan de Wavrin, Recueil des croniques d’engelterre, Brügge, um 1475), Royal 15 D. i (Guyart de Moulin, Bible historiale, Brügge, um 1470/1479), Cotton Aug. A. v (Trésor des histoires, Brügge, 1475–1480), Royal 15 D. v (Gregor der Gr., Homilien und Dialoge in französischer Übersetzung, Brügge, um 1480). 599 Vgl. z. B. BL, MS Harley 2278, Abb. in Madden/Shaw 1833, Taf. 32 ; siehe den Vermerk von Morris im Skizzenbuch, HRC, MS 2934, fol. IXr.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
kombiniert und kündigen in ihren großzügigen Einrollungen die Rahmendekoration am Beginn des zweiten Buches auf der folgenden Versoseite an (S. 54 ; Umschlagvorderseite). Die Initialen des zweiten Buches entsprechen denjenigen des vorangehenden Buches. Dabei ist das Rankenwerk der ersten Initialdekoration noch zurückhaltender und von hellerer Farbigkeit, um bereits auf S. 58 wieder sehr üppig und reich zu werden. Im zweiten Buch fehlen die wohl durch mittelalterliche Vorbilder inspirierten Initialen mit bandartigen Schlaufenranken und kleinen stilisierten Blüten. Dafür erscheinen nun zum ersten Mal Goldinitialfelder mit Prägung und zurückhaltenden Fleuronnée-Stäben im Seitenrand. Die Dekoration von Buch III ist dann durch Akanthus und Fleuronnée-Stäbe, durch mit aufwendigen Mustern punzierte Goldgründe geprägt, die neben den bisherigen additiven Punkt- und Kreispunzierungen auch die Punzierung mit einem schräg gestellten Blattzweig nach dem »Bough«-Schema oder mit Akanthusblättern aufweisen, sowie andere dekorative Effekte in Goldfarben. Die durch die verschiedenen Goldnuancen besonders prächtigen Initialfelder werden gerne im Seitenrand durch zurückhaltendere Ornamentmotive wie schmale Fleuronnée-Ranken in Sepia begleitet (wie auf S. 102, 118, 126). Seite 110 und 111 fallen durch den punzierten goldenen Stab auf, der das punzierte und mit einer Goldranke verzierte Initialfeld im Seitenrand mit farbigen Ranken, Phantasieblüten, Fleuronnée und Goldpollen begleitet. Ist die Dekoration auf S. 110 eher im Stil der italienischen Weißranken mit in ein schmales vertikales Feld eingestellten, sich gleichmäßig einrollenden Ranken gehalten, so schließt sich diejenige auf S. 111 in dem dynamischen Schwung der Akanthusranken eher an englische und französische Beispiele der Zeit um 1400 an. S. 119 unterscheidet sich durch den ungerahmten Initialgrund, der mit Goldpunkten auf Pergament sowie hellrosafarbenen und hellblauen Akanthusblättern verziert ist. Diese Initialgestaltung weist eventuell schon auf Aufbauprinzipien hin, die sich auch in den wenigen Morris zugeschriebenen Initialen der »Aeneis«-Handschrift finden lassen. In Buch IV sind die meisten Initialen nicht mehr koloriert, sondern nur in schwarzer Tinte und Sepia angelegt und der Goldgrund z. T. vorbereitet. Sie folgen wieder dem Typus der Weißrankeninitiale, der die beiden ersten Bücher bestimmt. Eine aussortierte Seite mit dem Text von Buch IV, Carmen XII (CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Y7/EWL Y7), ist mit einer Initialdekoration versehen, die sich von denjenigen der Handschrift darin unterscheidet, dass sie zwei Initialgründe aufweist : Der in poliertem Gold ausgeführte, mit weißem Zweigornament geschmückte, von blauen Ranken umwundene Initialbuchstabe ist vor ein mattgoldenes Quadrat gestellt, das durch ein eingeprägtes Punktmuster dekoriert ist. Dieses Quadrat scheint vor einem zweiten Initialgrund aus hell- und dunkelpurpurfarbenen, mit weißen Punktrosetten überzogenen Feldern aufzuliegen, von dessen unregelmäßiger, in Spitzen auslaufender Kontur Fleuronnée mit Goldpollen und große hellblaue Blüten ausgehen. Die Seite wurde eventuell aussortiert, da die Grundierung des Goldgrunds auf die Versoseite durchfärbte. Insgesamt verwendete Morris somit in den »Oden« vier verschiedene Initialtypen : Vari302
Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
ationen der italienischen Weißranken-, der mittelalterlichen Blütenranken-, der Akanthusblatt-Initiale sowie naturalistische Initialdekorationen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Buchschmuck der »Oden« durch die prächtige, kostbare Farbigkeit geprägt ist, zu der auch der reiche und vielfach variierte Gebrauch von poliertem und mattem Gold und Silber beiträgt.600 Morris ging in der Wahl sehr bedacht vor und stimmte stets die Farbigkeit des Binnenfelds, des Rankenwerks und der Kapitalbuchstaben aufeinander ab. Die Farbigkeit ist weitgehend auf RotBlau-Grün-Töne konzentriert, so dass einzelne Abweichungen besondere Akzente setzen. Die ungewöhnlich großen Gold- und Silberpollen unterstreichen den Anschein von Kostbarkeit. Es vermittelt sich insgesamt ein außergewöhnlich prachtvoller Eindruck in den vielfältigen Variationen, den reizvollen und abwechslungsreichen Oberflächeneffekten, dem dynamischen und reichen Ornamentverlauf, den interessanten Farbkombinationen. Diese Üppigkeit der Dekoration, die Freude an Mustern und Farbigkeit verleiht der Handschrift zugleich auch eine gewisse Feierlichkeit. May Morris lobte »the fluttering of gold penwork, like a streak of gauze«, die »distinguished simplicity of the arrangement and the subtle handling – veil over veil of transparent gold«, die sie mit frühen syrischen Webereien verglich.601 Sie beschrieb die Handschrift als »a delightful volume (I use the word carefully), instinct with joy, vivid and jewel-like«, als »radiantly delicate«.602 3.7.4 Weitere Handschriften Morris’ aus der Zeit um 1873
Im zeitlichen Umkreis der »Three Icelandic Sagas« und der »Oden«, vermutlich zwischen Beendigung der einen und dem Beginn der anderen Handschrift, entstand zwischen Ende 1873 und Anfang 1874 eine kleine Anzahl kürzerer Handschriften Morris’, die in ihrem Buchschmuck aus Weißrankenornament nach dem Vorbild italienischer Handschriften der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts besonders der Cambridger »Sagas«Handschrift ähneln. Ein Kennzeichen ihrer Illuminierung sind Initialquadrate, deren Seiten zur Mitte leicht eingezogen sind, so dass die Ecken spitz wirken, und – anders als bei den »Sagas« – frei in den Seitenrand hineinragendes Rankenwerk. Der folgende Versuch der chronologischen Reihung dieser Handschriften und Fragmente beruht auf ornamentstilistischen Gesichtspunkten. Die Fülle von Fragmenten und der Mangel an schriftlichen Datierungshilfen erschweren eine eindeutige Festlegung ihrer Entstehung. Es erscheint dabei auch unter inhaltlichen Aspekten sinnvoll, davon auszugehen, dass Morris sich nach der Rückkehr von seiner zweiten Island-Reise 1873, 600 May Morris, in : CW XI, S. xxviii : »Gold is used in this book with a special ingenuity and enjoyment«. Vgl. Zapf 1949, S. 19, der den aus der Verwendung verschiedener Goldtöne resultierenden Effekt als »festlichen Reiz« mit »Lebendigkeit der Wirkung« beschrieb. 601 May Morris, in : CW XI, S. xxviii. 602 Ebd., S. xxi. Sie hob die »exquisiteness« und den »intimate charm« der kleinformatigen Handschrift hervor, ebd., S. xxvii.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
angeregt durch die dort gemachten Erfahrungen und Erlebnisse, zunächst wieder der kalligraphischen Niederschrift der Übersetzungen aus dem Isländischen widmete, um erst später alten Interessen wie dem »Rubáiyát« wieder nachzugehen. »King Hafbur and King Siward«
Zu den nordischen Dichtungen zählt die 17 beschriebene Seiten umfassende Handschrift »King Hafbur and King Siward« (BLO, MS Eng. misc. e. 233/2). Sie gibt bis Vers 56 – und damit unvollständig – die als »Hafbur and Signy – translated from the Danish« in »Poems by the Way« publizierte Dichtung wieder.603 Morris hatte bereits vorher, vermutlich um 1871, eine Handschrift »Hafbur and Signy« begonnen, die ebenfalls unvollendet blieb.604 Im Unterschied zu den Pergamenthandschriften der »Sagas« und der »Oden« sind in »King Hafbur« die Linien des Schriftfelds nicht in den Seitenrand hineingezogen. Morris verwendete eine steile, eckige Kursive mit hohen, sich leicht verdickenden und in langen diagonalen Serifen auslaufenden Oberlängen, die in ihrem Duktus und der Minuskel f mit einem langen, verschnörkelten Ausläufer an der Oberlänge sowie in den phantasievollen Großbuchstaben der Schrift der »Three Icelandic Sagas« ähnelt.605 Besonders auffällig sind in diesem Zusammenhang das spiralig gedrehte S mit Diagonalstrich, die doppelte Vertikale am linken Stamm des H, das außerdem einen schwungvollen Deckstrich erhält, und die dreieckige Verdickung in der Mitte des I-Stammes. John Nash dagegen verglich die Schrift mit derjenigen der »Volsungs and Niblungs«-Handschrift, wobei aus seiner Sicht einige gotisierende Details hinzugekommen seien.606 Die exzentrischen Majuskeln werden mit farbigen Kapitalbuchstaben kombiniert, die am Beginn jeder Zeile stehen. Auf fol. 1r sind diese Kapitalbuchstaben in Gold gehalten, während auf den folgenden Seiten eine alternierende Farbigkeit geplant war.607 Freizeilen mit mittig eingetragenen römischen Versnummern in Sepia trennen die Vierzeiler.608 Morris plante als Dekoration der Handschrift vier Initialen, von denen er nur diejenigen auf fol. 1r und 2v begann, während er auf fol. 6v und 8r lediglich Quadratflä603 Der Text umfasst insgesamt 90 Verse. »Poems by the Way« erschien 1891 als zweites Buch der Kelmscott Press, Peterson 1985, Nr. A2, S. 6–8. 604 Die zwei Blätter auf Papier eingebunden in PML, MA 1804, fol. 24r–24v ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 195, S. 534. Eine mit 3.2.1870 datierte Variante der Dichtung und eine mit 4.2.1870 datierte Reinschrift jeweils in der HL, HM 6427, fol. 151–164, und HM 6427, fol. 165–177, beide nur auf den Rectoseiten beschrieben, Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 193–194, S. 534. 605 Dunlap wies auf die Ähnlichkeit der Schrift zu derjenigen am Ende der »The Story of Haward the Halt« in den »Three Icelandic Sagas« (FMC, MS 270*) hin, Dunlap 1972/1976, S. 278. Nach Whitla 2001, S. 87, handelt es sich um Morris’ dritte Kursivschrift, die sich aus derjenigien der »Volsungs« entwickelte. 606 Nash, in : Parry 1996, S. 299, 306. 607 Auf fol. 1v–2r sind nur die blauen Kapitalien ausgeführt, die anderen verbliebenen in Bleistift skizziert ; auf fol. 2v–3r wechseln blaue und rote Kapitalien. Ab fol. 3v sind die Kapitalien nur noch in Bleistift eingetragen. 608 Auf fol. 1r, ab fol. 1v nur in Bleistift, ab fol. 5v fehlend.
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Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
che und Wortrest in Bleistift eintrug. Der Titel auf fol. 1r in vier Zeilen von Kapitalis, je Zeile alternierend in Gold- und Silberfarbe, wird von einer dreizeiligen Initiale eingeleitet. Der goldene Initialbuchstabe befindet sich vor einem hell- und dunkelroten Polstergrund mit Goldpunkten. Klar konturierte Weißranken setzen in einem kurzen Stamm mit rüschenartigem Abschluss in der unteren linken Ecke des sich leicht zu den Seitenmitten einziehenden Initialquadrats an, umwinden die Initiale und wachsen im Unterschied zu den »Sagas« ohne farbige Hinterfangung in den inneren und oberen Seitenrand hinein, wobei sie relativ eng am Initialfeld verbleiben. Sie sind mit zierlichen Phantasieblüten mit ausgezahnten Blättern besetzt und leicht in Hellblau modelliert. Auf fol. 2v (Abb. 50) folgt eine zweizeilige, in Bleistift eingezeichnete Initiale, die das Schema ihrer Vorgängerin wiederholt, doch reichen die Ranken bereits tiefer in den Seitenrand hinein. Neben den üppigen Phantasieblüten und Tulpenformen waren eventuell auch, wie die kleiAbb. 50 William Morris, King Hafbur and King nen Kreisformen an der linken Quadratseite Siward, um 1873–1874, Bodleian Library Oxford, MS andeuten, Goldpollen vorgesehen, die in den Eng. misc. e. 233/2, fol. 2v. Photo Bodleian Libraries, »Sagas« erst am Ende, in »A Gloss of Rhyme«, The University of Oxford. erscheinen. Im Ornamenttypus, der feinen Sepiakontur und Binnenzeichnung, den zierlichen Verästelungen folgt Morris dem Initialtypus der »Sagas«, bei denen sich zum Ende hin auch leichte Andeutungen zu einem Wachstum außerhalb des Initialgrundes finden. Auf fol. 1r ist der leicht eingerückte Reim im ersten Vers in Sepia geschrieben, wobei das erste Wort durch eine goldgehöhte Majuskel eingeleitet wird, die von einem stilisierten Blütenzweig in Sepia mit Goldpunkten hinterlegt wird – eine Gestaltung, die erneut an Beispiele in »A Gloss of Rhyme« in den »Sagas« denken lässt. Auf die »Oden« wiederum verweist das freie Rankenwachstum in den Seitenrändern und die Verwendung von farbiger Kapitalis für Wortreste und Zeilenanfänge.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Eine dritte Handschrift des »The Rubáiyát of Omar Khayyám«
Die Handschrift »The Rubáiyát of Omar Khayyám« (BLO, MS Don. f. 3, ca. 150 × 114 mm) bildet die dritte, in der Dekoration allerdings unvollendete Niederschrift dieses Textes durch Morris und entspricht in den Maßen ungefähr dem Londoner »Rubáiyát« (BL, MS Add. 37832 : ca. 152 × 117 mm).609 Wie im Graham-»Rubáiyát« werden im Oxforder Manuskript die Vierzeiler durch eine Freizeile mit römischer Versnummer getrennt.610 Morris bediente sich auf den meisten Seiten der Handschrift (ab fol. 3r) einer schmalen, zierlichen humanistischen Minuskel mit kurzen Anstrichen, die derjenigen des Londoner »Rubáiyát« in der engen Aneinanderfügung der Buchstaben sowie in den schlanken, sich nach oben etwas verdickenden Schäften ähnelt. Dunlap wies darauf hin, dass sich Morris in der späteren Handschrift zweier verschiedener Schriften bediene : einer »condensed roman with tall ascenders« für fol. 1r–2v und 4v sowie einer »small round roman with ascenders of moderate height«.611 Nur auf der ersten Seite (fol. 1r) verwende er ein f mit dem wellenartig geschwungenen Ausläufer an der Oberlänge, das an die Schrift der »Three Icelandic Sagas« denken lasse.612 Dabei ist wohl nicht zu klären, weswegen der Schriftwechsel erfolgte, ob es sich um das Ergänzen eines bereits begonnenen Manuskripts in einer anderen Hand handelte oder um ein während des Schreibens erfolgtes Ändern der Schriftform.613 Überraschend ist die kurze Rückkehr auf fol. 4v zu der ersten Schriftform. Der Anschluss an die Schrift der »Sagas«- und »Hafbur«-Seiten bei Verzicht auf deren exzentrische Majuskeln und gotisch anmutende Manierismen könnte mit Morris’ Gefühl für Angemessenheit von Textinhalt, Herkunft und Schrift zusammenhängen. Empfand er die Schrift für die nordischen Sagas als passend, so schien ihm vielleicht eine Modifikation für das aus dem orientalischen Bereich stammende »Rubáiyát« geraten. Wie im Londoner »Rubáiyát« sollte jede Zeile mit einem farbigen Kapitalbuchstaben eingeleitet werden, wobei auf fol. 1r rote und goldene alternieren.614 Die Handschrift wird auf der ersten Seite von einer vierzeiligen Initiale eingeleitet (Abb. 51), die von der ersten Zeile des ersten Quartains in fünf Reihen von Kapitalis, je Zeile alternierend in Rot- und Gelbgold, begleitet wird. Die wohl in der farbigen Ausführung unvollendete Initiale ist im Weißrankenstil ausgeführt und im Initialquadrat zusätzlich mit weißen akeleiartigen Blüten besetzt. Die goldene Initialmajuskel befindet sich auf einem 609 Auf fol. 9v war vermutlich oberhalb des 59. Quartains eine Dekoration geplant. An dieser Stelle ist ein vierzeiliger Freiraum verblieben. Im Londoner »Rubáiyát« fügte Morris an dieser Stelle die Worte »Kuza Nama« in Kapitalis vor Blütenranken ein. Vielleicht war eine solche Unterteilung auch für die Oxforder Handschrift vorgesehen. 610 Bis fol. 2v in Bleistift, danach nur noch vereinzelt in Bleistift eingetragene Versnummern. 611 Dunlap 1972/1976, S. 231 ; PML 1976, Nr. 60, S. 114. 612 Dunlap 1972/1976, S. 232. 613 Ebd., S. 232–233. 614 Ab fol. 2r nur noch Bleistiftkapitalien eingetragen.
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Die Handschriften mit Weißranken- und Akanthusblattornamenten
Quadratfeld, dessen mattroter und goldgelber Polstergrund Goldtupfen aufweist. Die in den oberen und tief in den inneren Seitenrand hineinragenden weißen Ranken tragen lange Blätter, phantasievolle Doldenblüten und gefederte Goldpollen. Die Komposition der von der Mitte der unteren Quadratseite aufstrebenden, sich überkreuzenden und um den Buchstaben windenden Ranken lässt an die einleitende Initiale der »The Story of the Banded-Men« in den »Sagas« (FMC, MS 270*, S. 58) und an den Buchstaben A denken, den Morris in seinem Brief an Murray vom 26.3.1874 skizzierte.615 Den Initialen der »Oden« verbunden ist das üppige, freie Rankenwerk mit Goldpollen. Sind die Ranken der »Sagas« noch relativ eng dem Initialquadrat zugeordnet und wurden sie durch eine Erweiterung des Initialgrundes hinterfangen, so wachsen die der »Oden« weiter und üppiger in den Seitenrand hinein. Die Ranken dieses »Rubáiyát« scheinen eine Mittelposition einzunehmen. Ab. 51 William Morris, The Rubáiyát of Omar Khayyám, um 1873–1874, Bodleian Library Oxford, Ihre Struktur ist noch nicht durch die oftmals MS Don. f. 3, fol. 1r. Photo Bodleian Libraries, The bandartige Qualität der Ranken der »Oden« University of Oxford. geprägt, sondern durch die kleinteilige und verzweigte Anlage des floralen Ornaments der Initialen der »Sagas« sowie der »King Hafbur und King Siward«-Seiten (BLO, MS Eng. misc. e. 233/2 ; Abb. 50) bestimmt, mit denen sie die »klassische« Form der Weißranke gemeinsam hat. Im Unterschied zur »Hafbur«-Handschrift sind im »Rubáiyát« die Seiten des Initialquadrats weniger stark eingezogen und der Rankenwuchs reicher, länger, weniger zurückhaltend. Aufgrund dieser Unterschiede kann eine Entstehung der »Hafbur«-Seiten vor dem Oxforder »Rubáiyát« vermutet werden.616 Einzelseiten und Fragmente zu »The Rubáiyát of Omar Khayyám«
Weitere Pergamentseiten mit den Maßen ca. 150 × 114 cm (17 Z./S., eingebunden in BLO, MS Eng. misc. e. 233/1, fol. 17r–24v) scheinen diesem Umkreis des Oxforder »Rubáiyát« an615 Kelvin 1984 I, Nr. 231, S. 220. 616 Dunlap vermutete ebenfalls diese zeitliche Abfolge und vermerkte, dass das »Rubáiyát« nicht vor 1874 entstanden sein könnte, Dunlap 1972/1976, S. 236. In PML 1976, S. 113, erfolgt eine Datierung der Handschrift in die Zeit 1873–1874. Die »Hafbur«-Seiten datierte Dunlap um 1873, Dunlap 1972/1976, S. 421.
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zugehören.617 Dabei ist zu überlegen, ob die Blätter für diese Handschrift vorgesehen waren oder vielleicht für ein viertes »Rubáiyát«, wie Dunlap vermutete.618 Die Beurteilung wird dadurch erschwert, dass Morris sowohl im Oxforder »Rubáiyát« als auch auf den Pergamentseiten mehrere Schriftformen verwendete. Eine Zuordnung Letzterer unter ornamentalen Gestaltungsaspekten ist nicht möglich, da lediglich die geplante Verteilung der Dekorationselemente durch Freiräume angezeigt ist, diese aber nicht einskizziert wurden. Auf fol. 17r ist, dem Layout der ersten Seite von BLO, MS Don. f. 3 entsprechend, ein vierzeiliger Freiraum für ein Initialquadrat belassen und die erste Verszeile ist in fünf Zeilen Kapitalis eingetragen. Der Anfangsbuchstabe jeder folgenden Zeile ist in Bleistift geschrieben, was auf eine beabsichtigte Kolorierung oder Vergoldung hinweist. Die Schrift auf fol. 17r dagegen weist in den exzentrischen, langen, geschwungenen Linienausläufern des f eine enge Verwandtschaft zu derjenigen der »Icelandic Sagas« auf. Die zwei letzten Zeilen des ersten Quartains werden dann plötzlich wieder in einer humanistischen Buchschrift geschrieben. Dieser Wechsel zwischen den beiden verschiedenen Schriften charakterisiert auch die folgenden Blätter, fol. 18r–24v. Morris beginnt auf fol. 18r ein weiteres Mal den Text, den er nun mit einem sechszeiligen Freiraum für das Initialquadrat und die erste Textzeile einleitet, während nur noch der erste Buchstabe jeden Verses in Bleistift zur späteren Kolorierung ausgespart bleibt. Auf fol. 18v erscheint ein neues Dekorationselement : Beim vierten Quartain ist ein zweizeiliges Initialquadrat in den Seitenrand gesetzt, worauf der Wortrest in Bleistift-Kapitalis folgt. Diese Initialquadrate im Seitenrand wiederholen sich auf fol. 23r bis 24v. Die Positionierung von Initialen in den Seitenrand findet sich erst in Morris’ »Aeneis«Handschrift, so dass diese Fragmente wohl den späten Handschriftenproben Morris’ von ca. 1875 zuzurechnen sind. Sie erinnern in ihrer Positionierung im Seitenrand auch an das New Yorker »Heimskringla-Fragment«, das Cockerell um 1875 datierte, wobei Morris allerdings bei diesen Seiten auf die Quadratgründe der Initialen verzichtete.619 Dunlap wies auf die Ähnlichkeit der Schrift ab fol. 18r mit derjenigen der »Oden« hin und bezeichnete sie als »small pointed italic«.620 Sowohl bei den »Oden« als auch auf den Pergamentseiten fällt die Verwendung des f mit einem Linienausläufer an der Oberlänge auf, der den Buchstaben mit den vorangehenden oder folgenden Buchstaben verbindet. In der William Morris Gallery, Walthamstow, haben sich zwei weitere Blätter mit Textteilen eines »Rubáiyát« erhalten (Inv.-Nr. J578), die sich entweder mit den Oxforder Pergamentseiten (MS Eng. misc. e. 233/1, fol. 18r–24v) verbinden ließen oder Seiten einer weiteren
617 Rosenbaum/Pearson 1993, S. 486. Schriftfeld : 97 × 70 mm, Seitenränder : oben 20 mm, unten 35 mm, innen 17 mm, außen 35 mm. Auf fol. 1r–16v The Story of Gunnlaug the Worm-Tongue and Raven the Skald. Nach Whitla in Morris’ vierter Kursivschrift geschrieben, Whitla 2001, S. 89, Nr. F. 1. 618 Dunlap 1972/1976, S. 279 ; Whitla 2001, S. 89, Nr. F. 1. 619 PML, MA 4011. Fairbank 1970, S. 69 ; Morris & Co. 1975, Kat. Nr. 154 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1535, 1592, S. 687, 702. 620 Dunlap 1972/1976, S. 279–280.
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nicht vollendeten »Rubáiyát«-Handschrift bildeten.621 Sie entsprechen in den Maßen von ca. 153 × 110 mm, dem Seitenaufbau mit 17 Zeilen, den Seitenrändern und in Details der klaren spitzen Schrift – auch hier lässt sich das »Schlaufen-f« finden – dem Oxforder Fragment.622 Neben dem f erinnert besonders die in Bleistift eingezeichnete Majuskel N mit einem kurvig verlängerten unteren Ende des Querstriches an die Seiten der »Oden«-Handschrift. Die erste Seite trägt den Beginn des »Rubáiyát« mit einer groben Bleistiftskizze für das fünfzeilige Initialquadrat, das durch einen kräftigen dunklen Trennstrich von dem begleitenden Text der ersten Gedichtzeile in Bleistiftkapitalis abgegrenzt wird. Die Quartains folgen auf diesen Seiten – im Unterschied zu den anderen »Rubáiyát«-Handschriften – ohne Freizeile aufeinander und werden durch einzeilige, nur in Bleistift skizzierte, farbig geplante Kapitalbuchstaben am Beginn der ersten Zeile herausgehoben. Römische Ziffern in roter Tinte markieren auf der Versoseite des ersten und der Rectoseite des zweiten Blattes den jeweiligen Vers im Außenrand. Den Oxforder Seiten vergleichbar wird auf beiden Blättern, allerdings auf Höhe des fünften Quartains, ein zweizeiliges Initialquadrat in den Seitenrand gesetzt. Da die Oxforder und Walthamstower Seiten eine enge Verbindung zur Schrift der »Oden« aufweisen, wäre durchaus mit Dunlap die Möglichkeit eines vierten »Rubáiyát«-Projekts Morris’ zu erwägen, das etwas später als das Oxforder »Rubáiyát« in Anschluss an die »Oden«-Handschrift im Herbst/Winter 1874 entstanden sein könnte, als auch bereits die Arbeiten an der »Aeneis« begonnen hatten. Ein weiteres Pergamentblatt (»Scraps«, BL, MS C.43.c.26, 153 × 110 mm, 17 Z./S.) trägt auf der Rectoseite sechs Zeilen von verschiedenen Textteilen aus dem »Rubáiyát« sowie zwei Zeilen mit Textanfängen.623 Zwischen den Quartains, für deren Zeilenanfänge bereits der jeweils erste Buchstabe in Bleistiftkapitalien eingetragen ist, ist eine Freizeile belassen. In den sechs Textzeilen sind diese Bleistiftkapitalien allerdings überschrieben, so dass Morris möglicherweise eine aussortierte Seite einer früheren »Rubáiyát«-Handschrift auswählte, um mit Schriftformen zu experimentieren. Die verwendete Schrift entspricht mit der »Peitschenschwung«-Oberlänge des f und im eckigen, spitzen Charakter der Buchstaben derjenigen der Walthamstower und Oxforder Blätter, obwohl Morris auch in diesen wenigen Zeilen verschiedene Schriftformen mischt. Die Buchstaben besitzen an den Zeilenenden lange diagonale Serifen. In wenigen Fällen finden sich schwungvolle Ausläufer, die in die vorangehende Zeile oder bis zum Rand des Schriftfeldes reichen. Eine weitere Seite (152 × 115 mm) ist mit dem 41.–43. Quartain des »Rubáiyát« in einer kleinen zierlichen Humanistenschrift mit sich leicht nach oben verdickenden
621 Ebd.; Fine Print 1976, S. 23 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 486 ; Whitla 2001, S. 89, Nr. F. 1. 622 Schriftfeld : ca. 98 × 70 mm, Seitenränder : oben 20 mm, unten 33 mm, innen 15 mm, außen 26 mm. 623 Rosenbaum/Pearson 1993, S. 486. Schriftfeld 97 × 67 mm, Seitenränder : oben 20 mm, unten 35 mm, innen 18 mm, außen 24 mm.
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Oberlängen, die auch kurze Anstriche tragen können, beschrieben (V&A).624 Weitere Kennzeichen bilden ein t mit oberer diagonaler Serife – wie es sich auf den 1872–1873 datierten »Halfdan« und »Ynglings«-Seiten finden lässt – und ein g mit spitzem Winkel. Zwischen den Quartains ist eine Freizeile belassen, in die vermutlich die Versnummern eingetragen werden sollten, und die Kapitalbuchstaben am Anfang jeder Zeile sind in Bleistift verzeichnet. Cockerell vermerkte in seiner Beischrift als Entstehungsjahr 1874.625 Eine kleinformatige Version der »The Story of the Volsungs and Niblungs«
In das Frühjahr 1874 ist wohl das Fragment eines der kleinsten Manuskripte Morris’ zu datieren – die Pergamentseiten zu »The Story of the Volsungs and Niblungs« (WMGW, Inv.-Nr. J578a, und BLO, MS Eng. misc. g. 59, 84 × 73 mm).626 Wie die Schrift, der Seitenaufbau und die Verwendung von Pergament nahelegen, können die Seiten nicht zur gleichen Zeit wie die Oxforder Handschrift des Textes (BLO, MS Eng. misc. d. 268), d. h. um 1870, entstanden sein. Die spätere Datierung in das Jahr 1874 wird durch Morris’ Brief an Murray vom 26.3.1874 unterstützt : As to the vellum it is just the same as the last, & the smaller size is as I expected the same size as what I had the first time from Rome : this small thin vellum would be very useful if I were to do a tiny book as I have a mind to do : so will you order me 50 sheets of it out of the May lot in addition to what I asked before.627
Die beiden Walthamstower Seiten tragen den Text des ersten Kapitels in einer von der publizierten Version leicht abweichenden Fassung (»Here begins the tale and tells of a man named Skadi who was called the Son of Odin«, Inv.-Nr. J578a, fol. 1v–2r, 16 Z./S.). Fol. 1v trägt nur den Text, während fol. 2r von einem vierzeiligen Initialquadrat, an das sich fünf Zeilen von Kapitalbuchstaben anschließen, eingeleitet wird. Die Schrift auf den beiden Seiten weist Ähnlichkeiten zu der derjenigen in Morris’ Oxforder »Rubáiyát« (BLO, MS Don. f. 3) auf. Details wie die lang ausgezogene diagonale Weiterführung des t-Stammes am oberen Ende oder die Verdickung der Oberlängen lassen sich auch in
624 V&A, Inv.-Nr. L 697 II iii–1957, Regal-Nr. 86.U.U.4, eingeklebt in den Band »English Handwriting, letters addressed to Sydney Carlyle Cockerell and others«, Bd. II, S. 5. Schriftfeld : 98 × 70 mm, Seitenrand : oben 20 mm, unten 35 mm, innen 18 mm, außen 27 mm, nur die Rectoseite beschrieben. 625 V&A, Inv.-Nr. L 697 II iii–1957, Regal-Nr. 86.U.U.4, Bd. II, S. 5. 626 Die WMGW-Seite erworben in SCC 1956, Los 94a ; Dunlap 1972/1976, S. 245–246, Abb. auf S. 247 ; Fine Print 1976, S. 24 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1590, S. 701–702. Die Oxforder Seiten vgl. ebd., MoW 1589, S. 701. 627 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 231, S. 219, vgl. ebd., S. 220, Anm. 1. Siehe auch Morris’ Brief an Murray vom 9.3.1874, ebd., Nr. 229, S. 216–217. Siehe auch in : CW IX, S. xxviii-xxx.
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den Handschriften mit Sagen der »Heimskringla« finden, die um 1872–1873 zu datieren sind.628 Die 13 Pergamentblätter in der Bodleian Library beginnen mit »The Tale telling of a man named Sigi« (BLO, MS Eng. misc. g. 59, ca. 84 × 75 mm ; 16 Z./S.) und zeigen verschiedene Stadien des Experimentierens bei der Niederschrift der ersten Kapitel des Textes.629 Der Text ist in einer humanistischen Minuskel geschrieben, bei der, wie bei der »The Story of Halfdan the Black« (PML, MA 3471, fol. 1r–7v), für a und e auch Unzialformen verwendet werden und der untere Bogen des B breiter als der obere gehalten ist.630 Auf fol. 1r ist ein Freiraum für eine achtzeilige, in den Schriftblock eingestellte Initiale gelassen, die mehr als die halbe Breite des Textfeldes einnimmt und Andeutungen für eine sich aufteilende und jeweils einrollende Ranke in Bleistift aufweist. Die Kapitalbuchstaben für den Textanfang sind seitlich dazu angeordnet.631 Dieses Dekorationsprinzip scheint den Textanfängen der Oxforder Handschriften »King Hafbur und King Siward«, »Rubáiyát« und »Oden« verwandt. Insgesamt vermittelt diese erste Seite durch das kleine Format, das mächtige Initialquadrat und die beengt wirkenden Zeilen in Kapitalis einen etwas unharmonischen, schweren und gedrängten Eindruck. Auf fol. 1v wird der Beginn eines neuen Absatzes durch eine zweizeilige Initiale herausgehoben. »The Story of Egil, Son of Scaldgrim«
Von diesen Handschriften mit geplanter illuminierter Dekoration unterscheidet sich diejenige mit der Übersetzung der isländischen Saga »Egils saga Skallagrímssonar«, »The 628 Nach Whitla 2001, S. 94, Nr. G. 16 in Morris’ erster Antiqua-Schrift geschrieben und 1874 zu datieren. 629 2 Bl. Papier+13 Bl. Pergament+2 Bl. Papier, Schriftfeld : 54 × 40 mm, Seitenränder : unten 19 mm, oben 12 mm, innen 10 mm, außen 18 mm, Zeilenhöhe : 3 mm. May Morris berichtet, dass sich in ihrem Besitz »a few vellum leaves of a Northern tale, which are trial pieces for a ›tiny book‹« befinden, bei denen es sich vermutlich um diese Blätter handelt, zit. nach : CW IX, S. xxix ; Fairbank 1970, S. 69. Text vgl. CW VII, S. 291–292. Auf fol. 3v wiederholt Morris das Textende von fol. 2v in etwas abweichender Übersetzung, wobei er nun eine humanistische Buchschrift verwendet. Nach Ende von Kapitel I auf fol. 3v findet sich – wie in den »Oden« – linksbündig die Kapitelangabe mit direkt anschließender Kapitelüberschrift »CHAP : II Of the birth of / Rerir the Son of Volsung«. Darauf folgen ein vierzeiliges Initialquadrat und der Wortrest in Kapitalien. Auf fol. 5r wechselt Morris in die spitze Kursive zurück. Auf fol. 6r, 7r, 8r schließt sich jeweils ein Neubeginn des Textes mit einem neunzeiligen Freiraum an. Fol. 9r wiederum folgt in der Anordnung des Textanfanges fol. 1r, während fol. 11r, auf dem Morris die Humanistenschrift verwendet, einen nur vierzeiligen Freiraum am Textbeginn lässt. 630 Dunlap 1972/1976, S. 246 wies auf die vielen Schreibfehler und ungewohnten Schreibweisen in dieser Handschrift hin. Zur Schrift vgl. Whitla 2001, S. 95 : Morris’ erste Antiqua-Schrift. Jane Morris lobte die Handschrift in einem Brief an Lady Anne Blunt vom 19. September 1897 als »one of the most beautifully written of those he left, done when he was at his best«, zit. nach : Sharp/Marsh 2014, Nr. 306, S. 299. 631 Zeile 3–7 in Rot, Zeile 7–9 in Bleistift ausgeführt. Satzanfänge und Eigennamen sind durch rote Farbe herausgehoben, jedoch bereits ab fol. 1v nur noch in Bleistift eingefügt. Auf fol. 6r, 7r und 8r ein neunzeiliger Freiraum belassen.
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Story of Egil, Son of Scaldgrim« (SoA, MS 907), da sich Morris für eine zurückhaltendere Dekoration in farbiger Tinte entschied.632 Insgesamt sind durch das Manuskript hindurch auch Schwankungen in der Strichstärke, der Sorgfalt beim Schreiben, dem Schriftschwung auszumachen. Die Zeilenlinien, das Schriftfeld und die in die Seitenränder hineingeführten Rahmenlinien sind in Sepia eingetragen. Morris verwendete eine Kursive mit langen schrägen Serifen und hohen, sich nach oben etwas verdickenden, leicht nach rechts geneigten Oberlängen, die Parallelen zu den Lancelot-Textabschriften (SoA, MS 905/1–4) aus der Zeit 1873/1874 aufweist. Einzelne Buchstaben werden durch die diagonalen Serifen verbunden, und die Buchstabenenden werden oftmals lang ausgezogen.633 Die Ober- und Unterlängen können sich verschränken und in die vorangehende oder folgende Zeile hineinreichen, so dass besonders ab S. 40 ein »woven« Effekt entsteht.634 Dunlap konnte zeigen, dass Morris auch in dieser Handschrift von den italienischen Schreibmeistern Arrighi und Tagliente beeinflusst wurde und von ihnen mindestens neun Gestaltungsideen für Majuskelformen übernahm.635 Das f mit Unterlänge, die durch einen Fuß abgeschlossen wird, besitzt ab S. 42 eine wellenartig geschwungene Oberlänge, das M einen J-förmigen linken Stamm, das G eine j-förmige Unterlänge (bis S. 103) und das H einen längeren, in einer langen schrägen Serife auslaufenden rechten Stamm. Der Diagonalbalken des N wird ab S. 18 nach unten hin lang ausgezogen. T und F tragen schräge Deckbalken. Viele dieser Charakteristika erinnern an ältere Schriftformen der »Dwellers II«. Wie auch in anderen Handschriften Morris’ ist die Schrift des »Egil« nicht einheitlich ausgeführt. So wird ab S. 124/125 die Schrift breiter, schwer und dunkler, und die Tinte ist oftmals unregelmäßig verteilt. Die Oberlängen verdicken sich leicht nach oben hin. Dunlap fiel die Gestaltung der Minuskel g auf, die er als »particularly crude« bezeichnete.636 Eckige Buchstabenformen werden für B und R verwendet. Ab S. 144 findet sich dann eine sicherere, verbesserte Schrift, die Dunlap mit Morris’ Unterricht bei einem Mr 632 Der Text wurde erst 1936 durch May Morris publiziert, Morris 1936 I, S. 564–636. Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1542, S. 689. Eine Abschrift in der BL, MS Add. 45317, fol. 1–18, Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1543, S. 689 ; Morris’ Bibliothekskatalog von ca. 1876, YCBA, fol. 2v, Nr. 10. In seinen Bibliothekskatalogen von ca. 1876 und 1890/1891 sind zwei isländische Fassungen der Saga aufgeführt : Ausgaben von 1809 (Hafniae) und 1856 (Rejkjavik) : YCBA, fol. 19r, und Bridwell Lib., fol. 29r, Nr. 369, fol. 23r, Nr. 274. 633 Eine ähnliche Schrift verwendete Morris in seiner Niederschrift von »Sigurd the Volsung«, BL, MS Add. 37497. Hier finden sich ähnliche schwungvoll ausgezogene Deckbalken der Großbuchstaben, lang ausgezogene Querstriche, die Worte miteinander verbinden. Das d ist oft als Schlaufe ausgezogen und zum folgenden Buchstaben hinübergeführt. Durch das S kann ein Schrägstrich gezogen sein. Auf fol. 81v ist ein Wort mit Blattzweig eingetragen. In BL, MS Add. 45317, fol. 48–75, ist eine Übersetzung des »Shah Nameh« enthalten (nach der französischen Übersetzung von Jules Mohl von 1838), die ähnliche Schriftmerkmale aufweist, Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1539, S. 688, datiert um 1883. 634 Dunlap 1976, S. 62. C, E, K, L und R reichen in die nächste Zeile herab. 635 Ebd.; Dunlap 1972/1976, S. 262, 264. 636 Dunlap 1976, S. 62.
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Jones in Zusammenhang brachte.637 Die letzten Seiten (S. 153–157) wiederum weisen eine Schrift auf, die in den gotisierenden Majuskelformen mit Zickzack- und Doppellinien sowie spitzen Ausbuchtungen der Buchstabenstämme und dem S mit Diagonalstrich derjenigen der »Three Icelandic Sagas« verwandt ist, die ca. 1873 bis eventuell Anfang des Jahres 1874 entstanden. Dunlap bezeichnete die »Egil«-Schrift als »basically […] italic, though less pointed and by no means as condensed as the lettering in the Odes of Horace«.638 Er betonte die Ähnlichkeit der ersten »Egil«-Schrift mit Morris’ Handschrift in dem Fragment der nicht publizierten Übersetzung aus dem Isländischen, »The Tale of Haldor«, die am Ende des kalligraphischen Bibliothekskataloges von ca. 1890 eingebunden ist.639 Cockerell datierte die »Haldor«-Seiten gleichzeitig mit den »Three Icelandic Sagas« in die Zeit 1873–1874.640 Morris hat keine Dekorationen auf den beiden »Haldor«-Blättern eingezeichnet, lediglich Freiräume für vierzeilige Initialen und Kapitalisreihen gelassen : Auf fol. 10r sollte der Titel in zwei Zeilen von Kapitalis eingefügt werden, ein vierzeiliges Initialquadrat den Text einleiten, worauf die beiden ersten Worte in der dritten Zeile in Kapitalis folgen. Die Dekoration der »Egil«-Handschrift ist zurückhaltend und vereinigt neben den unterschiedlichen Schriften auch zwei verschiedene Dekorationsstile, wodurch die Datierung noch komplizierter wird. S. 1 trägt in Bleistiftkapitalien im oberen Seitenrand den Titel. Eine zweizeilige Kapitelüberschrift in Bleistiftkapitalien ist dem Text, der durch eine vierzeilige Initiale in Sepia begonnen wird, vorangestellt. Der Wortrest wird nicht – wie sonst bei Morris üblich – herausgehoben. Die Kapitelbezeichnung »Chap« mit römischer Nummerierung und die Kapitelüberschriften sind zunächst in roter Tinte ausgeführt.641 637 Ebd., S. 63. 638 Dunlap 1972/1976, S. 260. 639 Die zwei Blatt Whatman-Papier, fol. 10r–11v, tragen Text bis fol. 11r, Zeile 15. Eingebunden in Morris’ Bibliothekskatalog von 1890, Einband aus dunkelrotem Levante-Maroquin von Katherine Adams. Prov.: Jane Morris 1896 an S. C. Cockerell – SCC 1956, Los 87 – Sammlung Major J. R. Abbey – Bernard H. Breslauer – Christie’s, New York, 21.3.2005, Los 114 – Mark Samuels Lasners Sammlung in der University of Delaware Library, Newark (Kall.). Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1553, S. 691. Die »Haldor«-Kursive mit Serifen besitzt die Charakteristika der »Egil«-Schrift : Majuskeln, deren Striche und Stämme geschwungen sind, und Minuskeln mit ausgeprägten, nach rechts geneigten Ober- und Unterlängen. Es finden sich das f mit flagella, das H mit einem längeren, leicht eingerollten rechten Stamm, das E, das in die folgende Zeile hinunterreicht. Der »Haldor«-Text ist in 16 Zeilen je Seite geschrieben. Die Seiten sind durch die Linien des Schriftfeldrahmens in neun Kompartimente geteilt. Zur Schrift ausführlicher : Dunlap 1972/1976, S. 259–260. 640 Siehe Cockerells dem Bibliothekskatalog beigefügte Notiz : »in another calligraphic hand – used by Morris on other occasions – e.g. for the manuscript of Hen Thorir &c written in 1873–4 and given by Lady BurneJones in 1909 to the Fitzwilliam Museum, Cambridge«. 641 So verwendet Morris hier anfangs die Bezeichnung »Chapt :«, dann wie in früheren Handschriften nur »Chap«. Diese Änderung in der Kapitelbezeichnung mag in Nachlässigkeit und dem Festhalten an alten Gewohnheiten begründet sein.
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Auf S. 18 verwendete Morris zum ersten Mal graue, auf S. 23 hellrote und auf S. 54 purpurfarbene Überschriften, wobei kein Rhythmus in der Farbwahl zu erkennen ist. Entsprechen die Überschriften der ersten Kapitel noch der Schrift des Textes, so sind die Überschriften ab S. 18 (Kap. VII) in einer sehr bewegten, phantasievollen Schrift ausgeführt, die auch ein f mit »Peitschenschwung«-Oberlänge aufweist. Auf S. 50 beruhigt sich die Schrift kurz, um ab S. 55 wieder reicher gestaltet zu werden. Die den Text einleitende, in Sepia eingetragene T-Initiale wird von detailliert eingezeichneten Weißranken umschlungen, die mit Blüten sowie Halbblättern besetzt sind, knollenartige Verdickungen aufweisen sowie nach oben und unten in den Seitenrand hineinwachsen (Abb. 52). Ihre in große Blüten mündenden Ausläufer werden im Seitenrand von Abb. 52 William Morris, The Story of Egil, um 1874, Linienwerk mit gefederten Pollen begleitet. Ist The Society of Antiquaries of London, MS 907, S. 1. die Initialdekoration des Oxforder »Rubáiyát« By kind permission of the Society of Antiquaries of durch die gestaffelten Rankenstämme und die London. Doldenblüten enger den italienischen Vorbildern verpflichtet, so zeigt die »Egil«-Initiale in den phantasievollen Blüten, der glatteren Rankengestaltung und dem üppigen Fleuronnée eine enge Verwandtschaft zu den Initialen der »Oden«-Handschrift. Nur die Anordnung der sich überkreuzenden Ranken ähnelt derjenigen des Oxforder »Rubáiyát« (BLO, MS Don. f. 3, fol. 1r ; Abb. 51). Die folgenden Kapitel werden durch zweizeilige Initialen ohne Initialquadrat begonnen, die in farbiger Tintenzeichnung mit stilisierten Blüten- und Blattzweigen, Fleuronnée, seltener mit naturalistischeren Zweigen oder mit abstrakten Linienarrangements verziert sind, wobei die lineare Dekoration auch die z. T. phantasievollen und in reichen Schlaufenbildungen auslaufenden farbigen Kursivmajuskeln des Wortrestes einfasst.642 In einigen Fällen schmückt Morris den Buchstabenkörper selbst durch die Verwendung einer zweiten Farbe oder durch abstrakte und stilisierte florale Motive.643 Er greift immer noch gerne auf das Motiv des diagonalen Blütenzweiges und des kreisförmig eingerollten Blattzweiges zurück, wie es die Initialquadrate der Handschriften um 1870/1871 ebenso 642 Vgl. die Weidenzweige auf S. 9, die Farnwedel auf S. 12, die Eichenblätter auf S. 5, 47. 643 Das C der Kapitelbezeichnung auf S. 23 ist wie ein halbes Blatt gestaltet. Der Stamm des K auf S. 28 ist mit einem gelben Muster aus Halbkreisen und Punkten gefüllt.
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wie die Kacheln »Bough« und »Scroll« kennzeichnet.644 Parallelen bestehen auch zu den stilisierten Farnen der Zeilenfüllung auf der Titelseite der »Halfdan«-Handschrift von ca. 1872 (PML, MA 3471).645 Für die Gesänge trug Morris am Beginn jeder Zeile einen Kapitalbuchstaben in Bleistift ein. Eventuell waren auch florale Dekorationen im Seitenrand geplant, denn auf S. 92 findet sich, nur sehr vage in Bleistift eingetragen, ein Stab, um den sich wie in den »Dwellers«-Manuskripten eine Ranke winden sollte. Die Ornamentik der »Egil«-Handschrift lässt sich hinsichtlich der Weißrankeninitiale mit dem Oxforder »Rubáiyát« und den »Oden« verbinden, während die farbige kalligraphische Dekoration Parallelen zu dem in der Datierung komplizierten »Haroon«-Fragment besitzt (BLO, MS Eng. misc. d. 265, fol. 2–7). Deutet die Schrift darauf hin, in der »Egil«-Handschrift eine frühe Handschrift der Gruppe aus der Zeit 1873/1874 zu sehen, legt die Ornamentik eher eine Entstehung vor der letzten Handschrift der Gruppe, den »Oden«, nahe.646 Dunlap datierte sie um 1874.647 Die Tintenzeichnungen der »Egil«-Handschrift erinnern an Dekorationen in John Lydgates »Metrical Lifes of Saints Edmund and Fremund« (BL, MS Harley 2278). Initialbuchstaben werden hier durch Linienornamente und stilisierte Blattzweige in Tinte ausgezeichnet, feine Blattranken mit Goldpollen befinden sich als Initialbegleitung im Seitenrand. Morris stellt sich mit dieser Handschrift in die Tradition der kalligraphischen Dekoration durch die Schreibmeister, im Gegensatz zu der umfassenderen Malerei und Ornamentierung durch die Illuminatoren. Durch die Verwendung leuchtender Farbtöne – besonders Gelb und Grün –, deren Intensität durch den Kontrast mit dem Weiß der Seite gesteigert wird, entsteht ein ungewöhnlich bunter und lebendiger Eindruck. Dieser Effekt wird durch die leichte, zierliche, durch keine Einfassung begrenzte Ornamentik unterstützt. Auch Dunlap stellte fest : »the whole decorative effect is much lighter than heretofore«.648 Die Art der kalligraphischen Dekoration gibt der Handschrift eine Stellung zwischen den illuminierten Manuskripten und einer Reihe von Textabschriften Morris’, die sehr zurückhaltend in Tinte dekoriert sind.649 Diese Reihe umfasst auch einen der vier Bände von Morris’ Übersetzung des französischen »Lancelot du Lac«-Romans. Drei der Bände (SoA, MS 905/1–3) besitzen keine kalligraphischen Dekorationen, sondern weisen lediglich eine Markierung der Kapitel durch Alinea-Zeichen, Majuskeln und rote Auszeichnungsschriften auf.650 Den vierten, 644 645 646 647 648 649 650
Vgl. S. 16, 40, 47. Vgl. S. 47, 54. Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 265. Ebd., S. 422. Dunlap 1976, S. 62. Zur Schrift dieser Handschriften ausführlicher : Dunlap 1972/1976, S. 250–259. Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1519, S. 683–684. Sie sind auf blauem, liniertem Papier mit Wasserzeichen von 1870 und 1872 geschrieben. Der Text ist in einer Kursive ausgeführt, die durch die leichte Rechts-
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unvollendeten »Lancelot of the Lake«-Band (SoA, MS 905/4) führte Morris vermutlich für sich selbst aus, nachdem sich die erste Übersetzung im November 1873 bei Charles Fairfax Murray befand.651 Die Schrift ähnelt in den Buchstabenproportionen und einigen der Buchstabenformen derjenigen der »Egil«-Handschrift und fällt durch phantasievolle Majuskeln wie in den »Three Icelandic Sagas« auf. C und E reichen in die folgende Zeile hinunter, während das S spiralig um einen Diagonalstrich gewunden ist. Das G besitzt eine j-förmige Unterlänge, die untere Rundung des B wird gerne offen gestaltet. Die ausgeprägten Ober- und Unterlängen der Buchstaben verschränken sich miteinander. Der Querstrich des t wird vielfach über das Wort hinweg zum Wortende geführt und schafft eine Verbindung zum folgenden Buchstaben ; das w wird durch einen Querstrich horizontal geschlossen. Diese Betonung der Horizontalen unterstützt den durch die Verbindung der Ober- und Unterlängen entstehenden »gewebten Effekt«.652 In den oberen Seitenrand fügt Morris in Hellrot oder Purpur mittig die Zusammenfassung des Seitengeschehens ein.653 Morris leitet die Handschrift durch ein Alinea-Zeichen ein, das er mit einer vertikalen Zackenleiste ausstattet und an das sich sieben Zeilen mit dem Titel und der Zusammenfassung in roter Tinte anschließen. Rote Alinea-Zeichen und Zusammenfassungen leiten neben zwei- oder dreizeiligen Initialen und dem in Majuskeln neigung, die hohen Ober- und tiefreichenden Unterlängen gekennzeichnet ist. Die dreibändige Fassung stammt vermutlich aus Murrays Besitz. SoA, MS 905/1 : S. 1–166, ohne Dekoration ; MS 905/2 : S. 167–285, Alinea-Zeichen und Kapitelzusammenfassungen am Kapitelanfang, Kapitelanfänge, die Absätze z. T. eingeleitet durch das erste Wort in Majuskeln ; MS 905/3 : Initialen GBJ (Georgiana Burne-Jones) auf Vorsatzpapier eingetragen, S. 1- 97, 98–294, 294–307. Alinea-Zeichen und Zusammenfassungen am Kapitelanfang, rote Seitenüberschriften mit Zusammenfassung des Seitengeschehens, erstes Wort des Kapitels und z. T auch der Absätze in Majuskeln. Vgl. May Morris, in : CW IX, S. xxviii. Zu Morris’ Vorlage : Lancelot du Lac, 3 Bde., Paris 1533, Bibliothekskataloge von ca. 1876, YCBA, fol. 5v, und 1890/1891, Bridwell Lib., fol. 32r, Nr. 406. 651 76 S., blaues, liniertes Papier mit dem Wasserzeichen 1874, nur die Rectoseiten beschrieben, 325 × 195 mm, 34 Z./S., Einband aus rotbraunem Maroquinleder mit Goldgeprägung, gestempelt : Leighton Brewer St. W. Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1520, S. 684. Ein Fragment in zwei Kolumnen aus der Bibliothek Emery Walkers in der CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, vgl. ebd., MoW 1520.5, S. 684. Vgl. Morris’ Brief an Charles Fairfax Murray vom 5.11.1873 : »As to my Lancelot : I think in any case I should like to make another MS of it again myself ; also in any case you shall have the present MS. So if you think you could send it me safely I should be very glad to have it at once : otherwise it must wait till I see you«, zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 215, S. 204. May Morris, in : CW IX, S. xx. In Morris’ Bibliothekskatalogen von ca. 1876 und 1890/1891 sind zwei Bände des »Lancelot du Lac« aufgeführt, YCBA, fol. 2v, Nr. 13, und Bridwell Lib., fol. 31r, Nr. 396. 652 Zum Begriff vgl. Dunlap 1976, S. 62. Eine ähnliche Schrift verwendete Morris auch für seine Handschrift »The Story of the Men of Weaponfirth« (CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Y7/EWL Y7), bei der die Titelüberschrift in Kapitalis, die Kapitelbezeichnung (Chap : mit arabischer Ziffer) und das erste Wort des Kapiteltextes in Kapitalis mit zweizeiliger Initiale in rotbrauner Tinte geschrieben sind. Zur Schrift siehe Dunlap 1972/1976, S. 255–259. 653 Seitenüberschriften finden sich auf den S. 1–54, 64–65, 73–75.
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geschriebenen Wortrest, die beide in schwarzer Tinte ausgeführt sind, im Folgenden die Kapitel ein. Seltener finden sich am Anfang rote oder hellpurpurfarbene Majuskel-Worte. Der Textanfang der Handschrift wird durch eine sechszeilige kalligraphische Initiale I mit spitz zulaufenden Verdickungen an Stamm und Deckbalken sowie eingerollten Enden ausgezeichnet. Der folgende Buchstabe, ein N, wird durch die schwungvolle Verlängerung seines Diagonalstrichs mit dem I verbunden. Die Initialen sind in der Textschrift gehalten, werden aber durch die Schlaufenbildung an den Buchstabenenden aufwendiger gestaltet. Als weitere Dekorationselemente verwendet Morris, wenn auch zurückhaltend und in einem höheren Abstraktionsgrad als auf den »Egil«-Seiten, stilisierte Blätter, Schlaufen und kurvige Linienarrangements, die Buchstabenfreiräume füllen und den Buchstabenkörper begleiten. Eine ähnliche Dekoration der kursiven Majuskelinitialen durch stark stilisierte florale Elemente findet sich in Morris’ »The Tale of Hogni and Hedin« (CAGM, B 26).654 Hier begleiten z. B. mit grüner Tinte eingezeichnete, linear stilisierte Blattranken die Schrift in schwarzer Tinte im oberen Drittel des inneren Seitenrands, reichen in den oberen hinein und drehen sich auf Höhe der Initiale kurvig ein. Zusammenfassung
In der stilistischen Untersuchung der Handschriftengruppe bestärkt das Ornament eine Abfolge, die auf der zunehmenden Ausbreitung des Ornaments und der Lösung von kunsthistorischen Vorbildern beruht : Von den noch relativ eng an den italienischen Handschriften orientierten »Three Icelandic Sagas« und »King Hafbur and King Siward« über die Mischung mit Phantasieblumen und Goldpollen im Oxforder »Rubáiyát« und dem »Egil«-Manuskript zu den »Oden«. So kann eine Datierung der »Egil«-Handschrift um 1874 vermutet werden. Als Erklärung für das Nebeneinander zweier Ornamentstile könnte angeführt werden, dass Morris hierbei Vorbildern von Renaissance-Handschriften folgte, bei denen oftmals nur die Initiale und der Rahmen der ersten Seite farbig und prächtig von einem Miniaturmaler gestaltet wurden, während die Dekoration und Ornamentierung der Textinitialen in den Händen der Schreiber oder Rubrikatoren verblieb. Der Wechsel von Weißrankeninitiale mit Kapitalbuchstaben zu farbigem Fleuronnée-Ornament mit kursiven Majuskeln könnte darauf zurückgehen, dass Morris an der »Egil«Handschrift zu verschiedenen Zeiten arbeitete und vielleicht mit dem Text noch vor den »Sagas« begann, die letzten Seiten während seiner Arbeit an dieser Handschrift ausführte und die Initiale der ersten Seite erst zu einem Zeitpunkt einfügte, als er schon an den 654 Greensted/Wilson 2003, Kat. Nr. 203 auf S. 148, Abb. 67 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1603, S. 704 : datiert um 1873. Die Schrift ist durch weit ausgezogene Deckbalken, eine Schlaufe an der Oberlänge des h und d, eine etwas eckige Unterlänge des g, den lang ausgezogenen Querstrich des t und schwungvolle Abstriche sowie die Unzialform des e gekennzeichnet.
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»Oden« arbeitete. Dunlap wiederum vermutete, dass Morris die Initiale am Textanfang der »Egil«-Handschrift erst zu dem Zeitpunkt einzeichnete, als er die letzten Seiten der Handschrift in einer mit den »Three Icelandic Sagas« vergleichbaren Schrift ausführte.655 Erschwert wird die Datierung des Manuskriptes auch durch einen Brief Morris’ an Algernon Charles Swinburne vom 21.12.1869, in dem er über die »Egil«-Saga berichtet : »The whole story is very remarkable, admirably written and full of incident, but the most distinctly northern of all the Sagas, and Egil himself a strange savage character, though his poetry seems to me to have been really fine, but quite untranslatable«.656 Kelvin überlegte davon ausgehend, ob Morris vielleicht schon 1869 an dem »Egil«-Manuskript gearbeitet habe, was jedoch auf Grund der Ornamentik und der Schrift als unwahrscheinlich gelten muss.657 Es bleibt nur anzunehmen, dass der Brief den bereits von Morris früh gefassten Entschluss dokumentiert, sich mit dieser Saga zu beschäftigen und zugleich eine mögliche Erklärung gibt, warum er diesen Text niemals in seiner Übersetzung publizierte. 3.7.5 »Haroon al Rasheed«
Die bereits erwähnte Handschrift »Haroon al Rasheed« (BLO, MS Eng. misc. d. 265, fol. 2–7) umfasst zwei Geschichten sowie den Teil einer dritten, die dem Leben des Jaffier gewidmet sind. Den Text übernahm Morris aus Jonathan Scotts »Tales, Anecdotes, and Letters, translated from the Arabian and Persian« von 1800 (Shrewsbury), das sich in seiner Bibliothek befand.658 Morris schrieb den Text von S. 260–267 und 269 nieder, wobei er zwei kürzere Textteile, die nicht mit der Jaffier-Geschichte verbunden sind, ausließ.659 Er besaß ein großes Interesse an orientalischer Literatur und Kunst wie nicht nur seine verschiedenen Handschriften des »Rubáiyát« bezeugen, sondern auch seine Bearbeitung 655 656 657 658
Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 271. Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 96, S. 100–101. Ebd., S. 101, Anm. 4. Morris’ Bibliothekskatalog von ca. 1876, YCBA, fol. 13r. Der Katalog führt als weitere orientalische Literatur aus dem Kontext der »Arabischen Nächte« auch die sechsbändige Übersetzung Scotts der »Arabian Nights« von 1811 sowie William Hay Macnaghtens und Henry Torrens »The Book of the 1000 Nights and one Night from the Arabic of the Aegyptian MS«, Calcutta 1838, und »The Thousand and One Nights« in der Übersetzung durch Edward William Lane, London 1865 (Holzstiche von William Harvey), auf, YCBA, fol. 12v ; Bibliothekskatalog von 1890/1891, Bridwell Lib., fol. 6r, Nr. 47, fol. 45, Nr. 596, fol. 5, Nr. 42. Weitere Ausgaben im Bibliothekskatalog von 1890/1891 : »Contes inédits de mille et une nuits extraits de l’original arabe par M. J. de Hammer«, 3 Bde., Paris 1827 ; John Payne, Arabian Nights. The Book of the Thousand Nights and One Night, 9 Bde., London 1882 ; ders., Tales from the Arabic, 3 Bde., London 1884, Bridwell Lib., fol. 5r, Nr. 43 ; fol. 47r, Nr. 620, 621. Der Auktionskatalog vom Dezember 1898 listet die sechsbändige Scott-Übersetzung von 1811 und Scotts’ »Tales« von 1800, die Ausgabe der »Arabian Nights« von E. Stanley Poole in der Lane-Übersetzung von 1865, 3 Bde., sowie diejenige der Villon Society (Hrsg. John Payne) in 13 Bänden von 1882–1889 auf, WM 1898, Los 15, 14, 13. 659 Die Texte stammen aus dem Teil »Oriental Anecdotes from the Tafet al Mujjaliss, &c.«.
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der Geschichte »The Story of the King and his Son and the Damsel and the seven Weezers« aus den »Arabian Nights« für seine Dichtung »The Man who never Laughed again«, die im dritten Band des »The Earthly Paradise« erschien.660 In seiner Bibliothek befanden sich neben einer Anzahl von Büchern zu Literatur und Geschichte des Orients auch einige wenige orientalische Handschriften.661 Morris verwendete in dem Fragment eine mit breiter Feder geschriebene dunkle gerundete Kursive, deren Oberlängen sich nach rechts neigen, während die Unterlänge des f sich leicht nach links einrollt.662 Die Majuskeln sind relativ groß, von etwas ungewöhnlicher Form und dynamischer Zeichnung, wobei einige Kennzeichen der Kalligraphie des 16. Jahrhunderts aufnehmen, wie das N mit Unterlänge am rechten Stamm.663 Dunlap wies mit Recht daraufhin, dass diese Merkmale eine gewisse Verbindung zu Buchstabenformen in frühen Handschriften von Morris wie der ersten »Dwellers«- oder der »The Story of the Volsungs and Niblungs«-Handschrift besitzen (BLO, MSS Eng. misc. c. 265, Eng. misc. d. 268).664 An Morris’ frühe Schriften lassen auch der schwungvolle Deckbalken des T, das R mit einer geschwungen Unterlänge, das an der unteren Schlaufe oftmals geöffnete g denken. Eine Entstehungszeit um 1869/1870 ist jedoch auf Grund des Wasserzeichens des Papiers von 1872 und der Art der Initialornamentik nicht möglich.665 Wie in dem »Egil«-Manuskript besitzt das H einen längeren, nach rechts geneigten rechten Stamm. Dunlap verband die Schrift mit einer Seite, auf der Morris mehrere Schriftformen, darunter auch solche nach Mustern von Arrighi ausprobierte.666 Dieses Blatt, das mit Fragmenten der »Heimskringla« und mit sieben Blättern mit Texten der »Aeneis« eingebunden ist, trägt auf der Rückseite ebenfalls einen Text aus der »Aeneis«,
660 May Morris, in : CW V, S. xxi, xxiv. Sie bezieht sich dabei auf die Ausgabe der »Arabian Nights« von Lane von 1865. Diese Geschichte aus »1001 Nacht« besaß nach Morris’ Angaben Ähnlichkeit zu der isländischen Sage von Hogni and Hedin, an deren Edition in »Three Northern Love Stories and Other Tales« (London 1875) er nach seiner isländischen Reise vom Sommer 1873 gemeinsam mit Magnússon arbeitete, Brief Morris’ an Henry Buxton Forman vom 8.12.1873, Kelvin 1984 I, Nr. 217, S. 206. 661 Vgl. Morris’ kalligraphischen Bibliothekskatalog von ca. 1890 : »The Shah Nameh of Firdusi, MS on oriental paper with a great many miniatures, very bold and ornamental. Persian of the seventeenth century« ; »A vol. containing 31 carefully painted miniatures, illustrations seemingly of stories. Delhi work of the seventeenth or eighteenth century, beyond the ordinary for the most part«, Kall., fol. 1v/2r. 662 Zur Schrift : Dunlap 1972/1976, S. 266. 663 Ebd., S. 267 ; Dunlap 1976, S. 63. Fairbank bemerkte, dass diese Schrift, wenn auch recht vage, eher Tagliente als Arrighi verpflichtet sei, Fairbank 1961, S. 6. 664 Vgl. Dunlap 1976, S. 63. Vgl. aber auch einige der Majuskel-Formen in den Seitenrändern der »Bellerophon«Abschrift, BL, MS Add. 45301, die durch die Verbindung mit dem »The Earthly Paradise« ebenfalls 1869 zu datieren ist. 665 Vgl. Dunlap 1976, S. 63. 666 Die Gemeinsamkeiten liegen u. a. in der Gestaltung des w, den geschwungenen Oberlängen und dem geöffneten g, Dunlap 1972/1976, S. 267.
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die Morris vermutlich am Ende des Jahres 1874 begann, aber vielleicht schon seit 1873 geplant hatte.667 Das Seitengerüst des »Haroon«, das über die Seitenränder hinweg geführt wird, und die Seitenzahl, die allerdings nur für S. 1 angegeben ist, sind in Sepia eingetragen. Der Text wird durch drei zwei- bzw. dreizeilige Initialen mit Wortrest in Kapitalis untergliedert, die jeweils die Geschichten einleiten. Der farbige Initialbuchstabe füllt die ganze Höhe des in Bleistift eingetragenen Initialquadrats und ist mit dichtem Rankenwerk, Blüten und Halbblättern nach Art der italienischen Weißranke sowie mit Akanthus in schwarzer Tintenzeichnung hinterlegt, wobei das Ornament das gesamte Quadrat überzieht. Gerade die Gestaltung der dritten Initiale (fol. 6r, S. [9]), bei der die schwungvoll und dicht arrangierten, den Buchstaben auch überschneidenden, sich kreisförmig einrollenden Akanthusblätter die Seiten des Quadrats berühren und dadurch eine nahezu geschlossene Hinterfangung des Buchstabens bieten, legt nahe, in dem Bleistiftquadrat nur eine Kompositionshilfe zu sehen. Auf S. 1 (Abb. 53) schließen sich an das Initialfeld, die Linien des Seitengerüsts begleitend, links und oben in kreuzförmiger Anordnung Fleuronnée-Stäbe in Hellpurpur und Gold an,668 und auf fol. 5r (S. [7]) wird das mit grünen Fleuronnée-Linien und stilisierten Blättern gefüllte Initialfeld durch blau-grüne Fleuronnée-Ornamente ergänzt. Das Fehlen des Fleuronnée ist bei der dreizeiligen Initiale auf fol. 6r (S. [9]) wohl nicht auf einen Wechsel des Konzepts, sondern auf den unvollendeten Zustand der Seite zurückzuführen. Von den Initialen der anderen Handschriften Morris’ aus der Zeit um 1873/1874 unterscheiden sich die des »Haroon« durch die zurückhaltende Farbgebung und den üppigen Gebrauch von abstraktem Linienfleuronnée. Diese Art der kalligraphischen Buchstabendekoration findet sich in Handschriften des späten 13. bis frühen 15. Jahrhunderts. Morris ließ sich wohl von diesen Vorbildern zu den phantasievollen, von der Initiale ausgehenden Linienarrangements und ihrer Verbindung mit stilisierten floralen Motiven in einer reduzierten, sich aus zwei oder drei Tönen zusammensetzenden Farbigkeit anregen.669 667 PML, MA 4011. Fairbank 1970, S. 69 ; Morris & Co. 1975, Kat. Nr. 154 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 487. 668 Vgl. ein ähnliches kreuzförmiges Arrangement : Lateinische Bibel, Zwolle und Flandern, 1451 und nach 1509, BL, MS Royal 1 C. v, Abb. in Wyatt/Tymms 1860/1987, Taf. 21 zum 14. Jh. 669 Vgl. z. B. BL, MSS Royal 20 D. vii (Chroniques de France, Flandern, spätes 15. Jh.), Lansdowne 463 (Antiphonarium, East Anglia, 2. Viertel des 15. Jh.s), Add. 11435 und 12009, Arundel 57 (Michael de Northgate, Ayenbite of Inwyt, Canterbury, 1340), Abb. in Wyatt/Tymms 1860/1987, Taf. 2 zum 13., Taf. 3, 4 und 23 zum 14. Jh. Zur Verbindung von Fleuronnée und Blattformen : Chronicles of Thomas de Walsingham 1392, BL, MS Royal 13 E. ix, Abb. in : ebd., Taf. 5 zum 14. Jh. S. a. englische Handschriften der Zeit von 1450 bis 1470 : BLO, MSS Bodley 423, 741/742. Für etwas einfachere kalligraphische Dekorationen s. z. B.: BL, MS Arundel 490 (Gratian, Papst Alexander III., Decretum, Paris oder Sens, letztes Viertel des 12. Jh.s), Abb. in : ebd., Taf. 1 zum 13. Jh. Vgl. a. Humphreys 1849/1995, S. 16 : BL, MS Royal 6 E. ix, um 1320 (siehe a. Wyatt/ Tymms 1860/1988, Taf. 13 zum 15. Jh.), und Lansdowne 463 (Sir John Mandeville, Thomas Walsingham, Historische und geographische Werke, England, zwischen Ende des 14. und 1. Viertel des 15. Jh.s). Vgl.
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Die »Haroon«-Handschrift war wahrscheinlich nicht als eine reich geschmückte Handschrift geplant, sondern als eine in der Tradition der Schreibmeister des Spätmittelalters und der Renaissance stehende Handschrift. Wie auch in den »Rubáiyát«-Handschriften versuchte Morris nicht, in stilistischen Elementen oder einzelnen Dekorationsmotiven auf den exotischen Ursprungsort der Texte anzuspielen, obwohl er illuminierte persische Manuskripte kannte und später auch in seiner Sammlung verwahrte. Zwar verwendete er Fleuronnée und Akanthusblätter auch in den »Oden«, doch verzichtete er in der »Haroon«-Handschrift auf Goldpollen, Punktrosetten, farbige Gründe und weitgehend auch auf florale Ornamente im Weißranken-Stil. Lediglich das Rankenwerk und der Blütentypus des ersten Initialfeldes lassen an diese Ornamentform denken. Die knappe Einpassung der Majuskeln in die Quadrate in der »Haroon«-Handschrift, die sich z. T. auch in den »Oden« von 1874 finden lässt, prägt ebenfalls die Initialen der »Aeneis«-Hand- Abb. 53 William Morris, Haroon al Rasheed, um 1873, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 265, S. 1. schrift (englischer Privatbesitz), mit der Morris wohl seit Ende 1874 befasst war. Die »Haroon«- Photo Bodleian Libraries, The University of Oxford. Blätter können somit vielleicht, auch in Anbetracht der von Dunlap festgestellten Verbindung zur Schrift des Probeblatts mit »Aeneis«Text auf der Rückseite (PML, MA 4011), in die Zeit zwischen der Beendigung der »Oden« und den Beginn der »Aeneis« gesetzt werden. Dieses würde eine Datierung ans Ende des Jahres 1874 nahelegen. Vorder- und Rückseite dieses Probeblattes müssen allerdings nicht unbedingt zur gleichen Zeit beschrieben worden sein, so dass der »Aeneis«-Text nur eine bedingt sichere Datierungshilfe darstellt.
auch mit den in den Zwischenräumen der Tintenlettern spiralig eingerollten Akanthusblättern in BL, MS Harley 2278.
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3.8 Vergils »Aeneis« Die unvollendet gebliebene Handschrift »P. Virgilii Maronis Aeneidos« (Privatbesitz) bildet Morris’ letztes großes Handschriftenprojekt, an dem er vielleicht schon 1873, gewiss aber 1874 bis 1875 arbeitete. Nach Mackail begann er damit Ende 1874, doch schien das Vorhaben, eine solche Handschrift auszuführen, bereits 1873 zu bestehen, falls die Datierung einiger Entwurfszeichnungen von Edward Burne-Jones zu dem Projekt zutreffend ist.670 Dieser führte die Zeichnungen für Miniaturen und historisierte Initialen in seinem Werkverzeichnis mit den Werken des Jahres 1873 und 1875 auf.671 Sie entstanden – wie Briefe und ein Eintrag in Burne-Jones’ »List« belegen – wohl ausschließlich am Sonntagmorgen : »Every Sunday morning you may think of Morris and me together – he reads a book to me and I make drawings for a big Virgil he is writing – it is to be wonderful and put an end to printing«.672 Am 5.9.1874 schrieb er an Murray : »[…], but until 1.00 o’clock, I shall be engaged with Mr. Morris designing for his Virgil – a thing not lightly to be put off or interfered with«.673 Das Pergament für die Handschrift bezog Morris wieder aus Italien über Murray, den er seit Anfang 1874 um größere Lieferungen bat.674 Die »Aeneis« des römischen Dichters Publius Vergilius Maro (70–19 v. Chr.) berichtet von der Reise des aus Troja geflüchteten trojanischen Prinzen Aeneas, Sohn der Venus 670 Mackail 1995 I, S. 303. May Morris datiert Burne-Jones’ Zeichnungen in den Winter 1874/1875, May Morris, in : CW XI, S. xxi. 671 »List of my designs, drawings and pictures from 1856 when I began to draw« (FMC), S. 20, 23. Bell erwähnt Burne-Jones’ Arbeiten für die »Aeneis« unter den Werken aus den Jahren 1873 und 1875, Bell 1903, S. 51, 52. Fortunée de Lisle listet die 29 Entwürfe zur »Aeneis« aus der Sammlung L. Hodson (FMC, Inv.-Nr. 1183.1–29) unter den Jahren 1873/1874 auf, Lisle 1907, S. 189. 672 Brief Burne-Jones’ an Charles Eliot Norton vom Winter 1874, zit. nach : GBJ 1993 II, S. 56. Im August 1875 las Morris, der Burne-Jones sonntags in dessen Haus »The Grange« besuchte, beispielsweise aus Arbeiten Scotts vor, vgl. Brief Burne-Jones’ an C. F. Murray vom 14.8.1875, HRC ; FMC, Burne-Jones Papers XXVI, fol. 67–68. Vgl. Burne-Jones’ Brief an Murray vom 2.12.1874, HRC : »[..] we are hard at the Virgil which goes apace – & the Sunday morning readings still go on«. 673 HRC, teilweise zit. bei Elliott 2000, S. 58 ; FMC, Burne-Jones Papers XXVI, 16. Brief, fol. 62r ; »List …«, FMC, S. 23 (»and many designs for the Aeneid on all Sunday mornings«). 674 Vgl. Brief Morris’ an Murray vom 18.2.1874, in : Kelvin 1984 I, Nr. 225, S. 213–214. Weitere Bestellungen sowie Bestätigungen zum Eintreffen von Lieferungen in Morris’ Briefen an Murray vom 9.3.1874, 26.3.1874, 1.6.[1874 ?], 11.3.1875, 27.5.[1875], ebd., Nr. 229, 231, 237, 265, 273, S. 216–217, 219, 224, 245–246, 254. Zum Pergament siehe die auf den Briefen basierenden Zusammenfassungen bei : Stokes 1963, S. 24–27 ; May Morris, in : CW IX, S. xxvi-xxvi. Vgl. a. zum Kaufen und Senden von Pergament im Auftrag von Morris : Murrays Diary für 1874, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.27, Einträge zum 4.3., 29.4., 16.5., 19. und 20.5.1874 (am 20. Mai versendete Murray 180 Häute an Morris), und sein Diary für 1875, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.28, Einträge zum 13.2., 17.3., 19.3., 23.3., 3.5., 4.5., 6.5.1875. Vielleicht bezieht sich ein Brief Morris’ an Murray vom 9.9.1874 auf dessen Pergamentkäufe oder seine Beteiligung an einem der Buchmalerei-Projekte : »I have told the clerk to do up the vellum for you if you go to the office for it«, Kelvin 1984 I, Nr. 247b, S. 231.
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und des Anchises, und seiner Begleiter nach Italien. Vergil lässt Aeneas zum sagenhaften Gründer des römischen Herrschergeschlechts werden und manifestiert in dieser mythischen Herleitung den Anspruch Kaisers Augustus’ auf die Regierungsmacht. Brinton vermutete, dass Morris der Textedition von John Conington folgte.675 Diese drei Bände umfassende Ausgabe von Vergils »Opera«, 1865–1875 (2. Auflage ; die erste Auflage 1858–1871), befand sich in Morris’ Bibliothek.676 Morris besaß außerdem Caxtons Ausgabe der »Aeneidos« in der Publikation durch die »Early English Text Society«, die Übersetzung in englischen Versen »Virgilius, The Thirteene Bookes of Aeneidos« von Thos. Phaer und Thos. Twyne, B. Alsop, London 1620 (1584), und die 1517 bei Joc. Sacon, Lyon gedruckte »Opera Vergiliana« (2 Bde.) mit den Holzschnitten der Straßburger Ausgabe von 1502 (die von Johannes Grieninger oder Grüninger besorgte, mit einem Vorwort von Sebastian Brant versehene Ausgabe umfasste 214 Holzschnitte).677 Morris’ Bibliothekskatalog von 1890/1891 listet weiterhin englische Vergil-Übersetzungen der Jahre 1873/1874 auf.678 Er erwarb auch, allerdings erst nach 1876, eine italienische Pergament-Handschrift aus dem späten 14. oder frühen 15. Jahrhundert mit dem unvollständigen Text der »Georgica« und der »Aeneis«, die mit zwei historisierten Initialen, floralen Rahmenleisten und Initialen geschmückt ist.679 Zwar hatten Morris und Burne-Jones schon vorher Motive der Antike aufgegriffen, doch erfolgte dieses noch unter dem Vorzeichen der Kontinuität der Antike im Mittelalter, so. z. B. vor 1865 in der projektierten Gestaltung des Troja-Stoffes als Wandmalereien Burne-Jones’ in der Halle des »Red House«680 oder in dessen Kachel-Entwürfen mit den Darstellungen von Theseus im Labyrinth und von Helena und Paris.681 Hier sind die Figuren der antiken Stoffe in mittelalterlich anmutender Kleidung gezeigt, nicht unähnlich der Wiedergabe antiker Sujets in den Miniaturen mittelalterlicher Handschriften. Bei
675 Brinton 1934, S. 12. 676 WM 1898, Los 1035 ; Morris’ Bibliothekskataloge von ca. 1876, YCBA, fol. 16v, und von 1890/1891, Bridwell Lib., fol. 24r, Nr. 295. 677 WM 1898, Los 245, 1090 (vgl. Bibliothekskatalog von ca. 1876, YCBA, fol. 10v ; Bibliothekskatalog von ca. 1890/1891, Bridwell Lib., fol. 3r, Nr. 23), 1195 (vgl. YCBA, fol. 4v ; Bridwell Lib., fol. 50r, Nr. 668). 678 Die »Works of Virgil« in der Übersetzung durch Davidson, London 1873, und »Works of Virgil« in der Prosafassung von Lansdale & Lee, London 1874, Bridwell Lib., fol. 19r, Nr. 211, 212. 679 WM 1898, Los 1194, heute : HL, MS HM 1036, Ricci 1935 I, S. 82. Brief S. C. Cockerells an Estelle Doheny vom 10.4.1934, in dem er Zweifel in Bezug auf Brintons Vermutung äußerte, dass die Gestaltungselemente der Initialbuchstaben »may have been suggested by early readings among the Bodleian manuscripts or by a Gothic fifteenth century Virgil which Morris himself eventually acquired« (Brinton 1934, S. 16), Christie’s 19.5.1989, Los 2360.2, S. 82. 680 Vgl. Henderson 1986, S. 59 ; Watkinson 1988, S. 10–15 ; Harrison/Waters 1990, S. 46 ; GBJ 1993 I, S. 209 ; Mackail 1995 I, S. 158. 681 Entwürfe von 1862, FMC und BMAG, Harrison/Waters 1990, Abb. 86, 88 auf S. 68–69 ; Myers/Myers 1996, S. 20–21, Abb. 33–34.
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der handschriftlichen Fassung der »Aeneis« erfolgt dagegen in Kleidung, Haltungs- und Ornamentmotiven ein deutlicher Bezug auf die Antike selbst. 3.8.1 Die Genese der Handschrift
Von den 370 Seiten der Handschrift sind nur 177 Seiten, der Text zu den Gesängen I-VI, von Morris geschrieben (mit Ausnahme der ersten Seiten von Buch II-VI sowie der letzten Zeilen des Gesanges VI) und nur die Seiten 43–72 von ihm illuminiert. Die von Burne-Jones entworfenen historisierten Initialen wurden erst vereinzelt später hinzugefügt. Jeder der zwölf Gesänge der »Aeneis« wird – mit Ausnahme des dritten Gesanges, für den aber sein Entwurf erhalten ist – von einer halbseitigen Miniatur (ca. 140 × 130– 140 mm) eingeleitet, die von Murray nach den Zeichnungen von Burne-Jones ausgeführt wurde.682 Daran sollte sich jeweils der Textanfang in elf Zeilen von Goldkapitalis anschließen. Burne-Jones’ Entwürfe in Bleistift (FMC, Inv.-Nr. 1183.1–29)683 sind mit 1873 (Entwürfe für die Miniaturen zu Aeneis I-IV und IX–XII) und 1874 (für diejenigen zu Aeneis V-VIII), die Zeichnungen für die historisierten Initialen zumeist 1874 datiert.684 Falls die Datierungen korrekt sind, ist davon auszugehen, dass die großen, die Bücher einleitenden Ereignisse in einem ersten Arbeitsgang ausgewählt wurden, während die den Text begleitenden Dekorationen während der Textniederschrift konzipiert wurden. Der Arbeitsprozess für die »Aeneis« unterschied sich von demjenigen der früheren Handschriften : Wenn auch »A Book of Verse« 1870 und das Londoner »Rubáiyát« 1872 arbeitsteilig entstanden, so wurden doch keine eigenen Vorzeichnungen von BurneJones für die Miniaturen angefertigt, sondern Morris und Murray wählten bevorzugt Figurenmotive von Entwürfen aus, die für andere Medien angefertigt wurden. Murray komponierte die Figuren entweder in die von Morris ausgeführten floralen Randdekorationen oder stellte sie in selbst konzipierte szenische Bildfelder hinein, wobei er sich in diesem Falle weitgehend an der Textvorlage orientierte. Es muss wohl ungewiss bleiben, ob Morris oder Burne-Jones die Auswahl der Szenen für die »Aeneis«-Miniaturen und historisierten Initialen vornahm oder ob dieses in gemeinschaftlicher Absprache erfolgte. Eventuell lag die Wahl bei Morris, der mit dem Text vermutlich enger vertraut war und auf dessen Initiative das Projekt zurückging. Begeistert berichtete er Aglaia Coronio von seiner Arbeit : »I have had my nose down on my vellum all the rest of the time & am 682 FMC, Inv.-Nr. 1183–3. 683 Prov.: Sammlung Laurence E. Hodson ; Christie’s, London 25.6.1906, von J. R. Holliday erworben ; 1927 von Holliday als Vermächtnis an das FMC gegeben. Eine »illustration to Virgil« angeboten aus dem Nachlass Burne-Jones’, Remaining Works of the late Sir Edward Burne-Jones, Bart., Christie’s, London 5.6.1919, Los 149. 684 Mit 1873 datiert sind : Juno und Aeolus, mit 1875 »The Ruin of Priam«, »Iris and Dido« und die HadesSzene. Burne-Jones trug in seiner »List of my designs, drawings and pictures, from 1856 when I began to draw«, FMC, S. 20, unter dem Jahr 1873 ein : »designed […] the Aeneid for Morris«. In seinem Notebook von 1861–1882, fol. 41v, findet sich unter dem 20.9.1872 der Vermerk : »Vergil and Horace 10,-,-«.
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somewhat weary of it though I cant [sic !] help liking to see the page brighten while I am at it.«685 Morris hatte zunächst vermutlich beabsichtigt, wenigstens einen Teil der Miniaturen selbst auszuführen und arbeitete an dem Bildfeld zum ersten Gesang. In einem Brief an Murray vom 18.2.1874 berichtete er von seinen Fortschritten und Rückschlägen : »I have much improved by the way both in my ornament & my writing in that line since I saw you. Only I wish the devil I could do the pictures. A month or two ago I actually began having Colorossi here to draw from, & did some very disheartening studies from him, & at last gave it up«.686 Er wandte sich schon bald an Murray nach Italien mit der Bitte um Unterstützung : […] also I have begun one of the Master’s pictures for the Virgil : I make but a sorry hand at it at first, but shall go on at it till (at the worst) I am wholly discomforted. Meantime whether I succeed or not in the end ’twill be a long job : so I am asking you if you would do some of them, & what it would be worth your while to do them for : I think I should have to see you before you could get to work on them ; but if you dont come over here this summer, as I suppose you wont by your letter, I shall like enough be coming to Italy next year & we can talk about it then.687
Im November bekräftigte Morris seinen Wunsch, Murray an dem Manuskript zu beteiligen : »[…] I am very glad you are coming both on friendly grounds & also because I want you to undertake some of the Virgil pictures : whereof more when we meet«.688 Murray begann seine Arbeit wohl 1878, denn er vermerkte am 30.3.1878 : »traced photographs of miniatures to W. Morris’s Vergil«.689 Am 5.4. erhielt er eine erste Bezahlung für seine Arbeit an den Miniaturen.690 Die erste, von Morris ausgeführte Miniatur wurde später von Murray mit Ausnahme von Aeneas’ Gesicht überarbeitet.691 Durch die kalligraphische Abschrift der »Aeneis« wurde Morris zu einer Übersetzung des lateinischen Textes angeregt, auf die er sich seit dem 14. Dezember 1874 konzentrierte und die am 4. November 1875 bei Ellis & White publiziert wurde.692 Themen aus 685 Brief Morris’ an Aglaia Ionides Coronio vom [6.4.1874], zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 232, S. 221. 686 Zit. nach : ebd., Nr. 225, S. 214. May Morris, in : CW IX, S. xxvi, und ebd., XI, S. xxiii-xiv ; Morris 1936 I, S. 27. 687 Brief Morris’ an Murray vom 27.5.[1875], zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 273, S. 254. 688 Brief Morris’ an Murray vom 4.11.[1875], zit. nach : ebd., Nr. 296, S. 274. 689 Murrays Diary für 1878, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.30, Eintrag am 30.3.1878. 690 Ebd.: »W. Morris’s in the morning rec. £ 5 on account of miniatures«. 691 May Morris, in : CW XI, S. xxiv, s. a. ebd., S. xxiii. 692 Vgl. ebd., S. xxi. Obwohl Morris die »Aeneis« illuminierte und übersetzte, führte er den Text nicht auf seiner Liste der Bücher, »which have profoundly impressed myself«, auf, sondern spricht Vergil nur »archeological value« zu, Brief Morris’ an den Herausgeber der Pall Mall Gazette vom 2.2.1886, Kelvin 1987 II, Bd. 2, Nr. 1207, S. 514, 515.
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der »Aeneis« hatten Morris schon vor den Arbeiten an »The Earthly Paradise« in der Dichtung »Scenes from the Fall of Troy« beschäftigt, die jedoch nicht beendet wurde.693 Die übersetzerische Tätigkeit hielt ihn allerdings von der kontinuierlichen Arbeit an seiner »Aeneis«-Handschrift ab :694 »As to my illumination work it don’t get on just now, not because I shouldn’t like to be at it, but because I am doing something else with Virgil, to wit, doing him into English verse : I have got toward the end of the 7th book, and shall finish the whole thing & have it out by the beginning of June I hope«.695 Die »Aeneis« sollte Morris’ letztes umfangreiches Buchmalerei-Projekt bleiben. Die zunehmende Beschäftigung mit textiltechnischen Problemen und die Reorganisierung der Firmenstruktur hielten ihn zunächst von weiteren Buchprojekten ab.696 An Louisa Macdonald Baldwin schrieb er am 25. März 1875 : »[…] : for I am very busy both with my bread & cheese work, and also with my pleasure work of books«.697 Die Handschrift gelangte in ihrem fragmentarischen Zustand in die Sammlung von Charles Fairfax Murray. In seinem Diary von 1888 vermerkte dieser am 3.Juni : »agreed with Mr Morris to purchase his illuminated Horace for £ 100 and fragments of Vergil for £ 60. £ 25 to be added to Horace if finished«.698 Der Verkauf der »Oden« kam allerdings nicht zustande. Murray scheint in Intervallen an den Miniaturen der »Aeneis«-Handschrift gearbeitet zu haben, die einen unterschiedlichen Grad der Vollendung aufweisen.699 Er begann im Herbst 1888 mit der weiteren Arbeit an der Ausmalung, kopierte und übertrug Entwürfe Burne-Jones’ auf die Seiten.700 Ende Oktober und Ende Dezember 1888 arbeitete er an den historisierten Initialen mit Dido und Amor sowie mit Cassandra.701 Im Januar und Februar 1889 folgte die Arbeit an der Marginaldekoration mit Juno auf ihrem Wagen.702 Am 693 Publiziert in : CW XXIV. Mackail gibt für den zwölfteilig geplanten Zyklus, von dem jedoch nur sechs Gedichte begonnen wurden, eine Datierung um 1857 an, Mackail 1995 I, S. 166, 167–173. 694 May Morris, in : CW XI, S. xxi-xxii. Burne-Jones schrieb am 14.8.1875 an Murray, dass Morris »[is] finishing his Virgil and planning new empires to conquer« (HRC), zit. nach : Elliott 2000, S. 68. 695 Brief Morris’ an Murray vom 11.3.1875, zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 265, S. 246. 696 Morris zahlte 1875 seine Teilhaber aus und nannte die 1861 als »Morris, Marshall, Faulkner & Co.« gegründete Firma in »Morris & Co.« um. Zur Arbeitsbelastung : Brief Morris’ an Murray vom 27.5.[1875], in : Kelvin 1984 I, Nr. 273, S. 254–255 ; GBJ 1993 III, S. 56. 697 Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 266, S. 248. 698 Murrays Diary für 1888, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.32, 3.6.1888. 699 Vgl. Brief Seymour de Riccis an Estelle Doheny vom 5.7.1934 : »Many times did I intrude on Fairfax Murray and find him minutely completing some detail of the illumination«, zit. nach : Christie’s, 19.5.1989, Los 2360.6, S. 82. 700 Murrays Diary für 1888, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.32, Eintrag zum 17.10.1888 : »tracing and transferring miniature designs in Vergil«. 701 Ebd., zu Dido und Amor (auf S. 26 der Handschrift) siehe die Einträge zum 23. und 24.10.1888, zu Cassandra (auf S. 44 der Handschrift) am 25.10., 28.–29.12.1888 ; siehe weitere Einträge zur Arbeit an den Miniaturen am 22.10. und 5.11.1888. 702 Murrays Diary für 1889, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.33, Einträge zum 10.1., 12.1., 20.1., 3.2. und 11.2.1889. Die Juno-Darstellung auf S. 2 der Handschrift.
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19. November des Jahres lieh sich Murray für die Vollendung der Handschrift Burne-Jones’ Vergil-Zeichnungen von Georgiana Burne-Jones.703 Murray beauftragte den Kalligraphen Graily Hewitt und die Illuminatorin Louise Powell mit der Beendigung der Textabschrift und der Ausführung der Rahmen- und Initialdekorationen. Dabei kam Hewitt wohl auch die Rolle des Koordinators und Organisators zu.704 Auch die Kalligraphen W. Henry Cowlishaw und Edward Johnston waren zur Fortsetzung der Handschrift in Erwägung gezogen worden.705 So ließ Cockerell Murray am 7.7.1899 eine Probeseite zukommen, die Johnston angefertigt hatte : Here is a trial page of the Virgil, which seems to me extraordinarily well done – Johnston wants £ 100 for the six books, i.e. about 10/- a page including all materials & gold letters at the beginning of each book – of course he will make some mistakes & will have to rewrite, so I do not think the price extravagant. I dare say he would put in a little more gold if you thought well.706
Obwohl Powell und Hewitt hinzugezogen wurden, blieb das Buch unvollendet : Die Miniatur zum dritten Gesang fehlt ebenso wie viele Initialen, und die meisten der Rahmenbordüren, die den Anfang der Gesänge einleiten, sind nicht koloriert.707 Graily Hewitt schrieb den Text der beiden letzten Seiten des fünften Gesanges (S. 178– 179, S. 180 frei) und der verbleibenden sechs Gesänge, die farbigen Majuskeln im Text (nur bis S. 72 ausgeführt, danach in Bleistift eingetragen), die Seitenzahlen und -überschriften sowie die in Kapitalis gehaltenen Worte der ersten Seite jedes der Gesänge. Er führte außerdem die goldene Kapitalis-Schrift am Beginn der Bücher aus, für die Morris bereits zu Gesang I die rote Grundierung vor einem purpurgrauen Feld aufgetragen hatte. Hewitt nahm, wie das Sichtbarwerden dieser roten Grundierung an einigen Buchstabenrändern deutlich macht, in Details leichte Änderungen und Verbesserungen vor. Auch seine Korrespondenz macht deutlich, dass er – obwohl er Morris’ Schrift schätzte – einzelne Elemente kritisierte. Louise Powell versah die Anfangsseiten der Gesänge mit Rahmen aus stilisierten floralen Motiven, die Morris’ Bordüren für »The Works of Geoffrey Chaucer« in der Edi703 Murrays Diary für 1889, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.33, Eintrag zum 19.11.1889. 704 Vgl. vier Briefe Hewitts an Murray aus dem Zeitraum von 18.7.1907 bis 21.6.1910, Christie’s, 19.5.1989, Los 438, S. 81. Zum Verlauf der Arbeiten unter Hewitt und Powell siehe Anhang III. 705 Vallance 1989, S. 383 ; Brief S. C. Cockerells an Estelle Doheney vom 31.1.1934, zit. in : Christie’s, 19.5.1989, Los 2360.1, S. 96. 706 PML, MA 2271, fol. 12r. 707 Von den 17 im Fitzwilliam Museum zu Cambridge erhaltenen Entwürfen Burne-Jones’ für figürliche Randdekorationen und historisierte Initialen führte Murray nur sechs aus : Zwei in Gesang I (S. 2, 26), drei in Gesang II (S. 44, 48 nur in Umrisszeichnung, 50) und eine in Gesang VI (S. 154). Die Rahmenbordüre zu Gesang I wurde von Hewitt vergoldet, die zu den Gesängen VII, VIII und IX sind farbig ausgeführt, die übrigen verblieben in Bleistift oder Tinte gezeichnet.
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tion der Kelmscott Press von 1896 variieren.708 Die Weinlaubbordüre des ersten Gesangs basiert beispielsweise auf denen der einleitenden Doppelseite des »Kelmscott-Chaucer«. Hewitt, auf den die Idee für diese Rahmengestaltung zurückging, führte sie in poliertem Gold vor einem mattgoldenen Hintergrund aus und setzte damit einen prächtigen Anfangsakzent.709 Einige der anderen Bordüren besitzen dagegen eine eher dunkle Farbigkeit, die die Seiten schwer und etwas düster wirken lässt. Die an Morris’ Entwürfen der 1890er Jahre angelehnten Bordüren mit geschwungenen Akanthusblättern vor engen Rankengeflechten mit Blütenbesatz oder mit eng verflochtenen, sich vielfach überschneidenden und durchstoßenden Blattarrangements erdrücken durch ihre mächtige Wirkung fast die Miniaturen. Die Regelmäßigkeit, der hohe Stilisierungsgrad, die steife Ornamentanordnung, das klare Übereinanderschichten von Dekorationsebenen lassen etwas die abwechslungsreiche, lebendige und virtuose Ornamentgestaltung in den Seitenrändern von Morris’ Kelmscott Press-Büchern vermissen. Von Morris scheinen keine Entwürfe zu Rahmenleisten für die »Aeneis«-Handschrift überliefert, und auch in Briefen oder anderen schriftlichen Äußerungen ließen sich bisher keinerlei Hinweise für solche Dekorationen finden. Es bleibt somit offen, ob Morris je Rahmenornamente geplant hatte und, wenn ja, wie er sich diese vorstellte. Andererseits ist zu vermuten, dass Murray, der mit dem Projekt und Morris’ Ideen dazu vertraut gewesen sein dürfte, an dessen Wünschen zur Gestaltung der Handschrift festgehalten haben wird. Falls Morris tatsächlich Rahmenornamente plante, müsste wohl eher eine Ähnlichkeit mit denjenigen in seiner Horaz-Handschrift (BLO, MS Lat. class. e. 38) vermutet werden, die am Anfang der Gesänge Rahmenleisten aus dicht aneinandergefügten Akanthusblättern aufweisen.
708 Louise Powell erhielt den Auftrag zur Ornamentierung der »Aeneis«-Seiten wohl im November 1906, vgl. Brief Alfred Powells an seine Mutter Emma Powell vom 25.11.1906 : »we are very pleased because Lalla [Louise Powell] has been asked to finish William Morris’ Vergil […]. She has to make the little borders and chapter headings and some big letters – to illuminate with flower and things. It is such a beautiful book«, Powell Papers, Sammlung Jill Thomson-Lewis. Ich danke Dr. Jacqueline Sarsby für ihre großzügige Weiterleitung dieser Quelle. 709 »[…] a notion I think could be also extended to the opening of the Aeneid. It is one which Mrs Powell could work out with me, & consists in an adaption (not quite a copy) of a Morris border, but instead of black and white it is made wholly of gold (this being especially suitable to the Gudrun). The background is unburnished gold, the decorative growth all in raised gold«, Brief Hewitts an Murray vom 22.1.1908, HRC. Hewitt bezieht sich bei »Gudrun« vergleichend auf ein anderes von ihm ausgeführtes Handschriftenprojekt : Morris’ »The Lovers of Gudrun« aus dem »The Earthly Paradise«. 1908–1909 schrieb er den Text in Gold auf Pergament für Murray (Cambridge University Library, MS Add. 6162).
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Vergils »Aeneis«
3.8.2 Zur Frage der Vorbilder
Die Form des rechteckigen, dem Textblock vorangestellten Bildfelds, das sich bereits in früheren Handschriften Morris’ findet,710 das Einfügen von figuren- und ortsbezeichnenden Beischriften in die Miniaturen, die Wahl der strengen, würdevollen römischen Kapitalis, die in elf Zeilen der Miniatur folgt, sowie der Purpurgrund des Textfelds zum ersten Gesang (Taf. 10) lassen an spätantike Prachthandschriften oder auf diesen basierende karolingische Handschriften sowie solche der italienischen Renaissance denken.711 Nach Angaben Hewitts beruhte der Purpurgrund zum ersten Gesang jedoch nicht auf künstlerischen Erwägungen, sondern fungierte »as an expedient to cover the defect he [Morris] had found in the gesso«.712 Er empfahl deswegen, diese Purpurfärbung nicht bei den anderen Gesangsanfängen aufzugreifen, sondern sie im Sinne eines prächtigen Anfangsakzents zu nutzen.713 Ob Morris zu diesem Zeitpunkt Abbildungen spätantiker Handschriften auf Purpurpergament wie der Wiener Genesis (ÖNB, Cod. theol. graec. 31) oder des Codex Rossanensis (Rossano, Erzbischöfliche Bibliothek) kannte, ist nicht überliefert. Im Britischen Museum konnte er aber die griechische Purpurhandschrift MS Cotton Titus C. xv (6. Jahrhundert) gesehen haben oder die karolingischen, an antike Vorbilder angelehnten MSS Harley 2788 (Harley Golden Gospels, Aachen, um 800) und Add. 10546 (MoutierGrandval Bibel, Tours, um 840).714 Außerdem war er durch die Literatur zur Handschriftengeschichte über die Verwendung von Metalltinte auf Purpurpergament in Spätantike und Byzanz informiert.715 Er selbst erwähnte in seinem Aufsatzfragment von ca. 1892 die Pracht solcher byzantinischer Handschriften und verwies darauf, dass diese reiche Gestaltung nicht nur in angelsächsischen und karolingischen, sondern auch in italienischen Handschriften der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufgegriffen worden sei.716 710 Vgl. Burne-Jones’ Miniaturen zu »The Rubáiyát of Omar Khayyám«, um 1872–1873, Privatsammlung ; Burne-Jones’ Miniatur »The Two Sides of the River« in »A Book of Verse«, 1870, V&A, MSL 131–1953, S. 1 ; Murrays einleitende Miniatur zu »Frithiof the Bold«, ca. 1871/1873, Privatbesitz. 711 Dunlap erinnerte das rechteckige Schriftfeld der ersten Seite an »an ancient Roman tablett«, Dunlap 1976, S. 67. 712 Brief Hewitts an Murray vom 9.11.1906, HRC, Sotheby’s, 30.5.1961, Los 498. Der grau-purpurfarbene Grund ist unregelmäßig gefärbt, und in einigen Bereichen der linken Hälfte schimmert er leicht golden. 713 Als weitere Gründe für den Verzicht auf Purpurgrund nennt Hewitt die Langwierigkeit und Schwierigkeit der Technik, die Disharmonie zwischen dem Purpurton und den Flammen in den Miniaturen sowie die Beeinträchtigung der Lesbarkeit der Schrift, Brief Hewitts an Murray vom 9.11.1906, HRC. 714 Vgl. a. The Canterbury Royal Bible, BL, MS Royal 1 E. vi, fol. 44r : St. Augustine’s, Canterbury, frühes 9. Jh. 715 Vgl. z. B. Petrus Lambecius, Commentariorum de Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensi, 8 Bde., Wien 1665–1679, hier Bd. III (1670), Nr. 2, S. 2–15 ; Westwood 1843–1845, Taf. 4 ; Humphreys 1849/1995, S. 10 ; Shaw 1866, S. 2 ; Laing 1867, S. 3. 716 William Morris, Some Notes on the Illuminated Books of the Middle Ages (1894), in : Morris 1982, S. 7–14, hier S. 8.
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In dem Vortrag »Making the best of it« ging er in Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur Farbe auf diese Purpurhandschriften mit Metalltinte ein : At the British Museum, and one or two other famous libraries, are still left specimens of this [purple] tint, as Byzantine art in its palmy days understood it. These books are written in gold and silver on vellum stained purple, probably with the now lost murex or fish-dye of the ancients, the tint of which dye-stuff Pliny describes minutely and accurately in his »Natural History«. I need scarcely say that no ordinary flat tint could reproduce this most splendid of colours.717
So ist durchaus zu vermuten, dass es sich bei Morris’ Wahl des Purpurgrunds um einen bewussten Verweis auf das prächtige Erscheinungsbild und den spezifischen Charakter spätantiker Handschriften handelt. Als Anregung für eine Kombination aus Kapitalis und rechteckigen Bildfeldern in Breite des Textspiegels könnten die berühmten spätantiken Vergil-Handschriften – der um 400 datierte Vergilius Vaticanus und der Vergilius Romanus aus dem späten 5. Jahrhundert (Biblioteca Apostolica Vaticana Rom, Cod. vat. lat. 3225, 3867) – gedient haben.718 Morris standen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, sich über diese Handschriften und ihre Miniaturen zu informieren : So befinden sich Kopien nach den Vergilius Vaticanus-Seiten, die als eine Art frühes Faksimile bis zu Camillo Massimis Tod 1677 entstanden und Pietro Santi Bartoli zugeschrieben werden, in der British Library, MS Lansdowne 834.719 Stiche nach den Miniaturen von Bartoli, die 1677 mit Massimis Unterstützung herausgegeben wurden, und ihre Nachdrucke aus den Jahren 1725 und 1741 werden ebenfalls im British Museum aufbewahrt. Weiterhin wurden Stiche nach Pausen von Miniaturen beider Handschriften in Jean Baptiste Séroux d’Agincourts »Histoire de l’art par les monumens, depuis sa décadence au VIe siècle jusqu’à son renouvellement au XVIe« (6 Bde., Paris 1823) publiziert.720 Die dreibändige englische Fassung mit dem Titel »History of the Art by its Monuments« wurde 1847 in London herausgegeben und befand sich in Morris’ Bibliothek.721 1835 erschien Angelo Mais »Virgilii picturae 717 William Morris, Making the best of It. A Paper read before the Trades’ Guild of Learning and the Birmingham Society of Artists, ca. 1879, CW XXII, S. 81–118, hier S. 99. 718 Zu diesen Handschriften : Wright 1984, ders. 1991, ders. 1992, ders. 1993, ders. 2001. 719 Siehe zu Kopien nach Cod. vat. lat. 3225 : Wright 1993, S. 115–119 ; ders. 1991, S. 12–35. 720 Für Abbildungen zum Vergilius Vaticanus siehe Bd. V (Paris 1823), Taf. xx-xxv. Den Vergilius Romanus datierte Séroux ins 12./13. Jahrhundert und schrieb ihn einem französischen Maler zu, ebd., Bd. II Peinture (Paris 1823), S. 74–75. 721 WM 1898, Los 1117. Sowohl Henry Shaw als auch Tymms und Wyatt verweisen in »The Art of Illuminating as practised during the Middle Ages« und »The Art of Illuminating as practised in Europe from the earliest times«, die im Bibliothekskatalog von Morris von 1890/1891 (Bridwell Lib., fol. 14r, Nr. 151, und fol. 38r, Nr. 490) aufgelistet sind, auf diese Publikation (Shaw 1866, S. 2 ; Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 5–6).
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antiquae ex codicibus Vaticanus« mit Lithographien der Miniaturen von Carlo Ruspi. Es bestehen allerdings nur wenige Übereinstimmungen in der Szenenauswahl zwischen den beiden spätantiken Handschriften und Morris’ »Aeneis«.722 Auch verzichteten Morris und Burne-Jones auf die vorangestellten Autorenbildnisse wie sie sich etwa im »Vergilius Romanus« (Biblioteca Apostolica Vaticana Rom, Cod. vat. lat. 3867, fol. 9r, 14r) finden und wie Morris es selbst später für seinen »KelmscottChaucer« verwenden sollte. An spätantike Handschriften erinnern in Morris’ »Aeneis« auch die »Bildverkürzungen«, das Beschränken auf Wesentliches, die zeichenhafte Bedeutung von Details. So steht in den beiden ersten Miniaturen die Stadtmauer kürzelhaft für die Stadt, die sich der Betrachter dahinter vorzustellen hat. Dieses ermöglicht Burne-Jones eine Konzentration auf die Figuren, die auf einer Vordergrundbühne angeordnet, fast die gesamte Höhe des Bildfeldes einnehmen und nahe an den Betrachter gerückt sind. Abb. 54 British Library London, MS King’s 24, Vergil/ Angesichts der engen Parallelen zu spätan- Pseudo-Ovid, Bucolica, Georgica, Aeneis, Italien tiken Prachthandschriften ist zu überlegen, ob (Rom), zwischen 1483 und 1485, fol. 73v. © The Morris nicht eine »modernisierte« Fassung British Library Board (MS King’s 24). einer Handschrift plante, wie sie zu Vergils Lebzeiten existiert haben könnte. Dann wäre von einem bewussten Einsatz des Purpurgrunds und einem Verzicht auf Seitenrahmen am Anfang der Bücher auszugehen. Das Aufgreifen einiger antiker Elemente würde die Atmosphäre des Textes verdichten, ohne die antiken Handschriften im engeren Sinne zu kopieren. Vielleicht kannten Morris und Burne-Jones nicht nur die Vergil-Handschrift BL, MS Harley 2761 (Florenz, 3. Viertel des 15. Jahrhunderts), sondern auch die illuminierte 722 Gemeinsame Szenen : Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. vat. lat. 3225 : fol. 33v Didos Opfer, fol. 40r Selbstmord der Dido, fol. 47r Aeneas in der Unterwelt (vgl. a. fol. 9r zur Georgica mit einer weiteren Unterwelts-Darstellung, die auch Ixion umfasst), fol. 52r Der goldene Zweig, fol. 59r Lavinia ; Cod. vat. lat. 3867 : fol. 74v Iris und Turnus, fol. 77r Seesturm, fol. 100v Gastmahl der Dido, fol. 106r Dido und Aeneas in der Höhle, fol. 188v Aeneas und Turnus.
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römische »Aeneis«-Handschrift von ca. 1485/1490 (BL, MS King’s 24), die in der Anordnung der Dekorationen, in Rahmenornamenten und in Bilddetails wie Kleidung und Architektur an die Antike anknüpft.723 Die Dreiergruppe von Aeneas, Anchises und Ascanios (Initiale auf fol. 73v ; Abb. 54) und die Darstellung der Dido, die sich auf dem Scheiterhaufen ersticht (fol. 101v), weisen in Haltungsmotiven und Arrangement der Figuren gewisse Parallelen zu den betreffenden Szenen bei Burne-Jones auf. Jedem der zwölf Gesänge ist in BL, MS King’s 24 eine durch einen einfachen Leistenrahmen eingefasste querrechteckige Miniatur vorangestellt, die zwei bis vier Szenen der im Folgenden geschilderten Handlung additiv in einer Landschaft zusammenstellt und die als eine visuelle Inhaltsangabe dient, die dem Leser hilft, sich innerhalb der Handschrift zu orientieren und das Einprägen der Handlung unterstützt.724 Auf diese Erzählweise, die das Nacheinander der Handlung in eine scheinbare Simultaneität versetzt, verzichtete Burne-Jones zugunsten der Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Wie in der Londoner Handschrift standen ihm zur Schilderung weiterer Handlungsmomente historisierte Initialen zur Verfügung, die in BL, MS King’s 24 auf den Anfang der Bücher konzentriert bleiben. Die dekorative Ausstattung von MS Harley 2761 wiederum ist durch Flechtbänder mit Weißranken, in die Medaillons eingefügt sind, bestimmt. Hierin ließe sich eine gewisse Parallele zu den von Hewitt gewählten Rahmendekorationen in der »Aeneis« erkennen. In einer »Aeneis«-Handschrift (BLO, MS Canon. Class. Lat. 52) aus dem späten 14. Jahrhundert, die Morris vielleicht kannte, wird jeder Gesang statt von einer Miniatur von einer historisierten Initiale eingeleitet.725 Dabei werden in Nahsicht bei weitgehendem Verzicht auf Angaben zum Handlungsort die Halbfiguren eines oder zweier Akteure gezeigt, die vor oder in den Initialbuchstaben gestellt sind, der in Ranken und breite Blätter mündet, so dass nur wenig Raum für erzählerische Momente bleibt. Die Entscheidung für eine Miniatur hat gegenüber den Initialen den Vorteil, mehrere Szenen in einer kontinuierlichen Landschaft vereinen und somit die wichtigsten Handlungsmomente eines Buches gleichsam als Zusammenfassung an den Anfang stellen zu können, auch im Sinne einer Erinnerungs- und Orientierungshilfe wie in einer franzö723 Skizzenbuch von Morris, HRC, fol. 12r. BL, MS King’s 24 geschrieben und eventuell auch illuminiert von Bartolomeo Sanvito aus Padua. Siehe Courcelle/Courcelle 1984, S. 255–261, Abb. 490–501 ; Ausst.-Kat. The Painted Page. Italian Renaissance Book Illumination 1450–1550, hrsg. v. J. J. G. Alexander, Royal Academy, London, & Pierpont Morgan Library, New York, 1994/1995, München/New York 1994, Nr. 43, S. 110–111. 724 Weitere gemeinsame Szenen der Morris’schen Aeneis und BL, MS King’s 24 : fol. 73v Das trojanische Pferd (Miniatur), fol. 88r Aeneas verlässt Troja, fol. 101v Aeneas und Dido auf der Jagd vor der Höhle, fol. 131v Aeneas und die Sibylle in der Unterwelt, fol. 164r Venus gibt Aeneas die Waffen, fol. 193v Tod des Mezentius, fol. 210v Trophäen des Mezentius, fol. 227v Kampf zwischen Aeneas und Turnus. 725 BLO, MS Canon. Class. Lat. 52, vermutlich Bologna (Stil der Schule von Niccolo di Giacomo da Bologna), 3. Viertel des 14. Jh.s, siehe Courcelle/Courcelle 1984, S. 109–112, Abb. 249–259 ; Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 133, S. 14, Taf. XIII.
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sischen Vergil-Handschrift des 14. Jahrhunderts (BNP, MS fr. 60). Alternativ, so in einer weiteren Vergil- Handschrift des 14. Jahrhunderts (Bibliothèque Municipale Lyon, MS 27), kann die Wahl auf Szenen fallen, die sich am Anfang des jeweiligen Buches ereignen, so dass die Miniatur unmittelbar dem Text vorangeht, den sie illustriert. Seltener werden den Gesängen der »Aeneis« Miniaturen vorangestellt, die sich, wie im Falle Burne-Jones’, nur auf eine Szene konzentrieren.726 Historisierte Initialen mit häufig von Blattwerk belegten Buchstabenkörpern finden sich in der 1417 in Mailand illuminierten Apsley House-»Aeneis«, London. Die Initiale auf fol. 76r mit dem Selbstmord der Dido offenbart in der Figurenhaltung, dem Kniemotiv und der Stellung des Schwertes Parallelen zur Miniatur Burne-Jones’.727 Morris’ historisierte Akanthusblattinitialen der Vergil-Handschrift gehen vielleicht auch auf Anregungen durch diese oder eine weitere Oxforder »Aeneis«-Handschrift zurück.728 Morris und Burne-Jones entschieden sich für einen Kompromiss, bei den durch die Vergil-Handschriften der Renaissance vorgegebenen Möglichkeiten : Zum einen griffen sie auf die einleitende Titelminiatur zurück, die als Gliederungselement des Textes dient und dem wissenden Leser eine visuelle Orientierungshilfe im Buch bietet. Sie gibt zugleich, weitgehend auf die Figur des Aeneas konzentriert, zusammenfassend und komprimierend die wichtigsten Stationen auf seiner Reise von Troja nach Italien wieder. Selbst Szenen, in denen er nicht erscheint, wie denjenigen zum vierten oder siebten Buch, sind inhaltlich auf ihn bezogen : Konnte die Liebe zu Dido nicht erfüllt werden, da sie gegen die göttlichen Pläne verstieß, so verweisen die Ereignisse um Lavinia im Tempel auf Aeneas’ vorbestimmte Rolle in Italien. Zum anderen wählten die beiden Künstler die historisierte Initiale, die nun nicht an den Anfang der Bücher gestellt wird, sondern den Text innerhalb der Bücher mehrfach unterteilt. Hier werden weitere Momente des Handlungsstranges dargestellt bzw. Nebenhandlungen und -figuren eingeführt. Sie schmücken, den jeweiligen Text begleitend, die in der Miniatur angezeigte Haupthandlung aus. 3.8.3 Burne-Jones – Einflüsse durch die Antike und Renaissance
Wie bei Burne-Jones’ Bildthemen, bei den motivischen und stilistischen Elementen in seinem Werk ist um 1870 bei Morris in den literarischen Vorlieben eine Hinwendung 726 Z. B. die Vergil-Handschrift in Dijon, Bibliothèque Municipale MS 493 von 1469. Der Trophäenbaum des Mezentius und der Kampf zwischen Aeneas und Turnus wurden als Miniaturmotive für die beiden letzten Gesänge ausgewählt, fol. 193v, 207r. 727 Vgl. Courcelle/Courcelle 1984, Abb. 294, lombard. Maler, Anfang des 15. Jh.s, 17 historisierte Initialen mit Akanthusbuchstaben, die als Rahmen der szenischen Darstellung fungieren. 728 BLO, MS Add. C. 135 (Venedig, Ende des 14. Jh.s, 1844 erworben), Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 139, S. 14, Taf. XIII. Weitere »Aeneis«-Handschriften in der BLO : MS Canon. Class. Lat. 50 (Süditalien, frühes 11. Jh., historisierte Initialen), ebd., Nr. 12, S. 2, Taf. II ; MS Canon. Class. Lat. 65 (Veneto, Ende des 15. Jh.s, historisierte Initialen), ebd., Nr. 578, S. 57, Taf. LV.
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zur Antike zu beobachten. Dieses beruhte vermutlich bei beiden Künstlern noch auf Anregungen, die sie durch ihre Beschäftigung mit antiken Sagen während der Arbeit zu »The Earthly Paradise« in der ersten Hälfte der 1860er Jahre erfuhren. Um 1870 setzte Burne-Jones vielfach Bilderfindungen aus seinen Entwürfen dazu in Gemälden und Bildserien um : Seit ca. 1868 arbeitete er an Wandmalereien mit dem Thema »Cupid and Psyche« für George Howard und führte die erste Fassung seiner vier Bildfelder umfassenden Pygmalion-Serie aus.729 Das Orpheus-Thema griff er 1872/1875 in figürlichen Medaillons auf, die 1879/1880 als Dekoration auf einem Flügel für Frances Graham verwendet wurden.730 In einem Skizzenbuch von ca. 1872 haben sich ähnliche figurenbestimmte Medaillons erhalten, die Darstellungen bedeutender Liebespaare der Antike enthalten : Hero und Leander, Pyramus und Thisbe, Paris und Helena, Atlantis und Meleager.731 Seit 1870 beschäftigte sich Burne-Jones mit dem großen Projekt des »Troja«-Triptychons, das niemals in der geplanten Form vollendet wurde, aber dessen Einzelkompositionen von ihm und seinen Assistenten später in selbständige Gemälde übertragen wurden.732 Für das »Triptychon« ist ein großformatiger unvollendeter Gesamtentwurf (BMAG) überliefert, der in zwei Zonen je drei Bildfelder umfasst, die durch eine prächtige Trompe l’œilRahmung mit Säulen, mit von figürlichen Bronzemedaillons geschmückten Eckpfeilern und einem Gebälk mit Puttenfries zusammengefasst werden. Die Bronzemedaillons enthalten Darstellungen der trojanischen Prinzessinnen Oenone, Kassandra, Iphygenie, Polyxena. Die niedrigere Sockelzone und die obere, höhere Bildzone werden von einer vorkragenden Platte getrennt, auf die sechs bronzene Kinderfiguren aufgestellt sind und auf der Früchte und Blüten liegen. Nach oben wird die Komposition durch Draperien und Zweige abgeschlossen. In der Sockelzone befinden sich Bildfelder mit Darstellungen der Venus Concordia in Begleitung der drei Grazien, der Hochzeit des Peleus und der 729 Zum »Cupid and Psyche«-Fries : Die Wandbilder in Öl auf Lwd. befinden sich im BMAG, Lit.: The Cupid and Psyche Frieze by Sir Edward Burne-Jones, at No. 1 Palace Green, The Studio XV, Oktober 1898, S. 3–13 ; Bill Waters, Painter and Patron. The Palace Green Murals, Apollo 102, November 1975, S. 338–341. Zu den Pygmalion-Bildern : die erste Fassung von 1868–1870, Privatsammlung (Ausst.-Kat. Viktorianische Malerei. Von Turner bis Whistler, Neue Pinakothek, München 1993, München 1993, Kat. Nr. 71 ; Lloyd Webber 2003, Kat. Nr. 49a-d, S. 84–85), die zweite, 1878 beendete Version im BMAG, Inv.-Nr. 23–26’04. 730 Öl auf Holz, ca. 1879/1880, Privatsammlung ; Entwürfe in Bleistift im AMO, datiert 1875 ; vgl. auch BurneJones’ Skizzenbuch von 1874, V&A, Inv.-Nr. E. 7–1955, S. 63, 66–67. Es wurde vermutet, dass die Entwürfe bereits 1872 entstanden, EBJ 1975, Kat. Nr. 209, S. 72. Wiederholungen dieser Entwürfe in weißer und brauner Gouache im FMC, TGL und einer kanadischen Privatsammlung (Earthly Paradise 1993, Kat. Nr. A 18a-d, S. 64–66). Lit.: Michael I. Wilson, Burne-Jones and Piano Reform, Apollo 102, November 1975, S. 342–347. 731 Edward Burne-Jones, Skizzenbuch, um 1872, FMC, Inv.-Nr. 1085, fol. 3r, 4v. In dem Skizzenbuch finden sich auch Zeichnungen zum »Perseus«-Zyklus. 732 Gesamtentwurf in Öl auf Lwd., BMAG, Inv.-Nr. 178’22, eine Studie in Gouache, Aquarell und Bleistift auf Papier, auf Lwd. aufgezogen, BMAG, Inv.-Nr. 179’22 ; Birmingham 1930, S. 30–31. Siehe ausführlich zu dem Projekt : Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 50–54, S. 152–156.
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Thetis sowie der Venus Discordia und den vier Lastern. Sie werden durch schmale Felder mit Personifikationen der Fortuna (»The Wheel of Fortune«), der Fama (»Fame overthrowing Fortune«), der Oblivio (»Oblivion conquering Fame«) und Amors (»Love subduing Oblivion«) getrennt. Darauf setzen drei Szenen aus dem Trojanischen Krieg an : Das zentrale Bildfeld des Parisurteils (»The Judgement of Paris«) wird durch Darstellungen von der Entführung der Helena durch Paris mit Venus im Hintergrund (»Helen carried off by Paris«) und ihrer Gefangennahme im brennenden Troja (»Helen captive in burning Troy«) begleitet. Burne-Jones konzentrierte sich in diesen großen Bildfeldern auf wenige Figuren im Vordergrund vor einem dicht gefüllten Hintergrund, wobei er wohl beabsichtigte, durch Entsprechungen und Parallelen in Figurenmotiven Verbindungen zwischen den drei Bildern herzustellen. Das mittlere Bildfeld des »Triptychons« stellt jeweils das Ereignis dar, das für den Gang der Handlung entscheidend ist : So warf Eiris, die am rechten Bildrand des unteren Mittelfelds dargestellt ist, den Apfel der Zwietracht unter die Götter, da sie zur Hochzeit der Thetis und des Peleus nicht eingeladen war. Dieser Apfel wiederum war der Preis bei dem Schönheitswettbewerb der drei Göttinnen, bei dem Paris als Richter fungierte. Seine Entscheidung für Venus und die Wahl der schönsten Frau lieferte den Grund für den Trojanischen Krieg. Sowohl in der Figurenauffassung, dem Kontrapost und der Körperdrehung der Figuren, den Verkürzungen der liegenden Figuren und der Reihung von stark bewegten Gestalten in »Venus Discordia«, in der Anordnung der drei Grazien in »Venus Concordia«, als auch in der Rahmung, die T. M. Rooke als »in the Crivelli manner« bezeichnete, werden Burne-Jones’ nachhaltige Einflüsse durch seine Italienreise von 1871 und die Werke von Pollaiuolo, Signorelli und Michelangelo spürbar.733 Dem Umkreis der Troja-Sage entstammt auch Burne-Jones’ unvollendetes monochromes Gemälde »Souls on the Banks of the River Styx«, um 1873 (Peter Nahum London), in dem sich der Künstler auf »Aeneis«, Gesang VI, 306–330, bezieht, worin von Aeneas’ Wanderung in der Unterwelt zu seinem Vater Anchises berichtet wird.734 Die gebeugten Figuren der Ölskizze variieren dabei diejenigen der vier Laster in »Venus Discordia«. Die zusammengekrümmte Haltung und das wehende Haar einzelner Figuren lassen sich mit einem Figurenentwurf einer Michelangelo-Zeichnung von ca. 1512 im Ashmolean Museum Oxford vergleichen.735 Bereits während eines Oxford-Aufenthaltes im Sommer 733 Birmingham 1930, S. 31. Skizze nach der Graziengruppe in Burne-Jones’ Skizzenbuch, V&A, Inv.-Nr. E.4– 1955, S. 21. Zum Michelangelo-Einfluss im Werk Burne-Jones’ : Liana de Girolami Cheney, Burne-Jones : Mannerist in an Age of Mannerism, in : Casteras/Faxon 1995, S. 103–116 (besonders zu Bronzino) ; Fraser 1995, S. 127 ; Ostermark-Johansen 1998, S. 116–139. 734 Morgan 1989, Kat. Nr. 55, S. 73–74, Taf. 39 ; Bill Waters, Burne-Jones – a Quest for Love. Works by Sir Edward Burne-Jones, Bt, and Related Works by Contemporary Artists, Peter Nahum, London 1993, Kat. Nr. 7, S. 46, Abb. auf S. 14. 735 Parker 1956, Nr. 297, S. 141–142, Taf. LXXII ; Dussler 1959, Kat. Nr. 194r.
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1867 hatte Burne-Jones Motive nach Zeichnungen Raffaels und Michelangelos in seinem Skizzenbuch festgehalten.736 Im Frühjahr 1873 reiste Burne-Jones in Begleitung von Morris zum vierten und letzten Mal nach Italien.737 Die Freunde besuchten gemeinsam Florenz und Siena. Morris kehrte danach nach England zurück, während Burne-Jones noch nach Volterra, San Gimignano, Bologna und Ravenna weiterreiste. 1871 hatte er Genua, Pisa, Florenz, San Gimignano, Siena, Orvieto, Assisi, Perugia, Arezzo, Cortona und Rom besucht, wo er besonders von Michelangelos Malereien in der Sixtinischen Kapelle begeistert war und sich diese mit einem Fernglas, auf dem Rücken liegend, angesehen hatte.738 Auf Michelangelos Vorbild ist zurückzuführen, dass Arbeiten Burne-Jones’ in der ersten Hälfte der 1870er Jahre oftmals ungewöhnlich bewegt und dynamisch wirken. Der Einfluss durch Werke Michelangelos fällt auch in den gedrehten Haltungsmotiven einiger Figuren und einer neuartigen Monumentalität auf, die sich sowohl in den »Troja«-Bildfeldern – wie »The Wheel of Fortune« und »Helene captive in burning Troy« – als auch in den VergilMiniaturen und -Initialen finden lassen. Von der dritten Italienreise im Jahre 1871 zurückkehrend, hatte Burne-Jones Uccello, Orcagna, Piero della Francesca, Michelangelo, Luca Signorelli, Mantegna, Giotto, Botticelli und Andrea del Sarto als seine Lieblingsmaler genannt.739 Sein Skizzenbuch (Privatbesitz) von dieser Reise enthält mehrere Zeichnungen nach Pieros Fresken in Arezzo. Im Skizzenbuch der Italienreise von 1873 finden sich neben einer großen Anzahl von Landschafts- und Stadtskizzen besonders Zeichnungen nach Arbeiten Botticellis, Mantegnas und nach den Marmoreinlegearbeiten im Fußboden des Sieneser Doms.740 Die Anregungen durch Michelangelo und die darauf basierende Beschäftigung mit antiken Werken bildet um 1870 einen wichtigen Wendepunkt im Werke Burne-Jones’, da er sich von dem Einfluss Dante Gabriel Rossettis und den Kunstnormen John Ruskins zu lö-
736 FMC, Inv.-Nr. 1070.2 ; EBJ 1975, Nr. 248, S. 79. Siehe auch die Zeichnungen von 1866/1867 nach Figuren aus Michelangelos Jüngstem Gericht und anderen Bereichen der Sixtina, in dem Skizzenbuch V&A, Inv.Nr. E. 5–1955, S. 23–25, 35–37, 47–53 und Inv.-Nr. E. 6–1955, S. 20. 737 Zum Verlauf der Reisen von 1859 und 1862 : GBJ 1993 I, S. 196–200, 242–249 ; Christian 1975 ; der Reisen von 1871 und 1873 : GBJ 1993 II, S. 22–27, 35–38 ; Robinson 1975, S. 348–351 ; Christian, in : EBJ 1992, S. 33–56. Siehe a. Maria Teresa Benedetti, L’arte di Burne-Jones e i suoi viaggi in Italia, in : EBJ 1986, S. 15–29. Zu Burne-Jones’ Skizzenbuch der Reise (FMC, Inv.-Nr. 1084) : EBJ 1992, Kat. Nr. 2, S. 92. Dieses Skizzenbuch enthält Zeichnungen nach den Fresken im Campo Santo in Pisa, nach Werken von Ghirlandaio, Cimabue, nach Botticellis »Primavera« und Simone Martinis »Verkündigung« in den Uffizien, nach Arbeiten von Agnolo Gaddi, Simone Memmi, Bellini, Carpaccio, Mantegna, Uccello und Tizian. 738 Vgl. GBJ 1993 II, S. 26 ; Wildman/Christian 1998, S. 142–143. 739 Vgl. Äußerungen Burne-Jones’ von 1871, in : GBJ 1993 II, S. 26. 740 FMC, Inv.-Nr. 1070.5, in Hinblick auf den Sieneser Dom besonders Details aus dem bethlemitischen Kindermord und den Schlachtendarstellungen, in dem Skizzenbuch aber auch eine Zeichnung nach der Metope mit Herkules und dem kretischen Stier aus dem Zeus-Tempel in Olympia (Louvre).
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sen begann, dem er trotz ihrer Meinungsverschiedenheit über das Werk Michelangelos freundschaftlich verbunden blieb.741 Burne-Jones hatte sich, wie aus seinen Skizzenbüchern ersichtlich ist, bereits in der zweiten Hälfte der 1860er Jahre auch intensiver mit der griechischen und römischen Kunst beschäftigt. Er wohnte von 1861 bis 1864 in 62 Great Russell Street in der Nähe des British Museum. Die Skizzen entstanden sowohl nach dort befindlichen Originalen wie dem Parthenon-Fries und den -Metopen, den Friesen des Niketempels, dem Nereidenmonument von Xanthos und dem Fries mit Amazonomachie vom Maussolleion von Halikarnassos als auch nach Abbildungen in Publikationen wie »Il Museo Pio Clementino« von Ennio Quirino Visconti (Rom, 1788), »Galleria Giustiniana del Marchese Vincinzo Giustiniana« (Rom, 1631) und »Musée des Antiques« von Pierre Bouillon (Paris, 1821–1827).742 Burne-Jones bevorzugte dabei Figurenmotive mit reich bewegten und dynamisch wehenden Gewändern. Sein Interesse für die Kunst der Antike ist vermutlich auf den Einfluss des Malers George Frederic Watts (1817–1904) zurückzuführen, den er 1858 bei Mrs Thoby Prinsep in Little Holland House kennengelernt hatte. Wie John Ruskin vermittelte Watts dem jungen Künstler auch ein Interesse für die Kunst der italienischen Frührenaissance. Watts empfahl Burne-Jones, fleißig zu zeichnen und sich an den italienischen Meistern und der Antike zu orientieren, um seine Linienführung zu verbessern.743 Der ältere Maler war ein großer Bewunderer des Mausoleums von Halikarnassos und der Parthenon-Reliefs, die sich seit 1816 in der Sammlung des British Museum befinden.744 Weitere Anregungen mögen durch die von der antiken Kunst beeinflussten Arbeiten von Frederic Leighton, Edward Poynter und besonders von Albert Moore vermittelt worden sein, zu dessen Werk die Gemälde Burne-Jones’ der zweiten Hälfte der 1860er Jahre in Figurencharakter, Komposition und Farbwahl deutliche Parallelen besitzen.745 1862 hatte Rossetti James Abbott McNeill Whistler, Poynter und George du Maurier kennengelernt, die wie Moore dem Kreis des »aesthetic movements« zuzurechnen sind, und mochte dadurch den Kontakt und den künstlerischen Austausch zwischen den Künstlergruppen gefördert haben. Moore, der durch Henry Holiday und Simeon Solomon in den Kreis um Morris eingeführt wurde, war 1861–1866 als Entwerfer von Glasfenstern auch für die »Firma« tätig.
741 Zu Ruskins Beurteilung von Michelangelos Werk : The Relation between Michel Angel and Tintoret, in : Lib. Ed. XXII ; Ruskin 1980, S. 117–128. 742 Skizzenbücher in der Sammlung des V&A, Inv.-Nr. E. 2–1955 (vermutlich ca. 1864–1870), E. 3–1955 (nach 1857 datiert), E. 4–1955 (vermutlich 1865–1867), E. 5–1955 (1866/1867), E. 6–1955 (1867). Zum Einfluss der Antike auf das Werk von Burne-Jones : Benedetti 1980. 743 Vgl. Lisle 1907, S. 45 ; Harrison/Waters 1990, S. 40–44, 100. 744 Benedetti 1980, S. 75. 745 EBJ 1975, S. 40. Vgl. mit Arbeiten Albert Moores : Burne-Jones’ »The Lament«, Gouache, 1866, WMGW, und der Jahreszeitenzyklus für Frederic Leyland, Gouachen, 1869, Privatsammlung.
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3.8.4 Seitenaufbau und Schrift der »Aeneis«
In der »Aeneis«-Handschrift werden die Seiten des aufgeschlagenen Buches als eine formal zusammengehörige Doppelseite aufgefasst wie die Abstimmung der Farbgebung von Überschriften und Kapitalbuchstaben, die die Wortreste der Anfangsworte mit den großen Initialbuchstaben bilden sowie Eigennamen und Abschnitte im Text herausheben, auf den sich gegenüberliegenden Verso- und Rectoseiten belegt. Die Versoseite trägt im oberen Seitenrand die Überschrift »P. Virgilii Maronis« in blauer, die Rectoseite dagegen »Aeneidos Liber« mit der betreffenden römischen Ziffer des Gesangs in goldener Kapitalis. Von Morris stammen wohl nur die Überschriften auf S. 46–47, die sich in der etwas gröberen Qualität, gewissen Unregelmäßigkeiten und der stärker gerundeten Ausprägung einzelner Buchstaben, wie des R, von denjenigen Hewitts unterscheiden.746 Dieses trifft auch für die von Morris auf den Seiten 43–49 und vielleicht auch auf den Seiten 51 und 57 eingetragenen blauen und goldenen Kapitalbuchstaben des Textes zu. Während auf den von Hewitt ausgeführten Seiten die Kapitalbuchstaben innerhalb des Textes (bis S. 72) auf der Versoseite stets in Gold, auf der Rectoseite dagegen in Blau gehalten sind und darin der Farbgebung der Überschriften auf der jeweils gegenüberliegenden Seite entsprechen, ist bei den von Morris geschriebenen farbigen Kapitalbuchstaben keine so konsequent einheitliche Verteilung und Anordnung zu erkennen. Er variiert den Gebrauch von goldenen und blauen Kapitalbuchstaben auf der Seite und vermeidet dadurch jene fast strenge Gleichförmigkeit, die die von Hewitt farbig gestalteten Seiten kennzeichnet.747 Die 28 Zeilen je Seite umfassenden Textblöcke der einander gegenüberliegenden Seiten sind aneinandergerückt und werden von einem breiten unteren und einem ebenfalls breiten äußeren Rand eingefasst. Die Seitenzahl in arabischen Ziffern ist außen, etwas eingerückt, eng unter den Textblock gesetzt. Morris verwendete in der »Aeneis« eine breite humanistische (römische) Minuskel, die von den Schriften der vorangegangenen Manuskripte abweicht. Hewitt vermutete als Vorbild diejenige in einer Hieronymus-Handschrift in der British Library.748 Morris betonte in der Schrift die Waagerechte durch die lang ausgezogenen horizontalen Serifen an der Schulterlinie der Buchstaben u, v, x, y sowie durch die Verlängerungen der Querstriche bei a, e, t, die einzelne Buchstaben miteinander verbinden können. Auch 746 Vgl. Dunlap 1972/1976, S. 294. 747 So sind auf S. 44 Überschriften und Wortreste in Blau, auf S. 45 wiederum Überschriften, Wortrest, Initialen in Gold, die Kapitalien im Text allerdings in Blau ausgeführt. 748 Hewitt 1934, S. 4. Fairbank identifizierte die von Hewitt angegebene Handschrift als BL, MS Harley 3109, Fairbank 1970, S. 58. Dass Morris diese Handschrift kannte, ist durch einen Eintrag in seinem Notizbuch belegt, HRC, fol. 13v : »Big bold writing rather Roman«. Fairbank allerdings bezweifelte, dass sie ihm als Vorbild für die Schrift in der »Aeneis«-Handschrift diente, vgl. Fairbank 1970, S. 58. Whitla 2001, S. 95, Nr. H. 2, verglich die als Morris’ zweite Antiqua bezeichnete Schrift mit derjenigen in einer Handschrift mit den Psalmkommentaren des hl. Augustinus von 1478, BL, MS Add. 14779.
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die leichte obere Abflachung der Buchstaben a, m, n trägt zu dieser Wirkung bei. Das g fällt durch seine Größe und die gerade Verbindung zwischen o-förmigem Kopf und geschwungenem Bauch auf ; p und q sind durch lange diagonale Serifen an den Unterlängen bestimmt. Das t besitzt einen kurzen Schaft und einen langen Querbalken. Beim f verzichtet Morris auf die Unterlänge. Die Punktzeichen sind eckig gehalten, die Kommata lang ausgezogen. Die Großbuchstaben sind von mächtiger, breiter Form. Sie setzen Akzente in dem regelmäßigen, großzügigen Schriftbild.749 Der Charakter der Schrift ist monumental und würdevoll und entspricht darin dem Anspruch des Textes wie demjenigen der Handschrift, die sich von Morris’ früheren Handschriften auf Pergament durch das große Format und den opulenten Schmuck unterscheidet. Hewitt lehnte sich mit seiner klaren, strengen, runden Schrift an Morris’ Vorbild an, fügte aber im Detail »Verbesserungen« ein : Er gab die diagonalen Serifen und die langen Kommata auf, verkleinerte das g.750 Sieben von Morris beschriebene Blätter mit Texten der »Aeneis«, zusammengebunden mit Schriftproben nach Arrighis »Il Modo de temperare le Penne«, haben sich in der Pierpont Morgan Library erhalten.751 Weitere aussortierte Seiten werden in der Society of Antiquaries London752 und in der Sammlung der Cheltenham Art Gallery and Mu749 Morris’ Schrift in der »Aeneis« erhielt in der Literatur stets großes Lob, vgl. Mackail 1995 I, S. 277 ; May Morris in : CW IX, S. xxi. 750 Murray äußerte im Vergleich der Schriften von Hewitt und Morris : »Your writing is better than Morris’s, and your caps. are better, and your gold is better – But you don’t get there«, zit. nach : Hewitt 1934, S. 6. 751 PML, MA 4011, fol. 7–14 ; PML 1976, Nr. 59 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 487. Pergament, 330 × 235 mm, Schriftfeld 230 × 140 mm, Seitenränder oben 37, unten 70, innen 30, außen 63 mm, 28 Z./S. Fol. 7r : Aeneis IV, 228–234, die Majuskeln in Bleistift eingetragen, die letzte Zeile in zierlicher, dünnerer Feder wiederholt ; fol. 7v : Blatt mit Schriftproben nach dem Vorbild der italienischen Kalligraphie-Lehrbücher mit Bemerkungen von Morris zu Aussehen und Schreibschnelligkeit der verschiedenen Schriften ; fol. 8r–8v : liniert ; fol. 9r : Textmajuskeln in Bleistift eingetragen, die Schrift eher etwas dünner (I, 90 ff.) ; fol. 9v : mehrzeilige Initialen im Seitenrand skizziert, ein dreizeiliges I, ein fünfzeiliges A und ein zehnzeiliges T (I, 124 ff., hierbei handelt es sich um den Text zu Burne-Jones’ Initiale von Neptun, der die Winde beruhigt, FMC, Inv.-Nr. 1183–26), wobei noch gewisse Probleme in der Koordination der einzelnen Seitenranddekorationen deutlich werden ; fol. 10r : I, 146–173, zwei verschiedene Entwürfe für die Initiale D (Defessi, I, 157), die Schrift ist etwas gebrochener gestaltet mit ausgeprägten Serifen an den Oberlängen ; fol. 10v : I, 176–202 ; fol. 11r : Text wie fol. 10r (I, 146–173), aber andere Schrift und Textgestaltung, das D (Defessi) in den Seitenrand gesetzt ; es sind auch Unterschiede in den Textfassungen zwischen fol. 10r und 11r feststellbar, wobei es sich eventuell um Schreibfehler handelt, die zu einem Neuschreiben der Seite führten ; die Schrift ist gegenüber fol. 8r etwas breiter gehalten, wodurch ein insgesamt dunkleres Schriftbild entsteht ; es lassen sich bereits ein geschlossenes u und v, lange Striche an den Kommata, Serifen an den Unterlängen, die Verbindung einzelner Buchstaben durch Querstriche nachweisen – somit finden sich auf dieser Seite die Schrift-Charakteristika des »Aeneis«-Manuskriptes ; fol. 11v : Text (I, 174201) ; fol. 12r : die Schrift ähnelt derjenigen auf fol. 11r, aber kürzere Serifen, unterhalb des Textfeldes mit der Ziffer 15 paginiert (I, 371–396) ; fol. 12v : mit der Ziffer 16 paginiert (I, 423) ; fol. 13r (V, 813–840) ; fol. 13v (V, 841–864) ; fol. 14r (IV, 228–248) ; fol. 14v liniert. 752 SoA, MS 984/1/3 : Pergament, 335 × 230 mm, Schriftfeld : ca. 230 × 135 mm ; Seitenränder : ca. oben 37
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seum (CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Y7/EWL Y7) aufbewahrt.753 Das Cheltenhamer Blatt wurde vermutlich auf Grund von Unregelmäßigkeiten im Pergament oder missglückter Ausradierungen herausgenommen. Morris versuchte, die Fehlerstelle auf der Versoseite des Blattes durch ein florales Ornament aus einem sich einrollenden hellgrünweißen Zweig mit weißen Blüten auf einem goldgetupften Grund zu überdecken. Da ihn das Ergebnis vermutlich nicht zufriedenstellte, schrieb er die Seite ein zweites Mal. Die nicht verwendeten Seiten entsprechen in Seitenmaßen und Textgestaltung denjenigen der Handschrift. Die Gestaltung einiger Buchstaben erinnert, wie das mit einem Peitschenschwung an der Oberlänge versehene f, an Buchstaben der »Oden«-Handschrift (PML, MA 4011, fol. 9r). Es lassen sich auf diesen Seiten kleine Unsicherheiten und gewisse Unregelmäßigkeiten in der Schrift feststellen. Die monumentale, etwas schwere Wirkung der Schrift auf der Seite ist noch nicht herausgearbeitet. Allerdings findet sich bereits die Idee, große Initialen in den Seitenrand zu stellen. Die New Yorker Seiten wurden evenuell aufgrund der Pergamentqualität aussortiert. So sind die beiden Seiten des Pergaments optisch und haptisch sehr unterschiedlich : die eine Seite glatt, die andere unregelmäßig und etwas rau, woraus eine voneinander abweichende Schriftqualität resultiert : Die Buchstaben auf der glatten Seite wirken schlanker, auf der unregelmäßigen dagegen breiter und dunkler. 3.8.5 Der Initialschmuck der »Aeneis«-Handschrift
Der Text der »Aeneis«-Handschrift sollte durch unterschiedlich große Initialen mit Akanthusblattschmuck gegliedert werden, die wie die historisierten Initialen und die Kapitalbuchstaben der Versanfänge in den linken Seitenrand eingestellt sind (Taf. 11). Die Seitengestaltung mit einem Textblock, der im linken Seitenrand von mehrzeiligen Initialen begleitet wird, unterscheidet sich von den Renaissance-Handschriften, bei denen die Initialfelder in den Textblock eingeschoben wurden. Vielleicht hatte dieses Vorgehen pragmatische Gründe : Durch die Einstellung der Initialen in den Seitenrand waren Burne-Jones und Morris in der Gestaltung flexibel ; ansonsten wäre eine Festlegung auf mm, unten 73 mm, innen 42 mm, außen 62 mm : Die Initialen in Bleistift eingezeichnet, allerdings nur mit spärlichen Dekorationsdetails (auf der Rectoseite). Auf der Versoseite experimentiert Morris mit der Positionierung der Initialen im Seitenrand. Auf diesem Blatt erscheint ein f mit geschwungener Oberlänge ; der Tintenauftrag ist auf der Rückseite teilweise unregelmäßig und etwas dünn. Die Seiten umfassen die Aeolus-Geschichte. Die Initiale A(eolus) zu I, 76, auf fol. 1v. Zu den Blättern der SoA : Willetts 2000, Nr. 984/1/3, S. 462. 753 Rosenbaum/Pearson 1993, S. 487 ; Greensted/Wilson 1993, Abb. 65. Pergament, beschnitten, 268 x 177 mm, Seitenränder : oben 36 mm, außen 4 mm. Schriftproben in den Seitenrändern der Versoseite. Text aus dem ersten Gesang : Am Seitenanfang »Quid meus Aeneas in te conmittere tantum / quid Troes potuere quibus tot funera passis« (Zeile 231–232), am Seitenende : »alloquitur Venus : O qui res hominumque deumque / aeternis regis imperiis et fulmine terres« (Zeile 229–230).
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eine bestimmte Zeilenhöhe der Initialen bei Beginn der Schreibarbeiten nötig gewesen, die wenig Spielraum gelassen hätte. Die Initialen nehmen zumeist eine Höhe von drei bis vier oder sechs bis sieben Zeilen ein. Es sind nur 24 der ornamentierten Initialen ausgeführt,754 jeweils vier weitere sind unvollendet bzw. in Bleistift und Tinte eingetragen,755 darunter besonders viele zum zweiten und dritten Gesang (S. 43–72). Weitere Initialen, darunter auch große Buchstaben, die vermutlich als historisierte Initialen gestaltet werden sollten, sind flüchtig in Bleistift eingezeichnet.756 Die Angaben zur Autorschaft der farbigen Initialen schwanken in der Literatur : Der Auktionskatalog vom 19.5.1989 erwähnt »24 fully finished ornate floral and foliate marginal initial letters in colours and gold by Hewitt and Powell (or possibly Murray), with a few by Morris (e.g. pp. 46–47 as well as their headlines)« ;757 der Auktionskatalog vom 18.7.1928 mit einem Beitrag von S. C. Cockerell erwähnt »twenty-two decorative initials of exquisite beauty« auf den S. 45–72.758 Diese Initialen wurden nach seinen Angaben noch vor der Abgabe der Handschrift an Murray ausgeführt, so dass sie noch von Morris stammten, wofür auch stilistische Argumente anzuführen s eien.759 1874 war Morris mit drei Buchmalerei-Projekten beschäftigt : Das umfangreiche Manuskript »Three Icelandic Sagas« (FMC, MS 270*) ging dem Abschluss entgegen, die »Oden« des Horaz waren in Arbeit (BLO, MS Lat. class. e. 38), und die »Aeneis« wurde begonnen. Lehnten sich die Initialen der »Sagas« weitgehend an die Form der Weißrankeninitiale an, so waren diejenigen in den »Oden«, wie Goldpollen, kraftvolles Rankenwerk mit großen, phantasievollen Blüten und ornamentierten Polstergründen sowie die farbigen Akanthusblätter nahelegen, außerdem an anderen Initialformen in italienischen Handschriften jeweils des 15. Jahrhunderts sowie an französischen Handschriften orientiert. Für die Initialen der »Aeneis« verwendet Morris nicht mehr nur einen Initial-Typus, sondern wechselt zwischen verschiedenen Formen, denen jedoch das Ornamentmotiv des Akanthusblattes gemeinsam ist. Sowohl Buchstabe als auch Hintergrundfläche sind von einer schwarzen Linie eingefasst und gewinnen dadurch an Prägnanz und Stabilität. Die Akanthusblätter der »Aeneis«-Initialen sind gerne zweifarbig gestaltet, wobei Vorder- und Rückseite oftmals in zwei Tönen einer Farbe gehalten sind. Daneben setzt Morris auch goldene, durch punzierte Muster gegliederte Akanthusblätter ein. Sie hinterfangen die Buchstaben, umschlingen sie, wachsen aus ihnen hervor, besonders an den 754 Vollendete Initialen finden sich auf den folgenden Seiten : 43, 44, 45 (2), 46, 47 (2), 49 (4), 51, 53, 54 (2), 55, 57, 64 (2), 63, 65 (2), 68, 72. 755 Unvollendete Initialen finden sich auf den Seiten 53, 61, 63 und 67, in Tinte konturierte Exemplare auf den Seiten 62 (2) und 69 (2). 756 In Bleistift skizzierte Initialen in Buch I : S. 3, 7, 10, 17 ; II : S. 31, 32, 38 ; III : S. 71 ; IV : S. 110 ; V : S. 136 ; VI : S. 156, 158, 160, 166 (2). 757 Christie’s, 19.5.1989, Los 2370, S. 90. 758 Sotheby’s, 18.7.1928, Los 2. 759 Vgl. S. C. Cockerell, in : Christie’s, 19.5.1989, S. 101.
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End- und Schnittpunkten, oder bilden selbst den Buchstaben. Die die Initialen hinterlegenden, zumeist rechteckigen Folien werden häufig von dem Buchstaben und dem Blattwerk überschnitten oder von der Fülle der floralen Motive fast gänzlich verdeckt. Die Akanthusornamente der Initialen können wie in den »Oden« zusätzlich durch Fleuronnéelinien (S. 45 oben) und gefederte, eng an den Blättern anliegende Goldpollen ergänzt (S. 51, 47 oben, 55, 63 unten, 68) oder mit großen farbigen Blüten kombiniert werden (S. 45 unten, 63 oben). Die mit dem Buchstaben verbundenen pflanzlichen Ornamente reichen etwas in den Seitenrand hinein, allerdings nicht so weit wie in den »Oden«.760 Besitzen hier die Dekorationselemente durch die feinen Verästelungen des Rankenwerks und durch Fleuronnée sowie durch getupfte oder fein ornamentierte Gründe einen kleinteiligen, fragilen Charakter, so wirken die großen Initialen der »Aeneis« mit ihrer schwarzen Kontur und einer relativ engen Bindung an die Hintergrundfolie monumentaler und prunkvoller. Vielfach wird der Akanthus, wie auch in einigen Initialen der »Oden« und Morris’ Tapetenentwurf »Acanthus« von 1875 (Abb. 49), mit zierlichen Zweigen kombiniert, die schlanke, lange Blätter tragen und an denen Beeren oder kleine Punktrosetten sitzen können (z. B. S. 46, 47, 55, 68). Als Initialgründe finden sich neben dem schwarzen, mit einem diagonal eingestellten Blattzweig gefüllten Rechteck auch rechteckige Hintergrundsfolien mit linearer Rahmung sowie farbige Gründe mit Goldpunkten und goldene Gründe, die durch punzierte Muster dekoriert sein können. Daneben verwendet Morris rechteckige Hintergründe, die durch Ausschnitte an den Seitenrändern eine unregelmäßige Form erhalten. Eine Folge von vier solcher Initialen findet sich auf S. 49, wobei diese abwechselnd in blauer und hellpurpurfarbener Camaieu-Malerei ausgeführt sind. Sie zeigen kurvig geschwungene Akanthusblätter sowie diagonal eingestellte breite Blätter. Morris verzichtet bei einigen Initialen auf eine rahmende Einfassung und trägt Buchstaben und florale Dekoration frei in den Seitenrand ein (vgl. S. 44, 54 unten). Neben den modellierten, durch Weiß gehöhten und den durch Akanthusblätter gebildeten oder in sie mündenden Buchstabenkörpern gestaltet Morris auch farbige Initialbuchstaben, die mit floralen und geometrischen Mustern in Weiß dekoriert sind, sowie goldene, mit punzierten Ornamenten versehene Buchstaben. Er bedient sich in den Initialen zum einen einer hellen Farbigkeit aus Rosa-, Hellblau- und Hellpurpurtönen, zum anderen einer matten, etwas dunkleren Farbigkeit, in der mit Grau abgetönte Blau- und Grüntöne dominieren. Besonders reich wirken die Initialen, in denen Morris Gold mit kräftigem Blau, Grün oder Bronze kombiniert. Im Vergleich mit der Farbgebung der Initialen der vorangegangenen Handschriften wirken diejenigen der »Aeneis« oftmals eher dunkel, aber stets prachtvoll und strahlen würdevolle Monumentalität aus. Die Verwendung verschiedener Bronze- und Goldtöne, wobei Morris, wie schon in den »Oden«, 760 Ausnahmen mit weiter in den Seitenrand hineinreichenden, leicht geschwungenen Akanthusblättern finden sich auf S. 53, 55, 57, 63 unten, 65.
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auch Silber- und Rotgold miteinander kombiniert, unterstützt diese Wirkung.761 May Morris lobte die Initialen des Vergil-Manuskripts auf Grund von arrangement and relation to the page, the quality of colour and the handling […]. The painting is solid and luminous, the broadly-designed leafage, carefully modelled and finished, is at once strong and delicate, reminding one of the finest early French Gothic sculptured ornament. He made a beautiful and dexterous use of white in finishing and also played with the gold with evident enjoyment. Sometimes two colours were used – a pale silvery gold (the colour of the harvest moon) besides one of richer tone, or the gold itself glazed with thin red and painted with red veins.762
Die B-Initiale auf S. 68 bildet eine der wohl reichsten der Handschrift. Sie wird aus hellrosa- und hellpurpurfarbenen Akanthusblättern geformt, deren Ausläufer mit gefederten Goldpollen besetzt sind. Der Buchstabe wird von einer blauen Folie mit weißem Rankenwerk hinterlegt und außen durch ein goldenes Rechteck eingefasst. Der aus Akanthusblättern gebildete Buchstabe erinnert an Beatus-Initialen in englischen Psalter-Handschriften um 1000 wie dem »Ramsey Psalter« (BL, MS Harley 2904, fol. 4r, Winchester oder Ramsey, zwischen 980 und 1000). In Details wie den fein ornamentierten Gründen, die einige der Buchstaben hinterfangen, dem – wenn auch seltenen Gebrauch – von Goldpollen und Fleuronnée besitzen die »Aeneis«-Initialen ebenso wie in der Verwendung des Akanthus für die Buchstabenbildung Parallelen zu solchen in französischen und italienischen Handschriften aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.763 Greift Morris in diesen Motiven Dekorationselemente der »Oden«-Handschrift auf, so erinnern die Ansätze zu einer plastischen Gestaltung des Buchstabenkörpers durch Schattierung oder Höhung an Beispiele aus den »Sagas«.
761 Hierzu a. May Morris, in : CW XI, S. xxiv. 762 Ebd.; Sotheby’s, 18.7.1928, S. 7. 763 Vgl. BL, MSS Add. 22569 (Stundenbuch, Norditalien, 3. Viertel des 15. Jh.s), Add. 18198 (Graduale, vermutlich in der Nähe von Florenz, eventuell für das Kloster von Vallombrosa, 14. Jh.). Vgl. BLO, MSS Lat. th. c. 14 (Honorius Augustodunensis, Hohelied-Kommentar, Venedig (?), Anfang des 15. Jh.s), Canon. Misc. 58 (Boccaccio, De mulieribus claris, Bologna, Ende des 14. Jh.s), Add. C. 135 (Vergil, Aeneis, Venedig, Ende des 14. Jh.s), Canon. Misc. 101 (Petrarca, Epistolae metricae, Padua, 1414–1433), Canon. Class. Lat. 76 (Statius, Thebais, Florenz, um 1400), Lat. class. d. 8 (Ovid, Heroides, Padua, um 1400), Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 447, 131, 139, 596, 208, 595, S. 46, 13, 14, 60, 21, 60. Vgl. a. englische Handschriften aus dem 3. Viertel des 15. Jh.s : BLO, MSS Laud. misc. 414 (Johannes Felton, Sermons, 3. Viertel des 15. Jh.s), Rawl. liturg. f. 2 (Stundenbuch mit Wappen der Rous Familie, 3. Viertel des 15. Jh.s), Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1105, 1112, S. 95, 96. Vgl. aber auch mit einem Stundenbuch, um 1420, BLO, MS Rawl. liturg. d. 1, ebd., Nr. 869, S. 76.
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3.8.6 Die historisierten Initialen und das Akanthusblatt-Motiv
Die aus Akanthusblättern gebildeten Buchstaben wiederholen sich in den historisierten Initialen, für die Morris und Burne-Jones möglicherweise nicht nur durch Beispiele der italienischen Renaissance, sondern auch durch Arbeiten des Bedford-Meisters und seiner Schule angeregt wurden, in denen aus Akanthusblättern gebildete Buchstaben eine szenische Darstellung einfassen.764 Auch in Burne-Jones’ Projekten dieser Zeit erscheinen häufig Akanthusblätter als dekorative Elemente wie in den Zwickelfeldern der »Orpheus«-Zeichnungen oder in den geplanten Rahmungen für den »Perseus«-Zyklus.765 Parallelen zwischen dem »Perseus«-Zyklus und der »Aeneis«-Handschrift sind neben der Ornamentik auch in Haltungsmotiven der Figuren und in Details, wie in der Darstellung der Rüstungen, der Verschmelzung von Anregungen aus Antike, Mittelalter und Renaissance, zu konstatieren. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass sich im New Yorker Skizzenbuch Burne-Jones’ (PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 106v) Zeichnungen von Perseus, der Medusa und den hockenden Graien neben solchen für Miniaturen und Initialen zu Gesängen aus der zweiten Hälfte der »Aeneis« finden lassen. Diese Nachbarschaft bekräftigt, dass die engen Beziehungen zwischen den Entwürfen für beide Serien darauf zurückzuführen sind, dass Burne-Jones, wenigstens zeitweise, parallel an ihnen arbeitete. Die Akanthusblattbuchstaben für die historisierten Initialen wurden von Morris entworfen und dienten Burne-Jones als Grundlage und Rahmen für die Anlage seiner Szenen.766 Drei der in Sepia, brauner Tusche und Deckweiß ausgeführten Initialentwürfe Morris’ haben sich erhalten, darunter die Skizze zur Initiale Q für S. 26 mit der Darstel764 Vgl. Psalter und Stundenbuch des John, Herzog von Bedford, London, 1414–1422, BL, MS Add. 42131. 765 Entwürfe für das Gesamtschema »The Story of Perseus« mit Akanthusrahmen, 1875–1876, Gouache, Goldfarbe über Tinte auf Papier, TGL, Inv.-Nr. N 03456-03458. Bereits in Zusammenhang mit der geplanten Ausgabe von »The Earthly Paradise« hatte Burne-Jones um 1865 28 Illustrationen zu Morris’ Version der Sage, »The Doom of King Acrisius«, entworfen, Harrison/Waters 1990, S. 84. 766 Eine an die »Aeneis«-Initialen erinnernde Zusammenstellung von Akanthusblättern und Figuren lässt sich in einem »Mermaid«-Entwurf Burne-Jones’ finden, bei dem es sich vermutlich um eine ca. 1875 entstandene Vorlage für einen niemals produzierten Stoff handelt, WMGW, Walthamstow 1969, Nr. A32, A32a, Abb. mit Datierung um 1880 : Harrison/Waters 1990, Abb. 195 auf S. 136. Waters und Harrison vermuteten, dass bei diesem Entwurf die Blattornamentik von Morris stamme. Zu einer neueren Auseinandersetzung mit dem Entwurf : Earthly Paradise 1993, S. 68 ; Christie’s, 14.6.2005, Los 34, S. 106–131. Fünf Entwürfe Burne-Jones’ in Bleistift (180 × 230 mm) zeigen wie auch die »Aeneis«-Initialen eine Kombination von Blattwerk und figürlicher Szenerie, Sotheby’s, 15.12.1981, Los 1. Die Entwürfe sind vielleicht zwischen 1870–1875 zu datieren, da die Figurenmotive an solche in den »Orpheus«-Entwürfen und der Predellazone des Troja-Triptychons erinnern, während eine Bordüre mit Weinlaub, das sich um einen Stab windet, Morris’ floralen Rahmenleisten in Handschriften wie »A Book of Verse« oder Entwürfen für »Love is Enough« von 1870 ähnelt. Burne-Jones’ fünf Leisten sind von demselben schwungvollen linearen Duktus bestimmt, der seine Gewand- und Landschaftsdarstellungen um 1875 charakterisiert.
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lung von Dido und Amor in der Gestalt des Ascanios.767 Die schwungvoll in den unteren Seitenrand hineinragende Cauda des Buchstabens zeigt im Entwurf noch in Bleistift eingetragene Dekorationen aus gefederten Goldsonnen, wie sie sich in der Initiale B auf S. 68 wiederholen. Die Akanthusblätter, die sich eng um den leistenartigen Buchstabenkörper winden, wurden in der Handschrift von Murray in Blaugrün-Tönen ausgeführt. Die beiden anderen Entwürfe bilden diejenigen für das A mit Aeolus und Juno für S. 4 (Aeneis I, 50–64), das aus einzelnen Akanthusblättern additiv zusammengesetzt scheint, wobei der Mittelbalken unterbrochen ist, um mehr Raum für die szenische Darstellung zu erlauben, und das D für S. 110 zu Aeneis IV, 700–705 (Dido auf dem Scheiterhaufen und Iris, FMC, Inv.-Nr. 1183–20), das mit seinem durch Quadratornamente geschmückten Stamm und einer die Akanthusblätter zusammenhaltenden Blattagraffe besonders eng Vorbildern der italienischen Renaissance verpflichtet ist. Die Vorzeichnung in Bleistift ist unter der fixierenden Tintenzeichnung sichtbar und weicht in Details von ihr ab. So sollte sich beim A der Ausläufer des linken Buchstabenstamms ursprünglich nach rechts wenden. Die in Bleistift eingetragenen Gittergerüste der Entwürfe weisen darauf hin, dass Morris die Initialen sorgfältig unter Berücksichtigung der Buchstabenproportionen konstruierte. Er windet den Akanthus entweder um ein Grundgerüst aus Leisten oder bildet den Buchstaben selbst aus Akanthus. Dabei werden die Blätter eher eng geschlungen und gedreht, um die wesentlichen Teile des Buchstabens klar zu formen, und gewinnen an den Ausläufern oder Zwickeln an dynamischem Schwung. Verbindungen von Stamm und Körper erfolgen über Wirbel oder Verschlingungen. Die Entwürfe sind in derselben klaren und präzisen Linienführung ausgeführt wie in Morris’ nur in Tinte angelegten Rahmenleisten und Initialen der »Oden«.768 Die Initialen in Burne-Jones’ Entwurfszeichnungen weisen zumeist zwar deutliche, klare Konturen auf, sind aber in einer dünneren Strichstärke als die figürlichen Szenen selbst ausgeführt und enthalten nur die wichtigsten Binnenlinien, die mit einem rotem Stift nachgezogen sind. Nur wenige Szenen sind in solche Initialbuchstaben eingefügt, die in Ausführung und Zeichnung den Chelmsforder Entwürfen ähneln und ein Konstruktionsgerüst in Bleistift besitzen, in das der Buchstabe eingepasst wurde. Vermutlich wurden, nachdem Morris die Buchstabengrundform und ihre Dekoration entworfen hatte, die Entwürfe für Burne-Jones durchgepaust und mit Rot nachgezogen, um die Formen markant herauszuheben und von dessen eigener Zeichnung abzuheben, die er in den Buchstaben-Rahmen hineinkomponierte.
767 CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Y7/EWL Y7. Auf Papier mit den Maßen 230 × 190 mm ausgeführt ; Dunlap 1972/1976, S. 295. 768 Vgl. z. B. die Akanthusblätter der Initiale D mit einer Darstellung des brennenden Troja (für S. 52 der Handschrift), Burne-Jones, FMC, Inv.-Nr. 1183–18, mit der Rahmenleiste zu Buch III der Horaz’schen Oden, BLO, MS Lat. class. e. 38, S. 88.
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3.8.7 Burne-Jones’ Entwürfe für die Miniaturen der »Aeneis«
Die Gesänge werden in der »Aeneis«-Handschrift durch nahezu quadratische Miniaturen eingeleitet (ca. 140 × 135–140 mm), die von Burne-Jones’ charakteristischen, eher passiven, schlanken Figuren bestimmt werden, die sich, in ruhigen und ausgewogenen Kompositionen angeordnet, im Vordergrund befinden und fast die gesamte Höhe des Bildfeldes einnehmen, wobei sie oftmals leicht gebeugt in dieses eingestellt sind. Dadurch vermitteln sie den Eindruck einer verhaltenen, angespannten Bereitschaft. Die Figuren sind von dem etwas elongierten Typus, der sich seit Anfang der 1870er Jahre im Werke Burne-Jones’ durchzusetzen beginnt. Die Entwürfe sind von einem sehr feinen zeichnerischen Duktus geprägt, bei dem sich verselbständigende, bewegte ornamentale Liniengefüge auffallen. Der Hintergrund der Bildfelder – mit Ausnahme der in der Handschrift nicht ausgeführten Miniatur zum dritten Gesang – ist, auch dieses typisch für das Werk Burne-Jones’, weitgehend durch die großen Figuren, durch Felswände oder Mauern verdeckt. Durch abstrakt anmutende, kurvig geschwungene Linienarrangements definiert der Künstler sowohl Felsen, Flammen, Wasser und Nebel. In den Bildfeldern der »Perseus«-Serie lassen sich diese Linienarrangements ebenso wiederfinden wie in den »Orpheus und Eurydike«-Entwürfen von 1872/1875. In einigen Entwürfen dieser Serien erhalten sie, verbunden mit einem Verzicht auf gegenständliche, den Bildraum bezeichnende Details, eine geheimnisvolle, abstrakte Qualität, die dem Charakter des Mythos entspricht, wogegen sie in den »Aeneis«-Zeichnungen von einem dekorativen Duktus bestimmt werden. Die Figuren Burne-Jones’ sind in wie von selbst bewegte, in kurvigen Draperien arrangierte, feingefältelte Gewänder gekleidet, die von demselben linearen Duktus bestimmt werden wie die Motive der Landschaft. Diese Liniengefüge bestimmen den Rhythmus, die Dynamik der Bilder, nicht die ruhigen, manchmal fast statuarischen Figuren der Felder. Die Gewandbehandlung lässt Anregungen durch antike Statuen und Reliefs vermuten, wie den Fries und die fragmentierten Giebelfiguren des Parthenon-Tempels im British Museum.769 Die Figuren des Parthenons sind in dünne Chitone gekleidet, die zum Teil durch mächtige, feinteilige Draperien den Körper ihrer Träger verhüllen, sich an anderen Partien aber so eng anschmiegen, dass der Eindruck eines »nassen Gewands« erweckt wird, unter dem sich der Körper deutlich abzeichnet. Diese Art der Gewanddar769 Zeichnung nach einer Parthenon-Metope (Süd-Metope 27) und anderer Antiken wie dem Nereidenmonument aus der Sammlung des British Museum in einem Skizzenbuch von ca. 1864 bis 1870, V&A, Inv.-Nr. E. 2–1955, S. 7, 11–13. Figuren aus dem Parthenon-Fries im Skizzenbuch V&A, Inv.-Nr. E. 6–1955 (1867), S. 28 (Westfries, Fig. 29 ; auf S. 24 Skizze nach Figuren des Westfrieses des Niketempels, British Museum, Slab k), und E. 3–1955, S. 5, 16 (Ostfries, Fig. 47 und 27). Vgl. a. Burne-Jones’ Skizze nach dem Relief mit tanzenden Mänaden : V&A, Inv.-Nr. E. 3–1955, S. 3, 11, und E. 4–1955, S. 15, 33. Siehe auch V&A, Inv.-Nr. E. 3–1955, S. 7, 10, und E. 4–1955, S. 11, 27, 33, 51, mit Beispielen für die dynamische Gewandauffassung der Antike.
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stellung bestimmt die in den Jahren um 1875 entstandenen Gemälde Burne-Jones’ wie »The Beguiling of Merlin«, die »Perseus«-Bildfelder oder auch die Glasfensterentwürfe für die Jesus College Chapel in Cambridge und andere Kirchen um 1873–1875.770 Die Linearität der Draperien, ihr körpernahes Anliegen spiegeln zugleich Anregungen durch die Arbeiten Andrea Mantegnas wider, die Burne-Jones sehr schätzte und von denen er Bilddetails und Figuren in seinen Skizzenbüchern festhielt.771 Burne-Jones’ Gewänder zeigen wehende, sich aufstülpende Säume und kurvig bewegte, feine Falten, die den Figuren den Eindruck von Bewegung und Pathos verleihen. Das Gewand scheint die Emotion und die Gefühlsstimmung der Figur, die Dramatik des Handlungsmomentes widerzuspiegeln. Als Anregung dienten dafür nicht nur Arbeiten Mantegnas, sondern vermutlich auch die linear artikulierten Gewänder in den Bildern des von Burne-Jones bewunderten Botticelli.772 Aby Warburg beobachtete in seiner Dissertation über Botticellis »Primavera« und »Die Geburt der Venus« : »die äussere Beweglichkeit des willenlosen Beiwerks, der Gewandung und der Haare, […], ein leicht zu handhabendes, äusseres Kennzeichen, das überall da angehängt werden konnte, wo es galt, den Schein gesteigerten Lebens zu erwecken«.773 1905 führte er dafür den Begriff »Pathosformel« ein, der sich auf Burne-Jones’ Gemälde und Zeichnungen übertragen ließe, in denen die Bewegung des Gewands dem Betrachter Aufschluss über die Emoti770 »The Beguiling of Merlin« (oder »Merlin and Nimue«, Lady Lever Art Gallery, Port Sunleight, 1872, neu begonnen 1873–1877), vgl. a. die zahlreichen Gewandstudien zur Nimue im FMC und in Burne-Jones’ Skizzenbuch, FMC, Inv.-Nr. 962. Für den »Perseus«-Zyklus haben sich Zeichnungen nach griechischen Vasenmalereien in einem Skizzenbuch in Wightwick Manor, Wolverhampton, National Trust, erhalten, vgl. Löcher 1973, Abb. 77–80 ; V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955, S. 250, ebd., Abb. 81. Zur Gewandauffassung vgl. z. B. St. Peter’s, Woolton, Lancas. (1874), All Saints, Leigh, Staffords. (1874), Coats Parish Church, Coatbridge (1875) ; Sewter 1974, Abb. 475–477, 480–482, 501–502. 771 Vgl. Mantegnas Rückenfigur des in die Vorhölle hinabsteigenden Christus (um 1468), dessen wehendes Gewand und gebeugte Haltung Burne-Jones bereits in seiner Illustration »Psyche entering Hades« variierte (Nachstiche nach Mantegna : Bartsch 25 1980, Nr. 5 [230]). Zeichnungen nach Arbeiten Mantegnas in den Reiseskizzebüchern von 1859 (FMC, Inv.-Nr. 1084), 1871 (Privatbesitz) und 1873 (FMC, Inv.-Nr. 1070.5) : zwei Apostel aus der Himmelfahrt Christi in den Uffizien (1463–1470) ; das Baumwesen und die fliegenden Wesen aus »Pallas verteibt die Laster aus dem Garten der Tugend«, 1499–1502, Louvre, Paris ; die von zwei Frauen gestützte Maria aus der Kreuzigung von San Zeno im Louvre, 1457–1460, EBJ 1975, Kat. Nr. 333, 345, 346 ; Skizzenbücher von 1866–1867, V&A, Inv.-Nr. E. 5–1955, S. 9 (weibliche Rückenfigur, vgl. Bartsch 25 1980, Nr. 4 [230]) und E. 6–1955, S. 1 nach Mantegnas »Die Verleumdung des Apelles«, BML, Inv.-Nr. 1860–6–16–85. Vgl. dazu : Benedetti, in : EBJ 1986, S. 24. 772 Gewandfiguren nach Botticelli z. B. im Skizzenbuch, V&A, Inv.-Nr. E. 5–1955, S. 29 nach »Mariä Krönung mit vier Heiligen«, 1487–1490, Uffizien, Florenz. 773 Aby Warburg, Sandro Botticellis »Geburt der Venus« und »Frühling«. Eine Untersuchung über die Vorstellungen von der Antike in der italienischen Frührenaissance, Hamburg/Leipzig 1893, S. 62. Vgl. auch Pächts Äußerungen zum antiken Gewand unter Bezug auf die Nachwirkungen in der karolingischen Buchmalerei der Schule von Reims und der angelsächsischen Buchmalerei des 10. und 11. Jahrhunderts, in : Otto Pächt, Buchmalerei des Mittelalters. Eine Einführung, München 1984, S. 177–178.
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onen der Figuren gibt, während die Gesichter ihr idealisiertes, träumerisch-melancholisches Gleichmaß beibehalten. Duncan Robinson vermutete, dass die biblischen Szenen im Marmorboden des Doms in Siena, die von Sieneser Künstlern wie Matteo di Giovanni (ca. 1435–1495) entworfen wurden, die Inspiration für die bewegte, expressive, lineare Faltengebung bildeten.774 Burne-Jones hatte einige dieser Szenen 1873 in seinem italienischen Skizzenbuch kopiert.775 Antike Reliefs und Vasenmalereien regten vermutlich außerdem die für ihn ungewöhnlich lebendigen Kampfszenen, die Wiedergabe des Gottes Neptun in strenger Profilansicht und die Darstellungsweise der Pferde in den Miniaturen an. Durch die Situierung der Handlung auf einer Vordergrundbühne, wobei der Hintergrund weitgehend verdeckt bzw. als eine Landschaftsfolie eingefügt wird, sowie durch das zumeist frontale oder frieshafte Arrangement der Figuren und die lineare Stilisierung schränkt Burne-Jones die Dreidimensionalität der Miniaturfelder ein und verhindert die tafelbildartige »Fensteröffnung«, die Morris für die Buchillustration ablehnte. So äußerte dieser in Bezug auf die frühen Holzschnittillustrationen : […] that these designs […] while they perform their especial function – the office of telling a tale – never forget their other function of decorating the book of which they form a part ; this is the essential difference between them and modern book illustration, which I suppose make no pretence at decorating the pages of the book, but must be looked upon as black and white pictures which it is convenient to print and bind up along with the printed matter.776
Bei fünf Büchern der »Aeneis«-Handschrift (Buch IV, VI, IX, X, XII) sind die Miniaturen auf der Versoseite eingefügt, so dass keine freien oder nur teilweise beschriebenen Seiten die kontinuierliche Abfolge des Textes unterbrechen. Die Farbigkeit der nach Entwürfen Burne-Jones’ von Murray ausgeführten Miniaturen ist intensiv und leuchtend und unterscheidet sich von Arbeiten Burne-Jones’, die seit Mitte der 1870er Jahre durch eine zunehmende Reduzierung der Buntwerte zugunsten einer Betonung von Grau-Blau-Tönen bestimmt werden. Murray kennzeichnet die Figuren durch ihnen zugeordnete Farben – bei der Venus z. B. ein Rosa-Ton – und unterstreicht durch das Aufgreifen der Farbe die Beziehung zwischen Göttern und Figuren – so wiederholt sich das Rosa der Venus in dem Gewand unter Aeneas’ Rüstung. Dessen goldbraune Rüstung charakterisiert ihn als positiven Helden, während die Rüstungen seiner Gegner in Dunkelgrau-Blau gehalten sind. Blau ist die der Juno zugeordnete Farbe und wird entsprechend in der Kleidung ihrer Botin Iris und ihres Schützlings Dido aufgegriffen. Die Figuren agieren in ockerfarbenen 774 Robinson 1975, S. 348, Abb. 2, S. 349, Abb. 4 ; Clegg/Tucker 1992, Kat. Nr. 170, Abb. auf S. 93–94. 775 FMC, Inv.-Nr. 1070.5, fol. 7r–12r : Szenen des bethlehemitischen Kindermordes, Schlachtenszenen von Herodes, Judas Makkabäus, Jephta, Judith. 776 William Morris, The Woodcuts of Gothic Books (1892), in : Morris 1982, S. 25–44, hier S. 36.
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Landschaften vor leuchtend blauen Bergzügen und einem etwas helleren Himmelsausschnitt. Murray überträgt, wie in den unvollendeten Partien der Miniaturen besonders gut zu beobachten ist, den Entwurf Burne-Jones’ in grauer Zeichnung, wobei er die größeren Farbflächen mit Angabe der Hauptlinien einfügt. Dann trägt er die Farbe zunächst locker, in flüchtigen Strichen, durch die das Weiß der Seite oder die tiefer liegende Farbschicht sichtbar bleiben können, und erst danach in kurzen feinen Strichen auf, wobei er mehrere Farbtöne über- und nebeneinander setzt – beim Inkarnat etwa Orange und Blau oder Grau, so dass ein lebendiger, fast vibrierender Oberflächeneffekt entsteht. May Morris lobte die Miniaturen Murrays als »very loveley and delicate«. Sie wies darauf hin, dass er »among his old Italians the secret of brilliant, deep, transparent colour« gelernt habe.777 Sind die ersten fünf Miniaturen von Murray als rechteckige Bildfelder in den Rahmen hineingestellt, so stoßen sie ab dem sechsten Buch direkt auf die unregelmäßig geschwungene Außenkontur des einfassenden Rankenwerkes. Die Miniatur zum 1. Gesang
Die Miniatur des ersten Gesangs zeigt die Szene der Begegnung zwischen Aeneas und seiner Mutter Venus vor den Stadtmauern Karthagos in einer kargen Hügellandschaft, hinter der ein Seestreifen sichtbar wird (S. [1], Aeneis I, 402–413 ; Taf. 10).778 Ein Seesturm, aus dessen Verlauf Burne-Jones zwei Ereignisse in historisierten Initialen schildert, zwang die aus Troja Geflüchteten, auf ihrer Reise an der Küste vor Karthago zu landen. Dort versuchte Venus, ihren Sohn vor den Intrigen der Göttin Juno zu warnen, die die Gründung eines neuen Trojas vereiteln wollte, und erschien ihm in einem Wäldchen in Gestalt einer Jägerin. Burne-Jones zeigt den Moment, als sich Venus ihrem Sohn als Göttin zu erkennen gibt, und Aeneas aus dem Wald in Richtung der Stadtmauern Karthagos schreitet, von seiner Mutter schützend in einen Nebel gehüllt. Durch die Darstellung der ersten in der »Aeneis« geschilderten Begegnung von Venus und Aeneas verweisen Morris und Burne-Jones zum einen auf die Abstammung und Herkunft des Helden als auch auf den besonderen Schutz, der ihm auf seiner Reise zuteil wurde. Venus ist, wie auch in den folgenden Miniaturen, nimbiert und bekleidet dargestellt.779 Sie schwebt auf einer kleinen Nebelwolke am linken Bildrand vor der Stadtmauer und wendet sich ihrem Sohn mit einer einladenden Geste ihrer Linken zu. Dieser tritt 777 May Morris, in : CW XI, S. xxiv. 778 FMC, Inv.-Nr. 1183–1 : 1873, Beischriften ENEAS, VENUS, CARTHAGO (in der Miniatur nicht eingetragen). 779 Bekleidete Venus-Figuren finden sich in Burne-Jones’ Werk seit ca. 1870, vgl. z. B. »The Godhead Fires« aus dem «Pygmalion«-Zyklus ; »Laus Veneris«, 1873–1878, Laing Art Gallery, Newcastle-upon-Tyne. Dagegen ist Venus in den Illustrationen zur »Cupid and Psyche«-Geschichte aus »The Earthly Paradise« als nackte
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rechts, wachsam gebeugt und von schmalen Nebelwolken umhüllt, aus dem durch wenige schlanke Bäume angedeuteten Wäldchen heraus. Sein Schild ist mit dem Medusenhaupt geschmückt. In der Rechten hält er, wie Vergil es erwähnt, zwei Lanzen (Aeneis I, 313). Allerdings verzichtet Burne-Jones auf die Darstellung von Aeneas’ Begleiter Achates. Die kontrapostische frontale Haltung der Göttin mit leicht zur Seite geneigtem Oberkörper variiert ein beliebtes Haltungsmotiv Burne-Jones’, das auf Botticellis VenusDarstellung in »Die Geburt der Venus« (um 1484, Uffizien, Florenz) zurückgeht.780 Die leichte Neigung des Oberkörpers zur Seite verleiht der Figur eine etwas zögernde und verletzlich wirkende Haltung, die an die Esquilinische Venus denken lässt (Kopie nach einem verlorenen Original aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.). Venus’ fein gefälteltes Gewand mit um Hüfte und Oberschenkel gewickeltem Mantel wiederholt den waagerechten Faltenverlauf von dem Kleid der Nimue (oder Vivian) in Burne-Jones’ Gemälde »The Beguiling of Merlin«(Lady Lever Art Gallery, Port Sunlight), an dem der Künstler zwischen 1872 und 1877 arbeitete. Der kurvige Verlauf des Gewands kontrastiert mit der grauen Stadtmauer, die blockhaft aus strebenhaften, geometrischen Formen zusammengesetzt scheint. Die Miniatur zum 2. Gesang
Im zweiten Gesang schildert Vergil als Rückblick die Vernichtung Trojas durch das griechische Heer und die Flucht des Aeneas in das Gebirge Ida. Dem Text ist eine Miniatur vorangestellt, die eine Szene vom Ende des Buches zeigt : Aeneas, der seinen Vater Anchises mit den Penaten auf dem Rücken trägt und seinen Sohn Ascanios (Iulus) an der rechten Hand hält, während er selbst von der in einer Mandorla als unsichtbare Schutzgöttin schwebenden Venus nach rechts geleitet wird (S. [29] ; Aeneis II, 804).781 Einfassung und Helligkeit heben Venus als göttliches Wesen gegenüber den anderen Figuren heraus. Aus der durch die Stadtmauer angedeuteten brennenden Stadt blickt ihnen der Geist von Göttin gezeigt. Zur Darstellung der Venus als nimbierte Göttin vgl. Dante Gabriel Rossettis Gemälde »Venus Verticordia« von 1864–1868, Russell-Cotes Art Gallery and Museum, Bournemouth. 780 Das Haltungsmotiv wiederholt sich in den Entwürfen zu »The Earthly Paradise« (»The Court of Venus«, »Psyche«, »Venus sending Cupid to Psyche«, Entwürfe im AMO), in der Medusa in »The Finding of Medusa« (vgl. Löcher 1973, Abb. 55, 57, Nr. 4c, 4g), in den Venus-Darstellungen in »The Mirror of Venus« (1868, Sammlung Gulbenkian, Lissabon) und in »Venus Epithalamia« (1871, Fogg Art Gallery, Cambridge, Mass.; Kopie von Murray, ehem. Handley-Read Collection). In Burne-Jones’ Skizzenbüchern aus den Jahren vor 1870 finden sich einige Zeichnungen nach antiken Venus-Skulpturen, V&A, Inv.-Nr. E. 3–1955, S. 34 ; E. 4–1955, S. 9, 27, 35, und nach italienischen und süddeutschen Renaissance-Stichen, die ihrerseits solche Venus-Darstellungen rezipierten, V&A, Inv.-Nr. E. 3–1955, S. 9, 10, nach Barthel Beham ; E. 5–1955, S. 9, 17, 19, 21 nach Marcantonio Raimondi, Bartsch 26 und 27 1978, Nr. 1 (13), 192 I (155), 339 (254), 193 (158). 781 Unvollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–2 : 1873. Eine in einer Mandorla schwebende Venus verwendete BurneJones bereits um 1867 in einem Illustrationsentwurf für »The Earthly Paradise«, FMC, Inv.-Nr. 1239. Das Haltungsmotiv der Venus ähnelt demjenigen der Psyche im Bildfeld »Psyche passes safely through the Shadowy Meads« aus dem »Cupid and Psyche«-Zyklus für George Howard, BMAG.
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Aeneas’ Frau Kreusa nach – ein Hinweis auf einen weiteren wichtigen Moment der Geschichte von Aeneas’ Flucht aus Troja. Die knappe Einspannung der Figuren in das Bildfeld betont die Dramatik der Fluchtsituation und die Last, die Aeneas zu tragen hat. Kreusa dagegen, die Aeneas in der brennenden Stadt als Lufthauch, als Trugbild erschien (Aeneis II, 771–794), verschmilzt in dem Entwurf mit den kurvig stilisierten Flammen und erhält dadurch einen immateriellen Charakter. Die Landschaft unterstreicht das Thema vom Verlassen der Stadt und Aufstieg ins Gebirge durch das treppenartige Absinken der Stadtmauer zum Hintergrund und das leicht geschwungene Ansteigen der Felsformation des Mittelgrundes, wodurch auf Höhe der Bildmittelachse ein Einschnitt in Form eines auf die Spitze gestellten Dreiecks erfolgt, das Aeneas und Anchises rahmt. Der geschwungene Linienverlauf der Hintergrundfelsen wird durch die Vertikalen stabilisiert, die durch die Figuren der Kreusa und der Venus an den äußeren Bildseiten gebildet werden. Die Wahl dieser Szene überrascht sowohl unter motivgeschichtlichen als auch erzähltechnischen Aspekten nicht, da sie zum einen eine derjenigen bildet, die in der Kunst stets besondere Aufmerksamkeit erfuhren, und da sie zum anderen als der Moment der Wende für den weiteren Verlauf der Geschichte grundlegend ist : Mit dem Verlassen Trojas ist der Anfang zu Aeneas’ Reise nach Italien gemacht. Burne-Jones lässt Anchises mit beiden Beinen auf der linken Schulter seines Sohnes sitzen, während er sich an dessen rechtem Oberarm festhält. Damit weicht Burne-Jones von den üblichen Darstellungsweisen ab, die das Gewicht zumeist auf beide Schultern oder den Rücken des Trägers verteilen. Zwar trägt in der Initiale der italienischen VergilHandschrift der British Library, MS King’s 24, fol. 73v (Abb. 54), Aeneas seinen Vater auf dem Rücken, in der Haltung des Ascanios sind jedoch gewisse Parallelen zu derjenigen in Burne-Jones’ Entwurf zu erkennen. Auch in Raffaels Dreiergruppe im Fresko vom Brand des Borgo, 1514 (Stanza dell’Incendio di Borgo, Vatikan, Rom), ist der alte Mann auf den Rücken der tragenden Figur gelagert, wobei die Gruppe durch Bein- und Armhaltung kunstvoll verschränkt wird. Auf einem der Schule Marcantonio Raimondis zugeschriebenen Stich von Guilio Romanos Version sitzt Anchises auf beiden Schultern seines Sohnes, wobei Aeneas zudem noch die Penaten trägt.782 Bernini dagegen lässt zwar in seiner Marmorgruppe gleichen Themas von 1619 (Galleria Borghese, Rom) Anchises ebenfalls auf Aeneas’ linker Schulter sitzen, doch bestehen in der aufrechten Haltung des Tragenden, in der Gewichtsverlagerung durch die Körperdrehung und der spiralig aufwärtsstrebenden Bewegung maßgebliche Unterschiede zur Gruppenkomposition von Burne-Jones. Aeneas’ gebeugte Haltung bei Burne-Jones könnte durch diejenige des Mannes einer Dreiergruppe aus dem Fußbodenmosaik der Kathedrale in Siena angeregt
782 Bartsch 26 1978, Nr. 186 (152).
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worden sein, die der Künstler 1873 in seinem Skizzenbuch festgehalten hatte.783 BurneJones variierte das Haltungsmotiv auch für die Figur des alten Lot in seinem Glasfensterentwurf für die Kathedrale von Calcutta, 1874, der mit dem kurvilinearen Duktus der Sodom zerstörenden Flammen eine weitere Parallele zur »Aeneis«-Miniatur aufweist.784 Aeneas’ Sohn Ascanios entspricht dem in diesen Jahren häufig im Werke Burne-Jones’ vorkommenden etwas rundlichen Kinder- und Amortypus.785 Sein Haltungsmotiv greift dasjenige eines Jungen auf, der sich im Bildvordergrund eines Gemäldes von 1867 an die Gewandzipfel der Personifikation der Caritas klammert.786 Als Anregung zu dieser Art der Kinderdarstellung dienten ihm vermutlich Vorbilder des Quattrocento wie die Terrakotten von Tribolo und Pierino da Vinci, die mit Arbeiten im V&A vertreten sind.787 Burne-Jones bewunderte außerdem die Kinderdarstellungen der Familie della Robbia.788 Die Miniatur zum 3. Gesang
Die Miniatur zum dritten Gesang wurde als einzige nicht in die Handschrift übertragen ; der vorgesehene Raum auf Seite [59] verblieb aus unbekannten Gründen leer : Vielleicht bevorzugte Murray ein anderes Sujet oder er hatte keine Gelegenheit mehr, an den Entwurf zu gelangen, um die Übertragung vorzunehmen.789 Dargestellt ist in Burne-Jones’ Entwurf die Begegnung von Aeneas und seinem Gefolge, angedeutet durch zwei Krieger, mit den Harpyien (Aeneis III, 215 ff.) an den strophadischen Ufern (Aeneis III, 225–262).790 Burne-Jones präsentiert in seinem Entwurf nicht die beim Speisen aufgestörten Krieger (Aeneis III, 224), sondern gibt sie angriffsbereit 783 FMC, Inv.-Nr. 1070.5, fol. 9r. 784 »The Destruction of Sodom«, 1874, Cecil Higgins Art Gallery, Bedford. 785 Vgl. z. B. den Amor in Burne-Jones’ Porträt von Maria Zambaco, 1870, Clemens-Sels-Museum, Neuss ; den Puttenfries im Hintergrund von »Love among the Ruins«, 1870–1873, Wightwick Manor, Wolverhampton, National Trust ; die »bronzenen« Kinderfiguren des Troja-Triptychons, seit 1870, Entwurf für das Gesamtschema, BMAG ; die Kinder, die die »Terra« im Innendeckel des Graham-Flügels umgeben, 1879/1880, Privatbesitz ; Entwurf für eine Seitendekoration für »Love is Enough«, 1871/1872. 786 Burne-Jones, Caritas, 1867, Privatsammlung. Ein ähnliches Haltungsmotiv findet sich auch bei der Figur eines Jungen im Vordergrund des Freskos vom Aufbruch der Israeliten im »Moses«-Zyklus des Bernardino Luini, dessen Werk Burne-Jones sehr schätzte, Brera, Mailand (ehem. Villa Rabia »La Pelucca«) ; zu BurneJones’ Wertschätzung von Luini : Russell 1972, S. 424 ; John Christian, Burne-Jones et l’art italien, in : EBJ 1992, S. 46–48. 787 Vgl. ebd., S. 46. Skizzen nach Kindergruppen des Tribolo und Pierino da Vinci (V&A) in Burne-Jones’ Skizzenbuch von ca. 1864 bis 1870, V&A, Inv.-Nr. E. 2–1955, S. 19, 35, s. a. Putten- und Kinderstudien auf S. 21–29, 37, 41–45. 788 Burne-Jones’ Brief an Agnes Graham, Oktober 1876, in : Russell 1972, S. 425. 789 FMC, Inv.-Nr. 1183–3 : 1873. 790 Vgl. die Haltung des Aeneas mit derjenigen des von Burne-Jones entworfenen Ritterheiligen im Ostfenster in »All Saints«, Cambridge, 1866, Sewter 1974, Abb. 263.
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stehend mit gezücktem Schwert, erschreckt über die Unheilsvoraussagen der fliegenden Gegner (Aeneis III, 245–260). Die Dramatik des Geschehens vermittelt er durch die Platzierung und die enge Gruppierung der drei männlichen Figuren an den rechten Bildrand, durch Überschneidungen sowie den Kontrast von dicht zusammengefügten Gruppen und einem offenen Landschaftsausblick. Die angeschnittenen Flügel und Köpfe der sich in der linken oberen Bildhälfte zusammendrängenden Harpyien unterstreichen die Plötzlichkeit und die Wucht ihres Angriffs, vor dem die Kämpfer an den rechten Bildrand zurückweichen. Die Asymmetrie der Komposition wird durch die nahezu in der Bildmittelachse angeordneten Abb. 55 Edward Burne-Jones, Didos Tod, 1873, Vertikalen zweier Baumstämme betont. Hinter Fitzwilliam Museum Cambridge, Inv.-Nr. 1183.4. diesen erstreckt sich die Küstenlandschaft mit © The Fitzwilliam Museum, Cambridge. spitzen Felsen, wobei etwas unklar bleibt, in welcher Entfernung zueinander sich Figuren und Ufer befinden. Der Grund der Szenenauswahl war vermutlich zum einen die Akzentuierung und Würdigung des ersten, sehr ausführlich geschilderten größeren Abenteuers der Reisenden, zum anderen die Tatsache, dass die Harpyien den Trojanern als Strafe für das Verhalten auf ihrer Insel Unbill bei der Landung in Italien voraussagten und somit bereits auf die weitere Handlung hingedeutet wird. Die Harpyien-Episode verweist beispielhaft auf die vielen ungewöhnlichen Erlebnisse und Begegnungen des Helden auf seiner Seefahrt. Die Miniatur zum 4. Gesang
Der vierte Gesang der »Aeneis« wird mit einer Darstellung von Didos Selbstmord auf dem Scheiterhaufen eingeleitet. Sie tötete sich aus Kummer über die Abreise des von ihr geliebten Aeneas (S. [86] ; Aeneis IV, 647–667 ; Abb. 55), der durch Merkur an seine Aufgabe, nach Italien zu segeln, erinnert wurde.791 Die Verbindung von Dido, der Königin von Karthago, mit Aeneas wurde sowohl von Venus als auch von Juno befürwortet, doch Jupiter befahl dem Trojaner weiterzureisen, um seine Bestimmung zu erfüllen. Burne-Jones folgt in der Darstellung des auf dem Scheiterhaufen liegenden Harnischs des Aeneas und einer über den Holzbohlen angeordneten Draperie eng Vergils Beschrei-
791 Nahezu vollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–4 : 1873.
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bung der Szene.792 Der auf die Figur konzentrierte Entwurf wird von dem kurvilinearen Duktus geprägt, der Flammen, Kleid und Stoffdraperie durchzieht. Die Beugung der auf dem Scheiterhaufen knienden, nach links gewendeten Figur wird im kurvigen Arrangement der Draperie sowie im Verlauf der umgebenden, rahmenden Flammen wiederholt und am linken Bildrand durch den Gegenschwung des auf dem Scheiterhaufen stehenden Panzers aufgefangen. Das Schwert, das sich Dido an die Brust setzt und dessen Ansatzpunkt durch die Raffung der Stoffdraperie auf dem Scheiterhaufen akzentuiert wird, bringt eine schräge Gegenbewegung ein. Zwischen den Flammen und am unteren Bildrand sind füllend zierliche Blattzweige eingefügt. Auf Grund von Didos ausgeprägten Gesichtszügen mit üppigen Lippen und ihren dichten dunklen Haaren wurde vermutet, dass es sich um ein Porträt von Morris’ Frau Jane handeln könnte.793 Der Typus der knienden und gebeugten Figur greift wieder bewährte Haltungsschemata Burne-Jones’ aus dem Zusammenhang der »Cupid and Psyche«-Illustrationen für »The Earthly Paradise« auf.794 In dieser Miniatur schließt er sich, neben der Darstellung der Flucht aus Troja, am engsten an bestehende Bildtraditionen an und folgt Miniaturen spätmittelalterlicher und Renaissance-Handschriften wie BL, MS King’s 24, fol. 101v, oder der Apsley House»Aeneis«, fol. 76v. Murray kleidet Dido in ein dunkelblaues Gewand mit Goldpunktornamenten auf den Ärmeln und roten Bändern um Taille, Schultern und Oberarme. Sie kniet auf den von weißen Draperien bedeckten Baumstämmen gegenüber dem goldbraunen Harnisch des Aeneas. Die orangeroten Flammen mit einzelnen goldenen Glutpunkten winden sich vor einem hellblauen Himmel. Verschmelzen unter Burne-Jones’ linearem Duktus die verschiedenen Gegenstände zu einer fast ornamentalen Komposition, macht Murray durch Farbgebung und unterschiedliche Oberflächenqualitäten den stofflichen Charakter der Einzelteile wieder kenntlich, ohne sich dabei von Burne-Jones’ Vorlage zu entfernen. Wie bei der zweiten Miniatur überrascht die Szenenwahl nicht. Dido war eine berühmte Heldin der Antike und galt als Beispiel für die Kraft und Verzweiflung wahrer Liebe. Sie war Burne-Jones und Morris durch ihre Beschäftigung mit dem von ihnen hochgeschätzten Rosenroman, Chaucer und Boccaccio bestens vertraut. So findet sich in Ersterem (BL, MS Harley 4425, fol. 117v) eine Miniatur mit der sich in Aeneas’ Schwert stürzenden Dido. Das im Hintergrund durch das Fenster sichtbare Schiff verweist hier auf den Grund
792 Der Harnisch dieser Miniatur geht vermutlich wie auch diejenigen in den Miniaturen zu Gesang VIII und XI auf römische Triumphdarstellungen wie die der Trajanssäule oder aber auf Motive in Andrea Mantegnas »The Triumphs of Caesar« in Hampton Court zurück (1485–1495) bzw. auf Nachstiche dieser Arbeit, vgl. Bartsch 25 1980, Nr. 13 und 14 (236), 14 A (237). 793 Brinton 1934, S. 28 ; Mickelsson 1979, S. 264. 794 Vgl. z. B. die kniende Dienerin im Holzstich »The Court of Venus« für »The Earthly Paradise«, ca. 1865– 1867 ; »The March Marigold« (allerdings seitenverkehrt), Öl auf Lwd., ca. 1868/1870, Burne-Jones 1975, Kat. Nr. 13.
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ihres Selbstmords – die Abreise des Geliebten. Didos Tod setzt Aeneas’ Karthago-Aufenthalt ein markantes Ende und beschließt eine weitere Etappe seiner Abenteuer. Die Miniatur zum 5. Gesang
Die Miniatur zum fünften Gesang zeigt die trojanischen Frauen, die, angestiftet von der in Junos Befehl handelnden Iris, die Schiffe in Brand gesteckt hatten, um Aeneas zum Bleiben auf Sizilien zu bewegen (S. [113] ; Aeneis V, 660 ff.).795 Diese Szene bildet eine der wenigen des fünften Buches, die nicht den Wettkämpfen zu Ehren des Anchises gelten. Vermutlich sind auf Grund des Buchinhalts auch kaum Entwürfe für weitere Illustrationen dieses Gesangs erhalten. Der Zug der sechs Frauen variiert die erregten Figuren im Hintergrund des Predella feldes »Venus Discordia«.796 Vielleicht wurde Burne-Jones durch Mänadendarstellungen auf griechischen Vasen im British Museum, die er im Zusammenhang mit seinem »Perseus«-Zyklus studiert hatte, zu der emotionsgeladenen Darstellung angeregt.797 Die Figuren erinnern in dem bewegten Faltenwurf ihrer Gewänder und einigen Beinmotiven auch an seine Skizzen nach Reliefs vom Nereidenmonument und dem Mausoleum von Halikarnassos, die um 1866/1867 entstanden.798 Die Dynamik der Bewegung wird dadurch unterstützt, dass der von links kommende Figurenzug am rechten Bildrand nicht aufgefangen, sondern durch den Bildrahmen abrupt unterbrochen wird. Die Frauen sind vor einem breiten, fast drei Viertel des Bildfeldes füllenden Meeresstreifen, den sie jedoch weitgehend verdecken, im Lauf nach rechts gezeigt, Fackeln in den erhobenen Händen haltend, die Haare wehend, den Mund z.T. schreiend geöffnet. Das Schiff der Trojaner liegt im Mittelgrund und ist hinter dem Baumstamm links zwischen den beiden ersten Figuren teilweise sichtbar. Für diese Miniatur besteht ausnahmsweise eine zusätzliche Entwurfsskizze, die allerdings nur drei Frauen zeigt.799 Dafür fügte Burne-Jones am rechten Bildrand den ange795 Nahezu vollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–5 : 1874. Die Fackel der dritten Frau von rechts ist im Entwurf außerhalb des Bildfeldes in leichter Kontur fortgeführt. 796 »Venus Discordia«, Bleistift, 1871, WAGM, Inv.-Nr. D 33.1921 ; unvollendete Ölfassung, begonnen 1873, National Museum of Wales, Cardiff. Vgl. auch mit den Figuren links im Vordergund auf der hinter der Venus aufgehängten Tapisserie mit einer Darstellung des Triumphes der Göttin in Burne-Jones’ Gemälde »Laus Veneris«, 1873–1878, Laing Art Gallery, Newcastle-upon-Tyne. 797 Vgl. Skizzen nach Vasenbildern in einem Skizzenbuch, Wightwick Manor, National Trust, Löcher 1973, Abb. 77–80. Brinton 1934, S. 31, zog eine Parallele zu Arbeiten Botticellis. 798 Skizzenbücher, V&A, Inv.-Nr. E. 2–1955, S. 11–13, und E. 5–1955, S. 41, Abb. bei : Benedetti 1980, Taf. 99ab. Vgl. aber auch mit Burne-Jones’ Skizze in E. 5–1955, S. 11 nach »Woman pulling her hair«, Marcantoni Raimondi nach Francesco Francia (?), Bartsch 27 1978, Nr. 437 (329), und der Zeichnung einer laufenden Frau in V&A, Inv.-Nr. E. 4–1955, S. 27. 799 Bleistift auf Papier, 252 × 177 mm, kanadische Privatsammlung ; Earthly Paradise 1993, Kat. Nr. A 26, S. 74–75.
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schnittenen stark gewölbten Bauch eines der trojanischen Schiffe ein, wodurch der erzählerische Hintergrund der Darstellung deutlicher als in dem mänadenartigen Zug des endgültigen Entwurfs wird. Die Haltungsmotive der beiden linken Figuren in der Skizze wiederholt Burne-Jones mit starker Überschneidung in den beiden Figuren am rechten Bildrand seines ausgeführten Entwurfs. Die linke Frauenfigur der Miniatur verweist in ihrem etwas maskenhaften Ausdruck und der strengeren Stilisierung der Haare, die sie von ihren Gefährtinnen unterscheidet, von denen sie auch der Baum des Mittelgrunds trennt, an Burne-Jones’ Glasfensterentwürfe mit Personifikationen der Laster für die Jesus College Chapel, Cambridge, von 1875.800 Vielleicht ist sie als Iris zu deuten, die im Auftrage Junos die trojanischen Frauen in Gestalt der Beroe aufstachelte (V, 619 ff.). Das vornübergebeugte Haltungsmotiv der dritten Figur von links dagegen scheint auf Burne-Jones’ Illustrationsentwürfe zu »The Story of Cupid and Psyche« zurückzugehen (»Psyche rushing out of the palace«). Die Klarheit der Linienführung lässt ebenso wie das bewegte Schreitmotiv, die expressive Mimik und Gestik auch an die Darstellung des bethlehemitischen Kindermordes vom Fußboden des Sieneser Doms denken, den Burne-Jones in Ausschnitten 1873 in seinem Reiseskizzenbuch festgehalten hatte.801 Murrays Miniatur zeigt eine feine Abstimmung der Gewandfarben vor Streifen aus gelbem Strand, blaugrünem Wasser und blauem Himmel : Er gruppiert von links nach rechts Hellblau, Grün-Orange, Weiß und Grün, Rosa, Blau, Rostrot. Die hellsten Gewänder befinden sich in der linken Bildhälfte, der intensivste Farbton, das Rosa, in der Bildmitte. Nach rechts nehmen die Farben an Dunkelheit zu. Die Miniatur zum 6. Gesang
Auf den Umkreis der Jesus College Chapel-Fensterentwürfe und der Sieneser Skizzen verweist auch die Darstellung der Sibylle von Cumae, die, in ihrer Rechten den Goldenen Zweig tragend, Aeneas in der Miniatur zum sechsten Gesang in die Unterwelt führt (S. [146] ; Aeneis VI, 260–263, 268–270).802 Die beiden Figuren befinden sich vor einer Felswand auf einem schmalen Vordergrundstreifen und bewegen sich nach rechts – eine Richtung, die durch einen am linken Bildrand befindlichen, sich sanft absenkenden Sandhügel unterstrichen wird und den Abstieg andeutet. Nicht nur die klar definierten Falten des expressiv bewegten Gewandes, sondern auch die etwas herberen, ausdrucks-
800 Vgl. »Stultitia« und »Rage or Intemperance (ira)«, 1875, Entwürfe in Bleistift, FMC, Inv.-Nr. 1231 a und b. 801 FMC, Inv.-Nr. 1070.5, fol. 7r, 8r, 9r (Friesszenen) und 10r. Vgl. die Figur der »Rage or Intemperance« im Jesus College Chapel-Fenster mit der Sibilla Cumea (Giovanni di Stefano) der Marmoreinlegearbeiten des Bodens im Sieneser Dom. 802 Unvollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–6 : 1874.
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vollen Gesichtszüge und die bandartig stilisierten Haare der Sibylle erinnern an das Sieneser Vorbild und die Fenster in Cambridge. Das Voranschreiten der Sibylle, die sich, während sie mit ihrer Rechten nach vorn weist, zu Aeneas nach links hinwendet, erfährt durch ihr Gewand und ihren spiralig wirbelnden Umhang, der sie mit ihrem Begleiter verbindet, eine ungewöhnliche Dramatik und deutet darin die Gefahren des bevorstehenden Gangs in die Unterwelt an.803 Aeneas’ wachsam gebeugte Haltung, das bedächtige Schreiten, sein gezücktes Schwert unterstützen diesen Eindruck.804 Die stürmisch bewegte, an den Körper gepresste Kleidung lässt, wie auch das leicht vorgebeugte Schreiten der Sibylle, an ein von Burne-Jones’ häufiger variiertes Motiv nach Mantegna denken – an Christus, der in die Vorhölle hinabsteigt.805 Die Figuren sind eng in das Bildfeld eingepasst. So wird Aeneas im Gehen aufgesetzter linker Fuß vom linken Bildrand überschnitten, berührt die ausgestreckte Linke der Sibylle den rechten Bildrahmen. Ihr Gewand und die Nebelschwaden scheinen – wie Stoffe und Feuer in der Miniatur zum vierten Gesang – von fast derselben, abstrakt-ornamental anmutenden Qualität. Durch die Wahl dieser Szene führt Burne-Jones den Betrachter, gleichsam wie die Sibylle Aeneas, in die Geheimnisse der Unterwelt. Durch sie erfährt Aeneas endlich den Ort seiner Bestimmung, das Latium, und durch das Wiedersehen mit seinem Vater Anchises in der Unterwelt, dem die Reise gilt, werden ihm der Zweck und die Folgen seiner Bestimmung enthüllt. Die Miniatur wird durch eine dunkle Blautonigkeit gekennzeichnet, wobei der blauorangefarbene Nebel eine Verbindung zu Aeneas’ gold-braunroter Rüstung herstellt. In einer Zeichnung in Burne-Jones’ New Yorker Skizzenbuch scheint eine Alternativszene vorzuliegen, da sie in ihrem querrechtigen Format von demjenigen der Initialentwürfe abweicht (PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 63r). Sie zeigt Aeneas als Rückenfigur und den Höllenhund Kerberos vor einer aus Peitschenschwunglinien gebildeten Höhle, dem Tor zur Unterwelt (Aeneis VI, 418–419), wobei Kerberos demjenigen im Entwurf zum Graham-Flügel ähnelt.806 Die Miniatur zum 7. Gesang
Nachdem Aeneas mit den Trojanern in Latium gelandet war, wurde er als Bewerber um die Hand der Lavinia, der Tochter Königs Latinus, begrüßt. Diese war eigentlich Turnus, 803 Zur Haltung der Sibylle vgl. die Darstellung von Henoch und dem Engel, Fenster in der Jesus College Chapel, Cambridge ; »Leading the Blind« aus Serie der »Acts of Mercy« für ein Fenster in St. Peter’s, Bramley, Yorks., 1875 ; Sewter 1974, Abb. 428, 505. 804 Vgl. die Haltung mit der rechten mittleren Figur in PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 66r. 805 Bartsch 25 1980, Nr. 5 (230). 806 Entwurf in Bleistift auf Papier, 24,4 × 24,3 cm, AMO ; der Flügel in Privatbesitz.
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dem Herrscher der benachbarten Rutuler, versprochen, doch hatte noch vor Aeneas’ Ankunft ein Orakel die Verbindung mit einem Fremden empfohlen. Die den siebten Gesang einleitende Miniatur zeigt Lavinia im Säulenhof des Palastes des Latinus am Altar stehend (S. [181] ; Aeneis VII, 73–80).807 Sie ist am Altarfeuer – abweichend vom Text ohne ihren Vater – dargestellt, »als fasse ihr wallendes Haar nun ein Feuer / Und ihr gesamter Schmuck verlodre in prasselnder Flamme« (Aeneis VII, 73–74).808 Dieses Ereignis wurde als Vorausweisung auf kommende Kriege aufgefasst. Zu Lavinias Rechter wächst der Lorbeerbaum, um dessen Krone ein dichter Schwarm von Bienen fliegt (Aeneis VII, 59–67). Dieses Motiv bezieht sich auf ein bereits vergangenes Ereignis, das die Ankunft des Aeneas ankündigte (ebd., 68–70). Burne-Jones akzentuiert durch die Wahl dieser Szene die mythische Bestimmung des Helden und stellt in der Figur der Lavinia neben Kreusa und Dido die für den kommenden Abschnitt wichtige Frau im Leben des Aeneas vor. In ihr greift er sein besonders in den Venus-Darstellungen vielfach variiertes kontrapostisches Haltungsmotiv auf.809 Das Gewand wiederum mit der eng gefälteten, betonten Hüftpartie, den diagonalen Falten in der Kniezone ähnelt demjenigen der Nimue in »The Beguiling of Merlin«. Burne-Jones betont in diesem Entwurf das Gegeneinander verschiedener Oberflächenqualitäten. So kontrastiert er die schimmernde Glätte der Steinfliesen und Säulen mit den feingezeichneten, dichten Liniengefügen der Gewandfalten und Flammen. Murrays unvollendete Miniatur zeigt die in ein weiß-bläuliches, dünnes Kleid gehüllte Lavinia inmitten der leuchtend roten Flammen im seitlich von dunklen lila-schwarz schimmernden Säulen eingefassten Tempelhof auf dem bläulich-weißen, glänzenden Marmorfußboden stehend. Die Miniatur zum 8. Gesang
Die Miniatur zum achten Gesang widmet Burne-Jones noch einmal einer Begegnung zwischen Venus und ihrem Sohn Aeneas. Der über die Zurückweisung erzürnte Turnus hatte Aeneas und den Trojanern den Krieg erklärt. Er konnte sich die Unterstützung des grausamen Etruskers Mezentius sichern. Venus bat daraufhin Vulkan, Aeneas eine neue Rüstung zu schmieden. Burne-Jones zeigt in einer Landschaft die Übergabe dieser Rüstung durch Venus an ihren Sohn (S. [211], Aeneis VIII, 608–620).810 Sie reicht, auf der linken Bildseite stehend, ihm mit der Linken eine Lanze, während Brustpanzer 807 Unvollendet ; FMC ; Inv.-Nr. 1183–7 : 1874. 808 Vergil 1987, S. 173. 809 Vgl. die Venus in »Helen carried off by Paris«, dem linken Bildfeld des Troja-Triptychons, Gesamtentwurf des Triptychons, begonnen 1870, BMAG ; Venus in der Gouache zu »The Mirror of Venus«, 1868, Privatbesitz, Harrison/Waters 1990, Abb. 129 auf S. 94, die Ölfassung in der Sammlung Gulbenkian, Lissabon. 810 Unvollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–8 : 1874, Beischriften : VENUS, AENEAS. Vgl. zur Beinhaltung der Venus : Entwurf Burne-Jones’»Eva« für das Westfenster von All Saints, Middleton Cheney, V&A, Sewter 1974,
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und Helm auf dem Boden vor ihr liegen. Die Geste der Übergabe wird in der Miniatur dadurch herausgehoben, dass sich die Hände der beiden Figuren in dem Freiraum zwischen den sich neigenden Bäumen auf Höhe der Bildmittelachse oberhalb des Brustpanzers einander entgegenstrecken. Gleichzeitig wird in der Gestik des Aeneas aber auch sein Erstaunen über das Erscheinen der Mutter und ihre kostbaren Gaben deutlich (Aeneis VIII, 618–619). Burne-Jones folgt Vergils Beschreibung der Szene, die einen Eichenbaum und ein Bergtal mit Flusslauf einschließt. Das Äthergewölk, von dem Venus umfangen wird, deutet er in der Mandorla und den kleinen Nebelwolken zu ihren Füßen an. Der Baum, der hinter ihr aufragt, betont ihre Körperneigung zu Aeneas hin, dessen Haltung wiederum in dem kleinen Baum des Hintergrundes aufgegriffen wird. Die Figuren werden jedoch nicht nur durch Haltungsmotive und Gesten miteinander verbunden, sondern auch durch die Hintergrundlandschaft : Die Felsen auf Venus’ Seite senken sich zur Mitte hin, wobei die von ihnen begonnene Linie im Brustpanzer weitergeführt wird. Das Absinken des Felsen, der hinter Aeneas sichtbar ist, erhält durch die Neigung des kleinen Bäumchens ein Gegengewicht. Durch das Platzieren der Rüstung genau vor der Talspalte zwischen den Bergen hebt Burne-Jones das Geschenk der Venus kompositorisch hervor. Die Komposition der einander sich gegenüberstehenden, jeweils an den Bildrand gesetzten Figuren ähnelt derjenigen auf attischen Stelen-Reliefs. Auffällig ist, dass Aeneas nun Burne-Jones’ bartlosem, androgynem Typus des jugendlichen Helden folgt, während er vorher durch ein etwas hageres und spitzes Gesicht mit Kinnbart charakterisiert wurde. Vielleicht sollte hierdurch der Wandel von dem durch die Flucht und die mühevollen Reisen, von Gefahren und Widrigkeiten geprägten ersten Abschnitt des Werkes zu dem Teil, der sich mit der Vorherrschaft in Latium beschäftigt, kenntlich gemacht werden. Auch in der Initiale zum viertem Buch, die die Vereinigung von Aeneas und Dido zeigt, erscheint Aeneas bereits bartlos. Murray kleidet die Venus wie in der ersten Miniatur in ein rosafarbenes Gewand, dessen Farbton sich im Untergewand des Aeneas und der neuen Rüstung wiederholt. Beide Rüstungen sind goldgelb gefärbt. Die Hintergrundlandschaft ist in Blautönen gehalten. Die Miniatur zum 9. Gesang
Die Miniatur zum neunten Gesang zeigt die sich nahezu gleichzeitig mit der Waffenübergabe ereignende Szene, in der Aeneas’ Gegner Turnus durch Iris Junos Rat empfängt, die Trojaner sofort anzugreifen und ihre Schiffe zu verbrennen (S. [238] ; Aeneis IX, 2-24).811 In der Szenenwahl der Handschrift zum achten und neunten Gesang greift Burne-Jones Abb. 322–323. Vgl. auch eine Zeichnung Burne-Jones’ nach einem Stich mit der Darstellung Lukrezias nach Raffael von Marcantonio Raimondi, V&A, Inv.-Nr. E .5–1955, S. 17, Bartsch 26 1978, Nr. 192 I (155). 811 Unvollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–9 : 1873.
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zwei der auch in früheren Handschriften stets gerne illuminierten Szenen auf und hebt damit die Feindschaft zwischen Venus und Juno hervor, die maßgeblich den Handlungsverlauf prägt. In Burne-Jones’ Entwurf kniet Turnus am Wasser, auf seinen Schild mit der Darstellung des Medusenhauptes gestützt, und blickt nach links erstaunt zu der ihm entgegenschwebenden nach links weisenden Iris auf, während das mit der Rechten geschöpfte Wasser durch seine Finger rinnt. Iris trägt an den Knöcheln und auf dem Rücken fragile, schmetterlings- bzw. libellenartige Flügel, während im Bildhintergrund oberhalb der Berge ihr Attribut, der Regenbogen, aufsteigt. Ihre aufrechte Haltung findet ihr kompositorisches Gegengewicht in dem hinter Turnus aufragenden Baum und der dahinter steil ansteigenden Bergkette, die gleichzeitig, ebenso wie der Schild, das Bildfeld nach rechts abschließt. In dieser Darstellung komprimiert Burne-Jones zwei in Vergils Erzählung eigentlich unmittelbar aufeinanderfolgende Episoden : die Erscheinung der Iris und die Übermittlung der Botschaft an Turnus sowie den am Wasser im Hain seines Ahnherrn niederknienden Turnus, der Wasser schöpfend schwört, die Befehle der Juno auszuführen, wobei aber Iris bereits wieder entschwunden ist. Das Haltungsmotiv des Turnus scheint den hockenden Vordergrundfiguren von Burne-Jones’ mittlerem Predellafeld mit der Hochzeit des Peleus und der Thetis des Troja-Triptychons verwandt.812 Iris’ Beinhaltung wiederum erinnert an die Zephyrs in Burne-Jones’ Illustration »Zephyrus and Psyche« zu »The Earthly Paradise« und des hl. Mattheus in dem Glasfensterentwurf für die Jesus College Chapel Cambridge (1873– 1874), während er das kontrapostische Haltungsmotiv vielleicht aus italienischen Stichvorlagen übernahm.813 Murrays unvollendete Miniatur ist vornehmlich in Blautönen gehalten, von denen sich das Schwarz der Rüstung des Turnus abhebt, die durch petrolfarbene Stoffpartien ergänzt wird. Sein schwarzgrundiger Schild ist anstelle des Medusenhauptes mit Goldranken geschmückt. Das hellblau-weiße Gewand der Iris, das abweichend zum Entwurf, ihre linke Brust entblößt, changiert leicht ins Rosafarbene und ihre blauen Flügel schimmern grünlich. Der Regenbogen fehlt in der Miniatur noch. Murrays Landschaft besitzt einen ausgeprägteren Tiefenzug als die des Entwurfs. In diesem biegt der Fluss links zwischen den Felsen ab, während er sich in der Miniatur aus der Tiefe des Bergtals in den Vordergrund windet, wo er dann jedoch, wie vorgegeben, zwischen den Sandbänken verläuft und mit Büschen von Grashalmen durchsetzt ist. 812 Gesamtentwurf, begonnen 1870, BMAG ; Ölfassung von seinen Assistenten, um 1878, V&A. 813 Illustrationsentwurf, ca. 1864/1865, AMO ; als Gouache von 1865, Robert Walker Collection, Paris, Harrison/Waters 1990, Abb. 108 auf S. 83 ; in Öl für George Howard, seit 1868, BMAG ; Sewter 1974, Abb. 432– 434. Vgl. hl. Sebastian, Mantega-Schule, BML, Bartsch 25 1980, Nr. 10 (234) ; Personifikation der Fortuna, Nicoletto da Modena (Letztere allerdings seitenverkehrt zur Iris), ebd., Nr. 38 (277) ; Cleopatra, Agostino Veneziano nach Baccio Baldinelli, BML, Bartsch 26 1978, Nr. 193 (158). Eine Skizze vermutlich nach diesem Stich hat sich in einem Skizzenbuch Burne-Jones’ erhalten : V&A, Inv.-Nr. E. 5–1955, S. 21.
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Vergils »Aeneis«
Die Miniatur zum 10. Gesang
Die Miniaturen zu Buch X–XII sind, wie auch schon des vorangehenden, der Darstellung von Aeneas’ mächtigen Gegnern Turnus bzw. Mezentius und ihren Kämpfen gewidmet. Damit fiel die Wahl auf traditionelle Bildsujets. Die Miniatur zum zehnten Gesang zeigt die Schlussszene, in der Aeneas seinen Gegner Mezentius besiegt – den Wendepunkt der Schlacht, mit dem sich das Glück zu Aeneas’ Seite wendet (S. [268] ; Aeneis X, 891–908 ; Abb. 56).814 Sie überrascht in der für Burne-Jones’ ungewöhnlichen Dynamik und Vehemenz des dargestellten Kampfes. Selbst Burne-Jones’ frühe Bleistiftstudien zu »St. George Fighting the Abb. 56 Edward Burne-Jones, Aeneas und Dragon« von ca. 1865 sind verhaltener in der Mezentius, 1873, Fitzwilliam Museum Cambridge, Darstellung einer Kampfaktion.815 Vielleicht Inv.-Nr. 1183.10. Photo © The Fitzwilliam Museum, Cambridge. wurde Burne-Jones zu dieser Dynamik durch Kampfdarstellungen in Signorellis Fresken im Dom von Orvieto, in Stichen nach Antonio Pollaiuolo, dessen Werk er sehr schätzte,816 sowie durch Zeichnungen Michelangelos und Raffaels, die sich auch in der Sammlung des Ashmolean Museums Oxford befinden, angeregt.817 In der bewegten Darstellung der Kampfaktion entspricht Burne-Jones’ Entwurf der sprachlichen Gestaltung dieses Vorganges durch Vergil, die von Wucht und Drastik bestimmt wird. Aeneas stürmt von links kommend vor, um den von seinem Pferd abgeworfenen Mezentius das Schwert in den Hals zu stoßen (Aeneis X, 907). Dieser versucht fallend vergeblich, sich durch seinen erhobenen rechten Arm zu schützen, während er sich mit dem linken vom Boden abstützt. Die Hauptbewegung nach rechts erfolgt durch das dynamische, geduckte Vorwärtsstreben des Aeneas und seinen ausgestreckten, den 814 Im linken Vordergrund unvollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–10 : 1873. 815 Bleistiftzeichnung von 1865, BML, Inv.-Nr. 1954–5–8–13 ; Bleistiftzeichnung von ca. 1865, BMAG, Inv.-Nr. 12’04, 84’04 ; Ölgemälde, Art Gallery of New South Wales, Sydney. Sie wurde als Einzelbild von BurneJones wiederholt ; Gouache von 1868, WMGW. 816 Vgl. z. B. »Die Kämpfer« und »Herkules besiegt die Riesen«, Bartsch 25 1980, Nr. 2 (202) und 3 (203). Vgl. GBJ 1993 II, S. 21. Vgl. Relief mit dem Kampf nackter Männer, Stil von Antonio Pollaiulo, V&A (John Pope-Hennessy, Ronald Lightbown, Catalogue of Italian Sculpture in the Victoria & Albert Museum, London 1964, Kat. Nr. 130, S. 154–155, Abb. 150 auf S. 111). 817 Vgl. Zeichnung von Michelangelo, AMO 69, Parker 1956, Nr. 328r, S. 167–168, Dussler 1959, Kat. Nr. 200r ; Zeichnung mit Kampfszene von Raffael, AMO, Parker 1956, Nr. 538, S. 284–285.
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Schild haltenden linken Arm . Ein vertikaler Gegenryhthmus zu dieser Horizontalen aus Rücken und Arm entsteht durch das sich auf Höhe der Bildmittelachse aufbäumende Pferd. Abweichend von Vergils Schilderung sitzt die Lanze nicht in der Schläfe, sondern in der Brust des Pferdes (Aeneis X, 891). Beine und Arme der kämpfenden Gegner verschränken sich miteinander und unterstreichen den dramatischen, lebendigen Charakter der Szene. Die kraftvolle Darstellung mag, ebenso wie die enge, die Dynamik steigernde Einpassung der Figuren in das Bildfeld, ihr Vorbild in Kampfszenen auf griechischen Relieffriesen und Metopenreliefs aus der Sammlung des British Museum besitzen.818 Der Pferdekopf, der oberhalb der Gruppe aufragt, geht vermutlich – ebenso wie der des Pegasus im Entwurf »The Death of Medusa« aus dem »Perseus«-Zyklus – auf die der Parthenon-Giebel zurück.819 Burne-Jones hatte außerdem 1873 einige der biblischen Schlachtenszenen nach dem Fußboden des Sieneser Domes skizziert und kannte gewiss Nachstiche oder photographische Abbildungen der bekannten Werke von Leonardo (Schlacht von Anghiari) und Michelangelo (Kopie nach dem verlorenen Karton für das Fresko der Schlacht von Cascina, vermutlich von Bastiano da Sangallo, 1542, Holkham Hall, Norfolk), die für die Sala del Consiglio im Palazzo Vecchio in Florenz geplant waren, sowie von Guilio Romano (Die Schlacht zwischen Konstantin und Maxentius an der Ponte Molle, Sala di Constanino, Vatikan, 1523–1524) ebenso wie Reliefs römischer Sarkophage und der Trajans-Säule.820 Das von Schrecken und Schmerz verzerrte Gesicht des Mezentius wiederum erinnert an die expressive, durch lineare Mittel erzielte Gesichtsgestaltung der cumaeischen Sibylle und der rechten der trojanischen Frauen in Burne-Jones’ »Aeneis«-Entwürfen. Eine Reihe von Entwürfen von zwei kämpfenden Männern haben sich in einem seiner Skizzenbücher erhalten (PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 53–62, 66–70), das auch Zeichnungen mit Putten, Kentauren (fol. 18–21, 28–39), Dryaden (fol. 81), mythologischen Fabeltieren wie Greifen umfasst. Skizzen von Nixen und Tritonen entstanden eventuell in Zusammenhang mit einem geplanten Tapetenprojekt von Burne-Jones.821 Einige der Darstellungen scheinen Haltungsmotive aus dem Umkreis von Herkules und Antäus-Gruppen 818 An Metopenfelder erinnern im Entwurf auch das rechteckige Bildformat und der Verzicht auf jegliche Hintergrundangaben. Darstellungen Kämpfender nach antiken Vorbildern finden sich in den Skizzenbüchern im V&A, Inv.-Nr. E. 2–1955, S. 7 ; E. 3–1955, S. 4, 6, 13 ; E. 4–1955, S. 37, 39 ; E. 6–1955, S. 24 ; weitere Darstellungen Kämpfender in V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955, S. 63, 162–187, 249. Zeichnungen, die in Komposition, Dynamik und in der auf die ausdrucksvollen Konturen konzentrierten Art der Darstellung ebenfalls an die Parthenon-Metopen erinnern, kommen mehrfach auch in Burne-Jones Skizzenbuch vor, PML, Inv.-Nr. 1971.1, so z. B. bei der Darstellung des Kampfes zwischen Kentaur und Löwe, fol. 30r. 819 Southampton Art Gallery, Löcher 1973, Abb. 66, Nr. 5c. 820 Die Sieneser Skizzen in FMC, Inv.-Nr. 1070.5, fol. 10r–12r. Siehe Skizzenbuch, V&A, Inv.-Nr. E .10–1955, S. 64 : Rückenfigur des aus dem Wasser steigenden Mannes nach Michelangelos Karton, als Einzelfigur auch in einem Stich von Marcantoni Raimondi vorliegend, Bartsch 27 1978, Nr. 488 (363). 821 Vgl. den Entwurf, WMGW, Harrison/Waters 1990, Abb. 195, allerdings um 1889 datiert ; Skizzenbuch V&A, Inv.-Nr. E. 7–1955, S. 104.
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Vergils »Aeneis«
zu variieren und zeigen Ringkämpfe, während andere bereits auf den Entwurf für die »Aeneis« vorausweisen wie fol. 58r sowie die Szenen auf fol. 67r und 68r, die mit Schwert und Schild Kämpfenden gewidmet sind.822 Eine dem Entwurf verwandte Kampfdarstellung findet sich auf fol. 66r (unten rechts auf der Seite), wobei der linke Kämpfer seinen zusammensinkenden Gegner mit dem linken Knie zu Boden drückt, um ihn zu erstechen. Eine andere Skizze auf fol. 66r (links oben auf der Seite) gibt den in der Handlung folgenden Moment wieder, in dem sich der Sieger aufgerichtet hat und mit gesenktem Schwert den zusammengesunkenen Gegner betrachtet. Zwei weitere Skizzen scheinen die jeweiligen Haltungsmotive der Kontrahenten zu variieren : Auf fol. 73r packt der Siegende mit der Linken die Gurgel des Herabstürzenden und holt mit der Rechten zum Schlag aus ;823 auf fol. 72r wiederum ist in der unteren Skizze der Einschluss des Pferdes zu sehen, wobei das Sturzmotiv des Mezentius zugleich steiler gehalten ist (Abb. 57) ; die obere Skizze gibt zwei Kämpfer, von denen der Linke kraftvoll vorwärts strebt, während der Rechte zurückweicht und zu geschwächt erscheint, um sich mit seinem Schild zu schützen.
Abb. 57 Edward Burne-Jones, Skizzen zum Kampf zwischen Aeneas und Mezentius für die »Aeneis«Handschrift, Skizzenbuch, um 1873–1874, The Morgan Library & Museum, New York, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 72r. Purchased on the Acquisitions Fund. Photo © The Pierpont Morgan Library, New York.
Die Miniatur zum 11. Gesang
Die folgende Miniatur zum elften Gesang betont noch einmal den Sieg des Aeneas, indem sie ihn am Baum mit den Trophäen seines mächtigen Gegners abbildet und vermittelt zugleich einen Moment der Ruhe nach der bewegten und dramatischen Kampfszene (S. [302] ; Aeneis XI, 1–13).824 Burne-Jones zeigt, Vergils Beschreibung teilweise folgend, 822 PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 58r, mit der Skizze einer Figur, die sich mit erhobenem Schwert über einen am Boden Liegenden beugt, der versucht, sich durch seinen erhobenen rechten Arm vor dem Schlag zu schützen. Fol. 68r zeigt ein ähnliches Motiv, wobei der Verlierer noch nicht liegt, sondern erst zu Boden sinkt. 823 Für eine ähnliche Komposition siehe V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955, S. 249. 824 Unvollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–11 : 1873.
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den gewaltigen, in die Erde gegrabenen Eichenbaum, in dessen Zweigen die Rüstung des Mezentius als Opfergabe an Mars hängt.825 Aeneas spricht nach dem Sieg zu seinen Gefährten und lässt die Toten, wie Burne-Jones wohl durch das ausgehobene Erdloch im Vordergrund andeutet, bestatten. Im Hintergrund sind schattenhaft die zusammengesunkenen Körper der toten Krieger sichtbar. Dem frontalen aufrechten Haltungsmotiv des Aeneas, das durch die Vertikale seiner Lanze betont wird, setzt Burne-Jones auf der rechten Bildseite eine elegant geschwungene Kurve entgegen, die in dem kleinen Erdhügel beginnt und im Wuchs der Äste und Zweige des Baumes fortgeführt wird. In seiner kurvig geschwungenen Kontur, die durch die Binnenzeichnung noch unterstrichen wird, ähnelt der Baum Skizzen Burne-Jones’ aus der Zeit von 1870 bis 1875.826 Die Horizontalen des Grabes und der Hintergrundfiguren stabilisieren dieses Gegenüber. Aeneas’ Kontrapost vermittelt einen Zustand zwischen Konzentration und Entspannung wie er sich bei anderen Kriegerfiguren im Werke Burne-Jones’ wiederholt.827 Eine ähnliche Ausgewogenheit zwischen Ruhe und Bereitschaft prägt auch die Statuen griechischer Helden oder Athleten aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.828 Die Miniatur der Handschrift ist nur grob skizziert, und in den grauen Formationen des Hintergrundes sind noch nicht die zusammengesunkenen Körper des Entwurfs zu erkennen. In einer unabhängigen Gouache Murrays nach Burne-Jones’ Zeichnung sind sie zudem zu Büschen verändert, wodurch die düstere Note gemildert wird.829 Die Miniatur zum 12. Gesang
Die letzte Miniatur ist dem Tod von Aeneas’ Gegner Turnus gewidmet, mit dem der Krieg endet und der Friede nach Latium zurückkehrt (S. [336] ; Aeneis XII, 865–868, 913–927).830 Burne-Jones zeigt den an einen Felsen zurückgewichenen Rutulerkönig, dessen Schild und Brust von Aeneas’ Speer durchbohrt werden. Vergil allerdings be825 Bei Vergil sind die Äste der Eiche abgehauen, die Waffen anders arrangiert (Aeneis XI, 5–11). 826 V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955, S. 84–85. Zur Datierung : EBJ 1975, Kat. Nr. 344, S. 94. 827 Vgl. mit der Haltung des Perseus in »The Rock of Doom«, National Gallery of South Australia, Adelaide ; Aktskizze, BMAG, Skizzenbuch, Inv.-Nr. P 5’52 (Juli 1875), Löcher 1973, Abb. 90, 88, Nr. 8c und 8d. Vgl. a. »Love subduing Oblivion« im rechten schmalen Feld der Predella des Troja-Triptychons, BMAG. 828 Vgl. z. B. mit Kopien des Diadumenos Farnese und Choiseul-Gouffier Apollo im British Museum. In Burne-Jones’ Skizzenbüchern, V&A, finden sich einige Skizzen nach frontalen kontrapostischen Jünglingsstatuen und -statuetten, Inv.-Nr. E. 6–1955, S. 32. Vgl. zudem mit Figuren in italienischen RenaissanceStichen, wie dem auf ein Füllhorn gestützten Mann in »Bacchanal« (nach Mantegna, 1490–1494) oder Nicoletto da Modenas »Neptun«, Bartsch 25 1980, Nr. 19 (240) und 49 (281). 829 Fine Victorian Paintings, Drawings and Watercolours, Sotheby’s Belgravia, London, 20.3.1979, Los 11, 145 x1 40 mm. 830 Unvollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–12 : 1873. Vgl. zum Bsp. Aeneas mit der Figurenzeichnung zum »St. Georgs«-Zyklus, BMAG, Inv.-Nr. 80’04.
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schreibt, dass Turnus durch eine von Aeneas geworfene Lanze am Schenkel getroffen wird. Zwischen den Schilden der Kämpfer fliegt als Vogel mit Schreckenskopf eine der von Jupiter gesandten Diren, die Turnus vor Schreck erstarren lässt und damit Aeneas zum Sieg verhilft. Bei Vergil erscheint sie in Gestalt eines Käuzchens. Burne-Jones lässt die Furcht, das Zögern und Zurückweichen des Turnus in seinen zusammengepressten Knien und der unsicheren Neigung des Oberkörpers deutlich werden, während er sich für Aeneas’ Haltung mit erhobenen Armen und dem breiten Standmotiv vermutlich wieder an Vorbildern in Kampfszenen griechischer Reliefs oder italienischer Stiche des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts orientiert.831 Die Bewegung der Figuren eröffnet in der Bildmittelachse einen Durchblick auf eine triste, karge Felsenlandschaft, deren zerklüftete Linie die Gegner auf Höhe ihrer Taillen verbindet. Burne-Jones’ Skizzenbuch enthält Zeichnungen, die kompositorisch mit dem Zweikampf zwischen Aeneas und Turnus in Verbindung stehen (PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 68r unten, 70r), bzw. solche, die als Entwurfsskizzen mit nur geringen Abweichungen gegenüber der ausgeführten Version aufzufassen sind (fol. 104v, 105r).832 Die Miniaturen – Zusammenfassung
Die Auswahl der Szenen für die einleitenden Miniaturen ist so konzipiert, dass sich mit Kenntnis des Textes eine Abfolge ergibt, die alle wesentlichen Schritte der Handlung deutlich werden lässt, wobei Wendepunkte und wichtige Entscheidungssituationen, die die Handlung vorantreiben, bevorzugt werden. Innerhalb der Miniaturen lassen sich einzelne Themenkomplexe ausmachen. Drei Miniaturen (I, III, VIII) verweisen auf den Schutz des Aeneas durch seine Mutter Venus, zwei (VI, VII) heben seine besondere Bestimmung dadurch hervor, dass Momente gezeigt werden, die mit Voraussagen auf das künftige Schicksal des Helden und seiner Familie zu verbinden sind. Weiterhin werden die Heldinnen der Geschichte, Dido und Lavinia (IV, VII), gewürdigt. Ihre Darstellung steuert ein gewisses romantisches Gegengewicht zu den vielen kriegerischen Geschehnissen bei. Die Miniaturen werden von göttlichen und irdischen Kontrahenten bestimmt und umfassen sowohl die Taten der verfeindeten Göttinnen Venus und Juno (VIII, IX) als auch die Kämpfe des Aeneas mit seinen Gegnern Turnus und Mezentius (X–XII). Zwei Miniaturen (III, V) deuten die abenteuerlichen Begegnungen, die Unbill und die Belastungen auf der Seereise der Trojaner an.
831 Eine mögliche Parallele bildet eine Soldatenfigur in der Szene des bethlehemitischen Kindermordes vom Fußboden des Sieneser Domes. 832 PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 70r zeigt Aeneas oben als aufrechtstehende Rückenfigur und unten als Heranstürmenden ähnlich wie in der ausgeführten Fassung. Fol. 105r ist Turnus gewidmet, der hier bereits im Niedersinken gegeben ist.
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Wenn auch bei einigen Miniaturen die Wahl durchaus der Bildtradition der »Aeneis« entspricht, besonders die Flucht aus Troja (II), der Tod der Dido (IV) und die mit den Kriegen in Latium verbundenen Szenen (VIII–XII), so sind andere, wie die Begegnung mit den Harpyien (III), der Gang in die Unterwelt (IV) oder die brennenden Schiffe (V), weniger häufig aufzufinden und zählen nicht zur traditionellen Folge der »Aeneis«Illustrationen. 3.8.8 Burne-Jones’ Entwürfe für die historisierten Initialen der »Aeneis«
Neben den Entwürfen Burne-Jones’ für die Miniaturen sind eine Reihe von solchen für historisierte Initialen aus Akanthusblattbuchstaben sowie für figürliche Marginaldekorationen überliefert.833 Die Arbeit an den historisierten Initialen gelangte nur so weit wie auch der Text von Morris geschrieben wurde, d. h. bis zum sechsten Gesang, und lediglich fünf dieser Entwürfe, darunter drei aufeinanderfolgende Initialen mit Szenen vom Untergang Trojas, sowie die Marginaldekoration mit Juno auf dem Pfauenwagen wurden von Murray in der Handschrift ausgeführt bzw. begonnen.834 Es waren scheinbar für jeden Gesang etwa vier solcher historisierten Initialen vorgesehen. In ihnen werden Nebenszenen, weitere Personen und am Geschehen beteiligte Götter vorgestellt. Mit einer einzigen Ausnahme erscheint niemals der Titelheld Aeneas. Die Verwendung von historisierten Initialen stellt ein neuartiges Element in den Buchmalereien von William Morris dar. Vorher finden sie sich nur bei der frühen Seite »The Story of the Iron Man« von 1857 und in »The Story of the Volsungs and Niblungs« von 1870/1871 (BLO, MS Engl. misc. d. 268). Buchstabe und szenische Darstellung werden in den Initialen für die »Aeneis« miteinander in Beziehung gesetzt – sei es durch das Wiederholen des Buchstabenaufbaus in den Haltungsmotiven der Figuren und dem Arrangement der Draperien oder durch Verschränken und Überschneiden von Buchstaben und Elementen der Szene. Der Buchstabe dient dabei zumeist als Rahmung der Szene. Burne-Jones’ Vorliebe für das schlanke, schmale Hochformat, das mit übereinandergestaffelten Figuren gefüllt wird, prägt die Komposition einiger der historisierten Initialen der Handschrift. Geplant waren zudem als Marginaldekorationen figürliche Darstellungen ohne Buchstabeneinschluss. Sie zeigen antike Gottheiten mit ihren Attributen. Eine ähnliche Göttergalerie war wohl bereits für eine doppelkolumnige Version der »The Story of the Ynglings« (PML, MA 1804, fol. 23r–v) geplant, in der Felder mit germanischen Gottheiten im oberen Seitenrand vorgesehen waren.
833 Es sind 19 solcher Entwürfe bekannt, davon 17 im FMC, die anderen in Privatbesitz oder im Kunsthandel. 834 Initialen auf S. 26 (Dido und Amor), 44 (Kassandra), 48 (Der Tod des Priamos), 50 (Helena im Tempel der Vesta) und 154 (Venus und der goldene Zweig).
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Die historisierten Initialen zum 1. Gesang
Die historisierten Initialen des ersten Buches sind Ereignissen vor und nach der Landung des Aeneas in Karthago gewidmet : dem Seesturm, der von Juno verursacht und von Neptun wieder beruhigt wird, und dem Festmahl der Dido zu Ehren der trojanischen Gäste. Außerdem haben sich zwei Marginaldekorationen erhalten, die Juno und Neptun zeigen. Weitere Götternamen, Pallas und Apollo, sind mit Bleistift in die Seitenränder der Handschrift eingetragen (S. 38, 76). Sie verweisen auf eine den Text begleitende Göttergalerie, die die mythologischen Protagonisten der Geschichte vorstellt.835 Am Anfang der Handschrift (S. 2 ; Taf. 12) wird Venus’ Gegenspielerin und Aeneas’ Feindin Juno stehend auf ihrem zierlichen Pfauenwagen mit ihrer Lieblingsstadt Karthago im Hintergrund (Aeneis I, 12–18) eingeführt.836 Die Komposition vermittelt durch die Anordnung von Pfauen, Frauenfigur und Mauerkranz der Stadt nicht den Eindruck eines Hinter- als vielmehr den eines Übereinanders. Die Haltung der Juno mit leicht geneigtem Kopf ähnelt derjenigen der Venus in der Miniatur zum zweiten Gesang und Figuren in Glasfenstern der »Firma«.837 Die sehr ruhige Haltung der Göttin wird durch die wehende Draperie ihrer Schärpe dynamisiert. Murray kleidete Juno, deren Nimbus von Flammen eingefasst wird und die von einem mit Goldsternen gefüllten, offenen, sphärenartigen Kreissegment hinterfangen wird, in ein hellblaues Gewand mit goldgelber Schärpe und wiederholte diesen Farbklang im Gefieder der Pfauen. Die Farbigkeit der Marginaldekoration ergänzt harmonisch die blaue Seitenüberschrift und die goldenen Kapitalbuchstaben des Textes. Durch die unmittelbare Abfolge von Venus und Juno stellt Burne-Jones bereits am Anfang der Handschrift die beiden erbitterten Feindinnen einander gegenüber, die nach Ende des Trojanischen Krieges ihre Machtkämpfe nun über das Schicksal des Aeneas austragen. Dem Leser wird mit Juno die für dessen Irrfahrten und Unbill Verantwortliche vorgestellt. Ihre Darstellung folgt unmittelbar auf die einleitenden Worte des ersten Buches : »über Wasser und Lande verschlug ihn / Göttergewalt, aus unversöhnlichem Grolle der grimmen Juno« (Aeneis I, 3–4).838 Die den Nimbus umgebenden Flammen mögen auf das brennende Troja, auf die Vernichtung der Stadt und den Sieg der von Juno unterstützten Griechen verweisen. 835 Der Name Pallas ist auf Höhe von II, 254 eingetragen, am Ende der Laokoon-Geschichte mit den von Athena gesendeten Schlangen und am Beginn der Eroberung Trojas mit dem Nahen der griechischen Schiffe bzw. dem Entsteigen der von Athena unterstützten Griechen aus dem Holzpferd. Die Einfügung des Apoll auf S. 76 bezieht sich vielleicht auf III, 360. 836 S. 2, 150 x 50 mm ; FCM, Inv.-Nr. 1183–13 : 166 × 89 mm, monogrammiert und datiert 1873, »for a painted Virgil«. 837 Vgl. mit der Personifikation der Prudentia, St. Patrick’s Church, Dublin, um 1875, Entwurf BMAG, Harrison/Waters 1990, Abb. 176 auf S. 122. 838 Vergil 1987, S. 3.
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Drei Dekorationen sind Ereignissen in Zusammenhang mit Aeneas’ Seereise nach Karthago gewidmet. Über zwei Initialszenen schildert Burne-Jones einen ersten dramatischen Höhepunkt : den von Juno herbeigerufenen Seesturm. Juno hatte Aeolus, den Gott der Winde, gebeten, diese aus ihrem Kerker zu befreien, um die Schiffe der Trojaner im Sturm zu zerstören. Sie wollte dadurch Karthago schützen, denn der Stadt war die Vernichtung durch die Nachfolger der Trojaner vorausgesagt worden (Aeneis I, 51–80). Der Entwurf Burne-Jones’ verbindet die Initiale A, für die sich eine Studie erhalten hat (CAGM, 1991.1016.996.Y7/EWL Y7), mit der Darstellung von Junos Bitte bei Aeolus.839 Dieser sitzt links als Profilfigur, während Juno mit Mauerkrone zu ihm mit bittend vorgestreckten Händen von rechts heraufsteigt. Die Götter sind oberhalb des Buchstabenbogens im Gespräch gezeigt, während sich in der Buchstabenwölbung hinter einem vergitterten Fenster die in kurvige Draperien gehüllten Winde zusammenkauern (Aeneis I, 50–64, besonders 52–57). Diese Initiale war für S. 4 (I, 76) vorgesehen, auf der sich im Seitenrand der Eintrag »Juno & winds« findet. Erinnert die gekrümmte Haltung der Winde an die der Gorgonen in »The Finding of Medusa« aus dem »Perseus«-Zyklus, so scheint der im Profil sitzende Aeolus den links am Bildrand befindlichen Krieger aus »The Feast of Peleus« zu variieren.840 Die kompositorische Beziehung der beiden Götter wiederum greift Burne-Jones’ frühere Komposition »Pan and Psyche« auf.841 BurneJones wiederholt die Bogenform des Initialbuchstabens in dem Fenster oder Torbogen am Fuß der Darstellung und in den wehenden Stoffbahnen, die die Götter miteinander verbinden. Wie bei der Darstellung der Juno wird bei der zweiten Marginaldekoration das erste Erscheinen des Gottes Neptun nicht szenisch aufgefasst, sondern im Sinne eines »Götterporträts« wird er würdevoll mit Nimbus, seinem Herrscherzeichen – dem Dreizack –, Attributen – dem Fisch in der Linken – und dem Ort seiner Macht – das Meer – vorgestellt (vermutlicher Textbezug : Aeneis I, 124–127).842 Der im Profil dargestellte Gott sitzt und wird von einer Kugel, in der sich Meerestiere aufhalten, überschnitten. Seine Haltung und der im Profil wiedergegebene Kopf, der eng gefältelte Mantel verweisen 839 Vgl. a. Entwurf für die Initiale A in Bleistift, Christopher Wood, Autumn Selection 1978 (Witt Library, London). Vgl. SoA, MS 984/1/3, fol. 1v. In dem Cheltenhamer Entwurf setzt der rechts aus einem aufstrebenden Akanthusblatt gebildete Stamm auf einem zierlichen Stengel an, der hier Serifenfunktion übernimmt. Darauf folgen jeweils mit Wirbel zwei Blätter, aus denen der Buchstabenbogen und linke Stamm gebildet werden. Ein frei aufstrebendes Blatt, begleitet von einem zurückführenden Blatt, steigt in elegantem Schwung auf und leitet zu Aeolus über. 840 Vgl. Kompositionsentwurf für »The Feast of Peleus« in Bleistift, Privatbesitz ; FMC, Inv.-Nr. 2020, Löcher 1973, Nr. 4c, 4q, Abb. 55, 62. Burne-Jones hatte eine solche Darstellung schon in Zusammenhang mit »The Earthly Paradise« geplant, vgl. ebd., S. 101. »The Feast of Peleus«, Ölfassung aus Burne-Jones’ Studio, um 1878, V&A. 841 Illustrationsentwurf zu »The Earthly Paradise«, um 1865–1868, AMO ; Ölfassung, 1869–1874, Fogg Art Gallery, Cambridge, Mass. 842 FMC, Inv.-Nr. 1183–17 : Entwurf in Bleistift, 163 × 74 mm, monogrammiert.
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auf den Götterzug vom Ostfries des Parthenon als mögliche Vorlage. Das Kreismotiv dagegen geht vermutlich auf die ehemals Mantegna zugeschriebene »Tarot Karten«-Serie zurück, auf die Burne-Jones auch für andere Entwürfe zurückgriff.843 Der Profilkopf des Gottes erinnert mit dem spitzen Bart auch an den Kopf im rechten oberen Medaillon der Rahmenleiste zum ersten Buch der »Oden«-Handschrift (BLO, MS Lat. class. e. 38, S. 1). Die folgende Initialdekoration T ist in drei horizontale Streifen gegliedert und zeigt Neptun im Meer vor einem Küstenstreifen stehend, Ost- und Westwind zur Ruhe rufend und die Wogen besänftigend (Aeneis I, 131–145).844 Darüber toben noch die Winde inmitten von aufsteigenden, kurvig geschwungenen Linienarrangements, während darunter die Nereide Kymothoe und Triton, die Neptun bei der Rettung der trojanischen Schiffe unterstützen, auf Felsen sitzen und von Meeresgetier umgeben sind. Schließt sich die Figur der Kymothoe den Personifikationen der Terra und Venus-Darstellungen in den Jahren um 1870 an,845 so ist Triton vermutlich durch Michelangelos Ignudi der Sixtinischen Kapelle beeinflusst. Der kurvige Schwung des Initialbuchstabens wird seitenverkehrt in der wehenden Draperie eines der geflügelten Winde, in der Anordnung der kleinen Winde oberhalb des Buchstabens und in der Körperdrehung des Triton wiederholt. Die Waagerechten der Horizontlinie und das den Bildstreifen nach oben abschließende Linienband der Winddraperien vermitteln ebenso wie die vertikale Haltung der Kymothoe und des Neptun, die durch die Gewandbehandlung unterstrichen wird, in dem sehr bewegten Gefüge eine gewisse Ruhe. Eine der wenigen im Manuskript ausgeführten historisierten Initialen zeigt, als letzte derjenigen zu Gesang I, in einem Q den sich während des Begrüßungsfestes, das die Königin Dido Aeneas und seinen Gefährten zuteil werden lässt, als Ascanios ausgebenden Amor auf Didos Schoß kniend, sie umarmend und küssend (S. 26 ; Aeneis I, 682–690, 717–719).846 Mit dieser List versuchte Venus aus Sorge um ihren Sohn, die Verbindung 843 Vgl. Harrison/Waters 1990, S. 110. Exemplare dieser 50 kleinformatigen, in zwei Serien überlieferten Stiche im BML, Bartsch 24 1980, S-Serie : Nr. 18 (122)–67 (130), E-Serie (seitenverkehrte Wiederholung) : Nr. 18A (132)–66A (138). Vgl. a. Clegg/Tucker 1992, Kat. Nr. 152–155. Burne-Jones griff dieses Motiv in Entwürfen für Glasfenster für die Kirche All Saints, Middleton Cheney, 1870 (Sewter 1974, Abb. 322), und in seiner Bildserie »The Days of Creation« von 1872–1878, Fogg Art Gallery, Cambridge, Mass., auf. Noch um 1895 verwendete er es in einer Illustration zu »The Knythes Tale« in »The Works of Geoffrey Chaucer«, Kelmscott Press, 1896. 844 FMC, Inv.-Nr. 1183–26 ; Entwurf in Bleistift, 243 × 67 mm, monogrammiert und datiert 1874. 845 Vgl. Terra im Innendeckel des Graham-Pianos, 1879/1880, Privatbesitz ; Terra, 1882, Worcester Art Museum, Worcester, Mass. Zu Venus-Darstellungen : »The Court of Venus« zu »The Earthly Paradise«, um 1865–1868 ; die thronende Venus in »Venus Concordia«, linkes Predellafeld des Troja-Tripychons (Entwurf, WAGM, Inv.-Nr. D.32.1921), spätere unvollendete Ölfassung in der Plymouth Art Gallery. Die sitzenden Figuren der Terra und der Venus ähneln der Sitzfigur der Agrippina aus der Sammlung des Kapitolinischen Museums in Rom. 846 100 × 65 mm, mit Beischriften DIDO und AMOR, Initiale zu Vers 696. Der Initialbuchstabe ist nicht ganz vollendet. FMC, Inv.-Nr. 1183–24 : Entwurf in Bleistift, 144 × 100 mm, monogrammiert und datiert 1874.
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zwischen Aeneas und der Königin von Karthago zu festigen, deren erste Begegnung von Burne-Jones übrigens nicht dargestellt wird. Dass es sich bei dem schlanken Jüngling auf Didos Schoß um Amor handelt, wird nicht nur durch seine Flügel und die Beischrift kenntlich gemacht, sondern auch durch sein Alter : Ascanios erscheint in der Flucht als kleiner Junge, ist hier aber als Jüngling dargestellt. Dido wendet ihren Kopf zwar von Amor ab, doch deutet die Biegung ihres Halses an, dass sie sich ihm nicht entziehen kann. Die Figurengruppe wiederholt die Kreisform des Buchstabens. Dido und Amor stützen sich jeweils mit der Hand bzw. mit dem Fuß am Initialkörper ab, wodurch die Komposition eine gewisse Stabilität erhält, die durch die fast symmetrischen Überschneidungen der Flügel des Amor und durch die Füße der Dido unterstützt wird. In der von Murray ausgeführten Version befinden sich vor dem helltürkisgrünen Akanthusblattbuchstaben und einem blauen Hintergrund die in Hellgrau gekleidete Dido und der ein leuchtend rotes Gewand sowie hellpurpurfarbene Flügel tragende Amor. Die historisierten Initialen zum 2. Gesang
Die Initialen zum zweiten Gesang zeigen die Ursache für den Untergang Trojas, den Brand der Stadt und die Vernichtung ihres Herrscherhauses. Burne-Jones wählte hier Motive aus, die Aeneas während des Gastmahls in Karthago bei der Schilderung seiner Flucht aus Troja erwähnt. Als erste Initiale des zweiten Gesangs war vielleicht auf Seite 38 das vor der trojanischen Stadtmauer stehende hölzerne Pferd der Griechen geplant. Hier findet sich eine Burne-Jones’ Entwurfszeichnung entsprechende Initiale E im Seitenrand skizziert mit der Beischrift »Horse« [ ?] (Aeneis II, 254).847 Im Entwurf durchstößt der Querbalken des Buchstabens den von hinten dargestellten Leib des Holzpferdes, dessen Kopf über die Initiale hinausragt und in dem rechts herunterhängenden Blatt der Initiale sein kompositorisches Gegengewicht findet. Die auf die Fläche bezogene Konzeption der Initiale kontrastiert mit der in die Tiefe hineinstoßenden Wendung des Holzpferdes. Der Buchstabe wird nach rechts hin durch ein aufrechtstehendes Blatt abgeschlossen. Burne-Jones beginnt seine Dekoration des zweiten Buches, das vom Untergang Trojas berichtet, mit der Darstellung des Pferdes – der List der Griechen, durch die ihnen der Sieg Ein Entwurf »Love and Dido« in Gold auf farbigem Grund, ca. 200 × 165 mm, Remaining Works of Sir Edward Burne-Jones, Bart., Deceased, Christie’s, London, 16. und 18.7.1898, Los 2. Zwei Entwurfsskizzen, die die ausgeführte Fassung vorwegnehmen mit Varianten in Didos Handhaltung und Amors Gewand sowie der Stellung seiner Flügel, in Burne-Jones’ Skizzenbuch, PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 99v. Ein entsprechender Entwurf Burne-Jones’ für eine Metallarbeit, ev. 1896, Christie’s, 16.6.2015, Los 49. Zur Haltung von Dido und Amor vgl. Stich Marcantonio Raimondi nach Raffael, Bartsch 27 1978, Nr. 352 I (264). 847 Die Initiale E leitet den Absatz mit der Öffnung des Trojanischen Pferdes und dem Entsteigen der Griechen ein. FMC, Inv.-Nr. 1183–25 : Entwurf in Bleistift, 144 × 100 mm, monogrammiert und datiert 1874.
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über die Trojaner gelang. Scheinbar war eine Illustration des mit den Geschehnissen um das Trojanische Pferd in Zusammenhang stehenden Schicksals des Priesters Laokoon nicht geplant : Dieser hatte vor dem Hereinführen des Pferdes in die Stadt gewarnt, woraufhin er und seine beiden Söhne durch von Athena gesandte Schlangen getötet wurden. Diese Szene, die in der berühmten hellenistischen Marmorgruppe in der Sammlung der Vatikanischen Museen dargestellt und in der »Aeneis« ausführlich geschildert ist, war wegen ihres dramatischen Gehaltes außergewöhnlich beliebt. Burne-Jones mag darauf verzichtet haben, weil ihm die Laokoon-Gruppe missfiel und ihm das Geschehen zu grausam erschien.848 Eine Initiale H zeigt, eingespannt in ein rechteckiges Feld, das dem Buchstaben hinterlegt ist, Flammenlinien vor einer gemauerten Bogenstellung (Taf. 11).849 Im Bogen des Initialbuchstabens ist als nackte Halbfigur Kassandra dargestellt, deren hinter dem Rücken verborgene Hände, ängstlich geöffneter Mund und abwehrend zur Seite gebeugter Oberkörper auf ihre Gefangennahme durch Ajax im Tempel der Athena hindeuten (S. 44 ; Aeneis II, 403–406). Durch den Verzicht auf die Darstellung des Ajax nimmt Burne-Jones der Szene etwas von ihrer eigentlichen Brutalität. Das Haltungsmotiv der Kassandra ähnelt demjenigen des gefesselten Andromeda aus dem »Perseus«-Zyklus.850 Burne-Jones wiederholt die Körperneigung in dem Arrangement der Flammen und die Wölbung des Buchstabenkörpers in der Bogenöffnung des Hintergrunds. Die Vertikalität der senkrechten Buchstabenleiste wird dadurch betont, dass nur an dieser Stelle das Bildfeld am äußeren Rand weiter hochgezogen wird. Haare, Hüftdraperie und Flammen sind von demselben kurvilinearen Duktus bestimmt. Murray wählte für diese Initialszene eine zurückhaltende Farbigkeit aus Orange, Weiß und Grau in verschiedenen Abtönungen und Kombinationen. Kassandras Inkarnat vereinigt in dem fein getupften Farbauftrag das Grau der Architektur und das Orange der Flammen. Zwar ist die szenische Dekoration vollendet, doch der Buchstabe ist noch unkoloriert. Die folgende Initiale E zeigt den Tod von Kassandras Bruder Polites auf dem Schoß seines sterbenden Vaters Priamos, König von Troja (S. 48, Aeneis II, 526 ; II, 531–554).851 Der Querbalken des E wird zugunsten der Darstellung unterbrochen. Abweichend von 848 Zu Burne-Jones’ Abneigung gegenüber der Laokoon-Gruppe : Ostermark-Johansen 1998, S. 131. Eine an die Laokoon-Figuren erinnernde Komposition im V&A, Inv.-Nr. E. 10–1955, S. 53. 849 83 × 55 mm, Initiale zu Vers 403, unvollendet, der Initialbuchstabe nur in Grau eingezeichnet. FMC, Inv.Nr. 1183–14 Entwurf in Bleistift, 126 × 85 mm, monogrammiert. 850 Vgl. Aktstudien für Andromeda für »The Rock of Doom« : Skizzenbuch, FMC, Inv.-Nr. 962, fol. 16r, Löcher 1973, Abb. 99, Nr. 8s. Vgl. auch Aktstudie Burne-Jones’ von 1865, BMAG, Abb. in Harrison/Waters 1990, Abb. 104 auf S. 80. Vgl. aber auch : Gefesselte Frauenfiguren in »Helen captive at Troy«, rechtes Bildfeld des Troja-Triptychons, Gouache, 1871, BMAG, Inv.-Nr. 21’98. 851 Aeneis II, 526, 65 × 55 mm, in lavierter Zeichnung auf der Seite eingetragen, vermutlich von Burne-Jones’ Entwurf durchgepaust. FMC, Inv.-Nr. 1183–21 : Entwurf in Bleistift, 126 × 94 mm, monogrammiert und datiert 1875.
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der literarischen Vorlage komprimiert Burne-Jones den Tod von Polites und Priamos sowie die Trauer in einer Figurengruppe : Der alte, sitzende, in mächtige Draperien gehüllte Mann beugt sich über den Körper des auf seinem Schoß liegenden Sohnes. Priamos, dessen Beugung der Rundung des Buchstabenkörpers folgt, ähnelt den Darstellungen des schlafenden Königs in Burne-Jones’ »Dornröschen«-Zyklen, während Polites seine Beschäftigung mit der antiken Kunst und dem Werk Michelangelos dokumentiert.852 Der Künstler kontrastiert den nackten jugendlich-glatten Körper des Polites und das feine, enggefältelte Gewand des Priamos, die gestreckte Körperhaltung des Jünglings und das gebeugte Zusammensinken des alten Vaters. Die Glieder der Figuren verschränken und überschneiden sich, wobei sich ihre Köpfe – in entgegengesetzter Bewegungsrichtung – ungefähr auf einer Höhe befinden. Burne-Jones verdichtet die Szene, die Buchstabenform als Ausgangspunkt nehmend, zu einer Pietà- oder Deesisartigen Komposition, wobei er durch die motivischen Assoziationen zur Trauer Mariens bzw. Gottvaters über den Tod des Sohnes das Leidensmoment steigert. Er greift das Haltungsmotiv sowohl unter formalen Auflagen als auch zum Zwecke der emotionalen Aussdrucksteigerung auf. Eine weitere Szene zur Vernichtung Trojas zeigt die sich im Tempel der Vesta versteckende Helena (S. 50, Aeneis II, 567–574).853 Sie ist an eine Säule gekauert nach rechts gewendet, den Kopf ängstlich zurückdrehend.854 Die aufragenden Marmorsäulen unterstreichen die Schlankheit des Buchstabens, wobei die linke Säule auch die äußere Spitze des oberen Buchstabenbalkens zu stützen scheint. Im Hintergrund wird eine Enfilade von Bogenöffnungen sichtbar. Lediglich die figürliche Szene ist auf S. 50 der Handschrift eingetragen und grob farbig angelegt : Vor einer grauen Architektur befindet sich die in ein orangefarbenes Kleid und einen grüngrauen Umhang gehüllte Helena. Der die Szene einfassende Initialbuchstabe ist noch nicht eingefügt. Vielleicht lässt sich eine Zeichnung Burne-Jones’ (PML, Inv.Nr. 1971.1, fol. 90v), die eine vor Flammen fliehende Frau zeigt, die ihren linken Arm
852 Vgl. das zweite Bild »The Court Chamber« der »Dornröschen«-Serie, Öl auf Lwd., Version von 1870–1873 im Museo del Arte, Ponce, Puerto Rico (Inv.-Nr. 59.0114), diejenige von 1873–1890 in der Faringdon Collection, Buscot Park. Als mögliche Anregung für Polites lassen sich vielleicht die Ignudi in Michelangelos Deckenmalereien der Sixtinischen Kapelle vermuten. Vgl. z. B. mit Studien Michelangelos, AMO 70–71 (Parker 1956, Nr. 339, S. 176–177, Taf. XCI ; Dussler 1959, Kat. Nr. 201). Vgl. aber a. Burne-Jones’ Skizzenbuch, V&A, Inv.-Nr. E. 4–1955, S. 37 mit der Skizze nach einer antiken Vorlage. 853 90 × 45 mm, unvollendet. FMC, Inv.-Nr. 1183–16 : Entwurf in Bleistift, 130 × 176 mm, monogrammiert. 854 Zum kauernden Haltungsmotiv vgl. die kniende Maria in Entwürfen für ein Glasfenster für St. Martin’son-the-Hill, Scarborough, Yorks., 1862 (Sewter 1974, Abb. 69, 70) ; »Cupid’s Hunting Fields«, V&A, Inv.-Nr. C.A.I.9 ; Vordergrundfiguren in »The Feast of Peleus«, mittleres Predellafeld des Troja-Triptychons, Studiofassung in Öl, um 1878, V&A, und rechtes oberes Feld »Helen captive in Troy« ; die kauernde Frauenfigur in »Love among the Ruins«, Gouache von 1870–1873 (Privatslg.) und Ölreplik von 1893–1894 (Wightwick Manor, Wolverhampton, National Trust).
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schützend erhoben und den Kopf leicht zur Seite gedreht hat, als Alternativentwurf für diese Initiale deuten. Der brennenden Stadt Troja und ihrem Untergang ist weiterhin eine Initiale D gewidmet.855 Im Mauerwerk mit einer Bogenstellung, an dem sich zu geschwungenen Kurvenlinien stilisierte Flammen emporziehen, greift Burne-Jones auf die Motive der vorangehenden Initialszenen zurück. Die im Vergleich mit den anderen Beispielen, auch durch den Verzicht auf Figuren, relativ zurückhaltend gestaltete Initiale besitzt einen besonders reich mit Blattschmuck versehenen Buchstabenkörper, der aus den Blättern selbst gebildet zu sein scheint. Die Initiale war für S. 52 (Aeneis II, 623) vorgesehen, auf der im Rand eine grobe Skizze mit der Beischrift »Troy [ ?] burning« eingetragen ist. Der Text schildert, wie der aus Troja fliehende Aeneas auf die in den Flammen versinkende Stadt zurückblickt. Burne-Jones markiert mit dieser Initiale Trojas Ende. Die historisierten Initialen zum 3. Gesang
Der dritte Gesang beginnt damit, dass Aeneas schildert, wie er nach der Flucht aus Troja eine Flotte baute und seine Heimat auf dem Seeweg verließ. Entsprechend planten Morris und Burne-Jones zunächst den Beginn der Seereise des Aeneas zu veranschaulichen. Auf Seite 66 war, wie eine Bleistiftnotiz im Seitenrand anzeigt, eine Marginaldekoration oder eine historisierte Initiale mit der Darstellung »ship sailing« vorgesehen. Bevor er sich weiteren Szenen von Aeneas’ Reise widmete, griff Burne-Jones nochmals auf das Geschehen in Troja zurück und zeigt in der Initiale T die am Grabmal ihres Mannes, des trojanischen Prinzen Hektors, trauernde Andromache (Aeneis III, 303–305).856 Eine grobe Skizze auf S. 70 zeigt, dass die Initiale den Beginn ihrer Worte an Aeneas einleiten sollte, in denen sie ihm von ihrem Schicksal berichtet (III, 310). Die thebanische Königstochter Andromache wurde nach dem Krieg als Beute dem Neoptolemos zugesprochen und heiratete schließlich den trojanischen Seher und Priamos-Abkömmling Helenos, der Epirus regierte. Dort trifft Aeneas sie wieder und lässt sich von ihrem Mann zur Weiterreise beraten. Burne-Jones zeigt Andromache, nach rechts gewendet, über das hohe sarkophagartige Grab gebeugt, die verschränkten Arme und den Kopf trauernd auf die Platte gelegt. Wie die Figur des Königs Priamos erinnert auch sie in ihrer Haltung an eine Figur aus den »Dornröschen«-Bildern.857 Wiederholt die Beugung der Figur die Rundung des Buchstabens, so erhält sie in dem eckigen Grabmal ein formales Gegengewicht. Die Vertikale 855 FMC, Inv.-Nr. 1183–18 : Entwurf in Bleistift, 106 × 74 mm, monogrammiert. 856 FMC, Inv.-Nr. 1183–28 : Entwurf in Bleistift, 125 × 193 mm, monogrammiert und datiert 1874, Inschrift auf dem Sarkophag : HECTORI DUCI. 857 Vgl. Andromache mit der linken schlafenden Frauenfigur in »The Garden Court«, dem dritten Bild des »Dornröschen«-Zyklus, 1873–1890, Faringdon Collection, Buscot Park.
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der schmalen Grabvorderseite gleicht den fast waagerechten oberen Teil der Initiale aus und bildet ein Gegengewicht zu dem sich hochschwingenden blattförmigen linken Teil des Deckbalkens. Die Szene wird durch den rechts kreisförmig hochgezogenen Stamm rahmenhaft umschlossen. Weitere Initialszenen gelten der Darstellung sagenhafter Wesen, auf die Aeneas und seine Gefährten während ihrer Reise stoßen. Dagegen verzichtete Burne-Jones auf die Darstellung der Gründung der Stadt Aenus in Thrakien, des Besuchs des Orakels von Delphi, der Gründung einer Stadt auf Kreta, der Charybdis, den Tod des Anchises. Als erstes Fabelwesen erscheint Scylla in einer Initiale I (grobe Skizze auf S. 78 zu III, 521 ; Aeneis III, 426–428).858 Scylla, ein Ungeheuer in der sizilischen Meerenge und Mischwesen aus Frau und Seeungetüm, weist in ihrer leicht vorgebeugten Haltung gewisse Parallelen zu der Kassandra des vorangegangenen Initialentwurfs und einer der fliehenden Gorgonen aus »The Death of Medusa II« auf.859 Burne-Jones verzichtet darauf, den unteren Bereich des Unterkörpers der Scylla zu zeigen, die Vergil als Figur von »Menschengestalt, mit schönem Busen […] / Bis zum Schoß, doch unten ein Meergetier mit gräßlichem Körper / Und Delphinschwänzen, an Seehundbäuche gewachsen« beschreibt (Aeneis III, 424–428).860 Stattdessen zeigt er sie nur bis zu den Knien und deutet das Schreckliche des Unterkörpers durch drei bellende Hundeköpfe an, wobei er an seine Darstellung des Kerberos für das »Graham-Piano« anknüpft.861 Möglicherweise bezieht er sich dabei auch auf die Verse : »Als du schaust in grausiger Höhle die gräßliche Scylla / Einmal nur und die Felsen, die schwarze Hunde durchheulen« (Aeneis III, 431–432).862 Burne-Jones vermittelt eine gewisse Direktheit und Dynamik dadurch, dass er die Figur nahe an den Betrachter heranrückt und sie im Kopfbereich durch den oberen Balken der Initiale anschneidet. Die Bewegung von Figur und Initialkörper, das Ein- und Ausschwingen, sind gegenläufig, einander ausgleichend, eingesetzt. Die Rundung ihrer gesenkten linken Schulter erhält ein Gegengewicht in der auf gleicher Höhe angesetzten Verdickung des Buchstabenstammes. Die Anordnung der wehenden Haare der Scylla wiederum betont die Horizontale des oberen Balkens. Ein weiteres mythisches Fabelwesen, der Kyklop Polyphemos, ist im Binnenfeld der Initiale P dargestellt (Bleistiftnotiz »Cyclops« im Rand von S. 80 zu III, 570 ; Aeneis III, 658–664, 670–676).863 Polyphemus steht auf seinen Fichtenstamm gestützt, bis zum Hals 858 FMC, Inv.-Nr. 1183–27 : Entwurf in Bleistift, 157 × 89 mm, monogrammiert und datiert 1874. Vgl. zur Haltung : Nixenstudien in Burne-Jones’ Skizzenbuch, PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 80r. 859 »The Death of Medusa II«, Entwurf in Tempera auf Lwd., Southampton Art Gallery ; Aktstudie in Skizzenbuch, BMAG, Inv.-Nr. P4’52, fol. 5r ; Löcher 1973, Abb. 72, 73, Nr. 6f, 6k. 860 Vergil 1987, S. 71–72. 861 Zeichnung in Bleistift, 1872 (datiert 1875), AMO, Inv.-Nr. 1926.24. Zu den Hundeköpfen in Zusammenhang mit Scylla s. a. Morris’ Übersetzung der Aeneis, CW XI, S. 58. 862 Vergil 1987, S. 72. 863 FMC, Inv.-Nr. 1183–29 : Entwurf in Bleistift, 163 x 91 mm, monogrammiert und datiert 1874.
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im Wasser, um das von Odysseus zerstoßene Auge zu reinigen. Burne-Jones lässt nur seine in den Vordergrund gerückte Kopf- und Schulterpartie sichtbar werden. Der Zyklop hört das Schiff des Aeneas, da er es aber nicht sehen kann, ruft er seine Gefährten herbei, von denen zwei im Hintergrund der Szene am Eingang einer Höhle sichtbar sind, mit einem großen Stein und Baumstamm bewaffnet. Wie in der dritten Miniatur, die die trojanischen Krieger und die Harpyien zeigt, bleibt die Entfernung zwischen Figuren und Landschaftsmotiven unklar. Auffällig ist wieder der besonders reiche Blattbesatz des Buchstabenkörpers. Der Stamm der Initiale wird aus schmalen Leisten gebildet, deren Zwischenraum von gewundenen Akanthusblättern gefüllt wird. Die historisierten Initialen zum 4. Gesang
Die Initialen des vierten Gesangs sind der Geschichte von Aeneas und Dido gewidmet, wobei Letztere im Mittelpunkt der Darstellungen steht. Es gibt keine Szene, die auf die Abreise des Aeneas hindeutet, sei es seine Ermahnung durch Merkur (IV, 259–280) noch die Vorbereitungen der Flotte zum Weitersegeln. Die erste Initiale des vierten Buches zeigt »The Wedding of Dido« (Aeneis IV, 165– 169).864 Im Binnenfeld der Initiale P wird, durch den Buchstabenkörper rahmenartig umschlossen, das Paar Dido und Aeneas beim Verlassen der Höhle gezeigt, in der sie eine gemeinsame Nacht verbrachten. Um ihre liebevolle Beziehung herauszustellen, lässt Burne-Jones sie sich an den Händen fassen. Aeneas geleitet in voller Rüstung elegant Dido ins Freie. Venus und Juno hatten die beiden, während der Jagd von einem Unwetter überrascht, in der Höhle zusammengeführt, um endlich ihre eigenen Interessen kompromissbereit zu vereinigen. An den Stamm des Buchstabens gelehnt, diesen mit der Rechten umfassend, steht Juno, die Schützerin ehelicher Bindungen, mit einem Fackelstab, während ihr gegenüber eine nimbierte nackte Frau sitzt. Durch die Beischrift ist sie als Personifikation der Erde (»Terra«) kenntlich gemacht. Sie ist in ihrer Funktion als Schutzgöttin der Ehe auch bei Vergil angeführt (Tellus, Aeneis III, 166). In ihrer Hand trägt sie einen Myrtenzweig, der auch ein Attribut der Venus ist, als Symbol der unvergänglichen Liebe (Aeneis V, 72). Oberhalb der Initiale klagen auf bewachsenen Felsen vier Bergnymphen über das bevorstehende Unheil.865 Ihre dramatische Bewegung wird im Auf- und Abschwellen der Hügel widergespiegelt.
864 FMC, Inv.-Nr. 1183–22 : Entwurf in Bleistift, 230 × 98 mm, monogrammiert und datiert 1874, Beischriften : JUNO, TERRA. 865 Die Bergnymphen erinnern an klagende Engel aus Gemälden der niederländischen und italienischen Kunst um 1500, vgl. a. mit Burne-Jones’ Entwürfen für klagende Engel in der Rosette von St. Michael and St. Mary Magdalene, Easthampstead, Berks., 1876 (Sewter 1974, Abb. 510), und mit den klagenden Frauen in »The Death of Orpheus«, ca. 1872, schwarze Kreide, 11,5 × 19 cm, Sotheby’s Belgravia, London, 15.12.1981, Los 10.
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Für die aufrechte Haltung der Juno bezieht sich Burne-Jones auf die Figur der Fortuna in »The Wheel of Fortune«, während die mit ausgestreckten Beinen sitzende Terra an die Venus in »Laus Veneris« (1873–1878) und die antike Statue der Agrippina in den Kapitolinischen Museen in Rom denken lässt.866 Im dreizonigen Aufbau erinnert die Initiale an diejenige mit Neptun und den Winden. Übergänge zwischen den Bereichen werden durch Juno und die Blattzweige, die die Höhle einfassen und in die Felszone hineinragen, hergestellt. Die Hände von Dido und Aeneas werden zum einen durch Junos Fackelstab und den Verlauf von Didos Gewand hervorgehoben, zum anderen dadurch, dass sie sich fast, wie auch der Myrtenzweig, auf Höhe der Bildmittelachse und vor der dunklen Höhlenöffnung befinden. Das Motiv des sich an den Händen fassenden Paares erinnert etwas an das sog. Arnolfini-Porträt Jan van Eycks (1434), das sich seit 1842 in der National Gallery in London befindet. Es schließt sich die Initiale I mit der Darstellung der Tochter der Erde, Fama (»Rumour«), an (S. 94, lediglich durchgepaust ; Aeneis IV, 173–184).867 Sie ist im Lauf durch Lybiens mächtige Städte gezeigt, die durch die Hintergrundarchitektur angedeutet werden, um die Nachricht über die Verbindung von Aeneas und Dido zu verbreiten, wobei sie in ein großes gedrehtes Horn bläst. Burne-Jones folgte relativ eng Vergils Beschreibung und gab der nackten Personifikation mit Augen besetzte Flügel, vom Lauschen spitze Ohren und Schlangen, die sich um ihre Beine winden. Das Motiv des schnellen Laufens verstärkte er dadurch, dass er das rechte, in der Bewegung erhobene Bein der Figur anschneidet. Die Figur der Fama ähnelt derjenigen des fliehenden Satyrs aus Andrea Mantegnas »Triumph der Tugend« im Louvre (1499–1502). Burne-Jones hatte in seinem Reiseskizzenbuch von 1873 andere Figuren aus diesem Bild festgehalten.868 Auch zur Statue des Amors mit verbundenen Augen, die sich links am Bildrand von Burne-Jones’ Gemälde »Venus Epithalamia« von 1871 (Fogg Art Gallery, Massachusetts) befindet, und zum Absalom des Glasfensters in St. John the Evangelist, Knotty Ash, von 1872 bestehen Parallelen.869 Eine Initiale mit der Darstellung von »Dido’s sacrifice« war, wie eine Bleistiftnotiz im Seitenrand und ein Freiraum für eine große Initiale nahelegen, für S. 104 zu Gesang 866 »The Wheel of Fortune«, linkes Personifikationsfeld der Predellazone des Troja-Triptychons, in zahlreichen Einzelfassungen vorliegend : Gouache, um 1870, Carlisle Museum and Art Gallery ; Gouache, um 1882, National Museum of Wales, Cardiff ; Gouache, 1871–1885, London Borough of Hammersmith Public Libraries ; Öl auf Lwd., Musée d’Orsay, Paris ; weitere Versionen in der National Gallery of Victoria, Melbourne, der Watts Gallery, Compton, Surrey. Lit.: Christian 1984, S. 209 ; Parris 1994, Kat. Nr. 155, S. 237. 867 Initiale zu IV, Zeile 206. FMC, Inv.-Nr. 1183–23 : Entwurf in Bleistift, 168 × 100 mm, monogrammiert und datiert 1874. 868 FMC, Inv.-Nr. 1070.5, fol. 24r, 25r : fliegende Wesen ; fol. 26r : Der heilige Ölbaum aus dem Garten der Tugend. 869 Sewter 1974, Abb. 350.
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IV, Zeile 478, geplant. In diesem Absatz schildert Vergil, wie Dido ihre Schwester Anna bittet, einen Scheiterhaufen im Hof zu errichten, vorgebend, durch ein Opfer die Erinnerung an Aeneas tilgen zu wollen. Dem Tod der Dido, der im Handlungskontinuum auf den in der Miniatur dargestellten Selbstmord der Königin folgt, ist eine Initiale D gewidmet (S. 110, Zeile 651, Bleistiftnotiz im Seitenrand : »Dido’s Death«), die den Beginn ihrer Abschiedsrede einleitet.870 Die von rechts oben aus den Wolken herabfliegende Iris schneidet der auf dem Scheiterhaufen sitzenden, an den Stamm des Buchstabens angelehnten Dido, deren gesenkter, zur Seite geneigter Kopf durch die im Hintergrund treppenartig aufragenden Stadtmauern betont wird, eine Locke ab und befreit dadurch ihre Seele vom Körper (Aeneis IV, 700–705). Damit endet das vierte Buch. Das Haltungsmotiv der Dido verweist auf dasjenige der am Webstuhl schlafenden Frau im dritten Bild des »Dornröschen«-Zyklus, »The Garden Court« (1873–1890, Buscot Park). Die Draperien und die aufsteigenden Flammen, die in der ihnen gemeinsamen Linearität verschmelzen, folgen der Kontur des Buchstabens. Dieser wird in die Bildkomposition miteinbezogen, denn Iris’ Arme greifen zu seinen beiden Seiten nach der Locke. Das herabhängende und das aufsteigende Akanthusblatt, die den Stamm des Buchstabens fortsetzen, werden in der Draperie des Scheiterhaufens bzw. in den aufsteigenden Flammen wiederholt. Details wie der von Leisten eingefasste Stamm des Buchstabens, die Blattagraffe in der Bogenmitte sowie die lang herab- bzw. heraufreichenden Akanthusblätter wiederholen sich in der Skizze für eine Initiale D (CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996. Y7/EWL Y7). Die historisierten Initialen zum 5. Gesang
Mit dem fünften Buch, das die Erlebnisse schildert, die auf Aeneas’ Abreise aus Karthago folgen, scheint sich nur eine Zeichnung verbinden zu lassen. Auch Randnotizen in der Handschrift, die bei den vorangegangenen Büchern noch Hinweise geben, an welchen Stellen historisierte Initialen vorgesehen waren, auch wenn keine Entwürfe von BurneJones überliefert sind und die Notizen deswegen vielleicht eine inzwischen revidierte Illustrationsfolge übermitteln, fehlen. Skizzen weisen lediglich daraufhin, dass auf S. 136 zwei große Initialen zu III, 623 und 641 eingefügt werden sollten. Sie leiten Abschnitte ein, die von der Aufstachelung der trojanischen Frauen durch die im Auftrage Junos in die greise Beroe verwandelte Iris und von dem Anzünden der Schiffe berichten. Möglicherweise ist der Inhalt des fünften Buches ein Grund für die sehr spärlichen Verweise auf Buchschmuck : Vergil berichtet darin ausführlich über das Totenopfer zu Ehren des Anchises und die sich daran anschließenden sportlichen Wettkämpfe. Burne-Jones und Morris sahen hierin vielleicht nicht genug Motive für eine den vorangehenden Büchern entsprechende Illustrationsfolge. 870 FMC, Inv.-Nr. 1183–20 : Entwurf in Bleistift, 184 × 95 mm, monogrammiert und datiert 1875.
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Eine Bleistiftzeichnung Burne-Jones’, die in Zusammenhang mit der »Aeneis«-Handschrift stehen könnte, zeigt drei Sirenen auf ihrem »felsigen Sitz« (Aeneis V, 864) und bildet vielleicht den Entwurf für eine Marginaldekoration zum fünften Gesang.871 Nichts deutet daraufhin, dass diese Darstellung von einem Buchstaben begleitet werden sollte. Die Dekoration würde das fünfte Buch abschließen und sich auf eine eher nebensächliche Szene beziehen. Die Sirenen sind nicht als vogelartige Wesen dargestellt, und auch die Gebeine der wegen ihres Gesangs ertrunkenen Seeleute fehlen. Die Zeichnung weist vielmehr drei junge Frauen in fein drapierten Chitonen auf, die am Wasser auf Felsen sitzen und ihr Haar im Wind wehen lassen.872 Die Haltung der linken Frau könnte durch den zurückgeworfenen Kopf, den ausgestreckten Arm und den geöffneten Mund als singend gedeutet werden. Möglicherweise entstand die Zeichnung jedoch in Zusammenhang mit Burne-Jones’ Plänen für ein nie vollendetes Gemälde »The Sirens«, das er 1870 begann.873 Die historisierten Initialen zum 6. Gesang
Die letzten Initialentwürfe behandeln Szenen des sechsten Buches und geben Momente wieder, die in Verbindung mit Aeneas’ Gang in die Unterwelt stehen. Mit der Darstellung des Goldzweiges im Wald ist die Initiale T auf S. 154 (zu Aeneis VI, 208) der Handschrift geschmückt (nach ebd., 190–209).874 Burne-Jones folgt eng dem Text und zeigt den goldenen Zweig inmitten einer Baumkrone, um die zwei Tauben der Venus fliegen, die den suchenden Aeneas auf den Zweig hinweisen. Hinter dem Baum deuten weitere Baumstämme den Ort der Handlung an. Über der Baumkrone schwebt umgeben von Rosenzweigen, etwas unvermutet, Venus als Halbfigur. Ein Wolken- oder Nebelband trennt sie von der Baumlandschaft. Die der Darstellung vorgeblendete Initiale, die Baumstämme und der Goldzweig nehmen in ihrem kurvigen Schwung aufeinander Bezug. Die Bewegung wird im oberen Bildteil in der wehenden Schulterstola der Venus aufgegriffen. Die Göttin ist hier eingefügt, um wie in den beiden ersten Miniaturen deutlich zu machen, dass sie ihrem Sohn Aeneas stets zur Seite steht und ihn schützt.
871 Zeichnung in Bleistift, 255 × 140 mm, unsigniert und undatiert, Sotheby’s, London, 9.4.1974, Los 61, aus der Lady Lever Collection (Nr. WHL 3900). 872 Die links im Vordergrund sitzende Frau variiert das Haltungsmotiv der auf dem Scheiterhaufen sitzenden Dido. 873 Bell 1903, S. 42, 59. 874 S. 154, 150 × 60 mm, unvollendet ; FMC, Inv.-Nr. 1183–15 : Entwurf in Bleistift, 173 × 90 mm, monogrammiert. Entwurfsskizzen in Burne-Jones’ Skizzenbuch, PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 100v, 101r. Dabei füllt Burne-Jones in der oberen Skizze auf fol. 100v den Raum rechts des Baumes durch ein großes Blatt und verzichtet auf die Venus. Die untere Skizze zeigt bereits die Komposition mit der über dem Buchstaben schwebenden Venus. Die Skizze auf fol. 101r entspricht weitgehend dem Entwurf und enthält auch zwei Tauben.
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In Murrays unvollendeter Gouache in der Handschrift hebt sich die in ein rosa Gewand gekleidete Venus von der blautonigen Farbigkeit der anderen Dekorationselemente der Initiale ab. Der Gewandton wird nicht nur in den Rosen, sondern auch in der Grundierung des Buchstabens aufgegriffen. Diese Initiale wurde von May Morris besonders geschätzt. Sie bezeichnete sie als »tantalizing for its poetic charm« und als »one of the most romantic of the ›storied‹ ornaments«.875 Die letzte erhaltene Marginaldekoration Burne-Jones’ zeigt die Strafen der Verdammten im Tartarus (Aeneis VI, 595–617).876 Sie war von ihm »without a letter to go all over the page« geplant.877 Den oberen Teil der schmalen streifenförmigen Komposition nehmen vier Furien ein, die sich wie Mänaden im entrückten Tanz bewegen und Schlangen in den Händen halten (Aeneis VI, 570–572). Darunter befinden sich vor einem reich durch Ornamentbänder eingefasstem Tor (Aeneis VI, 573–575), das an dasjenige in »Love among the Ruins« (1870–1873, Privatbesitz ; Ölreplik von 1893–1894, Wightwick Manor) erinnert, einige der bekanntesten Gequälten des Tartarus : Sisyphos, den großen Felsen emporrollend (Aeneis VI, 616), Tityos, dem ein Geier die Leber zerhackt (ebd., 595–600), und Ixion, der an die Speichen eines brennenden Rades geflochten ist (ebd., 616 ff.). Aus kompositorischen Gründen verzichtet Burne-Jones darauf, Tityos, den Giganten in seiner Riesengestalt darzustellen, die in der »Aeneis« beschrieben wird (VI, 596). Das Bildfeld schließt mit den sich unter einem schwebenden Felsen kauernden Verdammten, die von Figuren in Michelangelos Jüngstem Gerichts in der Sixtinischen Kapelle und seinen sog. »Sklaven« angeregt zu sein scheinen, die für das Julius-Grabmal vorgesehen waren (Louvre, Paris, und Accademia, Florenz).878 Eine großformatige Gouache (PML, Inv.-Nr. 1961.28) variiert diesen Tartarus-Entwurf, wobei unbekannt ist, in welchem Zusammenhang sie entstand.879 Eine Ausführung für die Vergil-Handschrift erscheint nicht möglich, da diese auf Pergament geschrieben und in den Maßen kleiner gehalten ist. Abweichungen lassen sich zwischen Entwurf und 875 May Morris, in : CW XI, S. xxiv. 876 FMC, Inv.-Nr. 1183–19 : Entwurf in Bleistift, 339 × 63 mm, Blattgröße 360 × 90 mm, monogrammiert und datiert 1875. 877 PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 101v. 878 Die »Sklaven« bildeten eine wichtige Anregung für Burne-Jones nach 1870. Er besaß eine kleine Gipskopie des sog. »Sterbenden Sklaven« aus dem Louvre neben zwei weiteren vom »Morgen« und »Abend« aus der Medici-Kapelle in S. Lorenzo, EBJ 1975, Kat. Nr. 348. Eine Skizze des Florentiner Sklaven in einem Skizzenbuch Burne-Jones’ von 1871, Privatbesitz, ebd., Kat. Nr. 345 ; Parris 1994, Kat. Nr. 155, S. 237. Vgl. a. Zeichnung Michelangelos, AMO 23 (Parker 1956, Nr. 297, S. 141–142, Taf. LXXII ; Dussler 1959, Kat. Nr. 194r) ; die Zeichnung Michelangelos, zur »Ehernen Schlange«, AMO 29 (Parker 1956, Nr. 318, S. 157–159, Taf. LXXIX) ; Nachzeichnungen von Figuren in Burne-Jones’ Skizzenbuch, FMC, Inv.-Nr. 1070.2. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Entwürfe für den »Perseus«-Zyklus, bei Löcher 1973, Abb. 25, 29, Kat. Nr. 1d, i und 120, Kat. Nr. 10b. 879 Gouache auf Papier, 712 × 503 mm ; Wiles 1998, Kat. Nr. 120, S. 49.
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Gouache in Details ausmachen. Das betrifft besonders den oberen Teil der Komposition. In der Gouache zieht sich der Reigen der Tänzerinnen bis zum rechten Blattrand hin und besteht nun aus dreizehn statt wie in der Zeichnung aus vier Figuren. Die weißgekleideten Furien sind in ihrem regelmäßigen Tanz auf einem Mauerkranz durch ein wehendes wellenartiges Schleierband verbunden. Links unter ihnen steht hinter einem weiteren Mauerkranz die in ein schwarzgrünes Gewand mit Goldfalten gehüllte Furie Tisiphone mit Schlangen in den Händen (Aeneis VI, 548–571). Darunter schließt sich unregelmäßiges Mauerwerk an, in das ein Metalltor eingelassen ist. Auch bei den auf den graublau-braunen Felsen angeordneten Gequälten lassen sich Abweichungen gegenüber der Entwurfszeichnung feststellen. So ist die Position von Tityos und Ixion ausgetauscht. Während Sisyphos im Entwurf den Felsen mit dem linken Oberschenkel stützt und seine Rechte unter, die Linke dagegen auf den Felsbrocken gelegt hat, als wolle er ihn hinaufheben, hat er im New Yorker Blatt den Kopf gesenkt, die Hände über der Brust verschränkt, um den Felsen mit den Schultern emporzustemmen, und das linke Bein vorwärtskletternd aufgesetzt. In einer weiteren Zeichnung (TGL, Inv.-Nr. N03141)880 wiederum hält er den runden Felsen mit beiden Händen und stützt ihn auf der linken Schulter, während seine Knie auf einem zu abstrakten Linienschwüngen stilisierten Felsgrund aufliegen. Bei der Darstellung des Tityos befindet sich in der Gouache der Geier über dem Kopf des an den Felsen Geschmiedeten, im Entwurf dagegen vor dem Oberkörper seines Opfers. Ixion ist in der Gouache außen auf das nicht brennende Rad gebunden, das von den Felsen herunterzurollen scheint, während er im Entwurf seitlich auf das Rad gelegt ist, an dem außen Flammen emporzüngeln. Unterhalb des herabstürzenden Felsblocks sind in der Gouache nur drei angstvoll emporschauende Verdammte eingefügt an Stelle der eng gedrängten Gruppe des Entwurfes. In der Gouache ist in den Winkel, der von dem horizontalen Band der tanzenden Furien und dem vertikalen Streifen der Verdammten gebildet wird, ein großes blaues C auf ebenfalls blauem Quadratgrund eingefügt, in dessen Binnenfeld wolkenartige Formen eingetragen zu sein scheinen, so dass die Vermutung naheliegt, dass auf dem Rest der Seite Text geplant war. Eventuell sollte an dieser Stelle der Beginn von Vers 566 folgen : »Cnosius haec Rhadamanthus habet durrissimo«.881 Eine entsprechende Anordnung von Streifenbild und Text war eventuell für die Handschrift vorgesehen. Vorzeichnungen und Studien zu dieser Tartarus-Szene sind in Burne-Jones’ New Yorker Skizzenbuch (PML, Inv.-Nr. 1971.1, fol. 102r–103r, 64r–65r) überliefert, das auch Zeich880 Sisyphos, Tempera auf Papier, 262 × 258 mm, um 1870, TGL, Inv.-Nr. N03141 ; eine weitere Temperazeichnung mit der Darstellung des Tantalos, um 1870, TGL, Inv.-Nr. N03142 ; EBJ 1993, Kat. Nr. 34–35. Die 1898 bei Christie’s angebotenen Zeichnungen »Sisyphus« und »Tantalos« aus dem Nachlass von Burne-Jones, Christie’s, London, 16. und 18.7.1989, Los 185 und 189, wurden durch eine Zeichnung des Ixion ergänzt, ebd., Los 188. Das kreisrunde Format der Zeichnungen erlaubt die Vermutung, dass sie in Zusammenhang mit den Orpheus-Zeichnungen für den Graham-Flügel entstanden. 881 Zitiert nach : www.latinlibrary.com/Vergil/aen6.shtml [Zugriff am 31.1.2015].
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nungen zu weiteren geplanten Szenen aus der Unterwelt umfasst.882 Als Initialdekorationen waren, wie die Anmerkungen auf fol. 101v und die Entwürfe auf fol. 103v bzw. 104r belegen, Darstellungen des Fährmanns Charon, der sein voll besetztes Boot nach rechts rudert, gerahmt von dem aus Akanthusblättern gebildeten Initialbuchstaben A, dessen Querbalken die Hüfte Charons durchläuft (fol. 103v ; Abb. 58), und des Kerberos, mit hochgereckten Köpfen auf einem Flammenbündel stehend, im Initialbuchstaben Q geplant (fol. 104r).883 Charon sollte vermutlich die Rede der Sibylle auf S. 158 (Aeneis VI, 322) einleiten, in der diese über Charon und die am Ufer des Styx stehenden Seelen berichtet, denen Burne-Jones ein ungefähr gleichzeitig entstandenes unvollendetes Ölgemälde gewidmet hatte (Privatsammlung). Kerberos wiederum sollte wohl die Initiale zu Aeneis VI, 388, auf S. 160 schmücken : Die Sibylle überzeugt Charon mit Hilfe des Goldenen Zweiges, sie über den Styx hinüberzusetzen, an dessen anderem Ufer sie dem Kerberos begegnen. Auf fol. 101v finden sich weiterhin Vermerke zu Initialen C, P und N : »Lugentes Campi [VI, Abb. 58 Edward Burne-Jones, Skizze für einen Initialentwurf mit Charon und seinem Boot für die 441], infants at top – lovers below«, die sich »Aeneis«-Handschrift, Skizzenbuch, um 1874, The auf die in der »Aeneis« erwähnten frühver- Morgan Library & Museum, New York, Inv.-Nr. 1971.1, storbenen Kinder (VI, 427–428) und unglück- fol. 103v. Purchased on the Acquisitions Fund. Photo lich Liebenden (VI, 441 ff.) beziehen. Aeneas © The Pierpont Morgan Library, New York. begegnet beiden Gruppen beim Betreten des Hades, bevor er in den Tartarus gelangt, der in der Marginaldekoration dargestellt wird. Wie die Klammer andeuten könnte, waren diese Initialen untereinander geplant, eventuell zu den Zeilen 426 (Continuo), 434 (Proxima) und 439 (Nec Procul). 882 Fol. 102r : Zug der tanzenden Furien mit der Überschrift Tartarus ; fol. 102v : Drei Studien für Ixion, dessen Haltungsmotiv auf der Außenseite des Rades eher demjenigen der Gouache verwandt ist, Figuren unter herabstürzendem Felsen kauernd ; fol. 103r : die Beine der tanzenden Furien, die Furie Tisiphone, die Mauer mit dem Tor, Sisyphos an einem Felsen den Stein mit der Schulter emporstemmend ; fol. 64r : der frontal gezeigte Tityos, der von dem rechts platzierten, nach seiner Leber hackenden Geier angegriffen wird ; fol. 65r : Tityos in einer weitgehend der Zeichnung entsprechenden seitlichen Haltung. 883 Fol. 101v »A Charon / Q Cherberus / They are independant of each other«.
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3.8.9 Zusammenfassung
Wie in »A Book of Verse« und »The Rubáiyát of Omar Khayyám« bestehen auch in der Vergil-Handschrift enge Beziehungen zwischen den Miniaturen und dem zeitgleichen Œuvre von Burne-Jones mit dem Unterschied, dass sich der Künstler nun selbst »zitiert«, wobei die Bindung an die »Perseus«-Serie und das »Troja-Triptychon« besonders eng ist, während vorher Murray bereits bestehende Entwürfe Burne-Jones’ variierend umsetzte. Burne-Jones scheint bei den »Aeneis«-Zeichnungen, die zugleich eine Auftragsarbeit wie auch eine Sonntagsbeschäftigung in Gemeinschaft seines Freundes darstellten, auf keine umfangreichen Vorbereitungen und einzelne Studien zurückgegriffen, sondern Bildideen, mit denen er sich zu dieser Zeit auch in anderem thematischen Kontext beschäftigte, aufgegriffen zu haben. Konzepte und Überlegungen, die er in Zusammenhang mit seinen Gemälden erarbeitete, fanden auf diesem Wege Eingang in die Miniaturen. Dabei ging die Kompositionsfindung bei den »Aeneis«-Miniaturen – wie durch das New Yorker Skizzenbuch nachvollziehbar wird – schnell und mit großer Sicherheit vonstatten. Die »Aeneis« bildet nicht nur ein bedeutendes Zeugnis für Morris’ Erprobung eines monumentaleren Formats mit antiken Sujets unter Rückgriff auf antike Vorbilder, sondern auch ein wichtiges Dokument für die Verarbeitung der Anregungen, die Burne-Jones durch die italienische Kunst der Renaissance und durch diejenige der Antike auf seinen Reisen, in den Sammlungen der Londoner Museen und den Häusern seiner Förderer Ruskin, Leyland, Graham sowie durch die Interessen seiner Künstlerfreunde Watts und Morris erfuhr. Die Miniaturen reflektieren in der Darstellung des nackten Körpers die Inspiration durch Arbeiten Michelangelos und der antiken Skulptur, in den zarten Frauenfiguren und den expressiv bewegten Gewändern diejenige durch Botticelli und Mantegna. Die »Aeneis«-Handschrift unterscheidet sich in der eng dem Text folgenden Bebilderung, die sich außerdem durch die antikisierenden Momente in Komposition und Bilddetails auf die Handlungs- und Entstehungszeit der Geschichte bezieht, von den vorangegangenen Handschriften Morris’, bei denen eine solche »illustrierende« Illuminierung eher die Ausnahme bildet, wie die wenigen historisierten Initialen der »Volsungs«-Handschrift. Als Sagentext fordert die »Aeneis« einen kontinuierlichen, handlungsbestimmten Illustrationszyklus. Schon dieser durch die Textwahl selbst vorgegebene Ansatz unterscheidet die Handschrift von den Manuskripten mit poetisch-assoziativen Gedichtillustrationen der Jahre um 1870. Bei der »Aeneis« erschließt sich die Bildhandlung über die Textkenntnis und den Zusammenhang der einzelnen Miniaturen. Abgelöst von ihrer Stellung in der Handschrift dienen in einigen Fällen, besonders in den Szenen der Begegnung zwischen Aeneas und Venus, lediglich Bilddetails wie die Mauer von Karthago oder Aeneas’ Rüstung als Anhaltspunkte für eine Identifizierung der dargestellten Szene. Burne-Jones war zwar daran interessiert, eigenständige Bilderfindungen zu schaffen, doch stellte er sich auch in die ikonographische Tradition ein : Die Szenen von der Befreiung der Winde, Aeneas’ Flucht mit Vater und Sohn aus dem brennenden Troja, die 382
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Begegnung von Venus und Aeneas vor Karthago, das Gastmahl der Dido, der Kampf mit den Harpyien, Aeneas’ und Didos Zusammenkunft in der Höhle, der Tod der Dido, Aeneas und die Sybille in der Unterwelt und Venus, die Aeneas die Waffen übergibt, sind in der bildenden Kunst geläufige Themen.884 Selten dargestellt werden – abgesehen von Miniaturen in illuminierten Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts – die Kampfszenen aus der »Aeneis«. Das Interesse konzentrierte sich vielmehr auf die Flucht aus Troja und auf die Beziehung zwischen Aeneas und Dido sowie zu seiner Mutter Venus. Die Entwürfe für die »Aeneis«-Handschrift besitzen, auch wenn sie eine spezifische Szene des Textes zur Darstellung bringen, nur verhaltene narrative Qualität, sondern werden vielmehr durch die für Burne-Jones’ Arbeiten charakteristische passiv-melancholische Haltung der Figuren geprägt. Ausnahmen bilden die ungewöhnlich dynamischen Kampfdarstellungen sowie die Miniaturen zu Gesang II und VII, in denen der Künstler durch Beifiguren (Kreusa) und Bilddetails (den Lorbeerbaum und die Bienen) auf andere Ereignisse der Geschichte verweist. Dabei bedient er sich einer verdichtenden Zusammenziehung, die bestimmte Aspekte wie die Umstände der Flucht aus Troja bzw. die vorausgesagte Ankunft des Helden in Latium verdeutlichen. Auffällig und kennzeichnend für Burne-Jones sind bei der Szenenwahl das Desinteresse für die zahlreichen militärischen Szenen der »Aeneis« – lediglich für den Verlauf der Handlung und das Schicksal des Helden bedeutende Kämpfe gelangen zur Darstellung –, eine Abneigung gegen die Visualisierung des Hässlichen, das wie bei Scylla nur verschönert gezeigt bzw. durch eine bewusste Ausschnittswahl ausgeklammert wird, sowie eine Vorliebe für traurige Szenen, etwa zum Thema der unerfüllbaren Liebe. So sind Didos Tod allein zwei Szenen gewidmet. Auch wenn Unklarheit über die Verantwortlichkeit bei der Auswahl besteht – vielleicht ist bei den Miniaturen von einer Absprache zwischen Morris und Burne-Jones, bei den historisierten Initialen von einer Entscheidung Morris’ auszugehen, da dieser entsprechend den Text auf der Seite konzipieren musste und sich zudem Notizen im Seitenrand erhalten haben –, so lässt sich feststellen, dass in der Wahl des Moments Szenen zur Darstellung gelangen, die Schlüsselmomente und Höhepunkte der Handlung bilden. Die historisierten Initialen wiederum nehmen ergänzend und komplettierend Nebenszenen und -figuren auf. Eine Sonderform bilden die Marginaldekorationen, die wohl eine Galerie der olympischen Götter umfassen sollten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zusammenstellung von antikisierender Kapitalis, purpurgefärbtem Pergament, rechteckigen, dem Textspiegel vorangestellten Miniaturen und Akanthusornamentik mit Figurenmotiven, das Aufgreifen von Bild ideen italienischer Renaissancekünstler und von Haltungsmotiven der antiken Skulptur eine angemessene Dekoration für den antiken Text bildet und an eine sehr persönli884 Vgl. z. B. in : A. Pigler, Barockthemen. Eine Auswahl von Verzeichnissen zur Ikonographie des 17. und 18. Jahrhunderts, Bd. II, Budapest/Berlin 1956.
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che »Renaissance der Renaissance« denken lässt. In der »Aeneis« liegt ein Beispiel für Morris’ Wertschätzung der »angemessenen Illustration« vor, für seine Forderung nach einem stimmigen Verhältnis von Buchschmuck und Textinhalt, das den Rahmen der »Illustration« im engeren Sinne des Wortes überschreitet, da auch die Einbeziehung von Aspekten der Stilwahl und dem Bezug zur Tradition, der Geschichte der Illustration und Ausstattung, der historischen Verankerung eines Textes erfolgt. So ist die Wahl des antiken Vorbilds der Traditionslinie des Textes und der Geschichte seiner Illustrierung geschuldet. Unter Morris’ Ägide werden aus »Aeneis«-Handschriften der Antike und der Renaissance einzelne Elemente ausgewählt, neuartig kombiniert und durch eigene Ideen ergänzt, um die historischen Anregungen für die eigene Zeit zu adaptieren und die Tradition der »Aeneis«-Handschriften in der eigenen Gegenwart fortzuführen. Dieses letzte große Handschriftenprojekt belegt somit Morris’ Ziel der lebendigen Tradition im Sinne einer modernen Buchmalerei. In Layout und Dekorationskonzept bleiben die Antike und die diese rezipierende Renaissance erkennbar, doch entwickelt Morris daraus seine eigene Gestaltungsidee einer dreistufigen Illustrationsfolge, die von der Miniatur über die Göttergalerie zu den historisierten Initialen reicht. Durch die Gestaltung und die ihr zugrundeliegenden Überlegungen bildet Morris’ »Aeneis« einen zugleich gelehrten als auch prachtvollen Rückgriff auf die antiken Vorbilder. Dabei erweist sich die Handschrift, selbst in ihrem unvollendeten Zustand, als ungewöhnlich homogen. Dieses wird besonders augenscheinlich in der Vereinigung von Ornamentdekoration und szenischer Illustration in den historisierten Initialen, die das narrative Element der Miniaturen mit dem Akanthusblattschmuck der gliedernden Initialbuchstaben verbinden. Wäre die »Aeneis« vollendet worden, läge mit ihr, wie es May Morris formulierte, »a monumental work« von »pride and splendour« vor.885 Die Wahl eines bekannten literarischen Stoffes mit gewisser visueller Tradition, der Anschluss an die Antike und Renaissance, das repräsentative Format können aber nicht nur als Elemente gedeutet werden, die durch Charakter und Tradition des Textes selbst bedingt wurden, sondern auch als Bestreben, die Handschriften aus dem persönlichen Rahmen herauszunehmen und als veräußerbares Werk zu konzipieren, wie Morris es in Zusammenhang mit einem anderen Projekt 1873 plante.886 Miles Tittle interpretiert 2012 und 2015 Morris’ Arbeit an der »Aeneis« im Kontext seiner frühen politischen Tätigkeit : Über Abschrift und Illuminierung, die als gemeinsame Arbeit mit Burne-Jones geplant gewesen sei, um die Künstler wieder in einen engeren Kontakt zu bringen, sei Morris das »lyrical indictment of war and of imperialist ventures, not a glorifaction of Roman domination« in der »Aeneis« bewusst geworden.887 Dieses habe ihn zu einer Übersetzung des Textes motiviert und schließlich sein Enga885 May Morris, in : CW XI, S. xxvii ; Morris 1936 I, S. 468. 886 Brief Morris’ an Murray vom 26.3.1873, Kelvin 1984 I, Nr. 231, S. 219–220. 887 Tittle 2015, S. 59–60, 56 ; ders. 2012, S. 150.
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gement in der »Eastern Question« vorbereitet. In seiner Deutung betrachtet Tittle die Erfahrungen im Verlaufe des Illuminierungsvorhabens der »Aeneis« als Wegbereiter für Morris’ politische Aktivitäten der kommenden Jahre. Dabei sei es dessen Anliegen, über den Rückgriff auf die Kunst der Vergangenheit diejenige der Gegenwart sowie zugleich die sozialen Bedingungen der eigenen Zeit zu verbessern.888 Jack Mitchell wiederum betrachtete 2015 Morris’ Übersetzung der »Aeneis« und das Handschriften-Projekt in Hinblick auf das »layering« von Elementen verschiedener Zeiten zu einer künstlerischen Einheit.889 So lasse Morris’ Übersetzung durch die Wortwahl die Antike, das Mittelalter und elisabethanische Übersetzungen der antiken Klassiker ebenso assoziieren wie Burne-Jones’ Miniaturentwürfe und ihre Ausführung durch Murray die Florentiner Renaissance mit den an Botticelli erinnernden Frauenmotiven und den Leonardos Schlacht von Anghiari variierenden Pferdedetails, das 16. Jahrhundert in den Details der Rüstung und spätmittelalterliche Miniaturen in Landschaftselementen.890 Es ist jedoch anzumerken, dass diese Kombination von Elementen verschiedener Epochen durchaus kennzeichnend für das Gesamtwerk Burne-Jones’ ist und hierin keine spezifische Reaktion auf den Text oder Morris’ Ideen für die Übersetzung vorliegt. 3.8.10 Späte Handschriftenfragmente
1873/1874 war für Morris in Hinsicht auf illuminierte Handschriften eine äußerst produktive Zeit : Die »Aeneis« war bereits in Planung, und er trug sich mit dem Gedanken, seine »Cupid and Psyche«-Dichtung aus »The Earthly Paradise« als Handschrift auszufertigen. Diese sollte mit Miniaturen nach Burne-Jones’ Entwürfen verziert und verkauft werden. Am 26.3.1873 schrieb Morris an Murray : To say the truth I have a mind to try and sell a book if I could find a customer, I work much neater now, & have got I think more style in the ornament, […]. I am rather thinking by the way of trying a Cupid & Psyche for the market, painting in some of the master’s pictures with it which he has given me leave to do : for belike the oddity of a poet illuminating his own poem might make it saleable : perhaps you would like to give me some help in the matter.891
Morris spricht hier von den Entwürfen Burne-Jones’, die dieser um 1865 als Vorlagen für Holzstichillustrationen für Morris’ umfangreiches Projekt des »The Earthly Paradise« ausgeführt hatte. Nach dem gescheiterten Projekt einer illustrierten Ausgabe des Textes liegt hiermit ein erneuter Versuch Morris’ vor, seinen Text in einer seinen Vorstellungen 888 889 890 891
Tittle 2012, S. 1–6, 16. Mitchell 2015. Ebd., S. 12, 19–20. Zit. nach : Kelvin 1984 I, Nr. 231, S. 219–220.
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gemäßen illustrierten Fassung zu veröffentlichen, wobei er sich nach seinen negativen Erfahrungen der 1860er Jahre zunächst für eine kalligraphische und illuminierte, d. h. für eine von ihm allein übersehene und gemeinsam mit erprobten Mitarbeitern zu realisierende Konzeption entschied. Zwar haben sich keine Seiten von diesem Projekt erhalten, doch gibt es verschiedene Einzelblätter, die sich aufgrund der Schrift in die Entstehungszeit der »Aeneis«-Handschrift datieren lassen und die als Proben oder Muster für andere, für den Verkauf intendierte Handschriften erachtet werden können. Es handelt sich hierbei um einzelne großformatige Seiten mit Fragmenten von Texten, die Morris bereits in anderer Form niedergeschrieben und illuminiert hatte. Der Rückgriff auf vertraute Texte hätte die Arbeit erleichtert und beschleunigt. Darunter befinden sich mehrere Seiten zu einem »Heimskringla«-Fragment mit dem Vorwort von Snorri Sturluson und dem Textanfang (PML, MA 4011, fol. 2r–6v), die sich im Format des Pergaments (355 × 230 mm), dem einspaltigen Arrangement und der Schrift von den anderen erhaltenen Fragmenten und der Londoner Handschrift (SoA, MS 906) unterscheiden.892 Dunlap sprach der Schrift ein »horizontal feeling« zu, das dadurch entstehe, dass die obere Buchstabenrundung von n, m und s abgeflacht werde.893 Die Verbindung der Buchstaben durch die horizontale Verlängerung der Querstriche trägt zu diesem Eindruck bei. Hinweise darauf, wie Seitenüberschriften und -zahlen platziert werden sollten, fehlen. Das erste Blatt mit der Vorrede beginnt mit zwei Zeilen in blauer Schrift, wobei Großbuchstaben und Buchtitel in Gold hervorgehoben sind. Die Kapitalis-Buchstaben des Texts dagegen sind in blauvioletter und hellpurpurfarbener Tinte eingefügt.894 Der Text der Vorrede setzt mit einer Initiale ein, bei deren Gestaltung Morris wohl zwei Varianten ausprobierte : ein elfzeiliger, aus Blättern gebildeter Initialbuchstaben, der in den linken Seitenrand eingestellt ist und auf den der Wortrest fünfzeilig in den Textblock eingefügt und vermutlich ebenfalls mit Blattbesatz folgt, oder das erste Wort (IN) in Ligatur und ganz in den Textblock eingerückt. Bei der zweiten Version durchschneidet das I als Vertikale den diagonalen Balken des N. Die Absatzanfänge betonte Morris durch dreizeilige farbige Initialbuchstaben, die frei, ohne Hinterfangung, so in den Seitenrand gestellt werden, dass sie noch in die zwei vorangehenden Zeilen emporragen bzw. eine Zeile herabreichen. Hinweise auf eine weitere geplante Ausschmückung dieser Buchstaben liegen nicht vor. Auf das Vorwort folgt der Beginn des »Ynglings«-Textes mit zwölf Zeilen in Bleistift, wobei die ersten vier Zeilen jeweils zweizeilige Kapitalis-Buchstaben aufnehmen, die den Titel bilden. In der fünften und sechsten Zeile folgt die Zusammenfassung des Kapitelinhaltes, worauf sich nochmals eine Überschrift aus dreizeiligen Buchstaben anschließt, so dass der Text mit der dreizehnten Zeile anhebt. Die Bleistifteintragungen in Zeile 7–9 weisen darauf hin, dass Morris zunächst beabsichtigte, die Worte »The Round World« in 892 Whitla 2001, S. 95, Nr. H 1 in Morris’ zweiter Antiqua-Schrift. 893 Dunlap 1972/1976, S. 248. 894 Auf den folgenden Blättern sind diese Buchstaben nur in Bleistift skizziert.
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eine Zeile hineinzusetzen, sich dann aber dazu entschloss, dem Wort »World« eine eigene Zeile zu geben. Die Kapitel sollten, getrennt durch Überschriften mit der Bezeichnung »Chapter« und römischer Nummerierung, ohne Freizeile aufeinanderfolgen. Die Idee, die Buchstaben aus Blättern zu bilden, und sie in den Seitenrand einzustellen, wo sie den Schriftblock begleiten, legt eine Einordnung des Fragments in den Umkreis der »Aeneis«-Handschrift und damit in die Zeit um 1875 nahe. Diese Datierung wird durch die Schriftgestaltung unterstützt, die, wie Dunlap herausarbeitete, derjenigen der »Aeneis« entspricht.895 Vielleicht hatte Morris zunächst eine großformatige Prachthandschrift der »Heimskringla« geplant, diese dann jedoch zugunsten der »Aeneis« aufgegeben, da gewähltes Format und Gestaltungsweise ein eher antikes Sujet empfahlen oder eine bekanntere literarische Vorlage besser veräußerbar erschien. Ein großformatiger Pergament-Bifolio (335 × 240 mm) für ein wohl fünftes »Rubáiyát« trägt auf der ersten Rectoseite die ersten drei Quartains in Bleistiftkapitalis, unterteilt von Freizeilen mit mittig platzierten arabischen Versnummern, und auf der Versoseite ebenso wie auf dem zweiten Blatt nur das eingezeichnete Schriftfeld mit Linierung.896 Der erste Quartain wird durch eine siebenzeilige, in ein Quadrat eingestellte Initiale eingeleitet. Schwungvoll eingetragene, sich überschneidende Linien zeigen, dass Morris vorhatte, den Buchstaben mit Akanthusblättern zu umwinden. Die folgenden Verse weisen am Anfang entsprechend mit Akanthusblättern belegte und umwickelte, aber nur dreizeilige Initialen auf, wobei die Blätter in den Seitenrand hineinragen. Die Buchstaben werden durch eine doppelt eingetragene senkrechte Linie deutlich vom Textbereich abgegrenzt. Das D des zweiten Quartains ähnelt in den vom Kopf und Fuß des Buchstabenstamms in den Seitenrand hineinwachsenden Blättern Morris’ Entwurf für eine D-Initiale der Vergil-Handschrift.897 Es ist die am sorgfältigsten ausgeführte Initiale der Seite. Der Buchstabenstamm ist mit spiralig aufsteigenden Akanthusblättern gefüllt, die an Motive in den früheren Dwellers-Handschriften Morris’ erinnern. Die Verwendung von römischer Kapitalis – wobei ungewiss bleiben muss, ob Morris durch diese Schriftform nur die erste Seite herausheben wollte oder ob auch die folgenden Seiten in Kapitalis ausgeführt werden sollten – sowie die Akanthusblatt-Initialen und das relativ große Pergamentformat deuten auch auf die zeitliche Nähe diese Seite zur »Aeneis«-Handschrift hin. Die Kapitalis ist im Vergleich mit derjenigen der Titelseite zum ersten Buch der »Aeneis«, die als einzige in dieser Handschrift von Morris ausgeführt wurde, etwas schlanker und gerundeter gestaltet. Der Diagonalstrich des R ist leicht gebogen und erinnert an die Form, die Morris für die Kapitelüberschriften des Cheltenhamer »Lancelot«-Fragments verwendete. 895 Dunlap 1972/1976, S. 246 ; Cockerells dem Fragment beigefügte Notiz : »Three leaves of a large Heimskringla which I think was carried no further, c. 1875«. 896 CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, fol. 33r. 897 CAGM, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Y7/EWL Y7, siehe zu dem Blatt auch Peterson 1992, S. 6.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Das repräsentative Format, die würdevolle Kapitalis, die großen Initialbuchstaben und die eher an der Renaissance bzw. dem Spätmittelalter orientierte Blatt-Ornamentik mögen als Kennzeichen für eine neue, eher an »klassischen« Vorstellungen geschulte Phase im buchmalerischen Werk Morris’ im Zusammenhang mit der »Aeneis« gelten, aber könnten ebenso im Kontext mit den von Morris’ erwogenen kommerziell ausgerichteten Projekten als ein Zugeständnis an zeitgenössische Geschmacksvorstellungen gedeutet werden.
3.9 William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit – ein Vergleich mit Arbeiten seiner Zeitgenossen 3.9.1 William Morris’ Buchmalerei – eine Zusammenfassung
William Morris war nach ersten Versuchen, die noch von einer das Mittelalter verklärenden Auffassung der Buchmalerei geprägt waren, daran gelegen, eine »moderne« Buchmalerei zu entwickeln, die Dekoration und Schrift in einer dem jeweiligen Textcharakter und -inhalt angemessenen Weise verbindet sowie einer durch die Textart bedingten Anordnung präsentiert. Dabei ging es Morris, der sich in den 1870er Jahren intensiv mit dem Entwurf von Tapeten und Stoffen beschäftigte, immer auch um das Problem des Ornaments oder Musters, um den Umgang mit Vorbildern in Hinblick auf Stilisierung, Struktur und ihrer zeitgemäßen Anwendung, um das Verhältnis von Motiv und Grund unter Berücksichtigung des Mediums, d. h. von Funktion und Material. Morris wählte für seine Handschriften in der Regel eigene Dichtungen, seine Übersetzungen aus dem Isländischen oder aber solche Texte aus, denen er durch Neigung eng verbunden war. Trotz seiner Vorliebe für das englische Mittelalter fertigte er keine Handschriften dieser Texte, sondern gestaltete sie erst mit der Kelmscott Press. Die »Entwicklung« der illuminierten Handschriften Morris’ lässt sich in fünf Stufen unterteilen : Die ersten Blätter der Zeit um 1857 sind durch das Vorbild gotischer Handschriften besonders in den floralen Elementen und Groteskenmotiven, der verwendeten Schrift, der auf Blau und Rot konzentrierten Farbigkeit und der Wahl kompakter Ornamentleisten bestimmt. Nach wenigen Blättern brach Morris dann jedoch die Experimente im Bereich der Buchmalerei ab, ohne eine harmonische Lösung im Verhältnis von Text, Schrift, Ornament und Miniaturen gefunden zu haben. Die Wiederaufnahme der Buchmalerei um 1870 mag mit dem Scheitern seines Publikationsprojekts von »The Earthly Paradise« verbunden gewesen sein. Morris war es hierbei nicht gelungen, eine bestehende Schrift und Bildschmuck von Burne-Jones nach Vorbildern von Holzschnittillustrationen des späten 15. Jahrhunderts auf eine seinen Vorstellungen entsprechende Weise zu verbinden. Er musste die Verwirklichung des idealen gedruckten Buches aufschieben und versuchte deswegen vielleicht, das ideale 388
William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit
Buch zunächst in einem Medium umzusetzen, auf das er unmittelbaren Zugriff hatte und das er nach seinen eigenen ästhetischen Auffassungen gestalten konnte : das illuminierte Buch. Die Handschriften der Zeit zwischen 1869 und 1872 sind durch die Mischung von naturalistischen und solchen Motiven gekennzeichnet, die florale Ornamente der nordalpinen gotischen Buchmalerei des späten 14. und des 15. Jahrhunderts variieren. In Ornamentstruktur, Stilisierung und Wahl der floralen Elemente sind sie Morris’ zeitgleichen Entwürfen für Tapeten, Stoffe und Kacheln verbunden. Die Miniaturen wiederum basieren auf figürlichen Entwürfen von Morris und Burne-Jones, transferieren sie in einen neuen Kontext und statten sie dadurch z. T. mit einer anderen Sinngebung und Bedeutung aus. Morris hatte bei seinen Experimenten der 1850er Jahre versucht, eine historische Dekorationsform – die mittelalterliche Motiv- und Formensprache – für zeitgenössische Textformen zu adaptieren. Dieses scheiterte daran, dass sich die Leistenrahmen, Zeilenfüller, großen Blattformen und Ornamentmotive nicht harmonisch dem Versschema der ausgewählten Texte anpassten. Diese frühen Arbeiten sind noch durch die unmittelbare Begeisterung für das Mittelalter, die Morris in Oxford erfahren hatte, und die Buchmalerei-Lehrbücher geprägt, die entsprechende Beispiele zur Verfügung stellten. Bei der Wiederaufnahme der Buchmalerei um 1870 war Morris zu der Erkenntnis gelangt, dass er zwar historische Anregungen verarbeiten könne, doch eine »moderne«, eine zeitgemäße Buchmalerei entwickeln müsse, bei der sich die Gliederungsform des Textes, Bildschmuck und Ornamente harmonisch zusammenfügen – kurzum eine Buchmalerei, die die Traditionen der Buchmalerei überzeugend in die eigene Gegenwart überführt. Der Bezug auf orale Traditionen und der private, assoziative Charakter der eigenen Gedichte prägen die Dekorationen der Handschriften aus den Jahren um 1870. So fällt das Motiv der Sängerin und der Musikantin oder des/der Lesenden auf, das als Verweis auf die Überlieferung des Textes, auf das gemeinsame Erleben von Literatur bzw. selbstreferentiell auf das Medium des Buches dient. Vorlesen bildete einen festen Bestandteil gerade der Abend- und Wochenendtreffen des Morris-Kreises. So ist zur Entstehung der »Aeneis« überliefert, dass Morris den Text vorlas, während Burne-Jones die Entwürfe anfertigte. Ein entsprechendes Verfahren deutet sich in den Charles Fairfax Murray zugeschriebenen Skizzenbüchern (HAC) an. Die Flüchtigkeit der Skizzen, das Ausarbeiten erster Ideen, die durch kräftige Linien modifiziert oder in kleineren Skizzen verändert werden, die schnelle Abfolge der Zeichnungen und ihr Ineinanderübergehen lassen vermuten, dass auch sie während des Textvortrags entstanden. Die Bindung an mündliche Überlieferungstraditionen spielte wohl gerade bei den Dekorationsüberlegungen zu den isländischen Texten eine wichtige Rolle. Dass Morris auch Illustrationen für diese Texte plante, verdeutlichen Skizzen und Einträge in den Handschriften-Fragmenten. Sie geben zum einen einen Hinweis auf die Szenenauswahl, auf die Umsetzung von im Text geschilderten Momenten ins Bild, zum anderen vermitteln sie, dass ein germanischer 389
William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Götterhimmel dem Text vorangestellt und somit die Kräfte visualisiert werden sollten, die den Ablauf des im Text geschilderten Geschehens bestimmen und beeinflussen (The Story of the Ynglings, PML, MS MA 1804, fol. 23). Zwischen 1872 und 1873 experimentierte Morris mit zweispaltigen Handschriften, die ein anderes Arrangement des floralen Ornaments und des Bildschmucks verlangten. Durch das unmittelbare Aufeinanderfolgen von floralen Füllornamenten und Schriftbereichen setzte er sein Ideal des dicht gefüllten Schriftfeldes um. Die Zeit zwischen 1873 und 1874 ist durch die Rückkehr zum einspaltigen Seitenaufbau und das Aufgreifen der Weißrankenornamentik italienischer Handschriften des späten 15. Jahrhunderts geprägt. Gerade bei diesen fallen der ornamentale Reichtum, die Pracht und Variationsbreite des verwendeten Goldes auf, so dass der Eindruck entsteht, Morris hätte bei diesen Handschriften »illuminieren« im Sinne von »schmücken« und »erleuchten« wörtlich genommen. Das Weißranken-Ornament wurde bereits zu Morris’ Zeit als Aufgreifen und Variieren früherer historischer Vorbilder erachtet. Vielleicht ist die Verwendung dieses Ornamenttypus daher nicht nur als eine ästhetische Entscheidung zu bewerten, die in Hinblick auf die zu illuminierenden Texte erfolgte, sondern auch als ein bewusstes Fortsetzen von Traditionen in der eigenen Gegenwart zu verstehen – als eine Fortführung des Weißranken-Ornaments von karolingischer Zeit über die Romanik und die frühe Renaissance ins 19. Jahrhundert. Morris folgte zwar dem Vorbild der italienischen Weißranken, doch kombinierte er sie mit floralen Elementen im eher gotischen Stil und naturalistischen Motiven, veränderte die Feingliedrigkeit und Einheitlichkeit des Vorbilds zugunsten eines freien Wachstums und einer originellen, abwechslungsreichen Gestaltung, die auch über die Farbigkeit neue Effekte erzielt. Den Schlusspunkt bildet die »Aeneis«-Handschrift von 1874/1875, die vielleicht schon mit Morris’ Überlegungen zu kommerziellen Handschriften verbunden ist. Sie erweist sich, dem Text entsprechend, in Schrift, Farbgebung, Ornamentik, Seitengliederung sowie Haltungs- und Draperiemotiven in den Miniaturen durch antike Vorbilder bzw. diese variierende Handschriften der italienischen Renaissance bestimmt. Diese Handschrift steht im Streben nach harmonischem Arrangement, in der Würde der Dekorationsmotive und der klaren visuellen Vermittlung des Inhalts in der klassisch-antiken Tradition. Römische Kapitalis und die Verwendung von Goldschrift auf Purpurgrund weisen auf die Kenntnis spätantiker Handschriften hin. Die Wahl eines bestimmten – und in diesem Falle für Morris eher untypischen – Stils schafft ebenso wie das Verwenden von einzelnen, mittelalterliche Ornamentformen variierenden Motiven in den vorangegangenen Handschriften mit eigenen Gedichten oder den Übersetzungen aus dem Isländischen eine Assoziationsebene, die die Wirkkraft des Textes und der Miniaturen verstärkt. Dieses Assoziationspotential fiel schon in den Handschriften der frühen 1870er Jahre auf. Sie können die Miniaturen wie in »A Book of Verse« in der Wechselwirkung mit dem Text mit Vieldeutigkeit ausstatten und erlauben, dass sich diese auf mehreren Ebenen lesen und interpretieren lassen. 390
William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit
Das Verhältnis von Miniatur und Ornament in Morris’ Handschriften ist je nach Handschrift unterschiedlich geartet : Die Miniatur kann eher assoziative oder eher narrative Qualitäten besitzen, das Ornament rein dekorative, beide können sich aber auch zu einer Einheit auf unterschiedlichen Ebenen verbinden und die Geschichte jeweils auf die ihrem Medium eigene Art ergänzen oder begleiten. Entsprechend der Textvorlage wählten Morris und seine Mitarbeiter unterschiedliche Typen von Illustrationen. So wurden die »Volsungs«- und »Ynglings«-Handschriften mit malerischen Elementen ausgestattet, die Momente der Handlung visuell umsetzen, auf mittelalterlichen Vorbildern beruhen und den Aspekt der oralen Vermittlung betonen, während »A Book of Verse« assoziative Miniaturen erhält, die die Stimmung der Gedichte umsetzen bzw. auf ihren weiteren Kontext oder auf literarische Parallelen verweisen. Das Londoner »Rubáiyát« wiederum wurde mit dekorativen Motiven, das Graham-»Rubáyiát« mit atmosphärischen Miniaturen versehen. Beide Dekorationsformen betonen jeweils einen bestimmten Aspekt des Textes. Dagegen ist die »Aeneis« mit szenischen Miniaturen von Frontispiz-Charakter ausgestattet. Die Miniaturen und Initialen betonen Höhepunkte der Handlung und akzentuieren diese durch ihre Stellung innerhalb der Handschrift. Sie kommen der »typischen« Illustration in der Abhängigkeit von der Textvorlage am nächsten. Durch die Kombination von dem Text vorangestellten rechteckigen Miniaturfeldern und historisierten Initialen mit Akanthusblattschmuck gewann Morris zusätzlichen Illustrationsraum und eine Möglichkeit, den langen Text der einzelnen Gesänge zu gliedern. Die Miniaturen Burne-Jones’ zu »A Book of Verse« und dem Graham-»Rubáiyát« greifen zwar Motive des Gedichttextes auf bzw. besitzen atmosphärische Parallelen zum Text des »Rubáiyát«, doch wären sie auch als eigenständige Gemälde des Künstlers, als unabhängige Kompositionen vorstellbar und vermitteln auch ohne den Text eine seinen zeitgleichen Werken entsprechende Stimmung. Bei Murrays Miniaturen für »A Book of Verse« dagegen ist von einer Abhängigkeit gegenüber dem Text auszugehen, dessen Inhalte jedoch nicht genau umgesetzt werden, sondern vielmehr scheint der Text als Ausgangspunkt für den Ausbau thematischer und stimmungshafter Momente zu dienen. Das Eingefügtsein seiner Miniaturen in das dichte Ornamentgefüge bindet sie enger an den Text, als es bei den dem Textfeld vorangestellten und durch breite Rahmen eingefassten Bildfeldern Burne-Jones’ der Fall ist, die allein dadurch ihre Unabhängigkeit gegenüber Text und Ornament ausdrücken. Gerade die »Aeneis« belegt, dass bei Morris der Umgang mit kunsthistorischen Vorbildern nicht nur durch das Streben nach einer modernen Buchmalerei geprägt war, sondern auch in Hinblick auf ihre Angemessenheit gegenüber einem spezifischen Text erfolgte. Es lässt sich vermuten, dass er für dieses Projekt Vergil-Handschriften der Spät antike und italienischen Renaissance konsultierte ebenso wie er für die »Oden« italienische Humanistenhandschriften des späten 15. Jahrhunderts studierte. Diese Handschriften erschienen ihm für die jeweiligen Texte als passende Vorbilder, wobei er die historischen Buchmalereien variierte und seinem eigenen Stil anpasste. 391
William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
Morris’ Handschriften zeigen eine harmonische Verbindung von Ornament und Schrift, entstanden aber zumeist in arbeitsteiliger Herstellung im Sinne einer engen Zusammenarbeit einer Werkstatt – in diesem Falle der »Firma« verbundenen Künstlern. Dieses Vorgehen spiegelt den mittelalterlichen Werkstattbetrieb oder die Arbeit in einem Skriptorium wider, wie es sich Burne-Jones noch 1862 in leicht verklärender Mittelalterbegeisterung gewünscht hatte.898 Die arbeitsteilige Produktion wiederholt zugleich Organisationsformen von »Morris, Marshall, Faulkner & Co.«. In Hinblick auf die Buchmalerei handelte es dabei auch um eine aus der »Not« geborene Lösung, die auf Zeitmangel und Morris’ Zweifel an seinen eigenen Fähigkeiten als Figurenzeichner beruhte. Je nach Fähigkeiten und Verfügbarkeit wurden einzelne Bereiche der Handschriftendekoration an Mitarbeiter von Morris abgegeben, zumeist an Charles Fairfax Murray. Gerade Morris’ verschiedene »Rubáiyát«-Handschriften, die nicht alle vollendet wurden, belegen, dass das Konzept einer Handschrift von Morris stets neu aufgestellt wurde. Abgesehen von der Berücksichtigung des Textes war die malerische Gestaltung auch davon abhängig, für wen die Handschrift bestimmt war.899 Im Falle der Geschenke an seine Vertraute Georgiana Burne-Jones ist anzunehmen, dass die komplexen Aussagen, die das Miteinander von Bild und Text ergaben, genau auf die Beschenkte und ihren engen Kreis abgestimmt waren, während bei dem späten Projekt der »Aeneis«, als sich Morris mit Überlegungen zu einem kommerziellen Skriptorium beschäftigte, von einem Streben nach Allgemeinverständlichkeit, von einer weniger personenspezifischen Auffassung des Textes auszugehen ist. Morris’ Handschriften vertreten die Ansprüche, die er selbst in einem Aufsatz 1884 an ein Kunstwerk stellte : »1st. Expression of imagination. 2nd. Decorative beauty. 3rd. Realization of Nature. 4th. Skill of execution«.900 Diese lassen sich zusammenfassen als Vorstellungskraft oder Phantasie, dekorative Schönheit, Naturbezug und handwerklich gelungene Ausführung. Morris verbindet in dieser Aufzählung seine Forderung von der Kombination von Erfindungskraft und Befolgung des Naturvorbildes (im Unterschied zur Naturnachahmung), von Angemessenheit gegenüber Funktion und Material, von Dekoration und Narration sowie von gründlichen Kenntnissen und Erfahrungen im handwerklichen Bereich. Er variierte und passte bewährte Musterstrukturen dem Medium der Handschrift und dem räumlichen Bezug zu einem Text an. Als »Design«-Theoretiker setzte er florale Motive und andere Dekorationselemente nun in Entsprechung zur Handhabung eines Buches, zur »Architektur«, d. h. dem Aufbau der Seite, und zur Angemessenheit gegenüber dem Text ein. Die Vorstellungen Morris’ vom Seitenaufbau einer Handschrift entsprachen denjenigen eines gedruckten Buches. Dieses ist in seiner Auffassung von der Kontinuität von 898 Vgl. Burne-Jones in einem Brief an John Ruskin, FMC, Inv.-Nr. RP 1847, 3 ; Kopie im YCBA. 899 Zur Abhängigkeit von Text und Dekoration des Buches : I. H. I. 1895/2005, S. 117. 900 William Morris, The Exhibition of the Royal Academy, by a Rare Visitor, Juli 1884, zit. nach : May Morris, in : CW XVI, S. xx.
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William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit
geschriebenem und gedrucktem Buch begründet und wurde von ihm in seinen Überlegungen zum »Ideal Book« 1893 einleitend formuliert : »In fact a book, printed or written, has a tendency to be a beautiful object«.901 Er forderte ein Ornament, das sich mit der Schrift zu einem harmonischen Seiteneindruck verbinde, das sich »certain limitations« füge und eine architektonische Qualität erhalte.902 Morris’ Buchmalereien entsprechen in dem Streben nach einer zeitgemäßen Auffassung seinen Arbeiten in anderen Bereichen. Die Grundidee, die sein gesamtes kunsthandwerkliches Schaffen prägte, bestimmte somit auch seine Tätigkeit im Bereich der Buchmalerei. Die Auseinandersetzung mit historischen Vorbildern, ihr variierendes Aufgreifen, die Anverwandlung einzelner Motive für die eigene Zeit verweist auf seine Vorstellung von einer lebendigen Tradition, von der Kontinuität der Tradition, die bei Morris nicht ein Relikt der Vergangenheit ist, sondern stets auch in der Gegenwart gestaltet, verändert und modifiziert wird.903 Die Tradition verbindet die verschiedenen Epochen, übermittelt die Kenntnisse und Erfahrungen der Vorgänger und wird den Bedürfnissen der eigenen Zeit angepasst. Ziel ist eine »authentische«, eine zeitgemäße, moderne und damit lebendige Kunst.904 Hierfür diente Morris wie schon Ruskin die Gotik als Vorbild. Sie war für Morris nicht nur eine lebendige Kunst in der Verbindung von Einzel- und Gesamtwohl, von Kunst und Leben, von Kunst und Arbeit, sondern auch in der Kombination von Naturnachahmung und episch-erzählerischer Qualität, die er bei den Präraffaeliten schätzte und wiederfand.905 Die gotische Kunst bildete Morris’ Ideal : »[…] beauty produced by the labour of man both mental and bodily, the expression of the interest man takes in the life of man upon earth with all its surroundings, in other words the human pleasure of life is what I mean by art.«906 »The pleasure of life«, die Lebensfreude, sei gebunden an »the inborn love of man for beauty and the desire of expressing it« und bilde damit die Grundlage für die künstlerische Tätigkeit.907
901 William Morris, The Ideal Book (1893), in : Morris 1982, S. 67–73, hier S. 67. 902 Ebd., S. 72–73. 903 Vgl. hierzu : Art, Craft, and Life : A Chat with Mr. William Morris, Daily Chronicle, 9th October 1893, S. 3, in : Pinkney 2005, S. 73–79, hier S. 76 ; Quinbus Flestrin, Interview with William Morris, Clarion, 19.11.1892, S. 8, in : ebd., S. 61–66, hier S. 63. 904 Vgl. Braesel 2008. 905 William Morris, Gothic Architecture, 1889, AWS I, S. 266–286, hier S. 283 ; ders., Address on the Collection of Paintings of the English Pre-Raphaelite School in the City of Birmingham Museum and Art Gallery, 24.10.1891, AWS I, S. 296–310, hier S. 302–303. Vgl. Brief Morris’ an Emma Lazarus, 21.4.1884, in : Kelvin 1987 II, Nr. 965, S. 275–277, hier S. 276–277. Zum Bezug zwischen Kunstgeschichte und Natur in Hinblick auf eine »living art« vgl. William Morris, The Lesser Arts, 4.12.1877, CW XXII, S. 3–27, hier S. 15. 906 William Morris, Art and Labour (1884), in : Lemire 1969, S. 94–118, hier S. 94–95. Morris folgte darin Ruskins Auffassung von Kunst als »expression of man’s pleasure in labour«, William Morris, Preface to the Nature of Gothic by John Ruskin (1892), Morris 1966 I, S. 292–295, hier S. 292. 907 William Morris, Art under Plutocracy, in : CW XXIII, S. 164–191, hier S. 172.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
In den Experimenten aus der Zeit um 1857 musste Morris feststellen, dass eine relativ eng auf den von Ruskin bevorzugten Vorbildern aus dem 13. und der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufbauende Buchmalerei für die eigene Zeit nicht geeignet war. Um 1870 fand er Alternativen und konnte auch schon auf umfassendere historische Kenntnisse zurückgreifen. Daraus ergaben sich verschiedene Möglichkeiten der Variation historischer Vorbilder, wie sie Morris inzwischen auch in anderen Bereichen der angewandten Künste erprobt hatte. Da sich ein moderner Text mit einem Repertoire aus historischen Ornamenten für ihn als nicht überzeugend erwiesen hatte, erstellte er aus Grundelementen von Blüten und Ranken Organisationsprinzipien und Anordnungsmuster, die Parallelen und Entsprechungen zu historischen Beispielen aufweisen, aber modernen Textformen angemessen sind. Für Morris war die Vorstellung der »living art« oder »popular art« letztlich in ein komplexes System eingebunden, zu dem auch eine gerechte soziale Struktur und angemessene Produktionsbedingungen zählten, da für ihn echte Kunst nur unter diesen Bedingungen wirklich existieren konnte : »[…] a society which will not and cannot have a living style, because it is an economical necessity for its existence that the ordinary everyday work of its population shall be mechanical drudgery ; and because it is the harmony of the ordinary everyday work of the population which produces Gothic, that is, living architectural art, and mechanical drudgery cannot be harmonized into art.«908 Diese Ideen formulierte Morris in seinen Reden seit der zweiten Hälfte der 1870er Jahre – zu einem Zeitpunkt, als er die Buchmalerei schon aufgegeben hatte, um sich auf andere Unternehmungen zu konzentrieren. Die Lösung vom engen Befolgen historischer Vorbilder mit dem erklärten Ziel, eine für die eigene Zeit passende Buchmalerei zu entwickeln und zu erarbeiten, die zu originellen Werken führt, gibt Morris eine Sonderstellung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sind doch die meisten Buchmalereien dieser Zeit stärker historischen Vorbildern besonders des Spätmittelalters verpflichtet. Burne-Jones charakterisierte dieses Verfahren von Morris : »[…], all his life, he hated the copying of ancient work as unfair to the old and stupid for the present, only good for inspiration and hope.«909 3.9.2 Die englische Buchmalerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Auch Morris’ Zeitgenossen kämpften mit dem Problem, dass sie sich zum einen den bewunderten historischen Mustern verpflichtet fühlten, sie zum anderen aber keine gelungene Übertragung dekorativer Prinzipien des Mittelalters auf moderne Textformen oder den zeitgenössischen Seitenaufbau fanden. Sie vertraten die Auffassung, dass ein 908 William Morris, The Revival of Architecture, Fortnightly Review, Mai 1888, CW XXII, S. 318–330, hier S. 330 ; ders., The Lesser Arts, CW XXII, S. 25–27. 909 GBJ 1993 I, S. 161.
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William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit
enges Kopieren bisher immer zu schlechten Nachahmungen geführt hätte.910 Vielmehr sollten – ähnlich wie es Morris forderte – basierend auf dem Studium der den mittelalterlichen Werken zugrundeliegenden Prinzipien der eigenen Zeit angemessene Arbeiten entworfen werden.911 Wie bei Ornament und Kunsthandwerk lag somit auch bei der Buchmalerei das Hauptproblem darin, historische Vorbilder und zeitgenössische Bedürfnisse auf eine gelungene und ästhetisch befriedigende Weise zu verbinden. Die mittelalterlichen Ornamente stellten ein anzustrebendes ästhetisches Ideal dar und waren zugleich auf einer konnotativen Ebene mit dem Medium verbunden, jedoch erwies sich die Übertragung der historischen Formen auf die Anordnung der modernen Texte und der zeitgenössischen Lesegewohnheiten hinsichtlich Schrift und Seitenaufbau als schwierig. Zumeist wurden historische Formen übernommen und leicht variiert, so dass eine eigentümliche Mischform zwischen einem historischen Stil und einer Formensprache entstand, welche die Arbeit als Werk des 19. Jahrhunderts kenntlich macht. Die Wahl des historischen Stils war grundlegend abhängig von dem Kriterium der Angemessenheit. Dieses umfasste Funktion, Entstehungskontext der jeweiligen Buchmalerei wie soziale Aspekte, die äußeren Bedingungen des Auftrags und die Bedeutung des Textes. Buchmalereien finden sich nun in neuen Zusammenhängen wie Werbung, Gruß- und Glückwunschadressen, Dokumentenschmuck sowie weiterhin im religiösen Kontext. Grundsätzlich waren zwar, wie die Lehrbücher zeigen, Buchmalereien in allen Stilen und Stilkombinationen möglich, doch wurden die mittelalterlichen Arbeiten sowie der Naturalismus der flämischen Buchmalerei des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts besonders hoch geschätzt. Der Umgang mit diesen flämischen Vorlagen wurde jedoch sehr unterschiedlich bewertet : Zum einen faszinierten die virtuosen Fähigkeiten der Maler, kamen die Arbeiten dem zeitgenössischen Interesse für die Natur und der Begeisterung für ihre vielfältigen Erscheinungsformen entgegen, aber zugleich wurden diese späten Buchmalereien auch mit dem Niedergang der Gattung verknüpft und auf Grund der dreidimensionalen Wiedergabe der Einzelformen als nicht geeignet für das Medium der Buchmalerei erachtet.912 Als Befürworter lassen sich Frederic Madden als auch das »Art Journal« von 1849 nennen, die den Naturalismus der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts zum Vorbild für zeitgenössische Arbeiten erklärten.913 Tafeln mit Motiven dieser Epoche, die als Blüte des Strebens nach naturalistischer Darstellung erachtet wurde,914 bilden den größten Anteil in den Hand- und Vorlagebüchern zur Buchmalerei, wobei jedoch das Erkennen von Naturalismus in den Arbeiten des frühen 15. Jahrhun910 Vgl. Humphreys 1849/1995, S. 23. 911 Ebd. 912 Zum Naturvorbild : Jewitt 1859, S. 17 ; Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 40, 58 ; Harrison [1863], Einleitung, S. 1–2. Zum Niedergang der Buchmalerei : Jewitt 1859, S. 17. 913 Madden/Shaw 1833, S. 36–37 ; Art Journal 1849, S. 31. Vgl. auch noch Art Journal 1882, S. 337–339. 914 Vgl. Humphreys 1849, S. 5–6, 55–57.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
derts angesichts der ausgewählten Beispiele eher als ein Wunschkonstrukt anzusehen ist. William Randle Harrison wiederum bezog sich in der Gestaltung der Titelseite seiner »Suggestions for Illuminating« von 1863 auf Vorbilder des späten 15. Jahrhunderts und empfahl das Stundenbuch der Anna de Bretagne (BNP, MS lat. 9474, Tours oder Paris, um 1500–1508, Miniaturen von Jean Bourdichon) als Muster.915 Morris selbst umging das Problem zwischen Naturvorbild und Wahrung der Fläche, indem er sich auf die Naturformen für Strukturprinzipien und Gliederung des Ornaments bezog. Durch die organische Anordnung des Ornaments und die Stilisierung der Einzelformen gelang es ihm, in der Buchmalerei wie auch bei Textil- und Tapetenentwürfen die angestrebten Maximen von Kontinuität und Flächenwahrung umzusetzen und sich zugleich auf das Natur- und Kunstvorbild zu beziehen. Buchmalereien von Owen Jones, Henry Shaw und H. N. Humphreys : Die »gift books« – gedruckte Buchmalerei
Das Bestreben, mit einer fundierten Kenntnis der historischen Buchmalerei und unter Berücksichtung genereller Überlegungen zu ihren medienspezifischen Qualitäten, sich der Herausarbeitung neuer zeitgemäßer Möglichkeiten und Ausdrucksformen zu widmen, unterscheidet Morris von seinen illuminierenden Kollegen Henry Noel Humphreys (1810–1879) und Henry Shaw (1800–1873, 1833 Mitglied der Society of Antiquaries). Ihnen war – bei aller historischen Kenntnis, ihren technischen Fähigkeiten und dem Insistieren, dass basierend auf dem Studium der älteren Kunstwerke etwas Zeitgemäßes entstehen solle – eher daran gelegen, historische Beispiele in einer dem zeitgenössischen Geschmack entsprechenden Weise einzusetzen sowie als vorbildlich erachtete mittelalterliche Vorlagen aufzugreifen und für die Gegenwart zu modifizieren. Morris ist in seiner Vorgehensweise eher Owen Jones (1809–1874) verbunden, der in seiner »Grammar of Ornament« (1856) zwar eine Übersicht historischer Ornamente gibt, diese aber als Beispiele für die Umsetzung von Grundlagen der Mustergestaltung, als mögliche Strukturprinzipien zur Organisation der Motive verstanden wissen wollte.916 Keinesfalls sollten diese Vorbilder nachahmend kopiert werden, sondern als Grundlage eines Musterstudiums dienen, auf dem der eigene Entwurf ansetzt. Buchmalerei-Entwürfe von Humphreys, Jones und Shaw haben sich im Medium der »gift books« erhalten. Bei diesen handelt es sich um aufwendige Buchpublikationen beliebter Texte, darunter biblische Texte oder Schriften antiker und englischer Autoren, die mit Buchschmuck in Chromolithographie ausgestattet und in Einbände gebunden sind, die gerne in gepresstem Papiermaschee mittelalterliche Vorbilder nachahmten. Das »Art Journal« schätzte an diesen Büchern das »happy blending of past and present, an engraf915 Harrison [1863], Einleitung, S. 2. Zu Harrison : Beckwith 1987, Kat. Nr. 54, S. 66–67. 916 Jones 1995, S. 8, Proposition 36. Vgl. Crow 1934, S. 71 ; MacCarthy 1994, S. 267.
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William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit
ting upon of the decorative feeling of ancient missals upon the scientific principles of the nineteenth century«.917 Christopher Dresser, der sich 1862 den chromolithographischen »gift books« kritisch widmete, erachtete die Illuminierung als eine »labour of love«, die mit dem Anliegen »of enhancing the beauty, of increasing the power, of intensifying the truth of the paragraph which is being illuminated« in der Wahl der dekorativen Elemente auf den Textinhalt Bezug nehmen und sich in »accord with the sentiments expressed in the passage thus enriched« befinden solle.918 Owen Jones, dessen Werk das »Art Journal« zu »the best examples of ›illuminated‹ printing that modern art and science have produced« zählte,919 verwendete in seinen Buchdekorationen gerne islamisch-orientalische Ornamentmotive, die dem Charakter der dekorierten Texte entsprachen.920 Dennoch bemängelte das »Art Journal«, Jones’ Ansatz einer modernen, dem Text angemessenen Dekoration vernachlässigend, dass seine Arbeiten »too much of Moorish character« besäßen, »to be really what they profess, viz., imitations of the missals and other manuscripts which were illuminated in Europe during the period of Gothic art«.921 Für John Gibson Lockharts »Ancient Spanish Ballads« (John Murray 1841) entwarf Jones Titelseiten, Bordüren und Initialen im maurischen Stil, die seine Kenntnisse der Alhambra dokumentieren, und verband diese Ornamente mit Fleuronnée-Elementen, Blattwerkmotiven des 15. Jahrhunderts sowie insularem Flechtwerk.922 Er vereinigte darin Verweise auf die Herkunft der Texte mit solchen auf den kulturellen Kontext und kam zugleich den Erwartungen seines Publikums entgegen. Auch für »Song of Songs« (Longman 1849) wählte er eine Mischung von orientalisierenden Motiven und solchen der nordalpinen Buchmalerei der Romanik und Gotik : Knollenranken mit eckig gebrochenen Partien, Akanthus- und Fächerblätter, Dreipassblüten, Goldpollen, lang ausgezogene spitze Blätter, Fleuronnée.923 In »The Preacher« (Longman 1849), »The Book of Common Prayer« (John Murray 1845) und »The Victoria Psalter
917 Art Journal 1849, S. 31. 918 Dresser 1862, S. 181, 187. 919 Art Journal 1855, S. 67. Vgl. a. George Wallis, The Exhibition of the Works of the late Owen Jones, The Art Journal 1874, S. 285. 920 Leathlean 1989. Zwischen 1844–1851 publizierte Jones ca. 13 dieser »gift books«, McLean 1963, S. 59 ; Ray 1976, S. 144–148 ; Friedman 1978, Kap. XV ; Braesel 1994, Kat. Nr. 36, S. 104–105. Weitere Publikationen Jones’ bildeten »Gray’s Elegy« (Longman 1846), »Flowers and their Kindred Thoughts« (Longman 1848), »Fruits from the Garden and Field« (1850) und »Winged Thoughts« (1851). 921 Art Journal 1849, S. 31. 922 Zur Editionsgeschichte : Beckwith 1987, Kat. Nr. 27, S. 41. 923 Auch Samuel Stanesby griff für »The Wisdom of Solomon« (1861) orientalische Motive für Seitenränder und Initialen auf, die er jedoch mit gotischer Schrift kombinierte. Von Stanesby stammt auch »The Bridal Souvenir« (Griffith & Farran, London, ca. 1857), das anlässlich der Hochzeit von Friederich III. von Preußen und Prinzessin Victoria herausgegeben wurde. Seine »illuminations« für »Sermon on the Mount« wurden »both in design and colour« als »exceedingly attractive« gelobt, Art Journal 1861, S. 64.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
(1861–1862),924 einer prächtigen Ausgabe der Psalmen, konzentrierte sich Jones wiederum auf nordalpine Muster des 15. Jahrhunderts, wobei das Ornament in Anordnung, Dichte, einer gewissen Unruhe durch unregelmäßige Konturen, in Klarheit der Formgebung und dem hohen Maß der Stilisierung sowie in Farbigkeit, additiver Reihung, in der Art der Kombinationen und Anordnung als Arbeit des 19. Jahrhunderts zu erkennen ist. Jones griff für diese Arbeiten variierend historische Formen auf, die das Mittelalter assoziieren lassen, aber in ihrer Zusammenstellung »modern« erscheinen,925 wobei es auch, z. B. in »The Preacher«, zu Mischungen von historischen Stilen kommen kann : Stilisierte Ranken des 15. Jahrhunderts werden mit insularen Flechtwerkmotiven kombiniert. »The Book of Common Prayer« war zusätzlich mit Illustrationen nach Werken Raffaels und anderer Künstler ausgestattet. Die Verwendung von zwei populären Vorlagen – Raffael und das nordalpine Mittelalter für die Ornamentik – sowie die Funktion als anglikanisches Gebetbuch zeigen den Versuch, die Buchmalerei nicht nur für breite Kreise attraktiv (und finanziell erfolgreich für den Verleger) zu machen, sondern auch enger an die anglikanische Kirche zu binden und die Illuminierung von ihrer assoziativen Verbindung mit der katholischen Kirche zu lösen.926 Shaw griff ebenfalls auf Raffaels Arbeiten zurück : 1865 dekorierte er eine Fassung des Neuen Testaments mit Ornamenten, die auf die Vatikanischen Raffael-Grotesken und in den Ranken und Juwelengehängen auf italienische Buchmalereien des 16. Jahrhunderts zurückgehen, diese z. T. sogar kopieren. Auch Autorenbilder und Gestaltung der biblischen Szenen folgen Vorbildern der italienischen Renaissance. Für »The Works of Horace« (John Murray 1849) und »Scenes from the Winter Tale« (mit Albert Henry Warren, Day & Smith [1866]) – nach Shakespeares in Griechenland angesiedeltem Theaterstück927 – verband Jones antike Ornamente mit solchen nach dem Vorbild der Vatikanischen Grotesken ;928 für Thomas Moores »Paradise and the Peri« (1860) und »The History of Joseph and his Brethren« (1865 [1848]) verwendete er den Texten entsprechend orientalische und ägyptische Motive.929 924 Siehe ausführlicher : Beckwith 1987, Kat. Nr. 6, S. 19–21. Vgl. Dresser 1862, S. 185, 189–190. Eine negative Kritik zum »Book of Common Prayer« in »The Ecclesiologist« V, 1895, S. 225. Der Kritiker beklagte die »very common-place and third-rate production«, den nicht mittelalterlichen Vorbildern entsprechenden Charakter des Buchschmucks und den Gesamteindruck, der »far from pleasing to the eye« ausfalle, ebd. Das illuminierte Original aus Jones’ Besitz im V&A, NAL, MSL 1952/458, siehe Watson 2011 III, Kat. Nr. 260, S. 1166–1169 mit Abb. 925 Das Art Journal 1849, S. 31 lobte die Titelseite des »The Preacher« als »galaxy of magnificence«. 926 Henry Noel Humphrey, The Miracles of our Lord, London 1848, S. i. In den vorangestellten »Remarks of the Illuminator« beschäftigte sich Humphreys mit diesem grundlegenden Problem der Buchmalerei im viktorianischen England : dem Vorwurf der Nähe zum Katholizismus. 927 Friedman 1978, Nr. 155, S. 54. 928 Neben Jones’ Ornamenten war das Buch mit Zeichnungen nach antiken Vorlagen von Georg Scharf Junior ausgestattet, die in einem Verzeichnis mit Aufbewahrungsort und Angaben zur Bildquelle aufgeführt sind. 929 Eine lobende Besprechung von »Paradise and the Peri« in : Art Journal 1861, S. 31 ; siehe a. Dresser 1862, S. 187–189.
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William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit
Jones lehnte einen imitierenden Naturalismus ab und entwarf stattdessen seinen eigenen Maximen folgend Ornamente, die auf bestimmten historischen Mustergrundlagen und -gesetzen aufbauten. Sein Vorgehen und die gegenüber seinen Arbeiten geäußerte Kritik machen die Probleme der Buchmalerei im 19. Jahrhundert deutlich : Zwar wurde eine zeitgemäße moderne Buchmalerei gefordert, doch wurde von Kritik und Kunden letztlich gewünscht, dass diese in Virtuosität, farbigem und motivischem Reichtum, der erlesenen Farbigkeit, dem Maß der Naturnachahmung spätmittelalterlichen flämischen Vorbildern folgt. Es fällt auf, dass, obwohl die Autoren der Handbücher zur Illuminierung wie Shaw und Humphreys die Buchmalereien des 14. und 15. Jahrhunderts als Vorbilder empfahlen, für die Dekoration der »gift books« weitgehend auf die französisch-flämische Buchmalerei des späten 15. Jahrhunderts zurückgegriffen wurde. Besonders Humphreys kam den Publikumswünschen in seinen »gift books« entgegen, wobei trotz aller Nähe zu historischen Vorlagen, seine Arbeiten in Farbbehandlung und Zusammenstellung als Werke des 19. Jahrhunderts erkennbar sind.930 Seine Begeisterung für die Buchmalerei der Zeit des späten 14. und des 15. Jahrhunderts, die er als »the finest period of the art of illumination« beschrieb, spiegelt sich in den von ihm gestalteten »gift books«.931 Im Unterschied zu Jones, der kunsthistorische Motive und Formen frei in die eigenen Entwürfe einarbeitete, kopierte Humphreys in seinen »gift books«, die in Zusammenarbeit mit Jones entstanden, Seiten und Motive nach existierenden Handschriften und verwies in einem Anhang auf die Originale. In diesem erläuterte er auch die Darstellungen und Symbole sowie ihren Bezug zum Text. Er forderte, dass die Dekoration stets dem Text entsprechen und ihn angemessen begleiten sollte. In seinem »Illuminated Calendar and Home Diary for 1845« (1844) bezieht er sich auf die Kalenderminiaturen und die Seitenränder des Stundenbuches der Anna de Bretagne (BNP, MS lat. 9474), im »Illuminated Calendar« für 1846 auf das Stundenbuch des Herzogs von Anjou (BNP, MS lat. 18014, heute bekannt als »Petites Heures« des Jean Duc de Berry).932 Beide Handschriften behandelte er 1849 in seinen »Illuminated Manuscripts«. Dort lobte er das Kalendarium des »magnificent« Stundenbuches der Anna de Bretagne als »unique, both as to size and beauty of composition« sowie die gelungene Verbindung von Ornament und Bildfeldern und das hohe Maß der Naturnachahmung.933 Die Buchmalerei der 930 Von Humphreys stammen außerdem historische Werken wie »The Coins of England« (1846) und »The Coinage of the British Empire« (1855) sowie naturkundliche Publikationen, darunter »River Gardens« und »Ocean Gardens« (beide 1857), »The Butterfly Vivarium« (1857) und »The Genera and Species of British Butterflies« (1859). 931 Humphreys 1849/1995, Taf. XXXI–XXXII, XII. 932 Der »Calendar« enthält eine vierseitige Einleitung zum Stundenbuch. Vgl. dazu McLean 1963, S. 64–65 ; Friedman 1978, S. 54–55, Nr. 148. Siehe die Kritik beider »Calendar« in : The Ecclesiologist V, 1846, S. 30– 31. Watson wies auf die Publikation der Miniaturen des Stundenbuches 1844 durch Curmer in Paris hin, Watson 1997/2003, S. 11, Anm. 16. 933 Humphreys 1849/1995, Taf. XXXI–XXXII, S. 110 : »[…] in this style, the supreme effort of the art of illu-
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Gent-Brügger-Schule kam nicht nur mit ihrer naturalistischen Objektwiedergabe den zeitgenössischen Erwartungen an die Kunst entgegen, sondern erlaubte auch die Aufwertung der nordalpinen Malerei gegenüber der italienischen. Humphreys würdigte bei den Bordüren des Stundenbuches den »high finish«, den Reichtum der Motive und die Leuchtkraft der Farben.934 Die Buchmalerei der Gent-Brügger-Schule entsprach Humphreys’ eigenen Interessen und Kenntnissen, seinen Anforderungen an einen Buchmaler. Im Anhang zu den »Parables« formulierte er seine Wünsche für die zeitgenössische Miniaturmalerei, die sich »appropriate to the text« verhalten und bestrebt sein solle, »to avoid all mere arbitrary or idle ornaments«. So erläutert er – wie in anderen Publikationen – auch in den Begleittexten die symbolische Bedeutung der dargestellten Pflanzen in Hinblick auf den Text. Er forderte Dekorationen, die »strictly original, fresh and full of the purpose alone to which they are devoted« gestaltet seien an Stelle von »embroidery borrowed from old missals or other sources of conventional ornament, however quaint and beautiful«.935 Die Wahl des Begriffs »embroidery« fällt nicht zufällig, sondern bezieht sich zum einen auf den optischen Eindruck, zum anderen auf den ornamentalen Charakter der Dekoration und ihre rein schmückende und begleitende Funktion. Das Stundenbuch der Anna de Bretagne (BNP, MS lat. 9474) diente mit seinen detaillierten Darstellungen von Pflanzen und Insekten in den Rahmenleisten auch als Anregung für die Dekorationen von »Insect Changes« (1847), »The Poets’ Pleasance« (1847, hrsg. von Eden Warwick), »The Book of Ruth« (1850)936, »The Miracles of our Lord« (1848) und »Parables of our Lord« (1847).937 Bei diesen Illuminierungen wählte Humphreys besonders reizvolle und ungewöhnliche Farbzusammenstellungen.938 In »The Penitential Psalms« von 1861 kombinierte er flämische Vorbilder aus dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert, französische Beispiele aus der ehemaligen Sammlung des Duc de Berry und italienische Vorlagen wie Miniaturen Giulio Clovios.939 So werden Kandelabermotive und Initialen aus farbigem Blattwerk sowie Juwelen- und Perlenspangen
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mination, nature, as far as lay within the capacity of the artist, has strictly been followed, and yet nothing of the highly decorative character lost ; though the pleasing angularity and intricacy and truly architectonic character of the strictly Gothic period has been abandoned«, wobei auch die »quaintness and intricacy of the previous Gothic feeling« eingebüßt worden sei. Humphreys 1849, S. 56. Parables of our Lord, London 1847, Nachwort ; s. a. bei : McLean 1963, S. 72. Ein entsprechendes Anliegen äußerte Humphreys im »Descriptive Index« zu »Maxims and Precepts of the Saviour« von 1849. Bei »The Book of Ruth« entstanden die Randleisten nach illuminierten Handschriften in der British Library, der Bibliothèque nationale Paris und dem Soane Museum, wobei eine genaue Aufschlüsselung der Vorlagen allerdings fehlt. Die Tafelvorlagen entstanden zwischen dem 1.5.1845 und dem 10.2.1846. Vgl. die positive Rezension in »The Art Union Monthly Journal of the Fine Arts, and the Arts Decorative and Ornamental« IX, 1847, S. 39, die die Angemessenheit der Dekoration gegenüber dem Text herausstellt. H.‑N. Humphreys, The Miracles of our Lord, London 1848, Remarks of the Illuminator, S. ii. Siehe hierzu : MacLean 1963, S. 78.
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mit naturalistischen Pflanzenmotiven und Insekten verbunden. Einzelne Seitenrahmen weisen ein Gerüst aus Stäben auf, die vierpassförmige Felder ausbilden, die u. a. mit Schwänen, Affen mit Fahnen, Wappenschilden gefüllt sind. Die Miniaturen sind dem Text entsprechend König David gewidmet. Humphreys hatte gerade in Hinblick auf die Farbigkeit und Motivik stets die Gesamtheit des Buches im Auge und achtete auf die Wirkung von Doppelseite und Seitenfolge. In seine Ornamente sind Figuren und Stillleben eingefügt, die sich auf den Text beziehen und die er von kunsthistorischen Vorlagen wie den Werken Dürers oder Schongauers übernahm.940 Dabei kombinierte Humphreys die flämischen Muster mit seinen eigenen Naturstudien – so in den »Maxims and Precepts of the Saviour« von 1849, bei denen er in den Seitenrändern Blumen und Tiere abbildete, die einen Bezug zu den aufgeführten Bibelsprüchen besitzen.941 Auch für andere »gift books«, wie Joseph Cundalls (1818–1895) »A Book of Christmas Carols« (1845),942 und illustrierte Bücher wie Robin Goodfellows »Gammer Gurton’s Story Books« (ca. 1845, illustriert von John Franklin)943 dienten flämische Buchmalereien des späten 15. Jahrhunderts als Vorbilder für die ornamentale Ausstattung. Allerdings wurden die naturalistischen Seitenrandmotive, die Cundall nach Handschriften aus der Sammlung des British Museum kopierte, mit einer Antiqua-Druckschrift kombiniert, wodurch der Handschriften-Charakter zurückgenommen wird. Andere Bücher wie das von L. Summerbell illustrierte »The May Queen« von Alfred Tennyson (1872) variierten gotische Seitenrandbordüren aus stilisierten Blatt- und Blütenzweigen und kombinierten diese mit einer grellen Farbigkeit, deren einzelne Farbwerte keine Ähnlichkeit zu den gotischen Vorbildern aufweisen, und mit ungerahmten Szenen, die sich auf den Text beziehen.944 In »Sentiments and Similes of William Shakespeare« (1851) erinnert der Buchschmuck, auch wenn Humphreys betont, er wolle in der Buchdekoration stilistisch einen Bezug zu Shakespeares Zeit herstellen, eher an Vorbilder der italienischen Buchmalerei des 16. Jahrhunderts mit materialimitierenden Beschlagwerkkartuschen und -leisten sowie farbigen Akanthusblättern, die ergänzt werden durch ein Porträt Shakespeares und durch historisierte Initialen mit Szenen aus dessen Theaterstücken. Für »A Record of the Black Prince« (1849) schloss sich Humphreys dagegen in den spitzen Blättern, Mus940 Daniels 1988, S. 32. 941 Eine positive Rezension in : The Art Journal 1849, S. 31. 942 Weitere Arbeiten Cundalls waren »The Creed, the Lord’s Prayer, The Ten Commandments« (1848), »Words of Truth and Wisdom« (1848), »Songs, Madrigals and Sonnetts« (1849), wobei sich Letztere eher an italienischen Beispielen orientierten, siehe a. Beckwith 1987, Kat. Nr. 25, S. 40. Zu Joseph Cundalls, Henry Cole gewidmeter Handschrift »Songs and Sonnetts« von 1849 (V&A, NAL, MSL 1997/2/3) : Watson 2011 III, Kat. Nr. 256, S. 1156–1157 mit Abb. 943 Siehe zu einer anderen Arbeit Franklins : Hindman 2001, S. 202–203. 944 Vgl. Cheshire 2009, Kat. Nr. 61, S. 125.
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terstreifen und Goldpollen an Buchmalereien des frühen 15. Jahrhunderts an, wobei er in der Komposition und der Einfügung von Engeln mit Schriftbändern allerdings von diesen Vorbildern abwich. An gotischen Vorlagen orientierten sich William James (1833–1907) und George Ash down Audsley (1838–1925) bei ihren »gift books«. Byrons »The Prisoner of Chillon« (1865)945 zeigt dabei in der Wahl der Type und der Ausstattung der Schrift zwar einen Anschluss an gotische Muster, doch lassen sich für die doppelte oder dreifache Rahmung und die vierzeiligen Initialen aus Rosetten und Akanthusblättern mit geometrischen und farblich äußerst zurückhaltenden Randmotiven, für die rapporthafte Aneinanderreihung der verschiedenen Elemente keine Vorbilder in der gotischen Buchmalerei ausmachen, die zugleich als Vorlagen für Einzelmotive und Farbigkeit dienen könnten. Ungewöhnlich an dieser Arbeit ist auch die Anordnung der Schrift, bei der, obwohl der Text nicht linksbündig angeordnet ist, rechts Zeilenfüller eingefügt sind. Für »The Sermon of the Mount« (Day & Son 1861)946 verwendeten die Brüder mehrfarbigen Akanthus mit Doldenblüten, farbige Initialfelder mit stilisierten Blüten und zierliches Fleuronnée. Auch hier stammen die Motive aus dem 14. Jahrhundert, ihr regelmäßiges, eher additives Arrangement ist jedoch modern. Die Mischung der verschiedenen Ornamentmotive vermittelt letztlich ebenso wie die Vernachlässigung der durch Shaw und Humphreys gepflegten Maxime der harmonischen Doppelseite und die ungewöhnliche Zusammenstellung von Rahmenleisten und Initialen einen etwas unzusammenhängenden Eindruck. In Hinblick auf Strukturen, Anordnung und Motive der Ornamente und der Vorbildwahl wird deutlich, dass Morris und Künstler wie Owen Jones, Henry Shaw und H. Noel Humphreys ähnliche Ideen, Konzepte und stilistische Vorlagen teilten. Zwar verband Morris mit Shaw die Vorliebe für die Buchmalerei des 13. und 14. Jahrhunderts, doch würdigte Shaw auch die flämische und italienische Buchmalerei des 15. Jahrhunderts, die Morris auf theoretischer Ebene wegen ihres Naturalismus und ihrer Tiefenräumlichkeit ablehnte. Morris wählte jedoch einen eigenen Weg der Umsetzung der historischen Modelle in seinen Handschriften, wobei er sich für einen Umgang mit den Ornamenten entschied, der demjenigen der zeitgenössischen Designtheoretiker entsprach : Die Beschäftigung mit und die Schulung an Prinzipien historischer Ornamentbeispiele erfolgte stets im Sinne einer Übersetzung in eine für die eigene Zeit charakteristische und dem zu dekorierenden Gegenstand angemessene und entsprechende »moderne« Form. Morris entwickelte auf der Basis der historischen Ornamentprinzipien unter Verwendung einiger historisch inspirierter Motive eine spezifische Art der Buchmalerei, die sich im Layout auch jüngeren Textformen anpasste und auf den jeweiligen Inhalt reagierte. Seine Handschriften erweisen sich in der Auffassung von Miniaturen und Ornament als Produkte ihrer Zeit, die sich keines historischen Gewandes bedienen, aber auf historische 945 Fox 1999, S. 1–2. 946 Ebd., S. 1 ; vgl. Dresser 1862, S. 190–191.
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Vorbilder Bezug nehmen können. Bei Shaws und Humphreys’ Illuminierungen dagegen werden die historischen Stile als Vorlagen für unterschiedliche Bedürfnisse verwendet und lediglich für moderne Anliegen modifiziert. Ihre Arbeiten bleiben den historischen Vorbildern weitgehend in Struktur und Motivik verbunden. Auch wenn sich diese Bücher als Vorschläge für eine zeitgemäße, auf den Traditionen der Vergangenheit aufbauende Buchmalerei verstanden, so wurde ihr Ansatz von Zeitgenossen kritisiert. Gerade von Seiten des »Ecclesiologist«, der sich intensiv mit Fragen der modernen Liturgie und Kirchenausstattung sowie allen Aspekten des modernen religiösen Lebens beschäftigte, gab es eine Vielzahl von kritischen Anmerkungen. Der Buchschmuck der »gift books« wurde auch als realitätsfern, die Archaismen als ein sinnloses Befolgen alter Muster bewertet.947 Beispiele englischer Buchmalerei aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Die englische Buchmalerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bietet ein noch uneinheitlicheres Bild als die »chromolithographische Buchmalerei«. Dieses hängt auch mit dem Hauptaufgabenbereich der Buchmalerei – der Dekoration von Adressen – zusammen. Diese Glückwunsch- oder Grußadressen (engl. »address«) waren kalligraphisch ausgeführt und mit einzelnen ornamentalen Partien, seltener auch mit Miniaturen, ausgestattet und wurden zu bedeutenden Anlässen bestellt – sei es ein wichtiger Moment im Leben einer Privatperson oder ein politisches Ereignis. Je bedeutender der Empfänger war, desto aufwendiger und qualitätvoller war die Malerei. Wichtige Personen erhielten zu besonderen Anlässen von unterschiedlichen Institutionen oder Würdeträgern solche Adressen als Geschenk, zu Jubiläen, Geburtstagen, Besuchen oder anderen bedeutsamen Ereignissen. Einige Adressen entstanden gleich für die Vervielfältigung in Chromolithographie wie die vielleicht von Owen Jones ausgeführte »Welcome to her Royal Highness The Princess of Wales from the Poet Laureate« (1863) oder »The Bridal Souvenir« (um 1857), die anlässlich der Hochzeit von Prinzessin Victoria und dem späteren Friedrich III. entstand.948 Politisch bedeutsame Adressen wurden ausgestellt und faksimiliert wie die »address«, die Dean und Chapter der St. Patrick’s Cathedral in Dublin für Sir Benjamin Lee Guinness 1865 bei dem irischen Illuminatoren Marcus Ward bestellten.949 Sie wurde neben 947 The Archaisms, Unrealities, and Profanities, in Modern Typography and Embellishment, in : The Ecclesiologist V, 1846, S. 45–48, hier S. 45, 46. 948 Vgl. Beckwith 1987, Nr. 28 und 29, S. 41/43. 949 V&A, NAL, Inv.-Nr. 93.N.3. Das »Art Journal« lobte Wards Ansatz, »to raise the revived Art above the rank of an elegant amusement«, Art Journal 1867, S. 197. Seine Arbeiten seien ebenso gelungen wie »the productions of the palmy days of the thirteenth century«, ebd. Ward arbeitete zudem als Dokumentenkopist für adlige Aufraggeber, als Drucker und Kinderbuchillustrator und publizierte 1873 ein Handbuch zur Buchmalerei »A practical treatise on the art of illuminating«.
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weiteren Aufträgen Wards für den Prince of Wales und den Earl of Hillsborough 1867 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt.950 Ward kombinierte in seinen Arbeiten tiefenräumliche Bildfelder mit Akanthusblättern, großen Initialen, Stabrahmen, Fächerblättern und die Naturformen stilisierenden gotischen Ornamenten, wobei er die Einzelmotive einem strengen Ordnungssystem unterstellte. Solche Schreiben waren in verschiedenen historischen Stilen ausgeführt bzw. variierten oder mischten die historischen Modelle in Abhängigkeit von den Auftragsbedingungen. In der Regel wurde das historische Ornament nach Erwägungen von Angemessenheit und Geschmack verwendet und gegebenenfalls modifiziert. Probleme entstanden für den Buchmaler des 19. Jahrhunderts durch die Textgliederung, die durch die große Fülle unterschiedlicher Schriftgrößen und Auszeichnungsschriften geprägt war und nur wenig Parallelen zu derjenigen der mittelalterlichen Vorbilder aufwies. Dieses konnte in Entwürfe münden, die einen etwas wirr und überladen wirkenden Gesamteindruck hinterlassen. Gerade für diese Adressen vermittelten die Hand- und Musterbücher mit ihren Abbildungen von Initialen und Alphabeten wichtige Anregungen. So stellt die Grußadresse, die die Bewohner von County Mayo für Captain Whelan 1874 (V&A, NAL, MSL 21–1983) in Auftrag gaben, an Vorlagen bei Jones und Shaw angelehnte farbige Akanthusblätter, die sich um Goldstäbe winden, mit Perlen, Weinlaub und eckig gebrochenen Buchstaben zusammen, die sich in ihrer Schlankheit und den Verflechtungen wohl auf insulare Vorbilder beziehen.951 Die Rahmengestaltung und die Ornamente erscheinen weitgehend im romanischen Stil gehalten, doch weichen davon die betont zackig ausgeprägten Ornamente und Buchstaben des Textfeldes ab. Untypisch ist auch die Stellung von roter Schrift auf Purpurgrund. Illusionistische Momente kommen durch Schriftbänder hinein, die sich um die Goldleisten des Rahmens winden bzw. aufrollen. Bei dieser Arbeit entsteht aus der Fülle verschiedener Motive und ihrem Arrangement ein unausgewogener und unruhiger Eindruck. Eine Fülle von Adressen in einer Vielzahl historischer Stile entstand anlässlich des Goldenen Thronjubiläums von Königin Victoria 1887.952 Darin mischen sich szenische Bildfelder, japanische Anregungen953 und italienische Renaissance-Ornamente.954 Dabei genügte die Mehrzahl dieser Adressen nicht den Ansprüchen der Kritiker, die eine Wie950 Watson 2003, S. 132. 951 V&A, NAL, Inv.-Nr. MSL 21–1983 ; Watson 2011 III, Kat. Nr. 2666, S. 1194–1197. 952 The National Archives, Kew, Richmond, Surrey : Privy Purse Office, Jubilee Addresses to Queen Victoria. Die Sammlung aus 666 Bündeln enthält auch solche, die Königin Victoria anlässlich ihres Diamantenen Jubiläums 1897 erhielt, Gardner 1987. 953 Szenische Bildfelder, die in perspektivischer Anlage und Zusammenstellung auf der Seite an japanische Farbholzschnitte erinnern, finden sich in der Adresse von Burrow-in-Furness, Gardner 1987, Abb. auf S. 592. Collagenartig werden hier verschiedene moderne Ansichten, sich leicht überschneidend, übereinandergelegt. 954 So z. B. in den Adressen der »Worshipful Company of Dyers and Vintners« und derjenigen der »Corpo-
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derbelebung der Miniaturmalerei wünschten. Sie beklagten, dass »vulgarity peeps out at every point, in the crudeness of a tint, the hardness of a contour, the falseness of a balance, the unlovely sweep of a line«.955 Auch Vertreiber von Schreib- und Papierwaren beschäftigten Illuminatoren, die auf Bestellung Glückwunschadressen anfertigten oder Handelskarten und Reklame entwarfen. Hierbei dienten zwar mittelalterliche Modelle als Vorlage, doch wurden diese mit Ornamentmotiven und Symbolen kombiniert oder in Farbzusammenstellungen ausgeführt, die dem Zeitgeschmack entsprachen. Somit bestehen bei den Adressen große Qualitätsunterschiede, da diese sowohl von einem umfassend ausgebildeten Maler angefertigt werden als auch Standardware umfassen konnten, die bei Papierwarenhändlern in Auftrag gegeben wurde. Besonders in Irland und Schottland kam es im späten 19. Jahrhundert in der Buchmalerei zu einem intensiven Aufgreifen von Stilelementen der insularen Handschriften.956 Hiermit wurde versucht, an eine Blütezeit der nationalen Kunst anzuknüpfen und die spezifischen Kennzeichen aufzugreifen, in denen sich der irische oder schottische Stil von dem Englands deutlich unterschied. Marcus Ward führte Entwürfe im insularen Stil mit keltischer Initiale, kombiniert mit Akanthusleisten aus,957 und Margaret Stokes (1832–1900) übernahm für die Titelseite von Samuel Fergusons »The Cromlech on Howth« (1861) Initiale und Rahmenornamente von fol. 114v des »Book of Kells«.958 Auch die in Edinburgh tätige und durch den Initiator des »Celtic Revival« Patrick Geddes geprägte Malerin Phoebe Anna Traquair (1852–1936) fügte in ihre Illuminierungen bewusst keltische Flechtbandornamente ein. Diese kombinierte sie mit einer kurvigstilisierten Formensprache, die Anregungen durch die späten Präraffaeliten, besonders durch das Werk von Edward Burne-Jones und seiner Nachfolger, aufweist. Ähnlich wie Morris beschritt sie, basierend auf Kenntnissen der mittelalterlichen Buchmalerei, neue Wege, die den modernen Texten und ihren Inhalten angemessen erscheinen und trotzdem in handwerklicher Qualität einzelnen Ornamentmotiven und der Anordnung der Einzelelemente auf der Seite die mittelalterlichen Vorbilder deutlich werden lassen.959 ration of the Royal Albert Hall«, wobei Letztere Motive der Malereien Giovan Pietro Biragos in Giovanni Simonettas »Sforziada« (Mailand 1490, BL) übernimmt, Gardner 1987, Abb. auf S. 592 und 593. 955 Vgl. Armour 1896–1897, S. 54. 956 Adresse an William Reed von den Angestellten der Flachs-Spinnerei Messers. Edward Shaw & Co. in Celbridge, Co. Kildare, 1877, V&A, NAL, MSL 1984/69/2. Insulare Flechtmotive und Buchstabenformen werden hier mit Kleeblättern und einem Bildfeld kombiniert, das eine Spinnerin in einem mittelalterlich anmutenden Innenraum zeigt, Watson 2011 III, Kat. Nr. 268, S. 1200–1201. 957 Vgl. das vorgedruckte Blatt von Ward : V&A, NAL, MSL 1988/12, 13 (in Miss Giminghams Album). 958 Jeanne Sheehy, The Rediscovery of Ireland’s Past 1830–1930, London 1980, Abb. 15 auf S. 25. 959 Vgl. Phoebe Traquair, The Dream, 1886, V&A, MSL 1936/1765, Watson 2011 III, Kat. Nr. 270, S. 1204– 1205. Zu Traquair : Christian 1989, Kat. Nr. 381–384, S. 175 ; Cumming 1993 ; Elizabeth Cumming, Patterns of Life : The Art and Design of Phoebe Anna Traquair and Mary Seton Watts, in : Bridget Elliott, Janice Helland (Hrsg.), Women Artists and the Decorative Arts, 1880–1935, Aldershot 2002, S. 13–34 ; dies.,
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So verwendete sie in ihren Illuminierungen zu Elisabeth Brownings »Sonnets from the Portugese« (1892–1897, National Galleries of Scotland, Edinburgh) Goldleistenrahmen, farbige Akanthusblätter, goldene Dornblätter, Goldsonnen und Groteskenmotive. Armour verglich Traquairs Arbeiten in der »poetic intensity and compelling emotion« mit jenen des 12. und 13. Jahrhunderts.960 Die Künstlerin selbst nannte die Buchmalerei des 13. und 14. Jahrhunderts als vorbildhaft, da diese »truest and more vital in feeling, more restrained in execution« sei.961 Linie und Farbe würden eingesetzt mit »greater delight in the inherent beauty of each […] and a deeper insight into the capacity of line and colour to convey emotion, quite apart from the subject represented«.962 Die englischen Illuminatoren dagegen favorisierten die Ornamentik der Seitenränder aus Handschriften des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts mit zierlichen Ranken und Blättern, stilisierten Blüten und Goldpollen. Auch der aus Genf stammende und ab 1870 in London lebende Edmond G. Reuter (geb. 1845, 1895 Rückkehr in die Schweiz) variierte diese Vorbilder. Reuter studierte nach einem Aufenthalt in Paris (seit 1864) und in Ägypten (1868) an der South Kensington School of Art und arbeitete auch als Porzellanmaler für Minton in London und später in Stoke on Trent. Zum Illuminieren wurde er durch das Handbuch der Audsleys angeregt.963 Reuters Arbeiten kennzeichnen sich durch einen dreifachen Leistenrahmen, feinteilige Ranken mit Efeu- und Akanthusblättern, stilisierte Blüten und Goldpollen. Initialbuchstaben werden in heller Binnenzeichnung mit Blattmotiven versehen und auf eckige Flächen gestellt, deren Außen- und Binnenfelder florale Motive wie Akanthusblätter und Doldenblüten oder naturalistische Motive wie Rosen oder Granatäpfel aufweisen. Dem Text können Bildfelder mit Landschaften oder figürlichen Szenen vorangestellt sein, wobei diese in Formenartikulation und Kompositionsmotiven Reuters Verbundenheit zur gotischen Buchmalerei deutlich werden lassen. Reuter illuminierte auch für Morris einige Kelmscott Press-Exemplare, nachdem dieser auf der Arts & Crafts Exhibition Society von 1889 ein von ihm illuminiertes Sonnet gesehen hatte.964 Reuters Arbeiten umfassen illuminierte Exemplare von Morris’ »The Roots of the Mountains« (1894/1895)965 sowie zwei Exemplare von »Syr Percevelle of Ausst.-Kat. Phoebe Anna Traquair 1852–1936, National Galleries of Scotland with the National Museums of Scotland, Edinburgh, 2005 ; Annette Carruthers, The Arts and Crafts Movement in Scotland : A History, New Haven/London 2013, Kap. 6, S. 151–173. 960 Armour 1896/1897, S. 51. 961 Ebd. 962 Ebd. 963 Ebd., S. 52. 964 A Visit to William Morris, by W. Irving, Modern Art (Boston), IV, Juli 1896, S. 78–81, in : Pinkney 2005, S. 133–138, hier S. 136 ; Kelvin 1996 III, S. 422–423, Nr. 2019, Anm. 3. 965 Sechs Blätter aus »The Roots of the Mountains« illuminiert von Reuter, ausgestellt auf der dritten Ausstellung der Arts & Crafts Exhibition Society, New Gallery 1890, hier in der South Gallery, Kat. Nr. 85. Vgl. BL,
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Galles« (1895)966 und »Gothic Architecture« (1893).967 Morris beauftragte ihn wohl mit diesen Arbeiten, nachdem Reuter zunächst Probeseiten des »The Recuyell of the Historyes of Troye«, das 1892 bei der Kelmscott Press veröffentlicht wurde, illuminiert hatte.968 Zeitgenossen würdigten Reuters »mediæval soul with its naiveté, its passion for the grotesque and strangely beautiful«.969 Seine »serenity and grace of style«, die »subdued richness of tone«, die »curiously gem-like quality« seiner Farben und Entwürfe wurden ebenso geschätzt wie sein überlegter Umgang mit mittelalterlichen Vorlagen.970 Im Vergleich mit Morris’ Arbeiten aus den 1870er Jahren wirken diejenigen Reuters einem gleichbleibenden Grundmuster verhaftet. Sie sind in den Einzelformen schwerer und scheinen stärker an historischen Vorbildern orientiert. Sein Formenrepertoire basiert auf nordalpinen Handschriften der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, wobei auch italienische Kandelabermotive eingeführt werden können. Reuter selbst wünschte vom zeitgenössischen Illuminator eine »intimate combination of mediæval feeling with individual originality«, eine Verbindung von »late mediæval forms« mit solchen der persischen und indischen Kunst.971 Illuminatoren wie W. H. Cowlishaw und W. B. Macdougall wiederum verbanden eine Formensprache, die auf den stilisierten Motiven der Buchmalerei des frühen 15. Jahrhunderts aufbaute, mit einem Linienduktus, der in seinen Kurvaturen und Schlaufenbildungen der Art Nouveau verwandt erscheint. Kennzeichnend ist zudem die unMSS Add. 52772, fol. 51r, 52632, fol. 26r, 1.2.1895 : »Reuter at K.H. the illuminations by him for The Roots of the Mountains finished«. Bei Christie’s wurde bei der Versteigerung der Bibliothek von William Foyle, 11.–13.7.2000, ein von Reuter illuminiertes Exemplar von Morris’ »The Roots of the Mountains«, Chiswick Press, London, 1890 (Los 710) angeboten. Vortitel, Titelseite, Inhaltsverzeichnis, Textbeginn, Kapitelüberschriften und einzelne Seiten sind mit Bordüren aus goldenen und farbigen Blattranken, Stabrahmen, farbigem Akanthus, Goldefeu mit Goldpunkten sowie mit Zeilenfüllungen illuminiert, die sich an gotischen Vorbildern aus der Zeit um 1400 orientieren. Die letzte Textseite trägt eine abschließende Miniatur in einem Vierpassmedaillon mit der Ansicht einer mittelalterlichen Stadt am Fluss vor einer Berglandschaft. Die Arbeit ist mit 30.1.1895 datiert. 966 Armour 1896–1897, S. 52. Peterson 1985, A 33 (o), S. 87 ; Sotheby’s, London, 19.10.1970, Los 2736 ; vgl. a. Brief von Jane Morris an S. C. Cockerell, 7.6.1898, Sharp/Marsh 2012, Nr. 325, S. 312 mit Verweis auf BL, MS Add. 52738, Brief von Cockerell an Jane Morris, 8.6.1898. 967 British Decorative Art in 1899 at the Arts & Crafts Exhibition pt. III, The Studio XVIII, 81, Dezember 1899, S. 179–194, hier S. 185 mit Anmerkungen zu Reuters Technik ; Peterson 1985, A18, S. 48–50 hier allerdings nicht aufgeführt. Für weitere Arbeiten Reuters : Armour 1896–1897, S. 52 ; Geneva Studio-Talk, The Studio XIV, 63, Juni 1898, S. 63–65 ; The Arts and Crafts Exhibition at the New Gallery, Second Notice, The Studio XXVIII, 120, März 1903, S. 117–128, hier S. 126–128. 968 Vgl. Cockerells Diary-Eintrag vom 28.7.1892, BL, MS Add. 52629, fol. 40r, MS Add. 52772, fol. 29–30 ; Brief Morris’ an Jenny Morris vom 27.7.1892, Kelvin 1996 III, Nr. 2019, S. 422. Zum Buch : Peterson 1984, Nr. A8, S. 24–27. 969 Mobbs 1912, S. 291. 970 Armour 1896–1897, S. 52. 971 Mobbs 1912, S. 296.
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gewöhnliche Art der Initialgestaltung und -anordnung.972 Macdougall stellte in die Seitenrahmen neben insularen Flechtwerkornamenten auch Miniaturen ein, die in Farbigkeit und überlängten Figuren an Arbeiten der Glasgower Künstler um Charles Rennie Macintosh erinnern. An italienischen Weißranken-Vorbildern des späteren 15. Jahrhunderts orientierten sich die Handschriften von E. Clegg,973 und Arbeiten James Orr Marples’ kombinierten naturalistische, in der Tradition der flämischen Buchmalerei des späten 15. Jahrhunderts stehende Blumenmotive mit Putti der italienischen Renaissance, orientalischen Fächermotiven und floralen Stilisierungen, die am ehesten an Buchmalereien des frühen 15. Jahrhunderts angelehnt scheinen.974 E. Offors Buchmalereien wurden als »ingenious as compositions, elegant in design, and harmonious in colour« charakterisiert.975 Die Haltung der Kritik gegenüber den modernen Illuminierungen war jedoch zu großen Teilen eher negativ. G. Collingwood kritisierte im »Art Journal« von 1882 die zeitgenössische Buchmalerei als »a thick line round and a flat slob in the middle ; no wonder we are bored with the result !«976 Dagegen äußerte er sich enthusiastisch über »Lady Diana’s Prayer Book« aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, an dem er das »daintiest delicate initialling, and the gracefullest acanthus border […]«, die Miniaturen »rich alike in truth of thought and ardour of tint«, die erlesene Farbigkeit und den Naturalismus der Naturmotive bewunderte.977 Schon 1873 beschrieb das »Art Journal« die zeitgenössischen Illuminierungen als »a degenerate parody of a worthless, if not of a positively mischievous character« und forderte eine stärkere Berücksichtigung der mittelalterlichen Miniaturen als Vorbilder, denn diese fungierten als ein Spiegel für national sentiments, tastes, manners, and usages ; and also as constituting in itself a history of Art, conspicuous for variety of both subject and treatment, for exact accuracy of contemporaneous representation, and for such a sense of humour and such a sympathy with the grotesque as infuse into every composition a peculiar animation.978
Als vorbildlich könnten bei den mittelalterlichen Miniaturen die Farbigkeit, die Präzision der Mitteilung, die Ornamentgestaltung und die »combinations of form, colour, and effect« gelten.979 Die mittelalterlichen Arbeiten bildeten den Maßstab und die Meßlatte, sei 972 Zu Macdougall : Armor 1896–1897, Abb. auf S. 49, 50, 51. 973 Ebd., S. 53, Abb. auf S. 55. 974 James Orr Marples’ Adresse für Matilda Madden, Liverpool 1900, V&A, NAL, MSL 1985–15. 975 Art Journal 1868, S. 163. 976 Collingwood 1882, S. 338. 977 Ebd., S. 337. 978 Art Journal 1873, S. 127. 979 Ebd.
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hier doch die höchste Vollkommenheit erlangt worden.980 Entsprechend war z. B. William Burges skeptisch, ob die hohe Qualität der mittelalterlichen Arbeit auch gerade in technischer Hinsicht überhaupt jemals wieder erreicht werden könnte.981 Insgesamt erweist sich die Kritik als unentschlossen zwischen der Forderung, dem mittelalterlichen Ideal nachzustreben, und dem Anliegen, eine zeitgemäße Form der Buchmalerei zu finden. Die Rezensionen legen jedoch nahe, dass die Nähe zu mittelalterlichen Vorbildern höher bewertet und als Priorität erachtet und demgegenüber die Suche nach neuen Formen hintangestellt wird. 3.9.3 Buchmalerei und der Vorwurf der Nähe zum Katholizismus
Äußerungen von Morris und Humphreys deuten darauf hin, dass in der englischen Öffentlichkeit Buchmalerei und katholischer Glaube eng verbunden wurden. Dieses machen auch die seit 1849 in der Zeitschrift »Punch« erscheinenden Karikaturen deutlich. Motive der Buchmalerei wurden in Karikaturen eingebettet, die kritisch zum englischen Katholizismus Stellung beziehen, besonders zu dem von der Welt abgewandt empfundenen Leben in den Klöstern.982 Sie erscheinen daneben auch in anderem Kontext, der allgemeiner zu mittelalterlichen Assoziationen einlädt.983 Die »Punch«-Künstler gestalteten figürliche Initialen und Seitenrahmen, die in ihrer Gliederung durch Stabeinfassungen und sich einrollenden, Raum für szenische Darstellungen aussparenden Blattranken an Vorbilder in mittelalterlichen Handschriften erinnern.984 »Punch« machte sich dabei über den überflüssig erscheinenden dekorativen Aufwand der mittelalterlichen, im 19. Jahrhundert aufgegriffenen Initialgestaltung lustig.985 980 Art Journal 1859, S. 223 ; Art Journal 1867, S. 97. Vgl. Art Journal 1859, S. 379 : »The illuminator of today need not think of any fresh development of the art of illuminating«, sondern »must seek his excellence in the past, because in times past the art itself attained to its highest attainable perfection«. 981 Burges, in : Wyatt 1860, S. 171. 982 Vgl. Watson 2003, S. 133, Abb. 122. Convent of the Belgravians, Punch 19, 1850, S. 163 ; Punch among the Painters, Punch 20, 1850, S. 219 ; Valentine of his Eminence to his Hat, Punch 20, 1850, S. 66 ; Age before Honesty in the Church, Punch 21, 1851, S. 164. Zu anti-katholischen Äußerungen und Kritik am Mittelalter-Revival in »Punch« : Michaela Giebelhausen, Painting the Bible, Representation and Belief in Mid-Victorian Britain, Aldershot 2006, S. 77–93. 983 Vgl. Credat Judaeus, Punch 22, 1852, S. 44 ; The Great Dowager Question, Punch 21, 1851, S. 46. 984 Vgl. z. B. den Seitenrahmen von »Punch’s Almanack for 1852«, Punch 22, 1852, S. [v] ff.; Taking the veil, Punch 20, 1850, S. 132 ; die Ranken zu The Saints of Old, Punch 20, 1850, S. 122 ; siehe ebenfalls Punch 21, 1850, S. 25, 46 ; Punch 22, 1852, S. 44. 985 Die Initiale weist übertriebene Verknotungen und reich herabhängendes Fleuronnée auf. Ein Kind wird vom einem Kirchenmann auf die Initale hingewiesen, die wie eine große Kuckucksuhr über ihm schwebt, Punch 21, 1851, S. 164 mit der Erläuterung »To prevent mistakes, the unilluminated are appraised, that this is simply the letter A«. Auch diese zunächst harmlos anmutende Illustration ist letztlich als Kritik am Katholizismus und der High Church aufzufassen.
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»Illuminated missals« galten als Tätigkeitsbereich von Nonnenklöstern.986 Tatsächlich arbeiteten im späten 19. Jahrhundert noch Mönche und Nonnen in englischen Klöstern an Buchmalereien.987 Auch das »Art Journal« verwies in seinen Kritiken an Arbeiten mit zeitgenössischer Buchmalerei auf die Mönchszelle als Entstehungsort der illuminierten Bücher988 und bezeichnete die Arbeiten von Owen Jones für »The Preacher« als im »missal style« gehalten.989 Buchmalerei spielte zwar bei Überlegungen zur Ausstattung der Kirchenräume und der Religionsausübung in den Kreisen der englischen Katholiken und des Oxford Movements eine untergeordnete Rolle, wurde aber von gläubigen Amateuren gerne als Tätigkeit aufgegriffen.990 Dieses behinderte zunächst eine Akzeptanz in anglikanischen Kreisen, denn eine Beschäftigung mit der Buchmalerei, dem »missal painting«, legte den Verdacht des Sympathisierens mit dem Katholizismus nahe. Die zeitgenössischen Autoren zur Historiographie der Buchmalerei sperrten sich deswegen gegen diesen Begriff und wünschten ihn durch einen weniger tendenziösen ersetzt.991 Von reichen katholischen Amateuren haben sich einzelne Beispiele von Buchmalereien erhalten. Der 1853 zum Katholizismus konvertierte zweite Sohn des Marquess of Bath, Lord Charles Thynne, ehem. Canon of Canterbury, zum Beispiel kopierte wohl in den 1860er Jahren Seiten aus mittelalterlichen Handschriften der British Library.992 Ambrose Lisle Phillipps Übersetzung der von de Montalembert edierten »The Chronicle of the Life of the St. Elizabeth of Hungary« (London 1839) war mit einer chromolithographierten Titelseite im Stil englischer Buchmalerei des 14. Jahrhunderts geschmückt, die Stableisten und Ornamente aus Efeublättern, Ranken, lappigen Blättern, Goldknoten, Blattzweigen, Palmetten und Groteskenwesen sowie Zeilenfüllungen und Initialbuchstaben auf Goldgrund aufweist.993 986 Convent of the Belgravians, Punch 19, 1850, S. 163. 987 Armour 1896/1897, S. 53 ; Watson 1997/2003, S. 20–21 unter besonderer Erwähnung der Sisters from Devonport und ihrer in Ascor Priory verwahrten illuminierten Gebetbücher, siehe a. Hindmann 2001, S. 188. 988 The Art Journal 1849, S. 36 : Rezension zu »The Art of Illumination and Missal Painting by H. Noel Humphreys« ; The Art Journal 1860, S. 319 : Rezension zu Tymms’ und Wyatts »The Art of Illuminating as Practised in Europe […]«. 989 The Art Journal 1849, S. 31 : The Illuminated Literature of the Present Day. 990 Watson 1997/2003, S. 12–21. 991 Vgl. William Morris, Some Thoughts on the Ornamented Manuscripts of the Middle Ages, in : Morris 1982, S. 1–6, hier S. 2 ; Henry Noel Humphreys, The Miracles of our Lord, London 1848, S. i. Westwood wies deswegen in seinen »Illuminated Illustrations from the Bible copied from Selected MSS of the Middle Ages« (1846) explizit darauf hin, dass er zwar »katholische« Handschriften konsultiert habe, aber nur in der Bibel selbst erwähnte Szenen abbilde, Westwood 1846, S. 7. 992 Es handelt sich dabei um Kopien nach dem Howard Psalter (BL, MS Arundel 83 I, 14. Jh.), dem Beauvais Sakramentar (frühes 11. Jh.) und der King Edgar Charter (BL, MS Cotton Vesp. A. viii, 10. Jh.), V&A, PDP, Inv.-Nr. 4648, 4398, 4391–4394 ; Watson 1997/2003, S. 12–13 ; Hindman 2001, S. 183. 993 Die Linienzeichnungen im Stil der Nazarener stammen von Hauser, datiert 1836–1838. Sie zeigen Figuren,
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Auch reiche High Church-Sympathisanten übten sich im Illuminieren. Lady Louisa Strange (1788–1862) schenkte ihrer Tochter 1840 zur Hochzeit eine von ihr selbst illuminierte Sammlung von Gedichten, wobei die Buchmalerei zwischen Regency-Stil und Kopien nach Vorlagen des 14. und 15. Jahrhunderts schwankt.994 Die Romanautorin Charlotte Yonge, die ebenfalls High Church-Kreisen verbunden war, veröffentlichte 1863–1867 eine handschriftliche Zeitung mit dem Titel »The Barnacle«, deren Beiträge sich besonders mit dem Mittelalter und Charles I. beschäftigten und z. T. auch illustriert waren.995 Enthalten war auch eine stark auf England konzentrierte Geschichte der Buchmalerei, die von Illuminierungen nach Wyatts und Tymms’ »The Art of Illuminating« von 1860 begleitet ist, wobei ein Akzent auf die späteren Beispiele gelegt wurde.996 Yonge veröffentlichte 1864 den Roman »The Trial«, in dem die Buchmalerei als Tätigkeitsfeld der vorbildlichen Charaktere erscheint und in diesem Zusammenhang auch ihr passender Einsatz erörtert wird, der gerade bei religiösen Schriften den Aspekt der Angemessenheit und der frommen Einstellung berücksichtigen sollte.997 Auch unabhängig von der religiösen Grundeinstellung, galt die Miniaturmalerei als eine innerlich bereichernde Arbeit und wurde mit moralischer Integrität verbunden.998 Bradley und Goodwin betonten, dass die Miniaturmalerei die »qualities of patience, thoughtfulness, and delicacy which shed so salutary an influence upon our daily life« förderten.999 Die von den Traktarianern betonte persönliche Frömmigkeit führte zu einem Interesse für historische Formen von Stunden- und Gebetbüchern.1000 John Kebles »The Christian Year« (1827) bezieht sich auf diese Vorläufer.1001 1865 wurde »Keble’s Evening Hym« mit Buchmalerei-Dekorationen von Eleanor Waring publiziert. Den Texten sind Landschaf
die auf einer Vordergrundbühne konzentriert sind, weisen gewisse Archaismen in Perspektive und Proportionen auf und verarbeiten Anregungen durch Werke von Overbeck, Cornelius, Retzsch sowie Malern der italienischen Frührenaissance wie Fra Angelico. 994 Privatsammlung, Watson 1997/2003, S. 17. Lady Strange restaurierte zwei Stundenbücher und besserte 1846 und 1859 zwei Miniaturen der Handschrift mit der Geschichte der Prinzen von Hainault von Jacques de Guise in der Bibliothèque municipale in Boulogne-sur-Mer aus (MS 149I, fol. 59v, 139r ; 1455–1460), ebd., Anm. 36 ; François Avril Nicole Reynauld, Ausst.-Kat. Les manuscrits à peintures en France 1440– 1520, Bibliothèque nationale Paris 1993, Paris 1993, Kat. Nr. 35, S. 78. 995 Lady Margaret Hall College, Oxford, Inv.-Nr. 823.99, 311–322. Siehe hierzu : Watson 1997/2003, S. 18–19. 996 Ebd., S. 19 ; Watson 2007, S. 86–87. 997 Charlotte M. Yonge, The Trial. More Links of the Daisy Chain, 2 Bde., Collection of British Authors 705, Leipzig 1864, Bd. I, S. 152–154. 998 The Art Journal 1860, S. 320. 999 Bradley/Goodwin 1867, S. 5, Anm. 100. 1000 Die Bezeichnung bezieht sich auf die Publikationsreihe »The Tracts of Time«, die seit 1833 von Vertretern des Oxford Movements, der High Church, publiziert wurde. 1001 Watson 1997/2003, S. 16, Anm. 34. Zu einer Ausgabe von Kebles »The Christian Year« von 1875 mit Reproduktionen von Overbeck-Gemälden : Hindman 2001, S. 289, Anm. 16.
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ten, zumeist Abendszenen, vorangestellt. Auf den jeweils nur auf der Vorder-/Rectoseite bedruckten Blättern ist links eine breite Ornamentleiste mit Initialen eingefügt, während rechts eine schmalere Leiste eingetragen ist. Das Ornament verbindet naturalistische Pflanzendarstellungen mit Motiven, die an Vorlagen aus englischen romanischen und gotischen Handschriften sowie an Graphik der Dürer-Zeit erinnern. Die Bindung an die mittelalterliche Buchmalerei ist somit recht lose, besonders in Hinblick auf die Seitengestaltung, die Verbindung von Rahmen und Bildmotiven, die Proportionen der einzelnen Dekorationselemente, die Zentrierung der Schrift, den Naturalismus einiger Motive und die figürlichen Szenen, die dem Geschmack des 19. Jahrhunderts folgen und Anregungen durch die Nazarener oder die zeitgenössische englische Historienmalerei der Zeit vermuten lassen. 3.9.4 Illuminieren als Tätigkeitsbereich für Frauen
Mit dem Zurückdrängen der High Church-Verbindungen wurde die Buchmalerei um 1860 zunehmend für das Bürgertum aufgrund der mit der Tätigkeit assoziierten Werte attraktiv, stand sie doch für anzustrebende Tugenden wie Fleiß, Frömmigkeit, Genauigkeit, moralische Integrität.1002 Das Illuminieren wurde in Zusammenhang mit der populären Begeisterung für das Mittelalter als Zeitvertreib und, gerade von Frauen aus gehobenen Schichten, als Alternative zum Aquarellieren entdeckt. Illuminieren galt als »genteel«, als »elegant and interesting accomplishment«, als Beschäftigung der Gebildeten, Tugendhaften und Gläubigen, als ein sehr privater Zeitvertreib und konnte darüber hinaus zur Schulung des Geschmacks dienen.1003 Dabei wurden späte Beispiele der Buchmalerei, solche seit dem späten 15. Jahrhundert, als Vorbilder bevorzugt, die es erlaubten, Elemente der Aquarellmalerei wie Landschaften und Blumen zu integrieren. Buchmalerei galt gerade für Frauen als »intellectual amusement« und als eine moralisch stützende Arbeit, die »patience, thoughtfulness, and delicacy« schule, und wurde deswegen auch als geeignete und angemessene Erwerbstätigkeit erachtet.1004 Die Auffassung, dass Buchmalerei als eine »higher sphere of labour« eine besonders passende Arbeit für »highly educated females« und »respectable females in the middle classes of society« sei bzw. als ideale Tätigkeit für »gentlewomen of limited income« erachtet wurde, nutzte David Laurent de Lara, der 1857 die »Illuminating Art Union of London« 1002 Watson 1997/2003, S. 42. 1003 Art Journal 1857, S. 359. Vgl. a. Art Journal 1860, S. 320 ; ebd. 1866, S. 342 : » […] an Art which by its deli cacy, grace, and splendour commands itself to the judgement and taste of every educated mind«. Wyatt nennt als Motivation für Miniaturmalerei viktorianische Werte wie Religion, Gefühl, Familie und das Streben nach einer sinnvollen und nützlichen Arbeit, Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 49–51. Canton empfahl die Illuminierung »to pass his leisure time pleasantly and profitably, cultivating his taste and correcting or improving the eye in the harmonious arrangement of colour«, Canton 1863, o. S. 1004 The Art Journal 1860, S. 320.
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gründete.1005 Bereits 1859 veranstaltete die Union ihre erste Ausstellung, auf der ca. 80 Arbeiten gezeigt wurden. De Laras Gesellschaft war auch durch die große Anzahl adliger Förderinnen populär. Die für die Union arbeitenden Frauen mussten ihre Malmaterialien bei de Lara kaufen und erhielten Vorlagen, die sie zu kopieren oder zu illuminieren hatten.1006 Bradley kritisierte dieses Verfahren als »charlatanism« und die Qualität der Entwürfe de Laras als »examples after no ancient manner«.1007 Und J. Willis Brooks beklagte in der Einleitung zu Delamottes »Mediaeval Alphabets and Initials«, dass »so many ladies in depressed circumstances […] are but too happy to place their excellent taste and skill, for worse than starvation prices – at the disposal of some unprincipled adventurer, ignorant himself of the very rudiments of the art he professes to teach ; that we are in much danger of being overrun with false styles and tasteless daubs«1008. Tatsächlich erscheint de Laras Illuminierung bzw. seine Illuminierungsvorlage mit gedruckten Konturlinien, die den Text von Psalm 119 trägt (1866, V&A, NAL, MSL 2030– 1961), nur lose an Vorbildern des 15. Jahrhunderts orientiert.1009 In dünner, manchmal etwas greller oder dunkeltoniger Wasserfarbenmalerei, die in der Oberflächenwirkung keinerlei Verbindung zu mittelalterlichen Beispielen aufweist, sind im Seitenrand entweder nach dem Vorbild von Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts farbige Blätter eher additiv und symmetrisch um die durch einen Stengel gebildete Mittelachse angeordnet (fol. 21r) oder aber verschiedene Pflanzen, Vorbildern des späten 15. Jahrhunderts folgend (fol. 2r, 12r), frei nebeneinander eingetragen. Insgesamt lässt die additive Verteilung der Einzelelemente nur wenig Gefühl für die Gesamtheit der Seite erkennen.1010 Es finden sich als Motive Akanthusblätter, stilisierte Blüten mit Goldpollen, naturalistisch wiedergegebene Pflanzen, aber auch antike und orientalische Elemente wie Blattstäbe, Paisleys und exotische Vögel sowie einzelne Formen nach englischen Handschriften des 10. Jahrhunderts wie lappige Blätter und Stabrahmen. Andere Elemente wie die Vierpassmedaillons mit Schwänen sowie Engel im Seitenrand scheinen an Motive in den Handschriften des Duc de Berry angelehnt zu sein. De Laras Arbeiten waren auch teilkoloriert erhältlich. Auf jeder Seite war ein kleiner Teil bereits vorgemalt und bildete den Ausgangspunkt für die eigene Tätigkeit. Allerdings 1005 Art Journal 1859, S. 223. Vgl. Hindmann 2001, S. 205 ; Watson 2007, S. 89–91. 1006 Siehe z. B. V&A, NAL, Inv.-Nr. II.RC J.30 mit 30 Blatt. 1007 Bradley/Goodwin 1867, S. 2. Eine etwas ambivalente Besprechung von de Laras Handbuch im Art Journal 1857, S. 359–360, die die Angemessenheit der Publikation für den Anfänger unterstreicht und besonders die Anmerkungen zur Farbigkeit lobt. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Rezensent eine insgesamt eher negative Haltung zur Buchmalerei einnimmt, da er diese als nicht zeitgemäß erachtet. 1008 Delamotte 1861, S. ii. 1009 Watson 2011 III, Kat. Nr. 263, S. 1180–1183. Vgl. a. BL, 3090.3.31 : Psalm 119, Blatt mit gedruckten Konturen und begonnener Kolorierung. 1010 Als Vorlage für die Seitenrandgestaltung von fol. 21r könnte gedient haben : Aline Guilbert, Livre d’Heures ou Offices de l’Église illustrées d’après les Manuscrits de la Bibliothèque du Roi, Paris 1843, S. 1.
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weisen die wenigen figürlichen Partien des Buches, so die in den Seitenrand eingestellte Miniatur mit dem betenden König David perspektivische Mängel auf. Die Druckqualität, d. h. die Stärke der Umrisslinien, ist eher schwach. Wenn de Lara auch äußerte, dass die »beauty of Illuminated Drawing consists, chiefly, in nicety of execution, elaborate ornamental detail, and the mathematical precision with which ornaments are frequently repeated throughout the same Design«, so lassen doch seine bzw. die unter seiner Anleitung entstandenen Arbeiten dieses gerade vermissen.1011 Für de Lara bildeten »a little taste, a little poetry, gracefulness, order, and display of general knowledge of artistical combination« zusammen mit »a tinge of some originality« und eigener Erfindungsgabe die Voraussetzungen für den Buchmaler.1012 De Lara inszenierte sich und seine Gesellschaft in Veröffentlichungen und Ausstellungen. Er feierte sich als Illuminierungslehrer für die königliche Familie und bezeichnete sich als »Illuminating artist to the Queen« sowie als den ersten Verfasser eines Handbuchs für Amateur-Buchmaler, der »Elementary Instruction in the Art of Illumination and Missal Painting« von 1850.1013 In diesem betonte er, dass die Miniaturmalerei nicht nur auf religiöse Sujets und Zusammenhänge begrenzt, sondern auch im profanen Bereich einzusetzen sei. Beckwith wies jedoch darauf hin, dass Humphreys’ Handbuch früher datiert, sich dieser aber eher an den professionellen Miniaturmaler wandte, an den er die höchsten Ansprüche stellte, während de Lara vornehmlich den Amateur ausbilden wollte und in seinem Handbuch nur allgemeine Angaben zur Formen- und Farbgebung macht.1014 Als Grundlagen für gelungene Arbeiten nennt er sorgfältige Ausführung und aufmerksames Studium der historischen Beispiele. Wenn ein Anschluß an historische Vorbilder erfolge, so solle der Stil dem Inhalt entsprechend gewählt werden und auch durchgängig Verwendung finden.1015 Als Arbeitsmittel empfiehlt er Ackermanns Malutensilien für Illuminatoren und für Anfänger Ackermanns Vorlageblätter, die kopiert und nach dem eigenen Geschmack koloriert werden könnten.1016 Ackermann fungierte zugleich als Herausgeber von de Laras schmalem Band. Hiermit liegt ein typisches Beispiel für die gängige Bindung der Autoren der Handbücher an bestimmte Farbenhersteller vor, die die Seiten des Buches für die Bewerbung ihrer Produkte nutzten. De Laras vier Tafeln im Handbuch zeigen vereinzelte Initialen, Ranken und Bordürenstücke weitgehend nach Vorlagen des 14. und 15. Jahrhunderts.
1011 Lara o. J., S. 6. 1012 Ebd., S. 35. 1013 Ebd., S. 5. Weitere Auflagen 1858, 1859, 1863. Das Buch wurde zunächst mit 48 Seiten und sechs Tafeln, darunter 4 Farbtafeln, publiziert. 1014 Beckwith 1987, Kat. Nr. 53, S. 65–66. 1015 Lara o. J., S. 25–26. 1016 Ebd., S. 7, 27.
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Dass das Illuminieren als eine gesellschaftlich angesehene Beschäftigung galt, wird zudem daran ersichtlich, dass auch die Töchter Königin Victorias illuminierten.1017 Arbeiten sind von Prinzessin Victoria und von Prinzessin Alice, Landgräfin von Hessen-Darmstadt, überliefert.1018 Letztere illuminierte neben religiösen Texten auch eine Hauschronik für die Jahre 1862–1871, die sie mit Landschaften, figürlichen Szenen und reichem naturalistischen Blumenschmuck verzierte, wobei diese Malereien eher in der Tradition der Aquarellmalerei als der mittelalterlichen Buchmalerei stehen. Von Ruskins Freundin Louisa Marchioness of Waterford haben sich ebenfalls Arbeiten erhalten. Ihre Illuminierungen zu »Life Songs, being original Poems« von 1884 zeigen naturalistische Pflanzenmotive in den Seitenrändern, geometrische Ornamente und Landschaften bzw. Genreszenen, die stimmungshaft auf die Gedichte bezogen sind. In den Ornamenten verbinden sich in Farbigkeit und Motivik Anregungen durch die orientalisch inspirierten Vorlagen von Owen Jones und durch den Naturalismus der flämischen Buchmalerei, wobei einzelne Blumenmotive in der asymmetrischen Anordnung und ihrem Arrangement auch Inspirationen durch die japanischen Farbholzschnitte verraten. Diese werden mit einer gotisierenden Schrift und Fleuronnée-Liniengefügen kombiniert. Darin weisen die Illuminierungen eine für das späte 19. Jahrhundert durchaus typische Mischung aus Aquarelltraditionen und dem Studium verschiedener Musterbücher auf. Ruskin setzte sich sehr für den Unterricht junger Frauen in der Buchmalerei ein. So ließ er Adelaide Anne Proctor von Henry Swan unterrichten.1019 Er erachtete diese Tätigkeit nicht nur als besonders angemessen für Frauen, sondern auch als eine Möglichkeit, sich den Lebensunterhalt zu verdienen, ein Ansatz, der sich auch bei David Laurent de Lara findet, der ihn jedoch wohl weniger selbstlos als Ruskin verfolgte. Ruskin förderte Esther Frances (Francesca) Alexander, deren »Roadside Songs of Tuscany« er mit ihren eigenen, als Illuminierungen bezeichneten Illustrationen erwarb, publizieren ließ und in seinen Veranstaltungen empfahl, und er lobte die Illuminierungen der schottischen Künstlerin Phoebe Traquair.1020 Es gab eine Anzahl professioneller, selbständiger Illuminatorinnen, die wie ihre männlichen Kollegen hauptsächlich Glückwunschadressen ausführten oder Reklame und Visitenkarten für Händler und Unternehmer entwarfen. Wie eine Mappe von Miss 1017 Watson 1997/2003, S. 43. 1018 Roberts 1987, S. 142–143, 165, Taf. 46, 48, 49. Die Miniaturmalereien von Prinzessin Alice aus der Zeit zwischen Dezember 1855 und Februar 1857 beruhten auf Vorlagen von ihrem Lehrer Albert Warren, einem Schüler von Owen Jones, Watson 1997/2003, S. 43 ; Ders. 2007, S. 88. 1019 Vgl. Watson 1997/2003, S. 34. 1020 Siehe Clegg/Tucker 1992, Kat. Nr. 250–253, 255, S. 127–131. Zu Ruskin und Traquair vgl. Hindman 2001, S. 208. Ruskin sendete am 23.6.1887 die »beautiful leaves I could not part with« des »The Dream« an sie zurück und legte Proben mittelalterlicher Buchmalereien für sie bei, zit. nach : Cumming 1993, Kat. Nr. 11, S. 56. Traquair fertigte auch Kopien nach Handschriften aus, an denen Ruskin sehr gelegen war, vgl. ebd., Kat. Nr. 12–13, S. 56.
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A. E. Gimingham mit Arbeiten aus der Zeit zwischen 1860 und 1882 (V&A, NAL, MSL 1988/13)1021 zeigt, boten die Künstlerinnen musterbuchartig verschiedene historische Stile oder deren Varianten an. So finden sich bei Miss Gimingham farbige Akanthusranken nach gotischen Vorbildern, die sich auch um einen Stab winden können, und naturalistisches Weinlaub im Stil flämischer Buchmalereien des späten 15. Jahrhunderts. Esther Faithful Fleet (1823–1908) wiederum führte die in Chromolithographie reproduzierten Miniaturen für das »Te Deum« und die »38 Texts« aus, die 1868 und 1872 bei der Victoria Press ihrer Schwester Emily Faithful erschienen.1022 Die Tafeln des »Te Deum«, die in Akanthus, Goldsonnen und Schrägstreifen Motive der Buchmalerei des 14. und 15. Jahrhunderts variieren, werden durch mehrere erläuternde Seiten begleitet, in denen Vorbilder und Symbole erklärt werden. Auch die Vorlagen für »Victoria Regia« (hrsg. von Adelaide Proctor) von 1861 stammten von einer Malerin und wurden von Frauen übertragen. Emma Cooper wiederum verfasste eine Einführung in die Buchmalerei, in deren Vorwort sie betonte, dass ihr Buch besonders für den »use of ladies« konzipiert sei – für Buchmalereien, die entweder als Zeitvertreib oder als Einnahmequelle dienten.1023 Ihr Werk folgt denjenigen ihrer männlichen Kollegen, auf die noch einzugehen sein wird : Einer historischen Einleitung schließen sich eine Einführung in Material und Technik, in Motive und Symbole, Erläuterungen zur Farbgebung und zum Entwurf der Arbeiten an. Am Ende sind sieben Tafeln eingefügt, die auch verschiedene Alphabete enthalten. Der historische Überblick folgt den gängigen Bahnen : Als Höhepunkt wird die Zeit vom 12. bis 14. Jahrhundert angegeben. Gelobt werden neben reicher Farbigkeit, Qualität der Zeichnung, Feinheit der Muster auch die gelungene Stilisierung der Pflanzen sowie die zierliche Anordnung der Ranken und Blätter.1024 Vorbildliche Beispiele verschiedener Jahrhunderte aus der Sammlung der British Library werden genannt. 3.9.5 Buchmalerei auf den Weltausstellungen
Das Interesse für zeitgenössische Buchmalerei und ihr Verbreitungsgrad werden daran ersichtlich, dass solche Arbeiten immer wieder auf Ausstellungen gezeigt wurden. So waren Beispiele zeitgenössischer Buchmalereien auf den Weltausstellungen zu betrachten. Auf der ersten Weltausstellung in London 1851 erschien Buchmalerei als Dekorations-
1021 Siehe hierzu : Watson 1997/2003, S. 47 ; Hindman 2001, S. 205 ; Watson 2011 III, Kat. Nr. 255, S. 1150– 1156 mit Abb. 1022 Beckwith 1987, Kat. Nr. 10, S. 25. Watson erwähnt weiterhin ein illuminiertes Buch mit Bibelzitaten, das Fleet ihrem Sohn schenkte, als dieser 1887 zum anglikanischen Priester ordiniert wurde, Watson 1997/2003, S. 46, Anm. 116. 1023 Cooper 1868, S. iii. 1024 Ebd., S. 7.
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form für Schreibwaren und Bucheinbände,1025 doch zeigte Arthur Harrison Pritchard aus Brighton auch ein Faksimile nach dem Gebetbuch Heinrichs VII.1026 Auf der zweiten in London stattfindenden Weltausstellung von 1862 waren Buchmalereien in zwei Abteilungen zu sehen : im Industrial Department und im Fine Art Department. Die erste Abteilung umfasste »Ornamental writing on vellum« von R. W. Sprague & Co., »Facsimiles of Anglo-Saxon MSS« von Westwood und »illuminated book etc.« von S. Stanesby.1027 Die zweite Abteilung zeigte Beispiele »moderner« Illuminierkunst von Augustina Aglia, den Audsleys, von Mary A. Cocks, T. G. Delamotte, E. M. Douglas, J. Gabriel, H. Jones jun., Owen Jones, J. Laing, Laurent de Lara (32 Arbeiten), George Longley, W. H. Taylor, W. Verdier, A. H. Warren und Georgina M. Willis.1028 3.9.6 Fazit
Im Vergleich mit den Arbeiten von Buchmalern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt bei Morris die Entwicklung eines originären Stils auf, der seine Überlegungen zur Flächenkunst und Dekoration mit Naturbeobachtung, der Kenntnis historischer Buchmalereien und Überlegungen zur Angemessenheit verbindet. Er bediente sich nicht wie viele seiner im Bereich der Adressen tätigen Kollegen eines Mustervorrats, eines Repertoires historischer Motive, vorzugsweise der gotischen und flämischen Buchmalerei, aus dem beliebig Einzelformen entnommen und kombiniert werden, so dass zwar ein vager Eindruck mittelalterlicher Kunst entsteht, der sich aber schnell als Arbeit des 19. Jahrhunderts zu erkennen gibt. Morris erarbeitete vielmehr für eine Handschrift bzw. für eine Gruppe von solchen Werken eine spezifische Buchdekoration, bei der sich Charakter des Texts, Wahl der Schrift und des Ornaments – gegebenenfalls auch Miniaturenschmuck – zu einem harmonischen Ganzen verbinden. Ziel war es stets, eine »moderne«, eine lebendige Buchmalerei zu schaffen, die der eigenen Zeit entspricht, die die bestehenden Traditionen fortführt und für die Gegenwart modifiziert. Die Tätigkeit der Buchmaler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist stets vor dem Hintergrund einer allgemeinen Begeisterung und eines wachsenden Interesses für diese Gattung zu betrachten. Dabei gilt es auch die zahlreichen historischen und maltechni1025 Great Exhibition of the Works of Industry of all nations. Official descriptive and illustrated catalogue, Bd. II, London 1851, Sect. III, class 17 Paper, Printing and Bookbinding, Kat. Nr. 8 (Joseph S. Evans, »Bookbinding in vellum, illuminated, &c.«), 27 (Joseph Mansell, »illuminated for show cards, &c.«) 1026 Ebd., Kat. Nr. 532. 1027 International Exhibition. Official Catalogue. Industrial Department, London 1862 (3. Aufl.), pt. 10, class 28., S. 81, Nr. 5285, 5286, 5296, 5287. S. a. Nr. 5236 und Nr. 5230, 5234 auf S. 80. 1028 International Exhibition. Fine Arts Department, London 1962, Class XXXVIIIA Art Design for Manufacturers B. Living Artists, S. 128–132, Nr. 2822, 2826, 2847, 2851, 2854, 2873, 2894, 2895, 2899–2901, 2902, 2915, S. 135–136, Nr. 2989, 3011, 3015, 3018 ; Notes on the International Exhibition, in : Amateur Illuminator’s Magazine IX, S. 109–110.
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schen Publikationen zu diesem Themenbereich mit ihren z. T. zahlreichen farbigen Abbildungen von Kopien nach Seiten aus illuminierten Handschriften zu betrachten. 3.9.7 Handbücher zur Buchmalerei
Für Buchmaler, besonders für die Amateure, gab es spezielle Handbücher, die einen historischen Überblick und eine technische Einführung mit Angaben zur Vorbereitung des Malgrunds, zum Farb- und Goldauftrag sowie Tafelbeispiele mit Kommentaren umfassten, in denen die vorbildlichen Elemente und die Anwendbarkeit für die eigene Gegenwart erläutert wurden.1029 Die Tafeln lagen zumeist in einem doppelten Satz vor – in einer farbig gedruckten Ausführung und in einer zweiten, lediglich in schwarzen Konturen gehaltenen Fassung, die entweder durchgepaust oder koloriert werden konnte. Ziel war es, eine zeitgemäße »moderne« Buchmalerei zu entwickeln, die auf dem Studium der historischen Vorbilder aufbauen sollte. So äußerte Humphreys : »Direct imitation, even of the finest models, I do not recommend. I will therefore offer a few remarks on the adaptability of this style to modern illumination. […] and in selecting the style of any period as a suggestive model, the principles alone should be taken, on which the combination of forms and colours has been founded«.1030 Viele dieser Lehrbücher wurden von Farbenherstellern wie Ackermann, Winsor & Newton oder George Rowney & Co. gedruckt und gemeinsam mit speziell zusammengestellten Malutensilien angeboten.1031 Die Malkästen enthielten neun bis 26 Farben, Gold und Aluminiumfarbe, Goldpapier, Blattgold unterschiedlicher Qualität, einen AchatPolierstein, Zobel- und andere Pinsel, verschiedene Instrumente zur Vorbereitung wie ein Lineal.1032 Zusätzlich verkauften die Firmen neben Papieren, Farben und Geräten gedruckte Malvorlagen – »outlines for illumination« – darunter Bibelsprüche, Liedertexte oder Gedichte berühmter und beliebter Autoren wie Tennyson.1033 Diese konnten auch bereits teililluminiert erworben werden. Die knappen historischen Abrisse der Buchmalerei sollten, wie Humphreys darlegte, helfen »to examine the principles upon which each style treated of is founded, and ascertain how far its practice in its purest form, or with modifications, is adaptable to modern 1029 Eine Liste der zwischen 1849 und 1949 in England publizierten Lehrbücher zur Buchmalerei bei : Watson 2007, S. 102–107. 1030 Humphreys 1849, S. 12–13. 1031 Zu den kommerziellen Aspekten dieses neuen Interesses für die Buchmalerei : Hindman 2001, S. 197–208 ; Watson 1997/2003, S. 50–51. Siehe das Bsp. bei Beckwith 1987, Kat. Nr. 58, S. 69–70. 1032 Vgl. die Anzeige von Winsor & Newton in : Bradley/Goodwin 1867, S. 4 ; auf S. 5 eine Auflistung der angebotenen Farben. 1033 Vgl. Bradley 1867, Anhang, S. 8 ff. Zu Angeboten von anderen Firmen : Watson 1997/2003, S. 51, Anm. 127. Siehe z. B. Winsor & Newtons »Outlines for Illumination from Idylls of the King by Tennyson, designed by F.S.A.« von ca. 1859. Siehe hierzu auch : Cheshire 2009, Kat. Nr. 31, S. 103.
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purposes of illumination«,1034 und zudem »point out the pecularities of, and the changes of fashion in, decorative art, as found in illuminated MSS, rather than to attempt any minute description of their pictorial beauties, or uses«.1035 Es sollte durch vorzügliche Beispiele der Buchmalerei und durch äußerst solide und umfassende Kenntnisse des Malers wieder jene hohe Stellung erreicht werden, die diese Gattung in der Vergangenheit innegehabt hatte.1036 So forderte Humphreys, dass der Maler die Kenntnisse eines Wissenschaftlers, besonders in Botanik, Insektenkunde, Farbenlehre und Naturgeschichte, mit umfassendem Wissen in Ikonographie und Literatur verbinden müsse, wobei er auch über ein poetisches Gemüt verfügen und sich in der Realienkunde mit Schwerpunkten auf der Kostüm- und Waffengeschichte sowie der Heraldik und Kunstgeschichte, besonders in der Geschichte der dekorativen Künste, sehr gut auskennen sollte.1037 Zu den wichtigsten und qualitätvollsten dieser Handbücher gehören Henry Noel Humphreys’ »The Art of Illumination and Missal Painting […]« (1849)1038, Henry Shaws »A Handbook of the Art of Illumination as practised during the Middle Ages […]« (1866),1039 W. R. Tymms und M. D. Wyatts »The Art of Illuminating as practised in Europe during the Earliest Times« (1859/1860) und George Ashdown Audsleys »Guide to the Art of Illuminating and Missal Painting« (1861).1040 Humphreys verband in seinem Handbuch einen kunsthistorischen Abriss, technisch-theoretische Informationen, Tafeltexte mit zusätzlichen Informationen, eine stilistische Analyse und darauf aufbauend Vorschläge, wie ein jeweiliger Stil in zeitgenössische Arbeiten zu übernehmen sei und auf welche Art und Weise dieses erfolgen könne. Von ihm stammt auch der historische Überblick mit Abbildungsbeispielen nach Schrift, Initialen, Bordüren und Miniaturen aus Handschriften seit der Spätantike, der 1034 Humphreys 1849, S. 27. Die Bücher sollten dem Miniaturmaler »a few suggestions […] to the beautiful art of enriching books with painted ornaments« anbieten, ebd., S. 1. 1035 Shaw 1866, S. 2. 1036 Humphreys 1849, S. 64. 1037 Ebd. 1038 64 Seiten und 12 chromolithographische Tafeln mit Beispielen sowie ein zweiter Satz der Tafeln nur in Umrissen. Die Anmerkungen zur Buchmalerei wiederholen in verkürzter Form die Beobachtungen in Humphreys 1849/1995. Vgl. Humphreys’ Anmerkungen über die Ziele und positiven Auswirkungen seiner Publikation, besonders der Konturtafeln : Henry Noel Humphreys, Progress of Modern Illumination. Its present state and future prospects, in : Amateur Illuminator’s Magazine V, S. 45–46. 1039 Shaws 16 Holzstich-Tafeln zeigen Abbildungen ganzer Seiten nach Handschriften in chronologischer und kunsttopographischer Anordnung mit einem Schwerpunkt auf Handschriften aus englischen Sammlungen. Die historische Darstellung folgt den Linien der früheren Publikation der »Illuminated Ornaments« von Henry Shaw und Frederic Madden von 1833, versucht für die verschiedenen Epochen kennzeichnende Merkmale zu benennen und eine kurze Stilcharakterisierung zu geben. In einem Anhang beschäftigt sich Shaw mit Materialien und Techniken, gibt praktische Anweisungen und Ratschläge zum Malen. 1040 Zu der Publikation Audsleys : Beckwith 1987, Kat. Nr. 56, S. 67, 69.
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als Serie in »The Amateur Illuminator’s Magazine« 1861–1862 publiziert wurde. Dieses nur in neun Ausgaben gedruckte Magazin enthielt historische Darstellungen mit Initial- und Ornamentbeispielen, praktische Anweisungen mit Konturtafeln zum Nachzeichnen, diverse Informationen mit Hinweisen auf Ausstellungen und Auktionen von Handschriften sowie Leserbriefe. Daneben erschienen mehrteilige Beiträge zu Andrea del Castagno, Christine de Pisan und Giulio Clovio. Eine ikonographisch-heraldische Darlegung wie diejenige zur Entstehung der Fleur-de-Lys wurde von einer ganzseitigen Kopie nach einer Miniatur im Bedford-Stundenbuch (BL, MS Add. 18850, fol. 288v) begleitet.1041 Die Zeitschrift wandte sich explizit an den Amateur-Illuminator mit dem Ziel, wieder eine englische Schule der Buchmalerei zu etablieren.1042 Das Magazin wurde von dem Verleger Day & Sons herausgegeben, der darin zugleich für seine Publikationen warb. Die Beispielwahl auf den Tafeln der Handbücher reflektiert die zeitgenössischen Vorlieben : flämische Handschriften des späten 15. Jahrhunderts, italienische Buchmalerei mit dem Höhepunkt unter Giulio Clovio und englische Buchmalerei des 13. Jahrhunderts wie den »Queen Mary’s Psalter« und den »Tenison Psalter« (BL, MSS Royal 2 B. vii, Add. 24686).1043 Eines der populärsten, ausführlichsten und mit 90 Tafeln nach Beispielen aus der British Library ungewöhnlich reich ausgestatteten Lehrbücher war Matthew Digby Wyatts (1820–1877)1044 und William Robert Tymms’ »The Art of Illuminating« von 1859/1860, das sich auch in Morris’ Bibliothek befand (Abb. 14 und 27).1045 Für Wyatt bildeten die drei frühen Stile – »the Roman, or pictorial ; the Greek, or golden ; and the Hiberno-Saxon or intricate« – die Grundlage für die sich anschließende mittelalterliche Buchmalerei.1046 Wie Humphreys widmete er sich ausführlich der Entwicklung der Rahmen- und Hinter1041 1042 1043 1044
Amateur Illuminator’s Magazine IX, S. 105–106, Taf. XX. Amateur Illuminator’s Magazin VI, S. 52–56 ; VII, S. 74–76 ; VIII, S. 93–94. Vgl. Shaw 1866, S. 5–7, 12, 15, 18, 24. Wyatt arbeitete als Entwerfer für keramische Waren, Teppiche, Möbel und Eisen, publizierte Vorlagenwerke mit chromolithographischen Tafeln. Er war Mitglied mehrerer Kommissionen, so auch derjenigen, die mit der Vorbereitung der Weltausstellung von 1851 beauftragt war, und publizierte als Folge der Ausstellung »The Industrial Arts of the Nineteenth Century«. Wyatt arbeitete mit Owen Jones an den Höfen in Seydenham zusammen und mit Isambard Kingdom Brunel an der dekorativen Gestaltung von Paddington Station, London. Eine Variante des Buches erschien zuerst ca. 1861 unter dem Titel »What illuminating was. A Manual of the History of the Art«. Zu den verschiedenen Editionen : Beckwith 1987, Kat. Nr. 49, S. 60. 1045 Zum Anliegen der Publikation, das demjenigen Humphreys’ entspricht : Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 2. Das »Art Journal« beurteilte die Publikation als »not only beautiful, but eminently useful to all who would be fully acquainted with the art«, Rezension im Art Journal 1860, S. 319. Wyatt hielt am 18.6.1860 einen Vortrag am Royal Institute of British Architects, in dem er die Aussagen seines Lehrbuches in verkürzter Form darlegte, Wyatt 1860. Vgl. WM 1898, Los 1034 ; Bridwell Lib., Nr. 490, fol. 37r. 1046 Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 26.
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grundornamentik vom 9. bis zum 15. Jahrhundert mit den verschiedenen Zwischenstufen unter Anführung charakteristischer Beispiele.1047 Aufmerksamkeit erhielt auch die englische Buchmalerei,1048 als deren Kennzeichen er die »intricate interlacements and minute elaboration« bzw. den »noble tone of solid colour, combined with great humour and intense energy of expression« herausarbeitete, wohingegen die französischen Arbeiten durch die »delineation of naive and graceful romantic incident, combined with elegant foliated ornament« und die italienischen durch das Einführen der »higher qualities of art« bestimmt seien.1049 Seine Darstellung der italienischen Buchmalerei schließt sich in der Künstlerauswahl und der Konzentration auf einzelne Künstlerpersönlichkeiten, dem Vergleich der Buchmaler Oderigo und Franco da Bologna mit Cimabue und Giotto sowie der Festsetzung des Höhepunkts unter Clovio sehr eng an Vasari an. Neben den Werken Clovios, die durch »refinement of execution, combined with a brilliancy of colour and excellence of drawing« geprägt seien, erachtete Wyatt als weiteren Höhepunkt der Buchmalerei das bereits zur damaligen Zeit berühmte Stundenbuch der Anna de Bretagne.1050 Er fügte eine Fülle von Anmerkungen bei, in denen er auf Literatur und weitere Beispiele verwies, zeithistorische Hintergrundinformationen gab, Detailfragen wie Zuschreibungsprobleme und kunsthistorische Sachverhalte erörterte und sich auf mittelalterliche Quellentexte wie Theophilus Presbyter und die Mappae Clavicula bezog, die seit den 1840er Jahren in englischer Übersetzung vorlagen.1051 In dem praktischen Teil der Publikation listet Wyatt sieben Grundsätze für die zeitgenössische Buchmalerei auf :1052 Die Gestaltung der Malerei solle sich nach der Funktion des Werkes und der Größe des Schreibgrunds richten, durch Lesbarkeit, gleichmäßige Qualität, moderate Farbkontraste, parallele Linien ausgezeichnet sein ; der einmal ge1047 Wyatt beschrieb den Weg von den durch die markanten Konturen an Bleiglasfenster erinnernden Buchmalereien des 12. und 13. Jahrhunderts über die an Länge und Detailliertheit zunehmenden »Tails« der Initialen, die sich zunächst zu einem »bracket shape«, dann zu Seitenrahmen entwickeln, und zu der »lacelike foliation« des »Ivy pattern« in den Handschriften für den Duc de Berry und schließlich zu dem »unsurpassed« Stundenbuch der Anna de Bretagne führen, Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 35, 36, 39. 1048 Ebd., S. 13, 20, 23. 1049 Ebd., S. 41 ; vgl. Wyatt 1860, S. 160, 163. 1050 Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 46, 42 ; vgl. Wyatt 1860, S. 169. Dass Wyatt die Buchmalerei der italienischen Renaissance besonders schätzte, eine stilistische Vorliebe, die auch seine Publikationen zu anderen Themenbereichen widerspiegeln, wird darin deutlich, dass die nordalpine Buchmalerei des 13.–15. Jahrhunderts auf zwei Seiten erörtert wird, während allein Clovio zwei Seiten eingeräumt werden. 1051 Mary Phiadelphia Merrifield, Original Treatises, dating from the XII to XVIII centuries on the Arts of Painting in Oil, Miniature, Mosaic, and on Glass ; of Gilding, Dying, and the Preparation of Colours and Artificial Gems, 2 Bde., London 1849 ; Robert Hendrie (Hrsg.), An Essay upon various Arts in three Books by Theophilus called also Rugerus, Priest and Monk forming an Encyclopaedia of Christian Art of the 11th century, London 1847. 1052 Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 52–53.
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wählte Stil solle beibehalten, eine Mischung verschiedener historischer Stile ebenso wie der Wechsel zwischen stilisierten und naturalistischen floralen Motiven vermieden werden. Im Vergleich bescheidener fällt Audsleys Buchmalerei-Handbuch von 1861 mit nur vier Farbtafeln aus, das die »leading characteristics of the several more interesting and beautiful styles of illumination« schildert.1053 Auch Audsley lehnte das Kopieren vergangener Stile, die Stilmischung und die Verwendung naturalistischen Ornaments oder nach der Natur kopierter Motive streng ab und forderte vom Illuminator »unity and artistic consistency«, »oneness«, »connectedness« und Stilisierung, die wiederum eine genaue Kenntnis der Natur verlange, sowie »repose and directness of purpose« und »simplicity and elegance«.1054 Bei Audsley wird die italienische Buchmalerei nun zugunsten englischer und französischer Beispiele vernachlässigt, wobei sich der Autor besonders den insularen Handschriften und denjenigen des 10. Jahrhunderts der WinchesterSchule widmete.1055 Die Blüte der Illuminierungskunst setzte er im 12. Jahrhundert mit dem stilisierten Rankenwerk an, das durch große Phantasieblüten, groteske Vögel und Tiere geschmückt ist,1056 während bereits im 13. und 14. Jahrhundert die Buchmalerei in »boldness and originality both in conception and execution« nachlasse.1057 Auch wenn Audsley die Buchmalerei des 14. Jahrhunderts als besonders nachahmenswert und dem zeitgenössischen Geschmack entgegenkommend erachtete, wies er daraufhin, dass diese Arbeiten in »real feeling and artistic conception« den früheren Stilen unterlegen seien.1058 Auf Arbeiten nach 1500, die bisher besonders geschätzt wurden, ging Audsley nicht mehr ein, da sie eher dem Tätigkeitkeitsbereich des »pictorial artist and miniaturist« zuzuordnen seien.1059 Als eines der frühesten Handbücher gilt J.‑W. Bradleys bereits 1860 erschienenes »A Manual of Illumination on Paper and Vellum and an Appendix by T. Goodwin« mit zwölf chromolithographischen Tafeln. Da Bradley und Goodwin beim Ornament Stilisierung und das Befolgen der »necessities of construction, which is the true purpose of ornament« wünschten, legten sie einen Schwerpunkt auf Beispiele des 13. Jahrhunderts, bei denen sie die »delightful grotesques«, den »firm, graceful design, lively drawing, and pure rich colouring«, »inventive power and beautiful colouring«, die »mastery over expression«, 1053 Audsley 1911, S. 1. Das Buch wurde von dem Papierwarenproduzenten George Rowney & Co., London, herausgegeben, für den Audsley auch Musterblätter zur Illuminierung entwarf, Fox 1999, S. 1. Zur Ausgabe von 1927 : ebd., S. 3. Audsley stellte seine Arbeiten 1876 im Liverpool Art Club aus, wobei er moderne Kopien neben mittelalterlichen Originalen zeigte, Hindman 2001, S. 157. 1054 Audsley 1911, S. 1, 70, 86–87. 1055 Ebd., S. 6. 1056 Ebd., S. 13, 15. 1057 Ebd., S. 17. 1058 Ebd., S. 19. 1059 Ebd., S. 23.
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die »firm yet extreme delicacy of handling« heraushoben.1060 Ihnen galt die Buchmalerei des 13. und 14. Jahrhunderts als unübertroffen hinsichtlich »purity of sentiment, simple severity of treatment, and tenderness of execution«, weswegen diese Arbeiten als Vorbild zu empfehlen seien.1061 Die Arbeiten des 15. Jahrhunderts, das bisher immer als die Blütezeit der Buchmalerei vor ihrem Höhepunkt im 16. Jahrhundert galt, wurde nun schon als Zeit des beginnenden Niedergangs gewertet.1062 Erweisen sich diese Handbücher durch die umfassende und gründliche Information sowohl historischer als auch technischer Art geprägt und durch die intensiven Überlegungen zur zeitgenössischen Buchmalerei auch mit hohem Anspruch ausgerichtet, so gab es daneben auch knappere, pragmatischere Publikationen wie diejenigen von Marcus Ward, der eigene Arbeiten als Beispiele für das Aussehen moderner Buchmalerei abbildete.1063 Delamottes »A Primer of the Art of Illumination« (1860) mit zwölf Tafeln nach Beispielen von Buchmalereien wiederum steht beispielhaft für Lehrbücher, die sich an den interessierten Amateur wendeten und versuchten, einen knappen historischen Überblick mit praktischen Empfehlungen und Beispielen zu verbinden. Dabei ist Delamottes Publikation durch Sorgfalt, Ausführlichkeit und qualitätvolle Tafelabbildungen gekennzeichnet, die die kommerzielleren Veröffentlichungen oft vermissen lassen. Der Autor definierte »illumination« als ein peculiar system of ornamenting manuscripts or letter press, which leaves the body of the matter intact, or only fills up the hiatus at the end of paragraphs, bestows on the initial letter or letters an ornamentation more or less elaborate and profuse, extends that ornamentation along the top and down the left side of the matter, or still further extending, envelopes the whole on a sort of framework of colour, gilding, &c.1064
1060 Bradley/Goodwin 1867, S. 10, 11, 12, 17, Anm. 11, 74, 78 ; vgl. Laing, in : ebd., S. 96. Hauck betonte die Parallelen zu Ruskin in der Akzentuierung von Farbe und Umrisslinie, Hauck 1983, S. 215. 1061 Bradley/Goodwin 1867, S. 68, s. a. S. 2, 16, 74. 1062 Ebd., S. 71, 79, 2, 74. Zu Clovio siehe ebd., S. 19, 22. Bradley verfasste 1891 »The Life and Works of Giulio Clovio« und 1887–1889 das »Dictionary of Miniaturists, Illuminators, Calligraphers, and Copyists«. 1063 Ward hatte diese Arbeiten 1867 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt, Ward o. J., S. 24–25 ; vgl. Masterpieces of Decorative Art, Amsterdam 2001, S. 168–169. Es verbinden sich heraldische Motive mit perspektivisch angelegten Bildfeldern, gotischer Schrift, farbigen Initialen, und es kommt zu einer Kombination von Motiven unterschiedlicher Stile in den großen Initialen und dem Ornament der Seitenränder. Daraus entsteht ein eng gedrängter, eher etwas unruhiger Gesamteindruck. Wie die Ornamentik und Auswahl der Tafelbeispiele in seinem Handbuch nahelegen, bezog sich Ward besonders auf die frühe insulare Buchmalerei und auf Arbeiten des 14.–16. Jahrhunderts. 1064 Delamotte 1860, S. 8. Vgl. die Rezension im Art Journal 1860, S. 380.
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Den Höhepunkt der Buchmalerei verortete er im 13. und 14. Jahrhundert in der Verbindung von »chasteness of design and elegance of execution«.1065 Insgesamt unterschied er mehrere, den jeweiligen Epochen zugeordnete Stile :1066 Die Arbeiten des 6.–9. Jahrhunderts seien durch »quaintness« und große Initialen von »extreme intricacy« geprägt, die des 10.–11. Jahrhunderts (»opus Anglicum«) durch Rahmen mit Goldleisten und großen Blättern,1067 die des 14. Jahrhunderts und der Zeit um 1500 durch Malereien von »richness and profusion« sowie eine plastische Auffassung der Motive.1068 Weitere Lehrbücher publizierten 1850 David Dehara (»Elementary Instruction in the Art of Illumination and Missal Painting«) und 1861 Edwin Jewitt (»Manual of Illuminated and Missal Painting«)1069 für die Firma Jabez Barnard. Weitere Handbücher für Barnard gestalteten Albert H. Warren (»A Guide to Beginners in the Art of Illumination«, 1860),1070 Henry Montanell Lucien (»Hints on illuminating with an essay on the art of ornamenting in gold and metall […]«, London o. J./[1860]) und William Randle Harrison.1071 Wie andere der einfacheren, von den Farbenproduzenten publizierten Handbücher gibt auch dasjenige von Jewitt einen äußerst knappen historischen Überblick, eine einfache, klare Übersicht über die Technik mit grundlegenden Empfehlungen und schließt mit einigen wenigen Tafeln, die Initialen und Bordürenstücke aus Handschriften der British Library umfassen und als Vorlage zum Kopieren fungieren sollten. Den Schwerpunkt legte er auf englische Handschriften, als deren Kennzeichen er »beauty, richness, freedom, and boldness of design« anführte.1072 Die Arbeiten des 14. Jahrhunderts wurden nur kurz gestreift, um zur Malerei des 15. Jahrhunderts zu gelangen, die in ihrer »beauty, richness of design, fulness of colour and elaborateness of detail« als Höhepunkt aufgefasst wurde.1073 Besonderes Lob erhielten die feine und genaue Naturdarstellung und der qualitätvolle Goldauftrag.1074 Auch wenn danach der Niedergang einsetze, wurde Clovio unverändert als der herausragende Buchmaler verstanden.1075 1065 1066 1067 1068 1069
Delamotte 1860, S. 10. Ebd., S. 21–23. Ebd., S. 22. Ebd., S. 23. Bei Jewitts »Manual« stammten die sechs Tafeln mit Beispielen aus dem 12., 14. und 15. Jahrhundert von Orlando Jewitt (1799–1869), die Einleitung von Llewllynn Jewitt (1816–1886). 1070 Warren, der sich als »Instructor to the Royal Family in the Art of Illumination« bezeichnete, gab eine kurze technische Einleitung und ging auf grundlegende gestalterische Prinzipien ein. Seine eigenen Entwürfe folgen Vorbildern des 14. Jahrhunderts, die modernisiert, »verbessert« und dem Zeitgeschmack angepasst werden, vgl. Warren o. J., S. 32. 1071 Harrison o. J.; Harrison [1863]. 1072 Jewitt o. J., S. 16. 1073 Ebd. 1074 Ebd., S. 17. 1075 Ebd., S. 18.
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Publikationen wie R. Cantons »The Art of Illuminating made easy« (London 1863) wiederum versuchten weniger an mittelalterlichen Beispielen zu schulen, als vielmehr Illuminierungen im zeitgenössischen modischen Geschmack anzubieten und für den eigenen Malkasten Werbung zu machen.1076 Die Abbildungen umfassten Arbeiten, die als Beispiele für Buchmalerei ungewöhnlich sind und sich an den Werken von William Dyce und seinem Umkreis, den Grotesken Raffaels, an ägyptischen, antiken, elisabethanischen und Rokoko-Ornamenten orientieren. Sie sind von eher populärem Charakter und für Anfänger konzipiert. Schon auf der Titelseite präsentiert sich dieses Anliegen in der modischen Stilmischung. Zudem existierten Magazine wie das »Journal of Miniature Painting« und das »Amateur Illuminator’s Magazine«, das von Oktober 1861 bis 1862 erschien. Im »Amateur Illuminator’s Magazine« wird die Buchmalerei als »pre-eminently an Amateur Art« und als eine religiöse Kunst charakterisiert, sei es doch »the true principle of the Illuminator’s Art : to represent the deep-glowing conceptions of his faith in adequate forms«.1077 Klar unterschieden wurde in der Handbuch-Literatur zwischen Miniatur und Illuminierung : Illuminierung betrifft den Schmuck und die dekorative Einfassung der Schrift, Miniaturmalerei dagegen wurde als Malerei im kleinen Format, als Textillustration bewertet, mit der oftmals auch ein gewisser Niedergang der Buchkunst verbunden wurde.1078 Shaw erschienen die Miniaturen des 15. Jahrhunderts als »reduced pictures«, basierten sie doch auf einer genauen Naturbeobachtung und sorgfältigen Komposition.1079 Illuminiert wiederum wurde gleichgesetzt mit »decorated«.1080 Entsprechend finden sich in den zahlreichen Muster-Publikationen mit Beispielen aus der Buchmalerei in der Regel nur Schriftvorlagen in Form von unterschiedlich ornamental ausgestatteten MusterAlphabeten zur Initialgestaltung. 3.9.8 Publikationen mit Muster-Alphabeten
Wollte Jones in seiner »The Grammar of Ornament« (1856) eine Auseinandersetzung mit Ornamentstrukturen einleiten und gerade keine Mustersammlung anbieten, so gab es auch Publikationen, die einen expliziten Vorlagencharakter besaßen und zu kopierende oder variierend nachzuahmende Muster aus Handschriften besonders für die Dekoration von Handschriften oder Adressen, für die Ausstattung von Innenräumen und für die Gestaltung von Schrifttafeln zur Verfügung stellten. Diese Bücher enthalten je Tafel 1076 In die Publikation sind auf einer Seite jeweils zwei schmale Streifen mit Sprüchen und Ornament eingeklebt. Der obere ist farbig auf Gold gedruckt, bei dem unteren sind nur die Umrisslinien auf dem Goldhintergrund eingefügt. Dieser zweite Streifen sollte von dem Leser fertiggestellt werden. 1077 The Amateur Illuminators Magazine and Journal of Miniature Painting I, 1861, Taf. I, II. 1078 Vgl. Loftie o. J., S. vii ; Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 42 ; Bradley 1867, S. 19 ; Audsley 1911, S. 2. 1079 Shaw 1866, S. 32. 1080 Humphreys 1853, S. 120, 126.
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William Morris’ Buchmalereien der 1870er Jahre
ein aus einer Handschrift, einem Buch oder nach epigraphischen Monumenten erstelltes Alphabet aus Initialbuchstaben bzw. ausgewählte reichere und größere Einzelbeispiele. Ergänzt werden die Tafeln durch knappe historische Einleitungen, technische Hinweise und Einführung in Grundlagen, Tafelkommentare und konkrete Anleitungen zu dem Umgang mit den Vorbildern und den Einsatzmöglichkeiten der Alphabete. Henry Shaws »Alphabets, Numerals and Decives of the Middle Ages« (1845, 46 Taf.) und »The Hand Book of Mediaeval Alphabets & Devices« (1856, 36 Taf.)1081 wendeten sich an den Architekten, den dekorativen Künstler und den Amateur-Illuminator, wobei Shaw die Alphabete nicht nur als Vorlage und Muster für die künstlerische Tätigkeit, sondern auch als Hilfe bei paläographischen und kunsthistorischen Bestimmungen erachtete.1082 Die Beispiele nach Buchmalerei und Buchdruck sollten »the history of decorative art in the departments from which we have selected our authorities« darlegen sowie »the pecularities of design, or of treatment« herausstellen, wobei eine Schwerpunktsetzung auf Beispiele des späten 15. Jahrhunderts erfolgte.1083 Ein reines Musterbuch bildete Jones’ »One Thousand and One Initial Letters Designed and Illuminated by Owen Jones« von 1864,1084 in dem Jones den Buchstaben verschiedene dekorative Formen zuordnet, bei denen es sich um Eigenerfindungen handelt, die auf Initialbeispielen des 14. und frühen 15. Jahrhunderts basieren und Knoten- und Flechtwerk, Akanthus- und Fächerblätter, Fleuronnéebesatz in Rot, Blau, Gold mit weißen Punktlinien kombinieren. Diese Verbindung von Kopie und eigenem Entwurf bestimmt auch die Publikationen seiner Kollegen wie Freeman Gage Delamottes »A Book of Ornamental Alphabets« (1858, 32 Taf.), »Mediaeval Alphabets and Initials for Illuminators« (1861, 21 Taf.) sowie Victor Touches »Handbook of Initial Letters and Borders […]« (1863, 24 Taf.),1085 F. G. Woods »Alphabets and Designs of Different Periods for the use of Illuminators and Decorative Artists« (1863, 14 Taf.), Edward Offors »The Art of Illuminating without a Master (1865)«1086 und William Randle Harrisons »The Handbook of Alphabets and Ornaments« (o. J.). Eine Besonderheit liegt bei Offor vor, denn hier basieren die Tafeln mit Rahmenleisten, Ornamenten, Initialen und Alphabeten in der Umrisslinie auf Handschriften aus der Sammlung seines Vaters mit Schwerpunkt auf Beispielen aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert.1087 1081 Diese letzte, spätere Ausgabe betonte den Vorlagencharakter, indem nur äußerst kurze Kommentare gegeben und auf eine Einleitung verzichtet wurde. 1082 Shaw 1845 (1988), S. 9. 1083 Shaw 1856, o. S. Bei den Erläuterungen handelt es sich um Kurzfassungen aus Shaws »Art of Illumination«. 1084 In Neuauflage mit dem Titel »1001 Illuminated Initial Letters«, New York 1988. 1085 Die einfachere Ausstattung dieser Publikationen für Malartikel-Firmen fällt besonders in der Farbigkeit auf : Zwar sind die Tafeln farbig gedruckt, doch neben dem schwarzen Liniendruck nur in einer Farbe je Tafel. 1086 Eine lobende Besprechung seiner »Illuminated Designs« im Art Journal 1868, S. 163. 1087 Offor [1865], S.4.
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William Morris’ Buchmalerei im Kontext seiner Zeit
Umfassen die Buchmalerei-Handbücher in unterschiedlicher Gründlichkeit und Ausführlichkeit historische Darstellungen, die Musterbücher dagegen eher knapp gehaltene überblicksartige Einführungen in die Geschichte der Buchmalerei, so etabliert sich bereits am Ende des 18. Jahrhunderts langsam eine gelehrte wissenschaftliche Literatur, die auf Erkenntnissen der sich etablierenden Kunstgeschichte und der Paläographie aufbauen kann. Die Autoren der Lehrbücher wie Humphreys und Shaw schrieben entweder selbst solche umfassenden historischen Darstellungen oder arbeiteten dafür mit Mitarbeitern der Bibliotheken oder Kennern der Materie zusammen.
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4 William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts William Morris wurde in den 1880er und 1890er Jahren nicht nur zu einem begeisterten Sammler von illuminierten mittelalterlichen Handschriften, sondern auch zu einem von seinen Zeitgenossen hoch geschätzten Kenner auf diesem Gebiet.1 Er war bestrebt, seine Kenntnisse durch das Betrachten von Handschriften bei Auktionen in London und auf Reisen zu erweitern und zu vertiefen. So versuchte er, während einer Frankreich-Reise im August 1891 ein Evangeliar in der Bibliothek von St. Riquier bei Abbeville einzusehen, was jedoch nicht möglich war, da der Kurator verreist war.2 Morris hielt zwei Vorträge zu illuminierten Handschriften und bezog sich auch in seinen Aufsätzen und Reden zu illustrierten Büchern auf diese Gattung. Dabei ging es ihm hauptsächlich darum, das Vorbildliche und Gelungene der älteren Arbeiten zu zeigen und damit Anregungen für eine gute zeitgenössische Buchgestaltung zu geben. Sein Anliegen war es nicht – wie auch in anderen Bereichen –, Vorlagen zu benennen, die dann imitiert werden sollten, sondern vielmehr an konkreten Beispielen einzelne vorbildliche Aspekte vorzuführen, an denen überlegt werden sollte, in welcher Form sie für die Arbeiten der eigenen Gegenwart genutzt werden könnten. Sein Ziel galt immer einer »modernen« Buchmalerei, einer Buchmalerei für seine eigene Zeit, zu der die Arbeiten der Vergangenheit jedoch grundlegende Anregungen vermitteln könnten. Der Künstler müsse nach Morris’ Auffassung erst die Geschichte und Möglichkeiten seines Gewerks kennen, um originelle, individuelle, seiner Zeit entsprechende Lösungen zu finden.
4.1 William Morris’ Schriften und Vorträge zur Buchmalerei Von einer Unterscheidung zwischen Miniatur in der illuminierten Handschrift und Illustration im gedruckten Buch ist bei Morris in Hinblick auf gattungstheoretische Überlegungen nicht auszugehen. Er erachtete die Druckkunst als eine Fortsetzung der Handschrift und sah sie ähnlichen grundlegenden Auflagen verpflichtet – allein die Äußerungen variieren in Abhängigkeit vom Herstellungsprozess : »The Middle Ages brought 1 Vgl. Hyndman 1911, S. 325–326 ; Holford 1924, S. 37, Nr. 4. 2 Morris’ Brief an Jane Morris vom 8. 8.[1891], Kelvin 1996 III, Nr. 1921, S. 334. Kelvin vermutete, dass es sich dabei vielleicht um die sog. Bibel Karls des Großen gehandelt haben könnte, die damals in St. Riquier und heute in der Bibliothek von Abbeville verwahrt wird, ebd., S. 335, Anm. 4.
William Morris’ Schriften und Vorträge zur Buchmalerei
caligraphy [sic !] to perfection, and it was natural therefore that the forms of the printed letters should follow more or less closely those of the written character […].«3 Von Morris haben sich neben einer knappen Zusammenfassung in seiner Vorlesung »The Woodcuts of Gothic Books« von 1892 zwei Texte zur Geschichte der Buchmalerei aus den frühen 1890er Jahren erhalten : das Fragment »Some Thoughts on the Ornamented Manuscripts of the Middle Ages« von ca. 1892 und der Aufsatz »Some Notes on the Illuminated Books of the Middle Ages«, der am 17.1.1894 im »Magazine of Art« veröffentlicht wurde (S. 83–88 mit 5 Abb.).4 Schon 1890 hatte Morris Marion Harry Spielmann vorgeschlagen, einen Artikel über illuminierte Handschriften zu verfassen. Er begründete dieses mit dem Interesse der Leser an dem Thema und ihrem Wunsch nach »some information on the subject […]. Of course it would have to be freely illustrated ; but the subjects are easily got at«.5 In seinen Darstellungen griff Morris auf Ruskins Auffassungen ebenso wie auf die Ergebnisse und Ansätze von Autoren wie Henry Shaw, Henry Noel Humphreys und Matthew Digby Wyatt zurück. Morris teilte die Vorliebe dieser Autoren für die Buchmalerei des 14. Jahrhunderts ebenso wie Ruskins Neigung für die Buchmalerei der Jahre von 1250 bis 1350,6 wie schon in seinen eigenen Buchmalereien der 1850er Jahre deutlich wurde. Als »Praktiker« betrachtete er Buchmalerei in ihrem Kontext unter dem Aspekt des harmonisch gestalteten Ganzen. Seiner Auffassung nach lag der Wert einer Handschrift nicht in der Qualität der Miniaturen allein, sondern vielmehr darin, wie sich diese in die Gesamtheit der Handschrift mit Schrift und Ornament einfügten und inwieweit Malgrund und Zweidimensionalität der Seite berücksichtigt wurden. Morris plädierte gegen einen tiefendimensionalen Bildraum und illusionistische Plastizität,7 die die Miniaturen wie eingestellte kleinformatige Gemälde wirken ließen.8 Das Buch, ob Handschrift oder Druck, galt Morris als ein »palpable work of art«.9 Das Erreichen eines schön gestalteten Buches bildete für ihn ein besonders wichtiges Ziel, denn »the picture-book is not, perhaps, absolutely necessary to man’s life, but gives us such endless pleasure, and is intimately connected with the other absolutely necessary
3 William Morris, Printing, Arts and Crafts Essays, by Members of the Arts and Crafts Exhibition Society, 1893, in : Morris 1966 I, S. 251–260, hier S. 252 ; siehe a. William Morris, The Woodcuts of Gothic Books. A lecture delivered in 1892, in : Morris 1982, S. 25–44, hier S. 27 ; I. H. I. 1895/2005, S. 116. 4 Morris 1982, S. 1–6 und 7–14. 5 Brief von Morris an Marion Harry Spielmann vom 23.5.1890, Kelvin 1996 III, Nr. 1720, S. 160 ; vgl. ebd., Anm. 2. 6 Morris 1982, S. 10. 7 Vgl. einen ähnlichen Ansatz bei Middleton 1892, S. 116. 8 Zu Morris’ Überlegungen zu einer harmonischen Verbindung von Text und Illustration : Morris 1982, S. 36 37. 9 Ebd., S. 2.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
art of imaginative literature that it must remain one of the worthiest things towards the production of which reasonable men should strive«.10 In »Some Thoughts on the Ornamented Manuscripts of the Middle Ages« geht Morris auf die Motivation und die geistesgeschichtlichen Hintergründe des mittelalterlichen Buchmalers ein ; in »Some Notes on the Illuminated Books of the Middle Ages« stellt er knapp die wichtigsten Schulen mit ihren jeweiligen Merkmalen vor. Die Buchmalerei fasste Morris als eine eigenständige Gattung auf, als eine eigene »school of art«. Darüberhinaus erachtete er sie durchaus traditionell als eine Möglichkeit, Informationen über das Erscheinungsbild verlorener Wand- und Tafelmalereien des Mittelalters zu gewinnen.11 Die verschiedenen Gattungen der Kunst folgten nach Morris zwar gemeinsamen stilistischen Grundzügen, aber in Bezug auf die Buchmalerei »of course the design was modified to suit the scale and materials of the smaller and more delicate ground for painting«.12 Das Gattungsspezifische sah Morris somit in Format und Material begründet, und es sind diese Elemente, die die Gestaltung einer Buchmalerei von der anderer Gattungen unterscheiden sollten. Der erste Text, »Some Thoughts on the Ornamented Manuscripts of the Middle Ages«, stellt den Buchmaler als exemplarischen mittelalterlichen Künstler vor, der als freier Handwerker-Künstler durch sein »personal and not mechanical« Verhältnis zur Kunst auch als Ideal für die eigene Gegenwart fungiere.13 Morris formulierte die Grundlagen dieser Kunst – »simplicity, or roughness of work suitable to the use of the things made«, die »subordination of the work to its ends« – als überzeitliche, allgemeingültige Basis der Kunst.14 Die Arbeit des Buchmalers werde bestimmt durch die »two sides to his artistic mind, the love of ornament, and the love of story«.15 Grundlegend für das mittelalterliche Buch und damit auch vorbildlich für die zeitgenössische Buchgestaltung erachtete er das enge Miteinander von Ornament und Bildfeldern, die »unity of epical design and ornament«.16 Diese Verbindung von epischer und ornamentaler, von narrativer und dekorativer Qualität mache die mittelalterliche Buchmalerei zu einem Muster für die »organic art«.17 10 William Morris, The Ideal Book (1893), in : Morris 1982, S. 67–73, hier S. 73, vgl. a. S. 27. Vgl. a. Morris’ Formulierung in »Some Thoughts on the Ornamented Manuscripts of the Middle Ages« : »Let us say concerning the Book, that to cosset and hug it up as a material piece of goods, is surely natural to a man who cares about the ideas that lie betwixt its boards«, zit. nach : Morris 1982, S. 1. 11 Ebd., S. 5. 12 Ebd. 13 Ebd., S. 2, 5. 14 Ebd., S. 2. 15 Ebd. 16 Morris, The Woodcuts of Gothic Books (1892), in : ebd., S. 26. 17 Ebd., S. 26. Dabei umfasse das erste auch ein Interesse für Details, das zweite die Frage der Angemessenheit, William Morris, The Early Illustration of Printed Books (1895), in : ebd., S. 15–24, hier S. 20.
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William Morris’ Schriften und Vorträge zur Buchmalerei
Die Anregungen des mittelalterlichen Künstlers lagen für Morris in der Schönheit der diesen umgebenden Kunst- und Gebrauchsobjekte und der unbeeinträchtigten Natur sowie in einem »sense of the epic of the world«, wobei er das Erfahrene auf eine direkte und aufrichtige Weise wiedergebe,18 und in einer lebendigen Traditionslinie. Als Beispiel hob Morris neben dem »Tenison Psalter« (BL, MS Add. 24686), der ihm als »one of the loveliest works of the English School« galt, den »Queen Mary’s Psalter« (BL, MS Royal 2 B. vii) heraus, dessen Malereien die »appreciation of the facts of ordinary life« zeigten, übertragen in »most delicately beautiful drawings«.19 Das mittelalterliche Ornament charakterisierte Morris zusammenfassend als »consumate in skill, abundant in invention, and as beautiful as such work can be«,20 wobei er die Vollendung der mittelalterlichen Arbeiten in der persönlichen Beziehung des Künstlers zu seinem Werk und der Nähe zu der noch nicht von der Industrialisierung beeinträchtigten Natur begründet sah. Um das Verständnis für die von seinen Zeitgenossen oftmals als »coarse« eingeschätzten Szenen zu erleichtern, zog Morris eine Parallele zu den »Mystery Plays« des 15. Jahrhunderts :21 Auch bei diesen werde die Sprache als grob empfunden, dennoch vermittelten sie das ehemalige Lebensgefühl auf eine authentische Weise. Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger und Zeitgenossen schätzte Morris die Einfachheit und Direktheit der mittelalterlichen Darstellung, die er als »full of life« bewertete.22 Vor dem Hintergrund der Probleme der englischen Kirche mit der stärkeren Repräsentanz des katholischen Glaubens wies Morris auf die Unabhängigkeit der Buchmalerei von religiösen Bindungen und auf die deswegen unglückliche Bezeichnung »missal-painting« hin.23 Er stellte demgegenüber den Buchmaler als gläubigen Handwerker-Künstler dar, der seine Arbeit nicht in institutioneller, kirchlich-religiös gebundener Fremdbestimmung ausführe, sondern der als Künstler unabhängig gewesen sei und den Wünschen seines eigenen Schaffensdranges sowie als »Designer« den funktionalen Auflagen des zu gestaltenden Objekts folge.24 Sein Wunsch, im mittelalterlichen Buchmaler das Ideal des Handwerker-Künstlers vorzustellen, führte dazu, dass Morris die Aspekte, die nicht ganz diesem Bild entsprachen, nahezu vollständig vernachlässigte und seine Betrachtungen auf seine – wie auch Ruskins – Idealzeit, das späte 13. Jahrhundert, konzentrierte.25 18 Morris umschrieb dieses mit »this reality of belief in the continuity of life«, ebd., S. 4. 19 Ebd., S. 5. 20 Ebd., S. 2. 21 Morris definierte »coarse« als »appreciation of the facts of ordinary life«, ebd., S. 5. 22 Ebd., S. 4. 23 Ebd., S. 2. 24 Ebd., S. 2 : »the craftsman, scribe, limner, printer who had produced it [the book] had worked on it directly as an artist, not turned it out as a maschine of a tradesman«. Vgl. ebd., S.5 : »[…] the mediaeval workman was a free workman or artist ; […] he made his work beautiful almost unconsciously […].« 25 Vgl. a. Mackail 1995 II, S. 336 über Morris’ Vorliebe : »The thirteenth century was his ideal then, and it was still the same in our last talks together ; nor would he ever wander from his allegiance.«
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
Dass die Buchmalerei im frühen Mittelalter auf die Klöster beschränkt war, dass auch arbeitsteilig produziert wurde, vermerkte er nur beiläufig, und dass die in Werkstätten organisierten Buchmaler zur Erhöhung des Umsatzes oft auf ein Kopieren von Vorlagen zurückgriffen, ein Muster immer wieder variierten, überging er zugunsten seiner Vorstellung vom innovativen Handwerker-Künstler. Morris’ Schilderung der Buchmalerei ist durch eine gewisse Ambivalenz geprägt : Seine ästhetische Vorliebe galt wie Ruskin der Malerei des späten 13. Jahrhunderts, sein Ideal der Produktion jedoch der seit dem späten 14. Jahrhundert mit professionellen, in Zünften organisierten Malern und privaten Auftraggebern. Die Grenzen zwischen diesen beiden Epochen scheinen durch Morris’ Neigung und Idealvorstellungen, seine etwas ungenaue Schilderung der Herstellungsbedingungen von Handschriften sowie sein Bestreben, die Buchmalerei aus ihrem religiösen Kontext zu befreien und ihren Charakter als Kunstwerk herauszustellen, das den von ihm definierten Bedingungen folgt, aufgehoben zu sein. Der zweite Aufsatz, »Some Notes on the Illuminated Books of the Middle Ages«, gibt eine chronologisch gegliederte Einführung in die Geschichte der mittelalterlichen Buchmalerei, wobei Morris der Schriftgestaltung, dem Kolorit und der Qualität des Goldauftrags viel Aufmerksamkeit zukommen lässt. Die beiden letzten Aspekte bildeten seit dem 18. Jahrhundert grundlegende Bewertungskriterien im Umgang mit der Buchmalerei. Die frühmittelalterlichen anglo-irischen Arbeiten lobte Morris wegen der Gleichmäßigkeit, der Schönheit und Lesbarkeit der Schrift sowie aufgrund der Virtuosität der Flechtbandornamentik bei Vernachlässigung der »epical capacity«, wobei er zudem die Unabhängigkeit gegenüber den aufgrund ihrer Pracht bemerkenswerten byzantinischen Handschriften betonte.26 Für ihn gehörte die insulare Buchmalerei trotz ihrer »marvels of intricacy and firm drawing of lines«, trotz der »absolutely unerring accuracy« letztlich jedoch zur Gruppe des »primitive ornament«.27 Morris hat sich trotz der großen Popularität und trotz des Ornamentreichtums nur selten zu den Arbeiten der insularen Buchmalerei geäußert. Er vermutete hier »no capacity for the representation of natural forms, and seemingly no aspirations towards it«, würdigte sie aber als »elaborate pieces of calligraphy«.28 Jedoch stand er ihnen mit einer gewissen Befremdung gegenüber und bewertete sie als eine Sonderform, als »monuments of an art as alien to the general feeling of Gothic as the Arab interlacements : the patience and clearness of execution of them is wonderful, nor do they lack a certain beauty, to a great extent owing to the splendour, and care of the actual writing : […]«.29 Wenig Gefallen fand er allerdings an der Farbgebung 26 Morris 1982, S. 7, 6, siehe a. S. 5. Als Beispiele nannte er das Book of Kells (Trinity College, Dublin, MS 58) und das Book of Lindisfarne (BL, MS Cotton Nero D. iv), ebd., S. 121, Anm. 1 und 2. 27 Ebd., S. 6. Er verglich die insularen Ornamente mit denjenigen der Maoris, ebd., S. 7 ; siehe hierzu ausführlich : Arscott 2008, S. 127–150. 28 William Morris, The Gothic Revival I, 1884, in : Morris 1969, S. 54–73, hier S. 59. 29 Ebd.
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William Morris’ Schriften und Vorträge zur Buchmalerei
der insularen Handschriften.30 Auf die byzantinische Buchmalerei ging er ebenfalls nur kurz ein. Er betonte ihren Reichtum, die Verwendung von Metalllettern auf purpur eingefärbtem Pergament.31 Die spätere englische und kontinentale Buchmalerei erachtete er als Verbindung von insularen und byzantinischen Einflüssen in Hinblick auf Ornamentund Figurenmotive.32 Als »first complete mediaeval school« galt Morris diejenige der Mitte des 12. Jahrhunderts mit ihren den Text begleitenden und erläuternden Miniaturen und der Ornamentik aus »foliage and forms human, animal, and monstrous« von einer »daring and most complete mastery«, ausgeführt in sicherer, genauer Zeichnung und in einer klaren, auf Rot- und Blauwerten basierenden Farbigkeit, deren Leuchtkraft noch durch weiße Punktreihen und einzelne Farbakzente gesteigert werde.33 Begeistert äußerte er sich über den freien und reichen Gebrauch des Goldes, das durch die Qualität der Bearbeitung einen »splendid and refined« Effekt vermittle.34 In der sich anschließenden Buchmalerei sei nicht nur eine zunehmende Verfeinerung in Zeichnung und Farbigkeit, eine Zunahme in »beauty and delicacy«, sondern auch eine wachsende Trennung in deutlich voneinander unterschiedene regionale Schulen zu beobachten.35 Steigende Bedeutung komme dem Rubrikator zu, der besonders die kleineren Initialen mit roter und blauer Tintenzeichnung von »great fineness and elegance« verzierte, wobei die Kombination mit dem Elfenbeinton des Pergaments einen »very beautiful effect« schaffe.36 Insgesamt schätzte Morris an der Buchmalerei der Zeit zwischen 1160 und 1300 besonders die »beauty and exhaustless cheerful invention of the illuminator«, die »great purity of outline and extreme delicacy of colour«.37 Als Höhepunkte der Buchmalerei galten Morris die Arbeiten im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts : »Nothing can exceed the grace, elegance, and beauty of the drawing and the loveliness of the colour found at this period in the best-executed books […]«.38 Jede Handschrift sei durch »a genuine individuality and a life of its own« geprägt.39 Dabei seien die französischen Arbeiten durch eine »dainty and orderly elegance«, die englischen durch »love of life and nature«, einen eher »rude humour« charakterisiert.40 Wieder nennt er den »Tenison oder Alphonso Psalter« und 30 Morris 1982, S. 8. 31 Ebd. 32 Ebd., vgl. a. ebd., S. 6. Als Beispiele für die englische Buchmalerei der Winchester-Schule nennt Morris BL, MS Cotton Vesp. A. viii, ebd., S. 121, Anm. 3. 33 Ebd., S. 8. Vgl. a. Morris’ Äußerung über »the exquisite drawing of the illuminations of English books« in : William Morris, Art and the Beauty of the Earth, CW XXII, S. 155–174, hier S. 159. 34 Morris 1982, S. 8. 35 Ebd., S. 10. 36 Ebd. 37 Ebd., S. 27. 38 Ebd., S. 10. 39 Ebd. 40 Ebd., S. 12.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
den »Queen Mary’s Psalter« (BL, MSS Add. 24686, Royal 2 B. vii) neben dem »Norwich Psalter« (Ormesby Psalter, BLO, MS Douce 366, East Anglia, um 1320–1330) und dem »Arundel Psalter« (De Lisle Psalter, BL, MS Arundel 83 II, London oder Westminster, um 1308) als herausragende Beispiele für die »fertility of invention, splendour of execution, and beauty of colour« der englischen Buchmalerei dieser Zeit.41 Eine weitere, hier allerdings nicht genannte Lieblings-Handschrift Morris’ bildete der Psalter des Robert de Lindesey, Abt von Peterborough, in der Sammlung der Society of Antiquaries, MS 59, der wohl in Peterborough vor 1222 entstand.42 Bereits im 14. Jahrhundert sei dann ein größerer Reichtum, aber auch eine gewisse »mechanical redundancy« bei gleichbleibender »elegance and daintiness« zu vermerken, die von einem Verlust an »manliness and precision« begleitet werde.43 Charakteristisch für diese Zeit seien reich ornamentierte bzw. vergoldete und gepunzte Bildhintergründe, üppige Bordüren mit Blättern, Blüten, Vögeln und Tieren, »naturalistically treated (and very well drawn)«.44 Verfallserscheinungen beobachtete Morris mit dem ausgehenden 14. Jahrhundert, wobei er das Ende der Buchmalerei – »an art which may be called peculiar to the Middle Ages, and which commonly shows mediaeval craftsmanship at its best« – erst um 1530 ansetzte.45 Er schildert die Übergangsphase, die Kombination von Druckkunst und Miniaturmalerei in den frühen Buchdrucken und geht auf die italienische Buchmalerei des 15. Jahrhunderts ein, wobei er besonders die humanistische Schrift lobte, die er, wie das begleitende Flechtwerkornament aus Weißranken, auf Einflüsse durch Buchmalereien des 11. und 12. Jahrhunderts zurückführte.46 Die flämische Malerei des Mittelalters charakterisierte Morris an anderer Stelle als geprägt durch einen »sweet and serious external naturalism, illuminated by colour unsurpassed for purity and brightness«.47 41 Ebd. Peterson identifizierte den »Arundel Psalter« mit BL, MS Arundel 60, in : Morris 1982, S. 121, Anm. 4. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Handschrift aus Winchester aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. 42 Alexander/Binski 1987, Nr. 254, S. 305. Morris schaute die Handschrift am 15.1.1894 und am 11.12.1895 mit F. S. Ellis an, vgl. BL, MSS Add. 52772, S. 28, fol. 43r, Add. 45410. 43 Morris 1982, S. 12, 13 mit Verweis auf BL, MS Royal 17 E. vii (Paris, 1357), ebd., S. 121, Anm. 5. 44 Ebd., S. 13. 45 Ebd., S. 14. Als Beispiele für gelungene Buchmalereien des 14. bis frühen 15. Jahrhunderts verwies Morris auf das »Salisbury Book« (eventuell handelt es sich hierbei um das Lovel Lectionary, BL, MS Harley 7026), eine große Bibel »ornamented in a style very peculiarly English« (BL, MS Royal 1 E. ix ; bei Morris ist fälschlich die Signatur MS Harley 1 E. IX eingetragen), die Wycliffe-Bibelübersetzung (BL, MS Egerton 617–618), das Stundenbuch des Duc de Berry in der Bibliothèque nationale Paris (entweder die Petites Heures, Paris 1375–1380 und 1385–1390, Bourges 1412, oder die Grandes Heures, 1409, BNP, MSS lat. 18014, 919) und die Bedford Hours von 1423 (BL, MS Add. 18850), ebd., S. 121, Anm. 6, 7. 46 Ebd., S. 13. 47 William Morris, Art and Beauty of the Earth, Vortrag vom 13.10.1881, publiziert 1898, in : CW XXII, S. 155– 174, hier S. 160.
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William Morris’ Schriften und Vorträge zur Buchmalerei
Stundenbücher dienten ihm als Beispiel für das lange Fortbestehen der Buchmalerei trotz der Entwicklungen der Druckkunst, wobei sie den »Niedergang« ihrer Gattung anzeigten, da trotz des Reichtums der Ausstattung nicht nur eine Trennung zwischen Malerei und Dekoration/Ornament, sondern auch eine Entfremdung von Künstler und Aufgabe zu erkennen sei.48 Die Einheit der Seite werde durch eine Hierarchisierung der Elemente gestört. So büße das Ornament seine Qualität auch dadurch ein, dass es der Miniatur untergeordnet werde. Die Ausführung der Miniaturen sei zudem äußerst unterschiedlich : »Often the pictures are exquisitely-finished minatures belonging to the best schools of painting of the day ; but often also they are clearly the work of men employed to fill up a space, and having no interest in their work, save livelihood.«49 Das Verständnis der Buchmalerei als eigene Gattung bestimmte Morris’ ästhetische Vorlieben und lag auch seiner Ablehnung der bisher hochgeschätzten Arbeiten Giulio Clovios zugrunde, denn diese folgten durch die Darstellung eines tiefendimensionalen Bildraumes nicht den Bedingungen, die durch die Zweidimensionalität der Seite auferlegt würden. Clovios Buchmalereien erfreuten sich nach Vasaris überschwänglichem Lob und seiner Charakterisierung des Künstlers als »a’tempi nostri un piccolo e nuovo Michelangelo« kontinuierlich großer Beliebtheit und galten bis ins 19. Jahrhundert hinein als der Höhepunkt der Buchmalerei.50 Zusammenfassend lässt sich Morris’ Geschichte der Buchmalerei als eine stetige Weiterentwicklung zu einem Höhepunkt hin definieren, dem sich wiederum ein langsamer Abstieg anschließt : Dabei werden die beiden Grundlagen der Buchmalerei – die irischen und byzantinischen Arbeiten – zunächst im 11. Jahrhundert zu einer gelungenen Synthese geführt und dann über lange Zeit hinweg bis ins späte 13. Jahrhundert verfeinert, nach regionalen Neigungen und Bedürfnissen differenziert und vervollkommnet. Qualitätsmerkmale für die Beurteilung sind für Morris die Bildung von Schrift und Zeichnung, der Goldauftrag sowie die Zusammenstellung der Farben : In those [books] that are ornamented without pictures illustrative of the text, the eye is so pleasured, and the fancy so tickled by the beauty and exhaustless cheerful invention of the illuminator, that one scarcely ventures to ask that the tale embodied in the written characters should be further illustrated. But when this is done, and the book is full of pictures, which tell the written tale again with the most conscientious directness of design, and as to execution with great purity of outline and extreme delicacy of colour, we can say little more than that the only work of art which surpasses a complete mediaeval book is a complete mediaeval building.51 48 Morris 1982, S. 14. Vgl. a. ebd., S. 18 : »Art became more and more elaborate, but not more and more beautiful«. 49 Ebd., S. 14. 50 Giorgio Vasari, Le Vite de’ più eccellenti pittori, scultori e architettori, hrsg. von Paola della Pergola, Luigi Grassi, Giovanni Previtali, 10 Bde., Istituto geografico de Agostini S.p.A., Novara 1967, Bd. VII, S. 446. 51 Morris 1982, S. 27 ; vgl. ebd., S. 38.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
Morris bewertete somit Direktheit und Deutlichkeit der Vermittlung als besondere Eigenschaften, die er in den Miniaturen der Zeit zwischen 1160–1300 vorfand. Danach konstatierte er einen Verlust von »purity and simplicity, more than it gains in pictorial qualities, and at last, after the middle of the fifteenth century, illuminated books lose much of their individuality on the ornamental side ; and though they are still beautiful, are mostly only redeemed from commonplace when the miniatures in them are excellent«.52 Morris’ Anmerkungen zu den jeweiligen Schulen sind weniger wie bei Gustav Waagen als Auflistungen bestimmter Merkmale der Figuren- und Gewandgestaltung zu fassen, die in ihrer Gesamtheit einen an anderen Arbeiten wiederzuerkennenden Kanon bilden, sondern vielmehr als eine Art prägnanter Charakterisierung, die die wesentlichen Merkmale kurz und treffend nennt und eher vom Gesamteindruck der Arbeiten ausgeht. Morris’ Neigung für bestimmte Epochen der Buchmalerei, die Ablehnung Clovios, seine Auffassungen von der Stilisierung der Naturformen, der Vermeidung tiefendimensionaler Hintergründe, dem Zusammenklang aller Elemente auf der Seite, der Originalität der Erfindung entsprechen weitgehend den Ansichten, die von den englischen Autoren der Lehrbücher und historischen Darstellungen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Buchmalerei verfasst wurden, die wiederum oftmals im Kontext einer geplanten Reform des Kunstgewerbes und damit auch der Buchkunst standen. Morris setzte diese Auffassungen fort und ergänzte sie durch ausführlichere Anmerkungen zum Buchmaler als exemplarischem Handwerker-Künstler. Buchmalereien dienten ihm nicht nur dazu, eine von ihm hochgeschätzte, aber in der Allgemeinheit eher unbekannten Gattung in ihrer historischen Entwicklung vorzustellen, sondern auch dazu, sein Ideal des Handwerker-Künstlers zu propagieren und die historische Bedingtheit der Kunst zu veranschaulichen. Die Abhängigkeit von Kunstproduktion und Geschichte/Tradition solle zu einer zeitgemäßen Kunst anregen, zu Überlegungen, wie eine »moderne« Kunst aussehen könne, wobei die Kunstgeschichte eine Sammlung von Vorlagen bereitstelle, deren allgemeine Gestaltungsgrundlagen untersucht werden sollten und auf deren Ergebnissen aufzubauen sei. Die gotische Kunst bilde dabei ein hervorragendes Beispiel für den Künstler, weil hier die Gesetze der Mustergestaltung, darunter Morris’ Idee der »organic growth«, ihre klarste Ausprägung erfahren hätten und sie »Love of Nature as the only instrument for telling a tale of some sort or other« mit den Qualitäten des »epical«, »ornamental« und »romantic« verbände.53 Wie seine Kollegen empfahl auch Morris einen Blick auf illuminierte Handschriften, wenn es um Ideen für Musterentwürfe ging :
52 Morris 1982, S. 27. 53 William Morris, Address on the Collection of Paintings of the English Pre-Raphaelite School in the City of Birmingham Museum and Art Gallery, 24.10.1891, in : Morris 1966 I, S. 296–310, hier S. 303.
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Literatur zur Buchmalerei in William Morris’ Bibliothek
If you look at the pieces of colouring that most delight you in ornamental work, as, e.g., a Persian carpet, or an illuminated book of the Middle Ages, and analyse its elements, you will, if you are not used to the work, be surprised at the simplicity of it, the few tints used, the modesty of the tints, and therewithall the clearness and precision of all boundary lines.54
Seine Intention war die Wiedergewinnung der »organic art«, die seine beiden Kunstziele Narration und Dekoration verbindet und die er in seinem Ideal des mittelalterlichen Kunsthandwerkers verwirklicht sah. Sein Anliegen war es, Wege aufzuzeigen, die zu einer zeitgemäßen Kunst, zu einer »art for the people«, einer »living art« führen. Morris betrachtete Buchmalerei unter Anlegen der Bewertungsmaßstäbe des dekorativen Künstlers. So erwartete er auch von den Buchmalern, dass sie die Auflagen von Gebrauchszweck, Materialgerechtigkeit erfüllten, nach Qualität des Ornaments und einem harmonischen ästhetischen Gesamteindruck, dem Miteinander aller Elemente auf der Seite strebten. In Hinblick auf diese Aspekte sei die mittelalterliche Buchmalerei höher zu bewerten als die virtuosen Arbeiten Clovios, die die von Morris aufgestellten Anforderungen nicht erfüllen konnten. Die Stilisierung der Naturformen, der Verzicht auf einen tiefendimensionalen Bildraum werden bei Morris nicht als Fehler, sondern vielmehr als Berücksichtigung der spezifischen Vorgaben des Mediums, als Einbeziehung der gattunsspezifischen Gegebenheiten von Material und Funktion positiv bewertet.
4.2 Literatur zur Buchmalerei in William Morris’ Bibliothek Morris’ besaß, wie seine Bibliothekskataloge belegen, eine umfangreiche Sammlung an Literatur zu den Buchkünsten, deren Kenntnis bei seinen Vorträgen zu berücksichtigen ist.55 Seine Bibliothek umfasste illustrierte Texteditionen, verschiedene HandschriftenPublikationen, Bibliothekskataloge, Auktionskataloge und Kataloge von Antiquaren, bei denen Morris Kunde war, wie Ellis & Elvey und Bernard Quaritch, sowie Artikel zu einzelnen Handschriften. Von Büchern zur Buchgeschichte gehörten ihm »Klassiker« wie Thomas Frognall Dibdins »Bibliographical Decamerone«, allerdings wohl nur Bd. II und III (London 1817), und verschiedene jüngere Publikationen. Neben diplomatischhistorischen Nachschlagewerken, die Informationen über das Erscheinungsbild der historischen Schriften vermittelten, wie das »Nouveau Traité de Diplomatique par deux Religieux Bénédictins de la Congrégation de St. Maur« (6 Bde., 1750–1765) und Joseph54 William Morris, An Address delivered at the distribution of prizes to students of the Birmingham Municipal School of Art, 21.2.1894, CW XXII, S. 421–437, hier S. 436. Bei Morris’ Muster »Bachelor’s Button« wurden illuminierte Handschriften aus Siena als Anregung vermutet, vgl. Day 1899, S. 18. 55 Siehe hierzu die Aufstellung in Anhang IV.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
Balthazar Silvestres »Universal Palaeography« (in der Übersetzung von Frederic Madden, 1850), erwarb Morris auch Quelleneditionen, die über mittelalterliche Techniken informierten, darunter Theophilus’ »The Arts of the Middle Ages« in der Übersetzung durch Robert Hendrie (1847). Morris besaß zudem eine Reihe von kultur- und kunstgeschichtlichen Publikationen, die Informationen und Abbildungen zur Buchmalerei enthielten, darunter auch Séroux d’Agincourts »History of Arts by its Monuments« (3 Bde., 1847). Von den zeitgenössischen Illuminierhandbüchern verfügte Morris über Tymms’ und Wyatts »The Art of Illuminating from the Earliest Times« (o. J., 1. Aufl. 1859) sowie J. J. Laings »A Companion to the Manual of the Art of Illumination« (1871).56 Morris besaß auch Henry Shaws »The Art of Illumination in the Middle Ages« von 1870, eine Neuausgabe seines »A Handbook of the Art of Illumination as practised during the middle ages with a description of the metals, pigments, and processes employed by the artists at different periods« von 1866.57 Diese Publikationen erschienen erst, nachdem Morris bereits seine erste Illuminierungsphase abgeschlossen hatte. Vermutlich kaufte er sie Ende der 1860er Jahre, als er sich erneut dem Illuminieren widmete und die umfangreichere Gruppe seiner Handschriften entstand.
4.3 William Morris und John Ruskins Überlegungen zur Buchmalerei Als prägender Einfluss für Morris’ Verständnis der Buchmalerei muss John Ruskin (1819–1900) gelten, der seit Anfang der 1850er Jahre Handschriften sammelte.58 Von ihm übernahm Morris die Wertschätzung der Buchmalereien aus der Zeit von 1250 bis 1350 und die Ablehnung derjenigen des 16. Jahrhunderts, besonders der flämischen Arbeiten mit ihren naturalistischen Darstellungen in den Seitenrändern sowie der des wegen seiner Virtuosität auch im 19. Jahrhundert hochgelobten Giulio Clovio, dessen Arbeiten mit kunsthistorischen Motivübernahmen Sammlern immer noch als erstrebenswerte Krönung ihrer Bibliothek galten.59 Ruskin war von der Schönheit der mittelalterlichen Handschriften fasziniert : Über ein Stundenbuch aus der Zeit um 1300 äußerte er, begeistert von dem Phantasiereichtum und der Farbintensität der Malereien : »The new worlds which every leaf of this book opened to me, and the joy I had, counting their letters, and unravelling their arabesques as if they had all been of beaten gold […] cannot be told«.60 Sein Vergnügen an den Hand56 WM 1898, Los 1034 ; Bridwell Lib., Nr. 490, 637, fol. 37r, 48r. 57 WM 1898, Los 1065 ; Bridwell Lib., Nr. 151, fol. 14r. 58 Eine Zusammenstellung der Handschriften Ruskins, die in die Museum and Guild of St. George überführt wurden, in : Ruskin, Lib. Ed. XXX, S. 254–260. Zu Ruskins Bibliothek : Ruskin, Lib. Ed. XXXIV, S. 697 ff., besonders S. 700–701 ; Dearden 1966. 59 Douce 1984, S. 131. 60 Ruskin, Praeterita III, Lib. Ed. XXXV, S. 490–491. Ruskin bezieht sich hier auf ein nordfranzösisches Stun-
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schriften rechtfertigte er durch ihre Verwendung in didaktischem Zusammenhang, was auch zum Heraustrennen und Rahmen einzelner Seiten, nicht jedoch, wie zu seiner Zeit durchaus üblich, zum Herausschneiden von Miniaturen führen konnte. Die Einzelseiten wurden einer der durch ihn geförderten Schulen in Oxford und Sheffield sowie Whitelands und Bembridge auf der Isle of Wight zur Verfügung gestellt.61 In Ermangelung von passenden Beispielen gab Ruskin auch Nachzeichnungen von Buchmalereien bei Henry Swan, einem ehemaligen Studenten am Working Men’s College, bei J. J. Laing und Charles Fairfax Murray, der Guild of St. George in Sheffield und der Cork High School in Auftrag bzw. fertigte diese selbst an.62 Ruskins Kenntnisse im Bereich der Buchmalerei basierten auf dem genauen Studium der Handschriften in der British Library, wobei er die betrachteten Arbeiten nach Sujet, Stil, Farbigkeit und Entstehungszeit gliederte.63 Er verfasste keinen umfassenden historischen Abriss zur Buchmalerei. Seine Überlegungen haben sich jedoch in Mitschrifdenbuch aus der Zeit um 1300, das er 1850/1851 erwarb (V&A, MS Reid 83), Ausst.-Kat. Ruskin and his Circle, Arts Council 1964, Kat. Nr. 173, S. 45 ; Dearden 1966, Nr. 30, S. 139. Zu Ruskins Interesse an der »art« der Handschriften siehe seine Äußerungen in einem Brief an Charles Norton vom 20.1.1854, Ruskin, Lib. Ed. XXXVI, S. 162. 61 Vgl. hierzu Ruskin, Lib. Ed. XII, S. lxviii–lxix ; Ruskin 1988 II, S. 486 (30.12.1853), 488 (3.1.1854) ; Elliott 2000, S. 36. Siehe Hewison 1996, Kat. Nr. 54, S. 118–119 ; Ruskin, Lib. Ed. XV, Appendix, S. 496 ; Dearden 1966, Nr. 16, S. 134/136 (in Bezug auf das Gebetbuch des hl. Ludwigs/Stundenbuch der Isabella von Frankreich, zwischen 1252 und 1270, FMC, MS 300) ; Ruskin, Lib. Ed. V, S. 496 ; ebd., VI, S. 98 ; ebd. XII, S. 479 ; ebd. XIX, S. 100 ; ebd. XXI, S. 15–16 sowie Anm., S. 174, 253, 270–271 ; ebd. XXVI, S. 189 ; ebd. XXXVI, S. 564. Siehe weiterhin Ruskin Library, Lancaster RF 194 : Wieck 1996, Abb. 15 auf S. 242 ; Hamel 1995, S. 14. 62 Von Laing stammen z. B. die Blätter AMO, WA. RS. ED. 207–208 (nach Initialen aus einer englischen oder französischen Handschrift des späten 13. Jahrhunderts). Zu Murray vgl. die Einträge in Murrays Diary von 1874, CFLP, Inv.-Nr. 1983. A. 27 (8.–10. und 13.1.1874 : »Tracing letters from Choral books for Ruskin«). Catherine W. Morley, John Ruskin : Late Work 1870–1890. The Museum and Guild of St. George : An Educational Experiment, New York & London 1984, S. 59, 146. Zu den von Ruskin bestellten Kopien des »Book of Kells« : Ausst.-Kat. Ruskin and his Circle, Arts Council 1964, Kat. Nr. 180, S. 46 ; Ruskin, Lib. Ed. XXI, S. 50, Anm. 6. Ruskin bestellte auch Kopien nach Initialen der Arnstein Bibel (BL, MS Harley 2798, Koblenz 1172) : AMO, WA. RS. ED. 204. Zu Ruskins eigenen Zeichnungen nach Buchmalereien siehe AMO, WA. RS. ED. 167, WA. RS. RUD. 041.a-b (nach dem Ormesby Psalter, BLO, MS Douce 366, spätes 13. Jahrhundert, um 1310 und um 1320), AMO, WA. RS. WAL. 15-b (nach dem Stundenbuch der Isabella von Frankreich aus seiner eigenen Sammlung, Paris, zwischen 1252 und 1270, FMC, MS 300) und Bembridge 1321 (Clegg 1983, Nr. 90). Siehe auch »The Ruskin Art Collection. Catalogue of the Reference Series«, Katalog und Anmerkungen zu der »Educational Series« sowie der »Rudimentary Series« und »Working Series«, in : Ruskin, Lib. Ed. XXI. Zu einer genauen Zuordnung der einzelnen Zeichnungen nach Buchmalereien nach ihrem ehemaligen Aufbewahrungsort in den von Ruskin geförderten Lehrinstituten und der Einarbeitung als Beispiel in seinen Schriften siehe Homepage des AMO mit Katalog der Ruskin-Sammlung : http://ruskin.oucs.ox.ac.uk/collection. 63 Ruskin, Lib. Ed. XXXIII, S. 424, Anm. 2 ; ebd. XII, S. lxviii ; Ruskin 1958 II, S. 488, 489 (6.1. und 31.1.1854). Ruskin kannte auch die Sammlungen in Edinburgh, Glasgow und diejenige des Duke of Hamilton, Ruskin, Lib. Ed. XII, S. lxvii.
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ten und Presseberichten von drei Vorträgen – »Addresses in Decorative Colour« von November und Dezember 1854 – erhalten.64 Der erste zu »Distinction between Illuminating and Painting« (11.11.1854) enthielt einen knappen historischen Überblick zur Buchmalerei, wobei sich Ruskin besonders seiner bevorzugten Zeit von 1250 bis 1350 widmete sowie eine Definition des Illuminators als »writer and illuminator of books« beisteuerte, der die Schriftform dekoriert im Unterschied zum Miniaturmaler.65 So definierte Ruskin auch an anderer Stelle die Tätigkeit des Illuminators : […] not the art of miniature-painting in books, or on vellum, which has ridicuously been confused with it ; but of making writing, simple writing, beautiful to the eye, by investing it with the great chord of perfect colour, blue, purple, scarlet, white, and gold, and in that chord of colour, permitting the continual play of the fancy of the writer in every species of grotesque imagination, carefully excluding shadow ; the distinctive difference between illumination and painting proper, being, that illumination admits no shadows, but only gradations of pure colour.66
Seine Bevorzugung der Buchmalerei der Zeit von 1250 bis 1350 basierte auf der spezifischen Art und Weise, wie in dieser Epoche die »peculiar modification of natural forms for decorative purposes […] in its perfection, with all its beauty, and all its necessary shortcomings« erfolgt sei.67 Er fand hier die von ihm favorisierte »bold rejection of all principles of perspective, light and shade, and drawing […] infinitely more ornamental to the page, owing to the vivid opposition of their bright colours and quaint lines, than if they had been drawn by Da Vinci himself«, sowie »clearness of outline and simplicity of colour, without the introduction of light and shade«, eine »fenced, but varied, symmetry ; a perfect definiteness ; and a love of nature, more or less interfered with by conventionalism and imperfect knowledge«.68 Nicht nur die Darstellung mit klaren, markanten Konturen, sondern auch die Intensität und Einfachheit der Farbigkeit, die kraftvolle Zeichnung galten ihm als vorbildhaft für die eigene Zeit.69 Ruskin unterteilte die Buchmalerei in drei wesentliche Phasen : Im 7.–9. Jahrhundert komme es zum Herausarbeiten der Grundlagen von Dekorationselementen, die noch an die Schrift gebunden bleiben ; im 13. Jahrhundert werde die Vollkommenheit durch die Einführung von Naturmotiven mit dem Höhepunkt um 1300 erreicht und daran schließe sich der Niedergang an, da sich die Buchmalerei immer stärker in perspektivischer Darstellung und naturalistischer Wiedergabe an der zeitgleichen Tafelmalerei 64 Vgl. hierzu : ebd., S. 474, Anm. 1, und S. lxvi. Ruskin hielt außerdem einen Vortrag vor der Society of Antiquaries im Juni 1861 während einer Buchmalerei-Ausstellung in ihren Räumen, ebd., S. 481–482, Anm. 1. 65 Ruskin, Lib. Ed. XII, S. 478 ; vgl. S. 481–482, Anm. 1, 490–491. 66 Ruskin, Modern Painters III, Lib. Ed. V, S. 263. 67 Ebd., S. 139. 68 Ruskin, Lib. Ed. IX, S. 285 ; ebd. XII, S. 481 ; ebd. VI, S. 99. Vgl. ebd. XII, S. 482 ; ebd. V, S. 264. 69 Ruskin, Lib. Ed. XII, S. 490, vgl. ebd., S. 499 ; ebd., S. 481 ; ebd. XI, S. 23 ; ebd. V, S. 298, 262.
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William Morris und John Ruskins Überlegungen zur Buchmalerei
orientiere.70 Als wesentliche Unterscheidungsmerkmale galten ihm neben der Farbigkeit auch die Gestaltung der Seitenränder und die Hintergrundflächen der Miniaturfelder.71 Im zweiten Vortrag (25.11.1854) widmete sich Ruskin den »general principles of outline« und ging auf Unterschiede in der Malerei der Handschriften in Abhängigkeit zur Kunstlandschaft ein,72 während er sich im dritten (9.12.1854) zur Farbe äußerte. Weiterhin erläuterte er in den Vorträgen seine Überlegungen für eine zeitgemäße Nutzung von illuminierter Schrift, die er besonders in der Ausschmückung von Kirchen- und Innenräumen sowie in der Dekoration von Geschäftsfassaden und Ladenschildern erachtete.73 Für die Illuminierung von Texten empfahl Ruskin Gedichtbände, nicht jedoch die Bibel.74 Ansonsten bezog sich er, wie Alice Hauck detailliert aufzeigte, eher auswählend und beispielhaft auf einzelne Buchmalereien.75 Er griff auf diese Gattung in Zusammenhang mit seinen Erläuterungen zu Kunst und Natur und zur Stilisierung des Naturvorbilds (im Sinne der Befolgung der Prinzipien desselben) zurück.76 Ebenso bediente er sich der Buchmalerei bei Darlegungen zu Farbigkeit und Formgebung sowie zur Erklärung seiner Kernbegriffe »Beauty« und »Truth«.77 Ein weiterer Themenbereich, in dem Buchmalerei eine Rolle spielte, betraf Fragen des Herstellungsprozesses und das Verhältnis des Künstlers oder Arbeiters zu seinem Werk oder Produkt.78 In Bezug auf das Beaupré-Antiphonar (Walters Art Gallery, Baltimore, Inv.-Nr. W. 759–62), eine flämische Handschrift der Zeit um 1290 aus Ruskins Sammlung, widmete er sich auch eher buchspezifischen Gesichtspunkten wie Ornament und Klarheit der Erzählung.79 Für Morris war besonders Ruskins Vorstellung vom Buchmaler als freiem, in seiner Arbeit aufgehendem Handwerker-Künstler prägend80 sowie die Auffassung von einer in sich stimmigen Handschrift, in der sich alle Teile zu einem harmonischen Ganzen wie in der Architektur zusammenfügen. Ruskin verglich eine gelungene illuminierte Handschrift mit einer »fairy cathedral full of painted windows, bound together to carry in one’s pocket, with the music and the blessings of all its prayers besides«.81 70 71 72 73 74 75
Vgl. ebd. XII, S. 480–481, 491. Ruskin, Giotto and his Works in Padua, Lib. Ed. XXIV, S. 31–32, 25 ; ebd. XI, S. 27–28. Ruskin, Lib. Ed. XIII, S. 494–495. Ruskin, Lib. Ed. XII, S. 484. Ebd., S. 483–484. Hauck 1981 zeigt den Rückgriff etwa auf das Beaupré-Antiphonar in »The Stones of Venice«, den »Edinburgh Lectures«, den Vorträgen am Architectural Museum in London, in der Publikation über Giottos Fresken in der Arena-Kapelle für die Arundel Society und in »Modern Painters«, Bd. III und IV. 76 Ruskin, Lib. Ed. VI, S. 333–334 ; ebd. XI, S. 8–9 ; ebd. XII, S. 145–147 ; ebd. XVI, S. 304–305, Anm. 77 Ruskin, Lib. Ed. V, S. 267–268. 78 Ruskin, Lib. Ed. XII, S. 476. 79 Ebd., S. 497–498. Zum Beaupré-Antiphonar : Dearden 1966, Nr. 21, S. 135–136. 80 Ruskin, Lib. Ed. XII, S. 144, 476. 81 Ruskin, Praeterita III, Lib. Ed. XXXV, S. 491. Vgl. hierzu Schoenherr 2004. Burne-Jones griff diese Idee auf, wenn er in Hinblick auf den Kelmscott Chaucer äußerte : »[…] indeed when the book is done, if we live to fi-
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Da Ruskin unter Illuminierung die Dekoration der Schrift verstand und diese im Sinn der Angemessenheit nur stilisiert, nicht jedoch naturalistisch ausfallen solle, lassen sich die Aspekte der Funktion und Angemessenheit als bestimmende Elemente in seinem Verständnis ausmachen. Miniaturen, die Ruskin als Buchbilder auffasste, waren nicht der Illuminierung zugehörig. Morris folgte ihm in der Auffassung, dass ein Buch allein durch die Gestaltung der Schrift schön sein könne, doch schätzte er die Miniaturen und narrativen Elemente der Seitenranddekorationen als wichtige Faktoren der Erzählung und als Ergänzung des Textes.
4.4 Das Interesse für Buchmalerei im 19. Jahrhundert In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Beschäftigung mit der Buchmalerei in verschiedenen Bereichen. Einen guten Überblick über den Stand der Kenntnisse zur Buchmalerei und die verfügbare Literatur gibt der Artikel im »Quarterly Review« vom Juni 1844.82 Hier wird die geringe Möglichkeit, Handschriften im Original zu sehen, bedauert, und auf die Bedeutung von Henry Shaws und Frederic Maddens »Illuminated Ornaments« von 1833 für eine weitere Verbreitung der Informationen zum Thema verwiesen.83 Den Ausgangspunkt für die Kenntnisse bildeten noch immer Publikationen, die im Zuge des im späten 18. Jahrhunderts ansetzenden Antiquarianismus entstanden wie diejenigen von Joseph Strutt, aber auch die Paläographie-Bücher von Jean Mabillon, Bernard de Montfaucon, Joseph-Balthazar Silvestre, Alexandre du Sommerard, Charles Dufresne Ducange, das »Nouveau Traité de Diplomatique« sowie von Scipione Maffei.84 Als neuere Publikationen werden diejenigen von Thomas Johnes, John Obediah Westwood, William Young Ottley, John Gage Rokewode und Comte Auguste de Bastard d’Estang erwähnt, dessen Werk aufgrund seiner Pracht und Genauigkeit hervorgehoben wird.85 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Beschäftigung mit der Buchmalerei in verschiedenen Bereichen. Historische Buchmalereien spielten im Kontext der Kostümwerke – eine Spezialisierung innerhalb der im 18. Jahrhundert beginnenden und schon unter Joseph Strutt differenzierten, umfangreichen kultur- und realiengeschichtlichen Untersuchungen – aufgrund der Fülle der visuellen Überlieferung eine bedeutende Rolle. Weiterhin finden sich, wie bereits erwähnt, historische Abrisse in den Handbünish it, it will be like a pocket cathedral – so full of design and I think Morris the greatest master of ornament in the world«, Burne-Jones in einem Brief an Charles Eliot Norton vom Dezember 1894, zit. nach : Harrison/ Waters 1973, S. 164. 82 Quarterly Review 1844, S. 175–187. 83 Ebd., S. 175, 176. 84 Siehe weiterführend : Braesel 2009a, S. 92–196. 85 Ebd., S. 180.
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Das Interesse für Buchmalerei im 19. Jahrhundert
chern zur Miniaturmalerei – praktischen Anleitungen für den professionellen und den Amateurilluminator. Andere, oftmals reich mit Tafeln ausgestattete Publikationen zur Buchmalerei dienten entweder als kunsthistorische Einführung in diesen besonderen Bereich der Disziplin, als kommentierte visuelle Geschichte der Buchmalerei oder als Mustersammlungen. Das Interesse für die mittelalterliche Buchmalerei entwickelte sich im Zuge des Gothic Revival, das neben ästhetischen Aspekten, dem Streben nach einer spezifisch englischen Kunst auch die Vorliebe für das Rittertum, religiöse Anliegen oder die Sehnsucht nach einer vorindustriellen Lebensweise umfasste. Die mittelalterliche Buchmalerei spielte zunächst nur eine relativ geringe Rolle in der Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Kunst und Kultur. Durch die umfassende Erforschung der mittelalterlichen Kulturgeschichte und durch die von der Paläographie in Zusammenhang mit der Urkundenprüfung vorbereitete Methodik bzw. durch antiquarische Realiensammlungen stand am Beginn des 19. Jahrhunderts ein Kriterienkatalog zur Verfügung, der auch für den Umgang mit Werken der mittelalterlichen Kunst verwendet werden konnte. In Kombination mit Bestimmungskriterien der Kunstgeschichte entstanden auf dieser Grundlage in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts erste Untersuchungen zu Handschriften durch Séroux d’Agincourt, William Young Ottley, John Gage Rokewode,86 Thomas F. Dibdin
86 Jean Baptiste Séroux d’Agincourt, Histoire de l’art par les monumens depuis sa décadence au IVe siècle jusqu’à son renouvellement au XVIe, 6 Bde., Paris 1823 ; William Young Ottley, Catalogue of a highly valuable and extremely curious collection of illumined Miniature Paintings of the greatest beauty, and of exquisite finishing, taken from the Choral Books of the Papal Chapel in the Vatican, during the French Revolution, and subsequently collected and brought to this Country by the Abate Celotti, Christie’s, London, 26.5.1825 ; William Young Ottley, A Letter to John Gage [Rokewode], Esq., F.R.S., Director, by William Young Ottley, Esq., F.S.A., &c., on a Manuscript in the British Museum, believed by him to be of the Second or Third Century, and containing the translation of Aratus’s astronomical Poem by Cicero, accompanied by Drawings of the Constallations : with a preliminary Dissertation in proof of the use of Minuscule Writing by the Ancient Romans ; and a corrected edition of the Poem itself, including ten lines not heretofore known, 13.2.1834, Archaeologia XXVI, London 1836, S. 47–214 ; John Gage [Rokewode], A Dissertation on St. Æthelwold’s Benedictional, an illuminated MS. of the 10th century, in the Library of his Grace the Duke of Devonshire, 12. & 19.1.1832, Archaeologia XXIV, London 1832, S. 1–117 ; John Gage [Rokewode], A Description of a Benedictional, or Pontifical, called Benedictionarius Roberti Archiepiscopi, an illuminated Manuscript of the 10th century, in the Public Library at Rouen, 9.2.1832, Archaeologia XXIV, London 1832, S. 118–136 ; John Gage [Rokewode], The Anglo-Saxon Ceremonial of the Dedication and Consecration of Churches, illustrated from a Pontifical in the Public Library at Rouen by John Gage [Rokewode], Esq. F.R.S., Director, in a letter to the Right Honourable the Earl of Aberdeen, KT, President, 28.03.1833, Archaeologia XXV, London 1834, S. 235–250 und 251–274 ; John Gage Rokewode, Remarks on the Louterell Psalter, an illuminated Manuscript of the first Part of the Fourteenth Century, communicated by John Gage Rokewode, Esq., Director, in a Letter to the Earl of Aberdeen, President, Vetusta Monumenta quae ad Rerum Britannicorum Memoriam conservandam Societas Antiquarium Bd. 6, London 1839, Taf. xx-xxv. Siehe hierzu : Braesel 2009a, S. 336–356, 393–408.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
und Joseph Strutt.87 Beginnend im 18. Jahrhundert, erfolgte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der langsame Wandel von einer zunächst antiquarisch-kulturgeschichtlichen zu einer kunsthistorischen Beschäftigung mit der Buchmalerei. Dieses spiegelt sich auch in der Zunahme von Handschriften im Kunsthandel, den steigenden Preisen, der wachsenden Anzahl berühmter Sammlungen, der Organisation der Sammler in Interessenverbänden und der Zahl von Ausstellungen.88 4.4.1 Ausstellungen und Sammlungspräsentationen
Im British Museum wurden 1851 Autographen, historische Dokumente, Siegel und Handschriften aus dem »Manuscript Department« präsentiert. Eine stärker differenzierte Ausstellung wurde 1859 eingerichtet. Der Schwerpunkt lag zunächst auf historischen Dokumenten und Autographen berühmter Persönlichkeiten. Daneben waren schon 1851 besonders alte und als außergewöhnlich schön illuminiert erachtete Handschriften ausgestellt.89 Im Vergleich mit den anderen Bereichen war die Zahl dieser Exponate jedoch eher gering. Die Anzahl von ausgestellten illuminierten Handschriften stieg erst in den 1870er Jahren langsam an. Einzelne Handschriften, in denen sich Qualität des Buchschmucks, hohes Alter oder die Verbindung zu einer bedeutenden Persönlichkeit vereinigten, gehörten zum festen Grundbestand der ausgestellten Handschriften, so das »Book of Lindisfarne« (MS Cotton Nero D. iv), die Alkuin Bibel (Moutier-Grandval Bibel, MS Add. 10546), der »Harley Psalter« aus dem 10. Jahrhundert (MS Harley 603), die Silos Apokalypse (MS Add. 11695), die Gedichte von Convenevole da Prato mit einem 87 Dibdin 1817 ; Strutt 1773/1842 ; Joseph Strutt, Horda Angel-Cynnan or a Complete view of the Manners, Customs, Arms, Habits, etc., of the Inhabitants of England, 3 Bde., London 1775–1776 ; Strutt 1779 ; Joseph Strutt, Glic Gamena Angel Deod or, The Sports and Pastimes of the People of England including the rural and domestic recreations, May-Games, Mummeries, Pageants, Processions, and pompous spectacles, from the earliest Period to the Present Time illustrated by engravings selected from ancient paintings in which are represented most of the popular diversions, London 1801 ; Strutt 1842/1970. Siehe ausführlicher : Braesel 2009a, S. 414–424, 300–319. 88 1814 wurde der nach dem berühmten Sammler benannte Roxburghe Club gegründet, 1853 die Philobiblon Society und 1856 der Burlington Club. 89 British Museum 1851, S. 27, 29 ; vgl. British Museum 1859, S. 33. 1851 waren u. a. die folgenden Handschriften ausgestellt : die Alkuin oder Moutier-Grandval Bibel, eine französische Handschrift mit dem Alten und Neuen Testament (spätes 14. Jh.), das Grandisone-Stundenbuch (15. Jh.), Lydgates »St. Edmund« (1433). Gezeigt wurden ein Froissart und ein Valerius Maximus aus der de Comines-Sammlung (1445–1509 und 1480) sowie die Convenevole da Prato-Handschrift (1332–42), das Book of Lindisfarne, der Psalter für Mélisande d’Anjou (Egerton MS 1139, 1131–44). 1859 wurden u. a. gezeigt die Alkuin Bibel, das Book of Lindisfarne, ein angelsächsischer Psalter des 10. Jh.s, die Silos Apokalypse, die Convenevole da Prato-Handschrift, das Lovell-Lektionar, die Arnstein Bibel und der Harley Pentateuch. 1858 erschien »A Guide to the Printed Books exhibited to the public in the Grenville Library and King’s Library« (British Museum, London 1858), der eine große Anzahl illuminierter Drucke auflistet, S. 19–20.
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Bildnis von René von Anjou (MS Royal 6 E. ix), das Lovell Lektionar mit dem Stifterporträt (MS Harley 7026) und die Arnstein Bibel und Passionale (MSS Harley 2799–2798, 2800–2802). In den Präsentationen von 1866, 1869 und 1878 wurden diese Handschriften durch relativ neu in die Sammlung gelangte Exponate ergänzt.90 Das steigende Interesse an Handschriften und die wachsenden Kenntnisse in diesem Bereich werden in den Katalogtexten zu den Exponaten deutlich. Beschränkten sich diese in den 1860er Jahren noch weitgehend auf die wesentlichen Angaben zum Buchschmuck bzw. auf dessen Besonderheiten und gingen sie nur in seltenen Fällen auf Qualität, Stil und Erscheinungsbild ein, so erfolgte dies schon regelmäßiger im Katalog von 1878. Im »Handbook for Readers at the British Museum« von 1866, das allgemeine Informationen zu den einzelnen Sammlungen und ihren Katalogen vermittelte, finden sich auch die Vorschriften zum Durchzeichnen von Handschriften : Durchzeichnungen waren nur nach Rücksprache mit der Bibliotheksaufsicht für Text und Konturen gestattet.91 Bei Handschriften mit farbigem Buchschmuck und Miniaturen war dieses nicht erlaubt. Neben der Präsentation von Hauptwerken aus dem Bibliotheksbestand gab es auch erste temporäre Ausstellungen mit Buchmalereien. So umfasste 1857 die »Art Treasures Exhibition« in Manchester einige Einzelblätter aus verschiedenen privaten Sammlungen, darunter solche Arbeiten, die sich ehemals in denen von William Roscoe und William Young Ottley befunden hatten, die für ihre italienischen Arbeiten des späten 15. Jahrhunderts berühmt waren.92 1861 veranstaltete die Society of Antiquaries of London, die sich in ihren Publikationsmedien bereits seit dem 18. Jahrhundert mit Buchmalerei beschäftigt hatte, eine allerdings nur für Mitglieder zugängliche Ausstellung, die Leihgaben aus den Sammlungen der Königin und des Erzbischofs von Canterbury beinhaltete.93 Auch John Ruskin, F. W. Fairholt, R. S. Holford, R. R. Holmes, R. E. Kerrich, Henry Austen Layard, Frederic Madden, J. C. Robinson, William Tite und Charles Townley stellten Handschriften aus ihren Sammlungen zur Verfügung.94 Gezeigt wurden berühmte Handschriften, darunter die Clovio-Manuskripte der Königin und Charles Townleys, das »Litlington Service Book« aus der Sammlung des Dean of Westminster, der »Prudentius« der Tenison-Library und Handschriften aus der Devonshire Sammlung.95 Anlässlich des Treffens am 6.6.1861, bei der der Buchsammler William Tite den Vorsitz hatte, hielt R. R. Holmes einen Vortrag über die Geschichte der »Art of Illuminating, with the more especial object of illust90 Vgl. British Museum 1866, 1869 und 1878. 91 Nicholls 1866, S. 96. 92 Manchester 1857, Kat. Nr. 41, 44, S. 16. George Scharf verwies in seinem Katalogartikel »Paintings by An cient Masters« nur sehr kurz auf die Buchmalerei, ebd., S. 9. Manchester 1857a, Kat. Nr. 37–38, 61, S. 6–8. 93 Vgl. Joan Evans, A History of The Society of Antiquaries, Oxford 1956, S. 306 ; Proceedings of the Society of Antiquaries London, 2. ser., vol. I, 1859–1861, S. 407–410. 94 Vgl. die Liste der Leihgeber : ebd., S. 407. 95 Bericht der Ausstellung im Art Journal 1862, Rubrik Minor Topics of the Month, S. 222.
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rating the specimens exhibited«.96 William Tite sprach anschließend über Buchmalerei in religiösen Handschriften, und John Ruskin führte in die stilistische Entwicklung der Buchmalerei in Hinblick auf Farbe und Form ein. Eine Woche später, am 13.6.1861, war die Ausstellung erneut Thema eines Treffens der Mitglieder der Society of Antiquaries. Weitere Exponate aus den Sammlungen des Marchese d’Azeglio, der Marchioness of Londondery und anderer Persönlichkeiten wurden bei dieser Gelegenheit präsentiert.97 A. W. Franks und William Tite übernahmen die Einführung in diese zusätzlichen Werke, und George Scharf sprach über künstlerische und technische Aspekte der Buchmalerei. In beiden Sitzungen wurde eine gesonderte Publikation angekündigt.98 Eine weitere Ausstellung zur Buchmalerei folgte 1874 im Burlington Fine Arts Club mit privaten Leihgaben von den Sammlern William Bragge, Richard Fisher, John Malcolm, W. W. Tite, W. J. Loftie, John Fuller Russell, Francis Cook, Robert Young, S. Addington, C. W. Standidge, H. H. Gibbs sowie einer Serie von Faksimiles von Henry Shaw.99 Ausgestellt waren 161 Handschriften und 52 Einzelblätter vom 10. bis 16. Jahrhundert.100 1876 versammelte eine Ausstellung im Liverpool Arts Club Beispiele aus der Liverpool Free Library, der Lambeth Palace Library, aus dem Besitz von Henry Yates Thompson, dem Earl of Derby, dem Athenaeum und verschiedenen Privatpersonen neben Faksimiles der Books of Kells und Lindisfarne sowie Kopien aus dem Besitz John Mayers. Die nächste Buchmalerei-Ausstellung des Burlington Fine Arts Club von 1886 legte den Schwerpunkt auf italienische und französische Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts, darunter solche von Silvestro dei Gherarducci und Giulio Clovio.101 Bei vielen der Exponate handelte es sich um herausgeschnittene Initialen aus italienischen Chorbüchern und Einzelminiaturen aus bedeutenden Sammlungen wie derjeningen von Ottley. Im Jahre von Morris’ Tod, 1896, fand eine Ausstellung zur englischen mittelalterlichen Malerei durch die Society of Antiquaries of London statt, die auch zahlreiche Buchmalereien umfasste, darunter bedeutende Leihgaben aus der Sammlung des Duke of Devonshire, von Captain Holford, Lord Aldenham, aus dem Besitz von Canterbury, Winchester und Westminster sowie vom Fitzwilliam Museum Cambridge und dem South Kensington Museum.102 Die Veranstaltung wurde von Vorträgen von W. R. Lethaby über 96 97 98 99 100
Vgl. Proceedings of the Society of Antiquaries London, 2. ser., vol. I, 1859–1861, S. 408. Ebd., S. 410. Ebd., S. 408, 410. BFAC 1874. Art Journal 1874, S. 138–139. In dem begleitenden Katalog sind die Angaben zur Buchmalerei eher allgemein gehalten, vgl.: »Several flower-pattern borders«, BFAC 1874, Nr. 25, S. 5 ; »many curious outline grotesques«, ebd., Nr. 107, S. 25. Der Katalog macht Angaben zu Text, Maßen, Kunstlandschaft, Datierung in Jahrhundert, Blattzahl, zu Inschriften und Wappen. Bei den Einzelblättern werden Zitate nach Waagen und Ottley abgedruckt. 101 BFAC 1886. 102 SoA 1896 ; Thompson 1896.
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die Arbeiten der Westminster School und von Edward Maunde Thompson über die in der Ausstellung gezeigten illuminierten Handschriften begleitet.103 Morris zeigte sechs Arbeiten aus seiner Sammlung.104 In dieser Ausstellung sah er den Psalter aus der Sammlung Aldenham, von dem er selbst vier Blätter besaß, und nahm anschließend Kontakt mit dem Eigentümer auf mit dem Ziel, die Handschrift von ihm zu erwerben. Mackail berichtet, dass Morris auf der Austellung der Society of Antiquaries 1896 nicht nur der »Aldenham Psalter« (»Windmill Psalter«), sondern auch der »Rutland Psalter« (seit 1983 BL, MS Add. 62925)105 und die »Lambeth Apocalpse« (Lambeth Palace Library, MS 209 ; um 1260–1267, wohl London) begeisterten. Letztere beschrieb er als »a book with the most amazing design and beauty in it«.106 Nach Mackails Angaben faszinierte der »Rutland Psalter« Morris sogar noch mehr als der »Aldenham/Windmill Psalter« : »such a book ! my eyes ! and I am beating my brains to see if I can find any thread of an intrigue to begin upon, so as to creep and crawl toward the possession of it.«107 Am 5.6.1896 notierte Morris : »Duke of Rutland’s book a marvel of marvels, must try to get it«.108 R. H. Benson, der Schwiegersohn des Handschriftensammlers Robert Stayner Holford, bot Morris am 7. Juni 1896 seine Hilfe an, und Morris sandte schließlich am 7.7.1896 einen Brief mit der Bitte um Erwerb der Handschrift an den Herzog.109 Dieser wollte sich 103 Proceedings of the Society of Antiquaries of London, November 21, 1895, to June 17, 1897, 2. ser., vol. XVI, London 1897, S. 211 ; Thompson 1896. 104 Aus Morris’ Sammlung wurden gezeigt : das Grey Fitzpayn-Stundenbuch, das bei Rosenthal erworbene Bestiarium, das Tiptoft Missale, der Huntingfield und der Sherbrooke Psalter sowie einzelne Blätter aus dem Windmill Psalter, SoA 1896, Kat. Nr. 4, 5, 13, 16–18, S. 201, 203, 207–208. 105 193 Bl., 285 × 222 mm, 20 Z., Einband aus der Zeit Heinrichs VIII.; Morgan 1988, Nr. 112, S. 78–82, Abb. 72, 73, 78–82 ; Catalogue 1896, Nr. 10 ; Mackail 1995 II, S. 329 ; Needham 1976, S. 43. 106 Mackail 1995 II, S. 329 ; zur Handschrift vgl. Alexander/Binski 1987, Nr. 438, S. 390. 107 Zit. nach : Mackail 1995 II, S. 329 ; Kelvin 1996 IV, Nr. 2467, S. 383–384, Anm. 5–6, siehe ebd., S. 388, Anm. 1. Der »Rutland Psalter« ist dekoriert mit Darstellungen der Monatsarbeiten im Kalendarium. Die liturgischen Abschnitte werden durch insgesamt neun historisierte Initialen (fol. 29v, 43v, 55v, 56r, 68v, 84r, 98r, 99v, 113r sowie drei kleinere Initialen auf fol. 23v, 54r, 74v) eingeleitet, denen – für englische Psalter eher ungewöhnlich – jeweils eine ganzseitige Miniatur beigegeben ist. Am Beginn der Verse stehen ornamentale Initialen, die durch eine vertikale Ornamentleiste miteinander verbunden werden. Zusätzlich werden die Seiten durch Bas-de-page-Dekorationen aus Figuren, Tieren und Groteskenwesen geschmückt, für die der Psalter berühmt ist. Fleuronnée-Dekorationen in den Seitenrändern, als Initialbesatz und Zeilenfüller vervollständigen das reiche Erscheinungsbild der Handschrift. Sie wird in die Zeit um 1260 datiert. Dabei ist die Zuordnung an eine bestimmte Werkstatt bisher nicht möglich, Morgan 1988, S. 79. Morgan erkennt vier Hauptkünstler, deren Arbeit sich aber bisher in keiner anderen Handschrift nachweisen lässt, ebd., S. 79–80. In den Blattformen sieht er Entsprechungen zu Arbeiten der de Brailes Werkstätte in London. Dem widerspricht allerdings der Kalender, der auf die Diözese von Salisbury (Sarum) deutet. Morgan gelangt zu der Auffassung, dass es sich um eine Gruppe Londoner Künstler handelte, die entweder in der Diözese von Salisbury tätig waren oder Zugang zu Vorbildern aus diesem Bereich besaßen, ebd. Der Auftraggeber ist unbekannt. 108 BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, Eintrag zum 5.6.1896. 109 BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, Einträge zum 7.6. und 7.7.1896.
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jedoch nicht von der seit 1825 in Familienbesitz befindlichen Handschrift trennen.110 Um dem bereits kranken Morris einen Gefallen zu tun, erlaubte der Herzog jedoch, dass Benson ihm den Psalter zu einer genaueren Betrachtung zur Verfügung stellte.111 Benson brachte Morris auch Handschriften der Holford-Sammlung aus Dorchester House zur Ansicht. Es handelte sich dabei um den Psalter und das Stundenbuch der Yolande de Soissons (PML, MS M. 729, Nordfrankreich, ev. Amiens, um 1290) sowie eine reich illuminierte französische »Bible historiée et Vies des Saints« aus der Zeit um 1300 (New York Public Library, New York, Spencer MS 22).112 Diese letzte Handschrift hatte BurneJones überschwenglich gelobt.113 4.4.2 Publikationen zur Geschichte der Buchmalerei im Kontext der Realiengeschichte
Nachwievor gab es zahlreiche Publikationen in antiquarischer Tradition, die sich auf einzelne Bereiche spezialisierten und die neue Technik der Chromolithographie nutzten, um Möbel, Gegenstände und Kleidung der Vergangenheit vorzustellen. Solche stark bildlastigen Publikationen dienten auch den Künstlern aus Morris’ Kreis als wichtige Hilfe bei der der Vorbereitung ihrer Gemälde mit historischen Sujets.114 Die realienkundlichen Publikationen stammten häufig von Künstlern, die sich mit Illuminierung und der Geschichte der Buchmalerei, der Schrift und des Buches beschäftigten wie Henry Shaw und H. N. Humphreys. Ihnen waren durch ihre Beschäftigung mit dem Buch solche Handschriften bekannt, die besonders ergiebig für realienkundliche Forschungen waren. Besonders häufig wurde auf die mit vielen Miniaturen mit historischen Sujets geschmückten Froissart-Handschriften zurückgegriffen, die in Veröffentlichungen durch Thomas Johnes (1839) und Humphreys (1845) vorlagen.115 Wie schon in den antiquari110 Vgl. Morgan 1988, S. 81 ; BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, 15.8.1896, fol. 54r : »Heard from W. Benson that the Duke of Rutland will not part with his psalter, at least at present.« 111 Vgl. Needham 1976, S. 44. 112 Vgl. Mackail 1995 II, S. 334–335 ; Holford 1924, Nr. 3–5, S. 36–38, siehe bes. S. 38. Cockerell notierte in seinem Diary von 1896, dass Benson am 8.9.1896 einen Psalter brachte, den Morris sich anschaute, BL, MS Add. 52633, fol. 57v ; Needham 1976. S. 454 113 Vgl. Holford 1924, S. 38 ; Munby 1972, S. 149. 114 Als Hilfestellung für Künstler war der »Almanach of the Fine Arts« von 1850 konzipiert. Hier waren Empfehlungen von Literatur zur Kostümgeschichte mit Abbildungen ebenso abgedruckt wie Listen von Handschriften der British Library, geordnet nach den englischen Königen, die in Fragen zu historischer Kleidung und Ausstattung zu konsultieren waren. Erwähnung fand auch BL, MS Harley 4425 als »most beautiful manuscript, full of coloured figures«, Alamanch 1850, S. 164. In kurzen Anmerkungen wird erläutert, wie nützlich und schön oder reich an Miniaturen die Handschriften sind. 115 In Hinblick auf ihre Vorlagentreue sind die Abbildungen bei Johnes als sehr unterschiedlich zu bewerten : Einige erscheinen seitenverkehrt, mit beschnittenem Hintergrund, andere bilden Kopien nach Bernard de Montfaucons »Les Monumens de la Monarchie Françoise qui comprennent l’Histoire de France«, 5 Bde.,
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schen Publikationen des 18. Jahrhunderts fungierte auch bei den späteren Sammlungen die Buchmalerei als die wichtigste Quelle für die Darstellung historischer Sujets, da sie in einem besonderen Maße eine Vielzahl von Gegenständen sowie Kleidung und Innenräume der Vergangenheit abbildet. War in Joseph Strutts Publikationen aus dem späten 18. Jahrhundert das Kostüm in einen größeren zivilisationshistorischen oder historischen Kontext eingestellt, so findet im 19. Jahrhundert eine Konzentration auf die Kleidung selbst statt – seien es konkrete Einzelbeispiele oder eine detaillierte Geschichte des Kostüms. Zwei der wichtigsten Sammlungen bildeten neben James Robinson Planchés überarbeiteten Neueditionen von Strutts Schriften Shaws »The Decorative Arts Ecclesiastical and Civil of the Middle Ages« (1851) und sein »Dresses and Decorations of the Middle Ages from the seventh to the seventeenth centuries« (1843 ; Abb. 5).116 Bei Letzterer stammen ungefähr zwei Drittel der Vorlagen aus dem Bereich der Buchmalerei. Das Anliegen dieser Publikationen war es zum einen, nicht erhaltene Gegenstände durch ihre Darstellung in Buchmalereien zu überliefern, als authentisch bewertete Zeugnisse für Kleidung und Gegenstände der Vergangenheit abzubilden, zum anderen sollten Historienmaler unterstützt sowie Designern Anregungen vermittelt werden. Diese Werke hatten somit eine doppelte Ausrichtung : historische Information und Anregung für die Gegenwart. Realienkundliche und handschriftengeschichtliche Publikationen waren durch einen weitgehend übereinstimmenden Aufbau geprägt : An einen historischen Überblick schlossen sich chronologisch geordnete Tafeln mit unterschiedlich ausführlichen Kommentartexten mit kultur-, kunst- und auch schriftgeschichtlicher Information an, die mit der Einfügung von Bordüren und Initialen in die Textseiten nicht nur weitere historische Beispiele vorstellten, sondern auch zur Dekoration aktueller Buchproduktionen anregen sollten.117
Paris 1729–1733, oder erscheinen als Übersetzungen im Stil der zeitgenössischen Historienmalerei, vgl. Froissart 1839 I, S. 7 ; ebd. II, S. 272, 370. Humphreys 1845 zeichnet sich dagegen bei den Tafeln durch eine große Genauigkeit in der Wiedergabe – mit nur einzelnen Abweichungen bei den Gesichtern, die dem eigenen Zeitgeschmack angepasst wurden – und durch die genauen Kommentare aus, die Komposition, Figurenausdruck, Farbigkeit und Ausführung der Miniaturen betrachten. 116 Das Buch erschien seit 1840 in monatlichen Teillieferungen von vier handkolorierten Kupferstichen, mehrfarbigen Holzstichen und Initialen als Einleitung der Kommentartexte in zwei Preiskategorien. Die zweibändige Buchausgabe wurde 1843 mit 94 handkolorierten Kupferstichen und den mehrfarbigen Holzstichen publiziert, vgl. Beckwith 1987, Kat. Nr. 38, S. 53 ; Friedman 1978, Kat. Nr. 40 A-B, S. 18 ; McLean 1963, S. 48. 117 Shaw bediente sich dieses Verfahrens auch 1849 in seiner Artikelserie »Examples of Mediaeval Art applicable to Modern Purposes« in »The Art Journal«, Shaw 1849, S. 14–16, 57–59, 117–119, 217–219, 341–343, 361–363 ; vgl. McLean 1963, S. 49.
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4.4.3 Publikationen zur Geschichte der Buchmalerei
Henry Shaw gehörte zu den wichtigsten Künstlern solcher kostüm-, realien- und buchhistorischer Publikationen. Sein Ziel war es dabei immer auch, Anregungen für die Gestaltung einer Schriftseite oder eines Buches insgesamt zu geben. Der Schwerpunkt lag hierbei auf der Schrift, ihren Möglichkeiten, durch Hierarchisierung einen Text zu gliedern, und ihrer Dekoration. Es ging vornehmlich um Initial- und Rahmenschmuck, weniger um Miniaturen oder Illustrationen. Shaw erachtete die Blüte der englischen Buchmalerei im 12. Jahrhundert mit den Dekorationen aus feinem Rankenwerk von »great boldness and remarkable accuracy«118. An Werken der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wiederum betonte er die Virtuosität der Naturdarstellung und ihre Bindung an herausragende Malerpersönlichkeiten in Italien – unter Hervorhebung Giulio Clovios – und in den Niederlanden.119 Als Grundlage für Shaws Bewertung finden sich – durchaus traditionell und weitgehend den geläufigen kunsthistorischen Kriterien folgend – die Zeichnung, sowohl im Sinne der Kontur als auch der persönlichen Handschrift, die Farbigkeit und Ornamentgestaltung.120 Die »Illuminated Ornaments selected from Manuscripts and early printed Books from the sixth to the seventeenth Centuries« (1830–1833 ; Abb. 45)121 entstanden gemeinsam mit Frederic Madden (1801–1873).122 Madden arbeitete von 1837–1866 als Kustos in der Handschriftenabteilung der British Library, wo er bereits seit 1828 als »assistant keeper of manuscripts« tätig war, und übersetzte Silvestres »Paléographie Universelle« von 1850 (Paris 1841) ins Englische. Ziel der gemeinsamen Publikation von Shaw und Madden 118 Shaw 1856, Preface, o. S. 119 Shaw 1851, S. [c], Kommentar zu Taf. 31 ; Shaw 1843 I, Introduction, o. S.; ebd., S. [B] ; Shaw 1856, Preface, o. S. 120 Vgl. Shaw 1843 I, Taf. 24, 25. Dem Ornament gewidmet war Shaws Publikation »Encyclopaedia of Ornament«, die aber nur ein Beispiel aus dem Bereich der Buchmalerei enthält, Shaw 1836, Taf. 17 : BL, MS Royal 11 D. xl (16. Jahrhundert). 121 Das Buch erschien in zwölf monatlichen Lieferungen mit je fünf Tafeln seit Juni 1830 bis 1833 in drei verschiedenen Preiskategorien, siehe Nordenfalk 1976, S. 22 ; Beckwith 1987, S. 30 ; Hindman 2001, S. 109– 110. Eine gemalte Variante des Buches von Shaw mit 125 Blättern, von denen 63 illuminiert sind : Art Institute of Chicago, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 19.791 : Hindman 1996 ; Hindman 2001, S. 111. Hindman vermutete in der illuminierten Version ein von Shaw angefertigtes Geschenk und keine Sammlung von Druckvorlagen, ebd. Die Kopien entsprechen den Vorlagen zumeist im Format und wurden eventuell durchgepaust. Die Blätter der gemalten und gedruckten Fassung unterscheiden sich jedoch in Details, wobei die Chicagoer Blätter dem Original enger folgen. Maddens Text bildete in Aufbau, Beispielwahl ebenso wie in den Formulierungen 1866 die Grundlage für Shaws »A Handbook of the Art of Illumination«, wobei Shaw allerdings Details und Hintergrundinformationen wegließ. 122 Zu Madden : Ackerman 1979 ; Barker 1996, S. 128–133 ; Hindman 2001, S. 44–49. Silvestres »Paléographie Universelle«, Paris 1841, besteht aus vier Bänden mit 301 Tafeln sowohl in Chromolithographie als auch handkoloriert. Die englische Ausgabe von 1850 enthält 296 Tafeln in zwei Bänden und wird von zwei Textbänden begleitet.
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war es, eine »critical history of the progress of art« am Beispiel der Buchmalerei zu vermitteln, die die Kunst der Antike bis zum Beginn der Renaissance abdeckt und zugleich diese Geschichte auf die eigene Gegenwart über »considerations of elegance, taste, and beauty« zu beziehen.123 Besondere Aufmerksamkeit kam dabei dem Ornament zu.124 Der Einleitungstext wird durch 59 Tafeln mit Buchmalerei-Beispielen ergänzt, wobei der Schwerpunkt auf Arbeiten des 15. Jahrhunderts liegt. Die Tafeln bilden verschiedene Elemente einer Handschrift ab : Abschnitte von Bordüren und Rahmenleisten, eine Folge von Initialen oder Bas-de-page-Szenen. Die Tafeln werden von Maddens detaillierten kodikologischen Kommentaren begleitet. Er erläuterte die Terminologie sowie die historischen Zusammenhänge und analysierte in präziserer Weise als Shaw, Humphreys oder andere Autoren, die selber praktisch in dem Bereich tätig waren, unter Berücksichtigung von Unterscheidungsmerkmalen früherer Literatur wie des »Nouveau Traité« der Benediktinermönche Toustain und Tassin.125 Er setzte die Blüte der Buchmalerei in Italien nach 1300, basierend auf den wegweisenden Veränderungen durch Cimabue und Giotto, und ihre Vollendung unter Clovio an.126 Demgegenüber lässt sich bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts auch eine Gegenrichtung konstatieren, die sich durchaus kritisch über Clovios Werke äußerte :127 Zwar wurden nachwievor das Exquisite der Farbigkeit und die Virtuosität der Malerei hervorgehoben,128 doch wurden Figurenzeichnung, der Rückgriff auf Bilderfindungen anderer Künstler und die Unangemessenheit tiefendimensionaler Bildräume für die Buchmalerei negativ bewertet.129 Hierin spiegelt sich, dass die Buchmalerei nicht länger lediglich als Ersatz für fehlende Wand- und Tafelmalereien galt, sondern vielmehr als eigene Gattung wahrgenommen wurde, die durch ihre Bindung an das Medium des Buches und ihr Miteinander von Ornament und Schrift anderen Bedingungen unterlag als die Wand- und Tafelmalerei. Die Einbeziehung des Funktionsaspekts, der auch als grundlegendes Prinzip die zeitgenössischen Diskussionen zur Reform des Kunstgewerbes prägte, führte somit zu einer veränderten Auffassung des Mediums Buchmalerei.
123 Madden/Shaw 1833, S. 1, 16. 124 Ebd., S. 6, 7. Madden unterscheidet zwischen verschiedenen Schulen, deren spezifische Motive er aufführt, ebd., S. 8–10. 125 Dom Tassin/Dom Toustain, Nouveau Traité de Diplomatique ou l’on examine les fondements de cet art ; on etablit des regles sur le discernement de titres, et l’on expose historiquement les caractères des bulles pontificales et des diplomes. […], 6 Bde., Paris 1750–1765. 126 Madden/Shaw 1833, S. 12, 15. Auch die Handbücher zur Buchmalerei lobten noch Giulio Clovios Werke auf Grund der »greatest variety«, wegen der »gaiety and charm of ornament« und empfahlen sie als Vorbilder, Humphreys 1849, S. 57 ; Wyatt/Tymms 1860/1987, S. 39 ; Shaw 1866, S. 45. 127 Bradley/Goodwin 1867, S. 22–23 ; James Dennistoun, Memoirs of the Dukes of Urbino illustrating the Arms, Arts, and Literature of Italy from 1440 to 1630, 3 Bde., London 1851, Bd. I, S. 424. 128 Tite 1857, S. 103, 105 ; Westwood 1843–1845, S. xv, Taf. 35, S. 1. 129 Loftie o. J., S. xi (Watson 2007, S. 105, datierte die Publikation in das Jahr 1885) ; Middleton 1892, S. 202.
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Neben den Publikationen von Shaw waren besonders die Werke von Henry Noel Humphreys relevant, der gemeinsam mit Owen Jones 1844–1849 »The Illuminated Books of the Middle Ages. An Account of the Development and Progress of the Art of Illumination as a distinct branch of pictorial ornamentation from IV to the XVII Centuries« veröffentlichte.130 Das Besondere dieser Publikation war, dass nun alle Elemente einer Seite – Schrift, Initialen, Seitenrandornamente und Miniaturen – in ihrem Miteinander auf einer jeweiligen Seite abgebildet wurden. Ziel war es dabei, den »rise and progress, through most of their remarkable phases, of the exquisite and distinct styles of ornamentation that have been gradually developed by the practice of enriching MSS. with illuminated letters and borders« in Text und Abbildungen darzulegen.131 Demgegenüber trat die Beschäftigung mit Miniaturen, »belonging to a higher branch of the pictorial arts«, zurück.132 Humphreys vertrat die zeitgenössische Auffassung, die die Miniaturen als kleinformatige Gemälde auf anderem Malgrund definierte, während das Ornament einen Bestandteil der Illuminierung bilde, die durch die Verwendung von leuchtenden Farben und Gold bestimmt werde.133 Humphreys formulierte, basierend auf Beobachtung und genauer Analyse, präzise die wesentlichen Elemente des Ornaments, das er nach Epochen und Kunstlandschaften in Schulen teilte. Er schilderte Einflüsse, Veränderungen und Neuerungen. Dabei beschäftigte er sich auch damit, welche Elemente des historischen Ornaments als Grundlage für neue Entwürfe dienen könnten, die Kunst der Vergangenheit mit den Bedürfnissen seiner Gegenwart verbindend. Seine Bewertung der Buchmalerei der verschiedenen Epochen ist durchaus exemplarisch für seine Zeit, wobei er ihre Geschichte als den Weg einer fortschreitenden Verbesserung zu einem Höhepunkt hin deutete.134 Wie schon Madden bemängelte er die allzu reiche, als »orientalisch« erachtete Pracht der byzantinischen Handschriften135 130 Die Sammlung von 39 Chromolithographie-Tafeln, die von Jones angefertigt wurden, wurde in 12 Teilen herausgegeben, die jeweils drei große und weitere kleine Abbildungen enthielten. Für die Abbildungen bezog sich Jones auch auf Bücher in seiner Bibliothek, so auf den Psalter aus der Zeit von 1400 bis 1424, V&A, MSL/1901–1683, vgl. Humphreys 1849/1995, Taf. XVIII. Humphreys hatte neben denjenigen in London während seiner zahlreichen Auslandsaufenthalte seit den 1830er Jahren Handschriften in den Bibliotheken von Rom, Mailand, Venedig, Wien, Moskau, Kopenhagen, Madrid, Paris angesehen. 131 Humphreys 1849/1995, S. 11, 9, vgl. S. 24. 132 Ebd., S. 11, 9. 133 Eine entsprechende bildhafte Auffassung der Miniatur findet sich z. B. auch in William Benjamin Sarsfield Taylors »The Origin, Progress, and Present Condition of the Fine Arts in Great Britain and Ireland« (1841). Die Miniaturen werden hier als Werke von »painters of very considerable talent« erachtet, ebd., S. 162, vgl. a. S. 163–164. Vgl. zur Leuchtkraft der Farben als Kennzeichen der Illuminierung : Audsley 1911, S. 2. 134 Humphreys 1849/1995, S. 10–11. 135 Ebd., S. 9, 11 ; Humphreys 1852, S. 57. Die antike Buchmalerei behandelte Humphreys wegen ihres Verzichts auf Ornamente nur sehr knapp, Humphreys 1849/1995, S. 10. Eine ausführlichere Darstellung mit Lob für die Detailliertheit und Farbigkeit, aber mit Hinweis auf die grobe Zeichnung bei Humphreys 1852, S. 57. Vgl. Madden/Shaw 1833, S. 6, 7 ; Audsley 1911, S. 5 ; Art Journal 1873, S. 127.
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und würdigte Clovio als Höhepunkt.136 Beide lobten aber auch den Erfindungsreichtum, die Originalität und die zeichnerische Virtuosität der insularen Buchmalerei.137 Insgesamt ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund politisch-religiöser Unabhängigkeitsbestrebungen eine intensive Beschäftigung mit und eine Unterscheidung der keltischen und angelsächsischen Kunst auszumachen, in deren Zusammenhang auch eine Aufwertung der insularen Buchmalerei erfolgte, deren feines und detailliertes Linienspiel bereits im 18. Jahrhundert faszinierte, aber deren als grob bewertete Figurendarstellung irritierte. Auch der Paläograph und Entomologe John Obadiah Westwood (1805–1893) beschäftigte sich intensiv mit der keltischen Buchmalerei, die er als Ursprung für alle späteren Schulen dieser Gattung beurteilte.138 Er würdigte die Virtuosität der Zeichnung mit ihrer Feinteiligkeit und erstaunlichen Genauigkeit bei gleichzeitiger Verwunderung über das Desinteresse an der Figur, den Mangel an Plastizität und Schattierungen, den flächigen Farbauftrag und die Binnenzeichnung in einer »most ludicrous manner«.139 Die Verfechter des irischen Standpunkts nutzten die insularen Buchmalereien als Beweis für das Vorhandensein einer genuin irischen Kunst, deren Kennzeichen eine »most thorough mastery in ornament« sowie »inventive power« bildeten.140 Mit Blick auf die Gegenwart stellte Humphreys bei den anglo-irischen Beispielen heraus, dass sie gelungen zeigten, wie ein Stil unter Wahrung grundlegender Prinzipien vielfältig variiert werden könnte.141 Das in der Buchmalerei insgesamt nachweisbare Element von »extraordinary variety and fertility of invention« betrachtete Humphreys als Kennnzeichen der Kunst des Illuminators.142 Zwar sprach er einige weitere Empfehlungen für die Buchgestalter seiner Zeit aus, doch verstand er diese nicht als Aufruf zur Nachahmung bestimmter historischer Stile, sondern wie auch Morris oder Jones in seiner »Grammar of Ornament« von 1856, vielmehr als Anregung, die Prinzipien einzelner Stile gründlich zu studieren und diese dann für zeitgenössische Arbeiten umzusetzen.143 Wie Shaw und Loftie lobte Humphreys die Buchmalerei des 12. Jahrhunderts und sah in ihren Initialen mit Akanthusblattwerk und Ranken die Inspiration für die italienischen Weißrankendekorationen des späten 15. Jahrhunderts, die er als Anregung für die Buchmalerei der eigenen Zeit empfahl.144 Insgesamt zeichnet sich in der englischen Literatur eine Wertschätzung der frühen insularen Buchmalerei, d.h. neben der keltisch-angelsäch136 137 138 139 140 141 142 143 144
Humphreys 1849/1995, S. 21, 122. Ebd., S. 11, 12, Taf. 1, S. 32 ; Madden/Shaw, S. 6, 7, 11. Westwood 1843–1845, S. vi. Westwood 1853, S. 278, 279 ; Westwood 1850, S, 17, 18. H. O’Neill, The Fine Arts and Civilization of Ancient Ireland, London 1863, S. 55, 56 ; Todd 1865, S. 1–2. Humphreys 1849/1995, S. 11, 12, Erläuterungen zu Taf. VII, S. 46. Humphreys 1849/1995, S. 10, 11. Ebd., S. 23 ; Humphreys 1849, S. 12–13 ; vgl. Shaw 1866, S. 1–2. Ebd., S. 12–13 : »a remarkable and highly decorative style ; perhaps the noblest style of illumination ever evolved during the whole thirteen centuries during which the art was practised«, S. 13 : »the greatest and
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sischen auch derjenigen des 12. und 13. Jahrhunderts ab, da hier eine spezifisch nationale Kunstäußerung ausgemacht wurde, die von derjenigen des Kontinents abweiche.145 Bei seiner detaillierten Analyse des Rankenwerks des 13. und 14. Jahrhunderts erkannte Humphreys eine Perfektionierung und Verfeinerung, eine Zunahme von Kleinteiligkeit und den wachsenden Einschluss verschiedener Elemente wie die Handlung illustrierende figürliche Motive sowie eine zusammenhängende Gestaltung von Initialquadraten und Ornamentspangen der Seitenränder.146 Das »circular feeling« des Ornaments am Ende des 13. Jahrhunderts werde durch ein »angular and peculiarly Gothic sentiment« ersetzt, das Dekorationen mit lang ausgezogenen, in Drachenmotiven und Blattwerk auslaufenden Ranken und Leisten aufweise.147 Humphreys verfolgte die Entwicklung der mehrteiligen Seitenranddekorationen, der »brackets«, bis ins 14. Jahrhundert hinein, als sie florale Motive und Efeublätter erhalten, vielteiliger werden, aber auch Groteskenelemente aufnehmen, die er wie viele seiner Zeitgenossen als unangemessen für religiöse Texte erachtete.148 Dennoch schätzte er wie Ruskin und Morris den Buchschmuck des 13. und 14. Jahrhunderts aufgrund des »profuse and eminently original ornament«, der »quaint and unexpected novelties of invention«, der »astonishing variety and profusion of invention«.149 Er schilderte den Aufbau des Ornaments in Hinblick auf den kontinuierlichen Verlauf, das Verhältnis von gerahmten und freien Partien, die Vielfalt der Formen und ihrer Anordnung. Jedoch war er auch von der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts fasziniert wie seine positive Bewertung, die Ausführlichkeit der Kommentare und die Anzahl von Tafeln aus dieser Zeit deutlich machen.150 Dabei verband Humphreys den wachsenden Naturalismus in der Buchmalerei mit der steigenden Anzahl von zu dekorierenden profanen Texten, so dass er letztlich in der inhaltlichen Schwerpunktverlagerung den Auslöser für eine Veränderung der formalen, stilistischen Auffassung erkannte.151 Spätere Publikationen zur Buchmalerei wie die von Walter de Gray Birch von 1879 (mit Henry Jenner, »Early Drawings and Illuminations. An Introduction to the Style of Illuminated Manuscripts in the British Museum«) und von J. Henry Middleton von 1892 (»Illuminated Manuscripts in classical and mediaeval Times. Their Art and their Technique«) übernahmen die Datierung der Blütezeit der Buchmalerei in die Zeit vom 13. bis 15. Jahrhundert.152 Birch kombinierte die Einführung in die Bestände der British Library
145 146 147 148 149 150 151 152
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most beautiful effect« ; siehe weiterhin ebd., S. 46, 49 ; Shaw 1843 I, Introduction, o. S.; ebd., S. [B] ; Loftie o. J., S. vii-ix, S. 9 (Taf. III). Vgl. ebd., S. ix, S. 9 (Taf. III) ; Art Journal 1874, S. 138. Humphreys 1849/1995, S. 13, 54. Ebd., S. 14. Ebd. und Taf. XI, S. 56, vgl. Shaw 1866, S. 25. Humphreys 1852, S. 57. Am Beispiel des Holford Psalters, Humphreys 1849/1995, S. 56, Taf. XII. Ebd., S. 77. Ebd., S. 15. Birch/Jenner 1879, S. lvi ; Middleton 1892, S. 113–118, 263, 264.
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mit der chronologischen Schilderung der Geschichte der Buchmalerei, einer Darlegung zu den Grundformen religiöser Handschriften, zu der Entstehung einer Handschrift und mit einem Anhang »Dictionary of Principal Subjects«, der auflistet, welche Handschriften hinsichtlich bestimmter Darstellungen betrachtet werden könnten. Durch Zeichen werden einzelne Handschriften – so die Rosenromane BL, MSS Egerton 2022 und Harley 4425 – als besonders sehenswert hervorgehoben.153 Die meisten Stundenbücher, die Morris in Zusammenhang mit den Kacheln für die Kamindekoration in Queens’ College Cambridge konsultierte und zu denen er sich Notizen machte (BL, MS Add. 45305), sind auch in Birchs Liste zu den Themen »Seasons« und »Zodiacs« aufgeführt.154 Vielleicht lag Morris eine ähnliche Zusammenstellung oder Liste bei seinen Recherchen in der British Library vor. Middleton wiederum behandelte Entstehungszusammenhänge, Nutzung, Funktionen und Geschichte illuminierter Handschriften, wobei er sich besonders dem Ornament als Verbindungselement von Schrift und Miniaturen sowie dem Textbezug der Bildmotive widmete. Wie Morris und Ruskin schätzte er die frühere Buchmalerei mehr, da er die späteren Arbeiten mit ihren Hintergründen in luft- und farbperspektivischer Wiedergabe als »not so strongly decorative or perfectly suited to manuscript illumination as the more conventional backgrounds of an earlier date« erachtete.155 Galten Shaws, Humphreys’ wie auch Ruskins und Morris’ Hauptinteresse der Initialund Ornamentgestaltung, so widmete sich die kunsthistorische Forschung, z. B. Gustav Friedrich Waagen (1794–1868, 1832–1862 Direktor der Berliner Museen) in seinen auch in England publizierten Kunstinventaren der stilistischen Analyse und Zuordnung der Miniaturen, die wie kleinformatige Tafelbilder betrachtet werden.156 Ob Morris die Publikationen von Waagen kannte, ist ungewiss ; sie sind jedenfalls nicht in seinen Bi153 Birch/Jenner 1879, S. 260. 154 Hierbei handelt es sich um BL, MSS Harley 2863, 2915, 2917, 2924, 2934–2936, 5049, 5762, vgl. Birch/ Jenner 1879, S. 266, 300. 155 Middleton 1892, S. 116. 156 1838 veröffentlichte Waagen »Works of Art and Artists in England« (3 Bde.; Kunstwerke und Künstler in England und Paris, Berlin 1837) und 1854 die drei Bände der »Treasures of Art in Great Britain« mit einem Supplement von 1857. Waagen hielt sich 1835 und 1850/1851 jeweils fünf Monate sowie während kürzerer Reisen in den Jahren 1854, 1856, 1857 in England auf. In »Treasures of Art in Great Britain« sind mehr als 250 Handschriften aufgeführt, die aus dem British Museum, der Bodleian Library Oxford, der University Library Cambridge, der Sammlung Soane, der Hunterian Collection Glasgow, der Durham Cathedral Library, aus den Sammlungen von Hamilton Palace, Holkham Hall, Chatsworth, Chantilly (Duc d’Aumale) sowie den Sammlungen Holford, Manuel John Johnson, James Dennistoun und William Young Ottley stammen. Waagen erstellte auch Kunstinventare zu Paris (1839), Deutschland (1843–1845), St. Petersburg (1864) und Wien (1866–1867). Zudem verfasste er einige Aufsätze zur Buchmalerei im Deutschen Kunstblatt I und II, Leipzig 1850 und 1851, bei denen es sich um Buchbesprechungen und Ergänzungen zu Franz Theodor Kuglers »Handbuch der Geschichte der Malerei« handelt, so Deutsches Kunstblatt I, S. 83– 85 (18.3.1850), 91–93 (25.3.1850), 98–99 (1.4.1850), 129–131 (29.4.1850), 147–149 (13.5.1850), 155–156
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bliothekskatalogen aufgeführt. Waagen erarbeitete basierend auf konkreten Beispielen aus englischen Sammlungen, die er in seinen topographischen Inventaren vorstellte, charakteristische Merkmale der verschiedenen Stile und Schulen. Als grundlegende und gleichbleibende Vergleichsmomente galten ihm Farbe, Komposition, Formgebung und Figurengestaltung. Dabei ergibt sich bei Waagens Untersuchung einzelner Handschriften der großen Bibliotheken wie des British Museum eine Geschichte der Buchmalerei anhand der konkreten Beispiele, die zugleich als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen diente. Anstelle der bisher weitgehend paläographisch orientierten Datierung der Handschriften erstellte Waagen Kriterien, die verallgemeinernd auf andere Arbeiten übertragbar waren und eine stilistische Datierung erlaubten.157 Er bemühte sich um einen objektiven Standpunkt und um eine relative Würdigung der Arbeiten vor dem Hintergrund ihrer Entstehungszeit. Dennoch blieb er in seiner Auffassung der seit Vasari geläufigen Einschätzung einer kunsthistorischen Entwicklung verpflichtet, die den Höhepunkt unter Giulio Clovio ausmachte.158 Dieses erfolgte unter Anlegung der Kriterien von Naturnachahmung und Angemessenheit gegenüber der Wertigkeit von Sujet und Dargestelltem, vom Verhältnis von zeichnerischen und malerischen Gestaltungsmitteln, auf Grund der Qualität des Farbauftrags und der Anregungen durch die vorbildliche Kunst der Antike. Die englische Buchmalerei erachtete Waagen als bestimmt durch »the fantastic in conception, and the realistic in execution«.159 An den Arbeiten des 12. und 13. Jahrhunderts lobte er die Konturzeichnung, die Ausführung der Malerei auf Goldgrund und die elegante Zeichnung der Muster.160 Diejenige aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bewertete er als z. T. so qualitätvoll, dass sie die Buchmalerei anderer Kunstlandschaften mit Ausnahme Italiens übertreffe, wobei die »moral elements of a picture, the fantastic and the allegorical« mit großem Erfindungsreichtum und Originalität behandelt würden.161 Ausführlicher widmete er sich der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts, an der er Naturalismus, Zierlichkeit und Eleganz schätzte.162 Nicht nur Waagens Kunstinventare, sondern auch Franz Theodor Kuglers »Handbuch der Malerei« (1837) war in einer englischen Übersetzung – durch Charles Eastlake von 1842 – verfügbar.163 Bei Kugler wird die Buchmalerei bei Konzentration auf die Miniatur (20.5.1850), 289–291 (16.9.1850), 298–300 (23.9.1850), 306–308 (30.9.1850), 323–325 (14.10.1850), 396– 397 (16.12.1850). 157 Waagen 1837 I, S. 133 ; Waagen 1854 I, S. 95. 158 Ebd., S. 208. Zu Clovio : ebd. II, S. 334, und III, S. 431–432 ; Waagen 11.9.1856, S. 327 ; Waagen 1857 IV, S. 123, 124, 126 ; Waagen, in : Deutsches Kunstblatt VII, 11.9.1856, S. 326–327. 159 Waagen 1854 I, S. 138. 160 Ebd., S. 147–148. 161 Ebd., S. 160, siehe a. S. 167. 162 Ebd., S. 175. Zur niederländischen Buchmalerei : ebd., S. 113–126, 133. 163 In überarbeiteter zweiter Auflage 1847 durch Kuglers Schüler Jacob Burckhardt. Auf die Buchmalerei
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in einem eigenen Abschnitt vorgestellt und erhält eine gattungsspezifische Definition : Ihre Aufgabe sei es nach Kugler, einen Text zu illustrieren, seinen Inhalt visuell umzusetzen und zu erläutern.164 Bei der religiösen Buchmalerei erkläre sich der dekorative Aufwand als Zeichen der Verehrung.165 Wie Waagen arbeitete er auf der kunsthistorischen Stilanalyse beruhende Kriterien des Vergleiches heraus, darunter Zeichnung, Farbauftrag, Schattierung, Figuren- und Gewandbehandlung, Perspektive, Naturnähe. Bei ihm wechseln in seiner chronologischen Darstellung ausführliche Analysen von Einzelwerken aus direkter Anschauung und eher zusammenfassende, allgemeine Schilderungen einander ab. Diese Publikationen waren mit ihrer streng kunsthistorischen, stark auf die Miniaturen ausgerichteten Tendenz für Morris vermutlich weniger interessant. Ihm war eher an der Gesamtheit des Buches, seiner ornamentalen Ausschmückung und der Relevanz für die Gegenwart gelegen, womit Veröffentlichungen wie die von Shaw und Humphreys seinen Anliegen eher entgegenkamen. 4.4.4 Buchmalerei als Informationsmedium zu Religion und Liturgie
Die religiöse Bindung der Buchmalerei und die ikonographische Bedeutung der Darstellungen, die bei Kugler eine wichtige Rolle spielten, wurden bei Westwoods »Illuminated Illustrations from the Bible copied from Selected MSS of the Middle Ages« (1846)166 zur Grundlage für Gliederung und Auswahl der Beispiele – wenn auch protestantisch gefiltert, wodurch es zu einem Verzicht auf katholische Bildthemen wie Marien- und Heiligendarstellungen kam.167 Stil- und Schriftgeschichte bildeten weitere Ordnungskriterien. In der »Palaeographia Sacra Pictoria [= »Holy picture writing«]« von 1843 bis 1845, einer illustrierten Textgeschichte der Bibel, kombinierte Westwood diese mit der Schilderung der historischen, literarischen, politischen und kirchengeschichtlichen Hintergründe sowie der Geschichte der Schrift und der Buchmalerei, und widmete sich dem ging Kugler auch in seiner »Geschichte der Kunstgeschichte« von 1842 und in den »Kleinen Schriften zur Kunstgeschichte« von 1853 ein, worin frühere Untersuchungen unter der Überschrift »Bilderhandschriften des Mittelalters« abgedruckt wurden, Franz Kugler, Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, 2 Bde., Stuttgart 1853 und 1854, darunter Auszüge aus seiner Dissertation über die Berliner Handschrift von Werinhers von Tegernsee »Drei Lieder von der Magd« aus dem späten 12. Jh., Staatsbibliothek Berlin, Cod. germ. Oct. 109 (1831), ein Aufsatz von 1836 über »Die Bilderhandschrift der Eneidt« in Berlin und einer von 1834 über die Handschriften des Mittelalters in den Sammlungen deutscher Bibliotheken. 164 Franz Kugler, Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen, 2 Bde., Berlin 1847 (2. Aufl. unter Jacob Burckhardt), Bd. I, S. 49. 165 Ebd. 166 Ein Exemplar des Buches mit sechs mittelalterlichen Handschriftenseiten, 36 Durchzeichnungen Westwoods nach Miniaturen, Andrucken und handkolorierten Drucken im J. Paul Getty Center, Research Institute, Los Angeles, Inv.-Nr.92-A18 920003 (vgl. Hindman 2001, S. 123–124). Dort, Inv.-Nr. 1515–101 940076 auch die korrigierten Fahnen zu Westwood 1868. 167 Westwood 1846, S. 7.
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Miteinander von Schrift, Ornament, Miniatur und Bordüren auf der Seite. Die Tafeln zeigen die Doppelseite eines aufgeschlagenen Buches, wobei sie allerdings keine tatsächliche Buchseite abbilden, sondern Elemente verschiedener Seiten zusammenstellen. Dadurch ergibt sich in Hinblick auf die Datierung einer Handschrift die Möglichkeit für einen Vergleich auf mehreren Ebenen. Waren nach dem Muster paläographischer Bestimmungsbücher die einzelnen Elemente jeweils getrennt behandelt worden, um durch Isolierung Vergleichsreihen zu konstruieren, regte Westwoods Darstellung zu einem mehrschichtigen Vergleichsverfahren an. Für die stilistische Analyse übernahm er die seit Vasari etablierten Kriterien von Zeichnung, Farbauftrag und -qualität. Er unterteilte die Buchmalerei in zwei Phasen : Diejenige vom 8. bis 11. Jahrhundert sei durch grobe Figurenzeichnung und wehende Draperien gekennzeichnet, durch Ornamente mit Flechtknoten und drachenartigen Wesen, während diejenige des 13.–15. Jahrhunderts nun besonders herausragende Beispiele im französischen und flämischen Raum aufweise.168 In Westwoods zahlreichen Publikationen zur irischen Buchmalerei geht es nicht nur um die Charakteristika des Ornaments und der Buchgestaltung, sondern auch um die Geschichte der irischen Kirche und ihrer Eigenständigkeit gegenüber der römischen.169 4.4.5 Die Rolle der Buchmalerei im Rahmen der Kunstgewerbereform und die Sammlung des South Kensington Museums
Neben dem steigenden Interesse von Seiten der kunsthistorischen Forschung erfolgte eine Beschäftigung mit der Buchmalerei auch im Rahmen der Kunstgewerbereform. Hierbei stand die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Prinzipien des Ornaments, das Ornament selbst und sein Einsatz nach Funktion, Material und Kontext im Fokus. Wie in den Äußerungen aus dem Umkreis von Henry Cole, dem Direktor der Kunstgewerbeschule und erster Direktor des South Kensington Museums, das mit durch die Weltausstellung von 1851 erwirtschafteten Mitteln im gleichen Jahr gegründet und 1899 in Victoria & Albert Museum umbenannt wurde, und in den Anmerkungen von Owen Jones zu »The Grammar of Ornament« deutlich wird, war es hierbei nicht das Ziel, ältere Stile lediglich zu kopieren, sondern aus der Beschäftigung mit den Kunsterzeugnissen der Vergangenheit Lehren und Anregungen für die Gegenwart zu erarbeiten. Im Mittelpunkt standen dabei erneut Aufbau, Struktur, Gesetzmäßigkeiten, Grundmotive des Ornaments und der Einsatz von Dekoration hinsichtlich Material, Herstellungsverfahren, Form und Funktion eines Gegenstandes. In der »Grammar of Ornament« finden sich letztlich kaum Tafeln, die der Buchmalerei gewidmet sind. Neben einigen zur insularen Ornamentik, für die Westwood den 168 Westwood 1843–1845, S. xiii, Taf. 21, S. 3, Taf. 22, S. 1, Taf. 33, S. 1, xv. 169 Westwood, 1850, 1853 und 1868.
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Kommentar verfasste,170 bildete Jones nur wenige weitere Beispiele ab, da sich nach seiner Auffassung in der Buchmalerei so viele Stile miteinander mischten, dass sie eigentlich seinen Zielen nur wenig dienlich sei.171 Er wählte verschiedene Ornamentprinzipien aus dem Bereich aus und zeigte, wie diese im Lauf der Geschichte variiert wurden. Mit dem Ziel, eine möglichst umfassende Vorbildersammlung zusammenzustellen, erwarb das des South Kensington Museum seit 1855 und besonders 1857–1858 unter John Charles Robinson (1824–1913) hauptsächlich Einzelseiten aus Handschriften, die vornehmlich aus der Zeit der italienischen Renaissance stammten.172 Komplette Handschriften wurden zunächst selten gekauft, da diese als Sammlungsgebiet der British Library galten und einer didaktisch ausgerichteten Präsentation und Nutzung weniger entgegenkamen als rahmbare Einzelblätter. Der erste Katalog des Museums von 1860 zeigt jedoch, dass die italienischen, unter Robinson erworbenen Handschriften als Kunstwerke ausgestellt waren und nicht als Übungsvorlagen fungierten.173 Sie stammten aus bedeutenden englischen Sammlungen wie denjenigen von Dennistoun und Ottley bzw. wurden Giulio Clovio zugeschrieben. Bei anderen Ankäufen handelte es sich weniger um historisch bedeutsame, sondern vielmehr um Arbeiten von exemplarischem Wert, die Design-Anregungen vermitteln sollten, worüber ihr »Kunstwerk«-Charakter zurücktrat. Die Einzelblätter wurden in Rahmen montiert und dann auch an andere Kunstschulen geschickt, um dort als Vorlagen zu dienen.174 1863 wurden sie in die Bibliothek des Museums eingegliedert. 1862 organisierte Robinson die »Loan Exhibition« im South Kensington Museum, auf der vornehmlich englische und italienische Handschriften und Einzelblätter aus berühmten Privatsammlungen wie denjenigen von Henry Austen Layard, Rev. W. Sneyd und Rev. J. Fuller Russell, J. C. Robinson selbst, Robert Holroyd, R. S. Holford und William Tite gezeigt und in einem Katalogtext von Richard R. Holmes vom British Museum knapp erläutert wurden. Holmes würdigte besonders die englischen Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts. Lobte er bei den frühen Handschriften die »purity of drawing and felicity of expression«, die überzeugende »invention« und Ausführung, so schätzte er bei den späteren »careful modelling of feature and elegance of ornamental details«.175 170 Jones 1995, S. 94–95. 171 Ebd., S. 105. 172 Zur Bedeutung der Handschriftensammlung des South Kensington Museums im Unterricht : Watson 2000 ; Hindman 2001, S. 112–114, 209–213. Zu Robinson : Watson 2000, S. 34–36 ; Helen Elizabeth Davies, Sir John Charles Robinson (1824–1913) : His Role as a Connoisseur and Creator of Public and Private Collections, Dissertation, Oxford 1992. 173 Watson 1997/2003, S. 111–112 ; Watson 2000, S. 34–36 ; Hindman 2001, S. 209–211 ; Watson 2003, S. 164– 165. 174 Vgl. Watson 1997/2003, S. 106. Cecil Harcourt Smith, Catalogue of Miniatures, Leaves, and Cuttings from Illuminated Manuscripts, V&A, Department of Engraving, Illustration and Design, London 1923, 1. Aufl. 1908. 175 Holmes 1862, S. 581.
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Robinsons am Zeitgeschmack orientierte Erwerbungspolitik ließ bei der Evaluierung der Sammlung 1864 durch Henry Shaw Lücken gerade im Bereich des frühen Mittelalters erkennen. Shaw empfahl diese durch den Erwerb von Kopien zu füllen, da diese preiswerter, weniger fragil und von frischerer Farbigkeit als die Originale seien.176 Das Museum erwarb daraufhin 1866 Shaws Serie von Kopien von Handschriftenseiten, die stets eine komplette Seite nach einer Vorlage abbilden.177 Diese »illuminated drawings« kopieren entweder auch den Text der Seite oder fügen an dessen Stelle einen die Handschrift erläuternden Kommentar ein, wobei in diesem Falle die Schrift der jeweiligen Handschrift aufgegriffen wird, so dass die Folge der Blätter zugleich die »progessive changes in caligraphy [sic !]« verdeutlicht.178 Shaw betonte außerdem den historischen Informationsgehalt der Handschriften mit ihren Porträts, Darstellungen historischer Ereignisse und Realien.179 Deswegen finden sich neben Seiten aus bedeutenden religiösen Handschriften wie dem Robert de Lindesey Psalter (SoA, MS 59, vor 1222), einem Evangelienbuch aus Winchester (BL, MS Royal 1 D. ix, um 1020), dem Tenison oder Alphonso Psalter (BL, MS Add. 24686) oder dem Howard Psalter (BL, MS Arundel 83 I) sowie dem Zeitgeschmack entsprechenden Beispielen wie italienischen und flämischen Handschriften des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts nun auch solche Blätter wie die Kopie einer Seite mit der Darstellung König Richards II. (BL, MS Royal 20 B. vi, fol. 2r, Paris, 1395) und das Stifterporträt aus dem Bedford-Stundenbuch (BL, MS Add. 18850, fol. 256v, 257v). Das Museum erwarb auch Kopien anderer Künstler – so von Georg Fuchs, C. H. Ruhl, Lord Charles Thynne,180 Ludwig Gruner181 und Caleb William Wing (1801–1875), der als Stecher, Zeichenlehrer, Kopist und Restaurator von Handschriften tätig war.182 176 Henry Shaws Brief an Henry Cole vom 22.1.1864, in : Watson 2000, S. 38 ; vgl. Christie’s 6.6.1866, Preface, S. 4. 177 Ebd. V&A, Prints & Drawings Department, Inv.-Nr. 5857–5938. Die Blätter Shaws im V&A werden von dem Titelblatt »Choice Leaves from Rare Illuminated Manuscripts by Henry Shaw F.S. A., A.D. MDCCCLXV«, eingeleitet. Zu dieser Serie : McLean 1963, S. 50. 178 Christie’s 6.6.1866, Preface, S. 4. 179 Ebd. 180 V&A, PDP, Inv.-Nr. 4391–4394, 4398, 4460, 4648, 4650. 181 V&A, PDP, Inv.-Nr. 1191 : Kopie einer Miniatur mit Marienkrönung und Groteskenornamenten. 182 Von Wing stammen Kopien von BL, MS Arundel 157 (fol. 19 ; 1870) und vom Della Rovere Gebetbuch (PML, MS M. 306), dessen Malereien Francesco Bettini in den 1490er Jahren ausführte, V&A, PDP, Inv.Nr. 7759, 4950–4963 (1866), D. 301–1899, D. 306–1899. Wing arbeitete 1852–1855 für den Sammler John Boykett Jarman, dessen Handschriften 1846 durch einen Wasserschaden gelitten hatten und die Wing in unterschiedlichem Maße restaurierte oder ergänzte, Backhouse 1968 ; Catalogue of the Beautiful Collection of Illuminated Missals and Books of Hours […] Formed by the late John Boykett Jarman, Sotheby’s, London, 13.6.1864. Von Wing haben sich Kopien des Stifterpaars aus den »Bedford Hours« (1852 ; BL, MS Add. 18850, fol. 256v, 257v), von Bibelhandschriften wie dem Codex Alexandrinus (1860 ; BL, MS Royal 1 D. viii), nach französischen Stundenbüchern des 15. und frühen 16. Jh.s (BL, MSS Add. 25695, 35214),
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Das Interesse für Buchmalerei im 19. Jahrhundert
1866 kaufte das South Kensington Museum zudem Ernesto Spregas Kopien nach Florentiner und sienesischen Chorbüchern, darunter Kopien nach Arbeiten Liberale da Veronas, die als Reproduktionsvorlagen für die 1849 gegründete »Arundel Society« entstanden, zu deren Mitgliedern John Ruskin zählte. Ziel der Society bildete die Vermittlung von Kunstkenntnissen, die Geschmacksbildung und die Überlieferung der vom Verfall bedrohten Kunstschätze Italiens durch die Medien der Graphik und der Photographie.183 Die großformatigen historisierten Initialen, die aus italienischen Chorbüchern herausgeschnitten wurden, erfreuten sich bei Sammlern besonderer Beliebtheit, da sie bereits Malerpersönlichkeiten zugeordnet und im Sinne von Renaissance-Gemälden rezipiert werden konnten, bei denen nun der reich ornamentierte Buchstabe als üppiger Rahmen der szenischen Darstellung fungierte. Nicht nur diese Art der Wahrnehmung war für das Herausschneiden der Initialen aus den Handschriften verantwortlich, sondern auch die praktischen Aspekte von Zollabgaben und die Schwere der Bücher, die den Transport über die Alpen erschwerten.184 Die »Arundel Society« kam 1862 mit ihrer Publikation »An Alphabeth : Capital Letters Selected from the Illuminations of Italian Choral Books of the Fifteenth and Sixteenth Centuries. Engraved in Outline with one Letter in Colours« diesem Interesse für die Initialmalereien der italienischen Chorbücher des 15. und 16. Jahrhunderts nach. Die Kopien entstanden nach Chorbüchern in San Marco, Florenz, und in sienesischen Bibliotheken.185 Die Publikation durch Count Cottrell (1801–1874) erinnert in der alphabetischen Reihung auch an die populären Vorlagebücher für Illuminatoren sowie an die Schreibmeister- und Kalligraphie-Lehrbücher
dem Stuart de Rothesay-Stundenbuch aus dem 16. Jh. mit Miniaturen von Clovio (BL, MS Add. 20927) und besonders nach dem Da Costa-Stundenbuch aus der Sammlung Jarmans (Brügge, um 1515, PML, MS M. 399) erhalten, Backhouse 1968a, S. 82–83. Wing führte auch 1848 Kopien nach Miniaturen des Harley-Rosenromans (BL, MS Harley MS 4425) für Octave Delpierre aus (Chicago, Newberry Library, Case MS Y 7675. R7184), die durch Rahmen des französischen Miniaturmalers Jean Midolle eingefasst werden sollten. Midolle schrieb verschiedene Bücher zur Miniaturmalerei, darunter »Ecritures anciennes d’après des manuscrits et les meilleurs ouvrages exécutés à la plume […]« (1834–1835, 40 Farbtafeln), »Colletion d’Initiales alphabétiques, Moyen-âge, ou recueil de fragments intéressants de l’histoire générale, avec titre, légendes, lettres romanes et dragonites miniaturées, bordures, fleurons et armoiries, émaillés et rehaussés d’or, tirés de plus beaux manuscrits des xiv et xv siècles« (1846) und »Recueil ou alphabet de lettres initiales historiques avec bordures et fleurons d’après le 14 et 15 siècles« (1846, 26 Taf.). Wings Arbeiten kennzeichnen sich, wie Backhouse herausarbeitete, durch eine leuchtende Farbigkeit, Detailliertheit und glänzende Oberfläche, Backhouse 1968a, S. 82. Trotz der großen Vorlagentreue erweisen sich seine Figuren besonders in der Gesichtsgestaltung dem 19. Jahrhundert verbunden. 183 Zur »Arundel-Society« : Robyn Cooper, The Popularization of Renaissance Art in Victorian England. The Arundel Society, Art History I, Nr. 3, Association of Art Historians 1978, S. 262–292 ; Tanya Harrod, John Ruskin and the Arundel Society, Apollo 127, 1988, S. 180–188. 184 Vgl. Watson 1997/2003, S. 38 ; ders. 2000, S. 26. 185 Siehe dazu ausführlicher Hindman 2001, S. 118–122. Die Miniaturvorlagen stammten von Fra Anglico, Giovanni di Paolo di Neri, Liberale da Verona und unbekannten Künstlern.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
der Renaissance.186 1863 veröffentlichte die Society in ihren »Occasional Publications« Faksimiles von Ernesto Sprega nach drei Initialen Liberale da Veronas aus einem Chorbuch des Doms zu Siena.187 In der Folgezeit erwarb das South Kensington Museum weitere Handschriften, Einzelblätter sowie komplette Sammlungen.188 Eine Änderung des Sammelansatzes erfolgte in den 1890er Jahren unter dem Bibliothekar Charles Weale, als das Museum seine Rolle neu definierte und sich zunehmend als Kunstmuseum verstand.189 Auch Zeitschriften wie das »Art Journal« erkannten die Bedeutung der Buchmalerei als Anregung für die zeitgenössische Kunst, besonders für die Buchgestaltung.190 So könnten die Handschriften Beispiele für »perfect harmony of colour, the purest combination of ornamental forms, and the choice of subject« vermitteln.191 Dabei wird der Weg der Buchmalerei von der »intricate profusion of interlaced work« über frühe Blattornamente zu Darstellungen von Blumen nach dem Naturvorbild bis zu der »high Art of Julio Clovio« beschrieben.192 Die Publikationen zur Buchmalerei mit ihren zahlreichen Farbtafeln wurden in der zeitgenössischen Kunstpresse als Ornamentquellen für Künstler aller Bereiche begrüßt und positiv bewertet.193 Das »Art Journal« empfahl to those engaged in any branch of the Decorative Arts, the general study of the works of the Book illuminators of the Middle Ages ; for they contain a host of highly suggestive combinations, not only quaint, (for the quaintness is confined to the treatment of the human figure in the miniatures) but beautiful – in the borders, exceedingly beautiful – and far more artistic and various, that the best attempts of more modern hands in similar walks of Art have at present produced.194
1849 gab die Zeitschrift, dieses Anliegen aufgreifend, eine Serie mit »Examples of Medieval Art applicable to Modern Purposes« heraus, die von Henry Shaw eingeleitet wurde, der hier besonders auf die »almost endless variety of beautiful forms, the skilful management of materials, and the tasteful arrangement of colours« verwies, die dem 186 Hindman 2001, S. 118. 187 Ebd., S. 118–122. V&A, PDP, Inv.-Nr. 4594–4596. Weitere, nicht reproduzierte Kopien wurden von der Society 1889 oder 1895 an die National Gallery gegeben, von wo sie 1906 ins V&A gelangten, PDP, E. 120–133–1996 ; Watson 1997/2003, S. 113, Anm. 288 ; ders. 2003, S. 135. 188 Watson 1997/2003, S. 108–109 ; ders. 2000, S. 36–38. 189 Watson 2003, S. 138 ; ders. 1997, S. 107–108. Zur neuen Ausrichtung des V&A : ders. 2000, S. 43–45. 190 Art Journal 1849, S. 31. 191 Ebd. 192 Ebd. 193 Z. B. The Art Union Monthly Journal of the Fine Arts, and the Arts Decorative and Ornamental X, 1848, S. 115–116, 204 ; Art Journal 1849, S. 31. 194 The Art Union Monthly Journal of the Fine Arts, and the Arts Decorative and Ornamental X 1848, S. 115– 116.
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zeitgenössischen Künstler Anregungen bieten könnten.195 Initialen nach Handschriften verschiedener Epochen leiten jeweils den Text ein. Shaw verfasste dazu eine knappe Zusammenstellung von Charakteristika der frühen Buchmalerei, die weitgehend den etablierten Bahnen folgend Verweise auf Purpurpergament und Goldschrift, Hieronymus’ Kritik an solchen Prachthandschriften, die Missbilligung der Initialen des 8.–11. Jahrhunderts mit Tiermotiven umfasst und die englische Malerei des frühen Mittelalters wegen ihrer feinen Muster und komplizierten Verflechtungen, dem »wonderful« Kontrast zwischen grober Figurendarstellung und feinteiliger Genauigkeit der Initialen lobt.196
4.5 Die Bedeutung von Buchmalerei für A. W. N. Pugin Augustus Welby Northmore Pugin (1812–1852), der 1828 zum Katholizismus konvertierte Entwerfer der Innenausstattung für Charles Barrys Neubau der Houses of Parliament, der bevorzugte Architekt des katholischen englischen Adels und der maßgebliche Ausstatter des Mediaeval Court der Weltausstellung von 1851, war einer der ersten, der bewusst das Vorbild der Buchmalerei auf die zeitgenössische Dekoration übertrug.197 Wie in anderen Bereichen der Architektur und Künste zeigte Pugin auch in der Buchmalerei den durch die Reformation eingeleiteten Niedergang der Kunst und, daran gekoppelt, des religiös-sozialen Gefüges auf.198 Den Höhepunkt der Buchmalerei erachtete er im 14. und 15. Jahrhundert, wobei er besonders die Klarheit der Zeichnung und die Leuchtkraft der Farben heraushob.199 Wie vor ihm die Antiquare griff Pugin auf die Buchmalerei wegen der grundlegenden Ornamentprinzipien, der Informationen zum Erscheinungsbild liturgischer Gewandung und Geräts sowie zum mittelalterlichen Kirchenraum zurück.200 Darauf aufbauend entwickelte er Mustervorschläge für unterschiedliche Materialien und Objekte sowie Alphabete in verschiedenen Schriften, die z. B. für die Dekoration des Kirchenbaus genutzt werden können. Für die Titelseite des »The Glossary of Ecclesiastical Ornament and Costume« (1846) und der »Examples of Gothic Architecture« (1836)
195 Henry Shaw, Examples of Mediaeval Art applicable to Modern Purposes, The Art Journal 1849, S. 14–16, hier S. 14. 196 Ebd., S. 117–119, hier S. 117, 118. 197 Zum Mediaeval Court : Alexandra Wedgwood, The Mediaeval Court, in : Atterbury/Wainwright 1994, S. 237–245. 198 In den »Contrasts« stellte Pugin, ausgehend von der Beziehung zwischen Funktion und Schönheit, die Angemessenheit eines Stils zum Glauben dar, wobei die Gotik seiner Auffassung nach den Inbegriff »christlicher« Architektur bilde, vgl. Pugin 1841/1969, S. 79 ; Margaret Belcher, Pugin Writing, in : Atterbury/ Wainwright 1994, Kap. 7, S. 105–116. 199 Pugin 1836, S. 4–5. 200 Vgl. Pugin 1868, S. 6, 43, 45.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
bezog er sich auf das Vorbild von Autorenbildern in mittelalterlichen Handschriften.201 In »The True Principles of Pointed or Christian Architecture« (1841) nannte er explizit Handschriften des 13.–15. Jahrhunderts als geeignete Vorbilder für den Entwurf von Tapeten- und Teppichmustern.202 Für Pugin bildete die Orientierung an mittelalterlichen Vorbildern »the only hope of reviving the perfect style […] ; illuminated MSS. stained glass, and especially brasses […], will furnish excellent examples, and many of them easy of imitation«.203 Allerdings bezweifelte er, dass die Qualität der frühen Arbeiten in seiner eigenen Gegenwart erreicht werden könnte.204 Wie John Ruskin und William Morris ging er davon aus, dass die bedeutenden mittelalterlichen Künstler stets auch im Bereich des Kunsthandwerks tätig gewesen seien, so dass die erhaltenen Fenster, Emailarbeiten und auch Miniaturen immer als hochwertige Arbeiten anzusehen seien, deren Qualität nicht nur auf dem Talent des Künstlers allein, sondern auch auf seiner Berücksichtigung der spezifischen Materialqualitäten beruhten.205 Pugin, der einige wenige Arbeiten der Buchmalerei besaß,206 bediente sich ihrer weiterhin als Anregung für Dekorationsmotive in seinen Innenausstattungen wie in Scarisbrick Hall.207 Von ihm stammen auch illuminierte Initialen an Briefanfängen208 und 201 Wainwright erkannte als Vorbild für die Architektendarstellung in den »True Principles« von 1841 das Autorenbild Monstrelets in einer Handschrift der BNP, das in N. X. Willemins »Monuments français inédits« abgebildet war, Clive Wainwright, Book Design and Production in : Atterbury/Wainwright 1994, S. 152–164, hier S. 162, Abb. 309 auf S. 161. Ein Entwurf in der RIBA Drawings Collection, London, vgl. ebd., Abb. 305 auf S. 160. Vgl. a. das Autorenporträt im Oxforder Rosenroman, BLO, MS Douce 195, fol. 1r. 202 Pugin 1868, Introduction, S. iv ; ders. 2003, Pointed or Christian Architecture, S. 26. 203 Pugin 1841/1969, S. 78 ; vgl. a. ders. 1836, S. 35. 204 Pugin 1841/1969, S. 78. 205 Ebd., S. 79. 206 Wedgwood 1977, S. 99 ; Catalogue of the valuable collection of framed engravings, drawings and paintings of the late eminent architect A. W. Pugin Esq., Sotheby’s, 7.4.1853, Los 192–193, S. 11. Hierbei handelte es sich um Buchmalereien des 14. Jh.s. 1826 besaß Pugin ein Gebetbuch in Latein und Holländisch aus dem 16. Jh., Hindman 2001, S. 289, Anm. 10. 207 Vgl. die alphabetischen Beispielblätter, in : Pugin 1841/1973, und das Kaminbild des von Pugin entworfenen Kamins im »Red Room« von Scarisbrick Hall (1837–1845, für Charles Scarisbrick), das auf Motiven in Miniaturen von BL, MS Harley 4425, fol. 14v, 12v, basiert, Abb.: Edward Croft-Murray, Decorative Painting in England, Bd. II, London 1971, S. 252 ; Mark Girouard, The Victorian Country House, New Haven/London 1979, Abb. 85–86 auf S. 115. Für weitere Anregungen Pugins durch die Buchmalerei : Phoebe Stanton, Pugin, London 1971, S. 104–105, zur Dekoration von St. Cheadle ; Roderick O’Donnell, Pugin as a Church Architect, in : Atterbury/Wainwright 1994, S. 65–89, hier S. 76. Zeichnungen nach Buchmalerei-Vorlagen finden sich allerdings kaum in Pugins Skizzenbüchern, aber z. B. im zweiten Skizzenbuch der Frankreichreise von 1847, fol. 101 : Wedgwood 1977, Nr. 106, fol. 101, S. 99. Skizzen Pugins zu einem Alphabet im mittelalterlichen Stil im V&A, NAL, MSL 1960–5415–5416. 208 Abb. in Atterbury/Wainwright 1994, Abb. 194–195 auf S. 107 (Magdalen College Oxford und Cambridge University Library) ; Paul Atterbury (Hrsg.), Ausst.-Kat. A. W. N. Pugin. Master of Gothic Revival, Bard Graduate Center for Studies in the Decorative Arts, New York, New Haven/London 1995, Kat. Nr. 46, S. 273
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Zusammenfassung
Widmungsblättern,209 in denen er Formen und Motive des 14. und 15. Jahrhunderts ebenso aufgriff wie Elemente der romanischen Buchmalerei.210 So variierte er für die Illuminierung seines Projekts für eine der hl. Margaret geweihten Kapelle Initialen des Arnstein Passionale (BL, MS Harley 2800).211 Wie Pugin und Ruskin erkannten George Ashdown Audsley und sein Bruder, der Architekt William James Audsley, den Nutzen der Handschriften als Vorbilder für dekorative Schriften in einem architektonischen Kontext. So bildeten sie ebenfalls in ihrer »Polychromatic Decoration as applied to Buildings in the Mediaeval Styles« (1882) fünf Tafeln mit Alphabeten nach Handschriftenvorlagen des 12. bis frühen 15. Jahrhunderts ab.212
4.6 Zusammenfassung Die vorgestellten Werke belegen, dass – wie schon im 18. Jahrhundert – das jeweilige Interesse, unter dem die Buchmalerei befragt wurde, zu einer Aufspaltung in ihre Einzelbereiche führte : Miniaturen interessierten die Antiquare und die Connoisseure, sie dienten innerhalb einer kontinuierlichen Kunsthistoriographie als Ersatz für verlorene frühe Werke der Wand- und Tafelmalerei,213 während Ornament- und Schriftpartien eher den Kunsthandwerkern und Buchgestaltern Anregungen vermitteln sollten.
(1841 mit Darstellung der Verkündigung, St. George’s Cathedral Southwark) ; Benjamin Ferrey, Recollections of A. W. N. Pugin and his Father Augustus Pugin, London 1861, Reprint London 1978, gegenüber S. 76 (Brief an Mr Osmond, 27.10.1833 mit einer Darstellung des hl. Osmond). 209 Abb. in Atterbury/Wainwright 1994, Abb. 293 auf S. 154 ; Belcher 1987, A 30, S. 68–69 ; Watson 1997/2003, S. 14. 210 Vgl. Hindman 2001, S. 184–186 ; Beckwith 1987, Kat. Nr. 41, S. 55. Das Pugin zugeschriebene Titelblatt zum »Liber Vitae« (St. Cuthbert’s College, Ushaw) weist farbige Akanthusblätter, Goldpollen, stilisierte Blüten wie Nelken, Veilchen, Erdbeeren, Tiere sowie Groteskenmotive im Stil des 15. Jh.s, Medaillons und Vierpässe mit Darstellungen von Heiligen und Kirchengebäuden auf, Atterbury/Wainwright 1994, Abb. 293 auf S. 155. Zu illuminierten Titelblättern von »The Shrine« (1832, V&A, NAL, MSL 5179–1969), zu Entwurfszeichnungen für eine der hl. Margarethe geweihten Kapelle (1833, V&A, NAL, MSL 5176–1969) und zu Pugins »Le Chasteau, inventé et dessiné par Auguste Welby Pugin« (1833, V&A, MSL 5178–1969) : Wedgwood 1985, Kat. Nr. 109–111, S. 132–145 ; Watson 1997/2003, S. 13 ; Watson 2011 III, Kat. Nr. 249– 252, S. 1136–1145 mit Abb. 211 Vgl. ebd., S. 1141. Watson verweist auf die Abbildungen bei Madden/Shaw 1830–1833. 212 Audsley/Audsley 1882/1991, Preface, S. vii. Zu dieser Publikation : Fox 1999, S. 4. Siehe auch Audsleys Vortrag »The Rise and Progress of the Art of Illuminating during the Middle Ages and its useful Application in the Nineteenth Century to Architecture and Art Manufactures« von 1860 vor der Liverpool Architectural Society, in dem er neben einer historischen Schilderung die Buchmalerei auf ihren Nutzen für Architektur und angewandte Künste, besonders für die Kirchenausstattung und Textilentwürfe, untersuchte, Building News 7.12.1860, S. 934. 213 Vgl. für diese Funktion der Buchmalerei noch : Art Journal 1873, S. 128.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
Wieck und Watson arbeiteten auch beim Sammeln von Handschriften die Zweiteilung von Illuminierung – die dekorative Einfassung und ornamentale Dekoration des Buchstabens – und der Miniatur – Malerei in kleinen Format – heraus :214 Miniaturen wurden herausgetrennt und durch ebenfalls ausgeschnittene Ornamentleisten bildhaft gerahmt und präsentiert, während für den Unterricht an den Kunstschulen Initialen und Ornamentleisten ausgeschnitten und gerahmt wurden, um als Muster zu zirkulieren. Die Fragmentarisierung der Seite wiederholt sich auch in der Gestaltung der Tafeln der Lehrbücher zur Miniaturmalerei. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in England in der Zeit um 1850, wohl auch angeregt durch die Publikationen Gustav Waagens, die Grundlage für eine Wahrnehmung von Buchmalerei gelegt wurde, die auf systematische Analyse, umfassende Betrachtung, begründete Einteilung nach Entstehungszeit und -ort in Schulen abzielte. Neben einer genauen kodikologischen Analyse, die sich der Materialität der Handschrift widmete – wie sie von Frederic Madden betrieben wurde – sollten idealiter alle Bereiche der Handschrift – Text, Sprache, Schrift, Bildschmuck, liturgische oder politische Zusammenhänge – geklärt werden. Waagen stellte eine Fülle von Material geordnet zur Verfügung, wobei seine knappen Formulierungen auf einer genauen Betrachtung der Objekte und einer vergleichenden stilistischen Einordnung beruhten, die der kunstgeschichtlichen Erforschung der Buchmalerei wichtige Grundlagen zu Werkkenntnis und Stilgeschichte vermittelten. Er blieb jedoch der traditionellen Ästhetik verbunden, die die Blüte der Gattung in den Miniaturen Clovios erachtete. Waagens Interesse für die Buchmalerei war in dem Streben nach einer umfassenden und kontinuierlichen Geschichte der Malerei und der Erarbeitung ihrer Stilgeschichte begründet, für die die meisten erhaltenen Arbeiten aus der Zeit des Mittelalters im Medium der Buchmalerei vorlagen. Seine kunstgeschichtliche Arbeit erfolgte unabhängig von seinen ästhetischen Neigungen, bedingt durch ein kunstgeschichtliches Erkenntnisinteresse – der »Geschmack« hat sich bei Waagen nicht geändert, wohl aber die Fragestellung, unter der die Buchmalerei betrachtet wurde. Die Übertragung der historischen Fragestellung auf die Künste erleichterte die Lösung von zeitästhetischen Einbindungen der Kunstbetrachtung und machte die Kunstwerke aller Epochen zu theoretisch »gleichwertigen« Studienobjekten. Eine Auseinandersetzung mit gattungsspezifischen Kriterien und Überlegungen zum Wesen der Buchmalerei, den Zusammenhängen von Funktion, Text-Bildbezug, Handhabung, Material blieb bei Waagen noch weitgehend aus. Erst Ruskin und dann Morris sollten sich mit diesen Fragen und den sich daraus ergebenden Gestaltungsgrundsätzen beschäftigen. Ihre in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen ließ sie die frühe gotische Buchmalerei schätzen und führte zu einer Neubewertung Giulio Clovios, zu einer kritischen Sicht seiner Arbeiten. Dabei wurde nun seine hohe technische Virtu214 Wieck 1996 ; Watson 2000 ; Hindman 2001, S. 112
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Zusammenfassung
osität in der Darstellung tiefendimensionaler Bildräume und sein Zitieren von Bildmotiven anderer Künstler als unpassend für das Medium der Buchmalerei bewertet. Es sollte Morris durch die Einbeziehung des Aspekts des für eine bestimmte Gattung Angemessenen gelingen, für die Buchmalerei neue ästhetische Kriterien zu erschließen, die zu einer positiven Bewertung der frühen Arbeiten führte. Morris’ Auffassung, dass sich die Qualität einer Handschrift aus dem Miteinander ihrer Teile ergebe, stieß in den 1890er Jahren auf breitere Zustimmung. Edward Quaile verband dieses in seinen »Illuminated Manuscripts« von 1897 mit älteren Ansätzen wie dem kulturgeschichtlichen Informationsgehalt der Miniaturen.215 Walter Crane stellte seiner Einführung in die Illustration, »Of the Decorative Illustration of Books Old and New« von 1896, die in einen Überblick zur zeitgenössischen Illustration mündet, die die Bedeutung von William Morris und seiner Kelmscott Press unterstreicht, ein Kapitel voran, das die »Vorgeschichte« der Illustration – die Buchmalerei – knapp schildert. Grundlegend unterschied er zwischen dem »pictorial statement« und dem »decorative treatment«, zwischen einer »imitative« oder »illustrative« und einer »inventive« oder »decorative« Art der Buchausstattung, wobei seine Aufmerksamkeit der gelungenen Dekoration, der »decorative beauty« der Seite galt.216 Seine Geschichte der Buchmalerei führt die üblichen Exempel aus englischen Sammlungen mit Schwerpunkt auf englischen Beispielen auf, wobei deutlich wird, dass auch Crane den Höhepunkt im 13. und 14. Jahrhundert verortete, einer Zeit, deren Arbeiten er durch die Lebendigkeit der Darstellung, die Erfindungskraft, durch die harmonische Zusammenarbeit von »illustrator« und »decorator« gekennzeichnet sah mit dem gemeinsamen Ziel »to beautify his page«.217 Zwar lobte er die flämischen Arbeiten des 15. Jahrhunderts, doch warf er ihnen einen Verlust der »beauty of pure decorative effect« durch ihre detaillierte Naturnachahmung vor.218 Dagegen erkannte er in den Initialen der italienischen Chorbücher eine »rare union of imaginative form, pictorial skill, and decorative sense […] united with all the Italian richness and grace in the treatment of early Renaissance ornament« – eine Einstellung, die sich von der Morris’ unterscheidet.219 Wie dieser bezeichnete er jedoch den Miniaturmaler als einen Künstler, der im Laufe der Zeit zu einem »picture painter« 215 Quaile 1897, S. 146–147. Er legte den Schwerpunkt seiner Darstellung auf die englischen Arbeiten, die er in »Anglo-Saxon«, »Anglo-Saxon-Irish« und in Nord- und Südengland unterteilte und deren herausragende Stellung im 14. Jahrhundert er betonte, wobei er als das typisch Englische »the realistic, and the fantastic, and the humorous« herausarbeitete, ebd., S. 76. Seine Arbeit versuchte einen umfassenden Überblick zu vermitteln und ist mit 26 photographischen Tafeln nach Arbeiten des 15. Jahrhunderts ausgestattet. 216 Crane 1896, S. 5, 39, S. 16, 31. Im Folgenden unterscheidet er weiterhin zwischen der genauen Naturnachahmung und der »imaginative beauty«, dem »systematic, organic ornament«, ebd., S. 19–20. 217 Ebd., S. 31. Crane bezeichnete Schreiber, Illuminator und Miniator auch als Architekten, die auf der Seite »beautiful structures of line and colour« errichteten, ebd., S. 42. 218 Ebd., S. 36. 219 Ebd., s. a. S. 38.
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William Morris und die Geschichte der Buchmalerei in England
geworden sei, dessen Malerei zunehmend unabhängig vom Malgrund und Kontext des »Bildes« entstehe.220 Bei vielen der englischen Autoren, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Buchmalerei beschäftigten, seien es Ruskin, Morris, Shaw, Humphreys oder Wyatt war das historische Interesse an Buchmalerei, das Bemühen ihre Etappen und Charakteristika zu erkennen, stets an das Anliegen gebunden, Grundlagen für eine Wiederbelebung, ein »Revival«, zu entwickeln, auf denen eine moderne Buchmalerei, eine für die eigene Zeit aufbauen könnte. Wie diese aussehen sollte, darüber bestanden voneinander abweichende Auffassungen, die abhängig von Nutzung und Funktion der Buchmalerei waren. Die Auseinandersetzung mit Aspekten von Ornament, Funktion und Material führte zu einer Neubewertung der gotischen Buchmalerei gegenüber derjenigen der Renaissance. Mit dem geänderten Anliegen, das dem Ornament und dem Kunsthandwerk/gewerbe galt, war eine Verschiebung des Interesses verbunden, so dass nun nicht mehr die Miniaturen im Mittelpunkt standen, sondern Initialen und Rahmengestaltung. William Morris fügte sich somit in Tendenzen und Auffassungen seiner Zeit ein und schloss sich solchen Zeitgenossen an, die einen »modernen« Standpunkt vertraten und sich von den Geschmacksvorstellungen des 16. bis frühen 19. Jahrhunderts, wie sie durch Vasari und die Rezeption der Antike und der Renaissance vorgegeben wurden, unterschieden. Eine relativ neue Sensibilisierung für die eigene Geschichte und ihre Zeugnisse, die direkte Sprache des Mittelalters und eine Neuevaluierung der mittelalterlichen Kunstproduktion – sowohl ihrer ästhetischen Qualitäten als auch der Entstehungsbedingungen – vor dem Kontext der Reform der angewandten Künste, zu denen die Buchkunst als Teilbereich zählte, vermittelten hierfür bei Morris die Grundlage. Zugleich diente ihm, seinen Kollegen aus dem Kreis der Präraffaeliten ebenso wie Pugin die Buchmalerei als Quelle für realiengeschichtliche Informationen, für Auskünfte zu Kleidung, Raumausstattung, Architektur und Gerät des Mittelalters. Der Nutzen dieser Informationen war hauptsächlich darauf ausgerichtet, eine historisch korrekte Ausstattung in Historiengemälden zu ermöglichen sowie Anregungen für Dekorationsprojekte der eigenen Zeit zu vermitteln. Hierbei fungierten Ausstattungsdetails und Muster in den Bildräumen der Miniaturen als Inspiration, als Ausgangspunkt zur Entwicklung und zum Entwurf von Gegenständen und Ornamenten, die den Anliegen der eigenen Zeit entgegenkamen und entsprachen, wobei aber auch der Ausblick in die Zukunft im Sinne einer verbesserten Gegenwart eingeschlossen war. Die Inspiration des Mittelalters sollte zu einer sowohl ästhetisch-dekorativen als auch sozialen Verbesserung beitragen und auf diese hinwirken. Der Rückbezug auf die Vergangenheit war somit immer auf die Gegenwart und Zukunft ausgerichtet.
220 Ebd., S. 45.
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5 William Morris als Handschriftensammler
5.1 Eine Einführung Morris reiht sich als Handschriftensammler in eine längere Tradition ein. Wurden illuminierte Handschriften zunächst allein wegen ihres Erkenntniswerts in Hinblick auf historische und antiquarische Informationen erworben, so lässt sich seit Ende des 18. Jahrhunderts ein Anwachsen der Käufe auf Grund ihrer ästhetischen Qualitäten verzeichnen. John Soane (1753–1837) und William Beckford (1760–1837) sammelten mittelalterliche Handschriften als Requisiten für ihre gotischen Architekturphantasien – den Monk’s Parlour und Fonthill Abbey –, schätzten aber eigentlich Buchmalereien des 16. Jahrhunderts wie diejenigen Giulio Clovios. Englische Buchsammler der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie Francis Douce oder Robert Curzon waren in ihrem Ansatz noch weitgehend antiquarisch ausgerichtet :1 Ihnen dienten die Buchmalereien als Quellen für kultur- und realiengeschichtliche Informationen zum Mittelalter. Doch auch Douce erwarb Handschriften, wie die große Anzahl von illuminierten Stunden- und Gebetbüchern in seiner Sammlung vermuten lassen, allein wegen ihrer Miniaturen.2 Dieser Eindruck wird durch seine italienischen Renaissance-Handschriften unterstützt : Er war bestrebt, ihre Miniaturen bedeutenden Malerpersönlichkeiten zuzuschreiben, und wünschte sich, wie jeder Buchsammler seiner Zeit, eine von Giulio Clovio illuminierte Handschrift.3 Sammler wie der Historiker William Roscoe in Liverpool und der Maler William Ottley wiederum sammelten italienische Miniaturen im Rahmen einer visuellen Geschichte der italienischen Malerei, wobei Roscoe die Miniaturen auch unter zivilisationshistorischen Interessen betrachtete.4 Sir Thomas Phillipps’ (1792–1872) Sammlung belegt ein ästhetisch-kunsthistorisches Interesse, das sich besonders im Ankauf von Stundenbüchern des 15. Jahrhunderts spiegelt.5 Phillipps hatte zunächst aufgrund seiner antikatholischen Haltung, die auch eine Abneigung gegen die englischen High Church-Strömungen ein-
1 2 3 4
Douce 1840 ; Douce 1984 ; Munby 1982, S. 35–56. Zu Robert Curzon und Walter Sneyd : ebd., Kap. V-VI. Douce 1984, S. 130. Ebd., S. 131, 53 (zu BLO, MS Douce 29) ; Douce 1840, S. 2 (zu BLO, MS Douce 11). Munby 1972, S. 62–70. Zu Roscoes Sammlung : William Roscoe, Catalogue of the very select and valuable Library of William Roscoe which will be sold by auction by Mr Winstanley, at his rooms in Liverpool, 19.8.1816 ; Michael Compton, William Roscoe and Early Collectors of Italian Primitives, in : Liverpool Bulletin. Libraries, Museums & Arts Committee IX, Liverpool 1960–1961, S. 27–51. 5 A. N. L. Munby, Phillipps Studies Bd. I-V, Cambridge 1951–1960 ; The Phillipps Manuscripts. Catalogus Librorum, Manuscriptorum in Biblioteca D. Thomae Phillippi, Bart. AD 1837, Reprint mit Einleitung von A. N. L. Munby, London 1963 ; Munby 1972, S. 79–80.
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schloss, nur historische, keine religiösen Handschriften erworben.6 Die Sammlung des reichen Kunstsammlers Robert Stayner Holford (1808–1892) dagegen charakterisierte Munby als geprägt durch »catholic tastes«, wobei dieser auch romanische und gotische Handschriften erwarb.7 Wie Samuel Rogers war auch Holford besonders an den Miniaturen interessiert und sammelte deswegen auch zahlreiche aus Handschriften ausgeschnittene Bildfelder. Bei Rogers bildeten Handschriften und Miniaturen nur einen Teil seiner umfangreichen Kunstsammlung.8 Für den Adel wiederum waren Handschriften als Zeichen von Anciennität und zur Bekräftigung einer paternalistisch-feudalen Rolle, ihrer Stellung als Förderer von Kunst und Kultur bedeutend. So erwarb 1848 Bertram, Lord Ashburnham, die Sammlung des Duke of Buckingham von Stowe, die auch die berühmte Libri-Sammlung einschloss.9 Der Umgang der Sammler mit den Handschriften war sehr unterschiedlich. Einige gaben Restaurierungen und Ergänzungen ihrer Handschriften durch Miniaturmaler in Auftrag, wie Janet Backhouse im Falle von William Burges und Horatio W. Lonsdale sowie von John Boykett Jarman und Caleb William Wing zeigen konnte.10 Insgesamt ist seit den 1860er Jahren ein wachsendes Interesse an illuminierten Handschriften zu konstatieren. So wurden nicht nur zunehmend komplette Handschriften gesammelt, sondern auch ausgeschnittene Miniaturen, da ein besonderes Interesse an ihnen bestand und sie wie kleinformatige Gemälde auf Pergamentgrund unabhängig von ihrem Buchkontext betrachtet wurden. Das Ausschneiden bildete ein Verfahren, das zugleich geläufig war und heftig kritisiert wurde.11 Davon betroffen waren besonders die historisierten Initialen der großformatigen italienischen Chorbücher, deren Malereien sich mit bei Vasari genannten Künstlern verbinden ließen. Bei den Käufern handelte es sich weitgehend um Connoisseure, deren Interesse der Geschichte der italienischen Malerei galt und die die ausgeschnittenen Miniaturen als Bildersatz erachteten. Waagen äußerte sich bereits 1837 anläßlich eines Besuchs der Sammlung Ottleys kritisch zu diesem Verfahren, das allerdings von den Händlern bevorzugt wurde, da diese mit dem Einzelverkauf mehr Geld 6 A. N. L. Munby, The Family Affairs of Sir Thomas Phillipps, Phillipps Studies II, Cambridge 1952, S. 64–72 ; ders., The Formation of the Phillipps Library up to the year 1840, Phillipps Studies III, Cambridge 1954, S. 138 ; ders., The Formation of the Phillipps Library from 1841 to 1872, Phillipps Studies IV, Cambridge 1956, Kap. VIII. 7 Munby 1972, S. 148. 8 Catalogue of the very Celebrated Collection of Works of Art, the Property of Samuel Rogers, Esq., Deceased, Comprising Ancient and Modern Pictures, Drawings and Engravings, Egyptian, Greek and Roman Antiqui ties, Greek Vases, Marbles, Bronzes, and Terra-Cottas, and Coins, also the Extensive Library, […], Christie’s, London, 28.4.1856. 9 Munby 1972, Kap. VII. 10 Backhouse 1968a ; Jarman-Auktion, Sotheby’s, London, 13.–14.6.1864. Lonsdale restaurierte 1874 Burges’ aus dem 14. Jahrhundert stammenden Rosenroman (BL, MS Add. 31840), Hindmann 2001, S. 157. Zu Jarman s. a. Munby 1972, S. 61. 11 Siehe hierzu auch die Einleitung bei Voelkle/Wieck 1992, S. 13–16.
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verdienen konnten.12 Zudem waren die Chorbücher aufgrund ihres extrem großen Formats für den Erwerb eher unattraktiv und umständlich zu transportieren. Eine berühmte Sammlung solcher Einzelblätter mit einem Schwerpunkt auf Arbeiten seit dem 15. Jahrhundert bildete diejenige des Abate Luigi Celotti (um 1768-um 1846), die am 26.5.1825 bei Christie’s angeboten wurde. Den Katalog verfasste William Young Ottley, der ihn nach der Regierungszeit der Päpste gliederte.13 Ottley erachtete die Miniaturen als »monuments of a lost art«, womit er auf die technischen Aspekte der Buchmalereien anspielte, und charakterisierte die Buchmalerei als religiöse Übung der Mönche, wobei die Heiligen durch die Pracht des Goldes und der Farben gefeiert würden.14 Die im 19. Jahrhundert anzutreffende Gewohnheit des Ausschneidens szenischer Darstellungen aus Handschriften deutet auf die Fortsetzung der bildhaften Wahrnehmung der Buchmalereien und auf das primär ästhetische als inhaltliche Interesse an den Handschriften.15 Hindman unterscheidet bei diesen Fragmentarisierungen zwischen Einzelseiten, ausgeschnittenen Initialen, dem Sammeln von Einzelseiten in Alben, dem Einfügen von herausgetrennten Seiten in Publikationen im Sinne von zusätzlichen Illustrationen als ergänzende visuelle Information und schließlich das Arrangieren bzw. Collagieren der Ausschnitte zu einer neuen Komposition.16 Die herausgeschnittenen Einzelteile von Miniaturfeldern, Initialen und ornamentalen oder floralen Rahmenleisten wurden gerne in einem bildhaften Arrangement zusammengestellt, bei dem die Miniaturen durch die anderen Elemente gerahmt wurden. Morris begann erst 1891 ernsthaft und in größerem Umfang Handschriften zu erwerben, wobei die meisten aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammten, womit er den Anregungen durch Ruskin folgte.17 Zwar hatte er schon in den 1870er Jahren Handschriften gekauft, doch trennte er sich von den meisten aufgrund seiner inzwischen gestiegenen Ansprüche wieder. Vor den 1890er Jahren galt sein Interesse eher frühen Buchdrucken. Dass ihm der Erwerb kostspieliger Handschriften zunächst schwerfiel, wird am Beispiel des Huntingfield Psalters deutlich, den er dreimal von dem Antiquar Bernard Quaritch 12 Waagen 1837 I, S. 401 ; siehe zu Ottleys Sammlung : ebd., S. 400–403. 13 Vgl. hierzu Munby 1972, S. 65 ; Hindman/Heinlen 1991, S. 167–169. 14 Zit. nach : Wieck 1986, S. 239 15 Vgl. zu diesem Aspekt auch die Ausstellung »Vandals and Enthusiasts. Views of Illumination in the Nineteenth Century«, V&A 1995 ; Hindman 2001, Kap. »Specimens«, S. 49–101 ; zu einer Geschichte des Ausschneidens von Miniaturen : Wieck 1996. 16 Hindman 2001, S. 69–101. Roger S. Wieck verwendet für das Einfügen von Handschriftenseiten als zusätzliche Buchillustrationen die Bezeichnung »Grangerisation«. Er bezieht sich dabei auf James Granger, Wieck 1996 ; Hindman 2001, S. 91–92. Als Beispiel ließe sich das Exemplar von Shaws und Maddens »Illuminated Ornaments« aus der Sammlung von John Lomax nennen, in das 120 Handschriftenfragmente eingelegt waren, Dyson Perrins-Auktion III, Sotheby’s, London, 29.11.1960, Los 151, S. 128–129 ; Alan Thomas-Auktion, Sotheby’s, London, 21–22.6.1993, Los 29–30, 397, S. 54–57. Eine kurze Geschichte der ausgeschnittenen Miniatur auch in : Catalogue of Single Leaves and Miniatures from Western Illuminated Manuscripts, Sotheby’s, London, 25.4.1983, Introduction. Siehe a. Hindman/Heinlen 1991, S. 166–171. 17 Vgl. May Morris in : CW XXIV, S. xviii.
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auslieh, bevor er ihn schließlich kaufte. Morris kannte die Handschrift seit 1890, erwarb sie aber erst 1895. Kelvin wies daraufhin, dass Morris, nachdem er erst einmal seine Preishemmschwelle überwunden hatte, kurze Zeit später wieder eine sehr teure Handschrift, das Tiptoft Missale, kaufte.18 Morris’ Buchleidenschaft scheint auch der Grund gewesen zu sein, dass er auf seiner Frankreichreise von 1891 mit seiner Tochter Jenny Paris mied, da er fürchtete, alles Geld für Bücher auszugeben.19 Dabei erkannte er einen Widerspruch zwischen seiner Sammeltätigkeit und seinem sozialistischen Engagement. In einem Interview mit der »Pall Mall Gazette« 1891 konstatierte er, wenn auch in Hinblick auf gedruckte Bücher : […] if we were all Socialists things would be different. We should have a public library at each street corner, where everbody might read and see all the best books […]. I should not then have to buy all these old books, but they would be common property, and I could go and look at them, as would everybody else. Now I have to go to the British Museum, which is an excellent instituion, but it is not enough. I want these books close at hand, and frequently, and therefore I must buy them. It is the same with everybody else, and if they have not money enough to buy them they must go without. Socialism would alter that all.20
Von Morris’ Bibliothek haben sich fünf Kataloge erhalten. Drei davon stammen von ihm selbst, entstanden jedoch zu einer Zeit, in der seine Bibliothek noch wenige Handschriften enthielt. Ein erster Katalog ist um 1876 zu datieren (YCBA) ;21 die beiden anderen wurden um 1890/1891 verfasst. In einem der späteren wurden die ersten Einträge wohl von Morris’ Tochter Jenny nach den Angaben ihres Vaters geschrieben, der dann die späteren Nummern (ab fol. 72r) selbst eintrug (Bridwell Lib.) ;22 bei dem anderen sollten am Beginn der Einträge illuminierte Initialen eingefügt werden (Kall.).23 18 Kelvin 1997, S. 130. 19 Vgl. Cockerells Auszüge aus seinen Diaries, BL, MS Add. 52772, fol. 22–23, 2.7.1891 : »[…] he will avoid Paris for fear of spending all his money in the book shops« ; Cockerells Diary von 1891, BL, MS Add. 52628, 2.7.1891, fol. 48r ; May Morris, in : CW XXIV, S. xix. 20 »The Poet and Printer : An Interview with Mr. William Morris«, Pall Mall Gazette, 12.11.1891, in : Pinkney 2005, S. 53–58, hier S. 56. 21 Siehe auch BL, Microfilm RP 1221. 22 Prov.: Jane Morris ; als Geschenk an S. C. Cockerell – Cockerell-Auktion, Sotheby’s, 10.12.1956, Los 8 – Heinrich Eisemann – Major J. R. Abbey – 1970 Bernard H. Breslauer – Breslauer-Auktion, Christie’s, New York, 21.3.2005, Los 115 – Bridwell Library of Southern Methodist University, Dallas (BL, Microfilm RP 1355i) : 92 S., Einband von Katherine Adams. Eintrag von Cockerell : »This catalogue of the library of William Morris at Kelmscott Manor, Upper Mall, Hammersmith was begun in 1890 by his elder daughter Jenny & was continued in the same year and in 1891 (ff. 72–91) by Morris himself. I was employed to make a more elaborate Catalogue of the manuscripts and incunabula, and this list does not contain the numerous books acquired by Morris in the last five years of his life.« Die Einträge Nr. 1–949 sind Jenny Morris, die Einträge Nr. 950–973 William Morris (eigentlich bis Nr. 1057, da die Nummern 890–973 wiederholt werden) zuzuordnen. 23 8+12 Bl., 234 × 186 mm, Whatman-Papier, 16 Z./S. Die Seite ist durch Linien in ein neunteiliges Gerüst auf-
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Der erste Bibliothekskatalog von ca. 1876 umfasst 13 Handschriften, wovon allein sieben von Morris selbst stammen.24 Bei den übrigen sechs Handschriften handelt es sich um solche des 14. und 15. Jahrhunderts (fol. 2r). Mit Ausnahme der beiden Bibeln verblieben die Handschriften nicht in Morris’ Bibliothek. Die Angaben zu den Katalognummern sind sehr knapp und beziehen sich in der Regel auf Publikationsort und -jahr. Bei den Handschriften macht Morris nur knappe Vermerke zu Autor, Text, Kunstlandschaft oder Ort, Datierung, Buchschmuck, Erhaltungszustand und Preis. Needham vermutete, dass der Katalog eilig zusammengetragen wurde, da die Nummern kaum geordnet scheinen und der Text viele Schreibfehler aufweist.25 Zwar ist bereits in diesem Katalog Morris’ Sammelband von italienischen Kalligraphie-Lehrbüchern vermerkt, aber ansonsten lassen sich keine Werke über Buchkunst nachweisen.26 Morris’ Handschriftensammlung beinhaltete um 1876 neben der französischen Bibel des 14. (Nr. 6 ; SoA, MS 956) und der italienischen Bibel des 13. Jahrhunderts (Nr. 5 ; Free Library of Philadelphia, MS Lewis E 36) noch zwei Humanisten-Handschriften, den Xenophon27 und den Prolianus28, sowie eine »Vita Sancti Dionisci« aus dem 13. Jahrhundert29 und Aristoteles’ »Physicorum« aus dem frühen 14. Jahrhundert.30 Die um 1470–1480 datierte Handschrift der »Astronomia« des Christianus Prolianus aus Neapel befindet sich heute in der John Rylands Library, Manchester (MS Ryl. Lat. 53), und geteilt. Einband von Katherine Adams. Prov.: Jane Morris – S. C. Cockerell – Cockerell-Auktion, Sotheby’s, London, 10.12.1956, Los 89 – Heinrich Eisemann – Sammlung Major J. R. Abbey – 1970 Bernard H. Breslauer – Breslauer-Auktion, Christie’s, New York, 21.3.2005, Los 114 – Mark Samuels Lasner Collection, University of Delaware Library (BL, Microfilm RP 1355i) ; Mark Samuels Lasner, A William Morris Manuscript Comes to Delaware, in : The William Morris Society of the United States Newsletter, Herbst 2005, S. 9–10. Anmerkung von Cockerell : »This volume contains (1) a beginning of a calligraphic catalogue of his manuscripts and early printed books, made by William Morris probably in 1890 […]« ; vgl. zur Datierung : Dunlap 1972/1976, S. 301–303. 24 Es handelt sich dabei um die »Oden«, die »Aeneis«-Handschrift, die Übersetzung der Ynglings Saga in zwei Bänden und um die Übersetzungen der Egil-, Hen Thorir-, Bandamana-Sagas sowie des Lancelot du Lac. Insgesamt listet der Katalog 291 gedruckte Bücher auf, davon 54 Titel zur isländischen Literatur und Kultur. Daneben fällt eine Anzahl von Nachdrucken mittelalterlicher Texte auf. Bei den gedruckten Büchern sind drei Schwerpunkte festzustellen : Incunabula (13 Exemplare), kontinentale Buchdrucke des 16. Jh.s (70, davon 28 aus der Zeit von 1501–1520), englische Bücher des 16. und 17. Jhs., wobei ungefähr 60 aus den Jahren vor 1700 stammen, Needham 1976, S. 23. Zur Datierung : Da der jüngste Eintrag eine Publikation von 1875 ist, darf angenommen werden, dass der Katalog nicht sehr viel später von Morris, eventuell mit Unterstützung von May Morris, geschrieben wurde. 25 Needham 1976, S. 23. 26 YCBA, fol. 3v. 27 YCBA, fol. 2r, Nr. 3 : Xenophon Deligibus [De legibus Lacedaemoniorum] Illuminated. Italian, about 1450 5.-.28 Ebd., Nr. 4 : Proleani : Astronomia handsomely illuminated written at Naples in 1478 12.-.29 Ebd., Nr. 1 : Vita Sancti Dionisci &c. 13th cent : illuminated : but imperfect & some of the letters defaced 12.-.30 Ebd., Nr. 2 : Aristotilis Physicorum, libri 8 French Early 14th cent : illuminated good condition 11.-.-
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ist mit Weißrankenbordüren und -initialen auf Polstergrund, mit Wappen, Goldpollen, Putti und Vögeln geschmückt.31 Morris trennte sich im Oktober 1880 von der Handschrift. Die vier Blätter eines englischen Psalters aus dem 14. Jahrhundert »of the finest workmanship«, von deren Erwerb Murray in seinem Diary von 1874 berichtet, finden in diesem frühen Katalog keine Erwähnung.32 Auch im Katalog von 1890–1891 (Bridwell Lib.) ordnete Morris die Bücher nicht in klare, thematisch oder chronologisch gegliederte Gruppen bzw. nach Formaten, aber er markierte die Einträge durch Kreuze im Seitenrand : Inkunabeln sind durch ein Kreuz gekennzeichnet, Bücher aus dem frühen 16. Jahrhundert durch zwei, kontinentale und englische Bücher des 16.–17. Jahrhunderts durch drei Kreuze. Vermutlich erfolgte der Eintrag der Bücher im Katalog nach ihrem Nacheinander im Regal, da sich manchmal thematisch zusammengehörige Gruppen feststellen lassen. Insgesamt enthält dieser Katalog fast 1.100 Werke. Morris hatte im Oktober 1880 einige seiner Bücher an Ellis & White verkauft. Es ist dabei nicht geklärt, wieviel seiner Bibliothek er verkaufte und welches die Gründe für diesen Entschluss waren. Lange wurde, beruhend auf Mackail, angenommen, er habe sich von großen Teilen seiner Bibliothek getrennt, »in order to devote the proceeds to the furtherance of Socialism«, für dessen Anliegen er sich in den 1880er Jahren besonders engagierte.33 Needham dagegen vermutete, die Korrespondenz zwischen Morris und Ellis zugrundelegend sowie durch den Vergleich der Katalognummern von 1876 und 1890/1891, dass Morris sich lediglich von etwa 20% seiner Bestände trennte.34 Als Grund erachtete Needham die Belastungen durch Familie und Geschäft. Von den Inkunabeldrucken erscheinen immerhin neun der ehemals 13 Werke im späteren Katalog. Werden die Handschriften im Katalog von 1876 als gesonderte Gruppe zusammengefasst und den gedruckten Büchern vorangestellt, so erscheinen sie im späteren Katalog (Bridwell Lib.) verstreut zwischen den gedruckten Büchern. Sie bilden eine wenig kohärente Gruppe : eine italienische Bibel des späten 13. Jahrhunderts (Nr. 64), eine um 1300 datierte Bibel (Nr. 875), die »Shah Nameh«-Handschrift (Nr. 105 ; FMC, MS 311), eine italienische Poggio-Handschrift von 1477 (Nr. 856 ; BLO, MS Buchanan d. 4), eine französische Romanhandschrift von ca. 1300 (Nr. 925 ; FMC, MS McClean 179), Paral31 Pergament, 77 Bl., 212 × 140 mm (8°), 24 Z./S., Italien, 1478, ganzseitige Miniaturen auf fol. 58v, 59r, Schreiber und Buchschmuck : eventuell Joachinus de Gigantibus, (vgl. James/Taylor 1980, S. 23*), türkisfarbener Maroquin-Einband mit Goldprägung. Prov.: Exlibris Biblioteca Lindesiana – Ellis & White – William Morris – 1880 bei Ellis & White durch den Earl of Crawford erworben – John Rylands Libray, Manchester. Lit.: James 1921, S. xviii, Nr. 53, S. 116–117, Taf. 105 ; PML 1976, S. 28 ; James/Taylor 1980, S. 23*. Taylor verweist auf einen Brief von Lord Balcarres an Lord Crawford vom 6.7.1894, in dem dieser erwähnt, dass Morris »deeply lamented to me that he had ever parted with the Prolianus«, zit. nach : ebd. 32 Murrays Diary für 1874, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A. 27, Eintrag zum 9.9.1874. 33 Mackail 1995 II, S. 87. 34 Needham 1976, S. 26–27.
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dus’ »Summa virtutum« aus dem späten 14. Jahrhundert (Nr. 922) und eine KlosterInventarliste von ca. 1490 (Nr. 966), die bis zu Morris’ Tod in der Bibliothek verblieben. Seine Bibliothek bewahrte Literatur zu den Bereichen englische und antike Klassiker, orientalische und isländische Literatur, Arbeiten aus dem Freundeskreis (Swinburne, Browning, Rossetti), eigene Schriften, Tennyson, französische und russische Literatur in Übersetzung, Literatur zu Textilien und Färben, kunstgeschichtliche Literatur – darunter auch Titel zur asiatischen und orientalischen Kunst –, politische Literatur mit Schriften von Marx und zur »Eastern Question«, Geschichtsbücher, Werke von Ruskin und Carlyle, Bücher zu Architektur und Archäologie, Reiseliteratur und Museumsführer, Bücher von Walter Crane, »Volksliteratur«. Es finden sich außerdem Vorlagenbücher sowie Literatur und Kataloge zu illuminierten Manuskripten. Zum Ende des Katalogs hin werden die Angaben zu den Büchern detaillierter, und es sind Abschriften von Kolophonen vorhanden. Der dritte Katalog (Kall.) führt nur zwölf Manuskripte auf – darunter sechs von Morris’ eigenen Arbeiten.35 Die anderen sechs wiederholen weitgehend diejenigen des anderen ungefähr zeitgleich datierten Kataloges (Bridwell Lib.),36 sind in der Beschreibung allerdings wesentlich ausführlicher und weichen z. T. in der Datierung etwas ab. In diesem »Kalligraphischen Bibliothekskatalog« fehlen allerdings die im anderen zeitgleichen Bibliothekskatalog erwähnte Handschrift von Paraldus’ »Summa virtutum & viciorum« (Bridwell Lib., Nr. 922, fol. 71r) und »A List of Abbeys & Churches &c.« (ebd., Nr. 966, fol. 71v), die jedoch noch in Ellis’ Inventar von 1896 (FSE, Nr. 68, 63) erscheinen. Weiterhin sind 15 Incunabula aufgelistet, die vor 1500 gedruckt und z. T. mit Illuminierungen versehen sind. Morris betrachtete das Verhältnis von Buchmalerei und Kalligraphie zu Buchdruck und Holzschnittillustrationen als eine kontinuierliche Entwicklung. Er erprobte nicht nur in seinen Kelmscott-Publikationen das Miteinander von gemalten und gedruckten Elementen, sondern besaß 1896 eine Vielzahl von gedruckten Büchern, die mit Illuminierungen versehen waren. Der gemalte Buchschmuck reicht von ornamentalen Initialen in Rot und Blau37 über aufwendigere Dekorationen, in denen die farbigen Initialen durch zumeist in Tinte ausgeführte Seitenrandornamente begleitet werden,38 und Bücher mit illuminierten Initialen39 zu reich mit Malereien ausgestatteten Buchdrucken. Hierzu zählen Drucke, bei denen das erste Kapitel durch eine Weißrankenbordüre
35 Dabei handelt es sich um die Handschriften der »Oden«, die Übersetzungen der Heimskringla, der Eyrbiggia-Saga sowie der Story of Hen Thorir, Story of the Banded Men, Story of Howard the Halt. Die »Aeneis«Handschrift hatte Morris zu diesem Zeitpunkt bereits an Murray verkauft. 36 Erwähnt werden die beiden Bibel-Handschriften, die französische Romanhandschrift, die Poggio- und Sha Nameh-Handschriften sowie eine indische illuminierte Handschrift. 37 Z. B. WM 1898, Los 103, 110, 113. 38 Z. B. ebd., Los 115. 39 Z. B. ebd., Los 132, 143 (Huntington Library), 175,176, 182, 323, 463, 524.
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herausgehoben und die Kapitelanfänge durch entsprechende Initialen betont werden,40 sowie solche, die illuminierte Initialen mit Darstellungen von Heiligen oder mit Autorenbildnissen aufweisen.41 Diese Bücher besaßen für Morris eine doppelte Attraktivität, da es sich zum einen um Buchdrucke vorbildlicher Renaissance-Werkstätten handelte, die er auf Grund ihrer Seitengestaltung, der Schrift sowie der Holzschnittillustrationen und ornamentalen Initialen schätzte, und sie zum anderen durch die illuminierten Dekorationen einen zusätzlichen Reiz erhielten. Die Angaben zu den Büchern sind in diesem kalligraphischen Katalog recht ausführlich : Morris transkribiert Kolophone und macht Angaben zu Dekoration und Erhaltungszustand. Allerdings handelt es sich um keinen detaillierten Bibliothekskatalog, der über Blattzahl und Größe informiert. Er ist in einer Kursive geschrieben und sollte an den Abschnitten durch fünf- und zweizeilige dekorierte Initialfelder eingeleitet werden,42 von denen vier ausgeführt und mit schräg gestellten Blütenzweigen auf Quadratgrund geschmückt sind (S. 12–15). Drei der Initiallettern sind mit weißen Wellenlinien und Punktmustern versehen. Die Initialen knüpfen an Morris’ Entwürfe der 1870er Jahre an. Seit dem ersten November 1892 war Morris damit beschäftigt, einen genaueren Katalog der Bibliothek zu erstellen, wobei der von Morris als Bibliothekar eingestellte Sydney Carlyle Cockerell behilflich sein sollte.43 Cockerell hatte Morris 1886 über die sozialistischen Kreise kennengelernt, nachdem er 1885 Ruskins Bekanntschaft gemacht hatte. Morris hatte Cockerell am 19. Oktober 1892 gebeten, ihm bei der Inventarisierung seiner Bibliothek behilflich zu sein.44 Seit Juli 1894 war Cockerell zudem als Sekretär der Kelmscott Press tätig. Er hatte schon im Mai und Juni 1890 gemeinsam mit Morris und im Februar des folgenden Jahres auch mit Burne-Jones Handschriften und frühe Drucke betrachtet.45 Morris plante, den Katalog seiner Buchsammlung bei der Kelmscott Press zu publizieren : »Then, again, there is the Catalogue of my Collection of Woodcut-Books, Early Printed Books and Manuscripts. This will be largely illustrated with facsimiles of the plates and pages of the books themselves. Of course, this is just a little fancy for my own pleasure, 40 Z. B. ebd., Los 142, 144, 177, 267 (Sweynheym & Pannartz bzw. Nicholas Jenson). 41 Z. B. ebd., Los 173 (Bridwell Library), 559, 588, 591, 715, 954. Bei der Biblia Latina (Heinrich Eggestein, Straßburg, vor 1468 ; WM 1898, 173) finden sich in den Malereien der Seitenränder farbige Akanthusblätter, lineare Rankenschlaufen mit Knoten, Goldpollen und groteske Mischwesen. 42 Nur das erste Initialfeld ist fünfzeilig. An der Einleitung zu den gedruckten Büchern (S. 7) ist eine vierzeilige Initiale auf mit Blattwerk gefülltem Rechteckfeld eingefügt, die im Seitenrand von Rankenwerk begleitet werden sollte, wie in der Bleistiftzeichnung deutlich wird. 43 Cockerell in einem Eintrag in Morris’ Bibliothekskatalog von 1890–1891, Bridwell Lib.; Peterson 1985, S. 132. Vgl. a. BL, MS 52772, fol. 36r, 1.11.1892. 44 BL, MS Add. 52772, fol. 35r, 19.10.1892. 45 Ebd., fol. 18r, 20r zum 22.5.1890, 1.6.1890, 1.2.1891. Cockerell notierte am 1.6.1890, dass er mit Morris einige seiner »book treasures, including a splendid 14th century MS Bible and various magnificent specimen of early Italian and German printing« angeschaut hätte, zit. nach : Panayotova 2008, S. 15.
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and yet I have an idea that there ought to be many book-lovers and art lovers who would find much in the volume to delight them.«46 Die Vorarbeit für dieses Publikationsprojekt begann im Mai 1894.47 Gemeinsam mit Cockerell widmete sich Morris der gründlichen Beschreibung der Handschriften und gedruckten Bücher. Die meiste Arbeit stammte dabei wohl von Cockerell, der für die grundlegenden Tätigkeiten und Recherchen, das Einholen der Meinung von Fachleuten zuständig war. Eine Anzahl solcher Beschreibungen hat sich, meist eingelegt in die entsprechenden Bücher, erhalten, wobei jedoch nur drei davon in Morris’ Handschrift illuminierten Manuskripten gelten : dem »Clare Psalter« (PML, MS M. 100), dem »Beauvais Psalter« (PML, MS M. 101) und dem »Paris Psalter« (PML, MS M. 98). Beim »Clare Psalter« begründete er den Wert der Handschrift mit der Schönheit und Erfindungskraft der Ornamente, die das Fehlen von figürlichem Schmuck aufwiegen würden. Er erkannte und beschrieb einzelne Ornamentmotive als charakteristisch für englische Arbeiten dieser Zeit. Weiteres Lob erhielten die Konturzeichnung, die Schönheit der Farben und die Qualität der Schrift. Auch beim »Beauvais Psalter« beschäftigte sich Morris mit der Schönheit und dem Charakteristischen der Buchmalereien, der Farbigkeit und Zeichnung sowie der Schrift. In diesem kurzen Text geht es ihm nun auch um die Unterscheidung verschiedener Hände in der Ausführung der historisierten und der ornamentalen Initialen. Der knappe Text zum »Paris Psalter« hebt die Farbigkeit und die Qualitäten des Ornaments hervor – dessen humorvolle und expressive Ausprägung, die gelungene Zeichnung. Auch diese Handschrift wurde von Morris als besonders schön und als beispielhaft für ihre Entstehungszeit gewürdigt. Diese Beschreibungen werden ergänzt durch Cockerells kurzen Katalog »Early Books with Woodcuts« (PML). Die bei Morris’ Tod vorliegenden Ergebnisse der Inventarisierung wurden schließlich 1897 von Cockerell mit Unterstützung durch Robert Proctor, als »Some German Woodcuts of the Fifteenth Century« bei der Kelmscott Press herausgegeben.48 Cockerell kopierte seine Vorarbeiten zum Bibliothekskatalog am 26.4.1897 : »very busy all day copying my catalogue notes so as to have some record of the books […]«.49 Von dem urspünglichen Projekt Morris’ haben sich wenige Probeabzüge erhalten, wobei einer auch dem »Beauvais Psalter« (PML, MS M. 101) gilt (BL, C.43f.24). Morris erwarb in den 1890er Jahren rasch eine große Anzahl illuminierter Handschriften. Allein auf der Hailstone-Auktion bei Sotheby’s am 23.4.1891 kaufte er über den Buchhändler Leighton einen Psalter und vier weitere Handschriften.50 Im März
46 I. H. I. 1895/2005, S. 121 ; vgl. Peterson 1982, Anhang B, S. 106–117, hier S. 112 ; May Morris, in : CW XXIV, S. xiv. Ein Hinweis auf den Katalog auch in : A Visit to William Morris, by W. Irving, Modern Art (Boston), IV, Juli 1896, S. 78–81, in : Pinkney 2005, S. 133–138, hier S. 137. 47 BL, MS Add. 52772, fol. 47r, 21.5.1894 : »W. M. began the notes for the catalogue«. 48 Peterson 1985, Nr. A 49, S. 131–134, siehe besonders S. 133. 49 SCC Diary 26.4.1897, BL, MS Add. 52634, fol. 25v. 50 Brief Morris’ an Leighton vom 30.4.1891, Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 296–297.
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1895 besaß er bereits 82 Handschriften, bei seinem Tod 115.51 Die Bücher finanzierte er wohl u. a. aus den Einnahmen durch die Kelmscott Press.52 Nach seinem Tod wurde ein Inventar von F. S. Ellis erstellt, das als Grundlage für den Verkauf der Bibliothek dienen sollte (FSE, HL).53 Charles Fairfax Murray war ursprünglich an einem Erwerb interessiert, konnte jedoch nicht die geforderten Mittel aufbringen. Über die Verhandlungen mit Murray legen die Kalenderbucheinträge Cockerells von Oktober 1896 bis Januar 1897 Zeugnis ab.54 Obwohl schon eine Einigung über eine Ratenzahlung bestand, kam die Transaktion nicht zustande, da das finanziell etwas unsichere Vorhaben nicht im Sinne der Erben Morris’ gewesen zu sein scheint.55 Murray schlug daraufhin vergeblich vor, nur einen Teil der Bibliothek zu erwerben.56 Verschiedene Interessenten besichtig51 Vgl. Kelvin 1996 IV, S. 401–404. 52 Vgl. Needham 2001, S. 175–176. 53 Mit Anmerkungen und Korrekturen von Cockerell und Murray, ehem. Sanford L. und Helen Berger-Sammlung, HL, publiziert in : Kelvin 1996 IV, Appendix B, S. 401–433. Vgl. Cockerells Diary-Einträge vom 10.– 13.10.1896 sowie 8.–12.12.1896, BL, MS Add. 52633, fol. 62r–62v, 71v. Eine erste Schätzung erfolgte vom 10.–13.10.1896 durch F. S. Ellis und seinen Sohn Herbert ; eine zweite dann durch Ellis und Cockerell vom 8.–12.12.1896, vgl. Needham 2001, S. 176–177. Die Evaluierung der Handschriften war wohl am 8.12. abgeschlossen, denn Cockerell vermerkte : »got the MSS done – about £12500«, SCC Diary 8.12.1896, BL, MS Add. 52633, fol. 71v. 54 Als ersten Hinweis siehe Eintrag in Cockerells Diary vom 23.10.1896, BL, MS Add. 52633, fol. 64r. 55 Eintrag in Cockerells Diary vom 12.12.1896, BL, MS Add. 52633, fol. 72r. Es war vereinbart, dass Murray die Bibliothek für £ 20.000 übernehmen sollte, die in jährlichen Raten von £ 3.000 mit 4% Zinsen zahlbar wären. Am 2.1.1897 wurde ein Vertragsentwurf aufgesetzt, mit dem sich Murray am 21.1. einverstanden erklärte, der dann jedoch zurückgenommen wurde. Murray erhielt am 22.1. die geleistete Anzahlung zurückerstattet, SCC Diary 1897, BL, MS Add. 52634, fol. 9r, 10v, 12r. PML, MA 2271, fol. 2r : Quittung vom 16.12.1896 über den Eingang von £ 2.000 als Anzahlung, Restbetrag £ 18.000, Kredithöhe von £ 4/Jahr ; fol. 2a : Liste der Bücher, die Murray übergeben wurden, unterschrieben von diesem am 21.12.1896, Rückgabe der Bücher am 5.1.1897. Von den Handschriften erhielt Murray u. a. den Windmill Psalter und das Meaux Stundenbuch. Am 21. und 31.12.1896 konnte er auch einige der Inkunabeln mitnehmen. PML, MA 2271, fol. 5r : Brief von Ellis an Murray vom 1.1.1897 über das Rückgängigmachen des Kaufvertrages, wobei Ellis sein großes Bedauern darüber äußert, aber auf Murrays Verständnis hofft, da er die Interessen der Erben wahren müsse und die langfristige Vereinbarung mit Murray für diese zu unsicher sei ; fol. 6r : Brief Ellis’ an Murray vom 12.1.1897 mit einer weiteren Erklärung über die Gründe der Vertragsauflösung ; fol. 7r : Brief Cockerells an Murray mit Zahlungsanweisungen in Raten von £ 3.000. Siehe ausführlich : Needham 2001, S. 178–181. 56 PML, MA 2271, fol. 8r : Brief von Cockerell an Murray vom 26.1.1897 in Bezug auf Murrays Vorschlag, nur die Handschriften zu kaufen : »Mr. Ellis writes to me this morning that he does not think that we should be justified in accepting an offer for the manuscripts alone (if anyone should make it) unless we are quite sure that you could take the printed books, in the event of their being left on our hands, on the terms proposed – viz £8000, of which £2000 is to be paid down, & the balance within a year with 4%, & the books to remain with us until the whole sum is paid – the printed books, all the Sagas & all the books connected with WM’s special studies, & to include my notes & the blocks for the catalogue – but not to include any Kelmscott Press Books – I have told F.S.E. that I understood you to agree to this at your interview on Friday last, but that I will ask you for a letter to that effect.«
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ten anschließend die Sammlung,57 bis sie schließlich an Chatto verkauft wurde, der im Auftrag Richard Bennetts handelte.58 Auch Michael Kerney von Quaritch betrachtete die Bibliothek, woraufhin ein kurzer Katalog mit einer Auswahl der wichtigsten Handschriften und Drucke publiziert wurde (BQ Archiv).59 Morris’ Bibliothek ging am 23.4.1897 geschlossen für £ 18.000 an Richard Bennett. Dieser wählte für seine Sammlung 30 Handschriften aus und ließ die restlichen ca. 80 durch Sotheby’s verkaufen (5.–10.12.1898). Dieser Auktionskatalog bildet den fünften, wenn auch nicht mehr vollständigen Katalog der Sammlung. Die von Bennett zurückbehaltenen Handschriften wurden 1902 von John Pierpont Morgan (1837–1913) erworben und befinden sich heute in der Pierpont Morgan Library. Dabei handelt es sich, ergänzt durch spätere Erwerbungen aus Morris’ ehemaliger Sammlung, um 35 Handschriften und 239 frühe Buchdrucke. Morris verfolgte die Aktivitäten im Bereich des Antiquariatsbuchhandels durch regelmäßige Besuche bei Londoner Händlern, besonders bei Leighton und Quaritch,60 und durch das Studium internationaler Auktionskataloge. So forderte er Cockerell am 23.12.1892 auf, ihm den Katalog der Manzoni Bibliothek zu schicken.61 Er beauftragte dann Händler wie Leighton oder Quaritch mit dem Erwerb der von ihm ausgewählten Handschriften. 1891 erwog er, Bücher bei der W. H. Crawford-Auktion bei Sotheby’s zu ersteigern, die über 12 Tage im Februar 1891 andauerte,62 und am 26.5.[1891] schrieb er an Leighton, dass er ihn wegen des »Munich Sale« treffen wolle »and also by the way
57 Die Bibliothek wurde u. a. von Ernst Barnsley (25.1.), Henry Yates Thompson (30.1.), Reginald Thompson (1.2.), Dr. Lippmann vom Berliner Kupferstichkabinett (2.2.), C. Whall (6.2.), Warner & Pollard (29.3.) besichtigt, Cockerells Diary von 1897, BL, MS Add. 52634, fol. 12v, 13r, 13v, 14r, 21v. Nachdem im Februar 1897 Morris’ Bibliothek zunächst Sammlern und Vertretern von Bibliotheken gezeigt wurde, wurden im März Händler hinzugezogen. 58 Cockerells Diary für 1897, BL, MS Add. 52634, Einträge zum 31.3. (Buchliste zu Chatto gebracht), 5.4. (Chatto besichtigt die Bibliothek), 9.4. (Chatto und sein Klient Richard Bennett besichtigen die Bibliothek), 12.4. (Chatto macht sich Vermerke über Preise), 23.4. (endgültiger Verkauf der Bibliothek an T. Chatto), 26.4. (Cockerell kopiert seine Katalognotizen »as to have some record of the books« und Emery Walker kommt, »to have a farewell look at some of the manuscripts«), 27.–29.4. (Einpacken der Bücher), 30.4. (Bücher weggebracht), 1.5. (Wegbringen der letzten Bücher), fol. 21v–26r. 59 »The Best Books in Library of the Late William Morris« von Quaritch listet 75 Handschriften und 249 Buchdrucke auf, vgl. Needham 2001, S. 182. 60 Zu Quaritch : Nicholaus Barker, Bernard Quaritch, in : The Book Collector. Special Number to Commemorate the 150th anniversary of Bernard Quaritch Ltd. 1997, 1997, S. 3–34. 61 »You might kindly send me on the Catalogue of the Manzoni library. Nutt has 3 books from Cohn waiting for my inspection«, zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 2078, S. 484. Es handelt sich um die Auktion der Sammlung des Grafen Giacomo Manzoni (1816–1889) bei G. Sangiorgio in Rom an drei Terminen in den Jahren 1892–1894, vgl. ebd., Anm. 3. Bei Cohn handelt es sich um den Berliner Buchhändler Albert Cohn, vgl. ebd., Anm. 5. 62 Vgl. Brief Morris’ an Leighton, 28.2.[1890], Kelvin 1996 III, Nr. 1841, S. 278.
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about a French one that comes off on June first«.63 Ende Juni 1892 interessierte er sich für die Auktion der Spencer Bibliothek von Lord Althorp. Die Zerstreuung dieser Bibliothek bedauerte Moris sehr : »I must say I am sorry, it has been so long established, that it has been a place to refer to, to look for a book which couldn’t be found elsewhere.«64 Leighton und Quaritch erwarben für Morris auch Bücher auf englischen Auktionen. Am 13.4.1892 benachrichtigte Morris Leighton, dass er den Katalog der Lawrence-Auktion durchgeschaut habe, »& there seem as if there were some things in my way. So we can talk of them when I see you again«.65 Im Dezember war er an einigen Handschriften in Sothebys Auktion einer »Library of a Gentleman Deceased« (13.–14.12.1892) interessiert und übermittelte genaue Angaben an Leighton zur Stärke seines Kaufwunsches und zum Preislimit.66 Tatsächlich finden sich in Morris’ Exemplar des Auktionskatalogs bei den entsprechenden Losen kurze Anmerkungen. Zu Los 33, ein Breviarium Romanum mit Rankenbordüren, in die Tiere, Vögel und Mischwesen eingestellt sind, sowie 20 vorangestellten bestickten Seiten in einem blauen Samteinband aus dem 15. Jahrhundert aus der Sammlung Thomas Williment vermerkte er : »A book of some distinction […] and clean. But I would not give more at most £ 20«.67 Auch Los 98, ein Stundenbuch mit flämischem Kalender aus dem 15. Jahrhundert, mit drei ganzseitigen sowie zehn kleineren Miniaturen und Bordüren, in die verschiedene Szenen wie Wildschweinjagd, Vogelfang, aber auch Blumen und verschiedene Tiere eingefügt sind, sowie mit Initialen wies einen blauen Samteinband, diesmal mit Silberecken und -schließen, auf. Morris notierte stichwortartig : »£ 15 Catching dicky birds / pictures rather good / borders pretty of their kind / writing bad (The rest of the horae not worth a damn)«.68 Die Notizen zu Los 95, einem Stundenbuch mit französischen Gebeten aus der Zeit um 1450 mit 225 Miniaturen und 335 floralen Bordüren sowie einem Maroquin-Einband mit den Passionswerkzeugen fallen wesentlich kürzer aus : »£ 10 a pretty good ordinary book quite rough«.69 In der Sammlung des Grolier Club, New York, haben sich die Auktionskataloge der Sammlungen Hailstone, Lawrence, Bateman, Howell Wills aus den Jahren 1891–1894 (Sotheby’s) und der Fountaine- und William Stuart-Sammlungen aus den Jahren 1894 und 1895 (Christie’s) aus Morris’ Besitz erhalten. An ihnen lässt sich verfolgen, wie er die Kataloge durcharbeitete und welchen Aspekten der Handschriften er besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ. Interessante Handschriften markierte er durch ein bis drei 63 Zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1886, S. 308. Bei der Münchner Auktion handelt es sich um eine des Hauses Ludwig Rosenthal, die in »The Bookseller« vom 6.5.1891 angekündigt wird, ebd., S. 308, Anm. 1. Bei der französischen Auktion wohl um diejenige der Sammlung des Marquis de R., Paris, 1.–2.6.1891, ebd., Anm. 2. 64 Brief von Morris an Jenny Morris, 25.6.[1892], Kelvin 1996 III, Nr. 2007, S. 412. 65 Zit. nach : ebd., Nr. 1981, S. 392. 66 Vgl. Brief Morris’ an Leighton, 12.12.[1892], zit. nach : ebd., Nr. 2075, S. 480. 67 University of Maryland, https://digital.lib.umd.edu/image ?pid=umd :103256 [Zugriff am 15.10.2018]. 68 Ebd. 69 Ebd.
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Kreuze, durch mehrfache kräftige, senkrechte Striche oder durch die Beischrift »see«. Wenn ihn mehrere Bücher in Folge nicht interessierten, wurden diese durch eine Bleistiftlinie auf der Seite ausgestrichen. Morris’ Bemerkungen im Seitenrand sind weitgehend dem Erhaltungszustand oder dem Gesamteindruck der Handschrift gewidmet, nehmen eine Präzisierung der Kataloginformationen vor, besonders zu Datierungen, vermerken die erzielten Preise, manchmal mit Kommentar. Am 10.4.[1891] schrieb Morris an Leighton in Hinblick auf die Hailstone-Auktion (Sotheby’s, London, 23.–30.4.1891) : »I see there are a great many M.S.S. in the 2nd part of the Hailstone Library ; I shall hope to look at them ; some might be worth bidding for.«70 Insgesamt erwarb Morris auf der Auktion der Bibliothek von Edward Hailstone über Leighton und Quaritch acht Handschriften des 13.–15. Jahrhunderts.71 Er hatte den Erwerb weiterer Objekte erwogen, war aber finanziell eingeschränkt, wie seine Überlegungen zu Los 2160 belegen.72 Am 28.4.[1891] hatte sich Morris nach einem anderen Manuskript erkundigt : »What did the Horae fetch yesterday ? the pretty one which I had thought of and abandoned I mean.«73 Wie seine Randnotizen belegen, interessierte sich Morris für mehrere Stundenbücher (Los 949, 1388–1390, 1392), von denen er allerdings keines erwarb.74 Er beklagte sich später in einem Brief vom 30.4.[1891] : »What a price that printed hours fetched, all daubed up as it was ! I now see that M.S.S. are much more uncertain at a sale than printed books.«75 In Morris’ Exemplar zur Hailstone-Auktion (Grolier Club, New York) finden sich einige Anmerkungen zu einzelnen Handschriften, wobei diese allerdings – wie auch bei den anderen Auktionskatalogen – nicht immer auch jene betreffen, die Morris erwarb. 70 Zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1854, S. 287. 71 Dabei handelt es sich um die Lose 327, 341–343, 1858, 2072, 2138, 2526. Morris’ in seinem Auktionskatalog notierte Anmerkungen zu den von ihm erworbenen Handschriften finden sich im Katalogteil. 72 »I do rather covet the psalter 2160 ; but it is rather a matter of ›ways and means‹. Could you kindly reserve it till I return to town and I can look at it quietly ?«, Brief Morris’ an Leighton vom 30.4.[1891], zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 296. Bei dem Psalter handelt es sich um eine englische Handschrift des 13. Jh.s, die mit Kalendariumsminiaturen, 150 großen Initialen und mit Bordüren illuminiert ist und die von Leighton erworben wurde, vgl. Sothebys Exemplar des Auktionskataloges in Mikrofilmedition. Morris vermerkte zu der Handschrift in seinem Katalog »£25 very good drawings ornaments rough« (Slg. des Grolier Clubs, New York). 73 Zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1862, S. 293. 74 Los 1388–1390 und 1392 wurden am 26.4. und Los 949 am 28.4.1891 versteigert. Es handelt sich um reich illuminierte Stundenbücher des 15. Jahrhunderts. Zu Los 1388 : »X £31«, Angaben zu Miniaturen und Einband unterstrichen ; zu 1389 : »£44 English c. 1440 pictures poor«. Die Angaben zu Los 1390, 1392 und 949 im Haupttext zitiert. 75 Zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 297. Es handelt sich dabei vermutlich um Los 1373, ein auf Pergament gedrucktes französisches Stundenbuch von 1502 mit kolorierten Illustrationen, vgl. a. ebd., Anm. 7. Morris notierte dazu in seinem Exemplar des Auktionskataloges, Grolier Club, New York : »sold £100 the painted p.p. frightful daubs, the price absurd«.
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Die Anmerkungen nehmen Umdatierungen vor wie im Falle einer anglo-normannischen Bibel mit 120 historisierten Initialen und Seitenrandbordüren (Los 341), die im Katalog ins 13. Jahrhundert, durch Morris jedoch in die Zeit um 1320–1340 datiert wird, oder eines Stundenbuches mit 14 Miniaturen (Los 949), das im Katalog ins 15. Jahrhundert, durch Morris dagegen in die Zeit um 1380 gesetzt und als »very good« charakterisiert wird. Die Einträge verweisen auch auf besondere Gestaltungsmerkmale wie bei »Diogenis Epistolae Francisco Aretino Interpretae cum Elegia ad Pium III« (Los 1019), zu dem Morris anmerkt : »good interlacing leafes [3 Kreuze]«76 oder zu einem Stundenbuch (Los 1390), das er als »coarsish book though neat pictures fair very good condition moderate price (the book is imperfect at end)« kennzeichnete.77 Zu Los 1792, einem Missale Romanum aus dem 15. Jahrhundert mit historisierten Initialen und sechs Miniaturen vermerkte er den Preis (£ 25.10) und »this is rather good very fine condition a Bruges book. I call this cheap«. Er interessierte sich zudem für ein von ihm als »very curious« bezeichnetes Psalterium mit 49 Miniaturen (Los 2139), das £ 100 erzielte und von ihm in die Zeit um 1400 datiert wurde. Morris vermerkte die erzielten Preise, oftmals mit einem Kommentar im Seitenrand der Lose, so zu Los 1392 : »[2 Kreuze] £ 50 £ 100, sold 71 c. 1380 very good price moderate«.78 Er kommentierte den Verkauf dieser Handschrift in einem Brief an Leighton vom 30.4.[1891] : »The Horae Mr. Ellis bought was not dear at £ 71. But I much prefer the earlier books ; they are much more ›educational‹ to use a slang phase.«79 Mit dieser Umschreibung bezieht sich Morris wohl auf die Vorbildqualitäten der Handschriften.80 Einige Einträge im Seitenrand des Auktionskataloges verweisen durch kurze Formeln auf sein Desinteresse an einer Handschrift,81 andere erhalten wie Los 1388 – ein Stundenbuch des 15. Jahrhunderts – Unterstreichungen, die wiederum auf ein Interesse von Seiten Morris’ hinzudeuten scheinen.82 Bei der Auktion der Bibliothek von Edwin Henry Lawrence bei Sotheby’s am 9.– 12.5.1892 erwarb Morris sieben Handschriften aus dem 13.–15. Jahrhundert.83 Gefallen 76 Los 1019 : zwei Initialen mit Seitenrandbordüren, 15. Jh.; Notiz von Cockerell : »Cambridge University Library, Add. 11096«. 77 Los 1390 : Horae BMV : 4 Miniaturen, 25 Bordüren, Initialen, 1410. Das Buch erzielte £ 29. 78 Los 1392 : Horae BMV : 456 Bordüren, 30 Miniaturen, 15. Jh. 79 Zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 297 ; ebd., Anm. 8. 80 Vgl. ebd., S. 297, Anm. 9. 81 Vgl. Morris’ Einträge »no« (Los 1396, 1790), »moderate no« (Los 1397), »not this« (Los 1394, 1395) oder »I dont remember it« (Los 1813). 82 Los 1388 : Horae BMV : 100 florale Bordüren, 10 große Miniaturen, franz. Kalbsledereinband, bemalt, goldgeprägt, 15. Jh. Die Handschrift erzielte £ 31. Morris unterstrich die Angaben zu den Miniaturen und dem Einband der Handschrift. 83 Es handelt sich dabei um die Lose 16, 41, 69, 88, 286, 479, 534. Zu Morris’ Erwerbungen aus der Lawrence-
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fand er zudem an einer normannischen Bibel (Los 40), die er in seinem Eintrag als »£ 39 49 good 13th letters cut out mostly in the Epistles In Initio good French work Some at least of Apocalypse in a later 14 cent. hand« beschrieb.84 Im Seitenrand finden sich die Einträge »£ 15 little ordinary fair condition« sowie zwei Kreuze, wobei nicht klar ist, ob sich diese Bemerkung auf Los 39, bei dem der Preis £ 21.10 vermerkt ist, Los 40 oder eine andere Nummer bezieht. Dieses Zuordnungsproblem wiederholt sich bei den folgenden Nummern. So ist die von Morris erworbene Bibel (Los 40) als »quite fragmentary« bezeichnet, woran sich die Beschreibung »fine big, red rubbed otherwise good, c. 1250« anschließt. Dieses bezieht sich jedoch wohl eher auf Los 42, eine Bibel des 14. Jahrhunderts (nach Angabe des Kataloges) mit einem roten Samteinband, während sich der Vermerk »imperfect, has in initio then c. XLIIII then I« wohl eher mit Los 43 verbinden lässt, eine Biblia Belgica von 1412. Los 310, ein Stundenbuch von 1512 mit zwölf großen und acht kleineren Miniaturen interessierte Morris wohl hauptsächlich, wie seine Unterstreichungen andeuten, aufgrund des Wappens und des Einbands. Hier vermerkte er »too late ?«. Um den Inhalt ging es Morris bei Los 404, »Macer’s Herbal, translated by a Benedictine Monk«, eine englische Handschrift von circa 1450, zu der Morris vermerkte : »£ 25 no pictures nice old book«. Bei einem Missale (Los 435) lobte er die Kreuzigungsdarstellung und präzisierte die Datierung.85 Ein »Officium de Vigilia Nativitatis et alia Officia« (Los 473) bezeichnete er als »good«,86 ein Psalterium (Los 537) als »rather pretty«.87 Dagegen tat er zu Los 311, einem Stundenbuch des 17. Jahrhunderts mit 53 Miniaturen, seinen Unmut kund : »Damn Jarry«. Morris lehnte diese späten Arbeiten ab, da er sie dem Medium der Buchmalerei als unangemessen erachtete. Dieses wird auch in dem Eintrag zu Los 484 deutlich, einer Ovid-Handschrift vom Ende des 15. Jahrhunderts mit Porträts Ludwigs XII. und der Anna de Bretagne. Diese erachtete Morris als »not very interesting«, da die »miniatures mere pictures« seien : Bildhaft konzipierte Miniaturen verletzten nach seiner Auffassung die gattungsspezifischen Anforderungen der Buchmalerei.88 Bei William de Stantons
Auktion siehe auch die Einträge in S. C. Cockerells Diary vom 12. und 15.5.1892, BL, MS Add. 52772, S. 14, fol. 29r. 84 Morris’ Exemplar des Auktionskataloges, Grolier Club, New York. 85 Los 435 : Missale in Usum Sanctissimi Domini Papae Romani : 290 Initialen mit Seitenrandbordüren, Christuszyklus, 14. Jh. Morris’ Eintrag : »swell looking book very bright & clean £50 Italian at end otherwise a French book c. 1320 very little picture work very good crucifixion writing fine«. 86 Los 473 : Officium de Vigilia Nativitatis et alia Officia : Kreuzigungsminiatur, 20 Initialen, 15. Jh. Morris’ Eintrag : »£60 good 12th end 15th very early 12th at least«. Eintrag Cockerells : »now (1905) McClean 49 at the Fitzwilliam Museum«. 87 Los 537 : Psalterium et Breviarii Hyemalis : 32 Miniaturen mit Rahmenbordüren, 15. Jh. Morris’ Eintrag : »£30 rather pretty book German I suspect or possibly Scandinavian« ; Eintrag Cockerells : »MS McClean 38 at the Fitzwilliam Museum«. 88 Diese Handschrift ausgestattet mit 21 Miniaturen auf 132 Bl.
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»Pylgremage of the Soull« (Los 738) – eine Handschrift des 15. Jahrhunderts – vermerkte er »interesting book but art rude«.89 Auf der William und Thomas Bateman-Auktion, Sotheby’s, 25.–31.5.1893, kaufte Morris zwar nur drei Handschriften,90 doch finden sich zahlreiche Notizen in seinem Exemplar des Auktionskatalogs, die zumeist äußerst knapp gehalten sind und nur den Preis festhalten sowie Korrekturen zur Datierung oder ein kurzes Werturteil wie »see rather fine« (Los 261), »very poor book« (Los 265), »fine writing« (Los 740), »no good« (Los 886), »a poor book« (Los 1311), »very good book will go high« (Los 1445) enthalten bzw. sich auf gedruckte Bücher beziehen. Bei einigen Handschriften findet sich der Eintrag »not dear« (Los 1445 mit Preisvermerk »£ 86«), »much too dear« (Los 1487 mit Preisvermerk »£ 80«)91 oder »too dear« (Los 1508 mit Preisvermerk »£ 95«). Bei einer Beda Venerabilis Handschrift des 14. Jahrhunderts (Los 259) korrigierte er »12 century«92 ebenso wie bei einer Handschrift »Columbani Vita scripta ab Jona Hiberno in Saeculo IX« (Los 467) : »good writing 11 cent«. Ein Evangelistarium des 11. Jahrhunderts (Los 742) interessierte ihn wegen der »long tailed blue & red letters good at 15 or so«. Zu Los 841, einem »Epistolarium et Evangelistarium« des 14. Jahrhunderts, vermerkte er ausführlicher : »the two big pp. rubbed little miniatures rather good I say 20«.93 Bei einigen Handschriften und Drucken notierte er den Zustand, z. B. »things cut out curious« (Los 553 ; Manchester, John Rylands Library MS 89). Bei diesem Katalog scheint er sich Notizen bei einer ersten Durchsicht der Bücher gemacht zu haben, um sie dann aber bei weiterem Desinteresse oder einem zu hohen Preis durch eine vertikale Linie auszustreichen, die die jeweiligen Textzeilen durchzieht. Auch Los 1411, ein Psalterium (FMC, MS McClean 33), schied wegen des Preises aus. Morris hatte vermerkt : »see [2 Kreuze] the B good 10« und ergänzte dann »£ 37 very high price«. Auch bei Los 1413, ein englisches Psalterium des 14. Jahrhunderts, hatte Morris »see« und ein Kreuz sowie »This is the queer one« vermerkt, um dann »too much« hinzuzufügen. Bei Los 1511, einem »Psautier Françoys« aus dem 14. Jahrhundert, findet sich der Vermerk »see [1 Kreuz] 30 £ 48 rather much«, und bei Los 1524, einem Sacramentarium Gregorianum aus dem 10. Jahrhundert, notierte Morris »£ 101 very high«. Durch die relative Vielzahl dieser Einträge vermittelt sich der Eindruck, dass Morris gerne noch mehrere Handschriften der Auktion erworben hätte, sich aber wegen der Preise zurückhalten musste. 89 Auch die Katalogautoren bezeichneten die zwanzig Miniaturen der Folio-Handschrift als »rude«. Für Morris war diese Handschrift vielleicht interessant, da der Text von Caxton gedruckt wurde. 90 Los 233, 789, 1412. Morris’ Notizen im Seitenrand seines Auktionskataloges sind im Katalogteil zitiert. 91 Im Seitenrand finden sich zusätzliche Vermerke : »see [1 Kreuz] 25 German good condition« sowie eine Notiz Cockerells : »Fitzwilliam Museum McClean MS 120«. 92 Auf diese Handschrift scheint sich auch der Eintrag »[…] set of Gothic letters on blank p.« zu beziehen, der sich im oberen Seitenrand befindet. 93 Los 841, Epistolarium et Evangelistarium : englischer Schreiber, 2 florale Bordüren, 13 kleine Miniaturen, 14. Jh.
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Eine Einführung
Eine Handschrift hätte Morris tatsächlich gerne erstanden, doch wurde sein über Quaritch abgegebenes Höchstgebot überboten, so dass sie in den Besitz von Samuel Sandars gelangte, der sie 1894 der University Library Cambridge vermachte, MS Add. 4085.94 Es handelt sich um einen flämischen unvollständigen Psalter aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhunderts mit historisierten Initialen, von denen jedoch nur noch zwei Beispiele in der Handschrift verblieben, ornamentierten Initialen mit Grotesken-, Tier-, Vögel- und Kopfmotiven sowie Rankenwerk und Randdekorationen mit Jagd-, Spiel- und Musikantenszenen, der Darstellung von Windmühlen, Figuren, Tieren und Grotesken. Wie eine in der Handschrift einliegende Notiz verrät, bemühte sich Morris, Samuel Sandars die Handschrift abzukaufen, was jedoch nicht gelang.95 Von der Howell Wills-Auktion, Sotheby’s, 11.–16.7.1894, erwarb Morris nur eine Handschrift (Los 1536). Im Vergleich mit den anderen Auktionskatalogen enthält dieser lediglich spärliche Anmerkungen.96 Die ausführlichsten betreffen eine ins 14. Jahrhundert datierte Bibel mit dem Wappen des Bentivoglio von Bologna (Los 286) : »goodish c 1350 but merry other in a later hand« und das in die Zeit um 1350 datierte englische »Courtenay Prayer Book« (Los 375) : »Calendar rather good the rest very crude«.97 Bei Los 706, einem flämischen Stundenbuch des 15. Jahrhunderts, ist Morris besonders am Einband interessiert : »£ 30 binding very good«. Auf der Fountaine-Auktion, Christie’s, 6.7.1894, kaufte Morris das Grey-Fitzpayn-Stundenbuch (Los 143 ; FMC, MS 242 ; Abb. 59).98 Daneben interessierten ihn eine französische Bibel des 13. Jahrhunderts mit »very finely done pictures ends with ecclesiasticus last letters not« aus dem ehemaligen Besitz von Philippe Le Bel und dem Duc de Berry (Los 140)99 und ein französisches Breviarum Romanum (Los 141) mit »very pretty pictures otherwise nil«, das Morris um 1500 datierte.100 Auch auf der William Stuart-Auktion, Christie’s, 6.3.1895, ersteigerte Morris eine Handschrift (Los 146). Sein Interesse fanden weiterhin eine Bibel des 13. Jahrhunderts (Los 4), die er als »very nice of its kind c. 1280« charakterisierte,101 eine weitere Bibel (Los 144) : »curious book very good Italian c. 1320 […] French part only so so«,102 sowie eine dritte Bibel 94 Binski/Zutshi 2011, Nr. 370, S. 342–343. 95 Vgl. Kelvin 1996 IV ; S. 45, Anm. 5 zu Nr. 2135. 96 Vgl. BL, MS Add. 522772, fol. 49r, 9.7.1894. Cockerell notierte zu seinem Besuch mit Morris und Murray : »Willis books, mostly disappointing«. 97 Los 375, Courtenay Prayer Book : englische Handschrift, 5 historisierte Initialen, Bordüren, 500 Wappen, Bruton Abbey, Somerset. 98 Zu Morris’ und Cockerells Einträgen im Seitenrand vom Morris’ Exemplar des Auktionskataloges siehe den Katalogteil. 99 Eintrag von Cockerell : »Bibl. Nationale«. 100 Im Katalog ins 14. Jahrhundert datiert. 101 Los 4, Biblia Sacra Latina : 13. Jahrhundert, Genesis-Initiale mit sieben Szenen, historisierte Initialen, ehem. Sammlung des Duke of Sussex ; Datierung von Morris : c. 1280. 102 Los 144 : Biblia Sacra : 13. Jahrhundert, die erste Hälfte mit historisierten Initialen eines französischen Malers, die zweite Hälfte von einem italienischen Künstler illuminiert.
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William Morris als Handschriftensammler
(Los 145), die ihn an eine seiner eigenen Handschriften erinnerte.103 Er beklagte : »Didn’t get those books at Stuart Sale prices very high«.104 Auch bei den Handschriften aus der Auktion der Sammlung von Thomas Phillipps, die Morris am 19.3.1895 mit Cockerell bei Sotheby’s ansah, wurde er überboten.105 Unter welchen Gesichtspunkten Morris Handschriften erwarb, wird in einem Brief an Quaritch vom 10.3.1894 deutlich, der eine von Morris zurückgesendete italienische Handschrift begleitete. Er äußerte darin, dass die Handschrift zwar »interesting and curious« sei, dass aber »the pictures are not sufficiently well done to make it worth my while to keep it«.106 Als »curious« erachtete er 1895 eine schottische Bibel des 13. Jahrhunderts bei Sotheby’s, gegen deren Erwerb er sich jedoch entschloss.107 In einem Brief an Cockerell von 24.4.1895 äußerte er in Hinblick auf zwei Blätter des Druckers Bamler : »When the article in itself is good looking I dont object to the added interest of history.«108 Im August 1895 wies er eine Handschrift des 12. Jahrhunderts zurück, die ihm der Antiquar Rosenthal anbot, da er die 29 Miniaturen als »not very good« beurteilte.109 Diese kurzen Angaben deuten darauf hin, dass Morris die Handschriften nicht wegen der Texte, sondern auf Grund der ästhetischen Qualitäten der Buchmalerei erwarb. Kommentare und Korrespondenz von Morris geben nur wenige Hinweise über seine konkreten Gründe, eine bestimmte Handschrift zu erwerben. Sie dokumentieren vielmehr den Ablauf des Erwerbs oder bilden eine knappe Erfassung der Handschrift. Einige seiner Äußerungen erlauben allerdings den Rückschluss, dass er eine Handschrift kaufte, wenn er sie für ein ausgezeichnetes Beispiel ihrer Entstehungszeit erachtete, die wegen ihrer Qualitäten andere zeitgenössische Handschriften übertraf.110 Ein weiterer Grund war sein persönliches Gefallen an der Handschrift. So bezeichnete er das »Psalterium Aureum« als »a very nice book and I must have it«111 und den »Beauvais Psalter« als »exceedingly handsome«.112 Seine kurzen, in einige wenige Handschriften eingeleg103 Los 145 : Biblia, 13. Jahrhundert, englisch, 100 Initialen. Morris’ Eintrag : »fine, good condition, like my French book«. Die Handschrift wurde zunächst von Yates Thompson, dann von Cockerell erworben. 104 BL, MS Add. 45410, Morris’ Diary für 1895, Eintrag zum 6.3.1895. 105 Ebd., Eintrag zum 21.3.1895 : »The book I put £15 on (high price) at Philip’s [sic !] Sale fetched £50.« 106 Kelvin 1996 IV, Nr. 2236, S. 140. Kelvin vermutete, dass es sich hierbei um eine Handschrift der J. TooveyAuktion, Sotheby’s, 26.2.–6.3.1894 handeln könnte, ebd., S. 142, Anm. 1. 107 BL, MS Add. 45410, 12. und 18.7.1895. Quaritch erwarb die Handschrift bei Sotheby’s für £ 450 und bot sie Morris für £ 500 an. 108 HL, MS HM 38910 ; zit. bei : Kelvin 1996 IV, Nr. 2368, S. 270. 109 BL, MS Add. 45410, 13.8.1895 ; vgl. BL, MS Add. 52772, 13.8.1895, S. 41, fol. 56r : »Left by 1.30 train for Kelmscott to take the Rosenthal MS – had an hour & a half at Oxford & spent most of it at the Bodleian looking at books in the cases – Norwich Psalter, Apocalypse, Romance of Alexander, […]«. 110 Vgl. z. B. zu PML, MS M. 75 bei : Kelvin 1996 III, Nr. 1989–1991, S. 399–400 ; siehe die Randnotiz in Morris’ Katalog der Hailstone-Auktion, Los 1858 (PML, MS M. 97) ; siehe a. die Notiz in PML, MS M. 98. 111 Zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2473, S. 379. 112 Vgl. PML, MS M. 101.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
ten Kommentare zeigen, auf welche Aspekte er besonders achtete : ein harmonisches Farbschema, ausdrucksstarke und humorvolle Figuren, gute und energische Zeichnung, Figurendarstellung,113 Qualität und Schönheit des Ornaments, Farbwahl und -wirkung.114 Morris’ Sammlung enthielt keine frühmit telalterlichen Handschriften, d. h. keine byzan tinischen, karolingischen, insularen oder angelsächsischen Handschriften. Dieses war nicht nur durch seine Vorlieben und Interessen begründet, sondern auch durch die Marktlage bedingt : Diese Handschriften waren selten und, wenn sie überhaupt auf den Markt kamen, dann extrem teuer, da sie bereits, aus zumeist historischen Gründen, hoch geschätzt wurden. Die frühsten Handschriften aus Morris’ Sammlung stammten aus dem 11. Jahrhundert (zwei Handschriften), die meisten aus dem 13. Jahrhundert. Der Schwerpunkt lag auf nordalpinen Arbeiten, solchen aus England, Frankreich und Abb. 59 Fitzwilliam Museum, Cambridge, MS 242, The Pabenham-Clifford Hours, England, um 1315– den Niederlanden. Wie Ruskin war Morris be- 1320, fol. 55v. © The Fitzwilliam Museum, Cambridge. sonders an Arbeiten aus dem 13. und 14. Jahrhundert interessiert. Als Sammler achtete Morris auf die Schönheit und die historische Relevanz einer Handschrift, als Buchgestalter auf ihre narrativen Qualitäten und die stilistische Harmonie von Miniatur und Ornament, Schrift und Inhalt, auf den Kontext des Textes. Morris’ Sammlung enthielt Handschriften, bei denen er diese Aspekte gelungen verwirklicht sah.
5.2 Handschriften in William Morris’ Bibliothek Zur Anordnung des Katalogs
Die Handschriften sind nach literarischen Gattungen gegliedert, wobei die profanen Texte auf die religiösen folgen. Innerhalb der Gruppen sind die Handschriften alphabetisch und chronologisch angeordnet. Dabei werden erst die allgemeiner, dann die ge113 Vgl. PML, MS M. 98. 114 Vgl. PML, MS M. 100.
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William Morris als Handschriftensammler
nauer datierten Handschriften aufgeführt. Eine kontinuierliche, gruppenübergreifende Durchzählung der Handschriften erfolgt in arabischen Ziffern in Klammern. Angaben zum Buchschmuck finden sich, je nach Umfang der Dekorationen und Ausführlichkeit der Erläuterungen, entweder nach den Seitenangaben oder unter der Rubrik »Zum MS«. In diese Rubrik sind kurze Angaben zur Ausstattung der Handschrift, zu Datierungs- und Lokalisierungsfragen sowie Informationen zu Inhalt oder Künstler eingefügt. Die Rubrik »Quellen zum MS« wiederum führt Hinweise auf eine Handschrift auf, die sich in Kalenderbüchern (Diary) oder Briefen von Morris und seinem Umfeld finden. Die Nennungen bei den Ausstellungen und der Sekundärliteratur beziehen sich nur auf die wichtigsten Angaben. Genauere Informationen sind den Bestandskatalogen der Bibliotheken und den Handschriftenkatalogen zu verschiedenen Kunstlandschaften und Epochen zu entnehmen. Bei Auktionskatalogen werden die Losnummern nur nummerisch genannt. Abkürzungen im Katalogteil
Aukt.-kat. – Auktionskatalog Ausst. – Ausstellung, in der die Handschrift zu sehen war. Hier werden bis auf Ausnahmen nur Ausstellungen erfasst, zu denen ein Katalog erschienen ist. Bibl.-kat. – Nennung der Handschrift in den Katalogen von Morris’ Bibliothek DK – Doppelkolumne Einb. – Einband Kat. – Nennung der Handschrift in Bestandskatalogen ehemaliger und heute noch bestehender Sammlungen Lit. – Ausstellungskataloge, Monographien, Publikationen zur Bibliotheks- und Buchgeschichte sowie themenrelevante Publikationen, in denen die jeweilige Handschrift genannt wird. Prov. – Provenienz Z. – Zeilen ‹ › – Spitze Klammern markieren durchgestrichene Partien BFAC – Burlington Fine Arts Club BQ – Bernard Quaritch CFM – Charles Fairfax Murray HYT – Henry Yates Thompson WM – William Morris RB – Richard Bennett SCC – Sydney Carlyle Cockerell 488
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
BL – British Library London BLO – Bodleian Library Oxford CFLP – Collection Frits Lugt, Institut Néerlandais, Paris FMC – Fitzwilliam Museum Cambridge HL – The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif. PML – Pierpont Morgan Library, New York V&A – Victoria & Albert Museum, London –– Bennett 1900 – A Catalogue of the Early Printed Books and Illuminated Manuscripts collected by Richard Bennett, Guildford 1900 –– BQ 1897 – Quaritch, Bernard : The Best Books in the Library of the Late William Morris, London März 1897, Bernard Quaritch Archiv, London Bei einigen der Bibel- und Missale-Handschriften in diesem Katalog sind die Angaben nicht ausführlich genug, um sie mit Sicherheit einer Handschrift zuzuordnen. Zu Nummer 24, S. 2 lässt sich in den anderen Katalogen von Morris’ Bibliothek keine Handschrift entsprechenden Texts nachweisen : »CICERO de Legibus, Smallest 4to. MS. on vellum, Italian work / About 1450«. Bei den Bibeln findet sich eine mehrere Handschriften zusammenfassende Nummer 16, S. 1 : »Besides the preceding five Bibles of the twelfth-thirteenth century, all of folio or small folio size, there are several others of smaller size written on fine vellum in the thirteenth century, and also illus trated with miniatures.« –– YCBA – Catalogue of Morris Library, ca. 1876, Sammlung Paul Mellon, Yale Centre for British Art, New Haven –– Bridwell Lib. – Catalogue of Morris Library, 1890–1891 – ehem. Bernard H. Breslauer – Christie’s, New York, 21.3.2005, Los 115 – Bridwell Library, Southern Methodist University, Dallas : Frühe Einträge in der Schrift von Jenny Morris, nur Rectos beschrieben, Einträge durchnummeriert. Anmerkung durch S. C. Cockerell : »This catalogue of the library of William Morris at Kelmscott Manor, Upper Mall, Hammersmith was begun in 1890 by his elder daughter Jenny and was continued in the same year and in 1891 (ff. 72–91) by Morris himself. In 1892 (Nov.) I was employed to make a more elaborate catalogue of the manuscripts and incunabula, and this list does not contain the numerous books acquired by Morris in the last five years of his life«. –– Kall. – Kalligraphischer Katalog von Morris’ Bibliothek, 1890 – ehem. Bernard H. Breslauer – Christie’s, New York, 21.3.2005, Los 114 – Mark Samuels Lasners Sammlung in der University of Delaware Library, Newark, eingebunden der Beginn einer Übersetzung des isländischen »Haldor« »in another calligraphic hand – used by Morris on other occasions – e. g. for the manuscript of Hen Thorir &c written in 1873–4 and given by Lady Burne-Jones in 1909 to the Fitzwilliam Museum, Cambridge« (Notiz von SCC). 489
William Morris als Handschriftensammler
–– FSE – Frederick Startridge Ellis : Valuation of the Library of William Morris 1896, The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., Sanford & Helen Berger Sammlung, Box 1, MOR 9, S. 1–7 ; siehe auch die Transkription in : Kelvin 1996 IV, Appendix B, S. 401–433. Das Inventar wurde von F. S. Ellis aufgestellt. Korrekturen und Ergänzungen in Bleistift stammen von Charles Fairfax Murray. Sidney Carlyle Cockerell trug in Tinte spätere Besitzer der Handschriften ein. –– WM 1898 – Aukt.-kat. Catalogue of a portion of the valuable collection of Manuscripts, early printed Books, etc. of the late William Morris of Kelmscott House, Hammersmith, Sotheby’s, London 5.–10.12.1898 I. Illuminierte Bibel-Handschriften und einzelne Bücher der Bibel I.1. (1) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Hebraicorum Nominum Verbleib unbekannt (Privatbesitz). Pergament, 479+1 Bl., 257 × 174 mm, DK (z. T. auch in 4 Kolumnen), 51 Z. Um 1250/1210–1220 ; Nordfrankreich/England. Einb.: rotes Maroquin mit Wappen, goldgeprägt, 18. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 86, S. 8 : »A very finely written and perfect Manuscript of Northern French workmanship about 1250.« –– FSE 14 : »Biblia Sacra Latina French. c. 1250. sm. folio. red mor Strangford 130 Hodson Perrins«. –– BQ 1897, 11[ ?] : »Folio, MS. on vellum, fine French work with Miniatures / About 1190–1200«. Prov.: Louis Monsieur de Fourtel, 17. Jh. – Wappen von Percy Clinton Smythe, 6th Viscount Strangford auf dem Einband – Strangford-Auktion, Sotheby’s, 12.8.1831, 460 – John Wilks-Auktion, Sotheby’s, 12.3.1847, 348 – Whitaker – Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891, 343 – von Morris eventuell über Leighton erworben, vgl. Brief von Morris an Leighton vom 30.4.1891 – RB – WM 1898, 86 – Pickering £ 91 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 46 – BQ – Charles William Dyson Perrins, Nr. 57 und 29 – C. W. Dyson Perrins-Auktion, Sotheby’s, 1.12.1959, 60 – BQ £ 235 – Major John Roland Abbey, MS 6990 – J. R. Abbey-Auktion, Sotheby’s, 1.12.1970, 2866 – BQ 11.6.1973 (Kat. 933, Nr. 26) – A. L. van Gendt-Auktion, 22.3.1978, 1730 – Sotheby’s, 19.6.1990, 81 – 1997 Jörn Günther Rare Books, Hamburg. Lit.: PML 1976, S. 34 ; Princely Magnificence. An Exhibition of Illuminated Manuscripts and Printed Books from the 13th to the 16th Century presented by Dr. Jörn Günther. An Exhibition Shown at Ursus Rare Books, 981 Madison Avenue, New York 1997, Hamburg 1997. 490
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Kat.: Warner 1920 I, Nr. 29, S. 86–88, Taf. XXXV.
Ausst.: BFAC 1908, Nr. 99. Quellen zum MS :
–– Notizen von Morris und Cockerell in Morris’ Exemplar des Katalogs der Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891, 343 (Grolier Club, New York) : Morris : »£ 60 c. 1280« ; Cockerell : »Morris – Leighton – Hodson – Quaritch – Perrins«. –– Eventuell bezieht sich ein Brief Morris’ an Leighton vom 30.4.1891 auf den Erwerb dieser Handschrift, Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 296–297, Anm. 1. Zum MS :
–– Zwei große historisierte Initialen : fol. 8v Weltschöpfung ; fol. 346r Wurzel Jesse. Es wurde auf die Nähe zur entsprechenden Darstellung in BL, MS Add. 15452 verwiesen.115 –– 112 große ornamentale Initialen mit Blatt- und Flechtwerk auf Goldgrund und kleinere ornamentierte Initialen (im Auktionskatalog von 1891, der die Handschrift ins 14. Jahrhundert datiert, werden insgesamt 181 Initialen erwähnt, in dem von 1959 188 Initialen, im Auktionskatalog Sotheby’s vom 19.6.1990 und im Ausstellungskatalog von Dr. Jörn Günther 191 Initialen). Die Initialen sind unterschiedlichen Illuminatoren zuzuordnen. –– Otto Pächt, Nigel Morgan und Adelaide Bennett erachteten die Entstehung der Handschrift in England.116 Als Vergleichshandschriften wurden FMC, MS McClean 11 und die Huth/Hornby/Cockerell/Haddaway Bibel (Christie’s, New York, 25.9.1981, 2) genannt.117 –– Nach Warner besteht die Handschrift aus drei verschiedenen Teilen.118 I.2. (2) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Hebraicorum Nominum The John Frederick Lewis Collection, Free Library of Philadelphia, MS Lewis E 36
Pergament, 370 Bl. (WM 1898, 34 : 369 Bl.), 158/160 × 115/120 mm, beschnitten, DK, 55 Z. Um 1260–1280 ; Italien, Padua oder Venedig. Der Text unvollständig : Es fehlt der letzte Teil der Interpretationes, einige Initialen herausgeschnitten. Einb.: Pergament, goldgeprägt, 19. Jh., italienisch. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 34. 115 116 117 118
Dyson Perrins-Auktion II, Sotheby’s, 1.12.1959, Los 60, S. 29–30, hier S. 29. Sotheby’s, 19.6.1990, Los 81, S. 66–67. Ebd., S. 66. Warner 1920 I, S. 86.
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William Morris als Handschriftensammler
–– YCBA, Nr. 5 : »Bible. Illuminated Italian 13th cent : Many of the letters cut out 5. -. -.« –– Bridwell Lib., Nr. 64, fol. 7r : »Bible MS circa 1260 (an Italian hand, with fine illuminated letters, some cut out)«. –– Kall., fol. 1r : »Biblia Latina. MS. on vellum circa 1220, the illuminations lacking gold, but very good : many however cut out. Italian«. –– FSE 19[ ?] : »Biblia Sacra Latina French Italian c. 1280 4to 25«. –– BQ 1897, 15[ ?] : »probably from Lombardy. Small folio, MS. on vellum, with 76 Miniatures About 1300«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 34 – Leighton £ 24.10 – E. L. Stainton-Auktion, 26.7.1920, 511 – Leighton – 1921 John Frederick Lewis – 1936 als The John Frederick Lewis Collection an die Free Library of Philadelphia. Kat.: Ricci 1937 II, S. 2026, Nr. 8 – Wolf 1937, S. 43, Nr. 36 – Tanis/Thompson 2001, Kat. Nr. 4, S. 31–33 mit Abb. Quellen zum MS :
–– Vielleicht handelt es sich bei dieser Bibel um diejenige, die Murray in seinem Diary anlässlich eines Besuches mit Morris bei Ellis am 7.9.1874 erwähnt : »imperfect Bible Italian with the most minute illuminated initials«, Murrays Diary für 1874, CFLP, Inv.Nr. 1983.A. 27. Zum MS :
–– 17 ornamentierte Initialen, Fleuronnée. Von den Initialen, die z.T. aus Blättern gebildet oder damit besetzt sind, gehen Besatzmotive, u. a. mit Groteskendekorationen, aus. Die Zwickelfelder der Initialquadrate sind mit zierlichen floralen, weißen Linienornamenten versehen. –– Auf fol. 1r Randdekoration in gesamter Kolumnenhöhe aus farbigen Leisten mit Pfau und floralen Elementen ; vierzeilige Initiale mit einem nimbierten Bischof und einer betenden Figur. –– Auf fol. 3r sind in eine Leiste, die aus dem Maul eines Drachen ragt, Medaillons mit Szenen der Schöpfungsgeschichte eingestellt. –– 36 historisierte Initialen zum Alten Testament auf fol. 28r, 61r, 68r, 79v, 106v, 115r, 126r, 129r, 137v, 140r, 147r, 157v, 159r, 162v, 168v, 173v, 179v, 182r, 183r, 187v, 200r, 234v, 236v, 237v, 239r+v (Jonas), 241r, 274v. Im Neuen Testament vier Evangelistenporträts in Initialbuchstaben am Anfang der jeweiligen Evangelien auf fol. 287r, 304v, 313v, Initiale auf fol. 281 ausgeschnitten. Initialen mit Apostelporträts auf fol. 320r, 342v, 354r. Alternierend rote und blaue Fleuronnée-Initialen. –– Die Zuschreibung nach Padua erfolgt auf Grund der zoomorphen Evangelistendarstellungen sowie der byzantinischen Einflüsse wie dem grünlichen Inkarnat, den HellDunkel-Kontrasten in der Gesichtsgestaltung, den Weißhöhungen, der Farbpalette aus Rot, Blau, Orange, Oliv und Ocker sowie der zierlichen Linienornamentik.119 Die 119 Vgl. Tanis/Thompson 2001, S. 31, 32. Zu den byzantinischen Anregungen vgl. a. Wolf 1937, S. 43.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Handschrift wird einer Gruppe von Handschriften aus dem Umkreis des Schreibers Giovanni da Gaibana aus Padua zugeordnet.120 I.3. (3) Biblia Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 109–111
Pergament, 3 Bde.: 224+217+233 Bl., 500 x 360 (I) bzw. 460 × 320 mm (II + III), DK, Bd. I : 42 Z., Bd. II + III : 40 Z.; eventuell Bd. I nicht dazu gehörig, jedoch vermutlich aus dem gleichen Skriptorium stammend. Sp. 13. Jh. (Ricci 1937 II, S. 1386), eventuell 1260–1270 ;121 Frankreich, eventuell St. Benoît sur Loire oder Kanalregion,122 vermutlich Île-de-France123. Einb.: Bd. I : Holzdeckel, weißer Schweinslederrücken, Douglas Cockerell ; Bd. II + III : französisches Pergament, 18. Jh., später auf Morgans Wunsch entsprechend zu Bd. I neu gebunden. Bibl.-kat.:
–– FSE 13 : »Biblia Sacra Latina. 3 vols. Folio. 650 – JPM«. –– BQ 1897, 12 : »another example of the same period [1190–1200]. 3 vols. Folio. MS. on vellum, with grand Miniatures. A magnificent book which cost Mr. Morris £ 650. About 1200«. Prov.: WM bei Leighton für £ 650 im Dezember 1895 erworben – RB – J. Pierpont Morgan (allerdings nicht in James’ Katalog von 1906 aufgeführt ; es lässt sich jedoch auch keine Bibelhandschrift der Morris-Bennett-Auktion von 1898 mit der Handschrift in der PML verbinden) – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 566 – Ricci 1937 II, S. 1387, Nr. 109–111. Ausst.: PML 1933, Kat. Nr. 56, S. 29 – PML 1976, Nr. 22, S. 41, 102. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 71r, 28.11.1895 : »Went up to Leighton’s to see a fine 13th century folio MS of the Bible – French in 3 vols. [….]«. –– Ebd., 30.11.1895 : Morris sieht sich mit Walker die Bibel an. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 30.11.1895 : Morris geht mit Walker zu Leighton, um die »big damaged bible« anzusehen. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 72v, 3.12.1895 : »The big 3 vol. French MS Bible sent down by Leighton.« –– Ebd., 4.12.1895 : »WM bought the French MS Bible for £ 650«. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 4.12.1895 : »to Leighton & bought his bible (£ 650)«. 120 121 122 123
Vgl. Tanis/Thompson 2001, S. 32. PML 1933, S. 29. PML-File zum MS. PML 1933, S. 29.
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William Morris als Handschriftensammler
–– BL, MS Add. 52772, fol. 58r, 30.11.1895, 4.12.1895. –– Rooke 1982, S. 64, Burne-Jones am 5.12.1895 : »It’s a bible, a fine old bible, but much injured – capital letters and pictures cut out – he’s wild about it, quite furious. Says Jabez Balfour ought to be crowned with a laurel wreath as a reward for not having cut up MSS.«124 Zum MS :
–– Insgesamt 64 mehrzeilige historisierte Initialen auf rechteckigem Feld, z. T. mit Rahmenbordüren und Groteskenwesen, sowohl der Buchstabenkörper als auch die Gründe ornamentiert, die Buchstaben in volutenartige Einrollungen mit Blattbesatz mündend. Teilweise werden mehrere Szenen in einer Initiale zusammengefasst. –– Neun- und zehnzeilige Initialen mit Groteskenwesen in reichem Rankenwerk ; dreizeilige Initialen mit in den Seitenrand hineinreichendem Besatz. I.4. (4) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi, Calendario, Interpretationibus Hebraicorum Nominum et Epistolis Dominicis Fitzwilliam Museum Cambridge, MS McClean 12
Pergament, 667+2 Bl., 155,5 × 98,5 mm, DK, 41 Z., dominikanischer Kalender Miniaturstreifen (fol. 4v) mit der Weltschöpfung in ovalen Medaillons und Kreuzigung (vor Beginn des Buches Genesis) ; 146 Initialen, davon 81 historisiert ; Fleuronnée- und Groteskenornamente. Um 1280 ; anglo-normannisch oder nordfranzösisch. Einb.: Eichendeckel, Pergament, blind- und goldgeprägt. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 33, S. 4 : »A choice MS. in fine condition ; the figures in the initials, though small, are admirably drawn and painted.« –– FSE 24 : »Biblia Sacra Latina. French. c. 1300. Folio 12.° 75 ? McClean12 / Fitzw.« Prov.: WM im März 1895 bei Leighton erworben – RB – WM 1898, 33 – Bruce £ 73 – Alexander Bain-Auktion, Sotheby’s, 1.7.1901, 1082 – Leighton – Frank McClean – 1904 an das FMC vermacht. Kat.: James 1912, Nr. 12, S. 22–24, Taf. VI. I.5. (5) Biblia Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 138
Pergament, 411 Bl., 250 × 170 mm, DK, 58 Z. 84 historisierte Initialen mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sowie Leisten mit Musterbändern, Ranken und Tieren ; 57 zweizeilige Initialen mit Fleuronnée-Ornamenten, die in Fleuronnéestäbe münden. Um 1280 bzw. um 1260–1270 ; Frankreich oder England. 124 Zu Jabez Balfour : Rooke 1982, S. 65, Anm. 3.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Juchtenleder, goldgeprägt, um 1800, England ; roter Maroquin-Schuber mit Aufschrift : The Frome or Edindon Bible. English. XIII Cent.«
Einb.:
Bibl.-kat.:
–– FSE 17 : »Biblia Sacra Latina. English exec. c. 1270. sm. Folio [alles durchgestrichen] 10 JP. M. 3 see 113«. –– FSE 113 : »Biblia. English. 13th cent. [durchgestrichen] 100 se[e] 17«. –– BQ 1897, 13 : »Edindon Bible. Small folio, MS on Vellum, English work, with 81 Miniatures / About 1250«. –– Prov.: Benediktinerkloster in Frome, 15. Jh. – Kloster in Edindon, um 1500, eventuell im Besitz von religiösen Häusern (Ricci 1937 II, S. 1392) – Thomas Hayward Southby of Carswell-Auktion, 10.12.1890, 173 – BQ, erwähnt in den Katalogen von 1.12.1891 (Kat. 118, Nr. 86) und 1893 (Kat. 138, Nr. 18) – 1894 WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML Kat.: Bennett 1900, Nr. 562 (hier nach England lokalisiert, ebd., S. 41) – James 1906, Nr. 3, S. 5–6 – Ricci 1937 II, S. 1392, Nr. 138. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 18v, 26.2.1894 : »›Edindon‹ Bible«. I.6. (6) Biblia Sacra Latina,
Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Nominum Hebraicorum Ohio University Library, Athens, Ohio, Archives and Special Collections BS751200x
Pergament, 395/6 Bl., 210 × 140 mm, DK, 55 Z. 144 Initialen mit Ornamenten und figürlichem Schmuck, z. T. mit Tieren, Besatz aus Groteskenwesen und Blättern, Fleuronnée-Initialen. 13. Jh./um 1280 ; Spanien (anglo-normannischer Schreiber, vgl. WM 1898, 87). Einb.: Eichendeckel, Ziegenleder mit Ornamentprägung, 15. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 87. –– FSE 15[ ?] : »Biblia Sacra Latina. French. c. 1290. 120«. Prov.: Fray Bartolome de la Puente – Dom Pero, um 1700 – Ricardo Heredia-Auktion I, Hôtel Drouot, Paris 22.5.1891, 9 – BQ – WM – RB – WM 1898, 87 – Pickering £ 36 – Judge Granger-Auktion, Sotheby’s, 17.12.1919, 714 – Maggs 1920, Kat. Nr. 395, Nr. 7, S. 2–3 – W. C. Van Antwerp-Auktion, New York, 1.5.1922, 18 – Gabriel Wells – Charles A. Baldwin, Broadmoor, Colorado Springs, Colorado – Sotheby’s, 7.11.1960, 139 – Carr und Hazel Liggett – 1979 als Geschenk an die Ohio State University Library, Archives and Special Collections BS751200x. Kat.: Ricci 1935 I, S. 149, Nr. 1 (Charles A. Baldwin, Broadmoor, Colorado Springs, Colorado).
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William Morris als Handschriftensammler
I.7. (7) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum Prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Hebraicorum Nominum, et Canonibus Eusebii Boston Public Library, Boston, Massachusetts, MS G.401.11
Pergament, 451 Bl., 318/320 × 230 mm, DK, 56 Z. Um 1280/sp. 13. Jh./fr. 14. Jh. (Haraszti 1928, S. 57) ; Nordfrankreich. Einb.: Maroquin. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 169. –– FSE 18 : »Biblia Sacra Latina. North of France. c. 1280. Folio. 100 ‹ SCC › Boston U.S.A.«. Prov.: Einträge einer Familie Durand aus der Umgebung von Montargis – Nicolas Chevalier (1562–1630) – WM – RB – WM 1898, 169 – Pickering £ 47 – 1900 SCC für Boston Public Library, 1901 inventarisiert. Kat.: Ricci 1935 I, S. 917, Nr. 1 – Haraszti 1928, S. 57. Lit.: Stoneman 2007, S. 354–355. Quellen zum MS :
–– Cockerell am 19.12.1901, zit. nach : Stoneman 2007, S. 355 : »which he [WM] regarded with special affection on account of the extraordinary beauty of the penwork initials in it.« Zum MS :
–– Medaillons mit Darstellungen der Schöpfungsgeschichte und von Christus als Weltenrichter sowie Groteskenmotive (u. a. Jagdszenen) in den Seitenrändern (fol. 4v). –– 5 Initialen mit Autorenbildnissen am Beginn des Prologs des hl. Hieronymus und der Evangelien, Rahmenleisten mit Drachenwesen, Vögeln und Ranken, Groteskenmotive im Bas-de-page (fol. 1r, 349r, 359v, 366r, 376r). –– Kanontafeln mit ornamentalen Leisten (fol. 329v–346v) ; farbige Initialen, Fleuronnée-Buchstaben. I.8. (8) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Nominum Hebraicorum, Letzteres unvollständig Verbleib unbekannt.125 125 Peter Kidd vermutete als aktuellen Aufbewahrungsort der Bibel entweder die University of Colorado, Boulder, Feldman Deposit, oder das Metropolitan Museum in New York, vgl. Peter Kidd, The Burlington Fine Arts Club Exhibition of Illuminated Manuscripts 1908 and the Subsequent Provenance and Present Whereabouts, Where Known of the Privately Owned Manuscripts, last updated 5 Sept. 2004, Nr. 101, http://homepage.ntlworld.com/peter.kidd20/provenance/dispersed/1908.htm [Zugriff am 30.3.2012]. Die Bibel-Handschriften im Feldman Deposit der University of Colorado stimmen jedoch nicht mit den Daten der Morris Bibel überein, vgl. Julia Boffey, A. S. G. Edwards (Hrsg.), Medieval Manuscripts in the Norlin Library & the Department of Fine Arts at the University of Colorado at Boulder. A Summary Catalogue, Fairview, North Colorado 2002, MS 299 bzw. MS 300, S. 22–23. Ich danke Gregory Robl von den Special Collections Norlin Library, University of Colorado, Boulder, für seine freundliche Unterstützung. Auch die
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Pergament, 337 Bl., 9¼x6½ in. (4° ; ca. 235 × 165 mm), DK, 54 Z. Um 1290/um 1250 (BQ 1957, Kat. Nr. 4) ; französisch/anglo-normannisch ?/Paris ; englischer Schreiber. Einb.: Eichendeckel, ornamental geprägtes Leder, 16. Jh., England. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 88. –– FSE 21 : »Biblia Sacra Latina. ‹ French c. 1300 › English c. 1250 [von anderer Hand korrigiert] 160 H.Y.T. SCC«. Prov.: 1895 BQ – 1896 WM – RB – WM 1898, 88 – Pickering & Chatto £ 61 – 1898 HYT – 4.5.1905 SCC von HYT – 1922 Emery Walker – 1933 SCC – 1957 BQ – verkauft 28.4.1959. Lit.: Hamel 1987, Nr. 37, S. 199. Kat.: HYT 1902, Nr. 53, S. 12–14 ; BQ 1957, Kat. Nr. 4, S. 2–3, Taf. 3. Ausst.: BFAC 1908, Nr. 101, S. 48–49. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 20.1.1896 : »To Quaritch bought Bible for £ 63«. –– BL, MS Add. 56233, Cockerell, Diary 1896, fol. 24v, 20.1.1896 : »Quaritch’s : WM bought a nice 13th c French Bible for sixty guineas« ; vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 59r, 20.1.1896. –– CW XXIV, S. xxi. Zum MS :
–– 133/139 illuminierte Initialen mit Groteskenmotiven, davon 27 historisiert.126 Auf fol. 3r am Beginn des Buches Genesis reiche Dekoration mit der Darstellung der Schöpfungsgeschichte in Kreisen und Rhomben sowie mit 6 Medaillons am unteren Seitenrand mit Szenen aus dem Alten Testament.127 Fleuronnée-Initialen bei den Psalmen. –– Charakteristisch für den Maler sind untersetzte Figuren mit großen Köpfen, großen Bibel aus der Sammlung Feldman in der Sammlung des Metropolitan Museums, Inv.-Nr. 1997.320, stimmt weder in den Daten noch der Ausstattung und Provenienz mit der Morris Bibel überein, vgl. [BDB], Bible, in : The Metropolitan Museum of Art Bulletin Fall 1998. Recent Acquisitions. A Selection : 1997–1998, New York 1998, S. 17. Die Entstehung der New Yorker Bibel (253 × 165 mm) wird in Paris um 1250–1275 vermutet ; Morris wird in den Provenienzangaben nicht erwähnt. In der Schoenberg Database of Manuscripts ist die Handschrift unter SCHOENBERG_981 mit Aufbewahrungsort University of Colorado, Boulder, Feldman Deposit aufgeführt, doch scheint es hier zu einer Verwechslung bzw. Zusammenführung verschiedener Handschriften gekommen zu sein, darunter die Tintern Abbey Bibel aus der Zeit um 1250 (Christie’s, 7.12.1988, Los 29), die sich in der National Library of Wales, MS 22631C, befindet, vgl. http:// dla.library.upenn.edu (Schoenberg Database of Manuscripts. The Schoenberg Institute for Manuscripts Studies, University of Pennsylvania Library. Web 23.11.2016 : SDBM_981) [Zugriff am 23.11.2016]. 126 Vgl. die Angaben bei : BQ 1957, Kat. Nr. 4, S. 2, und in : HYT 1902, Nr. 53, S. 12 : 139 Initialen, 27 historisiert ; WM 1898, 88 : 133 Initialen. 127 Vgl. ebd., S. 13.
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William Morris als Handschriftensammler
Augen und langen, geraden Nasen sowie kleine Löwen und andere Tiere im Rankenwerk der Seitenränder.128 I.9. (9) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Nominum Hebraicorum Society of Antiquaries, London, MS 956
Pergament, ca. 387 Bl., sehr kleines 4° (8°+infra), DK, 52 Z., eingerissene Seiten durch Stickerei repariert. 2 große historisierte Initialen (Beginn des Prologs : Initiale mit dem hl. Hieronymus, Beginn Genesis : Initiale mit einer stehenden Figur über einem Drachen) ; FleuronnéeInitialen, z. T. in Tiermotive mündend. Spätes 13. Jh. (Willetts 2000, S. 446)/14. Jh.; Südfrankreich ? Einb.: dunkelbraunes Maroquin, blindgeprägt, vermutlich 17. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 38. –– YCBA, Nr. 6[ ?] : »Bible. French. 14th cent : illuminated : good condition, 16.-.-.« –– Bridwell Lib., Nr. 875, fol. 65r : »Biblia Latina, M.S. on vellum c. 1300« (vgl. a. Willetts 2000, S. 447). –– Kall., fol. 1r : »Biblia Latina. MS on vellum circa 1320 with 6 illuminations, one badly rubbed : the ornamental pen-work letters remarkably good. French«. –– FSE 22[ ?] : »Biblia Sacra Latina. ‹ S. French › ? Italian c. 1300 5«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 38 – Hepenstal £ 18129 – Sir George H. Radford – seine Tochter Ursula Radford – 1994 Society of Antiquaries London (vermacht von Ursula Radford, übergeben von ihrer Nichte Chloe Morton). Kat.: Willetts 2000, S. 446–447 – N. R. Ker, Medieval Manuscripts in British Libraries, Bd. V. Indices and Addenda, hrsg. von C. Cunningham, A. G. Watson, Oxford 2002, Add. 240, S. 19. Quellen zum MS :
–– Vielleicht bezieht sich eine Notiz Cockerells auf dieses MS : Cockerell, Diary 1890, 1.6.1890 : »a splendid 14th century MS Bible«, zit. nach : Panayotova 2009, S. 15. I.10. (10) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Hebraicorum Nominum Wormsley Library, Buckinghamshire
Pergament, 531 Bl., 260/266 × 190 mm, DK, 47 Z. 128 Ebd., S. 12 ; BQ 1957, S. 3. 129 In den Randnotizen des Verkaufskataloges von Sotheby’s scheint es Hepenstal zu lauten (siehe www.morrisedition.lib.uiowa.edu/BookArts/morris-sale-catalogue.pdf [Zugriff am 5.12.2016]), während Seymour de Ricci Heppinstal nennt, vgl. z. B. Ricci 1935 I, S. 85.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Um 1300 ; Normandie, eventuell Rouen. Einb.: rotbraunes Maroquin, blind- und goldgeprägt, W.-H. Smith (Douglas Cockerell). Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 170, S. 18 : »165 finely painted and illuminated historiated and ornamented initials […] A very fine MS. quite perfect, and in remarkably good condition.« –– FSE 12 : »Biblia Sacra Latina. French. ‹ sm › c. 1250. sm. folio. 200 Hodson. Hornby«. –– BQ 1897, 14 : »English or Anglo-French work of the best kind. Small folio, with 82 Miniatures. From the Missy and Sussex libraries / About 1270–80«. Prov.: 1745 César de Missy – Missy-Auktion, Sotheby’s, 18.3.1776, 1620 – Comte Justin MacCarthy-Reagh, Toulouse – MacCarthy-Reagh-Auktion, Paris bei De Bure 17.1.1815, 54 – Augustus Frederick, Duke of Sussex, Sammlungskatalog, Nr. 6 – Sussex-Auktion, bei Evans, 31.7.1844, 104 – Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891, 341 (hier mit 120 Initialen aufgeführt) – BQ 1891 – von Morris am 2.3.1894 für £ 190 erworben – RB – WM 1898, 170 – BQ £ 302 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 50 – BQ £ 630 – Charles Harold St. John Hornby, MS 12 – 1946 Major John Roland Abbey, MS 3172 – Abbey-Auktion, Sotheby’s, 25.3.1975, 2951 (S. 42–44, Taf. 17–8) – Western Manuscripts & Miniatures, Sotheby’s, London, 2.12.1986, 38 – Sir John Paul Getty jr., Wormsley Library. Kat.: Pettigrew 1827, Nr. 6, S. lxxi-lxxii (hier mit 521 Bl. aufgeführt). Lit.: Quaritch 1894, S. 87, Abb. 8 – Fletcher 1902, S. 425–426 – PML 1976, S. 34 – Kelvin 1996 IV, Nr. 2231, S. 135, Anm. S. 135/137, Abb. auf S. 136. Quellen zum MS
–– Anmerkung in Morris’ Exemplar des Katalogs der Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891 (Grolier Club, New York) : »c. 1320–1340«. –– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 19r, 1.3.1894 : »W.M. had a splendid Bible (ante c. 1300) which he had just bought of Quaritch«, vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 44r, 1.3.1894 : »a splendid bible, French, c. 1300«. –– Brief von Morris an Quaritch vom 2.3.1894 (Quaritch-Archiv), zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2231, S. 135 : »I have decided to keep MS Bible which I took away on approval yesterday.« –– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 19r, 2.3.1894 : »Catalogued the new Bible«. Zum MS :
–– Fol. 1r : Hieronymus in Miniaturfeld und im unteren Seitenrand jeweils in der Schreibstube dargestellt. –– Fol. 4r : Beginn von Genesis I : Schöpfungszyklus in ovalen, vierpassförmigen Medaillons in einer Leiste im Interkolumnium. Am Fuß der Leiste : Kreuzigung, seitlich Groteskenwesen mit Krone und Mitra auf dem Kopf. –– 84 historisierte und 80 ornamentale Initialen, in den Seitenrändern ornamentale Leisten, die das Textfeld einfassen, mit Besatz aus Zweigen, Blättern und Groteskenwesen. 499
William Morris als Handschriftensammler
In die Zweige können figürliche Motive eingestellt sein, die biblische Szenen zeigen, z. B. David und Goliath (fol. 217r). Zweizeilige Fleuronnée-Initialen in Rot und Blau. –– Die Malereien werden der Werkstatt zugeschrieben, der auch die Bibel aus der Abtei von St.-Mihiel, Diozöse von Verdun (BL, MS Add. 38114–38115), eine Handschrift in Arles (MS Num. 3), Gregors Dekretalien in der Bibliothéque nationale, Paris (MS lat. 3947) und ein Missale nach der Ordnung von Jumièges in Rouen (Bibliothéque municipale MS 299) zugeordnet werden.130 Auf Grund dieser letzten Handschrift wird eine Lokalisierung der Werkstatt in Rouen bei Jumièges vermutet.131 I.11 (11) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Hebraicorum Nominum Cambridge University Library, Cambridge, MS Add. 6159
Pergament, 594 Bl., 137 × 88 mm (bzw. 143 × 95 mm ; 8°+infra), DK, 46 Z. 146 kleine historisierte und ornamentierte Initialen, Fleuronnée-Ornamente im Seitenrand. Mitte bzw. 2. Viertel 13. Jh.; Frankreich, Paris. Einb.: purpurfarbenes Maroquin, 19. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 35 : 14. Jh.: »norman french«. –– FSE 25 : »Biblia Sacra Latina, French, c. 1300. sm. 8°. 14 10 ? Charrington«. Prov.: Cristofori Dente de Venet[iis] – John Ives, Suffolk – ev. Ives-Auktion, Baker & Leigh 3.3.1777, vielleicht eines der Lose 383, 385 oder 398132 – WM – RB – WM 1898, 35 – Pickering £ 30 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 46 – John Charrington – 1918 als Geschenk an die Cambridge University Library. Kat.: Binski/Zutshi 2011, Nr. 313, S. 285–286, Taf. C ; Ringrose 2009, S. 220–221. Quellen zum MS :
–– Evenuell bezieht sich die Äußerung in Morris’ Diary von 1895 auf diese kleinformatige Bibel : BL, MS Add. 45410, 7.3.1895 : »bought little bible of Ellis«. Der Eintrag könnte sich aber auch auf die ebenfalls kleinformatigen Bibeln unter den Nummern I. 12 oder 13 beziehen. I.12. (12) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Nominum Hebraicorum Verbleib unbekannt. Pergament, 436 Bl., 8°+infra, DK, 54 Z. Ornamentierte Initialen und Dekorationen im Seitenrand. 130 Nach François Avril, in : Sotheby’s, 2.12.1986, S. 47. 131 Ebd. 132 Vgl. Ringrose 2009, S. 220.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
14. Jh.; anglo-normannisch. Unvollständig, der Text beginnt mit dem Ende von Genesis II. Einb.: Juchtenleder, blindgeprägt, modern. Bibl.-kat :
–– WM 1898, 36. –– Ev. FSE 16 : »Biblia Sacra Latina ‹ Italian ›. c. 1260. French 80 ‹ Boston USA ›«. oder –– FSE 20 : »Biblia Sacra Latina. North French. c. 1280. 8° 45«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 36 – Hepenstal £ 16.10. I.13. (13) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi, Calendario,
et Interpretationibus Hebraicorum Nominum Verbleib unbekannt. Pergament, 632 Bl., 8°+infra, DK, 44 Z. 146 historisierte und ornamentierte Initialen mit Blattwerk im Seitenrand, FleuronnéeOrnamente. 14. Jh.; anglo-normannisch/nordfranzösisch. Einb.: Kalbsleder, goldgeprägt. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 37. –– Ev. FSE 16 : »Biblia Sacra Latina ‹ Italian ›. c. 1260. French 80 ‹ Boston USA ›«. oder –– FSE 20 : »Biblia Sacra Latina. North French. c. 1280. 8° 45«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 37 – Pickering £ 40 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 51 – Leighton £ 120 I.14. (14) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae, cum prologis S. Hieronymi et Interpretationibus Hebraicorum Nominum Verbleib unbekannt. Pergament, 368 Bl., 229 × 152 mm (2°), DK, 53–57 Z. 127 historisierte und ornamentale Initialen mit Randbesatz. Im Auktionskatalog von 1891 werden 123 Initialen, davon 73 historisiert, aufgeführt. 14. Jh. (datiert in den Zeitraum von 1290–1330) ; anglo-normannisch/nordfranzösisch. Unvollständig, es fehlen ca. 24–25 Bl. (Einleitung des Hieronymus, Gen I-III, XIII–XVII, Deut I-VI, Tob XIII–XIV, Est I, Dan I-II, Teile von Jos I, Apg XXIII–XXVIII, Kan. Epist., Offb I-III, Esra III Ende) Einb.: Eichendeckel, Schweinsleder, Metallverschlüsse, 14. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 171 : »127 finely painted and illuminated historiated and ornamental initials with marginal decorations of the usual character of the school«. 501
William Morris als Handschriftensammler
–– FSE 23 : »Biblia Sacra Latina French. c. 1300 Folio. 100«. Prov.: Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891, 342 – Leighton £ 28 – 1891 WM – RB – WM 1898, 171 – Pickering £ 77 – Charles Butler-Auktion, Sotheby’s, 18.3.1912, 2167. Quellen zum MS :
–– Morris’ Exemplar des Katalogs der Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.– 30.4.1891, 342 (Grolier Club, New York) : Eintrag von Morris : »£ 29, c. 1320–40«. Eintrag von Cockerell : Aufzeichnen des Verbleibs des MS : Morris – Charles Butler – Leighton – im August 1904 erneut von Butler zum ehemaligen Einkaufspreis von £ 150 erworben – Gruel, Paris, April 1906 £ 200. I.15. (15) Biblia Sacra Latina, Editionis Vulgatae (»Marquette« Bibel) J. Paul Getty Museum, Los Angeles, MS Ludwig I 8
Pergament, 3 Bde., insg. 273 Bl. (Bd. I fol. 1–99, Bd. II fol. 100–202, Bd. III fol. 203–273), ca. 470/490 × 322/340 mm, DK, 30 Z. Miniatur (fol. 10v) mit Szenen Schöpfungsgeschichte sowie Kreuzigung ; 46 historisierte Initialen ; Ornament-Initialen mit Tier- und Figurenmotiven, mit Besatz und Füllungen aus Ranken sowie Groteskenmotiven. Um 1270 ; Nordfrankreich, eventuell Lille. Text unvollständig, nur von Genesis bis Makk II, ursprünglich vermutlich 7 Bde. Einb.: französisches Kalbsleder, J. Bassnet, 18. Jh.; unter Cockerell in rotbraunes Schweinsleder im Jansenistenstil von Katherine Adams gebunden. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 168 : »78 large and finely illuminated and painted initials (46 of which are historiated)«. –– FSE 26 : »Vetus Testamentum. c. 1280. Folio (incomplete) 100 Hodson SCC«. Prov.: Besitzvermerk des Zisterzienser-Nonnenklosters Marquette bei Lille aus dem 15. Jh., ev. als Geschenk von Philipp [dem Kühnen ?], Herzog von Burgund – Besitzvermerk P. G. von 1575 – George Spencer-Churchill, 5th Duke of Marlborough – Duke of Marlborough-Auktion, Evans, 24.5.1820, 325 – Edwin Henry Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.–12.5.1892, 41 (hier : 13. Jh., flämisch) – BQ £ 62 – BQ für £ 65 an Morris – WM – RB – WM 1898, 168 – BQ £ 139 – 1904 Laurence W. Hodson – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 45 – BQ £ 390 – 6.12.1906 SCC von BQ – 1957 SCC an BQ – 1957 Rau – Dr. Peter Ludwig, Köln – J. Paul Getty, Los Angeles. Kat.: Euw/Plotzek 1979, Nr. I 8, S. 85–92 (mit Angaben zu Vergleichshandschriften und weiterführender Literatur), Abb. 17–20 – Masterpieces of the J. Paul Getty Museum. Illuminated Manuscripts, J. Paul Getty Museum, Los Angeles 1997, S. 44–45 (bearb. von Elizabet C. Teviotdale). Lit.: Fletcher 1902, S. 425 – Ellen J. Beer, Das Skriptorium des Johannes Philomena und seine Illuminatoren. Zur Buchmalerei in der Region Arras – Cambrai, 1250 bis 1274, 502
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Scriptorium 23, 1969, S. 24–38, S. 37 – Ellen J. Beer, Liller Bibelcodices, Tournai und die Scriptorien der Stadt Arras, Aachener Kunstblätter 43, 1972, S. 190–226 (hier mit Angaben zu den beteiligten Künstlern) – Hamel 1987, S. 191–192, Nr. 46, S. 200 – Hamel 2006c, S. 342 – Ausst.-Kat. Medieval Mastery. Book Illumination from Charlemagne to Charles the Bold 800–1475, Stedelijk Museum van der Kelen-Mertens, Leuven 2002, Leuven 2002, Kat. Nr. 31, S. 189 – Panayotova 2009, S. 38 – Margaret Scott, Fashion in the Middle Ages, The J. Paul Getty Museum, Los Angeles 2011, Abb. 55, 56 auf S. 79, 80 – Keene 2018, S. 220, Taf. 125 auf S. 243. Ausst.: BFAC 1908, Kat. Nr. 109–111, S. 51–52, Taf. IV. Quellen zum MS :
–– Notizen in Morris’ Katalog der Edwin Henry Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.– 12.5.1892, 41 (Grolier Club, New York) : »I want to see this. 50 60 ‹ 100 › £ 62 quite fragmentary« ; Notiz von Cockerell : »Sale Evans London 24.5.1820, 325. Morris bought this – 1904 Hodson – 1906 SCC«. –– Brief von Morris an Leighton, 12.5.1892, zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1990, S. 399 : »I bought the big imperfect Bible of Mr. Quaritch for £ 65 – Looking over it I think it very cheap : at least it will be to me, as the work in it is first rate.« –– Brief Morris’ an Quaritch 12.5.[1892], zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1991, S. 400 : »I enclose a cheque for the balance I owe on the Lawrence books, including the big bible and the binding.« Zum MS :
–– Wenigstens sechs Künstler, vermutlich aus einem Atelier von wandernden Buchmalern um Johannes Philomena. In der Maltechnik besteht eine bewusste Nähe zu Emailarbeiten.133 I.16. (16) Biblia Libri Varii Veteris Testamenti J. Paul Getty Museum, Los Angeles, MS Ludwig I 12
Pergament, 159 Bl., 310 × 215 mm, DK, 35 Z. Eine reich illuminierte Initiale mit Ornamentleiste und Weinlaubranken im Seitenrand (fol. 1r), 18 große Fleuronnée-Initialen in Rot und Blau mit floralen Motiven auf grüngelbem Binnengrund mit weiten Ausläufern in den Seitenrändern und im Interkolumnium134. Um 1450 ; nördliche Niederlande, ausgeführt in einem Skriptorium der Brüder vom gemeinsamen Leben135. Inhalt : Sprüche Salomos, Prediger Salomos, Hohes Lied, Weisheit, Jesus Sirach, Hiob,
133 Euw/Plotzek 1979 I, S. 90–91. 134 Zur Ornamentik : Euw/Plotzek 1979, S. 116. 135 Zu den Brüdern vom gemeinsamen Leben : ebd., S. 114–115.
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William Morris als Handschriftensammler
Tobias, Judit, Ester, Makk I und II, jeweils mit den Prologen des hl. Hieronymus. Die Bibel umfasste ursprünglich wohl 6 oder 7 Bde. Einb.: Kalbsleder, blindgeprägt, Metallverschlüsse, Stil des 15. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 172. –– FSE 27 : »Libri selecta Veteris Testamenti. Dutch. c. 1450 20«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 172 – £ 20 – Judge Granger-Auktion, Sotheby’s, 17.12.1919, 736 – G. D. Smith-Auktion, Anderson Galleries, New York, 28.4.1921, VI, 208 – Milton E. Getz-Auktion, Anderson Galleries, New York, 24.11.1936, 1048 – Sotheby’s, New York, 10.–11.11.1964, 49 – H. P. Kraus, Cat. 111, New York 1965, 39 – Dr. Peter Ludwig, Köln – J. Paul Getty, Los Angeles. Kat.: Ricci 1935 I, S. 12, Nr. 4 : Bibliothek von Mrs Milton E. Getz, Beverly Hills, California – Euw/Plotzek 1979, Nr. I 12, S. 112–116 mit Abb. – Conway/Davis 2015, S. 279. 1. 17. (17) Biblia. Regum libri quatuor, cum glossis interlinearis et marginalibus Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 968
Pergament, 274 Bl., 331 × 230 mm (2°), 21 (Bibeltext) und 42 Z. (Kommentartext). Große illuminierte Initialen am Anfang jeden Buches, kleine ornamentierte Initialen in Rot und Blau. 1200–1225/1275 ; Nordfrankreich. Einb.: rotes Maroquin, Wappen Papst Alexanders VII., 17. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 167. –– FSE 28 : »Libri IV. Regum. French. c. 1260. Folio 25«. Prov.: Papst Alexander VII. (1655–1667) – Bibliothek von Augustus Frederick, Duke of Sussex, Bibliothekskatalog Nr. 21 – Duke of Sussex-Auktion, Evans, 31.7.1844, 452 – William Stuart-Auktion, Sotheby’s, 17.6.1875, 158 – Evans – William Stuart-Auktion, Christie’s, 6.3.1895, 146 – WM – RB – WM 1898, 167 – BQ £ 31 – Carl Edelheim, New York, 1900 – Henry William Poor-Auktion I 1908, 797- Walter Thomas Wallace-Auktion, American Art, 22.3.1920, 921- Edwin R. Cole-Auktion, 26.11.1941, 357 – Sammlung John M. Crawford – 1975 als Geschenk an die PML. Kat.: Pettigrew 1827, Nr. 21, S. xcix. Lit.: Eighteenth Report to the Fellows of the PML 1976–1977, hrsg. von Charles Ryskamp, New York 1978, S. 48. Quellen zum MS :
–– Notiz von Cockerell in Morris’ Katalog der Stuart-Auktion, Christie’s, 6.3.1895, 146 (Grolier Club, New York) mit Angaben zur Provenienz : »Duke of Sussex / Lot 167 in the W Morris sale Dec 1898 £ 31 Quaritch / Lot 158 in Stuart’s Sale at Sotheby’s 17 June 1875 […] 981 in sale of a nobleman 19 May 1845« sowie »Duke of Sussex Cat. I. I p. xcix«. 504
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Eventuell handelt es sich bei dieser Handschrift um diejenige, über die Morris am 19.3.1895 Ellis in Zusammenhang mit seinen Erwerbungen von der Stuart-Auktion berichtete : Mackail 1995 II, S. 311 ; Kelvin 1996 IV, Nr. 2360, S. 259 : »Also I bought for £ 25 (much too dear) a handsome 13th century French MS., but with little ornament, because it looked so handsome I hadn’t the heart to sent it back.«. Editionis Vulgatae, cum Prologis S. Hieronymi et Canonibus Eusebii. Neues Testament mit Canones des Priscillian
I.18. (18) Testamentum Novum Latinum.
J. Paul Getty Museum, Los Angeles, MS Ludwig I 4
Pergament, 195 Bl. (mit Vor- und Nachsatzdoppelblatt = 198 Bl.), 303 × 242 mm, DK, 36 Z.136 6 Bl. Kanontafeln mit Arkadengliederung und floralen, zoomorphen und anthropomorphen Motiven (fol. 11r–16v) ; 36 große Initialen mit Figuren, darunter die Apostel, sowie mit Groteskenmotiven, Ranken, Blättern und Flechtwerk. Um 1170 ; Frankreich, vermutlich Zisterzienser-Abtei Pontigny. Einb.: blaues Maroquin, Blindprägung, W. S. Smith. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 1155 : »A remarkably fine Manuscript […] probably of Eastern-French workmanship about the end of the XIIth century […] The character of the decorations is extraordinary.« –– FSE 87 : »Testamentum Novum. French. c. 1180. Folio. 250 Hornby«. Prov.: Prämonstratenser-Abtei St. Marianus zu Auxerre – Kartause von Champmol bei Dijon – Versteigerung der Bibliothek 21.4.–30.5.1803 – James Edwards-Auktion, Evans, 5.4.1815, 818 – William Roscoe, Liverpool – Roscoe-Auktion, Winstanley, 19.8.1816 – Robert Benson – William Arthur Smith Benson – am 9.3.1896 von WM für £ 250 erworben – RB – WM 1898, 1155 – Leighton £ 225 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 617 – BQ £ 670 – BQ 1910 für Charles Harold St. John Hornby erworben – 1933 John Roland Abbey – J. R. Abbey-Auktion, Sotheby’s, New York, 4.6.1974, 2907 – H. P. Kraus 1978 – Dr. Peter Ludwig, Köln – 1983 J. Paul Getty, Los Angeles. Kat.: Euw/Plotzek 1979, Nr. I 4, S. 58–62 (mit Nennung von Vergleichshandschriften) mit Abb. Lit.: Fletcher 1902, S. 425 – PML 1976, S. 4 – Keene 2018, S. 220, Taf. 122 auf S. 240. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 30v, 2.3.1896 : »W. A. S. Benson and his fine 12th century New Testament«. –– BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 2.3.1896 : »Benson […] brought his big testament. a very fine book.«
136 Im Auktionskatalog von 1898, 1155 wird die Zeilenzahl mit 30 angegeben.
505
William Morris als Handschriftensammler
–– Ebd., 3.3.1896 : »big testament comes from the same place as my Josephus near Dijon to wit.« –– Ebd., 6.3.1896 : »wrote and offered £ 250 for the testament«. –– Brief von Morris an W. A. S. Benson, 6.3.1896, V&A, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2452, S. 357 : »Cockerell has been through your book and finds it perfect, and very interesting. He has also found out where it comes from by reading the half-erased writing. And it comes from the same place as a 13th century Josephus which I bought this year which has the same inscription erased. […] If you feel enclined to part with the book I shall be pleased to give you £ 250 for it which in my opinion is a fair price, […].« –– BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 31v, 9.3.1896 : »He has bought the Benson New Testament for £ 250«. –– Brief von Morris an W. A. S. Benson, 9.3.1896, V&A, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2455, S. 360 : »Thank you very much for agreeing to my whim. It is a very fine book, […] Yes it is pleasant to think that 2 at any rate of the books from the Holy Trinity by Dijon have got together again.« –– Eine Notiz von Bensons Nichte, Amerye Margaret (Fogg-Elliot) Cooper, die im V&A verwahrt wird, legt nahe, dass Georgiana Burne-Jones Benson überzeugte, die Handschrift an Morris zu verkaufen.137 I.19. (19) Testamentum Novum Latinum, cum Interpr. Dominum Herbraicorum
Verbleib unbekannt (Christie’s, 2.6.2010). Pergament, 90 Bl., 135 × 100 mm, DK, 55 Z. Miniatur mit Szene einer Messe, 3 historisierte Initialen, 25 illuminierte Initialen, 17 ornamentale Initialen, Fleuronnée. 13. Jh., normannisch-französisch bzw. Oxford, 1260er Jahre138. Stilistische Nähe zu einer Handschriftengruppe um BL, MS Royal 1 D. i, der Bibel des Schreibers William of Devon139. Einb.: blaues Maroquin, goldgeprägt, 19. Jh. Bibl.-kat.:
–– –– –– ––
WM 1898, 1023. FSE 88 : »Testamentum Novum. 12mo 7«. FSE 115 : »Biblia Lat. impt [ ?] 8° 5 [Eintrag durchgestrichen] see 88« BQ 1897, 30[ ?] : »EVANGELIA LATINA. Small Folio, MS. on vellum / About 1260«. Prov.: Vermerke eines Eigentümers aus dem 16. Jh. – Simon Jeames, 17. Jh. – BQ Katalog
137 Vgl. Kelvin 1996 IV, S. 357. 138 Von Cockerell nach Frankreich lokalisiert und um 1290 datiert (siehe Cockerells Eintrag am Anfang des MS), vgl. Christie’s, 2.6.2010, Los 204 ; die Lokalisierung nach Oxford und Datierung um 1260 : ebd. 139 Vgl. ebd.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
138, Dezember 1893, Nr. 17 – erworben von WM im April 1895 (Notiz von SCC am Anfang des MS) – RB – WM 1898, 1023 – Sir Henry Wellcome (unter dem Namen Wilton geboten, £ 11.10) – Wellcome Nr. 5558 / 59.B.19 – aus dem Nachlass 1945 an Dawsons of Pall Mall – Christie’s, 2.6.2010, 204. I.20. (20) Evangelia Secundum SS. Lucam et Johannem, cum glossis (Nic. de Lyra ?)
Verbleib unbekannt (Privatbesitz). Pergament, 2 (Papier)+151+2 (Papier) Bl., 13 Bl. fehlen, 332 × 233 mm, DK, 23 (Text) und 46 Z. (Kommentare). Fol. 1–89v Lukasevangelium, fol. 90r–157v Johannesevangelium. 5 große ornamentale Initialen mit floralen Ornamenten und Randdekoration auf Goldgrund, kleinere Initialen, Fleuronnéeleisten und -ornamente, Alinea-Zeichen. Fr. 13. Jh./um 1210 ; Paris oder Nordfrankreich (ev. in einer der Kathedralschulen von Auxerre oder Laon140). Einb.: Pergament, 17. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 520. –– FSE 108 : »Evang. Lucae et Joh. 13th cen. Folio 25 Higgins / SCC«. Prov.: Giovanni Battista Leva, Priester an der Kathedrale von Mailand – Sheppard Frere, Roydon Hall, Norfolk – John Frere – John Hookham Frere – George Edward Frere – John Tudor Frere – Frere-Auktion, Sotheby’s, 14.2.1896, 1035 – BQ – WM – RB – WM 1898, 520 – Leighton £ 10.10 – Alfred Higgins-Auktion, Sotheby’s, 2.5.1904, 62 – SCC – 1957 BQ – 1957 George A. Goyder – Goyder-Auktion, Sotheby’s, 8.7.1970, 103 – Alan A. Thomas – B. S. Cron – Privatsammlung – Dr. Jörn Günther Antiquariat, Kat. 8, 2006, Nr. 1. Lit.: Hamel 1987, Nr. 28, S. 198 – Linenthal 2005, S. 558, Nr. [Add. 3] – Jörn Günther, Kat. 8 : Fifty Manuscripts and Miniatures, Hamburg 2006, Nr. 1, S. 12–13 mit weiterführender Lit. Zum MS :
–– Cockerell trug 1910 auf dem Vorsatz die Geschichte des MS ein. Am 14.2.1916 fügte er den Hinweis hinzu, dass M. R. James annehme, dass die Handschrift aus Canterbury stammen könnte (Sotheby’s, 8.7.1970, Los 107, S. 77). I.21. (21) Epistolae Sancti Pauli Apostoli, cum glossis interlinearis et marginalibus
Verbleib unbekannt. Pergament, 164 Bl., 2°, 22 Z. 14 große ornamentale Initialen und florale Ornamente in Weiß, Rot, Gelb auf blauem Grund. 11. oder 12. Jh. Einb.: purpurfarbenes Maroquin. 140 Dr. Jörn Günther Antiquariat, Kat. 8, 2006, Nr. 1, S. 12.
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William Morris als Handschriftensammler
Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 513. –– FSE 69 : »Pauli Epistolae. 12th century sm. folio. 7 (Hodson) / SCC«. –– BQ 1897, 57 : »Folio, MS. On Vellum, with noble initials About A.D. 1000«. Prov.: auf der letzten Versoseite die Jahreszahl 1427 – WM – RB – WM 1898, 513 – BQ £ 23 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 188 – SCC £ 33 – 1957 Maggs. Lit.: Hamel 1987, Nr. 44, S. 200. I.22. (22) Apocalypsis S. Joannis Apostoli in Vulgari translata per Fratrem Fredericum de Veneciis (Federigo da Venezia) Museum of the Bible, Washington DC
Pergament, 168/9+2 Bl., 272 × 205 mm (2°), DK, 37 Z. Sp. 14. Jh./um 1420/1425 ; Italien, Venedig, Werkstatt des Cristoforo Cortese. Einb.: braunes Maroquin, Leighton. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 126, S. 13 : »A very fine and interesting Italian MS.« –– FSE 5 : »Apocalypsis S. Johannis, cum comment. N. de Lyra. c. 1420. 40«. –– BQ 1897, 3 : »Folio, MS. on vellum by an Italian hand About 1400«. Prov.: Kloster San Pietro, Padua – WM – RB – WM 1898, 126 – Bain £ 40 – 1937 Leo S. Olschki – William A. Foyle (1885–1963) – Jörn Günther Rare Books AG, Stalden 2011 : Cat. 10 Pagina Sacra. Bibles and Biblical Texts 1050–1511, Kat. Nr. 16, S. 134–137 – Museum of the Bible, Washington DC. Zum MS :
–– Auf der ersten Seite (fol. 1r) eine Miniatur mit der Vision des Johannes von Christus, zwischen den sieben goldenen Leuchtern auf einem Buch stehend (Offb I, 9–20), auf der Versoseite (fol. 1v) in Federzeichnung sechs Medaillons mit den vier Evangelistensymbolen, mit König Salomon und David. –– Auf der ersten Textseite (fol. 2r) eine illuminierte Initiale mit der Figur des Johannes, Randdekorationen. 52 ornamentale Initialen von zwei Künstlern (ab fol. 42 vermutlich aus der Zeit um 1470 von einem norditalienischen Künstler ausgeführt) und zahlreiche Fleuronnée-Initialen. –– Zu den Vorbildern und der Zuschreibung an die Werkstatt des Cristoforo Cortese : Jörn Günther Rare Books AG, Kat. 10 : Pagina Sacra. Bibles and Biblical Texts 1050– 1511, Stalden 2011, Kat. Nr. 16, S. 134. –– Apokalypsen-Kommentar des Dominikanermönches Federigo de Rinaldo (Federigo da Venezia, um 1350- nach 1401) aus den 1390er Jahren.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
II. Psalter-Handschriften II.1. (23) Psalterium Aureum, The Psalmes of David with Calendar, Prayers, Creed, Litany
of Saints etc.
British Library London, MS Add. 81084
Pergament, 193 Bl., 225 × 150 mm, 18 Z. Goldene Initialen mit stilisiertem Rankenwerk und Blättern ; rote, blaue und grüne Initialen. 1146/1150 bzw. Ende 12. Jh.; England, St. Albans. Einb.: Halbband, Schweinsleder, Schließen, Cobden Sanderson für die Doves Bindery 1896. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 866. –– FSE 112 : »Psalterium [Golden] [sic !] 12th c. 100 Hodson / SCC«. –– Vermutlich BQ 1897, 59 : »PSALTERIUM (cum Precibus). Folio, MS. on vellum, English work About 1100«. Prov.: Benediktinerkloster St. Albans – Richard Heber-Auktion, Evans, 10.2.1836, 1247 (hier ins 14. Jh. datiert) – Thomas Thorpe 1836, 1084 – Thomas Phillipps MS 9404 – Thomas Phillipps-Auktion, Sotheby’s, 10.–17.6.1896, 978 – BQ £ 34 – von WM im Juni 1896 bei BQ erworben – RB – WM 1898, 866 – BQ £ 97 – Laurence W. Hodson – am 27.5.1909 an SCC verkauft, der das erste fehlende Blatt durch Graily Hewitt ergänzen lässt – 20.12.1956 als Geschenk an Brian S. Cron, London – 2005 an BL. Lit.: Phillipps (1968), Nr. 9404, S. 149 – Brian S. Cron, The Recent Owners of the Golden Psalter, Privatdruck, London 1963 – Brian S. Cron, The Recent Owners of the Golden Psalter, The Private Library V, 3, Juli 1964, S. 45–46 – PML 1976, S. 41 – Rodney M. Thomson : Manuscripts from St. Albans Abbey, 1066–1235, Woodbridge 1982, S. 21–22, Nr. 39, S. 100–101 – Hamel 1987, S. 192, Nr. 57, S. 201 – Barker 2002, S. 536 – Hamel 2006c, S. 343 – Linenthal 2005, S. 555, Nr. [Handlist 5] – Linenthal 2007, S. 369. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 8.6.1896 : »other book with gold letters good. put £ 100 on each.« –– Ebd., 9.6.1896 : »knocked of £ 100 on gold lettered book. put £ 50 more on binding«. Bei dem Einband handelt es sich um die Hegesippus-Handschrift (WM 198, 580), Winchester Cathedral, Winchester, MS 20, siehe VIII. 5 (78). –– Ebd., 22.6.1896 : »Come from Qu.: 2 MSS Gratian & Philips Psalter«. –– Ebd., 23.6.1896 : »Invoice for books £ 180 & £ 60 […]«. –– HL, HM 36913, Brief von Morris an Cockerell, 24.6.1896, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2473, S. 379 : »The Psalter is a very nice book and I must have it.« –– HL, HM 36914, Brief von Morris an Cockerell, 26.6.1896, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2474, S. 382 : »I will have the 2 books for £ 225 please write & tell Q so. I have 509
William Morris als Handschriftensammler
written my name in the big book. Douglas [Cockerell] will have to rebind the other, & do to it what is do-able.« –– BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 58r, 11.9.1896 : »Mr. Sanderson brought in the Golden Psalter in its new half pigskin cover with all the crumpled leaves flat.« –– CW XXIV, S. xxvi. –– BL, MS 81084, eingebundenes Blatt mit einem Text von SCC, in dem er den Erwerb durch Morris sowie das Neubinden des MS durch seinen Bruder Douglas Cockerell schildert, vgl. https://williammorrislibrary.wordpress.com/2017/07/25/%c2%b6-psalterium-aureum–12th-century-ms/ [Zugriff am 4.12.2017]. II.2. (24) Psalterium (»Huntingfield Psalter«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 43
Pergament, 165 Bl., 315 × 230 mm, 20 Z. Spätes 12. Jh. (James 1906, S. 32) oder zwischen 1210–1220 (Morgan 1982 I, S. 77) ; England, ev. Lesnes Abbey in Kent (James 1906, Nr. 16 ; PML 1976, S. 101) bzw. Oxford (Morgan 1982 I, S. 77) ;141 zwei Künstler. Einb.: braunes Kalbsleder, England, 18. Jh. Bibl.-kat.:
–– FSE 73 : »Psalterium Davidis English. c. 1150. Formerly belonging to the Huntingfield family. Folio. 800 JPM 16«. –– BQ 1897, 60 : »Superbly illustrated with 92 Miniatures / About 1180–90«. Prov.: eventuell für Lucie und Roger de Huntingfield ausgeführt (siehe Einträge zu Lucia de Braungefeld und Rogerus de Huntingfeld [sic !] im Kalendarium am 9. und 19. Juni), eventuell über Roger de Huntingfields Verbindung zu Mendham Priory in Suffolk veranlasst, eine Gründung des Kluniazenserklosters von Castleacre, das wiederum von Rogers Sohn William gegründet wurde142 – Brudenell-Familie – in BQs Katalogen von 1890 (Nr. 6 ; Catalogue of medieval literature, Nr. 82), 1891 (Kat. 118, Nr. 813) und 1893 (Kat. 138, Nr. 11) aufgeführt143 – im August 1892 von WM bei BQ ausgeliehen – BQ Catalogue of manuscripts arranged in chronological order, Dezember 1893 ; WM erwirbt zwei MSS, die im Katalog angeboten waren – im Juli 1894 befindet sich der Psalter bei WM, der ihn an BQ zurückgibt – 29.4.1895 WM lehnt Erwerb ab – 2.5.1895 Erwerb durch WM für £ 800 nach insgesamt dreijähriger Überlegung – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 647 – James 1906, Nr. 16, S. 32–37, 5 Taf. – Ricci 1937 II, S. 1373, Nr. 43 – Morgan 1982 I, Nr. 30, Abb. 107, 109, 113. 141 Thompson wiederum vermutete, dass die Handschrift im flämisch-deutschen Randgebiet für den englischen Markt entstand, Thompson 1896, S. 220. 142 James 1906, S. 32. 143 Die Angaben zu den Quaritch-Katalogen erfolgen nach der Bibliographie von Meta Harrsen von 1954 auf S. 6 ihrer Katalogisierung der Handschrift, PML-Files.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Lit.: Quaritch 1892, Taf. 177–181 – Thompson 1896, S. 219–220 – Millar 1926, S. 41, 90, Taf. 59b – Linenthal 2007, S. 368 – Panayotova 2009, S. 23. Ausst.: Exhibition 1896, Kat. Nr. 5, S. 201 – Catalogue 1896, Kat. Nr. 5, S. 7 – BFAC 1908, Nr. 36 – PML 1933, Nr. 34, S. 19, Taf. 34 – PML 1976, Nr. 18, S. 36–37, 101, Taf. X. Quellen zum MS :
–– Brief von Morris an Quaritch, 13.7.[1890 ?], Quaritch-Archiv, zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1737, S. 179 : »I saw Mr. Burne-Jones today and he wanted to know if you let him have a good look at the Huntingfield Psalter, if it is in London : […].« –– BL, MS Add. 52629, Cockerell, Diary 1892, fol. 55r, 25.8.1892 : »looked at Psalters, including a splendid 12th c. (Huntingfield) Psalter which W.M. has borrowed from Quaritch who asks £ 800 for it. The condition not quite perfect but the writing large and very beautiful. Thirty-four superb pictures at the beginning followed by a few less good ones. A great number of fish in the fillings of the lines.« Vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 33r, 25.8.1892. –– Brief von Morris an Cockerell [30.7.1894, PML], zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2281, S. 180 : »Kindly take the Huntingfield to Q : in a day or two : I have told him that I am not going to buy it.« –– Brief von Cockerell an Quaritch, 29.4.1895, zit. nach : PML 1976, S. 36 (s. a. Kelvin 1996 IV, S. 182, Anm. 4) : »Mr Morris, […], asks me to thank you for offering him the refusal of the Huntingfield Psalter, & to express his regret that he does not feel able to become the purchaser of the book.« –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 1.5.1895 : »Ellis in evening put me up […] the Huntingfield Psalter«. –– Ebd., 2.5.1895 : Morris kauft Huntingfield Psalter. –– BL, MS Add. 52772, fol. 54r, 2.5.1895 : »WM went to Quaritch’s with F. S. Ellis & bought the Huntingfield Psalter« ; vgl. CW xxiv, S. xxi. –– Rooke 1982, S. 36 : Burne-Jones am 24.5.1895 : »Well, about a fortnight ago he had a book sent to him (haven’t you heard of the Huntingfield Psalter ?) Well, for once to borrow a simile from Little Rooke, it’s like Ely Cathedral, and he’s given £ 800 for it and it’s all his own and he’s got it in his house, and now he can turn into an old gentleman and look at it every morning before he begins his work and open the pages of it, and all the sunsets in the Mediterranean Sea are not equal to one of them – he possesses the entire Levant.« –– CW XXIV, S. xxi-xxiii. Zum MS :
–– Fol. 1r–6v : Kalendarium : ohne Miniaturen, aber mit ornamentalen Initialen auf jeder Seite.144 Benediktinischer Kalender für Südengland, Heiligenfeste verweisen eventuell auf Exeter. 144 James 1906 und Morgan 1982 I mit unterschiedlicher Blattzählung, hier nach Morgan. Am Anfang fehlte
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William Morris als Handschriftensammler
–– Fol. 7r–26v : 20 Bl. mit 92 Szenen und der Wurzel Jesse : 40 ganzseitige Miniaturen, die in zwei oder vier Felder unterteilt sind, die Szenen vor Kastengründen in Gold, Blau, Rosa-Braun in ornamentierten, farbigen Rahmen. Bildserie vermutlich ehemals umfangreicher.145 fol. 8r–20v Altes Testament : 44 Bildfelder ; fol. 21r–27v Neues Testament : 24 Bildfelder ; fol. 28r–31v Martyrien der Heiligen : 24 Bildfelder ; fol. 33v : Beginn des Psalters mit ganzseitiger Beatus-Initiale mit Wurzel Jesse.146 Die BeatusInitiale zeigt im Binnenfeld den Stammbaum Christi, von dem schlafenden Jesaja mit der Rechten gestützt ; in den Stamm des Buchstabens ein Medaillon mit der Darstellung des Harfe spielenden Königs David eingefügt. Im Rahmen elipsenförmige Medaillons in den Ecken und auf Höhe der Seitenmitten : paarweise die zwölf Apostel, Marienkrönung, Höllenschlund. In den Feldern der Rahmenleisten Engel und Auserwählte, in kleinen Medaillons Seraphime. In der unteren Rahmenleiste Medaillons mit sich aus dem Grab erhebenden Figuren. –– Fol. 28v : Textbeginn mit Goldlettern auf rosafarbenem bzw. blauem Binnengrund auf jeweils blauen bzw. rosafarbenen Streifen. –– Psalmentexte bis Ps 118, Vers 113 : Am Anfang jedes Psalms eine Initiale auf goldenem Quadratgrund mit Dekoration aus Figuren, Blättern oder Groteskenwesen. Zeilenfüller mit Fischen, Drachen, Vögeln und Ornamenten.147 Ps 68 auf fol. 97r mit einer historisierten Initiale : Jonas und der Wal ; Ps 109 auf fol. 156r Initiale mit dem segnenden Christus. –– Morgan unterscheidet zwei Künstler : Der erste Maler sei verantwortlich für die biblischen Szenen des Miniaturenzyklus und die Beatus-Seite, der zweite für die Märtyrerszenen und die beiden historisierten Initialen zu den Psalmen.148 Morgan erkennt Beziehungen des Huntingfield Psalters zu einer Gruppe von Handschriften, deren Entstehung in Oxford zu vermuten ist, wie dem Glossed Psalter (BLO, MS Bodley 284, um 1210–1220) und der Lothian Bible (PML, MS M. 791, um 1220, St. Alban’s oder Oxford).149 Er verbindet die Hauptmeister mit der Oxforder Werkstätte, erkennt aber auch Elemente, die auf die »Leiden Psalter«-Werkstatt verweisen.150 James un-
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nach James vermutlich ein Blatt mit der Darstellung des Engelsturzes und der Schöpfungsgeschichte auf der Versoseite, James 1906, S. 33. Vgl. Morgan 1982 I, S. 77. Einer der dargestellten Heiligen wurde von James mit dem hl. Clarus identifiziert. James schloss daraus auf eine besondere Verehrung gerade dieses Heiligen oder auf eine Verbindung der Auftraggeber zur Familie St. Clair, vgl. James 1906, S. 32. Meta Harrsen vermutete 1954 in ihrer Katalogisierung der Handschrift, dass sich das häufige Erscheinen des Fisches als Zeilenfüller eventuell auf die Eigentümer beziehen könnte. Sie verweist auf die heraldische Bezeichnung Luca für den Hecht, vgl. PML-Files. Eine andere Theorie erkennt einen Zusammenhang mit dem vermuteten Entstehungsort Lesnes Abbey, siehe jeweils PML-Files. Morgan 1982 I, S. 78. Ebd., vgl. Nr. 31, 32. Ebd., S. 78, s. a. Nr. 14–16, 28.
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terschied ebenfalls zwei Maler, wobei er dem ersten Maler die biblischen Szenen, die Beatus-Seite und die historisierten Initialen, dem zweiten die Martyrien-Szenen zusprach.151 Der erste Maler ist durch die schwarz konturierten, klar voneinander abgesetzten Farbkomplexe, die Vorliebe für helle Farbtöne, die lebendige Mimik und Gestik der Figuren zu erkennen. Die Figuren haben schlanke Gesichter mit geraden Nasen und roten Wangenkreisen, während sich die Figuren des zweiten Malers durch etwas rundere Gesichter auszeichnen. Er bevorzugt Rostrot, Beige und Blau und verwendet für die Binnenzeichnung breitere schwarze Linien als der erste Maler. Die Anordnung von vier Martyriumsszenen auf einer Seite sei nach Morgan zwar ungewöhnlich, wiederhole sich jedoch in einer Handschrift des frühen 13. Jahrhunderts, die eventuell aus dem nordfranzösischen Kloster St. Bertin stammt (Den Haag, Königliche Bibliothek, MS 76 F.5).152 –– Initialen mit Dekoration aus Figuren, Grotesken oder Blattwerk mit z.T. in den Seitenrand hineinreichenden Besatzmotiven am Beginn der Psalmen. II.3. (25) Psalterium Davidis Latinum cum Orationibus
Verbleib unbekannt. Pergament, 152 Bl., 235 × 159 mm (4°), 19 Z.; erste Seite mit Beatus-Initiale fehlt. 1. Psalm mit Goldmajuskeln auf grünem und blauem Grund in goldenen und roten Rahmen, 6 große Rankeninitialen, davon 4 historisiert, ornamentale Initialen in Gold mit blauen und grünen Schattierungen. 13. Jh.; ev. Deutschland. Einb.: Eichendeckel, Schweinsleder, Metallschließen. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 867. –– FSE 53 : »Psalterium (German) [kein Schätzpreis eingetragen]«. –– BQ 1897, 65 : »Cologne work About 1250«. Prov.: Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 24–30.4.1891, 2138 – Leighton £ 30.10 – 1891 WM – RB – WM 1898, 867 – Wilton (Henry Wellcome) £ 45 – aus dem Nachlass 1945 an Dawsons of Pall Mall – Sotheby’s, 29.7.1946, 113 – Daniel Sickles-Auktion, 17.11.1947, 201. Quellen zum MS :
–– Notizen in Morris’ Exemplar des Katalogs der Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 24.–30.4.1891, 2138 (Grolier Club, New York) : Notiz von Morris : »me £ 30.10 imperfect very good 12th lacks B [Beatus-Initiale]«, Notiz Cockerells : »WM sale 867 £ 45 Wilton« –– Brief Morris’ an Leighton vom 30.4.[1891], zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 296 : »The 12 cent : psalter (2138) is one of those books of which you can’t say how they will 151 James 1906, S. 35. 152 Morgan 1982 I, S. 78.
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go : I thought it might go for less, but I shouldn’t have been surprised if it had gone for more, anyhow I am very pleased to have it, as it will be of great use to me. I consider that I have done very well.« II.4. (26) Psalterium (»Nottingham Psalter«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 103
Pergament, 169 Bl., 240 × 175 mm, 20 Z. Um 1220 (James 1906, S. 38)/1250, nach 1246 (Morgan 1988, S. 69) ; Umgebung von Oxford, eventuell Reading (Morgan 1988, S. 68–69), oder Lenton Priory bei Nottingham (James 1906, S. 38). Kluniazensischer Kalendar und Litanei. Schreiber eventuell Stephen Langton oder John Peckham (James 1906, S. 38). Einb.: braunrotes Juchtenleder, goldgeprägt, 19. Jh., England, ev. Douglas Cockerell um 1895. Bibl.-kat.:
–– FSE 78 : »Psalterium Davidis. English. c. ‹ 1340 ›. 1220 Folio. »Nottingham« 100 JPM 17«. –– BQ 1897, 61 : »fine English work About 1200«. Prov.: Auftraggeber wohl Benediktinerabtei in Reading (Morgan 1988, S. 69) – im 14. Jh. im Besitz der Mareschal-Familie (siehe Todesvermerke) – verschiedene Todesvermerke aus dem 15. Jh., darunter Elisabeth de Burgh, Dame de Clare – um 1600 Edwardus Apriceus – um 1860 Thomas Bateman – Bateman-Auktion, Sotheby’s, 25.5.1893, 1412 – BQ – WM, im Diary von SCC am 16.2.1894 erwähnt – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 648 – James 1906, Nr. 17, S. 37–40 – Ricci 1937 II, S. 1385, Nr. 103 – Morgan 1988, Nr. 106, S. 68–69, Abb. 48–49. Lit.: PML 1976, S. 35. Quellen zum MS :
–– Seitenrandnotiz von Morris in seinem Exemplar des Katalogs der Bateman-Auktion, Sotheby’s, 25.–30.5.1893, 1412 (Grolier Club, New York) : »See [1 Kreuz] £ ‹ 100 › 115 too much«. Notiz von SCC : »WM’s ›Nottingham‹ Psalter – Pierpont Morgan MS 17«. –– Brief von Morris an Leighton vom 30.5.[1893], zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2135, S. 45 : »As the Preces Piae went for £ 41 I suppose that Q [Quaritch] had a higher commisson than mine, & so I had no chance. He offers me the other two books, but the price is much too high & I wont.« Bei den Preces Piae handelt es sich um Los 1304 aus der Bateman-Auktion – eine Handschrift des 15. Jahrhunderts mit 77 illuminierten Initialen, zwei davon mit Miniaturen, vgl. Kelvin 1996 IV, Nr. 45, Anm. 4, S. 45. Die Handschrift wird beschrieben als »a charming specimen of taste in illumination, decorated with figures of animals, human figures with cross bow, playing the violin and tambourine, fencing, praying, juggling, c.: a windmill, &c., &c.«153 Diese knappe Beschreibung entspricht dem Interesse Morris’ für Szenen des mittelalterlichen All153 Bateman-Auktion, Sotheby’s, 25.–30.5.1893, Los 1304.
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tags und erklärt seinen Kaufwunsch. In seinem Exemplar des Auktionskatalogs ist Los 1304 mit einem Kreuz versehen. Er hatte Quaritch einen Bietauftrag gegeben, wurde jedoch von Samuel Sandars überboten (University Library Cambridge, MS Add. 4085 ; Binski/Zutshi 2011, Nr. 370, S. 342–343, Taf. CXXX). Zwar versuchte Morris, die Handschrift von Sandars zu erwerben, doch gelang dieses nicht.154 BL, MS Add. 52630, Cockerell, Diary 1893, fol. 30r, 1.6.1893 : »Morris had a superb 13th century psalter that he had just acquired.« BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 17r, 16.2.1894 : »The beautiful ›Nottingham Psalter‹«. CW XXIV, S. xxii Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1792, S. 742 (allerdings hier als Clare Psalter bezeichnet, bei dem es sich um PML, M. 100, siehe in diesem Katalog Nr. II. 9, handelt) Der Text der Handschrift diente als Vorlage für Morris’ Kelmscott Press-Ausgabe der »Laudes Beatae Mariae Virginis«, die im Juli 1896 erschien. Im Kolophon wird vermerkt : »These poems are taken from a Psalter written by an / English scribe, most likely in one of the Mid count-/ies, early in the 13th century«.155
Zum MS :
–– Ein großer Teil der Dekorationen ist ausgeschnitten worden. Erhalten sind hauptsächlich die illuminierten Initialen und das Kalendarium. –– Kalendar und Litanei mit Anrufung von Petrus, dem Schutzheiligen der Kluniazenzer. Einige der Heiligen verweisen auf die Midlands, andere wiederum auf das französische Mutterkloster.156 James stellte aufgrund der ikonographischen Gegebenheiten die Theorie auf, dass die Handschrift in Lenton Priory bei Nottingham entstanden sei.157 Lenton Priory, ein Tochterkloster von Cluny, war eine Gründung von William Peverell. Die doppelte Anrufung des hl. Petrus versuchte James durch den Hinweis auf die St. Peters-Kirche in Nottingham zu erklären, die zur Priorei gehörte. James vermutete weiterhin, dass die Handschrift eventuell für eine Privatperson aus der Umgebung, vielleicht für ein Mitglied der Mareschal-Familie, angefertigt worden sei. Meta Harrson überlegte 1954, ob die Handschrift nicht in Reading entstanden, aber für die Augustiner-Priorei von Walsingham bestimmt gewesen sei, die St. Peter and All Souls geweiht war.158 Dieses Priorat wurde von der de Clare-Familie, den Earls 154 Vgl. Kelvin 1996 IV, Anm. 5 zu Nr. 2135, S. 45, nach einer Notiz von Sandars, die in die Handschrift eingelegt ist, zit. nach : ebd.: »I paid £43 for it. Quaritch got it for me. Wm Morris the Poet and Socialist was the underbuyer. He asked me to let him have it. Probably Nth France.« Die Handschrift wird heute nach Flandern lokalisiert und in das 1. Viertel des 14. Jh.s datiert. In Morris’ Exemplar des Auktionskatalogs einliegend eine Notiz Cockerells zu der von Sandars erworbenen Handschrift. 155 Zit. nach : Peterson 1985, A42, S. 119. 156 James 1906, S. 38. 157 Ebd. 158 PML-File zu MS M. 103.
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of Hertford, gefördert. Diese Herleitung würde die Todesvermerke im Kalendarium erklären, die Mitgliedern und Verwandten der de Clare-Familie gelten. Morgan gelangte bei seiner Untersuchung der Handschrift zu dem Ergebnis, dass sie für die Benediktiner-Abtei in Reading bestimmt gewesen sei.159 Reading sei ursprünglich von Cluny gegründet worden, aber bereits seit dem 13. Jh. unabhängig. Dieses erkläre das Nebeneinander von Heiligen, die charakteristisch für die Kluniazenzer und für Reading sind. Kalendarium mit Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen in Medaillons auf Goldgrund. Im Januar ein trinkender Mann mit drei Gesichtern als Variation des Janus-Motives, fol. 4r. Die Initialen der Psalmen mit Drachen und Blattranken verziert, besonders reiche Beispiele auf fol. 26r, 37v, 57v, 70r und 94r. Die folgenden Buchstaben und Wörter in Höhe der Initiale in farbig hinterlegten und gerahmten Zeilen seitlich angeschlossen. Dreizeilige Initialen mit Blattfüllungen auf Quadratgrund, davon ausgehend Blattund Groteskenmotive. Kleine Initialen in Blau und Rot mit jeweils alternierend eingesetztem Fleuronnée. Die Suche nach stilistischen Parallelen gestaltet sich schwierig, da in der Handschrift nur die illuminierten Initialen vorhanden sind. Morgan sieht Bezüge zu Handschriften wie dem Glazier Psalter (PML, MS Glazier 25, um 1220–1230, London ?), Cambridge, Trinity College, MS B.11.4. (um 1220–1230, London) und dem Evesham Psalter (BL, MS Add. 44874, 1250–1260, Worcester-Umfeld), aber auch zu nach Oxford lokalisierten Arbeiten wie dem Huntingfield Psalter (PML, MS M. 43).160
II.5 (27) Psalterium Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 153
Pergament, 241 Bl., 110 × 80 mm, 19 Z. Um 1228–1231 ; Nordfrankreich, ev. in den Nordosten (James 1906, S. 46) oder nach Paris zu lokalisieren. Einb.: grünes Maroquin, 19. Jh. Bibl.-kat.:
–– FSE : »117 Psalterium. Engl. Folio 90« [alles durchgestrichen]. –– BQ 1897, 63 : »with splendid pictures, perhaps English work. A very fine book About 1230«. Prov.: im 15. Jh. im Besitz der Restwold und Farrington Familien – Henry Farrington – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 661 – James 1906, Nr. 21, S. 46–47 – Ricci 1937 II, S. 1395, Nr. 153. Zum MS : 159 Morgan 1988, S. 69. 160 Vgl. ebd., S. 68–69.
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–– Kalendarium mit Medaillons der Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen auf Goldgrund. –– 12 Bl. mit ganzseitigen Miniaturen : Christuszyklus. Je Blatt zwei Szenen in Medaillons, die Blätter nur einseitig bemalt, die Szenen vor alternierend blauen und roten Mustergründen ; Leistenrahmen. –– 10 historisierte Initialen mit Darstellungen von David und Christus, die Buchstaben ornamentiert, Besatzmotive aus Ranken und Groteskenwesen. –– Einzeilige Fleuronnée-Initialen. –– Zeilenfüllungen, z. T. mit Groteskenwesen in blauer Konturzeichnung, mit Mustern und Jagdszenen ; Fleuronnée-Stäbe in Rot und Blau in den unteren und äußeren Seitenrändern. II.6. (28) Psalterium (»Beauvais Psalter«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 101
Pergament, 280 Bl., 200 × 140 mm, 16 Z. Um 1250 ; Frankreich ; die Heiligennennungen legen Beauvais nahe, doch lassen die hohe Qualität und der Stil der Malereien auch an die Kunst des Pariser Hofes unter Ludwig IX. (1226–1270) denken. Einb.: olivfarbenes Maroquin, von C. Lewis, mit Wappen von Henry Gee Barnard. Bibl.-kat.:
–– FSE 106 : »Psalterium. 13th cent. ‹ Ge › Brabant. 4to 400 J.P.M. 26«. –– BQ 1897, 64[ ?] : »with numerous striking Miniatures of noble style. A splendid book Brabant or Hainaut about 1240.50«. Prov.: 1483 Riez (Basses-Alpes) – um 1830 Henry Gee Barnard – 1840 Barnard-Auktion – Ellis & Elvey – im Dezember 1895 von WM für £ 375 bei Ellis & Elvey erworben (vgl. Eintrag auf fol. 1r) – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 650 – James 1906, Nr. 20, S. 43–46 – Ricci 1937 II, S. 1385, Nr. 101 – Branner 1977, S. 126, 129, 223, 237, Abb. 240, 374. Ausst.: BFAC 1908, Nr. 137, S. 64, Taf. 92 – PML 1933, Kat. Nr. 54, S. 28, Taf. 50 – PML 1976, Nr. 23, S. 41, 102–103, Taf. xiv. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 11.12.1895 : »To Ellis & Elvey who showed fine XIII psalter«. –– Ebd., 18.12.1895 : »answer from E & E about psalter – they want £ 375«. –– Ebd., 19.12.1895 : »Bought the Psalter«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 75v, 19.12.1895 : »Gattis’s […] He bought the Rouen Palter from Ellis & Elvey for £ 375, an excessive price.« –– BL, MS Add. 52772, fol. 58r, 19.12.1895 : »WM at Gatti’s with the Brabant Psalter«. –– Rossetti Collection of Janet Camp Troxell, Princeton University, New Jersey, Brief von Morris an Ellis & Elvey, 19.12.1895, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2436, S. 346 : »I agree 517
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with your price £ 375 for the psalter, and will keep it. By the way Rouen seems to be the likeliest place for its origin.« –– Morris, zit. nach : CW XXIV, S. xxii : »The calendar is exceedingly handsome from its wealth of gold ; the roundels are very good. These ten leaves of designs, clearly done by different hand from the other figure-work, are the best French work, at once elegant and serious. The historiated letters are clear and bright in colour, which tends towards the English in character, the figures large in scale for their spaces, and quite firmly drawn ; there is a particular charm about these letters, which took up a good space on the page. The ordinary illuminated letters are by two hands at least ; the best of which is very happy : another is a little shaky in his outlines, but his colour very beautiful : these letters have suffered from the tarnishing of the white lead, which is not used in the historiated ones. The writing throughout the book is big, and bold, and as good as can be.« (Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1783, S. 741). Zum MS :
–– Kalendarium mit 24 Darstellungen der Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen auf Goldgrund in Medaillons im unteren Seitenrand. –– Anschließend 10 Seiten mit ganzseitigen Miniaturen eines Christuszyklus, die Blätter nur einseitig bemalt, wobei sich die bemalten und die leeren Seiten jeweils gegenüberliegen. Auf jeder Seite sind vier Szenen angeordnet. Sie befinden sich in elliptischen Medaillons auf Goldgrund, im Außengrund jeweils alternierend blaue und rote Mustergründe, in der Seitenmitte ein Vierpassfeld und auf Höhe der Seitenmitten Dreipassfelder, die mit Blattornamenten oder Drachen auf Goldgrund gefüllt sind. Farbige Rahmenleisten, runde Eckmedaillons mit Propheten vor Mustergründen. Die Figuren der nur auf die wichtigsten Requisiten beschränkten Szenen sind elongiert ; ihre Köpfe kennzeichnen sich durch eine breite, sich vorwölbende Stirn. Die Gesichter besitzen durch die gesenkten Augenbrauen einen sorgenvollen, leidenden Ausdruck. –– 8 historisierte Initialen mit Darstellungen zu David, Christus und den Kirchenfesten. Von den Endpunkten der Buchstaben volutenartig einrollende Blattranken ausgehend, die in Stableisten und Groteskenwesen überleiten. Fol. 24r : Beatus-Initiale mit dem Harfe spielenden David und David im Kampf mit Goliath. –– Dreizeilige Initialen auf Quadratgrund mit gemustertem Binnenfeld, Randleisten, Blattbesatz und Groteskenwesen. Einzeilige Initialen, links vom Textblock befindlich, mit Fleuronnéebesatz. Zeilenfüllungen, kaum figürliche Motive, frei auf die Seite eingetragen. –– An den Miniaturen waren zwei Künstler beteiligt. Der Maler der ganzseitigen Christuszyklus-Miniaturen wurde von Branner in den Umkreis des Evangeliars der SainteChapelle (BNP, MS lat. 17326, »Sainte Chapelle-Group«) gerückt.161 Von einem zweiten Künstler stammen die historisierten Initialen, die James als »less fine in touch« 161 Branner 1977, S. 126, 237.
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bezeichnete.162 Branner vermutete in diesem Maler ein Mitglied der Werkstatt des Johannes Grusch und ordnete seine Arbeiten der späteren Phase im Umfeld der Handschrift Florenz, Biblioteca Laurenziana, MS Plut. 29.1 zu.163 II.7. (29) Psalterium Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 106
Pergament, 165 Bl., 235 × 165 mm, 22 Z. 1255–1265 ;164 eventuell Brügge. Franziskanische Textfassung. Eventuell im Klarissen-Konvent in Brügge ausgeführt, aus dessen Werkstatt ähnliche MSS bekannt sind (James 1906, S. 52). Die Miniaturen und historisierten Initialen werden Eerst Groep aus Brügge zugeschrieben.165 Einb.: Eichendeckel, Schweinsleder, geprägt, zwei Schließen, Douglas Cockerell. Bibl.-kat.:
–– FSE 74 : »Psalterium Davidis. Flemish. c. 1270. sm. 8° Flemish [in anderer Handschrift hinzugefügt] 100 JPM 28«. –– BQ 1897, 67 : »Flemish work. A beautiful little book / About 1280–90«. Prov.: als Auftraggeber vermutlich eine Frau, wie die weibliche, vor der hl. Klara kniende Figur auf fol. 120r nahelegt, eventuell für den Klarissen-Konvent in Brügge entstanden, der von Ermentrude 1260 als erstes franziskanisches Nonnenkloster in Flandern gegründet wurde166 – Einträge aus dem 17. und 18. Jh. – Henry Gee Barnard 1817 – am 2.10.1895 durch WM von Ellis & Elvey für £ 325 erworben – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 651 (Brabant, ebd., S. 48) – James 1906, Nr. 26, S. 52–54, 2 Taf. – Ricci 1937 II, S. 1386, Nr. 106. Ausst.: BFAC 1908, Nr. 75, S. 37, Taf. 65 – PML 1933, Kat. Nr. 50, S. 26, Taf. 46 – PML 1976, Nr. 21, S. 41, 102, Taf. xiii. Quellen zum MS :
–– V&A, MS. L. 692.II. iii–1958, S. 1 : Brief von Morris an Cockerell, 30.9.[1895] : »[…], and thence to Ellis & Elvey who are offering an 13th century psalter«, zit. bei : Kelvin 1996 IV, Nr. 2412, S. 322. –– Princeton University, Scheide Library, New Jersey, Brief von Morris an Ellis & Elvey vom 30.9.[1895] : »I should very much like to see the Psalter. I shall be in London on Wednesday (Oct. 2nd) […]«, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2413, S. 323. 162 James 1906, S. 46. 163 Branner 1977, S. 223. 164 Frühere Datierungen : um 1200 (James 1906, S. 52), kurz nach 1260 (PML 1933, S. 26), um 1260 (Ricci 1937 II, S. 1386). 165 Vgl. PML-File zu PML, MS M. 106. 166 PML 1933, S. 26. Die Autoren vermuteten in der Knienden Schwester Ermentrude, ebd.
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William Morris als Handschriftensammler
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 2.10.1895 : »then to Ellis & Elvey & saw (& bought) 13th century psalter«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 60r, 2.10.1895 : »WM came up from K. to see an MS Psalter at Ellis & Elvey’s which he bought for £ 325 – Flemish with fine pictures […]« ; vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 57r, 2.10.1895. –– Eventuell verweist der folgende Eintrag von Cockerell ebenfalls auf dieses MS : BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 75r, 19.12.1895 : »Gatti’s : WM had the Flemish Psalter, that Douglas has cleared the writing from the margins of, to show«. Zum MS :
–– Fol. 1r–6v : 12 Kalendariums-Miniaturen mit den Monatsarbeiten in goldenen dachartigen Rahmen. –– 3 ganzseitige Miniaturen auf Goldgrund : Verkündigung (fol. 7v), Geburt Christi (fol. 8v), Christus in der Mandorla (fol. 9v). 7 ganzseitige Miniaturen mit Darstellungen der Passion und Erlösung sowie von den hll. Domenikus und Franziskus (fol. 104r) und der hl. Klara mit einer vor ihr knienden, betenden Frau (fol. 120r). 8 große Initialen mit männlicher Zeigefigur im Binnenfeld. –– Goldinitialen je Psalm auf blauem und rosafarbenem Grund mit schwarzer Zeichnung im Seitenrand, einzeilige Goldinitialen je Vers. –– James vermutete, dass der Psalter in Flandern geschrieben wurde und dann eventuell in ein Zisterzienserkloster in Ostfrankreich gelangte.167 Möglicherweise entstand er in einer Werkstatt mit den Handschriften Bibliothèque d’Arsenal Paris, MS 6043, BLO, MS. Liturg. 396, und Biblioteca Nacional Madrid, Vit. 23–9.168 II.8. (30) Psalterium Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 183
Pergament, 298 Bl., 163 × 115 mm, 19 Z. Um 1260/1280er Jahre (Olivier 1988) ; Umgebung von Liége. Einb.: braunes Leder, geprägt, flämisch, 14. Jh., 1894 restauriert von der Doves Bindery. Bibl.-kat.:
–– FSE 75 : »Psalterium Davidis. Flemish. c. 1280. 8°. 180 ? JPM 29«. –– BQ 1897, 70 : »Liège work, a charming little volume in its original binding Liège, about 1350«. Prov.: eventuell für die Kathedrale von St. Lambert in der Diözese von Liège entstanden169/für einen Kanon der Gemeinde von St. Peter in Liège – Peter van den Hove aus Brabant (†1793) – von WM bei Ellis & Elvey am 15.6.1893 erworben (fol. 2r) – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. 167 James 1906, S. 53. 168 PML-File zu MS M. 106 ; PML 1933, S. 26 ; BFAC 1908, S. 37. 169 PML 1933, S. 25.
520
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Kat.:
183.
Bennett 1900, Nr. 653 – James 1906, Nr. 27, S. 54–57 – Ricci 1937 II, S. 1400, Nr.
Lit.: Olivier 1988, Nr. 30, S. 278–280, Taf. 1
Ausst.-Kat.: BFAC 1908, Nr. 125, S. 57, Taf. 84 – PML 1933, Kat. Nr. 48, S. 25, Taf. 45. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52630, Cockerell, Diary 1893, fol. 32r, 15.6.1893 : »W.M. had a superb little French Psalter which he brought into the New Gallery in the aftn. & which he had just bought from Ellis & Elvey« ; vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 41r, 15.6.1893 : »a superb little 13.c. Psalter (Liège)«, zit. bei : Kelvin 1996 IV, Nr. 2144, Anm. 1, S. 58. In einem Brief an Ellis & Elvey vom 20. Mai, den Kelvin in das Jahr 1891 datiert, fragt Morris nach, ob ein bestimmter Psalter noch vorhanden sei, den er dann für £ 100 kaufen wolle, Kelvin 1996 III, Nr. 1884, S. 307. –– CW XXIV, S. xx-xxi : »with a superb little thirteenth century Psalter from Liège which Ellis had let him take away to make up his mind over, and later he came on to the Antiscrape still cherishing the volume, having in the meantime gone back to Ellis and bought it.« Zum MS
–– Fol. 3r–8v : Kalendarium mit Darstellungen der Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen in spitz zulaufenden Feldern auf Goldgrund mit blütenartigen Rahmen. –– Fol. 9v–12v : 4 ganzseitige Miniaturen mit jeweils 10 szenischen Feldern. Ornamentierte Rahmenleisten mit Kreismedaillons mit Szenen aus dem Leben von Heiligen auf Goldgrund. In der Mitte des Blattes sind Engel auf farbigem Grund in einem Medaillon dargestellt, das durch vertikale Linien mit Halbkreisfeldern in der Mitte des oberen und unteren Feldrandes verbunden ist, in denen sich Groteskenwesen auf farbigem Grund befinden. In den vier verbleibenden Zwickelfeldern innerhalb der Rahmung Szenen aus dem Leben Christi auf Goldgrund. –– 21 historisierte Initialen mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, die z.T. in den Seitenrändern weitergeführt werden, wo sich auch Groteskenwesen aufhalten können : fol. 70r Salomonisches Urteil, fol. 105r Lazarus, fol. 125r Christus im Garten Gethsemane, fol. 141v Marienkrönung, fol. 180r Ungläubiger Thomas, fol. 198r Marientod, fol. 213r Judas, fol. 222r Christus und Kaiphas, fol. 230v Geißelung, fol. 234v Kreuztragung, fol. 238r Kreuzigung, fol. 242r Kreuzabnahme, fol. 248r Marien am Grabe. –– Je Psalm eine Initiale mit zumeist einer nimbierten bartlosen Figur, einem Heiligen oder Propheten, der Buchstabenkörper schattiert, mit ornamentaler Musterung, in Ranken, Gesichter und Groteskenwesen übergehend. –– Randdekorationen aus Ranken auf unregelmäßigem Hintergrund mit Groteskenwesen, Kämpfenden, Tieren, Vögeln, biblischen Figuren. Einzelne biblische Szenen können auch als Ergänzung der historisierten Initialen in Feldern mit turmartiger Rahmung im äußeren Rand dargestellt werden (z. B. fol. 13r). 521
William Morris als Handschriftensammler
II.9. (31) Psalterium (»Clare«, »Giffard« oder »Vescy« Psalter) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 100
Pergament, 206 Bl., 215 × 154 mm (beschnitten), 18 Z. Um 1270 (Ricci 1937 II, S. 1385)/um 1290–1300 (Sandler 1986, S. 22) ;170 England, Diözese von London (nach Heiligennennungen im Kalendarium, vgl. James 1906, S. 40 ; Sandler 1986, S. 23). Einb.: Eichendeckel, Leder, geprägt, 2 Verschlüsse, Doves Bindery 1894 (Eintrag WMs auf Nachsatz). Bibl.-kat.:
–– FSE 93 : »Psalterium Davidis. English. with large initials. bg [als Abkürzung für binding ?] oak 4to Clare [in anderer Hand hinzugefügt] 150 JPM 18«. –– BQ 1897, 66 : »with rich decoration. English work […] About 1260«. Prov.: entstanden für William, 1st Baron de Vescy, Lord of Alnwick (1245–1297), siehe Wappen in den Bordüren von fol. 7r – Todesvermerk John Giffarde, gestorben 1348, Kalendereintrag zum 6. März – Robert Hare 1561, Cambridge – BQ 1892 (James 1906, S. 40) – 1894 WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 646 – James 1906, Nr. 18, S. 40 – Ricci 1937 II, S. 1385, Nr. 100 – Sandler 1986, Nr. 12, S. 22–23, Abb. 24. Lit.: Quaritch 1892, Taf. 182 (Beatus-Seite). Ausst.: BFAC 1908, Nr. 52, S. 25, Taf. 49 – PML 1933, Kat. Nr. 46, S. 24, Taf. 43 – PML 1976, Nr. 14, S. 100, Taf. VI. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 16v, 14.2.1894 : »K.H. English ›Clare‹ Psalter«. –– Morris, in MS eingelegte Notiz : »Though this book is without figure-work, the extraordinary beauty and invention of the ornament make it most interesting ; [(The beaut simple beauty of the blue & gold calendar is noteworthy ; the writing is very fine)] and [the stain] the said ornament is thoroughly characteristic of English work : the bold folded over leaf [that] in the great B on the 1st p. of the text is an undeniable token of an English hand, [and] The great thickness of the black boundary lines is worth noting, and no doubt is the main element in producing the effect of the colour, which is unusual. The beauty of the simple blue & gold calendar will scarcely be missed by anyone taking up the book. The writing is fine throughout«.171 Zit. in : CW XXIV, S. xxii ; Morris 1982, S. 9, Abb. 8, 9 auf S. 8. 11 ; vgl. Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1796, S. 743. Zusatz von SCC : »The work has been cut down […] the brutality of an 18th century binder, so that some of the ornament, especially on the first page has been sheared of.« 170 Sandlers Datierung richtet sich nicht nur nach stilistischen Kriterien, sondern bezieht auch einen datierten Aufenthalt der Vescys in London in die Überlegungen ein. 171 Die eckigen Klammern enthalten von Morris durchgestrichene Textpartien oder Worte.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Cockerell, Versoseite des Vorsatzblattes in MS M. 100 : »Richard of Chicester, canonized 1262, appears both in Calendar and Litany. The occurence of St. Erkenwald, Bishop of London, in Calendar and Litany, & of St. Ethelburga in the Calendar, appears to indicate that this book was written in London.« Zum MS :
–– Diese Handschrift ist unter drei verschiedenen Namen geläufig : »Clare Psalter« nach den in den Seitenrändern abgebildeten Wappen, »Giffard Psalter« nach dem ehemaligen Besitzer der Handschrift John Giffard und »Vescy Psalter« nach dem Auftraggeber der Handschrift. –– Fol. 1r–6v : Kalendarium in Blau und Gold geschrieben. –– Fol. 7r : Beatus-Initiale mit blattbesetztem Rankenflechtwerk vor einem ornamentierten Binnenfeld, reicher Blattbesatz an den Buchstabenenden, den Ornamentleisten und Ranken, die in den Seitenrändern verlaufen, geometrisch gemusterter quadratischer Außengrund, im äußeren und unteren Seitenrand Groteskenwesen und die Wappen der Familien Clare, Plantagenet, Warrene, Vescy. Sandler erwog, ob nicht eventuell die Groteskenwesen und Wappen von einem anderen Maler hinzugefügt wurden.172 –– Weitere große Initialen zu Ps 26, 38, 51, 52, 68, 80, 97, Hld (fol. 33v, 50v, 66r, 67r, 83v, 103v, 122r, 125r, 143r, 183r) mit Rahmenleisten aus Ornamentbändern, Blättern, Ranken auf asymmetrischem, z. T. ornamentiertem Grund. Die Initialen vor rechteckige Mustergründe gestellt. Die Binnenfelder mit symmetrisch angeordnetem, sich verschränkendem Rankenwerk gefüllt, das mit Blättern und Köpfen besetzt sein kann. Goldmajuskeln auf vertikalen, seitlich angefügten rosa oder blauen Streifen ergänzen die großen Initialen. Initiale auf fol. 161r etwas kleiner ausgeführt. –– Zweizeilige Initialen in Gold auf blauem oder rosafarbenem Grund mit weißen Linienornamenten. Einzeilige Initialen in Blau und Gold mit blauem und rotem Fleuronnée. Zeilenfüllungen in Gold und Blau mit abstrakten Ornamenten frei auf der Seite aufgetragen. –– Ein Vergleich der Blattformen und das Gegeneinander von klaren Leistenformen und den üppigen Blättern deuten auf eine mögliche Verbindung zum Windmill Psalter, PML, MS M. 102, hin.173 II.10. (32) Psalterium (»Paris Psalter«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 98
Pergament, 164 Bl., 230 × 160 mm, 21 Z. 1275–1299 ; Frankreich, Beauvais oder Paris Einb.: Holzdeckel, dunkelbraunes Maroquin, blindgestempelt, zwei Verschlüsse. 172 Sandler 1986, S. 22. 173 Ebd., S. 23.
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William Morris als Handschriftensammler
Bibl.-kat.:
–– FSE 94 : »Psalterium Davidis. English. (no calendar) 4to Butler’s [hinzugefügt] 120 JPM 23«. –– Ev. BQ 1897, 69 : »flemish work, with numerous Miniatures, ornamental and grotesque work on the upper and lower margins. A pretty book About 1320«. Prov.: W. Bragge, Leeds – Bragge-Auktion, Sotheby’s, 7.–10.1876, 368174 – AddingtonAuktion, Sotheby’s, 25.4.1886, 462 – Ellis – 10.6.1888 CFM – Charles Butler – ev. durch WM im Februar 1894 privat von Charles Butler erworben (BL, MS Add. 52631, fol. 17v, Eintrag zum 19.2.1894 ; PML 1976, S. 101) – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 654 – James 1906, Nr. 23, S. 50 – Ricci 1937 II, S. 1384, Nr. 98. Ausst.: PML 1976, Nr. 15, S. 100–101, Taf. vii. Quellen zum MS :
–– Morris, in MS eingelegte Notiz mit handschriftlichem Verweis »Note by W. Morris« : »This book [is decorated in] has a complete and satisfactory scheme of ornament, which is nowhere departed from, and the colour of which is thoroughly harmonious. [The {…}] Many of the dragon-scrolls end in daintily painted little heads, drawn with much expression & sense of fun ; and the hair of them beautifully [of them] designed, and drawn very firmly. The figure-work in the eight historiated letters, is every where quite up to the average of its date ; but on the first page, in the Beatus and the symbols of the Evangelists, goes a good deal beyond that. Altogether an admirable specimen of the work of the later 13th century.«175 Zit. in : CW XXIV, S. xxiii ; Morris 1982, S. 3, Abb. 7 auf S. 3 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1809, S. 745. –– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 17v, 19.2.1894 : »K.H. Butler’s Psalter«. Zum MS :
–– Kalendarium fehlt. –– 8 historisierte Initialen mit biblischen Szenen sowie Darstellungen kirchlicher Riten : fol. 1r, 22r, 36r, 50v, 63v, 80v, 95v, 113r. Bas-de-page mit Jagdszenen und Groteskenmotiven. –– Auf fol. 1r Beatus-Initiale aus geflochtenen und verknoteten Bändern mit David als Harfespieler und im Kampf mit Goliath ; in den sich zu Voluten aufrollenden Ablaufmotiven des Buchstabens und in der rechten Rahmenleiste die Evangelistensymbole. Als Bas-de-page eine Jagdszene mit Hirsch. –– Die Initialbuchstaben sind mit weißen geometrischen Mustern oder mit Wellen dekoriert, Goldgründe mit ornamentaler Punzierung. An den Endpunkten der Buchstaben setzen ornamentale Rahmenleisten und Blattranken an. 174 Die Handschrift wird gelobt und charakterisiert als : »A grand example of Anglo-Norman Art of the best period when the art of illumination was understood and practised in the true sense of the word, every page being lighted up with gold and brilliant colour«, Sotheby’s, 7.–10.6.1876, Los 368, S. 66. 175 Die eckigen Klammern enthalten von Morris durchgestrichene Textpartien oder Worte.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Mehrteilige Leistenrahmen mit Ornamentfüllungen und Besatz aus Weinblättern und Blüten ; Verdichtung zu den Ecken hin. James erklärte »dragon scrolls« zum Charakteristikum der Handschrift.176 Darunter verstand er Rahmenleisten, die sich einrollen und in Groteskenwesen übergehen. –– An den Psalmenanfängen zweizeilige Initialen mit langen rankenartigen, mit Blättern und Grotesken besetzten Ausläufern im Seitenrand. Einzeilige Goldinitialen auf blauem oder rotem, mit weißen Linienranken überzogenem, oftmals asymmetrischem Grund. Zeilenfüllungen : Groteskenwesen und florale Ranken auf Streifenfeldern, frei aufgetragene Köpfe, Tiere, Fische, Hasen, Drachen. –– Vgl. Montpellier MS H 196.177 II.11. (33) Psalterium und Stundenbuch (»Catherine Psalter«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 97
Pergament, 258 Bl. (24 Bl. Kalendarium und Miniaturenzyklus+205 Bl. Text+29 Bl. spätere Hinzufügung), 145 × 100 mm, 18 Z. Kalendarium und Marienoffizium für Thérouanne. Um 1290 (Ricci 1937 II, S. 1384)/um 1265 (PML-File), spätere Hinzufügungen aus dem 15. Jh.; ev. Flandern, Brügge oder Gent bzw. Thérouanne. Einb.: rotes Maroquin, goldgeprägt, um 1810, Frankreich oder Belgien. Bibl.-kat.:
–– FSE 71 : »Psalterium Davidis ‹ German 12th century › French. c. 1260. 4to. Beauvais ? price 400 JPM 20«. –– BQ 1897, 68[ ?] : »Brabant work, with numerous Miniatures About 1290–1300«. Prov.: SCC vermutete wegen der auf fol. 204v eingetragenen Kollekte für die hl. Katherina und der auf fol. 205v verwendeten Konfessionsformel als Eigentümer des MS eine Lady Katherine (vgl. James 1906, S. 57) – Exlibris P. Vandé Camée, 17. Jh. – Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891, 1858 – Leighton £ 16 – 1891 WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 659, S. 48 – James 1906, Nr. 28, S. 57–58, 2 Taf. – Ricci 1937 II, S. 1384, Nr. 97. Ausst.-Kat.: BFAC 1908, Nr. 129 – PML 1933, Kat. Nr. 47, S. 24–25, Taf. 44. Quellen zum MS :
–– Morris’ Exemplar des Katalogs der Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.– 30.4.1891, 1858 (Grolier Club, New York) : »£ 16.10 me c. 1280 very good«. –– Brief von Morris an Leighton, 30.4.[1891], zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 296 : »The little Psalter (1858) is cheap commerciall, and of great value to me.« –– Brief von Morris an Emery Walker, 2.5.[1891], zit. in : Kelvin 1996 III, Nr. 1871, S. 300 : 176 James 1906, S. 50. 177 PML-File.
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William Morris als Handschriftensammler
»Leighton bought all those 3 books for me at £ 74 the lot. Not very dear I think : The little psalter only fetched £ 16.10. That queer book of hours with the Adams and Eves went high £ 100 to wit. I decidedly prefer my lot«.178 Zum MS :
–– Fol. 1r–6v : Kalendarium mit Darstellung der Monatsarbeiten, die Gründe alternierend Blau und Rosa, dachartige Rahmen in Gold mit goldenen Kugeln an den oberen Ecken und der Spitze. –– Fol. 7v–23v : 17 Bl. eines Christuszyklus, die Szenen vor Goldgrund und unter Bogenstellungen, über denen sich Dächer und Türme erheben. Die Anordnung dieser Architekturen bezieht sich auf die Komposition der Figuren im Bildfeld. Die Blätter nur einseitig bemalt. Von ornamentierten farbigen Rahmen und von Goldrahmen mit Kreisen an den Ecken eingefasst. Die schlanken, leicht elongierten, eleganten Figuren sind von schwarzen Konturen eingefasst. Ihre feingezeichneten, lächelnden Gesichter werden von großen Nimben umfangen. –– Fol. 24v : Beatus-Seite mit einer ganzseitigen Initiale mit reichem Rankenflechtwerk vor Goldgrund, Darstellungen von David als harfespielendem König (oben) und im Kampf mit Goliath (unten). Groteskenwesen. –– Neunzeilige farbige Initialen, dekoriert mit Rankenwerk und Groteskenmotiven, Rankenausläufer im Seitenrand, asymmetrisch verlaufender Außengrund. Dreizeilige farbige Initialbuchstaben an den Psalmanfängen mit Ranken- und Drachenmotiven. Einzeilige Fleuronnée-Initialen an den Zeilenanfängen, mit Fleuronnée-Linienwerk, das z. T. als Teilrahmen in den Seitenrändern weitergeführt wird. Zeilenfüller : farbige geometrische und florale Ornamente, die frei auf die Seite aufgetragen sind. –– James äußerte, dass die Miniaturen »recall (as many Flemish books of the period do) the English style«, aber es sei »probably more delicacy about them than would be found in English work if not absolutely of the first class«.179 Die Miniaturen wurden mit Arbeiten in einem Psalter verglichen, der in der Stadsbibliotheek Brügge, MS 335 (1265–1275) verwahrt wird (PML-File). II.12. (34) Psalterium (»Windmill Psalter« oder »Aldenham Psalter«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 102
Pergament, 167 Bl., 320 × 215 mm, 19 Z.; unvollständig. Spätes 13. Jh.; England, eventuell East Anglia (James 1906, S. 41) oder London.180
178 Kelvin 1996 III, S. 301, Anm. 12 identifizierte dieses Stundenbuch mit Los 1373 der Hailstone-Auktion, vgl. ebd., S. 297, Anm. 7. 179 James 1906, S. 57. 180 Von Thompson dagegen aufgrund der Schrift, der Zeichnung und der Farbgebung nach Frankreich lokalisiert, Thompson 1896, S. 222.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
braunes Maroquin, neu gebunden von Douglas Cockerell mit Eichendeckeln und Schweinsleder.
Einb.:
Bibl.-kat.:
–– FSE 72 : »Psalterium Davidis. English. c. 1280. Windmill. Folio. 1050 JPM 19«. –– BQ 1897, 62 : »English work magnificently illustrated about 1220 / (This cost Mr. Morris over £ 1000.)«. Prov.: Unbekannter Auftraggeber, ev. ist in der Windmühle auf fol. 2r ein Hinweis auf diesen zu sehen – ca. 1860 Henry Hucks Gibbs, 1st Baron Aldenham – am 6.7.1896 durch WM für £ 1000 von Lord Aldenham erworben (Vorsatz : Besitzervermerk von Morris mit Datumsangabe 6.7.1896) – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Morris besaß bereits 4 Blätter der Handschrift (Ps CIX), die er wohl 1894 von Charles Fairfax Murray im Tausch mit einer italienischen Handschrift des 15. Jh.s erhalten hatte (CW XXIV, S. xxv-xxvi). Diese Blätter aus einer italienischen Bilderchronik mit »Saints each with his appropriate symbol« hatte Morris für £ 5 bei Quaritch erworben.181 May Morris berichtet, dass ihr Vater diese Arbeit als ein »painter’s pattern book« bezeich nete.182 Cockerell gab ein fünftes Blatt des Psalters am 5.11.1916 an die PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 649 – James 1906, Nr. 19, S. 41–43, 4 Taf. – Ricci 1937 II, S. 1385, Nr. 102 – Sandler 1986, Nr. 4, S. 15–16, Abb. 9, 10, 12. Lit.: Thompson 1896, S. 222 – Millar 1926, S. 65, 102–103, Taf. 99 – Adelaide Bennett, The Windmill Psalter : The Historiated Letter E of Psalm One, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 43, 1980, S. 52–67 – Morris 1987, S. 22 – MacCarthy 1994, S. 660, 662 – Linenthal 2007, S. 369 – Panayotova 2009, S. 22. Ausst.: Exhibition 1896, Kat. Nr. 12, 13, S. 203 – Catalogue 1896, Kat. Nr. 12, 13, S. 9 – BFAC 1908, Nr. 47, S. 22, Taf. 44 – PML 1933, Kat. Nr. 45, S. 24, Abb. 7, Taf. 42 – PML 1976, Nr. 25, S. 103, S. 42–43, Taf. XVII – Alexander/Binski 1987, Nr. 358, S. 355–356. Quellen zum MS :
–– Der »Windmill Psalter« war die letzte Handschrift, die Morris erwarb. Er besaß bereits vier Blätter (Ps. CIX), die zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Buch entfernt worden waren. Die Handschrift sah Morris am 5.6.1896 (nach Cockerell, vgl. CW XXIV, S. xxvi) auf der Ausstellung der Society of Antiquaries, auf der auch seine vier Seiten ausgestellt waren (Nr. 12, 13). –– F. S. Ellis fungierte als Vermittler zwischen Morris und dem Eigentümer der Handschrift, Lord Aldenham, der sich am 6.7.1896 für £ 1.000 von der Handschrift trennte. Brief von F. S. Ellis an Lord Aldenham am 22.2.1878 : Morris habe sich heute die Handschrift angesehen »with very great pleasure. He agrees with me in thinking that it is one of the most valuable books of old English art in existence, and says that it is, though less gorgeous, far superior to the book in the Bodleian [doubtless the Ormesby 181 CW XXIV, S. xxv-xxvi. 182 Ebd., S. xxv.
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William Morris als Handschriftensammler
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Psalter, MS Douce 366] which he knows well. He thinks it possible that it may be by the same artist who decorated the Edward 1st Psalter in the British Museum [probably this is the Tenison Psalter, MS Add. 24.686]. I congratulate you very warmly on the possession of such a treasure. It is one of the few things in the world that one could wish to better. I am sure that Professor Ruskin would be delighted to see it.«183 Ruskins Reaktion fiel jedoch wesentlich zurückhaltender aus. In einem Brief vom 30.4.1880 äußerte er in Bezug auf die Handschrift – ohne sie allerdings gesehen zu haben : »[…] for books with so much naturalism in them are almost wanting in force and quaint decorative design«.184 BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 3.6.1896 : WM sieht sich die Ausstellung in der Society of Antiquaries in London an. Ebd., 5.6.1896 : Morris mit Burne-Jones in der Ausstellung : »had a good look at those books : my 4 leaves belong to a psalter of Hucks Gibbs the one I remember at Ellis’ (Lord Aldenham)«. BL, MS Add. 52772, fol. 60r, 5.6.1896 : Morris und Burne-Jones besuchen die Ausstellung der Society of Antiquaries im Burlington House, London : »[Morris] found the Psalter to which his four leaves belong. It is the property of Lord Aldenham«, vgl. BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 44r, 5.6.1896. Brief von Morris an Ellis, [6.6.1896], zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2467, S. 371/373 (vgl. auch Mackail 1995 II, S. 328) : »We looked and lo ! there was no doubt – there was the book with the due hiatuses. And now, whatten a book was that, my man ? Why, as soon as I saw its second leaf, I recognized it as the book which I saw in your shop in Bond Street, and which I have talked so much to you about, and which you told me you sold, or some one else sold, to Hucks-Gibbs. […] a book with the most amazing design and beauty in it. […] such a book !« BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary von 1896, fol. 45r, 12.6.1896 : »No news of the Rutland or Hucks Gibbs Psalter for which he is in treaty«. Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Mass., Brief von Morris an Cockerell, 21.6.1896, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2472, S. 378 : Morris beklagt Maunde Thompsons Fehlurteil : » According to him the Aldenham PS. is certainly French ! also the big Missal by the evidence of the borders ! ! ! ! The Huntingfield is German, at least the writing is ! ! !«185 BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 3.7.1896 : »wrote to Lord Aldenham offered him £ 1000 for psalter«. BL, MS Add. 52772, S. 46, fol. 61r, 6.7.1896 : »WM bought the Windmill Psalter for £
183 Zit. nach : James 1906, S. 41 einliegend in PML, MS M. 102. Die Angaben in den eckigen Klammern folgen dem Zitat und stammen von James. 184 Zit. nach : ebd. 185 Zu den Umständen vgl. Kelvin 1996 IV, S. 378, Anm. 4–5.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
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1000 (the last book he bought)«, vgl. BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 48v, 6.7.1896. BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 6.7.1896 : »Later in the morning from Lord Al. kind & friendly will let me have the book. Sent Cockerell after it with cheque in afternoon and it came back at 4. A great wonder«. Archiv der William Morris Society, London, Fragment vermutlich von SCC nach Notizen von Thomas Rooke zusammengetragen : 13.7.1896, ev. bezieht sich dieser Eintrag auf das soeben erworbene MS. Morris strebte scheinbar den Erwerb einer noch kostspieligeren Handschrift an : »There’s another manuscript I want, can’t take any pleasure in these till I have it, two thousand two hundred pounds the price of it is«, zit. nach : WMS 2006, S. 7. BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary von 1896, 29.8.1896 : Morris »looked at the Windmill Psalter in the afn. & was pleased with it«.186 Datumsvermerk von Morris auf Vorsatz in der Handschrift : 6. Juli 1896. Notiz von Cockerell im vorderen Spiegel des MS : »This was the last book bought by Will. Morris. He already owned 4 leaves of it, and did not know of the existence of the rest until the portions were exhibited side by side at the rooms of the Society of Antiquaries in June 1896.« CW XXIV, S. xxiii, xxv-xxvi. Mackail 1995 II, S. 312, 328–329. Rooke 1982, S. 109, 110.
Zum MS :
–– Kalendarium und Ps 67–68 fehlen. –– Fol. 1v : Beatus-Initiale : Der Buchstabenkörper gebildet aus blauen Bändern, die sich kreisförmig einrollen, mit Ranken- und Blattwerk besetzt. Wurzel Jesse mit Stammbaum Christi und Propheten. In den beiden mittleren Medaillons der vertikalen Rahmenleisten sowie im Stamm und den Bögen des B sind die Schöpfungsgeschichte, in den Eckfeldern der Rahmenleiste die vier Evangelisten mit den Köpfen ihrer Tiersymbole dargestellt. Ranken mit Flechtwerk, Knoten, Blattmenschen, Efeublättern, Blattvoluten. –– Gegenüber auf fol. 2r Initiale E als zweiter Buchstabe des Wortes Beatus. Die Initiale auf einem roten Fleuronnée-Grund, in dem blattförmige, grün lavierte Freiräume ausgespart sind. Im oberen Binnenfeld die namengebende Windmühle, deren Bedeutung noch nicht geklärt ist, und das Salomonische Urteil, im unteren die zweite Frau der Szene und ein herabfliegender Engel dargestellt, dessen Flügel vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt übermalt worden sind. Im unteren Seitenrand ein Fasan. Am Rand des Grundes auch blaue Fleuronnée-Felder mit braun lavierten Ranken und grün lavierten Blättern. –– 9 achtzeilige historisierte Initialen an den Unterteilungen des Psaltertextes und am 186 Zit. nach : https//williammorrislibrary.wordpress.com bzw. https://wp.me/p4kJBb–3iZ [Zugriff am 4.12.2017].
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William Morris als Handschriftensammler
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Anfang des Hohelieds. Die Initialen mit Blattformen gefüllt, z. T. ornamentierte Zwickelfelder. Vom Quadratgrund der Initialen ragen Leisten in den Seitenrand hinein, besetzt mit Goldpollen, Flechtknoten, Groteskenwesen und Weinlaub : fol. 24v, Ps 26, Salbung Davids ; fol. 39v, Ps 38, David kniet vor Christus ; fol. 52v, Ps 51, Verrat Christi/Judaskuss ; fol. 53v, Ps 52, Narr ; [Ps 69 fehlend] ; fol. 84r, Ps 80, David mit Glockenspiel ; fol. 100r, Ps 97, Kirchengesang ; fol. 102v, Ps 101, David betet an Altar ; fol. 117v, Ps 109, Trinität ; fol. 152v, Hld, Martyrium Jesajahs. Besatz der Initialen mit Blättern, Ranken und Grotesken. Am Anfang der Psalmen dreizeilige Goldinitiale auf hellpurpurfarbenem oder blauem Grund mit zierlichen weißen Blatt- und Blütenornamenten. An den Versanfängen einzeilige Initialen alternierend in Blau und Gold mit rotem und blauem Fleuronnée. Zeilenfüllungen in Blau, Rot und Grün mit frei auf der Seite aufgetragenen geometrischen und floralen Mustern oder Groteskenwesen und Tieren, oft in Konturzeichnung. Der Künstler ist deutlich erkennbar an den schlanken, geschmeidigen, bewegten Figuren, deren Gesichter weiß gehalten und fein gezeichnet sind. Die Falten der Gewänder zeigen eher eckig gebrochene Saumpartien. Die Darstellungen werden auf das Wesentliche beschränkt. James hob die »extremly fine execution« hervor und stellte einen engen Textbezug, eine Vorliebe für Weinlaub und eine »predeliction for exaggerating the length or size of some part of the body« fest.187 Charakteristisch für die Handschrift sind die phantasievollen, lebendigen Groteskenmotive und die großen üppigen Weinblätter. Die Qualität der Illuminierungen hat dazu geführt, die Handschrift mit den höfischen Handschriften vom Ende des 13. Jh. zu verbinden.188 Sandler stellte in der »somewhat mannered, strained expressiveness of the style« auch Parallelen zu früheren Manuskripten wie dem Oscott Psalter (BL, MSS Add. 50000, 54215, um 1265–1270, ev. Oxford) und dem Holland Psalter (Cambridge, St. John’s College, MS K26, um 1270–1280) fest.189 Stilistische Parallelen bestehen auch zu einem Psalter mit Londoner Kalender, der sich ehemals in Mostyn Hall befand (Christie’s, 24.10.1974, 1477). Dieses würde die Argumente für die Entstehung der Handschrift in London stützen.190
Ergänzungen :
Zu der Handschrift aus Morris’ Besitz, die er mit Charles Fairfax Murray gegen die vier Blätter des Windmill Psalters tauschte : Hierbei handelt es sich vermutlich um die »Uomini famosi« eines italienischen oder französischen Künstlers aus der Zeit um 1450.
187 188 189 190
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James 1906, S. 43. Vgl. Sandler 1986, S. 16, z. B.: BL, MSS Add. 24686 (um 1284–1316), Royal 3 D. vi (1283–1300). Ebd., vgl. Morgan 1982 II, Nr. 151 und 179. Vgl. PML-File.
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Insg. 8 Bl., die inzwischen verstreut sind ; 316 × 201 mm. –– Pergament, Tinte und Aquarell. –– Prov.: BQ – 1894 WM – zw. 1894 und 1896 CFM – CFM-Auktion, Sotheby’s, 18.7.1919, 50 – SCC – 1956 H. P. Kraus – Sotheby’s, 2.7.1958, 15–21. Das Blatt in der National Gallery of Canada in Ottawa : Dr. und Mrs Francis Springell – Springell-Auktion, Sotheby’s, London, 30.6.1986, 5 – D. E. Popham – National Gallery of Canada, Ottowa, ac. nr. 9896 Die anderen Blätter in den folgenden Sammlungen : Metropolitan Museum of Art New York (Walter C. Baker Bequest, Inv.-Nr. 1972.118.10 ; Harris Brisbane Dick Fund, Inv.-Nr. 58.105), Ian Woodner Sammlung in New York, Privatsammlung in Hilversum, Rijksprentenkabinett Amsterdam (Inv.-Nr. RP-T–1959–16), National Gallery of Victoria in Melbourne (Felton Bequest, Inv.-Nr. 1663–5, hier nach Neapel lokalisiert) sowie zwei Blätter mit unbekanntem Verbleib. –– Lit.: Needham 1976, S. 42 – Jacob Bean/Lawrence Turčić, 15th and 16th Century Italian Drawings in the Metropolitan Museum of Art, New York 1982, Nr. 285–286, S. 284– 287 (mit weiterführ. Lit.) – Hamel 1987, Nr. 83, S. 204 – Earthly Paradise 1993, Kat. Nr. A :34, S. 83–85 – Margaret M. Manion, The Felton Illuminated Manuscripts in the National Gallery of Victoria, Melbourne 2005, S. 426–430. –– Bei den Zeichnungen handelt es sich um Kopien nach Miniaturen von Leonardo da Besozzo in einer Handschrift der Crespi Sammlung in Mailand.191 Diese basieren wiederum auf Masolinos nicht erhaltenem Freskenzyklus im Palazzo Orsini in Rom (entstanden vor 1432).192 Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 63r, 20.11.1894 : »W.M. bought a very beautiful fragment of a book containing Italian drawings to illustrate a chronicle (from B.Q £ 5 !)«, vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 51r, 20.11.1894 hier mit der Anmerkung »afterwards mine«. –– CW XXIV, S. xxv-xxvi : Morris erhielt von Murray im Tausch vier Blätter eines »fine thirteenth century manuscript«, denn Morris »had long desired them greatly«. –– Mackail 1995 II, S. 328–329. –– Es wurde überlegt, ob Morris die Blätter u. a. erwarb, weil die stehenden Männerfiguren mit ihren reich variierten Haltungs- und Gewandmotiven Anregungen für die Gestaltung von Figuren des umfangreichen Auftrags für das Ostfenster der Holy Trinity-Kirche, Sloane Street, London, vermitteln konnten.193
191 Earthly Paradise 1993, S. 85. 192 Ebd. 193 Ebd.
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William Morris als Handschriftensammler
II.13. (35) Psalterium Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 79
Pergament, 190 Bl., 140 × 90 mm, 20 Z. Spätes 13. Jh./fr. 14. Jh.; Nordfrankreich, die Fassung von St. Omer verweist eventuell darauf, dass die Handschrift in der dortigen Umgebung entstand (James 1906, S. 51). Einb.: dunkelgrünes Maroquin, goldgeprägt, von David. Bibl.-kat.:
–– FSE 76 : »Psalterium Davidis. Flemish. c. 1300. sm 8°. St. Omer [in anderer Handschrift hinzugefügt] 100 JPM 24«. –– BQ 1897, 71[ ?] : »Flemish work, with numerous miniatures. A pretty book About 1440«. Prov.: Stempel des Musée Napoleon – Sammlung Jean Paradis aus Lyon, allerdings nicht bei dem Verkauf der Sammlung 1879 erwähnt – 1896 WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 655 – James 1906, Nr. 24, S. 51 – Ricci 1937 II, S. 1380, Nr. 79 Ausst.: PML 1933, Kat. Nr. 70, S. 37. Quellen zum MS :
–– Vielleicht bezieht sich der folgende Eintrag auf die Handschrift : BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 4.6.1896 : »bought Leighton’s little book for £ 100«. Zum MS :
–– Kalendarium mit Darstellungen der Monatsarbeiten auf Goldgrund in Architekturrahmen. –– 8 große historisierte Initialen auf Goldgrund zu den Psalmen, darunter Darstellungen von König David und der Trinität. –– Teilbordüren aus geschwungenen Bändern und Ranken mit weißer linearer Binnenzeichnung, Blatt- und Beerenbesatz. Groteskenwesen und Tierszenen in den Seitenrändern, z. T. im Rankenwerk ansetzend. –– Dreizeilige Initialen mit Dekorationen aus Köpfen, Vögeln, Tieren am Psalmanfang. Einzeilige farbige Initialen mit weißer linearer Zeichnung auf Initialquadrat. Frei auf die Seite aufgetragene Zeilenfüllornamente. II.14. (36) Psalterium Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 155
Pergament, 168 Bl., 160 × 110 mm, 19 Z. Ca. 1290–1305 ;194 flämisch, Liège. »Hand 2« von BL, MS Add. 28784 (Olivier 1988, S. 277). Einb.: Kalbsleder, geprägt, zwei Verschlüsse, flämisch, 16. Jh. Bibl.-kat.: 194 James 1906, S. 58 : Datierung ins frühe 14. Jh.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– FSE 77 : »Psalterium Davidis. Flemish. c. 1300. 8°. ‹ Beauvais › Liége [sic !] 250 JPM ‹ 30 › 27«. Prov.: Wappen, fol. 75r (Olivier 1988, S. 277 : Wappen bezieht sich ev. auf eine Margaret der des Pres-Familie, Seigneurs von Colonster, Liège) – Manuel John Johnson-Auktion, Sotheby’s, 27.5.1862, 52 – Edwin Henry Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.–12.5.1892, 534 – BQ £ 112 – 1892 WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 660, S. 49 – James 1906, Nr. 29, S. 58–59 – Ricci 1937 II, S. 1395, Nr. 155. Lit.: Waagen 1854 III, S. 114–115 – Olivier 1988, Nr. 29, S. 277–278, Abb. 70, 91, 183. Quellen zum MS :
–– Notizen von Morris in seinem Katalog der E. H. Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.– 12.5.1892, 534 (Grolier Club, New York) : »£ 150 [überschrieben 140] ‹ lacks cale ›ndar a very fine book writing good. Bruges or Ghent has St. Bavon in [Calendar (überschrieben)] Litany. 1260 / but quality of Min. like English«. Notiz von Cockerell : »WM bought this«. –– CW XXIV, S. xx-xxi. Zum MS :
–– Je Psalm eine Initiale mit einem betenden Mann oder Frau. –– 12 große historisierte Initialen an den Unterteilungen des Psaltertextes. Seitenranddekorationen aus Figuren, darunter Heilige, die übereinander in turmartige Gehäuse gestellt werden. Teilleistenrahmen mit Tieren, Grotesken und floralen Motiven. Buchstabenkörper, Binnen- und Außengrund ornamentiert. –– Teilrahmenbordüren in Rosa, Blau und Gold mit Ranken und Grotesken auf ausgezahnten Bandleisten. Seitenrandszenen mit Tier-, Jagd- und Kampfmotiven. –– Einzeilige Fleuronnée-Initialen. Zeilenfüller aus Drachenwesen oder Ornamentleisten. –– Waagen datierte den Psalter um 1300, da die Gestaltung und Farbgebung zwar in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts verwiesen, die Gesichter und das »meagre treatment« der Umrisslinien jedoch auf das 14. Jahrhundert hindeuteten.195 Lob fanden die »inventions« und die vielen Drolerien, die Einzelmotive »true and speaking« sowie die schlanken Proportionen. James erachtete die Handschrift aufgrund der Malereien, die er als »fairly good, but the figure drawing is very rough und unskilful« einschätzte, als die »copy of a very good original«.196 Da auf fol. 13v–19r als Bas-de-page-Zyklus die Geschichte der hl. Margarete eingefügt ist, äußerte Olivier die Vermutung, dass die Handschrift vielleicht einem weiblichen Mitglied dieses Namens der des Pres-Familie gehörte, wobei sie jedoch anfügt, dass sich dafür in den Quellen keine Bestätigung finden ließe.197 195 Waagen 1854 III, S. 114. 196 James 1906, S. 58. 197 Olivier 1988, Nr. 29, S. 277.
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William Morris als Handschriftensammler
II.15. (37) Psalterium Davidis cum calendario
Verbleib unbekannt. Pergament, 141 Bl., 346 × 235 mm (2°), 22 Z. 7 bzw. 8 große historisierte Initialen und Bordüren mit Figuren, Grotesken und Vögeln, eine Vielzahl ornamentaler Initialen und Unterteilungen. Anfang 14. Jh. (um 1310) ; englischer Schreiber. Einb.: Eichendeckel, Leder, Metallbeschläge. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 972 : »every page having numerous illuminated ornamental, initials and divisions, 8 large and finely illuminated historiated initials, with borders round the page of grotesque birds (the Pelican, etc.) and other figures, tipped with foliage […] An interesting English MS.«198 –– FSE 79 : »Psalterium Davidis. English. c. 1340. Folio. 90 C. Butler«. Prov.: Howell Wills-Auktion, Sotheby’s, 11.–16.7.1894, 1536 – BQ – WM – RB – WM 1898, 972 – Leighton £ 85 – Charles Butler-Auktion III, 18.3.1912, 2630 – Sotheby’s 18.7.1921, 499 – Sawyer, Kat. 100, 1930, 111 – Sotheby’s, 18.12.1933, 363. Quellen zum MS :
–– Notizen von Cockerell zur Provenienz in Morris’ Katalogexemplar der WillsAuktion, Sotheby’s, 11.–16.7.1894, 1536 (Grolier Club, New York) : »BQ £ 60 August 1894, 144 / WM 972 – £ 85 Leighton – Charles Butler«. Angabe im Auktionskatalog »English work« durchgestrichen, aber wieder mit Punktlinie bestätigt. Möglicherweise handelt es sich bei diesem MS um den englischen Psalter, der im Januar 1895 in den Diaries von Morris und Cockerell erwähnt wird. –– Vgl. BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 16.1.1895 : »Quaritch send imp. English Psalter for inspection. I as good as bought it.« –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 23v, 16.1.1895 : »English Psalter c.1340 & 1410 arrived from Quaritch.« –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 18.1.1895 : Morris besucht Leighton und Quaritch : »bought that book £ 60.«
198 WM 1898, S. 96.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
II.16. (38) Psalterium, Cantica, Litania, Preces etc. cum Calendario British Library London, MS Egerton 3271
Pergament, 354 Bl., 160 × 105 mm 18 große Initialen (»puzzle initials«) mit Fleuronnée, Leisten und Randdekorationen, 3 weitere einfacher dekorierte Initialen mit Fleuronnée. 1. Hälfte des 15. Jh.; Holland. Einb.: Eichendeckel, Leder, blindgeprägt, Metallschließen, vor 1600. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 815. –– FSE 80 : »Psalterium Davidis. English. Dutch. c. 1450. sm 8°. 10 -«. Prov.: Birgittenkloster von Marienwater, s’Hertogenbosch – Nachrufe s’Hertogenbosch 1483 – Dirk Cornelis van Voorst (†1833) – Jan Jacob van Voorst (†1869) – van VoorsAuktion, Amsterdam, 27.1.1860, 126 – William Bragge-Auktion, Sotheby’s, 7.–10.6.1876, 491 – Thomas Shadford Walker-Auktion, 23.6.1886, 345 – WM – RB – WM 1898, 815 – Wilton (Henry Wellcome) £ 15 – Sir Henry Solomon Wellcome – Wellcome Historical Medical Museum, Inv.-Nr. 6698 – 1943 BL (Farnborough Fund). Zum MS :
–– Es werden zwar in der Litanei schwedische Heilige genannt, nicht aber im Kalendarium, das holländische Charakteristika aufweist.199 II.17. (39) »Ferial Psalter« Columbia University Library, New York, Western MS 38
4 Bl. Papier+196 Bl. Pergament+4 Bl. Papier, 102 × 73 mm, 20 Z. 1440–1460 ; Frankreich, eventuell Paris. Einb.: Kalbsleder, blindgeprägt, zwei Schließen, 17. Jh. Prov.: Mitglied des französischen Cölestinerordens (siehe u. a. Festtage des Pietro da Morrone oder Papst Coelestin V. im Kalendarium, Eigentumsvermerke aus dem 16. Jh. auf fol. 1r, 8r, 196v) – P. Hachereau, Cel. (?) – WM – 17.1.1892 als Geschenk an seine Tochter Jenny Morris, vielleicht als Erinnerung an ihre gemeinsame Frankreich-Reise 1891 – Hodgson & Co., London, 6.7.1939, 216 – Niels Christensen – 12.9.1939 an Emmy Christensen – Alan Horace Kempner – 1986 als Geschenk von Margaret Loeb Kempner an die Columbia University. Quellen zum MS :
–– Eintrag von Morris auf fol. iv : »To Jenny Morris with William Morris best love, January 17th 1892«. –– Ein Brief von Morris an Ellis & Elvey berichtet von dem Erwerb einer Psalter-Handschrift, doch lässt sich diese ohne weitere Hinweise genannte Handschrift mit keinem der in der Bibliothek aufgeführten Psalterien verbinden. Vielleicht bezieht er sich des199 WM 1898, S. 82.
535
William Morris als Handschriftensammler
wegen auf diesen Psalter, der sich bei Morris’ Tod nicht mehr in seiner Bibliothek befand. Morris schrieb am 20.5.[1891] an Ellis & Elvey : »If you have still the Psalter which you showed me the other day I will take it. I enclose a check for £ 100 which please credit me with.« 200 Zum MS :201 –– 2 vierseitige Bordüren mit Akanthusblättern, Blumen, Beeren, Früchten und Erdbeeren, mit Zweigen in Tinte und Golddornblättern. Stabrahmen in Blau, Rot und Gold um das Textfeld. –– 15 Seiten mit entsprechenden dreiseitigen Bordüren. Dabei kann der Charakter der Bordüren etwas variieren : Einmal werden die naturalistischeren Elemente stärker betont, indem sich besonders viele Erdbeeren und Blumen finden lassen, ein anderes Mal stehen die stilisierten floralen Motive wie Dornblätter und Akanthus im Vordergrund. –– 17 vier- und mehrzeilige Initialen in Blau und Hellrot mit weißem Ornament auf Goldgrund mit farbigen Blättern. Zweizeilige Initialen in Gold auf rotem oder blauen Grund, wobei der Binnengrund dann jeweils mit der zweiten Farbe ausgefüllt ist. Die Gründe mit weißen Ornamenten verziert. Zeilenfüller in Rot und Blau als gezackte Bänder mit Besatz aus kurzen Vertikalstrichen.
III. Verschiedene illuminierte religiöse Handschriften III.1. (40) Evangelistarium Worcester Cathedral, Worcester, MS Q. 107
Pergament, ii+217+ii Bl., 275 × 190 mm, DK, 19 Z. Rote und blaue Initialen mit jeweils andersfarbigem Ornament. Nach 1226, da die Offizien der hll. Franziskus und Dominikus bereits enthalten sind ; Dominikanerkloster, ev. Worcester. Ev. von einem englischen Schreiber geschrieben, allerdings wird kein englischer Heiliger im Kalendarium erwähnt. Einb.: Eichendeckel. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 522. –– FSE 117 : »Missale Romanum 15«. Eine zweite Nummer 117, die die Liste der Handschriften bei FSE abschließt, durchgestrichen : »Psalterium, Engl. Folio 90«. 200 Kelvin 1996 III, Nr. 1884, S. 307. Auch Kelvin konnte keinen Bezug zu Morris’ bekannten Handschriften herstellen. 201 Ich bin Mrs C. W. Dutschke von der Columbia University Library zu großem Dank für die Überlassung ihres Inventarisierungsberichts der Handschrift verpflichtet.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– BQ 1897, 31 : »English work ; bound in thick wooden boards About 1200«. Prov.: Dominikanerkloster Worcester – 1841 Edward Pole, Witheridge – WM – RB – WM 1898, 522 – Ridge £ 20 – Robert Steele, Wandsworth Common – Sotheby’s, 3.12.1900, 846 – 1915 Rev. E. S. Dewick (siehe seine Untersuchung der Handschrift in : Transactions of the St. Paul’s Ecclesiological Society 5, 1915, S. 176–180, mit Abb. von fol. 14v–15r) – Rev. E. S. Dewick-Auktion, 7.12.1918, 49 – 1952 F. E. Norris – 1952 als Geschenk an Worcester Cathedral. Kat.: N. R. Ker/A. J. Piper, Mediaeval Manuscripts in British Libraries, Bd. IV von insg. 5 Bden., hrsg. von C. Cunningham, A. G. Watson, Oxford 1992, S. 675–676. III.2. (41) Antiphonaria Secundum Usum Romanae Curiae
Verbleib unbekannt. Zwei Handschriften in einem Band zusammengebunden, einige Bl. fehlend ; 2° 1. Pergament, 180 Bl., Fleuronnée-Initialen, 15. Jh. Pergament, 236 Bl., 15 historisierte Initialen »of a distinctive character«202 auf blauem Grund, Fleuronnée-Initialen, um 1275. Einb.: Eichendeckel, Juchtenleder, Metallverschlüsse und -beschläge. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 125. –– FSE 4 : Antiphonarium. 12. Prov.: WM – RB – WM 1898, 125 – Littlewood £ 9.5. III.3. (42) Antiphonarium British Library London, MS Egerton 2977
Pergament, 2+273 Bl., 420/425 × 295/300 mm ; 10 bzw. 20–21 Z. Große Initiale (fol. 1v) mit Ornamentstäben, Blattornamenten, Vögeln ; vierzeilige ornamentierte, mit Blättern belegte Buchstaben vor Mustergründen ; Fleuronnée-Initialen ; Leisten und Stäbe mit Blattbesatz ; Vögel, Groteskenwesen, Akanthusblätter in den Seitenrändern. 1295 ; Norditalien, Piacenza. Einb.: Eichendeckel, Leder, vor 1600. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 124. –– FSE 3 : »Antiphonarium sec. us. Rom Curiae ‹ c. 1380 › 1275 [CFM] 22 10 G. Dunn«. –– BQ 1897, 4. Kat.: Watson 1979 I, Nr. 617, S. 116, II, Taf. 178. Prov.: Zisterzienserkloster S. Maria, Columba, Piacenza – 1462 Frater Johannes Wasserpoliz de Hylaria – 1892 von WM erworben – RB – WM 1898, 124 – Littlewood £ 18.50 – 202 WM 1898, S. 12.
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William Morris als Handschriftensammler
1899 George Dunn, Woolley Hall – Dunn-Auktion, Sotheby’s, 22.11.1917, 1801 – BL (Farnborough Fund). Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52629, Cockerell, Diary 1892, fol. 62v, 17.10.1892 : »Looked at a newly acquired Italian choirbook (dated 1295) until Morris was ready to start.« III.4. (43) Antiphonarium
Verbleib unbekannt Pergament, 129 Bl., 420 × 290 mm ; dominikanische Fassung. 14. Jh.; Italien. Einb.: Holzdeckel, schwarzes Leder, geprägt. Prov.: WM – Geschenk an Robert Steele of Wandsworth Common – Steele-Auktion, Sotheby’s, 15.6.1903, 544 – Hodgson & Co., London, 4.11.1903, 572 – Dan Rider – F. G. James, 2800 South Moreland Boulevard, Cleveland, Ohio. Kat.: Ricci 1937 II, S. 1951, Nr. 1 – Conway/Davis 2015, S. 383. IV. Missale-Handschriften IV.1. (44) Liber Ecclesiae Mariae Sanctique Potentini in Steynveldt (»Steinfeld Missale«) J. Paul Getty Museum, Los Angeles, MS Ludwig V 4
Pergament, 145 Bl., 250 × 175 mm, Sakramentar : 16/17 Z.; Lesungen zur Messe : 20/21 Z. Sakramentar (ab fol. 5r) : um 1180 ; Lesungen zur Messe (ab fol. 77r) : um 1440 ; Prämonstratenser-Abtei Steinfeld, Diözese Köln, für den eigenen Gebrauch angefertigt. Einb.: Eichendeckel, Kalbsleder mit Rollstempelprägung, Messingschließen. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 1070 : »very fine large illuminated miniature of the Crucifixon […] A very interesting MS«. –– FSE 62 : »Missale of the Ch. of St. Potentius. N. German. c. 1200. Folio. 65 – CFMurray / Perrins«. –– BQ 1897, 54 : »richly illuminated with large interlacing initials, Cologne / About 1200«. Prov.: Prämonstratenser-Abtei St. Potentius, Steinfeld – 11.4.1895 von WM bei BQ erworben – RB – WM 1898, 1070 – BQ £ 95 – C. F. Murray – Charles William Dyson Perrins-Auktion II, Sotheby’s, 1.12.1959, 57 – Sammlung Dr. Peter Ludwig, Köln – J. Paul Getty, Los Angeles. Lit.: Peter Bloch, Das Steinfeld-Missale, Aachener Kunstblätter 22, 1961, S. 37–60 – Kat. Große Kunst aus 1000 Jahren. Kirchenschätze aus dem Bistum Aachen, Aachener Kunstblätter 36, 1968, Nr. 92, S. 52–53 – Joachim Plotzek, Zur rheinischen Buchmalerei im 12. Jahrhundert, in : Anton Legner (Hrsg.), Rhein und Maas : Kunst und Kultur 800–1400. Berichte und Forschungen zum Themenkreis der Ausstellung und des Katalogs, Schnütgen-Museum, Köln, 1972–1973, Bd. 2, 1973, S. 305–332, hier S. 318–319. 538
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Kat.: Warner 1920, Nr. 121, S. 287–288, Taf. CX – Euw/Plotzek 1979, Nr. V 4, S. 234–239 (mit Nennung von Vergleichshandschriften und weiterführ. Lit.), Abb. 155–158. Ausst.: BFAC 1908, Kat. Nr. 76, S. 37. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895 : 11.4.1895 : Morris erwirbt Buch bei Quaritch. Zum MS :
–– Ursprünglich enthaltend das Ordinarium Missae und Temporale ; im 15. Jh. Umstellungen und Änderungen vorgenommen. –– Fol. 67v : Vor Kanon Kreuzigungs-Miniatur auf Goldgrund, Rahmen aus Schriftbändern. –– 20 größere Initialen in Gold mit Ranken-Ornamenten mit eingerollten Blättern, Drachenwesen, ornamentierten Klammern, Perlfüllungen und -besatz. Initialen in farbiger Federzeichnung. –– Der Buchschmuck besitzt eine enge Bindung zu Werken aus anderen Prämonstratenserklöstern, zu Kölner Skriptorien und Traditionen des Rhein-Maas-Gebiets sowie zu Kölner Goldschmiedearbeiten aus der Zeit um 1180.203 Im Auktionskatalog von 1959 wird auf die Verwandtschaft mit dem Brevier des Zisterzienserklosters Altenburg in der Landesbibliothek Düsseldorf, MS C. 58 hingewiesen.204 IV.2. (45) Missale Anglicanum (»Sherbrooke Missal«) National Library of Wales, Aberystwyth, MS 15536 E
Pergament und Papier, 343 Bl. (davon 225 auf Papier), 364 × 245 mm, DK, 33 bzw. 19 Z.; Ritus von Salisbury (Sarum use) mit z. T. späteren Hinzufügungen. Um 1310–1320 ; East Anglica.205 Einb.: Eichendeckel, Kalbsleder. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 903, S. 89 : »A remarkable English Missal«. –– FSE 61 : »Missale ad usum Eccl. Sarisburiensis. English. c. 1330. Fol. Sherbrooke [in anderer Handschrift nachgetragen] 200 HYT«. –– FSE 99 : »Missale Sherbrooke Folio. [dieser Eintrag durchgestrichen] see No 61 200 [Ziffer durchgestrichen]«. Prov.: Thomas Sherbrooke, Familie aus Oxton (Inschrift um 1600) – in Familienbesitz (Exlibris von Henry Sherbrooke auf Einband, Familienwappen auf Seite mit Auferstehungsdarstellung, fol. 164r) – BQ – von WM vor März 1894 erworben – RB – WM 1898, 903 – HYT £ 350 – HYT-Auktion, Sotheby’s, 23.3.1920, 39 (S. 33, Taf. 15) – Gwendolyn
203 Vgl. Euw/Plotzek 1979, S. 236–237. 204 Auktionskatalog der Dyson Perrins Sammlung II, Sotheby’s, 1.12.1959, Los 57, S. 22–23, hier S. 23. 205 Vgl. Sandler 1986 II, S. 73.
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William Morris als Handschriftensammler
Davies Gregynog, Wales – 1951 als Geschenk ihrer Schwester Mary S. Davies an die National Library of Wales. Kat.: A Descriptive Catalogue of Twenty Illuminated Manuscripts (Nos. LXXV–XCIV) in the Collection of Henry Yates Thompson, Cambridge 1907, 3rd series, Nr. XCIV, S. 153– 156 – HYT 1914, S. 25, Taf. XLVII–XLIX – Sandler 1986 II, Nr. 65, S. 73, I, Abb. 158– 160 – Morris 1987, S. 22. Lit.: Thompson 1896, S. 224–225 – Fletcher 1902, S. 426. Ausst.: Exhibition 1896, Kat. Nr. 17, S. 208 ; Catalogue 1896, Kat. Nr. 17, S. 17. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 19r, 3.3.1894 : »Struggled nearly all day with the beautiful Sherbrooke Missal«. Zum MS :
–– Ohne Kalendarium. –– Auf der ersten Seite Randdekorationen mit Vögeln (rechter Seitenrand) und Jagdszene (unterer Seitenrand). –– 13 historisierte Initialen und Randbordüren mit Efeu am Anfang der wichtigsten Messen : Darstellungen von Kirchenriten und Szenen aus dem Leben Christi. –– Ornamentale Initialen mit floralem oder Flechtwerkdekor, z. T. mit Besatzmotiven, die in den Seitenrand hineinragen. –– Schon Cockerell, der die Herkunft der Handschrift in East Anglia vermutete, stellte eine stilistische Verwandschaft zum Queen Mary Psalter (BL, MS Royal 2 B. vii) fest.206 Sandler schließt sich dieser Auffassung an, sieht aber die engsten Parallelen, gerade in floralen Motiven, Faltenwurf und Figurenproportionen, zu dem Psalter des Hugh of Stukeley (Cambridge, Corpus Christi College, MS 53 ; um 1303–1310, Diözese von Norwich).207 IV.3. (46) Missale (»Tiptoft Missal« oder »Despenser Missal«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 107
Pergament, 360 Bl., die letzten 52 Bl. später, nach 1457, geschrieben (Sandler 1986 II, S. 84), 425 × 305 mm, DK, 33 Z ; Ritus von Salisbury (Sarum use). Um 1320, zwischen 1311–1319 ;208 England, eventuell East Anglia (Sandler 1986 II, S. 85)/London/Cambridge209. Einb.: Kalbsleder, 18. Jh., England, Beaufort-Wappen. Bibl.-kat.:
206 Vgl. ebd. 207 Ebd. 208 Bruce Watson nach Sandler 1986 II, S. 84 : 1311 Tod von Claverings Vater, 1319 Änderung des Feiertages »Feast of Relics«. 209 Thompson dagegen nahm eine Entstehung in Flandern oder den Niederlanden an, Thompson 1896, S. 225.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– FSE 60 : »Missale. English. c. 1320. Folio 900 – JPM 8«. –– BQ 1897, 55 : »splendidly decorated with borders and escutcheons ; one of the grandest examples of English work of its kind Northampton, about 1370«. Prov.: angefertigt für Hawyse (†1315), Tochter von Robert Tiptoft, und John Fitz Roger Clavering (1266–1332) – Henry Somerset, 2. Duke of Beaufort (†1714) – Sotheby’s – am 13.5.1895 von WM bei Sotheby’s außerhalb der Auktion für £ 900 erworben – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 635 – James 1906, Nr. 8, S. 13–15, 4 Taf. – Ricci 1937 II, S. 1386, Nr. 107 – Sandler 1986 II, Nr. 78, S. 84–86, I, Abb. 195–199. Lit.: Thompson 1896, S. 225–226 – Panayotova 2009, S. 9. Ausst.: Exhibition 1896, Nr. 18, S. 208 – Catalogue 1896, Kat. Nr. 18, S. 17 – BFAC 1908, Nr. 63, S. 29–30, Taf. 55 – PML 1933, Kat. Nr. 67, S. 35–36, Taf. 62 – PML 1976, Nr. 19, S. 36, 101–102, Taf. xi – Morris 1987, S. 22. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 9.5.1895 : »Ellis brought a fine big missal for me to look at. Would buy it at £ 500«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 40r, 9.5.1895 : »Despenser Missal at K.H. 308 ff. with an illuminated border to every page – c.1320.« –– BL, MS Add. 52772, fol. 54r, 9.5.1895 : »The Despenser Missal at KH with 616 illuminated borders.«210 –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 11.5.1895 : Morris geht mit Ellis zu Sotheby’s, sieht dort das für £ 750 angebotene Buch und entschließt sich gegen einen Erwerb. –– Ebd., 12.5.1895 : Morris zeigt die Handschrift Burne-Jones und entschließt sich, einen Scheck über £ 750 an Sotheby’s zu schicken. –– Cambridge University Library, MS Add. 7481. C. 91, Brief von Morris an Cockerell vom 21.5.1895 : Cockerell soll in Morris’ Namen M. R. James vom Fitzwilliam Museum nach Hammersmith einladen (Hamel 2006a, S. 53). –– Rooke 1982, 24.5.1895, S. 36 : Rooke zitiert Burne-Jones : »[…] at first he [Morris] was rather by way of running it down. He said he didn’t much care for it, two hands had been engaged upon it, and one was rather a poor one and had done the most part of it, and he brought it over to me, and when I saw it I thought it was such a beautiful book […] I advised him to buy it, and he went home that Sunday night and wrote off a cheque for £ 750, and then he had a six and thirty hours of torture, for all Monday he didn’t hear a word about it […], till finally on Tuesday morning he gets a letter to say it’s his. So he’s got both Ely Cathedral [the Huntingfield Psalter] and Winchester in his own very house.« –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 45r, 13.6.1895 : »BM to look up Tiptoft pedigree«. 210 Auch May Morris bezeichnet das »Tiptoft Missal« als »Despenser Missal«, vgl. CW XXIV, S. xxiii.
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William Morris als Handschriftensammler
–– BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 27.1.1896 : »went with C. to take big missal to antiquaries. St. John Hope found out who it belonged to«, vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 59r, 27.1.1896. –– BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 25v, 27.1.1896 : »St. John Hope discovered that it originally belonged to Hawyse, daughter of R. Tiptoft, & John FitzRoger or Clavering, who died in 1332«. Dr. Wickham Legg will sich die Handschrift »from a liturgical point of view« ansehen. –– Mackail 1995 II, S. 312. –– CW XXIV, S. xxiii. Zum MS :
–– Fol. 1r–6v Kalendarium. –– 615 (auf jeder Seite des älteren Teiles) vierseitige Rahmenbordüren aus Ranken mit Medaillons, Figuren, Groteskenwesen, Tieren, Löwenköpfen, Heiligen und Propheten, Vögeln, Weinblättern, Knoten, Blattwerk, Köpfen, Musterkompartimenten und Wappenmotiven. –– 19 sieben- bis zehnzeilige historisierte Initialen : fol. 7r Priester, fol. 8r segnender Christus, fol. 23r Geburt Christi mit Wurzel Jesse in Randleiste, fol. 139r Priester, fol. 141v Abraham und Isaak, fol. 142r Kirchenfeier mit Kreuzigungsszene, im Seitenrand Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist, betendes Paar (die Eigentümer), fol. 144r Auferstehung, fol. 163v Himmelfahrt, fol. 168v Pfingsten, fol. 176r Gnadenstuhl, fol. 216r Kirchenfeier, fol. 218r Martyrium des hl. Andreas, fol. 226v Darbringung im Tempel, fol. 231v Verkündigung, fol. 240v Johannes der Täufer und Agnus Dei, fol. 253v Himmelfahrt Mariae, fol. 258r Geburt Mariae, fol. 267r segnender Christus und Heilige, fol. 271r Petrus und Paulus. Miniaturen in den Randbordüren auf fol. 179r, 180r, 181r. –– Zweizeilige Initialbuchstaben mit Blatt- und Rankenwerk in Initialquadrat, Muster oder florale Motive als Dekoration der Gründe. Einzeilige goldene Initialbuchstaben auf farbigem, ornamentiertem Grund. –– James vermutete, dass die einzige ganzseitige Miniatur der Handschrift – eine Kreuzigung zu Ostern (Canon of the Mass) – entfernt worden sei.211 Sandler erachtete die Zusammensetzung der Handschrift, obwohl der Text von einem einzigen Schreiber angefertigt wurde, als erstaunlich unregelmäßig.212 Dies treffe auch auf die dekorative Gestaltung zu, sowohl in Hinblick auf das dekorative Konzept als auch auf die Verteilung der Buchlagen an die Illuminatoren.213 Im Unterschied zu Morris und James, die nur zwei Hände trennten, erkennt Sandler insgesamt fünf an der Handschrift be-
211 James 1906, S. 13. 212 Sandler 1986 II, S. 85. 213 Ebd.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
teiligte Maler.214 Sie entscheidet sich aufgrund von stilistischen Unterschieden in der Gestaltung der Rahmenleisten gegen eine Lokalisierung des Psalters nach East Anglia, sondern sieht eher Bezüge zu dem »Treatise of Walter of Milemete« (Oxford, Christ Church College, MS 92, 1326–1327, London)215 und dem Sidney Sussex Psalter (Oxford, Sidney Sussex College, MS 76, um 1325–1330, Diözese von Exeter).216 M. A. Michael erkannte Ähnlichkeiten mit dem Barlow Psalter (BLO, MS Barlow 22) und der Croyland Apokalypse (Cambridge, Magdalene College, MS 5).217 –– Ende Oktober 1895 sah sich Morris mit dem Bibliothekar Mr Powell Handschriften in der Bibliothek des Christ Church College in Oxford an.218 Vielleicht lässt sich eine Äußerung in Morris’ Brief an Cockerell vom 1.11.1895 (PML), in dem er über den Besuch berichtet, mit dem »Tiptoft Missale« in Verbindung bringen : »one English I should say about the date of the big missal, and not unlike it in style ; very interesting, and mostly beautiful. The other c. 1280 French N Testament : the illuminations of most singular beauty & refinement. I wish Rosenthal would find me one like it ; I would buy it as an expiring effort.«219 Bei den erwähnten Handschriften handelt es sich um Walter de Milemetes »Liber de Officiis Regium« (Oxford, Christ Church MS 92) und Guyart de Moulins »Bible historiale« mit dem Neuen Testament (Oxford, Christ Church MS 178), eine Pariser Handschrift aus dem 3. Viertel des 13. Jahrhunderts mit historisierten Initialen.220 IV.4. (47) Missale Secundum usum Montensem Bibliothèque royale de Belgique, Brüssel, MS II 2663
Pergament, 201 Bl., 325 × 240 mm, 2°, DK, 36 Z. Illuminierte Bordüren (fol. 1r und Kanon) ; 14 illuminierte Initialen, davon 13 historisiert ; ornamentale Initialen. Um 1460 ; flämisch, »à l’usage de l’église Sainte-Waudru, à Mons«221. Einb.: Halbeinband, rotes Maroquin. Bibl.-kat.:
214 Morris, vgl. Rooke 1982, S. 36 ; James 1906, S. 15 ; Sandler 1986 II, S. 85. 215 Alexander/Temple 1985, Nr. 283, S. 29–30, Taf. 19 ; Sandler 1986 II, Nr. 84, S. 91–93, I Abb. 217, 222. Faksimile-Ausgabe durch den Roxburgh Club 1913, hrsg. von M. R. James. 216 Sandler 1986 II, S. 85–86. 217 M. A. Michael, Oxford, Cambridge and London : Towards a Theory for »Grouping« Gothic Manuscripts, Burlington Magazine 130, 1019, Februar 1988, S. 107–115, hier S. 115. 218 Vgl. BL, MS Add. 45410, Eintrag am 31.10.1895 : »Y. P. took me into Ch. Ch. Library : saw two very fine books de Officiis regum, English c. 1330 & French testament c. 1280.« 219 Zit. nach : Kelvin 1996 IV, S. 332, Nr. 2421. Vgl. a. Morris’ Diary von 1895, BL, MS Add. 45410, Eintrag zum 31.10.1895 : » […] saw two very fine books de Officiis regium, English c. 1330 & French Testament c. 1280«. 220 Alexander/Temple 1985, Nr. 672, S. 67, Taf. 40. 221 Van den Gheyn 1901, Nr. 437, S. 265.
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William Morris als Handschriftensammler
–– WM 1898, 798. –– FSE 59 : »Missale. sec. usum Montensem. Flemish. French. c. 1460. Folio. 40«. Kat.: J. van den Gheyn, Catalogue des Manuscrits de la Bibliothèque de Belgique, Bd. I Écriture sainte et Liturgie, Brüssel 1901, Nr. 437, S. 265–266. Prov.: Thomas Bateman – Morris – RB – WM 1898, 798 – 1900 bei Leighton von der Bibliothèque royale de Belgique, Brüssel, erworben. Quellen : In der Handschrift einliegend ein Brief von Morris an Leighton vom 25. März [1891] : »Dear Mr. Leighton, I want to put a point to you. I am much dissapointed with the speculum, the cuts being very poor & mechanical (to my mind). on the other hand I like your 2 MSS very much & should like them both. would you agree to an Exchange. I am much // better & would be glad to see you this evening«.222 Zum MS :
–– In der Auktion der Sammlung von W. und T. Bateman bei Sotheby’s vom 25.–30.5.1893 wurden drei Missale-Handschriften im Folio-Format angeboten : Los 1444, ein Missale von ca. 1450 für Valentino Alphonso Borgia, den späteren Papst Calixtus III., mit reichem Buchschmuck, Los 1449, ein Missale aus dem 13.–14. Jahrhundert mit einem Einband aus lederbezogenen Eichendeckeln mit Messingschnallen, und Los 1445, ein Missale des 15. Jahrhunderts in einem Kalbsledereinband mit illuminierten Initialen und Bordüren sowie einer Kreuzigungsminiatur. Sollte Morris die Handschrift tatsächlich aus dieser Auktion erworben haben, so scheint, basierend auf den Beschreibungen, am ehesten Los 1445 in Frage zu kommen. In seinem Auktionskatalog der Bateman-Sammlung (Grolier-Club, New York) vermerkte er zu Los 1444 ein Kreuz und »see« sowie »£ 86«, zu Los 1445 jeweils ein Kreuz am linken und rechten Seitenrand. Dazu im linken Seitenrand »not dear« und am rechten Rand » see«, »very good book will go high«. Zu Los 1450 finden sich keine Anmerkungen.
V. Breviaria-Handschriften
ad Usum Ecclesiae Cathalunensis [Chalons-sur-Marne] cum Calendario Verbleib unbekannt. Pergament, 476 Bl., 8°+infra, DK. 44 historisierte Initialen mit Dekorationen im Seitenrand. 14. Jh.; Nordfrankreich. Einb.: Kalbsleder. V.1. (48) Breviarium
222 Ich bin Michiel Verweij von der Handschriftenabteilung der Koninklijke Bibliotheek van België – Bibliothèque royale de Belgique in Brüssel sehr zu Dank in Hinblick auf den Inhalt des Briefes verpflichtet. Vgl. zum Datum 1891 : van den Gheyn 1901, Nr. 437, S. 265.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 52. –– FSE 31 : »Breviarium Romanum. N. French. Chalons s. Marne [in Bleistift] c. 1300. 4to. 45 -«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 52 – [Ridges] Tregaskis £ 36. Zum MS :
–– 2 Bl. eingerissen, eines fehlend. –– Die letzten 22 Bl. von einer späteren Hand beschrieben. V.2. (49) Breviarium Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 200
Pergament, 491 (489+2) Bl., 220 × 160 mm, DK, 39 Z. 1350–1400 bzw. um 1400/1420 ; Süditalien, Franziskaner, eventuell Tarent (Cataldus als Schutzheiliger, vgl. James 1906, S. 29). Einb.: Leder über Holzdeckeln, Metallschließen und -beschläge, 14.–15. Jh., Italien. Bibl.-kat.:
–– FSE 33 : »Breviarium Romanum. Italian. c. 1420. 4to. 160 Gibson. Craig JPM 15«. –– BQ 1987, 20 : »North Italian work with a great quantity of finely designed miniatues. In its original binding / Sec. XIV–XV«. Prov.: 18.1.1872 James Thomson Gibson Craig, in Rom erworben – Gibson Craig-Auktion I, Sotheby’s, 27.6.1887, 380 – Leighton – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 570 – James 1906, Nr. 15, S. 29–31 – Ricci 1937 II, S. 1403, Nr. 200 – Harrsen/Boyce 1953, Nr. 44, S. 24. Zum MS :
–– 139 Initialen und 30 Ornamentbordüren. –– Historisierte Initialen (H. ca 12 Z.) mit Szenen aus dem Alten Testament, dem Leben Christi, der Apostel, der Heiligen und mit Darstellungen von Kirchenfesten. Der Buchstabenkörper ornamentiert und mit Blättern belegt, vor Goldgrund. –– Ungerahmte Bordüren aus Blatt- und Blütenranken sowie Akanthusblättern, die sich um Stäbe winden können, mit kleinen nackten Figuren. –– Große Initialen auf Initialquadraten mit floralen Mustern, mit Büsten von Heiligen, Propheten, Aposteln im Binnenfeld oder die Buchstaben aus Blättern gebildet mit weit in den Seitenrand hineinragenden Abschlussmotiven. Zweizeilige farbige Initialen ohne Dekoration. –– James charakterisierte die Ausschmückung der Handschrift als »rather coarse«, von einem »distinctly southern aspect« geprägt, wobei sich die Darstellung der alten Männer an byzantinische Vorbilder anlehne.223 Harrsen und Boyce wiederum verwiesen auf stilistische Parallelen zur französischen Buchmalerei des 14. Jahrhunderts, die z. B. 223 James 1906, S. 30.
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William Morris als Handschriftensammler
in den Blattformen deutlich würden, und erachteten deswegen ein französisches Gebetbuch als mögliche Vorlage des Künstlers.224 V.3. (50) Breviarium Minorum Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 75
Pergament, 590 Bl., 188 × 125 mm, DK, 31 Z. Spätes 14. Jh./um 1350 ; Frankreich, eventuell Paris (James 1906, S. 19). Franziskanischer Ritus, vielleicht für eine königliche Kapelle Karls V. ausgeführt (Ricci 1937 II, S. 1280). Zwei Maler, jeweils für Miniaturen und Bordüren bzw. für Grotesken und Vögel (James 1906, S. 22) ; verschiedene Künstler, die im Stil von Jean Pucelle arbeiteten. Einb.: braunes Maroquin, blindgeprägt, 19. Jh., England ; Schuber aus rotem Maroquin, Marguerite Duprez Lahey. Bibl.-kat.:
–– FSE 32 : »Breviarium Fratrum Minorum. French. c. 1380 4to. 200 JPM 12«. –– BQ 1897, 19 : »MS. on delicate vellum, exquisite French work with lovely Miniatures, and long simple borders which occasionally bear pretty grotesque designs. This is a richly decorated volume of the utmost beauty About 1370–80«. Prov.: Edwin Henry Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.–12.5.1892, 88 – 1892 von WM bei BQ für £ 195 erworben – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 569 – James 1906, Nr. 12, S. 19–22, 2 Taf. – Ricci 1937 II, S. 1380, Nr. 75. Lit.: Kelvin 1996 III, Nr. 1989, S. 399, Anm. 2. Ausst.: BFAC 1908, Nr. 131, S. 60. Quellen zum MS :
–– Randnotizen von Morris in seinem Exemplar des Katalogs der E. H. Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.–12.5.1892, 88 (Grolier Club, New York) : »[3 Kreuze] c. 1350 very good all round book of date«. Preisangaben im Seitenrand festgehalten : »£ 195 Q – 150 – £ 88 [durchgestrichen]«. –– Brief von Morris an Quaritch vom 10.5.1892, Quaritch-Archiv, zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1989, S. 399 : »As to the other (88) I will have it also : it is certainly a fine specimen of its period and in good condition.« –– Brief von Morris an Leighton, 12.5.1892, McMinn Papers, BLO, zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1990, S. 399 : »Looking at the Breviarium again I don’t think the price very high. It is certainly quite out of the way as to excellence in its period.« –– Brief von Morris an Quaritch vom 12.5.[1892], zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1991, S. 400 : »[…] looking carefully over the Breviarium think it a very fine book, quite
224 Harrsen/Boyce 1953, S. 24.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
removed from the commonplace and I cannot see how it can be considered dear, in view of the high praises paid for books that are commonplace.« Zum MS :
–– Insg. 97 Bildfelder, davon 24 im Kalendarium und 73 Miniaturen bzw. Bas-de-pageSzenen, ornamentierte Initialen und Bordüren. –– Fol. 1r–6v : Kalendarium-Miniaturen : Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen in vierpassförmigen Feldern im unteren Seitenrand, der Hintergrund rot und blau mit goldenen Ornamenten ; Leisten mit Besatz aus Zweigen, Blättern und Groteskenmotiven. –– Fol. 7v : Beatus-Miniatur : David harfespielendend, David im Kampf mit Goliath als Bas-de-page-Szene. –– Miniaturen zu den Psalmen und Gebeten in Vierpassrahmen vor Mustergrund mit Darstellungen von David, Szenen aus dem Leben Christi und der Heiligen. Das Vierpassfeld steht auf einem rechteckigen Feld, das von einem Rahmen – z. T. mit goldenen Masken und Blüten an den Ecken – eingefasst wird. –– Die Bas-de-page-Szenen in Grisaille, z. T. leicht laviert, mit biblischen Motiven, Groteskenwesen, Tieren, Vögeln, Musikern. Vertikale und horizontale Leisten mit Besatz aus Zweigen, Blättern und Groteskenmotiven. –– Mit geometrischen Mustern versehene vier- und zweizeilige Initialen und Randleisten mit Besatz aus Herz- und Dornblättern, Vögeln, Grotesken und Tieren. Einzeilige Initialen mit Fleuronnée, alternierend in Blau/Rot und Gold/Schwarz. –– Die eleganten Figuren besitzen oft eine S-förmige Silhouette (z. B. fol. 415r). Die Faltenpartien der Gewänder sind sorgfältig durch Aufhellungen modelliert. Ein Vergleich der beiden Verkündigungsminiaturen (fol. 415r, 578v) legt nahe, dass an der Handschrift mindestens zwei Maler gearbeitet haben. –– François Avril vermutete eine Verbindung zu dem Künstler »D« von BNP, MS fr. 167, und Königliche Bibliothek Stockholm, MS A. 165.225
VI. Stundenbücher VI.1. (51) Horae Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 92
Pergament, 140 Bl., 165 × 110 mm, 29 Z. 1230–1239 ; Frankreich : Die genannten Heiligen deuten auf Soissons hin, stilistisch verweist die Handschrift nach Paris (Wieck 1997, S. 28). Einb.: rotbraunes Maroquin, blindgeprägt, Marguerite Duprez-Lahey. 225 François Avril, Un chef-d’œuvre de l’enluminure sous le règne de Jean le Bon : La Bible moralisée, manuscrit français 167 de la Bibliothèque nationale, in : Fondation Eugène Piot, Monuments et Memoires 58, 1972, S. 102, Anm. 2–3, S. 110, Anm. 1, Abb. 17 ; vgl. PML-File zu MS M. 75.
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William Morris als Handschriftensammler
Bibl.-kat.:
–– FSE 101 : »Horae. French. c. 1260. sm. 8° 450 JPM 74«. –– Ev. BQ 1897, 41 : »Franco-Flemish work. A book of great beauty, illustrated with an unusual quantity of Miniatures and decorative borders (Cost Mr. Morris £ 400) About 1340«. Prov.: im Juli/August 1895 von Morris bei Rosenthal für £ 450 erworben – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 584 – James 1906, Nr. 74, S. 113–116 – Ricci 1937 II, S. 1383, Nr. 92 – Branner 1977, S. 58–59, 207, Abb. 89. Lit.: PML 1976, S. 41. Ausst.: BFAC 1908, Nr. 124, S. 56, Taf. 53 – Wieck 1997, Kat. Nr. 12, S. 28 mit Abb. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52772, fol. 47v, 7.7.1895 : Lord Balcarres berichtet Morris von der Rosenthal-Handschrift. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 7.7.1895 : Hinweis von Balcarres auf Rosenthal MS. –– Ebd., 24.7.1895 : »Book came from Rosenthal small but very fine condition. moderate«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 50v, 24.7.1895 : »Wonderful French 13th Book of Hours arrived in the evg. from Rosenthal of Munich«, vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 56r, 24.7.1895. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 25.7.1895 : »To Grange to show Ned Rosen thal’s book which he liked much. Offered by wire £ 350. […] I like the book much but over persuaded by Murray and others.« –– Ebd., 27.7.1895 : »Walker afterwards bring Rosenthal’s book.« –– Ebd., 5.8.1895 : »Heard from Rosenthal. offers book for 450 bought it & sent cheque.« –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 52v, 5.8.1895 : »Rosenthal has written that he would take £ 450 for his MS Book of Hours – so WM will keep the book, which is a beauty«, vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 56, 5.8.1895. –– Brief von Morris an Jenny Morris 5.8.1895, BL, MS Add. 45340, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2390, S. 299 : »Rosenthal answered my letter : Knocks off £ 50 so I must have the book.« –– CW XXIV, S. xix-xx. Zum MS :
–– Fol. 1v–14r : 14 ganzseitige Miniaturen eines Christuszyklus sowie Szenen aus dem Marienleben von der Verkündigung bis zur Darstellung von Christus als Weltenherrscher, die Blätter nur einseitig bemalt, so dass sie sich jeweils paarweise gegenüberstehen, die Miniaturen geschlossen dem Text vorangestellt, von Gold- und farbigen Ornamentrahmen eingefasst. Die großen Figuren befinden sich, nur von wenigen Requisiten und Angaben zum Handlungsschauplatz ergänzt, vor Goldgrund. Die Gewänder sind durch die sorgfältige Faltengebung und die bewegten, gewellten Säume 548
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gekennzeichnet. Die expressiven Gesichter sind feingezeichnet und durch lange Nasen, die sich nach unten hin verbreiten und feingezeichnete Nasenlöcher aufweisen, durch ein rundes Kinn und relativ große Augen geprägt. Die Miniaturen sind durch Rot-, Blau- und Grüntöne bestimmt. Fol. 15r–20v : Kalendarium mit zwei Medaillons je Seite, die Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen auf Goldgrund zeigen. 97 historisierte Initialen mit Darstellungen der Kirchenfeste, von Szenen aus dem Leben von alttestamentlichen Helden, von Christus und der Heiligen, mit Besatz aus Groteskenwesen oder Blattranken. Initialen in Gold auf rosafarbenem und blauem Grund, leistenartige Ausläufer, z. T. mit Groteskenmotiven, Blattbesatz und floralen Motiven. Zeilenfüllungen in Gold, Rot und Blau mit Drachen- und Fischmotiven sowie florale und geometrische Ornamente, frei auf die Seite aufgetragen. Robert Branner ordnete 1977 MS M. 92 zusammen mit anderen Handschriften der Gruppe »Morgan 92« zu, die wiederum den »Toledo and Oxford Moralized Bible Ateliers« verbunden ist.226
VI.2. (52) Pabenham-Clifford Hours oder Grey Fitzpayn Hours bzw. Clifford Grey Hours Fitzwilliam Museum Cambridge, MSS 191, 242 (Abb. 59) MS 191 Fragments [fol. 37, 55]
Pergament, 2 Bl., 247 × 167 mm, 21 Z., = fol. 37 und 55 von FMC, MS 242 Auf fol. 1r [fol. 55r] Ende von Ps 120, auf fol. 1v [fol. 55v] Initiale mit Kreuzigung, Bordüre mit Grotesken, Tieren und dem Wappen von Grey und Clifford, in den unteren und inneren Seitenrändern Darstellung einer betenden Frau und eines betenden Mannes. Datiert zwischen 1280 und 1330 ; England. Prov.: Sir Andrew Fountaine, Narford Hall, Norfolk – Sir John Fenn Library – Puttick & Simpson’s, London, 16.–18.7.1866, 865 – Samuel Sandars, Trinity College, Cambridge – 1892 als Geschenk an das FMC. Die beiden Blätter stammen aus einer Handschrift, die Morris 1894 auf der Fountaine-Auktion, Christie’s, 6.7.1894, 143, erwarb (FMC, MS 242). Kat.: Montague Rhodes-James, A Descriptive Catalogue of the Manuscripts in the Fitzwilliam Museum, Cambridge 1895, S. 398–399, Abb. zw. 398/399. MS 242 Pabenham-Clifford Hours oder Grey Fitzpayn Hours bzw. Clifford Grey Hours
Ritus von Salisbury (Sarum use) Pergament, 93 Bl., 247/248 × 167/170 mm, 19–21 Z. Um 1300–1308/1315–1330 ; England. Einb.: Kalbsleder, goldgeprägt, Douglas Cockerell. Prov.: von Morris auf der Sir Andrew Fountaine of Narford Hall-Auktion bei Christie’s am 6.7.1894, 143, für £ 430 (inkl. Kommission) erworben. 1894 traf Morris mit dem 226 Branner 1977, S. 58–59, 207.
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William Morris als Handschriftensammler
FMC eine Vereinbarung, dass nach seinem Tode die Handschrift gegen den Vorzugspreis von £ 200 an das Museum gehen solle. Er erhielt dafür ein lebenslanges Eigentumsrecht an dem Buch und durfte solange die beiden fehlenden Blätter aus der Sammlung des FMC verwahren. Nach dem Tod von Morris durch Cockerell an das FMC gegeben (22.10.1896). Kat.: Wormald/Giles 1982 I, S. 157–160, Abb. 26–27, Taf. I – Sandler 1986 II, Nr. 31, S. 36–37, Abb. 73, 74, 77 Ausst.: Exhibition 1896, Kat. Nr. 16, S. 207–208 Lit.: Thompson 1896, S. 223, 224 – Donald Drew Egbert, The Grey-Fitzpayn Hours. An English Gothic Manuscript of the Early Fourteenth Century now in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, MS 242, The Art Bulletin 18, 4, 1936, S. 527–539 – Donald Drew Egbert, The Thickhill Psalter and Related Manuscripts, New York 1940, S. 90–94, 175–181, Taf. XCV–XCVIIIa. – Rickert 1954, S. 146, Taf. 128 – John Harthan, Book of Hours and their Owners, London 1977, S. 43, 177 – Morris 1987, S. 22 – Panayotova 2005, S. 373 – Linenthal 2007, S. 363–364, 368 – Stoneman 2007, S. 345 – Panayotova 2008, S. 8–9, Abb. 1.1. auf S. 8, Abb. auf S. 6–7. Ausst.: Catalogue 1896, Nr. 16, S. 16 – Illuminated Manuscripts in the Fitzwilliam Museum, hrsg. von Francis Wormald, Phyllis M. Giles, Cambridge 1966, Nr. 35, Taf. 14 – Paul Binski, in : Binski/Panayotova 2005, Kat. Nr. 81, S. 191–193 mit Abb. – Panayotova 2009, S. 6–9 mit Abb., S. 23 – Panayotova 2016, Kat. Nr. 64, S. 242–243. Quellen zum MS :
–– Notizen in Morris’ Exemplar des Katalogs der Fountaine-Auktion, Christie’s, 6.7.1894, 143 (Grolier Club, New York) : Morris : »very fine in all respects – rather used«, Cockerell : »Bought by Quaritch for Morris for £ 425 and afterwards sold by him for £ 200 to the Fitzwilliam Museum at Cambridge in condition that he (W.M.) should hold it for his lifetime with 2 leaves that already belonged to the Museum.« –– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 38r, 5.7.1894 : mit Morris zu Christie’s »to see the books in the Fountaine sale, on which WM has set his heart«, siehe a. CW XXIV, S. xxiii. –– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 38r, 6.7.1894 : »WM bought the wonderful Clifford Hours for £ 410 (& commission !)«, siehe a. CW XXIV, S. xxiv ; BL, MS Add. 52772, fol. 48r. –– Brief von Morris an Quaritch, 7.7.1894 (Quaritch-Archiv), zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2270, S. 167 : »I enclose a check with much pleasure, and thank you for getting me the book. The more I look at it, the better I like it : It is a magnificent speciment of English Art.« –– BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 39r, 12.7.1894 : Morris hat seine neue Handschrift bei Gatti’s dabei, um sie Webb zu zeigen. –– Ebd., fol. 40r, 21.7.1894 : »WM discovered that a leaf from his Grandison Psalter Clifford Hours is in the Fitzwilliam Museum«. 550
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– BL, MS Add. 52772, fol. 49r, 21.7.1894 : »W.M. discovered that a leaf from his new Clifford book is in the Fitzwilliam Museum«. –– HL, MS HM 36980, Brief von Morris an Cockerell vom 29.10.[1894] : Morris will an Mr. M. R. James schreiben, »& I think I can easily set the matter right with the help of Mr. Fletcher«, Morris’ Rechtsanwalt. –– FMC, Briefe Morris’ an Montague Rhodes James vom 24.7.1894 (Kelvin 1996 IV, Nr. 2278, S. 174–175), 27.7.1894 (ebd., Nr. 2279, S. 175–179), 31(?).7.1894 (ebd., Nr. 2283, S. 185), 8.8.1894 (ebd., Nr. 2286, S. 187), 29.10.1894 (ebd., Nr. 2321, S. 223– 224), 16.11.1894 (ebd., Nr. 2329, S. 233), 27.11.1894 (ebd., Nr. 2333, S. 237), 5.12.1894 (ebd., Nr. 2335, S. 238), 14.12.1894 (ebd., Nr. 2340, S. 242), 18.12.1894 (ebd., Nr. 2341, S. 242), 12.1.1895 (ebd., Nr. 2345, S. 245), 16.3.1895 (ebd., Nr.2358, S. 258) und an seine Tochter Jenny vom 8.8.1895 (ebd., Nr. 2286, S. 187). Morris beschrieb das Buch in seinem Brief an Montagu Rhodes James vom 24.7.1894 ausführlich : »[…] the other day I bought at the Fountaine sale a very beautiful English book c.1300. I found on looking at it there there was a leaf lacking which had been cut out of the book after it had been put into its present binding which seems to be of early 18th century. Shortly afterwards Mr. E. Walker showed me the photograph of a single leaf belonging to the Fitzwilliam, done for the series of facsimiles which he is doing for you. He called my attention to the fact that this leaf must once have formed part of my book, and on looking into the matter we found that there could be no doubt of it. Your leaf is the beginning of the penetential psalms, and has an initial D historiated with the cruxifiction. In the margin, besides animals & grotesques and other ornament clearly by the same hand as the work in my book ; there are 3 shields of arms, the first (Grandison) Checky or and azure with a bend gules charged with 3 lioncels argent the 2nd barry of 6 argent and azure, on a bend gules 3 stars or. the 3rd gules a cross engrailed or. There are also two little figures of the owners whose robes carry the first two shields mentioned ; the man the 2nd, the woman the first impaled with the second, her husbands coat of course. All the objects appear in other pages of my book, done exactly the same way ; except that the shield with the engrailed cross is blue on one page : in the other it red as in your leaf. I should add that there is nothing wanting in that part of my book excepts the one leaf. […] There is however another point which I have in view in writing to you, to wit, to ask whether it would be impossible for the Fitzwilliam to make some exchange which would be advantageous to it, so that I might have the leaf for the completion of my book.«227 In seinem Brief an Montague Rhodes James vom 27.7.1894 formuliert Morris nochmals seine besondere Wertschätzung und die kunsthistorische Stellung der Handschrift. Zugleich gibt er eine Begründung, warum es ihm nicht möglich sei, dem Museum die Handschrift nach seinem Tod als Geschenk zu überlassen : »I am not a rich 227 Zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2278, S. 174. Zur Heraldik : ebd., S. 175, Anm. 4–13.
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William Morris als Handschriftensammler
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man as the world accounts it, and am forced therefore to look upon my collection of books to some extent as the money laid by for my family after my death. I bought the book at the Fountaine Sale for £ 430 (including the commission) This may have been a high price ; but I believe that if it were offered for sale again now, it would not bring much less, considering the quite extraordinary character as a work of art. At any rate I should think £ 300 a moderate price for it. […] though there are painted books with more work in them ; yet there is nothing better in the whole range of English art of the period, as I am sure you will think when you see it. I am not much of an liturgical student either ; but I take the book to be an early form of Hours : I have another book which has the same text, a French book of c 1300 : also to a French psalter c. 1280 which I have, is added the same text as a continuation.«228 Die übrigen Briefe von Morris an M. R. James beschäftigen sich mit den rechtlichen und versicherungstechnischen Vereinbarungen zwischen ihm und dem Museum. BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 19.3.1895 : Treffen mit M. R. James, der die zwei Blätter der Pabenham-Handschrift (vgl. a. BL, Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 34v, 19.3.1895, dort durchgestrichen und durch Clifford korrigiert) zur Ansicht mitbringt.229 BL, MS Add. 52772, fol. 53r, 19.3.1895 : Sir Thomas Phillipps-Auktion, Sotheby’s 21.– 25.3.1895, wo sich Morris und Cockerell mit M. R. James treffen, »he came back to K.H. with the two leaves of the Clifford Grey Horae that belong to the Fitzwilliam Museum«, vgl. BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 34v, 19.3.1895. Mackail 1995 II, S. 311 : Morris an Ellis am 23.3.1895 zum 3. Tag der Phillipps-Auktion : »Two books I bid for. A 13th century Aristotelian book with three very pretty initials, but imperfect top and tail ; I put £ 15 on this with many misgivings as to my folly – hi ! It fetched £ 50 ! ! A really pretty little book, Gregory’s Decretals, with four or five very tiny illuminations ; I took a fancy to it and put £ 40 on it, expecting to get it for £ 25 – ho ! it fetched £ 96 ! ! ! Rejoice with me that I have got 82 MSS., as clearly I shall never get another. I have duly got my two leaves, and beauties they are.« (vgl. Kelvin 1996 IV, Nr. 2361, S. 261230). BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 64r, 22.10.1896 : Cockerell bringt das Clifford Grey-Stundenbuch ins FMC. V&A, Inv.-Nr. L. 693 IIiii 1958, S. 5 (86SS44, 5) : Brief Georgiana Burne-Jones’ an Cockerell, 25.10.1896 : Übergabe des Psalters an das FMC : »a very fine English MS Book of Hours of the beginning of the 14th century. Morris bought this book at Christie’s & it was discovered that two leaves from it were at the Fitzwilliam. The leaves were made
228 Zit. nach : ebd., Nr. 2279, S. 175/179. 229 Die Bezeichnung Pabenham Book auch in CW XXIV, S. xxiii. 230 Kelvin identifizierte die von Morris genannten Handschriften als die Lose 28 und 358, vgl. Kelvin 1996 IV, Nr. 2361, Anm. 2–3, S. 261.
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over to Morris for his lifetime on condition that the book should pass with the leaves to the Museum, at a very favourable price, at his death.« CW XXIV, S. xxiv : Cockerell stellt fest, dass einige Blätter in dem Stundenbuch fehlen, woraufhin sich Emery Walker, der gerade die Abbildungen für den MSS-Katalog des FMC hergestellt hatte, daran erinnert, dort zwei ähnliche Blätter gesehen zu haben. I. H. I. 1895/2005, S. 126, 128 ; vgl. Peterson 1982, Anhang B, S. 116. Mackail 1995 II, S. 312. CW XXIV, S. xxiii-xxiv.
Zum MS :
–– Ev. als Geschenk zur Heirat von Sir Richard de Grey mit Joan, Tochter von Sir Robert FitzPayn und Isabel, Tochter von Sir John de Clifford of Frampton on Severn, zwischen 1300 und 1308 entstanden. Binski schließt sich einer neueren Zuordnung durch J. A. Goodall an, der die im MS dargestellten Stifter mit John de Pabenham (†1331) und Joan Clifford identifizierte. Hieraus würde sich eine spätere Datierung in die Zeit um 1315–1330 bzw. 1314–1315 ergeben, wenn davon auszugehen wäre, dass die Handschrift zu ihrer Vermählung angefertigt wurde.231 –– 2 ganzseitige Miniaturen mit historisierten Initialen und reichen Rahmenbordüren auf der gegenüberliegenden Rectoseite : fol. 2v (Anfang des Marienoffiziums) Verkündigung, fol. 3r siebenzeilige Initiale mit Darstellung der Madonna mit dem Kind, eingefasst von einer dreiteiligen floralen Bordüre mit Blättern, Groteskenmotiven, Tieren, Vögeln, fol. 28v (Anfang des Dreifaltigkeits-Offiziums) Trinität, fol. 29r Initiale mit segnendem Christus sowie der vor ihm knienden Joan Fitzpayn, Bordüre mit Hirschjagd, Löwen und Wappen in den Seitenrändern. –– Ehemals vermutlich noch eine weitere ganzseitige Miniatur zum Anfang des Heiligen Geist-Offiziums, zwischen fol. 41/42. –– Eine weitere siebenzeilige historisierte Initiale auf fol. 55v (Abb. 59) zu den Bußpsalmen mit Kreuzigung, florale dreiteilige Bordüre aus Blattwerk, in den Seitenrändern Groteskenwesen, Tiere, Vögel, Frauenköpfe, figürliche Szenen, Wappen der Fitzpayn, Grey, Clifford, Leyburn wie auf fol. 3r und 29r, betender Ritter im Seitenrand. Ursprünglich vermutlich noch drei weitere historisierte Initialen, jeweils zum Heiligen Geist-Offizium, dem Totenoffizium und Psalmen. –– Die Dekoration von Initialen und Bordüren mit großen Frauenköpfen, deren Haar z.T. von einem Schleier verdeckt ist, vgl. mit der Welles Apokalypse, BL, MS Royal 15 D. ii.232 Egbert wies in diesem Zusammenhang auf Ähnlichkeiten zu dem Bardolf-Vaux
231 Paul Binski, in : Binski/Panayotova 2005, S. 191–193, hier S. 192 nach John A. Goodall, Heraldry in the Decoration of English Medieval Manuscripts, The Antiquaries Journal 77, 1997, S. 179–220, hier S. 180–181 ; Panayotova 2016, Kat. Nr. 64, S. 242–243. 232 Wormald/Giles 1982 I, S. 158.
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William Morris als Handschriftensammler
Psalter (Lambeth Library, MS 233) hin.233 Für die Miniaturen zeigte er in Hinblick auf Kompositionsschemata Beziehungen zum Peterborough Psalter (Cambridge, Corpus Christi College, MS 53) auf.234 Auch Sandler und Binski erwogen unter stilistischen Kriterien eine Verbindung zum Bardolf-Vaux Psalter.235 Als weitere Vergleichshandschriften wurden FMC, MS McClean 15, BNP, MS lat. 6299, der Thickhill Psalter (Public Library New York, MS Spencer 26) vorgeschlagen.236 –– Drei- und zweizeilige Initialen mit floralen Besatzmotiven und z. T. mit Frauenköpfen im Binnenfeld. Kleine ornamentale Initialen und Zeilenfüllungen. VI.3. (53) Horae Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 60
Pergament, 66 Bl., 130 × 90 mm, 18 Z. Um 1300 ; Nordfrankreich, eventuell Thérouanne (Wieck 1997, S. 119). Ritus von St. Omer. Es wurden Ähnlichkeiten zum Ritus von Amiens festgestellt, wobei James 1906, S. 61, in diesem Zusammenhang auch auf stilistische Parallelen verwies. Einb.: braunes Maroquin, Bauzonnet. Bibl.-kat.:
–– FSE 46 : »Horae Beatae Mariae Virginis. French. Saligny [nachträglich eingefügt] c. 1320. sm 8° 90 JPM 31«. –– Ev. BQ 1897, 42 : »with many small Miniatures About 1350«. Prov.: Besitzervermerk von Anne und Françoise de Saligny, Priorinnen von St. Thomas en Forez, Ende 16. Jh. (fol. 1r) – Edwin Henry Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.–12.5.1892, 286 – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. 237 Kat.: Bennett 1900, Nr. 585 – James 1906, Nr. 31, S. 61–62 – Ricci 1937 II, S. 1377, Nr. 60. Ausst.: BFAC 1908, Nr. 123, S. 56, Taf. 83 – Wieck 1997, Nr. 92, S. 119 mit Abb. Quellen zum MS :
–– Randnotizen von Morris’ in seinem Exemplar des Auktionskatalogs der E. H. Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.–12.5.1892, 286 (Grolier Club, New York) : »[2 Kreuze] a very pretty small book, French, c. 1300«. Preisangaben im Seitenrand festgehalten : £ 50, überschrieben mit : 60. Cockerell : »W.M. owned this very pretty little book (a fragment) now Pierpont Morgan MS 31« [= PML, MS M. 60]. –– Vielleicht bezieht sich Morris in einem Brief an Leighton vom 12.5.1892 auf dieses französische Stundenbuch : »The little Horae you bought me gives me complete satis233 Vgl. Sandler 1986 II, S. 37. 234 Ebd. 235 Ebd. Binski verweist noch auf BL, MS Add. 47680, in : Binski/Panayotova 2005, S. 191–192. 236 Vgl. Panayotova 2016, S. 243. 237 Die Schoenberg Database of Manuscripts vermerkt weitere Stationen der Handschrift : M.‑S.G***-Auktion bei Potier, 22.3.1869, 35 – M.‑J. Renard-Auktion, Labitte, 21.3.1881, 62 – Em. Paul, L. Huard et Guillemin, 28.3.1887, 8, http://sdbm.library.upenn.edu/entries/75826 bzw. 77640 [Zugriff am 10.12.2017]
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
faction ; I never saw better work of its period, which is almost the best. I consider it well worth £ 100.«238 Zum MS :
–– Kein Kalendarium. –– 34 große historisierte Initialen, z. T. in Bordüren übergehend, mit Christuszyklus, Marien- und Apostelszenen vor Goldgrund, Bas-de-page-Szenen auf den EfeublattRahmenleisten mit Hirschen, Hunden und Hasen sowie Groteskenwesen. Der Buchstabenkörper und die Initialfeldzwickel mit weißen Ornamenten verziert. –– Zweizeilige Initialen auf Initialquadrat mit in den Seitenrand hinreichenden Ranken, z. T. mit Groteskenmotiven ; einzeilige Fleuronnée-Initialen ; Zeilenfüllungen in Blau, Rot und Gold aus frei auf der Seite aufgetragenen stilisierten floralen Ranken und geometrischen Mustern. –– James beurteilte die Handschrift als ein »most uncommon and charming specimen of a very good period and style of French art. It has some northern characteristics ; if less delicate than Parisian work it is perhaps purer and stronger«.239 VI.4. (54) Horae (»Meaux Horae«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 90
Pergament, 229 Bl., 130 × 100 mm, 12 Z. Um 1375 ; Frankreich, vielleicht Verdun und Paris. Textfassung ähnelt dem Ritus von Verdun. James 1906, S. 107, stellte fest, dass die Fassung allerdings mit keiner der geläufigen genau übereinstimmt. Zuschreibung an den Meister der Bibel des Jean de Sy, der seit dem 3. Viertel des 14. Jh.s in Paris tätig war und seinen Notnamen nach der Bibel für König Johann II. erhielt (BNP, MS fr. 15397), aber besonders unter dessen Nachfolger König Karl V. tätig war (Wieck 1997, S. 67). Einb.: braunes Maroquin, spätes 16. Jh., Frankreich. Das Monogramm P B D M deutet eventuell auf Dominique Seguier (†1657), Bischof von Meaux, hin (vgl. James 1906, S. 107). Prov.: um 1870 Sammlung George J. R. Gordon – von BQ in verschiedenen Katalogen aufgeführt : 1875–1877 (Nr. 5234), 1880 (332, Nr. 39), 1884 (8, Nr. 17381), 1886 (368, Nr. 35712), 1888 (93, Nr. 206), 1890 (118, Nr. 528), 1893 (138, Nr. 93 ; vgl. Ricci 1937 II, S. 1383) – am 22.4.1895 von Cockerell für Morris bei Quaritch ev. für £ 80 erworben
238 Zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1990, S. 399. Kelvin merkt allerdings an, dass die Preisnennung etwas problematisch sei, da Leighton für die Handschrift nur £77 bezahlt habe und der von Morris erwähnte Betrag die üblicherweise aufgeschlagene Kommission weit übersteigen würde, vgl. ebd., S. 400, Anm. 4. Vielleicht nennt Morris jedoch nicht den Kaufpreis, sondern den Wert, den er dem Buch beigemessen hat. 239 James 1906, S. 62.
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William Morris als Handschriftensammler
(vgl. Kelvin 1996 IV, S. 270, Anm. 2 ; PML 1976, S. 101 : £ 84) – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML Bibl.-kat.:
–– FSE 47 : »Horae Beatae Mariae Virginis. French. Verdun. c. 1370. Meaux. 12°. old. 84 JPM 68 [Verdun und Meaux sind nachträglich von unterschiedlichen Händen eingetragen]« –– Vermutlich bezog sich auch der durchgestrichene Eintrag auf dieses Stundenbuch : FSE 103 : »Horae. French. c. 1400. 12°. old bdg. 84«. –– BQ 1897, 43 : »a striking example of French work, with 17 Grisaille Miniatures of great merit About 1370«. Kat.: Bennett 1900, Nr. 586 – James 1906, Nr. 68, S. 107–108 – Ricci 1937 II, S. 1383, Nr. 81. Ausst.: PML 1933, Kat. Nr. 73, S. 38 – PML 1976, Nr. 16, Taf. viii – Wieck 1997, Nr. 48, S. 67 mit Abb. Lit.: Quaritch 1892, Taf. 187–188 – Linenthal 2007, S. 368. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 20.4.1895 : »[…] took away Meaux Horae to look at«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 37v, 22.4.1895 : »In aftn. I went up to negotiate the purchase of little Meaux book of Hours with B. Q.«, vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 54r, 22.4.1895. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 23.4.1895 : Morris erfährt, dass Cockerell für ihn das Meaux Stundenbuch für £ 80 erworben hat. –– HL, HM 36910, Brief von Morris an Cockerell, 24.4.1895, zit. bei Kelvin 1996 IV, Nr. 2368, S. 270 : »Many thanks for conducting the negotiation I look forward to seeing both book & sheets as my own«. Zum MS :
–– 17 rechteckige Miniaturen, ursprünglich umfangreicherer Zyklus, davon zwei Miniaturen eventuell von einem Schüler des Maître aux Bouqueteaux in das MS eingefügt.240 Grisaillefiguren mit Goldnimbus vor farbigen Gründen mit geometrischen und floralen Mustern : fol. 30v ganzseitige Miniatur mit Christus im Garten Gethsemane ; nach fol. 43r 7 Bl. mit ganzseitigen Miniaturen eines Christuszyklus eingefügt. Die Miniaturen sind auf dünnes Pergament gemalt und auf die Blätter der Handschrift aufgeklebt. Die Bildfelder liegen einander paarweise gegenüber. Die Grisaillefiguren und die sie umgebende Szenerie kann leicht farbig laviert sein. Die Szenen gerahmt von farbigen stilisierten Blattranken auf ausgezahnten Goldleisten, in Efeu auslaufend. Ein bis zwei Szenen je Seite vor floralen Mustergründen in Gold, Weiß oder Schwarz.
240 PML 1976, S. 101.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Zu den Stundengebeten sind weitere ganz- oder halbseitige Miniaturen mit Passionsszenen eingefügt. –– Initialen mit Efeudekoration und entsprechende Zeilenfüllungen. Groteskenmotive, die von einzelnen Buchstaben ausgehen und diese als Grundform einbeziehen. VI.5. (55) Horae Beatae Mariae Virginis Library of Indiana University, Bloomington, Indiana
Pergament, 276 Bl. (WM 1898 : 274 Bl.), 150 × 110 mm (8°), 23 Z. 76 illuminierte Initialen, Fleuronnée-Buchstaben in Rot und Blau, 3 Diagramme. 15. Jh.; Holland. Einb.: Eichendeckel, braunes Kalbsleder, geprägt, 18. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 438. –– FSE 114 : »Horae. Dutch. [durchgestrichener Text mit Preisangabe in englischen Pfund in runden Kammern] 10«. Prov.: Earl of Ashburnham – WM – RB – WM 1898, 438 – Hepenstal £ 6.15 – Michael Tomkinson, Sotheby’s, 3.4.1922, 484 – John Howell – 1954 George A. Poole Jr. – Library of Indiana University. Kat.: Ricci Suppl., S. 178, Nr. 12. VI.6. (56) Horae Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 99
Pergament, 188 Bl., 220 × 160 mm, 15 Z. 1405–1415 ; England, Gloucestershire. Gloucester-Ritus, Salisbury-Ritus für das Marienoffizium. Einb.: rotes Maroquin, sp. 18. Jh., England. Bibl.-kat.:
–– FSE 48 : »Horae Beatae Mariae Virginis. English. c. 1430. Gloucester book [in Bleistift nachgetragen] 4to 100 – JPM 95«. –– BQ 1897, 46 : »with rich borders and initials and 3 Miniatures […] About 1430«. Prov.: geschrieben für die Benediktiner-Abtei St. Peter in Gloucester – gefunden unter den Dielen von Linsted Lodge – am 12.10.1785 von Lady Teynham an Lord Dacre gegeben – Sammlung Sir Thomas Barrett Lennard – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML Kat.: Bennett 1900, Nr. 622 – James 1906, Nr. 95, S. 145–155 – Ricci 1937 II, S. 1384, Nr. 99 – Scott 1996 II, S. 126–127. Zum MS :
–– Keine Miniaturen im Kalendarium. –– 3 historisierte Initialen : Madonna und Kind, Christus gefesselt und verspottet, Christus als Weltenrichter auf Regenbogen (fol. 1r, 58r, 92r). Die Initialen sind durch das 557
William Morris als Handschriftensammler
üppige Blattwerk ihrer Abläufe an die vierseitigen Leistenrahmen angeschlossen, an den Ecken und Seitenmitten große Blattrosetten, von denen weiteres Blattwerk und Goldbeeren in den Seitenrand ausgehen. Zwischen diesen Arrangements fünfstämmige Anordnungen aus Blättern, Fleuronnée und Goldbeeren. –– Vier- und fünfzeilige Initialen auf ornamentiertem Grund mit vierseitiger Randdekoration aus Leisten, besetzt an den Ecken und Mitten mit Bündeln aus sich einrollenden Blättern sowie mit Fleuronnée und einzelnen Blattstielen. Zweizeilige goldene Initialbuchstaben auf farbigen, z. T. ausgezahnten Gründen, von denen reiches schwarzes Fleuronnée in die Seitenränder hineinragt, das mit Goldbeeren und bunten, sich einrollenden Blättern besetzt ist. Einzeilige Fleuronnée-Initialen in Gold und Blau bzw. Blau und Rot, das Fleuronnée wird z. T. in den Seitenrändern weitergeführt. –– Scott schrieb die drei historisierten Initialen drei verschiedenen Malern zu, die Bordüren vier unterschiedlichen Künstlern, wobei einer der Bordürenmaler, »Hand D«, dem Bordürenmaler der Handschrift Oriel College, Oxford, MS 75, entspreche.241 Der Bordürenmaler »B« wiederum ähnele dem Bordürenmaler der Handschrift BLO, MS Digby 233. –– F. S. Ellis basierte seine Ausgabe der »Psalmi Penitentialis«, die 1894 bei der Kelmscott Press gedruckt wurde, auf dieser Handschrift.242 VI.7. (57) Horae Beatae Mariae Virginis, cum calendario Koninklijke Bibliotheek. Nationale Bibliotheek van Nederland, Den Haag, KB 79K30
Pergament, 234 Bl., 130 × 90 mm, 15 Z. Um 1420–1440 ; Holland, ev. Zwolle bzw. Utrecht.243 Einb.: schwarzes Maroquin, goldgeprägt. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 439. –– FSE 50 : »Horae B.V.M. Dutch. c. 1450. 8°. 25«. –– BQ 1897, 45[ ?] : »with brilliant Miniatures and borders. Dutch or Flemish work About 1420«. Prov.: Stempel des Musée Napoleon ; von SCC für WM bei Sothebys am 4.7.1895 erworben (Notiz im Vorsatz) – RB – WM 1898, 439 – Wilton (Henry Wellcome) £ 10.10 – aus dem Nachlass 1945 an Dawsons of Pall Mall – H. A. Foyle – William Foyle-Auktion, Christie’s, 11.–13.7.2000, 62 – Célesta Fine Art, Amsterdam – Koninklijke Bibliotheek. Nationale bibliotheek van Nederland, Den Haag. 241 Scott 1996 II, S. 126. 242 Peterson 1985, A30, S. 78–80, hier S. 78. Siehe ausführlich zum Text : Curt F. Bühler, The Kelmscott Edition of the Psalmi Penitentiales and Morgan Manuscript 99, Modern Languages Notes 60, 1, 1945, S. 16–22. 243 Vgl. http://blog.kb.nl/herkomst-william-morriss-kelmscott-manor, von Paul van Capelleveen (28.3.2014) [Zugriff am 26.3.2015].
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Quellen zum MS :
–– Vielleicht bezieht sich der Diary-Eintrag Morris’ vom 28.6.1895 (BL, MS Add. 45410) mit dem Vermerk : »bought Contanes [ ?] missal for £ 42« auf diese Handschrift, wobei das Juli-Datum auf dem Vorsatz dann den Zeitpunkt vermerken würde, als Morris sie in seine Bibliothek einfügte. Zum MS :
–– 6 fünf- bis neunzeilige Initialen mit Rankenfüllung, begleitet von dreiseitigen Rahmen mit Blattranken, deren Ausläufer in den Seitenrand hineinragen. –– Einzeilige Initialen in Gold oder Blau mit Fleuronnée. Zweizeilige Initialen in Gold auf farbigem Quadratgrund mit weißem Ornament. Entsprechende vierzeilige Initialen mit Rankenausläufern mit Goldpunktbesatz. Zeilenfüllungen in farbiger Tinte mit Goldpunkten. VI.8. (58) Horae Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 76
Pergament, 318 Bl., 116 × 88 mm, 13 Z. Um 1420/1450 ; flämisch, ev. Brügge. Meister der Goldranken-Gebetbücher (tätig 1410–1450). Einb.: grüner Samt, Silberbeschläge und -verschlüsse, grüner Maroquin-Schuber von Marguerite Duprez Lahey. Bibl.-kat.:
–– FSE 51 : »Horae B.V.M. Dutch. c. 1460. 8°. 40 ? JPM 85«. –– BQ 1897, 47 : »Flemish or Dutch work with fine Miniatures […] About 1450«. Prov.: WM im April 1895 aus Deutschland erworben (Ricci 1937 II, S. 1380) – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 580 – James 1906, Nr. 85, S. 130–132 – Ricci 1937 II, S. 1380, Nr. 76. Lit.: Erwin Panofsky, Early Netherlandish Painting. Its Origin and Character, Bd. I, New York, London u. a. O 1971 (1. Aufl. Princeton 1953), S. 402, Anm. 3 zu S. 114, S. 406– 407, Anm. 1 zu S. 122 – Bert Cardon, Robrecht Lievens, Maurits Smeyers, Typologische Taferelen mit het leven von Jesus. A Manuscript from the Gold Scrolls Group (Bruges, ca. 1440) in the Pierpont Morgan Library, New York, Ms. Morgan 649, Leuven 1985, S. 157–158 – Georges Dogaer, Flemish Miniature Painting in the 15th and 16th centuries, Amsterdam 1987, S. 31 – Philip E. Webber, Johanna C. Prins, Medieval Netherlandic Manuscripts in the Pierpont Morgan Library New York, Archives et Bibliothèques de Belgique, Sondernummer 39, Brüssel 1991, S. 24–43, 145 Zum MS :
–– 26 Miniaturen mit Christuszyklus und Heiligenszenen. Die Miniaturen vermutlich unvollständig und auf einzelnen, eingebundenen Blättern, eingefasst von üppigen vierseitigen Bordüren aus Ranken mit Besatz aus Goldblättern, Blüten, in denen sich z.T. auch Tiere und Groteskenwesen aufhalten. 559
William Morris als Handschriftensammler
–– Die Miniatur auf fol. 195r zeigt den Besitzer des Buches, der vor der Madonna mit dem Kind kniet. Diese Miniatur ist größer als die anderen der Handschrift und wurde eventuell von einem anderen Künstler ausgeführt.244 Die Beteiligung zweier Künstler an der Handschrift wird auch durch stilistische und formale Unterschiede nahegelegt. So werden die Miniaturen durch zwei verschiedene Rahmenformen eingefasst, wenn auch das Grundmotiv der farbigen Rahmenleiste mit rechteckiger Felderung in beiden Formen verwendet wird : zum einen Rahmen, die sich nach oben hin bogenförmig erheben, zum anderen rechteckige Rahmen, deren Ecken mit goldenen Schmuckmotiven besetzt sind. Bei beiden Rahmenformen wird die Szene mit Angaben zum Handlungsort, wie Felsen, Grasstreifen oder Fliesenboden, von farbigen Mustergründen hinterlegt, wobei es sich entweder um stilisierte florale Linienornamente in Gold oder Rot oder um stoffartige Dekorationen handelt. Der Freiraum zwischen Mustergrund und Rahmen wird von blauem Himmel, aus dem Engelsköpfe herausgearbeitet sind, gefüllt. Nicht nur die Rahmenformen unterscheiden sich, sondern auch die Zeichnung des Ornaments der Seitenränder. Dieses ist bei den Bogenrahmen zierlicher und feiner, die Anordnung nahezu symmetrisch, und auf Grotesken wird weitgehend verzichtet. Auch die Blattformen unterscheiden sich in Details. Bei den Miniaturen lassen sich außerdem einmal Scheibennimben, dann Strahlennimben feststellen. –– Einzeilige Initialen in Blau auf rotem Grund und Gold auf blauem Grund. Zweizeilige Initialen in Gold auf Blau oder Rose mit weißer Ornamentzeichnung. Vier- bis sechszeilige Initialen in Gold auf mehrfarbigen Gründen mit Rankenornamenten, Goldbeeren, Blüten, z. T. mit Groteskenmotiven. Von den Initialen können auch mehrteilige Leisten mit Flechtbändern und Eckknoten ausgehen. VI.9. (59) Horae Beatae Mariae Virginae La Médiathèque François Mitterand et son réseau, Poitiers, MS 1006
Pergament, 105 Bl. davon 92 Bl. (Text), 185 × 126 mm (4°), 16 Z. 6 Miniaturen und 10 illuminierte Bordüren (»marginal decorations«245), davon 1 historisierte und 9 ornamentale Initialen : Bordüren mit von Akanthusblättern umschlungenen Stäben, feinem Rankenwerk mit Goldblättern, -sonnen und Blüten, vier- bis fünfzeilige ornamentale Initialen auf farbigem Grund, ein- bis dreizeilige Initialen mit farbigem Fleuronnée. Spätes 15. Jh./um 1400 ; Frankreich, vermutlich Poitiers (vgl. a. den Kalender). Einb.: Samt, blau. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 487. –– FSE 104 : »Horae. French. c. 1480. velvet 20«. 244 James 1906, S. 131. 245 WM 1898, S. 49, Los 487.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– BQ 1897, 44[ ?] : »with many Miniatures, French work / About 1400«. Prov.: Louise Goullard – 1640 an ihre Tochter Renée Legier de la Sauvagière – Sotheby’s, 13.–14.12.1892, 98 (?) – Leighton £ 21 – WM – RB – WM 1898, 487 – BQ £ 49 – L. M. E. Dent (Exlibris) – Christie’s, 9.7.2001, 14 – Sotheby’s, 18.6.2002, 48 – 2002 Poitiers. Quellen zum MS
–– Notizen in Morris’ Exemplar des Auktionskataloges, Sotheby’s, London, 13.14.12.1892, S. 8, Los 98 : »£ 15 / catching dicky birds / pictures rather good / borders pretty of their kind / writing bad / (The rest of the horae not worth a damn)«246. Durch drei vertikale Striche markiert. –– Brief von Morris an Leighton, 12.12.[1892], zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 2075, S. 480 : »I enclose 2 leaves from Tuesdays sale catalogue with 3 articles which I have marked 33, 95, 98. I do not care much about them except at a price. 33 is the best. It is very clean and at the price I should like it. The other I don’t suppose I should get at the prices, but if you can get them at that well & good. I dont think things will go high.«247 Leighton konnte jedoch wohl nur Los 98 erwerben. Nach Kelvin befand sich allerdings Los 98 der Auktion von 1892 vermutlich nicht in der Morris-Auktion von 1898.248 Es liegen in der Tat zahlreiche Abweichungen in der Beschreibung in den Auktionskatalogen von 1892, 98, und 1898, 487, vor. Bei Los 98 der Auktion von 1892 handelt es sich um ein französisches Stundenbuch aus dem 15. Jahrhundert mit einem belgischem Kalender im Octavo-Format mit 150 Bl., blauem Samteinband, drei ganzseitigen und zehn kleineren Heiligen-Miniaturen sowie 25 Bordüren mit Jagdszenen, Blumen, Früchten und Vögeln.249 Der blaue Samteinband ist mit einem blauen MoiréVorsatz, Metallecken und zwei Verschlüssen versehen, die das Buch in Poitiers nicht aufweist. Der Einband ist hier schlicht gehalten, der Vorsatz marmoriert. Es kann sich jedoch auch nicht um die Lose 33 und 95 der Auktion von 1892 handeln, für die sich Morris interessierte, da dieses Gebetbuch und Stundenbuch entweder umfangreicher (95 : 25 Miniaturen und 225 florale Bordüren) gehalten sind oder in wichtigen Details abweichen (33 : 20 Blatt mit feinen Seidenstickereien, 16mo ; 95 : roter Maroquin Einband). –– Die Handschrift wird auf der Schoenberg Database of Manuscripts identifiziert mit einem Stundenbuch (Sotheby’s, 18.6.2002, 48), dessen Miniaturen vielleicht dem Illuminator von Guido de Colonnas Zerstörung Trojas (Russische Nationalbibliothek, St. Petersburg, MS Lat. F.v.IV.5) zugeschrieben werden könnten und die eine stilisti246 Sotheby’s, London, 25.1.1983, Los 360A ; Sammlung Jack Walsdorf, University of Maryland. Zit. nach : http://www.lib.umd.edu/williammorris/exhibition/12collector.html ; http://hdl.handle.net/1903.1/ 16526 [Zugriff am 24.10.2014]. 247 Vgl. a. Kelvin 1997, S. 127. 248 Vgl. Kelvin 1996 III, S. 480, Nr. 2075, Anm. 1. 249 Auktionskatalog Sotheby’s, London, 13.‑14.12.1892, S. 8, Los 98.
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William Morris als Handschriftensammler
sche Nähe zum Luçon-Meister aufweisen.250 Das Stundenbuch wird nach Paris oder Poitiers lokalisiert und 1390–1400 datiert. Wie das Exemplar aus Morris’ Sammlung weist es 92 Bl. (185 × 126 mm/16 Z.), sechs Miniaturen und 10 Initialen, davon eine historisiert, auf. Es enthältet einen Eigentumsvermerk von Reneé Legier de la Sauvagière aus dem Jahr 1640, allerdings fehlt einer von Morris. VI.10. (60) Horae Beatae Mariae Virginis, cum calendario Keble College, Oxford, MS 77
Pergament, 209+i Bl., 163 x 113 mm, 20 Z. Ende/3. Viertel 15. Jh. bzw. um 1450 ; Holland (Utrecht). Einb.: Eichendeckel, gefärbtes Pergament mit blindgeprägten linearen Mustern. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 437. –– FSE 49 : »Horae Beatae Mariae Virginis. Dutch. c. 1450. 12°. 10«. –– BQ 1897, 48 : »French work with pretty drawings, initials and borders. In an English Elizabethan binding / about 1460«. Prov.: Utrecht (Kalender) – Madame van Huerne de Puyenbeke (geb. Schietere de Lophem) – WM – RB – WM 1898, 437 – Edwards £ 40 – Rev. Christie Chetwynd Atkinson (†1911) – 1911 als Geschenk an das Keble College, Oxford. Kat.: Malcolm B. Parkes, The Medieval Manuscripts of Keble College Oxford : a Descriptive Catalogue with Summary Descriptions of the Greek and Oriental Manuscripts, London 1979, Nr. 77, S. 311–317 mit Abb.; Alexander/Temple 1985, Nr. 837, S. 85, Abb. auf Taf. LVIII. Lit.: Henri L. M. Defoer, Anne S. Korteweg, Wilhelmina C. M. Wüstefeld, Ausst.-Kat. The Golden Age of Dutch Manuscript Painting, New York, Utrecht, Stuttgart 1989, Kat. Nr. 057. Zum MS :
–– 5 große Miniaturen mit Mosaikgrund, Leistenrahmen mit Blattranken, stilisierten Blüten und Halbfiguren von Engeln auf einseitig bemalten Blättern ; auf der gegenüberliegenden Seite jeweils reiche ornamentale Bordüren und große Initialen. –– Entsprechende Initialen und Randdekorationen. Fleuronnée in Blau und Rot im Kalender. Anhang A.VI.1.
Eventuell bezieht sich der folgende Eintrag von Morris in seinem Diary von 1895 auf eines der holländischen Stundenbücher : BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 20.4.1895 : »In morning to Q, bought dutch book instead of little 13th century.« 250 Https ://sdbm.library.upenn.edu/entries/20967 ; https://sdbm.library.upenn.edu/entries/7262 [Zugriff am 13.12.2017]. Zuschreibung nach : Christie’s, 9.7.2001, 14, S. 60.
562
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Anhang A.VI.2.
Nicht zuzuordnen ist die folgende Angabe zu einem Stundenbuch in F. S. Ellis’ Inventar der Bibliothek von Morris : Bibl.-kat.:
–– FSE 102 : »Horae French. c. 1300. 12° 90«. Ebenso nicht zuzuordnen sind die Verweise von Morris in seinem Exemplar des Hail stone-Auktionskataloges und in einem Brief an Leighton : –– Officium et Horae B.M.V. secundum usum Rothomagensis Ecclesiae (Rouen) : 16 große Miniaturen, florale Bordüren, 16 Initialen, vergoldeter Kalbsledereinband, 15. Jh. Prov.: Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891, 2072 – Leigthon £ 27 – WM. Quellen zum MS :
–– Eintrag von Morris in seinem Exemplar des Auktionskataloges : »£ 27 me English good pictures good«. –– Brief von Morris an Leighton, 30.4.[1891], zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 296 : »The Offices (2072) seems to me moderate also, and an interesting book«.
VII. Kirchenväterschriften VII.1. (61) Ambrosius : Epis. Mediolanensis –
Compilatio Dictorum beati Ambrosii edita a Fratre Bartholomeo de Urbino Ord. Frat. Eremit. S. Augustini, de mandate Clementis Papae Sexti (Bartholomaeus Simeon Carusio, Ambrosianum) Fitzwilliam Museum Cambridge, MS CFM 9
Pergament, ii+380+ii Bl., 415 × 280 mm, DK, 54 Z. Schreiber : Petrus de Guioldis und Dionysius de Bregonziis, Kanon von S. Agnese de Soma, Diözese von Mailand. Künstler : Tomasino da Vimercate, Anrigino da Taegio (Fleuronnée-Initialen)251. 22.11.1408 (dat. in Kolophon) ; Mailand. Einb.: Kalbsleder, blindgeprägt, fr. 19. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 120. –– FSE 11 : »Bartholomeus de Urbino. Dicta S. Ambrosii. 1408. Folio. 20-«. –– BQ 1897, 2. Prov.: Fabbrica der Kathedrale von Mailand – als Leihgabe an die Dominikaner von Sant’Eustorgio, Mailand, als Kopiervorlage252 – Charles Butler – WM – RB – WM 1898,
251 Zur Zuschreibung : Morgan/Panayotova 2011, S. 204. 252 Ebd.
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William Morris als Handschriftensammler
120 – BQ £ 36 – Laurence W. Hodson, Compton Hall, Wolverhampton – CFM – 1904 FMC Kat.: Wormald/Giles 1982 I, S. 16–17 – Morgan/Panayotova 2011, Nr. 118, S. 202–204. Zum MS :
–– Der erste von vielleicht insg. drei Bänden einer alphabetischen Konkordanz zu den Werken des hl. Ambrosius. Dieser erste Band umfasst die Buchstaben A-E. Die Sammlung wurde zwischen 1347 und 1350 von Bartholomaeus Simeon Carusio, Bischof von Urbino, im Auftrag Clemens VI. zusammengetragen und 1556 unter dem Titel »Ambrosianum Sc. Dyonisius de Bregonziis« in Lyon von M. Bonhomme gedruckt.253 –– Historisierte Initiale auf fol. 4r mit der Buchübergabe durch Bischof Carusio an Papst Clemens VI., Rahmenleisten aus Blumen, Zweigen, Goldpollen, Vierpassmedaillon mit Darstellungen der Schutzmantelmadonna und Kirchengebäude (oben) sowie Wappen von Mailand (unten). –– Auf der Rückseite (fol. 4v) : Randdekorationen mit Vögeln, Efeuranken, Zweigen und einer historisierten Initiale, die den hl. Ambrosius als Bischof in seiner Studierstube zeigt. –– An den Textunterteilungen fünf große Initialen in Gold und Farben mit Rankenausläufern. Fleuronnée-Buchstaben : alternierend in Rot und Purpur bzw. in Blau und Rot. VII.2. (62) Ambrosius : Opuscula,
De Obitu Fratris ; de Resurrectione ; de Virginibus ; de Sanctis Agricola et Vitale ; de Vocatione omnium gentium, etc. Verbleib unbekannt. Pergament, 86/89 Bl., 2°, DK, 46 Z. 4 Initialen mit Heiligendarstellungen, Randdekorationen auf fol. 1r. Um 1440 ; Italien. Einb.: Pergament, goldgeprägt. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 118. –– FSE 2 : »Ambrosii Opuscula. Folio. Italian. 15th c. 5 10 [Datierung und Lokalisierung von CFM]«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 118 – Tregaskis £ 6.15 – Ludwig Rosenthal, München 1910, Kat. 135-I, 75. VII.3. (63) Athanasius Alexandrinus : Contra Gentiles liber primus per Ambrosium Monachum florentinum e greco in latinum traductus Houghton Library, Harvard College Library, Cambridge, Mass., MS Typ 289
Pergament, 106 Bl., 233 × 149 mm, 26 Z. 253 Vgl. Wormald/Giles 1982 I, S. 16.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Die erste Seite mit dreiteiliger Weißranken-Rahmenbordüre auf blauem Grund, Goldbeeren, im unteren Seitenrand Lorbeerkranz ; 2 Weißrankeninitialen (fol. 1r, 51r). Um 1465–1470 ; Italien, eventuell Venedig (Ricci 1937 II, S. 1695). Einb.: zeitgenössischer venezianischer Einband, Eichendeckel, Kalbsleder mit Blindstem pelung, Verschlüsse. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 78. –– FSE 8 : »Athanasius contra gentiles. circa. 1465 fine binding [in Bleistift] 15«. –– BQ 1897, 6 : »MS. on vellum, in the original pretty binding of gilt olive marroco over wooden boards […] About 1470«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 78 – Leighton £ 25.10 – E. Stainton, Parham Court, Canterbury – Stainton-Auktion, Sotheby’s, 26.7.1920, 518 – 1933 Philip Hofer – 1967 an die Harvard College Library gegeben – 1984 gestiftet. Kat.: Ricci 1937 II, S. 1695, Nr. 14 (Philip Hofer) – Wieck 1983, S. 130, Abb. 102. Lit.: de la Mare 1985, Nr. 88, S. 547, 437–438. Zum MS :
–– Dem Schreiber wird auch die Handschrift Florenz, Biblioteca Laurenziana, MS Laur. Fiesole 44 zugeschrieben.254 VII.4. (64) Augustinus : Sermones super novissimos quinquaginta Psalmos Houghton Library, Harvard College Library, Cambridge, Mass., MS Typ 703
Pergament, 2+178 Bl., 465 × 312 mm, DK, zumeist 52 Z. Um 1150 ; Deutschland (?), eventuell aus dem Rheingebiet. Einb.: Holzdeckel, braunes Kalbsleder, blindgeprägt, 19. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 148. –– FSE 9 : »Augustinus. Sermones super Psalmos. c. 1150 50 (Hodson)«. –– BQ 1897, 8 : »MS. on vellum in round and handsome Carolingean letters. Written in Western Germany About 1080«. Prov.: Techener, 17.11.1845, 35 – William und Thomas Bateman-Auktion, Sotheby’s, 25.– 31.5.1893, 233 – WM – RB – WM 1898, 148 – BQ £ 50 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 28 – BQ £ 28 – A. Chester Beatty MS 129 – A. Chester BeattyAuktion, pt. II, Sotheby’s, 24.7.1969, 45, Taf. 11 – Alan G. Thomas Kataloge von 1971 (26, Nr. 1), 1973 (31, 6), 1975, (34, Nr. 3), 1977 (36, Nr. 1). – Philip Hofer 1979 – Philip Hofer Bequest 1984, Harvard College Library. Kat.: Light 1988, Kat. Nr. 15, S. 43–45, Taf. 10. Quellen zum MS :
–– Notizen in Morris’ Katalog der Bateman-Auktion, Sotheby’s, 25.–31.5.1893, 233 (Gro254 Vgl. de la Mare 1985, S. 547.
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William Morris als Handschriftensammler
lier Club, New York) : Morris : »12 century rather good say 20«. Cockerell : »Morris – Hodson – Beatty«. Zum MS :
–– 8–12-zeilige mehrfarbige Initialen mit Flechtband- und Knotenornamenten als Stammfüllungen sowie Weinlaubranken mit Blättern in den Binnenfeldern vor farbigem Grund. –– 4–7-zeilige einfachere Initialen in Rot, Blau, Grün, Purpur ; farbige Anfangsbuchstaben. –– Eventuell gehörte dieses MS ursprünglich als letzter Band zu einer drei Bände umfassenden handschriftlichen Kopie der Kommentare, die – wie die Größe und Randbemerkungen vermuten lassen – zur Lesung bei der Matutin verwendet wurde.255 VII.5. (65) Augustinus : Manuale Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 154
Pergament, 53 Bl., 170 × 120 mm, 19 Z. Dreiseitige Weißrankenbordüre auf Polstergrund (fol. 1r), die innere Rahmenleiste aus eng aneinandergefügten grünen Blättern, im unteren Seitenrand ein Wappenschild ; Initiale mit Blättern. Goldene Initialbuchstaben mit farbigen Binnenfeldern in dunkelblauem Quadratgrund. 1462 (vgl. fol. 53v) ; Italien. Einb.: Pergament, goldgeprägt, 16. oder 17. Jh., Frankreich. Bibl.-kat.:
–– FSE 10 : »Augustinus. Manuale. ‹ c. 1460 › 1462. sm. 4to 3 JPM 99«. –– BQ 1879, 7 : »elegant Italian work Dated 1462«. Prov.: ungedeutetes Wappen – Charles-Adrien Picard 1748 – 1753 Marquis de Migieu – Migieu-Auktion 1760, 157 – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 560 – James 1906, Nr. 99, S. 148 – Ricci 1937 II, S. 1395, Nr. 154. VII.6. (66) Gregorius Magnus : Moralia in Jobum Lib. I–XXVII
Verbleib unbekannt. Pergament, 732 Bl., 5 Bde., 4°, 29–31 Z. 28 große Rankeninitialen mit Grotesken. 12. Jh.; Deutschland. Einb.: Halbpergament. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 470. –– FSE 43 : »Gregorius Magnus : Moralia in Job. German. c. 1120. 5v. sm. folio. 30 (Hodson)«. 255 Vgl. Light 1988, Kat. Nr. 15, S. 43.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– BQ 1897, 37 : »About 1180«. Prov.: Bateman-Auktion, Sotheby’s, 25.–31.5.1893, 789 – WM – RB – WM 1898, 470 – Leighton £ 24.10 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 280 – BQ £ 49. Quellen zum MS :
–– Notizen in Morris’ Exemplar des Katalogs der Bateman-Auktion, Sotheby’s, 25.– 31.5.1893, 789 (Grolier Club, New York) : Morris : »see«. Cockerell : »Savile Sale, WM 470, Hodson«. VII.7. (67) Gregorius IX.: Decretales cum Glossa Ordinaria Bernhardi (Bottoni) Papiensis
(Bernard von Parma) Huis Bergh, s’Heerenberg, Inv.-Nr. 217 (MS 43)
Pergament, 326 Bl., 390 × 250 mm (2°), DK, 40 (Text) bzw. bis zu 93 Z. (Kommentar). 4 Miniaturen mit Darstellungen von Kirchenriten, Bordüren mit Blüten- und Groteskenornamenten, 178 ornamentale Initialen, z.T. mit Grotesken, rote und blaue Initialen mit Fleuronnée-Besatz. 13. Jh./um 1300 ; Südfrankreich (Toulouse). Einb.: Eichendeckel, Schweinsleder, blindgeprägt, Metallverschlüsse, Douglas Cockerell, Doves Bindery, 1896. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 563 : »4 finely illuminated miniatures […] representing religious ceremonies«. –– FSE 97 : »Gregorii Decretales. Folio. Folia 120? Hodson«. –– FSE 98 : »Gregorii Decretalis. Gratiani Folio 180 [ ? ; gesamter Eintrag durchgestrichen]«. –– BQ 1897, 36 : »Italian writing, with 4 Miniatures of French work About 1250«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 563 – BQ £ 68 – Sotheby’s, 13.7.1909, 45 – Arnold Mettler (St. Gallen) u. a.-Auktion, Mensing & Fils (Frederik Muller & Cie), Amsterdam, 5.4.1935, 5 – 1935 erworben Huis Bergh. Kat : Anne S. Korteweg, Catalogue of Medieval Manuscripts and Incunabula at Huis Bergh Castle in s’Heerenberg, Stichting Huis Bergh, s’Heerenberg 2013, Kat. Nr. 48, S. 95–98 mit Abb. und weiterführ. Lit. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 26.10.1895 : »Looked at Rosen : Decretals a good book wants £ 45 offer him 35 in evening came the two others. Bible no good : same as Ellis & Elvey showed me. other decretal very good book but in bad condition wants £ 25 offer £ 15.« –– Ebd., 1.11.1895 : »Rosenthal offers £ 60 for two books took them«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 64r, 24.10.1895 : »Gregorie IX Decretals 1290 MS from Jacques Rosenthal.« –– PML, Brief von Morris an Cockerell, 1.11.1895 : »Which reminds that R. has answered 567
William Morris als Handschriftensammler
me this morning, will (purely to oblige me) take £ 60 for the two ; I have sent it thinking it not so very dear.«256 Beischrift von Cockerell auf fol. 2a : »Two MS copies of Gregory’s Decretals.« Es ist allerdings unklar, um welche Handschrift es sich bei dem zweiten Dekretale handelt. Morris erwarb hingegen im Oktober 1895 von Rosenthal auch eine Handschrift von Johannis Andreas »Novella super sexto libro Decretalium«, BL, MS Add. 38644, vgl. VIII. 6. (77). Als Erwerbsdatum ist hier aber der 10.10.1895 vermerkt. VII.8. (68) Gregorius IX.: Decretales cum glossis Bodleian Library Oxford, MS Lat. th. b. 4
Pergament, 216 Bl., 430 × 270 mm, DK, 47 Z. Illuminierte und farbige Initialen, z. T. historisiert, Rahmenleisten, Fleuronnéebordüren. Schreiber : Leonardus de Gropis aus Modena. 1241 (dat. am Ende des MS) ; Modena oder Bologna. Einb.: rotes Maroquin. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 560. –– FSE 107 : »Gregor. Decretals. 12 4‹ to › Folio. 25«. –– BQ 1897, 34 : »5 Miniatures / Modena, 1240«. Prov.: Dominus Bertrandus, Spanien 15. Jh.? – Richard le Poer-Trench, 2. Earl of Clancarty – Poer-Trench-Auktion, Sotheby’s, 2.9.1894, 95 – Leighton £ 19.11 – WM – RB – WM 1898, 560 – BQ £ 24 – T. de Marinis & Co., Florenz, Kat. X, 1909, 231 – BQ 1942, Kat. 594, Nr. 16 – 1942 BLO. Kat.: Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 73, S. 8, Taf. VI – Watson 1984 I, Nr. 565, S. 92, II, Taf. 105. Lit.: Linenthal 2007, S. 368. VII.9. (69) Gregorius IX.: Decretalium Libri X cum Glossa Bernhardi Bottoni Sydney Jones Library, University of Liverpool, MS F.4.20
Pergament, 354+i Bl., 415 × 245mm, DK + Kommentartext, 38–41 Z. bzw. 92 Z. 5 Miniaturen mit kirchlichen Würdenträgern auf Schachbrettgrund, diejenige mit dem hl. Gregor zu einem späteren Zeitpunkt übermalt. Illuminierte Initialen in Blau oder Rosa mit weißem Rankenwerk und Golddekoration vor gleichfarbigem Hintergrund. Fleuronnée-Buchstaben. Um 1290/3. Viertel des 14. Jh.; Frankreich. Schreiber : in Frankreich von einem englischen Schreiber (von Thomas dem Normanen, Thoma Normanno, geschrieben, siehe fol. 354r ; vgl. WM 1898, 561). Einb.: Eichendeckel, Leder, Verschlüsse. Bibl.-kat.: 256 Zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2421, S. 332.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– WM 1898, 561 : »5 highly finished historiated miniatures […] of figures in ecclesiastical costume on chequered grounds«. –– FSE 109 : »Greg. Decret. Folio. 70 Bruce Ingram«. –– BQ 1897, 35 : »5 pictures (the writing Italian, the pictures French) About 1250«. Prov.: Vermerke über Christianus Treverensis (?) in Paris von 1370 und 1372 – WM – RB – WM 1898, 561 – BQ £ 67 – Bruce S. Ingram – Sotheby’s, 19.5.1936, 24 – BQ Kataloge von 1937 (532) und 1945 (629, Nr. 5) – Robert G. Morton – 1969 als Geschenk an die BLO. Kat.: N. R. Ker, Medieval Manuscripts in British Libraries, Bd. III, hrsg. von C. Cunningham, A. G. Watson, Oxford 1983, S. 315–316 ; Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 188 ; Jonathan Alexander/Paul Crossley : Ausst.-Kat. Medieval and Early Renaissance Treasures in the North West, Whitworth Art Gallery, Manchester 1976, Kat. Nr. 17, S. 21, Taf. 5b. Ausst.: BFAC 1908, Kat. Nr. 94, S. 46. Quellen zum MS :
–– Brief von Morris an Cockerell, 3.8.1894 (Beischrift von Cockerell), Harvard, zit. nach : Kelvin IV, Nr. 2284, S. 185 : »All right about books ; I daresay I shall be glad to keep the MS.« –– Vgl. dazu Kelvin 1996 IV, S. 186, Anm. 3 : Kelvin vermutete, dass es sich bei dem Dekretale vielleicht um eine Handschrift der Garbally-Auktion (2.–4.8.1894) handeln könnte, Los 95, die von Leighton für £ 19.10 erworben wurde. Das Garbally-MS wird als Handschrift auf Pergament mit fünf illuminierten Initialen und vielen kleinen Initialen beschrieben. –– Eine allerdings italienische Handschrift des Dekretale erwähnt Cockerell in seinem Diary von 1894 : BL, MS Add. 52631, Cockerell, Diary 1894, fol. 42r, 2.8.1894 : »Bought a 13th c Italian MS for W.M. at Sotheby’s – Gregory’s Decretals«. Vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 49r, 2.8.1894. Da Morris das Decretalium, BLO, MS Lat. th. b. 4 erst im September 1894 erwarb, kann es sich nicht um die bei Cockerell erwähnte italienische Handschrift handeln. VII.10. (70) Hieronymus : Liber Esaiae cum expositione S. Hieronymi, Tractatus de Septem vitiis The Chapin Library, Williams College, Williamstown, Mass., MS XIII
Pergament, 177 Bl., 280 × 220 mm, DK. 2 Initialen mit Rankenwerk. Um 1240 ; Südwestdeutschland (Ricci 1935 I, S. 1082). Einb.: Kalbsleder, um 1700. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 587 : »elaborate scroll-work«. –– FSE 44 : »Hieronymi Explanatio Esaiae Prophetae. c. 1240. Folio. 5 0«. –– BQ 1897, 50 : »English work with bold decoration / About 1150«. 569
William Morris als Handschriftensammler
Prov.: um 1700 Prämonstratenserkloster Weissenau bei Konstanz – WM – RB – WM 1898, 587 – Leighton £ 55 – J. Martini Kataloge von 1920 (16, Nr. 8) und 1921 (17, Nr. 4) – 1921 Chapin Library Williamstown, Mass. Kat.: Ricci 1935 I, S. 1082, Nr. 5. VII. 11. (71) Hieronymus : Vita et Epistolae, collectae ex eius tractatibus, Augustini, Damasi, Gelasii, Gregorii et aliorum Patrum per Sylvester Landum
Verbleib unbekannt. Pergament, 120 Bl., 4° (83∕8 × 5¾ in.), 23–24 Z. Auf fol. 1r illuminierte Initiale, Bordüre und Wappen, 28 ornamentale Initialen auf Goldgrund. 1451 ; Italien, Verona. Einb.: Eiche, Leder, geprägt. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 480. –– FSE 45 : »Hieronymi Vita et Epistolae. Italian. c. 1455. 4to. 25 Tomkinson«. –– BQ 1897, 29 : »Small 4to. MS. on vellum, Italian work / About 1460«. Prov.: Ex Cancell. Verone Idibus Julii 1451 – WM – RB – WM 1898, 480 – Waring £ 11 – Michael Tomkinson-Auktion II, Sotheby’s, 3.7.1922, 1494.
VIII. Verschiedene Texte religiösen Inhaltes VIII.1. (72) Bestiarium (»Worksop Bestiary«) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 81
Pergament, 120 Bl., 215 × 155/165 mm, 23–25 Z. Um 1170 (James 1906, S. 165)/um 1185 ;257 England, eventuell Lincoln oder York. Text wie BL MS Royal 12 C. xix mit einigen Unterschieden in Themen und Darstellungen (Cockerell, vgl. James 1906, S. 166). Einb.: grünes Maroquin, goldgeprägt, 19. Jh., England. Bibl.-kat.:
–– FSE 95 : »Bestiarium 4to 900 JPM 107«. –– BQ 1897, 10 : »MS. on vellum, written in England, illustrated with a great number of Miniatures of very fine quality About 1180 / This is one of the most precious and remarkable MSS. in the collection, and cost Mr. Morris the greater part of a sum of £ 900«. Prov.: 1187 von Philip, Kanonikus von Lincoln, mit weiteren Büchern an das AugustinerPriorat von Radford, heute Worksop, gegeben (Inschrift auf fol. 1v) – Radford (Worksop) 257 Kauffmann 1975, Nr. 106, S. 126, unter Bezug auf das auf fol. 1v genannte Datum der Schenkung 1187.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Priory – Sammlung Alexander Hamilton Douglas, Duke of Hamilton, MS 77 – 1883 Königliches Museum, Berlin – Hamilton-Auktion, Sotheby’s, 23.5.1889, 2 – Trübner – Jacques Rosenthal – SCC am 30.4.1896 von Rosenthal in Stuttgart in Morris’ Auftrag für £ 900 erworben – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 561 – James 1906, Nr. 107, S. 165–167, 2 Taf. – Ricci 1937 II, S. 1381, Nr. 81 – Kauffmann 1975, Nr. 106, S. 126–127, Abb. 299–303. Lit.: W. von Seidlitz, Die illustrierten Handschriften der Hamilton-Sammlung zu Berlin, Repertorium für Kunstwissenschaft VI, 1883, S. 256–273, hier S. 265 – Thompson 1896, S. 218 – Millar 1926, S. 38, 88, Taf. 55 – M. R. James, The Bestiary, Roxburgh Club 1928, Nr. 11, S. 11 – Rickert 1954, S. 88, Abb. 91b – Kauffmann 1975, Nr. 106, S. 126–127, Abb. 299–303 – Morris 1987, S. 22 – MacCarthy 1994, S. 660 – Debra Hassig, Medieval Bestiaries, Cambridge & New York 1995, Abb. 53, 68, 84, 163 – Linenthal 2007, S. 368–369 – Panayotova 2009, S. 23. Ausst.: Exhibition 1896, Kat. Nr. 4, S. 201 – Catalogue 1896, Kat. Nr. 4, S. 6 – BFAC 1908, Nr. 80, S. 39, Taf. 69 – PML 1933, Kat. Nr. 33, S. 19, Taf. 33 – The Animal Kingdom. Illustrated Catalogue of an Exhibition of Manuscript Illuminations, Book Illustrations, Drawings, Cylinder Seals, and Bindings, Pierpont Morgan Library, New York 1940, New York 1940, Kat. Nr. 1, S. 11, 14–15 – PML 1976, Nr. 24, S. 41–42, 103, Taf. XV–XVI – Ausst.-Kat. English Romanesque Art 1066–1200, Hayward Gallery, London 1984, London 1984, Nr. 85, S. 123. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 10.4.1896 : »Rosenthal offers English Bestiary 1140. Said he might send it.« –– Ebd., 21.4.1896 : Rosenthal kann Bestiarium doch nicht schicken, sendet aber Photo, »very fine book I should say«. –– Ebd., 22.4.1896 : »talk about R with Murray & Walker, wrote & wired him«. –– HL, HM 36911, Brief von Morris an Jacques Rosenthal, nach Cockerells Angaben vom 22.4.1896, zit. bei Kelvin 1996 IV, Nr. 2461, S. 364 : »It is very unfortunate that you cannot send me the Bestiarius on approval, as I admit that it is (judging from the photo) a very fine and important book, and if the rest were equal to the sample, and the condition good I should probably have bought it.« –– BL, MS Add. 52772, fol. 60r, 22.4.1896 : »Excitement at KH about Bestiary reported by Rosenthal of Munich«, vgl. BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 37v, 22.4.1896. –– Brief von Morris an Charles Fairfax Murray, 24.4.1896, Kelvin 1996 IV, Nr. 2462, S. 366–367 : Morris gibt auch an Murray den Auftrag, sich um den Erwerb des Buches zu kümmern, eventuell, um ganz sicher zu gehen, dass es auch von ihm erworben werden kann, vgl. ebd., Anm. 5. –– Brief von Morris an Philip Webb, 27.4.[1896], zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2463, S. 367–368, hier S. 368 : »About that Bestiary there is some hitch, so that I have 571
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not been able to see the book itself, only one page photo : which looks about as fine as such things were ever done ; but I doubt its English-ship.« BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 38v, 27.4.1896 : »Heard from Rosenthal that the Bestiarius MS could be seen in Stuttgart & decided to start tomorrow morning«. Ebd, 28.4.1896 : »I started for Stuttgart after the Bestiary«, vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 60r, 28.4.1896. BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 28.4.1896 : »Letter from J. Rosen : & Cockerell who is off to Stuttgard [sic !] today to see the book«. BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 39r, 30.4.1896 : »Saw Rosenthal & after much bargaining bought the Bestiary which is very fine, for £ 900 !« HL, MS HM 36912 : WM sendet Scheck über £ 900 an Jacques Rosenthal. BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 2.5.1895 : »Letter from Cockerell saying that he had bought Bestiary for £ 900«. Ebd., 4.5.1896 : »Cockerell came in evening with Bestiary. We were all very delighted with it.« Brief von Morris an Webb, 4.5.1896, V&A, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2465, S. 370– 371 : »Cockerell comes here tomorrow […] he brings with him the said book. I had a letter from him yesterday in which he spoke of it in measured terms ; but we take it that was to prevent disappoinment, as he would hardly have bought it then and there if he had not thought it worth the sacrifice £ 900.« BL, MS Add. 52633, Cockerell, Diary 1896, fol. 39v, 4.5.1896 : SCC wieder zurück in England, Zwischenstop bei Emery Walker. Cockerell fährt nach Oxford, um in der Bodleian Libray vergleichbare Handschriften anzuschauen : »[…] had the two superb Bestiaries from the case – one, circa 1190, even finer than WM’s, the other a later book, smaller than WM’s but not so fine«.258 Abends zu Morris nach Kelmscott : »WM greatly pleased«. Ebd., 6.5.1896 : »BM Bestiaries from case C – a 13th c. book not nearly so fine as WM’s. Discovered that his book was done for Worksop Priory, which was formerly called Radford«.259 BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 6.5.1896 : »The Bestiary was certainly given to what is now called Worksop Abbey«. Ebd., 10.5.1896 : Morris zeigt die Handschrift Burne-Jones’ in dessen Haus The Grange. Rooke 1982, S. 103, Burne-Jones am 11.5.1896 : »He’s bought another book […] Then Mr. Morris took it, and in ten minutes his heart was aglow. […] It’s a bestiary. So
258 Bei einer der von Cockerell angeschauten Handschriften handelt es sich vermutlich um MS Ashmole 1511, Ende 12. Jh. Als das zweite Oxforder Bestiarium, der zweiten Familie zugehörig, kann MS Bodley 764, um 1240–1250, Salisbury, vermutet werden, vgl. Morgan 1988, Nr. 98. 259 Hierbei handelt es sich um BL, MS Royal 12 C. xix.
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happy it must have been for the monks to see. There was a pea-green donkey in it quite big, standing all by itself. It was an oriental donkey, so might well have been peagreen. Another was a most exceptional crocodile with a splendid spine and tall legs.« Burne- Jones erwähnt weiterhin einen blauen Bären (»an indigo bear«), einen Fuchs und einen Vogel sowie eine Katze und Mäuse, ebd. Burne-Jones berichtet auch über eine Inschrift zur Büchergabe des Abts von Radford an sein Kloster Christ Church in Lincoln«, ebd., S. 104. –– BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1895, 16.5.1896 : »Murray in morning to see Bestiary ; much admired it.« –– Mackail 1995 II, S. 323–324. Zum MS :
–– Inhalt : fol. 8r–47v Tiere, 48r–68v Vögel, 69r–87v Fische und Reptilien. –– Historisierte Initiale auf fol. 8r mit der Darstellung des stehenden Christus. –– 105 Miniaturen mit Darstellungen der im Text beschriebenen Tiere, zumeist vor Goldgrund, eingefasst und hinterlegt von durch Dreipunktmuster ornamentierte Rahmenleisten. –– Das Bestiarium wurde von Florence McCulloch aufgrund der Textfassung in eine »Transitional Phase« zwischen der ersten und der zweiten Familie eingeordnet, der auch die MSS in St. Petersburg, MS Q.v.V.1 (1190–1200, England, nördliche Midlands) und BL, MS Royal 12 C. xix (1200–1210, eventuell Durham) angehören.260 Das Bestiarium BLO, MS Ashmole 1511 dagegen wird zur zweiten Familie gezählt.261 Stilistisch weist Morris’ Bestiarium die größten Ähnlichkeiten zu der St. Petersburger Handschrift auf.262 VIII.2. (73) S. Bonaventura : Psalterium Abbreviatum oder Psalterium B. Mariae Virginis Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 186
Pergament, 88 Bl., 180 × 120 mm, 17 Z. 10 große Federzeichnungen (fol. 1r, 12v, 24r, 34v, 35r, 46r, 57r, 67v, 68r, 85r).263 Initialen mit in die Seitenränder hineinreichendem Besatz aus Figuren, Köpfen, Vögeln, Drachen und Tieren. Initialen und Zeilenfüllungen mit Goldmustern auf rotem und blauem Grund. 1490–1500 ; Frankreich. Einb.: Kalbsleder, goldgeprägt, 1570, Frankreich. Bibl.-kat.:
–– FSE 30 : »Bonaventurae, S. Psalterium. B.V.M. French. c. 1490. 36 – JPM 96«. 260 261 262 263
Vgl. McCulloch 1962, S. 34. Zu den MSS vgl. Morgan 1982 I, Nr. 11 und 13. McCulloch 1962, S. 36. Kauffmann 1975, S. 126 ; Morgan 1982 I, S. 57. James 1906, S. 147.
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William Morris als Handschriftensammler
Prov.: Motto des 1. Eigentümers »bons temps« – Edwin Henry Lawrence-Auktion, Sothe
by’s, 9.–12.5.1892, 69 – BQ für £ 36 – WM mit fünfprozentiger Kommission erworben – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 567 – James 1906, Nr. 96, S. 147 – Ricci 1937 II, S. 1401, Nr. 186. Quellen zum MS :
–– Notizen in Morris’ Katalog der E. H. Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.–12.5.1892, 69 (Grolier Club, New York) : Morris : »[2 Kreuze] £ 30 [überschrieben] 50. drawings very good modest book with little colour c. 1480« ; Cockerell : »PML MS 96« [= PML, MS M. 186]. –– Brief von Morris an Quaritch, 10.5.1892 (Quaritch-Archiv), zit. nach Kelvin 1996 III, Nr. 1989, S. 399 : »Thank you : the no. 69 I consider mine, & am glad you bought it for me.« VIII.3. (74) St. Catherine of Siena : The Orchard of Syon (Revelations ; Libro della divina dottrina) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 162
Pergament, 186 (182+4) Bl., 210 × 140 mm, 36 Z. 8 große goldene Initialbuchstaben an den Textunterteilungen, kleine Initialen in Blau mit roter Kontur und Fleuronnée. Auf jeder Seite ist die Überschrift IHC eingetragen. Um 1470 ; England. Schreiber : Leyc(ester). Einb.: Kalbsleder, der Name Joseph Ames eingeprägt, 18. Jh., England. Bibl.-kat.:
–– FSE 34 : »Catherine of Siena. The Orchard of Syon. c. 1470. in English [in Bleistift] 4to. 60 JPM 98«. –– BQ 1897, 21 : »English work About 1450«. Prov.: Eventuell für die Nonnen von Syon in Isleworth, Middlesex, entstanden (PML-File zu MS M. 162) – John Crosse um 1500 – um 1600 W. Mutlowe – Joseph Ames-Auktion, 5.5.1760, 342 – Richard How-Auktion, 3.3.1890, 1317 – BQ – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 664 – James 1906, Nr. 98, S. 148 – Ricci 1937 II, S. 1396, Nr. 162. Der Text wurde 1519 von Wynkyn de Worde gedruckt und war eventuell deswegen für Morris interessant. VIII.4. (75) Gratianus : Decretales cum apparatu Bartholomaei Brixiensis Walters Art Gallery, Baltimore, Maryland, Walters MS W. 133
Pergament, 344 Bl., 446/400 × 300/330 mm, DK, 53 Z. Um 1280–1290 ; Hainaut.264 264 Ricci 1935 I, S. 825, Nr. 407, dagegen lokalisierte die Handschrift nach England.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Einb.: Eichendeckel, braunes blindgeprägtes Maroquin, um 1900, England. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 558. –– FSE 111 : »Gratiani Decretum. Folio. mor. 180 Hodson«. –– BQ 1897, 33 : »executed in North France, with 39 brilliant Miniatures […] About 1250«. Prov.: Zisterzienser-Abtei Cambron ? – Marques de Astorga-Auktion, Paris, 7.5.1870, 14 – Ambroise Firmin-Didot-Auktion, 29.5.1879, pt. 2, 38 – Liechtenstein-Bibliothek – am 26.6.1896 durch SCC für WM von BQ erworben, im Vorsatz Eintrag »William Morris, June 26th, 1896, Folkestone« – RB – WM 1898, 558 – BQ £ 255 – Laurence W. HodsonAuktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 275 – BQ £ 440 – vor 1931 Walters Art Gallery, Baltimore, Walters MS W. 133. Kat.: Ricci 1935 I, S. 825, Nr. 407 – Randall 1997, Nr. 218, S. 19–25, Abb. 559, 413–415. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 22.6.1896 : »Come from Qu.: 2 MS.S Gratian & Philips Psalter«. –– Ebd., 23.6.1896 : »Invoice for books £ 180 & £ 60 with letter from C. explaining : think I shall buy the Gratian a fine book«. –– HL, HM 36913, Brief von Morris an Cockerell, 24.6.1896, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2473, S. 379 : »The Gratian is also a very fine book and in these bad days of famine I must have that also ; but perhaps I might get it a little cheaper : before I saw the invoice I valued it at £ 150, but thought Q. would ask more. Perhaps he would take £ 160. There are 39 illuminations remember and the condition is very good. Try him please but dont lose the book.« –– HL, Brief von Morris an Cockerell, 26.6.1896, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2474, S. 382 : »I will have the 2 books for £ 225 please write & tell Q so. I have written my name in the big book.« Zum MS :
–– Kommentar des Bartholomäus von Brescia. –– Mehrere Künstler an der Illuminierung beteiligt. –– Fol. 1r : Ornamentband mit segnendem Christus, der Ecclessia, einem König und einem Laien in Medaillons, die durch Ranken verbunden werden, Besatz aus Tierköpfen. –– Von den 37 historisierten Initialen zeigen 11 Szenen des Kirchenrechts. Die blauen oder rosafarbenen Buchstaben sind mit weißen Mustern ornamentiert und laufen oft in Tierköpfe und spitzblättrige Ranken aus, der goldgerahmte Initialgrund mit grauem, gepunktetem Gittermuster. –– Ornamentierte Initialen mit Ranken, in Tierköpfen mündend. Fleuronnée-Initialen, alternierend in Rot und Blau. 575
William Morris als Handschriftensammler
–– Zur Datierung und Lokalisierung :265 Die Schrift verweist auf eine Entstehung in der Zisterzienser-Abtei Cambron im Hainaut. Stilistische Erwägungen legen eine Datierung der Handschrift in die Amtszeit des Abtes Baudouin de Bousso (1283–1293) nahe. Auf eine Verbindung mit den Zisterziensern deuten auch Darstellungen von Zisterzienser-Mönchen in einigen der historisierten Initialen. Randall verweist auf stilistische Parallelen zum Pariser Bari-Atelier in der Verbindung von nordfranzösischen und Pariser Elementen.266 VIII.5. (76) Hegesippus : De Excidio Judaeorum lib. V Winchester Cathedral, Winchester, MS 20
Pergament, 115 Bl., 289 × 207 mm, DK, 35 Z. 5 ornamentale Initialen in Rot und Blau, alternierend mit rotem, blauem und grünem Ornament. Um 1150 ; ev. englischer Schreiber. Einb.: Eichendeckel, Leder, blindgeprägt, Winchester-Einband. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 580. –– FSE 105 : »Hegesippus de excidio Judei {Binding} [im Text in eckige Klammern gesetzt]. Folio. 100 HYT«. –– BQ 1897, 38 : »About 1190. The covering is a remarkable example of English artistic work stamped with figures, illustrating the earliest and best stage of decorative leather binding in this country«. Prov.: Thomas Thorpe – Thomas Phillipps, MS Nr. 2343 – Sir Thomas Phillipps-Auktion, Sotheby’s, 10.–17.6.1896, 609 – BQ £ 13 – WM267 – RB – WM 1898, 580 – HYT, MS 51 – HYT-Auktion, Sotheby’s, 23.3.1920, 31 – Charles William Dyson Perrins – 1947 als Geschenk an Winchester Cathedral. Kat.: HYT 1902, Nr. 51 – HYT 1914, S. 1–2, Taf. I-III – N. R. Ker/A. J. Piper, Medieval Manuscripts in British Libraries IV, Oxford 1992, insg. 5 Bde., hrsg. von C. Cunningham, A. G. Watson, Oxford 1992, S. 601. Lit.: Fletcher 1902, S. 425 – PML 1976, S. 41 – Anne Lawrence-Mathers, Manuscripts in Northumbria in the Eleventh and Twelfth Centuries, Woodbridge 2003, S. 47, Anm. 60 – Linenthal 2007, S. 369. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45411, Morris, Diary 1896, 8.6.1896 : »to Sotheby’s with C. to look at Philips [sic !] books. binding very good put £ 100 on each«. –– Ebd., 16.6.1896 : »got the binding for £ 13«. 265 Die Angaben gehen auf Randall 1997, S. 23–24 zurück. 266 Ebd., S. 24. 267 Morris hatte Quaritch den Auftrag gegeben, bis zu £ 150 mitzusteigern, vgl. PML 1976, S. 43.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Ebd., 17.6.1896 : »Cockerell came brought binding book. it very good«. –– Vgl. Einträge in Cockerells Diary von 1896 am 15. und 17.6.1896.268 Zum MS :
–– Diese Handschrift erwarb Morris, wie seine Anmerkungen und die Akzentsetzung in den Auktionskatalogen von 1896, 1898 und 1920 nahelegen, aufgrund des Einbands. VIII.6. (77) Johannis Andrea, Novella super sexto libro Decretalium
Kirchenrecht von Giovanni d’Andrea)
(Kommentare zum
British Library London, MS Add. 38644
Pergament, vii+251 Bl., 408 × 285 mm, DK, 68 Z. Erste Initiale mit Widmungsminiatur (Buchübergabe des Autors an den Papst) auf unregelmäßigem Initialgrund, Efeublatt-Randdekorationen. 4 Bordüren, 73 ornamentale Initialen, Fleuronnée-Buchstaben. 1345 ; Nordfrankreich. Einb.: Kalbsleder. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 387. –– FSE 110 : »Andreas super VI Libro Decret. Folio. 40«. Kat.: Warner 1979 I, Nr. 390, S. 81, II, Taf. 228. Prov.: 1557 Jacques Spifame, Bischof von Nevers269 – Eintrag von 1680 mit Besitzvermerk von Jacques de Chevannes – 1730 M. Ditau – 1754 Demigieu – 1809 Charles Richard de Vesvrotte – Rosenthal, Stuttgart – WM : Anfang Oktober 1895 für £ 25 erworben, im MS das Datum 10.10.1895 vermerkt – RB – WM 1898, 387 – BQ £ 38 – Robert W. Blathwayat-Auktion, Sotheby’s, 20.11.1912, 130 – BL. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 11.10.1895 : »found Rosenthal’s book rather good bought it for £ 25«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 62r, 11.10.1895 : »WM came up from Kelmscott […] He bought a folio 14th c French MS Novella Joannis Andrea for £ 25«, vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 57r, 11.10.1895. VIII.7. (78) Johannes de Utino
(Giovanni da Udine) : Compilatio Historiarum Totius Bib-
liae, Speculum Humanae salvationis u. a. Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 158
Papier (Basler Wasserzeichen), 22+56 Bl., 370 × 280 mm, DK, 59 Z. Lavierte Federzeichnungen in Teil I eingefügt, in Teil II 257 Probedrucke von Holzschnit268 Vgl. https://williammorrislibrary.wordpress.com/2017/10/11/%c2%b6-hegesippus-hystoria-egisippi-de-ex cidio-jerusalem–12th-centrury-ms/ [Zugriff am 4.12.2017]. 269 Bei WM 1898, 387 wird der Vorbesitzer mit Jacques Grifame, Bischof von Nivernois, angegeben.
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William Morris als Handschriftensammler
ten, die auch in Bernard Richels deutscher Ausgabe des Speculum von 1476 verwendet wurden. Um 1476 ; Basel. Einb.: rotes Maroquin, Frankreich, 18. Jh. Bibl.-kat.:
–– FSE 53 : »Jo. de Utino. Compil. librorum hist. Biblia c. 1470. Folio. [durchgestrichen ; kein Schätzpreis eingetragen] bound with Richel’s cuts [in anderer Handschrift hinzugefügt]«. Prov.: Kardinal Loménie de Brienne-Auktion I, Paris, 12.3.1792, 4 – Theophile Belin – Marquess of Blandford, aber nicht im Verkauf der Sammlung von 1819 erwähnt – Frederick Perkins-Auktion, Sotheby’s, 10.7.1889, 1002 – BQ – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 499 – Ricci 1937 II, S. 1395–1396 – Harrsen 1958, Nr. 62, S. 73–74. Quellen zum MS :
–– Morris erwarb diese Handschrift eventuell hauptsächlich wegen der 257 eingebundenen Holzschnitte. In seiner Bibliothek befand sich auch eine Kopie der Basler Ausgabe des Speculum durch Richel von 1476.270 Zum MS :
–– Die erste leicht farbig lavierte Zeichnung zeigt Adam und Eva (fol. 1v). Diese Zeichnung weist enge Verwandtschaft zu den ersten Holzschnitten in »Spiegel der menschlichen behaltniss« des Druckers Bernhard Richel, Basel 1476, auf.271 Von einem zweiten, weniger sorgfältigen Künstler stammen Medaillons mit Darstellungen von Passionsszenen. Die Figuren sind durch leuchtend rote Farbakzente gekennzeichnet, die Harrsen als typisch für Schweizer Künstler dieser Zeit bewertet.272 Weitere Zeichnungen umfassen Architekturdarstellungen, z. B. den Turm von Babel, die Städte Jerusalem und Niniveh. Auf den Text folgen noch zwei Blätter mit gelb lavierten Zeichnungen, die Detail- und Figurenstudien umfassen. VIII.8. (79) Lactantius Firmianus : Divinarum Institutionum adversus gentes lib. VII (Divinae institutiones libri VII) Boston Public Library, Boston, Mass., G. 401.10
Pergament, 3 Bl. Papier+297 Bl.+3 Bl. Papier, 325 × 215 mm, 27 Z. Am Anfang der Bücher große Goldinitialen mit Weißrankenornament auf mehrfarbigen Polstergründen, auf fol. 1r ein von Amoretten getragenes Wappen. 270 Vgl. Ellis : »Books illustrated with woodcuts …, Germany & Switzerland, Nr. 45 : Spiegel der menschlichen behaltniss. 257 proof impressions from B. Richels edition of 1476. Large folio. 100«, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Appendix B, S. 407. 271 Harrsen 1958, S. 73 : Meister des Richel Speculum. 272 Ebd.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Um 1450 ; Italien (Venedig ?). Einb.: Pergament, 2 Kordelschlaufen als Verschluss. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 745. –– FSE 55 : »Lactantius contra gentes. Venetian. c. 1450. Folio. 6.10. Boston Library / USA«. –– BQ 1897, 53. Prov.: 2 Wappen – WM – RB – WM 1898, 745 – HYT £ 19 – 29.1.1901 Boston Public Library. Kat.: Haraszti 1928, S. 55, 62, Abb. auf S. 65 – Ricci 1935 I, S. 920, Nr. 14. Lit.: Stoneman 2007, S. 355. Quellen zum MS :
–– Auf dem Spiegel des Vorderdeckels Notiz von Cockerell vom 30.1.1901 : »Venetian, c. 1450–70. 297 folios in gatherings of ten (the 3 final blanks removed), 27 lines to a page. Illuminated initials to the seven books, & shields of original owner at foot of first page«. Zu SCCs Einschätzung des MS : Stoneman 2007, S. 355. Zum MS :
–– Haraszti 1928, S. 55, 62, betont auf die große Ähnlichkeit der Schrift und der Proportionen der Seitenränder dieser Handschrift zu Nicholas Jensons späteren Drucken und verweist damit auf mögliche Anregungen für Morris’ Kelmscott Press-Drucke. VIII.9. (80) Legenda Sanctae Catherinae de Senis
(Katharina von Siena)
Walters Art Gallery, Baltimore, Maryland, Walters MS W. 350
Pergament, 237 Bl. (WM 1898 : 235 Bl.), 335 × 236 mm. Um 1470 ; Italien, Florenz oder Siena. Schreiber : Jacobus Macharius Venetus, die Bordüre sig. India fecit. Einb.: Juchtenleder, 19. Jh., Italien. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 345. –– FSE 56 : »Legenda Beatae Catherinae de Senis. Venetian. c. 1465. Folio. 150«. –– FSE 100 : »Catherina di Siena. Epitole. Folio 100 [Eintrag durchgestrichen] down already No 56 [in anderer Handschrift hinzugefügt]«. –– BQ 1897, 22 : »beautiful MS. on fine vellum, with elegant borders, Venice, about 1470«. Prov.: Gonzaga Wappen in der Bordüre von fol. 10r – Museo Cavaleri, Mailand, Stempel auf fol. 1r – Dumoulard – Pietro Vergani-Auktion – Charles Butler – WM – RB – WM 1898, 345 – BQ £ 149 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 109 – BQ £ 240 – 1910 L. S. Olschki – Walters Art Gallery, Baltimore. Kat.: Ricci 1935 I, S. 822, Nr. 392. Lit.: Fletcher 1902, S. 426. Zum MS :
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William Morris als Handschriftensammler
–– Fol. 1r : achtzeilige Weißrankeninitiale mit Leiste in Seitenrand, die fast die gesamte Höhe des Textes begleitet. –– Auf fol. 10r : zehnzeilige Weißrankeninitiale und vierseitige -bordüre auf Polstergrund mit Putten, papageienartigen Vögeln, Blüten und goldenen Fallgattern auf blauem Grund, in der Mitte der unteren Bordüre Wappen in einem Lorbeerkranz, gehalten von Engeln, darunter im unteren Seitenrand ein weiteres Wappen. –– 51 Weißrankeninitialen mit entsprechenden Bordüren oder Leisten. –– Der Anfang der Kanonisierungsbulle von Pius II. und das Incipit in Goldbuchstaben. –– Ricci datierte die Handschrift in weitgehender Übereinstimmung mit dem Verfasser des Sotheby-Kataloges (um 1450) und Ellis (um 1465) in die Zeit um 1470, aber vermutete ihre Entstehung in Florenz.273 VIII.10. (81) Liber Monasterii Sancti Salvatoris in Antwerpia Ordinum Cisterciensis continens Decreta Pontificum et Capituli Generalis eiusdem Ordinis
Verbleib unbekannt. Pergament, 87 Bl.+7 Bl. Papier, 4°. 15. Jh., letzter Eintrag 1439/c. 1480 (FSE) ; flämisch (Antwerpen). Einb.: Eichendeckel, geprägtes Leder, Metallbeschläge. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 662. –– FSE 40 : » Decreta Pontif. et statuta Ord. Cisterciensis. Flemish. c. 1480. 10«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 662 – Wilton (Henry Wellcome) £ 9.15 – aus dem Nachlass 1945 an Dawsons of Pall Mall. (Ein alphabetisches Verzeichnis europäischer Klöster und ihrer Besitztümer) Verbleib unbekannt. Pergament, 2+99 Bl., 272 × 202 mm, 31 Z. 1492–1503 ; Rom. Einb.: Eiche, rotes Maroquin, blindgestempelt, Wappen eines Kardinals de Rovere, zwei Verschlüsse. VIII.11. (82) Liber Taxarum des päpstlichen Kanzeleigerichts
Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 904. –– FSE 63 : »Monasteries, Catalogue of & their possessions. Italian. c. ‹ 1520 ›. fol. 30«. –– Bridwell Lib., Nr. 966, fol. 71r : »A List of Abbeys & Churches &c. MS on vellum 1st leaf lacking c. 1490. Italian«. Prov.: vermutlich für Kardinal Giuliano de Rovere (später Julius II.) entstanden – Prämonstratenserkloster Tongerloo in der Diözese Cambrai, im Bibliothekskatalog von 273 Ricci 1935 I, S. 392.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
1640 erwähnt – Bibliothek 1828 in Antwerpen versteigert – William Horatio CrawfordAuktion, Sotheby’s, 12.3.1891, 2244 – Leighton – WM – RB – WM 1898, 904 – Wilton (Henry Wellcome) £ 30 – aus dem Nachlass 1945 an Dawsons of Pall Mall – Davis & Orioli – 1945 Major John Roland Abbey, MS 2261 – Abbey-Auktion, Sotheby’s, 20.6.1978, 2990 (S. 57–59, Taf. 20–21). Kat.: Alexander/de la Mare 1969, Nr. 40, S. 111–113, Taf. XLIX. Zum MS :
–– Inhalt : Beträge, die die Diözesen und Klöster bei der Wahl eines Bischofs oder Abtes an die römische Kurie zahlen müssen.274 –– Letzter Eintrag unter Papst Alexander VI., der 1492 gewählt wurde. –– Das erste fehlende Blatt ursprünglich dekoriert mit zwei Initialen und einer dreiseitigen Flechtwerk-Bordüre mit Wappenschild. –– 24 Initialen an jeder alphabetischen Unterteilung. Plastisch schattierte Kapitalbuchstaben in Blau, Rot, Grün, Goldgelb vor Quadratgrund, auf den ein naturalistischer Blütenstiel in entsprechender Farbe diagonal aufgetragen ist. Die Initialen erinnern an diejenigen in Morris’ kalligraphischem Bibliothekskatalog von ca. 1890, ehem. Sammlung Bernard H. Breslauer, heute Sammlung Mark Samuels Lasner, University of Delaware. –– Der Eigentümer ungesichert, eventuell Kardinal Giuliano della Rovere, der spätere Papst Julius II. (ab 1503), der seit 1484 päpstlicher Camerarius war. Er besaß, wie durch sein Inventar bekannt ist, ein Buch gleichen Inhalts, bei dem es sich jedoch auch um die Handschrift der Bibliothèque nationale, Paris, MS Lat. 4192A von 1474 handeln könnte.275 Als Eigentümer kommen auch Domenico della Rovere oder Girolamo Basso della Rovere, der Neffe Sixtus IV., in Frage. VIII.12. (83) Ordo septem Ecclesiasticorum Graduum et in Gradibus Ordinandi set ante omnia dicum faciendi (Ordinationsbuch der Stadt Rom) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 976
Pergament, 226 Bl., 240 × 175 mm, 15 Z. 3 historisierte Initialen, 51 florale Initialen, Fleuronnée-Buchstaben. 14. Jh.; italienischer Schreiber (WM 1898, 696)/1260–1270 ; Rom.276 Zugeschrieben Magister Nicolas (nach François Avril).277 Einb.: Eichendeckel, Leder, Metallschließen, 13. Jh. Bibl.-kat.:
274 Zum Texttypus vgl. Alexander/de la Mare 1969, S. 111–112 mit weiterführ. Lit. und Aukt.-kat. Sotheby’s, 20.6.1978, S. 58. 275 Zum Problem der Zuordnung vgl. Alexander/de la Mare 1969, S. 113. 276 Http ://corsair.themorgan.org/cgi-bin/Pwebrecon.cgi ?BBID=160099 [Zugriff am 3.6.2012]. 277 Ebd.
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William Morris als Handschriftensammler
–– WM 1898, 696. –– FSE 66 : »Ordo septem ecclesiasticorum graduum. Italian. c. 1320. 4to 60 Hodson/ Gribbel Philadelphia«. BQ 1897, 56 : »with a few paintings, North Italian work About 1280«. Prov.: Edwin Henry Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.5.1892, 479 – Leighton £ 31 – im Mai 1892 durch WM von Leighton erworben – RB – WM 1898, 696 – ? Deacon £ 30 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 468 – John Gribbel-Auktion, New York, 30.10.1940, 458 – John A. Saks – 1977 als Geschenk an die PML. Quellen zum MS :
–– Notizen in Morris’ Exemplar des Katalogs der E. H. Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.5.1892, 479 (Grolier Club, New York) : Notiz von Morris : »£ 20 very fine, plain, c. 1180« ; Notiz von Cockerell : »Wm bought this. Hodson, Gribbel of Philadelphia«. Die Beischrift »Italian« bezieht sich vermutlich auf Los 481. –– Brief von Morris an Leighton, 12.5.1892, zit. nach : Kelvin 1996 III, Nr. 1990, S. 399 : »The Ordo ecclesiasticorum I think rather dear : but it is an interesting book. I must get you to mend the binding for me a little.« VIII.13. (84) Petrus Comestor : Historia Scholastica super Bibliam Cambridge University Library, Cambridge, MS Add. 6760
Pergament, 284 Bl. (bis 278 Bl. nummeriert), 355 × 233 mm (2°), DK, 43 Z. Ornamentale Initialen in Blau und Rot mit Fleuronnée. 14. Jh./Mitte 13. Jh.; Frankreich. Einb.: Eichendeckel, rotes geprägtes Wildleder, Metallverschlüsse, 16. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 371. –– FSE 39 : »Comestoris, Petri, Historia scholastica. French. 13th cent. Folio. 18 10 E. Walker«. –– BQ 1897, 28 : »French work About 1240«. Prov.: ev. Chardin-Auktion, Paris, 9.2.1824, 37 – Sir Thomas Phillipps-Auktion, Sotheby’s, 21.3.1895, 194 – WM – RB – WM 1898, 371 – Hepenstal £ 16 – Sotheby’s, 29.6.1905, 583 – Emery Walker – 1933 SCC – 1934 John Charrington – als Geschenk an die Cambridge University Library. Kat.: Ringrose 2009, S. 269–270. VIII.14. (85) Petrus Remensis
(Petrus de Riga) : Aurora, sive Biblia versificata
The Library of the University of Notre Dame, Notre Dame, Indiana, MS 08
Pergament, 225 Bl., 250 × 150 mm. Ornamentale Initialen. 13. Jahrhundert/um 1220 ; französischer Schreiber.278 278 Ricci Suppl., S. 186 : Ende 13. Jh.; Spanien.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Einb.: Pergament. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 862. –– FSE 81 : »Petrus Remensis. Aurora. French. c. 1220. 4to. 23 10«. –– BQ 1897, 72 : »RIGA (Petrus de) Biblia metrica. Small folio, MS. on vellum About 1260«. Prov.: William Bragge-Auktion, Sotheby’s, 7.–10.6.1876, 38 [ ?]- François-Jean OlivierAuktion, 30.3.1886, 672[ ?]279 – WM – RB – WM 1898, 862 – Wilton (Henry Wellcome) £ 22 – aus dem Nachlass 1945 an Dawsons of Pall Mall – The Library of the University of Notre Dame, Indiana. Kat.: Ricci Suppl., S. 186–187, Nr. 8. VIII.15. (86) Poggio Bracciolini : De varietate fortunae. Ad Nicolaum Papam V Poggii Florentini de Varietate Fortune incipit proemium Bodleian Library Oxford, MS Buchanan d. 4
Pergament, 123 Bl., 234–236 x 147–149 mm, 25 Z. Zugeschrieben dem Schreiber Giovanni di Piero da Stia. Weißrankeninitiale (fol. 2r) auf unregelmäßigem, in den Seitenrand hineinragendem Polstergrund. 4 Goldinitialen auf farbigem, in weißer Linienzeichnung ornamentiertem Grund (fol. 4v, 32v, 66v, 96v). 1455 (fol. 122r) ; Florenz. Einb.: Pergament, 18. Jh. Bibl.-kat.:
–– –– –– ––
WM 1898, 863. FSE 70 : »Poggius (Joh.) De var. Fortunae libri IV Ital. 8°. 5«. Bridwell Lib., Nr. 856, fol. 64r : »Poggio, De varietate fortuni, MS on vellum 1455«. Kall., fol. 1r–1v : »Poggii Florentini de varietate fortune liber 1455. MS. on vellum. 4 illuminated letters, besides the first white-vine initial«. Prov.: Fruosino oder sein Sohn Girolamo da Panzano – Dominikanerkloster S. Marco in Florenz (ausgekratzt) – italienische Sammlung (18. Jh.) – verschiedene unbekannte Eigentümer – WM vor 1891 erworben – RB – WM 1898, 863 – Rt. Hon. T. R. Buchanan £ 12.12 – 1941 als Stiftung an die BLO. Kat.: Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 265, S. 26 – Watson 1984, Bd. I, Nr. 138, S. 25, Bd. II, Taf. 524 – Kidd 2001, S. xxvii, 9–12, Taf. 12, 14.
279 Sowohl bei der Bragge- als auch bei der Olivier-Auktion sind auf der Schoenberg Database of Manuscripts als Entstehungsland Spanien und ein Seitenlayout mit zwei Kolumnen angegeben (http//sdbm.library. upenn.edu/entries/24086 bzw. 87034 [Zugriff am 10.12.2017]), während bei WM 1898, 862 »long lines« vermerkt sind.
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William Morris als Handschriftensammler
VIII.16. (87) Sulpitius Severus : Vita, Translacio et Miracule Sancti Martini Turonensis Civitas Archiepiscopi, Dedicatio Basiliae ejusdem Vita Sancti Silvestri papae &c. Fitzwilliam Museum Cambridge, MS McClean 118
Pergament, 146 Bl., 276 × 190 mm (2°), DK, 28 Z. Initialen in einer bis drei Farben mit Rankenwerk, Blättern und geometrischen Ornamenten 12. Jh.; ev. zwei Schreiber ; England, ev. Nordengland. Einb.: Kalbsleder, 17./18. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 1118. –– FSE 86 : »Sulpitius Severus Vita S. Martini. English. 12th. cent. 10 McClean 118 / Fitzw. Mus.« Prov.: Lord Somers – 1738 E. Umfreville – WM – RB – WM 1898, 1118 – Money £ 27 – Frank McClean – 1904 als Vermächtnis an FMC. Kat.: James 1912, Nr. 118, S. 255–257, Taf. LXXVII.
IX. Profane Texte, nordalpine Handschriften IX.1. (88) Aldobrandino da Siena : Le Régime de santé/Le régime du corps Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 165
Pergament, 129 Bl., 260 × 180 mm, 29 Z. Um 1440 ; Frankreich, ev. Rouen. Einb.: Holzdeckel, Leder, geprägt mit PP und Tiermotiven, Metallschließen, 16. Jh. Bibl.-kat.:
–– FSE 89 : »Treatise in French on health & food. c. 1430. sm. folio. 120 JPM 108«. –– BQ 1897, 39 : »HERBAL. Natures de toutes choses etc. Small folio, MS. on vellum, with 151 Miniatures, French work, In the original stamped leather binding / About 1460«. Prov.: Thwayte um 1500 – eventuell Ellis um 1890 – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 642 – James 1906, Nr. 108, S. 167–169 – Ricci 1937 II, S. 1397, Nr. 165. Zum MS :
–– Der Text ist in vier Bereiche unterteilt, die sich mit dem Körper im Allgemeinen, mit einzelnen Körperteilen, Diäten und Kuren sowie der Physiognomie beschäftigen. –– Fol. 5r : eine große Miniatur, die zwei Drittel der Seite einnimmt, mit der Darstellung Gottes auf der Weltkugel, der Schöpfungsgeschichte und der Erschaffung Evas. Initiale mit Bildnis des Autors als Gelehrter auf einer Kanzel. –– 150 zumeist achtzeilige historisierte Initialen mit Szenen, die sich auf den Text beziehen, z. B. mit Darstellungen von Bäumen, Tieren, Pflanzen, mit Szenen mit Ärzten, 584
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Kranken und Bauern bei der Arbeit. Diese Miniaturen wurden von einem anderen Maler als die große Miniatur auf fol. 5r ausgeführt. Die historisierten Initialen werden von Fleuronnée-Außengrund eingefasst. IX.2. (89) Aristoteles : Politicia, Rhetorica, Ethica Fitzwilliam Museum Cambridge, MS CFM 14
Pergament, 190 Bl., 346 × 240 mm, DK, 36 Z., zwei Schreiber. Erste Initiale mit Autorenporträt sowie Grotesken- und Blattbesatz, 9 ornamentale Initialen mit Randdekorationen, 13 Fleuronnée-Initialen. 13–14. Jh.; ev. normannisch-französisch. Einb.: Eichendeckel, braunes Leder, blindgeprägt, Metallverschlüsse und -beschläge, 15. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 134. –– FSE 116 : »Aristotelis Ethica. ‹ 13thc ›. & [ditto ?] 15th c. Italian. [Umdatierung und Lokalisierung von anderer Hand eingetragen] 15«. Prov.: Edwin Henry Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.–12.5.1892, 16 – WM – RB – WM 1898, 134 – BQ £ 26 – CFM – 1904 als Geschenk an das FMC. Kat.: Wormald/Giles 1982 I, S. 24–25. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52629, Cockerell, Diary 1892, fol. 20r, 12.5.1892 : »Morris had a beautiful illuminated MS which he bought with others yesterday at the Lawrence Sale.« Vgl. BL, MS Add. 52772, fol. 29r, 12.5.1892 : bei Gatti’s. –– BL, MS Add. 52772, fol. 29r, 15.5.1892 : »K.H. looked at 3 illuminated MSS bought last week.« –– Notiz von Cockerell in Morris’ Katalog der E. H. Lawrence-Auktion, Sotheby’s, 9.– 12.4.1892, 16 (Grolier Club, New York) : Angaben zum Verbleib der Handschrift. IX.3. (90) Boethius : De Arithmeticia ad Simmachum ; Vitruvius : De Architectura Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, MS lat. fol. 601
–– Boethius : De Arithmeticia ad Simmachum/De institutione arithmetica Pergament, 67 Bl., 2° Diagramme und Initialen in Purpur. 11. Jh.; eventuell England. –– Vitruvius : De Architectura Pergament, 73 Bl., 2°, DK. Rote und grüne Kapitalbuchstaben. 12. Jh.; eventuell England. Einb.: Eichendeckel, blauer Maroquin-Schuber. Bibl.-kat.:
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William Morris als Handschriftensammler
–– WM 1898, 306. –– FSE 29 : »Boethius de arithmetica, et Vitruvius de archit. Probably English. c. 1080. 60«. –– BQ 1897, 17 : »MS. on vellum in fine Carolingean writing with headings in Rustic capitals. Written perhaps in England / About 1020«. Prov.: Sir Simon Stuart, Bt. – WM – RB – WM 1898, 306 – BQ £ 61 – Harrassowitz – 1898 Staatsbibliothek zu Berlin, acc. ms. 1898.103. Kat.: Folkerts 1981, Nr. 18, S. 66. IX.4. (91) Flavius Josephus : Antiquitates Judaicae et de Bello Judaico Libri Pierpont Morgan Library, New York, MSS M. 533–534
Pergament, 2 Bde : 178+170 Bl., 440 × 340 mm, DK, 42 Z. um 1230 (BL, MS Add. 52632, fol. 74r)/um 1280 (PML-File für MSS M. 533–534) ; Frankreich, Dijon Einb.: Kalbsleder ; grüner Maroquin-Einband, blindgeprägt von der »Club Bindery« für Robert Hoe, 1900 Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 732. –– FSE 92 : »Josephus. 2 v. Folio 210 Hoe sale«. –– BQ 1897, 49 : »with noble illuminations. Burgundian work About 1230–40«. Prov.: Karthäuserkloster Dijon (siehe Inschrift : Iste liber est domus Sancte trinitatis Ordinis Cartusienses prope Divionem) – Sammlung Alexander Hamilton Douglas, Duke of Hamilton, MS 361 – 1883 Königliches Museum, Berlin – Hamilton-Auktion, Sotheby’s, 23.5.1889, 8 – Rev. John Cohen Jackson-Auktion, Sotheby’s, 13.12.1895, 264 – BQ – von WM bei BQ am 14.12.1895 für £ 210 erworben – RB – WM 1898, 732 – BQ £ 305 – Robert Hoe-Auktion, Anderson Galleries, New York 1911, 2145 – BQ – Leo S. Olschki, Florenz – 1924 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Ricci 1937 II, S. 1467, Nr. 533–534. Lit.: Fletcher 1902, S. 426 – W. von Seidlitz, Die illustrierten Handschriften der HamiltonSammlung zu Berlin, Repertorium für Kunstwissenschaft VI, 1883, S. 256–273, S. 265 – PML 1976, S. 41 – MacCarthy 1994, S. 660 – Ulrike Liebl, Die illustrierten Flavius Josephus Handschriften des Hochmittelalters, Frankfurt 1997, S. 222–226, Abb. 51–76. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 71r, 28.11.1895 : »Went up to Leighton’s to see a fine 13th century folio MS of the Bible – French in 3 vols. Then to Sotheby’s to see a still finer Josephus in 2 vols.«. –– Ebd., fol. 71r, 30.11.1895 : WM und Walker bei Sotheby’s. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 30.11.1895 : mit Walker zu Sotheby’s, um den Josephus anzusehen. 586
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– BL, MS Add. 52772, fol. 58r, 30.11.1895 : WM mit Walker zu Sotheby’s, um MS Josephus anzusehen. –– Ebd., 4.12.1895 : WM und Ellis zu Sotheby’s. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895 : 4.12.1895 : »with Ellis to Sotheby’s to look at Josephus«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1985, fol. 73r, 5.12.1895 : »Went up to Sotheby’s and collated the 2 vol 13th c. MS Josephus«. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 11.12.1895 : »with Ellis to Q., gave commission to Q for Josephus for £ 175«. –– Ebd., 13.12.1895 : »That Josephus sold for £ 200«. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 74r, 13.12.1895 : »Josephus MS 2 vol. c.1230 sold at Sotheby’s for £ 200«. –– Ebd., 14.12.1895 : WM kauft Josephus. –– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 14.12.1895 : »went to see after Josephus to Q. he wrote to me in afternoon & I bought it for £ 210«, –– BL, MS Add. 52772, 14.12.1895 : WM kauft Josephus. –– Brief von WM an W. A. S. Benson, 6.3.1896, V&A, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2452, S. 357 : »Cockerell has been through your book [WM 1896, 1155 ; J. Paul Getty Museum, Los Angeles, MS Ludwig I 4 ; hier Kat. Nr. I 18 (18)] and finds it perfect, and very interesting. He has also found out where it comes from by reading the half-erased writing. And it comes from the same place as a 13th century Josephus which I bought this year which has the same inscription erased.« Morris bekundet sein Interesse, das Buch bei Verkaufsabsichten Bensons für £ 250 zu erwerben. –– Brief von WM an W. A. S. Benson, 9.3.1896, V&A, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2455, S. 360 : »Thank you very much for agreeing to my whim. It is a very fine book, and the price I offered you, I should have bid up to if the book had been under the hammer. […] I shall be delighted to turn over its majestic leaves with you any time. Yes it is pleasant to think that 2 at any rate of the books from the Holy Trinity in Dijon have got together again.« Zum MS :
–– 4 Bordüren mit insgesamt 27 Miniaturen in Medaillons, darunter auch auf der ersten Seite (fol. 1r) die Darstellung der Schöpfungsgeschichte auf Goldgrund. Die Medaillons goldgerahmt und durch Mustersegmente verbunden. –– 1 Randleisten-Groteske. –– 22 historisierte und 2 ornamentale Initialen. Die Initialen mit ornamentierten Stämmen, der Außengrund im Initialquadrat ebenfalls gemustert, die szenische Darstellung im Binnenfeld, Besatz aus Ranken und Grotesken. –– Dreizeilige Initialen mit mehrfarbigem Fleuronnée. Farbige Initialen ohne Dekoration im Text. 587
William Morris als Handschriftensammler
IX.5. (92) Guillaume de Lorris & Jean de Meun, Roman de la Rose (fol. 1–156) ; Jean de Meun, Le Testament (fol. 158–189) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 132
Pergament, 190 (189+1) Bl., 202 × 138 mm, DK, 34 Z. Um 1380 ; Paris. Text in burgundischem Dialekt. Einb.: für Ambroise Firmin-Didot, braunes Maroquin, blindgeprägt, grüne MaroquinDoublure von Duru, 1858. Bibl.-kat.:
–– FSE 91 : »Roman de la Rose. ‹ sm.8° › 4to 250 JPM 112«. –– BQ 1897, 52 : »70 exquisite grisaille Miniatures, French work About 1370–80«. Prov.: ca. 1530 (?) Johannes Marous, fol. 158r – 1773 Pierre Vischer, Basel – Baron de Neubourg-Auktion, Paris, 4.11.1839, 591 – G. Libri-Auktion, Paris, 12.4.1855, 1815 – Ambroise Firmin-Didot-Auktion, Paris, 6.7.1878, 34 – BQ, aufgeführt in Katalogen von 1878, 1880, 1882, 1886, 1890, 1893 – bei BQ am 20.6.1895 für £ 400 erworben ; am 24.6.1895 gibt WM das MS an BQ zurück, behält es dann aber doch – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 633 – James 1906, Nr. 112, S. 174–176 – Ricci 1937 II, S. 1391, Nr. 132. Lit.: Ernest Langlois, Les Manuscrits du Roman de la Rose. Description et Classement, Travaux et Mémoires de l’Université de Lille, nouv. ser. I, 7, Lille 1910, Nr. 112, S. 197–198 Ausst.: PML 1976, Nr. 20, S. 41, 102, Taf. xii. Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 24.6.1895 : »bought the R of R of Quaritch«. –– BL, MS Add. 52632, SCC, Diary 1895, fol. 46v, 24.6.1895 : »Went up to town to take an MS Romance of the Rose back to Quaritch«. –– BL, MS Add. 52772, fol. 55r, 4.7.1895 : »He had a new MS Romance of the Rose with him« (SPAB + Gatti’s), vgl. BL, MS Add. 52632, SCC, Diary 1895, fol. 48r, 4.7.1895. –– CW XXIV, S. xxi, xxiii. Zum MS :
–– 71 Miniaturen ohne Hintergrundangaben in Grisaille mit Höhungen in Rosa, Hellbau und Grün für Inkarnat, Himmel und Landschaft. Die Bildfelder von Goldrahmen mit einzelnen Efeuzweigen eingefasst. Die Figuren sind schlank und folgen in den Proportionen dem zeitgenössischen Schönheitsideal. –– Die Miniaturen wurden aufgrund stilistischer Erwägungen mit Arbeiten des Maître aux Bouquetaux verglichen, ohne jedoch diesem zugeordnet zu werden.280 Sie werden heute einem Nachfolger des Meisters der Bibel des Jean de Meun zugeschrieben.281 280 PML 1976, S. 102. 281 PML-File zu MS M. 132.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Vier- und zweizeilige farbige Initialen mit Rankenornamenten im Binnen- und Außengrund, z. T. mit hochragenden Randleisten verbunden, die wiederum in Grotesken- oder Drachenleiber münden. Zweizeilige Fleuronnée-Initialen in Rot und Sepia/ Schwarz, Blau und Rot. IX.6. (93) Jehan de Meun : Testament et Codicilles. Le Testament Maistre Jehan de Mehun (fol. 1r‑46r) ; Jean Chapuis, Les sept articles de la foi (fol. 47r‑80v) Houghton Library, Harvard College Library, Cambridge, Massachusetts, MS Typ 749
Pergament, 81 Bl., 275 × 195 mm, 24 Z. Initialen und Randdekorationen aus Leisten und Efeuranken zu jedem Buch, Initialen, z. T. mit Besatzmotiven und Fleuronnée, goldene Initialen auf blauem und violettem Grund. Um 1400 ; Frankreich. Einb.: braunes Maroquin, blindgestempelt, Trautz-Bauzonnet. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 792. –– FSE 58 : »Meun (Jean de) Testament et Codicil. French. c. 1410. sm folio. 30. 10 HYT. SCC«. –– BQ 1897, 51 : »a piece of wonderful calligraphy with two ornamental pages Written for the Duc de Berry about 1360«. Prov.: Johanna von Navarra – Thomas Lord Fairfax, Leeds Castle – Fairfax-Auktion, Christie’s, 10.–12.1.1831, 109 – Richard Heber-Auktion, Evans, 10.2.1836, 1114 -Thomas Thorpe, Kataloge von 1836 (842), 1837 (895), 1839 (410), 1840 (757) – Robert S. Turner – Adolphe Labitte, 12.3.1878, 254 – Jacques-Joseph Techener/Adolphe Labitte, 20.5.1889, 76 – James Whitchurch-Auktion, Sotheby’s, 14.12.1894, 787 – WM – RB – WM 1898, 792 – HYT – 4.5.1905 SCC – SCC-Auktion, Sotheby’s, 3.4.1957, 9 – BQ 1957, Kat. 767, 15 – BQ 1961, Kat. 820, 11 – Philip Hofer, November 1961 – 1984 Philip Hofer Bequest, Harvard College Library. Kat.: HYT 1902, Nr. 82, S. 217–218 – Hofer 1988, Kat. Nr. 11, S. 22, Abb. auf S. 23. Lit.: Hamel 1987, Nr. 38, S. 199 – Hamel 2006a, S. 55 – Linenthal 2007, S. 368. Quellen zum MS :
–– Notizen von Cockerell im Buch einliegend von 3.10.1917, 4.4.1918 und 5.8.1937. Zum MS :
–– SCC vermutete, dass die Handschrift für Johanna von Navarra, die Frau Heinrichs IV., entstand. Nach ihrer Inhaftierung auf Leeds Castle sei sie dort im Besitz von Thomas Lord Fairfax verblieben.282
282 Vgl. Hofer 1988, S. 22.
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William Morris als Handschriftensammler
–– Cockerell verglich die Schrift mit ihren langen Ausschwüngen mit derjenigen von Nicolas Flamel, dem Bibliothekar von Jean, Duc de Berry.283 IX.7. (94) Justinianus : Codex et Institutiones cum Commentario in Marginibus (Novellae constitutiones in novem collationes. Libri X–XII Codicis) Lillian Goldman Law Library, Yale University, New Haven, Connecticut, Rare Flat 11-0030
Pergament, 186 Bl., 380 × 240 mm, DK, 50 Z. Um 1250 ; nordfranzösischer Schreiber. Einb.: Kalbsleder, Titelangaben auf dem Rücken in Goldprägung, 18. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 736. –– FSE 54 : »Justiniani Codex et Institutiones. N. Fr. c. 1250. Folio. 15«. Prov.: Im Mai 1894 von WM in Beauvais für £ 7 erworben auf einer Reise mit Carruthers, Walker und SCC – RB – WM 1898, 736 – Wilton (Henry Wellcome) £ 14.14 – aus dem Nachlass 1945 an Dawsons of Pall Mall – Raphael King – 1948 Lillian Goldman Law Library, Yale University, New Haven. Kat.: Ricci Suppl., S. 52, Nr. 11. Quellen zum MS :
–– Notiz von Morris auf dem Vorsatz : »Bought at Beauvais May 1894«. –– CW XXIV, S. xix. Zum MS :
–– Auf fol. 1r im linken Seitenrand in ganzer Höhe der Kolumne die Darstellung des Kaisers Justinian mit erhobenem Schwert in der Rechten und einer Schriftrolle in der gesenkten Linken, auf einem Drachenwesen stehend. Die Umrisszeichnung farbig laviert. –– Alternierend rote und blaue Paragraphenzeichen. –– Zweizeilige rote und blaue Initialbuchstaben mit rotem und blauem Fleuronnée, in das neben stilisierten floralen Formen und federartigen Elementen auch figürliche Motive eingearbeitet sind. Die Initialen z. T. mit weit in die Seitenränder reichendem Besatz, der auch dreieckige Felder ausbilden kann, die mit geometrischen Mustern gefüllt sind. IX.8. (95) Roman des sept sages de Rome : Le Roman de Marques, Sénéchal de Rome, fils de Caton : et Le Roman de Lorin fils de Marques et Empereur de Constantinople Fitzwilliam Museum Cambridge, MS McClean 179
Pergament, 2+215+2 Bl., 310/312 × 228 mm (2°), DK, 41 Z. 9 querrechteckige Miniaturen mit Goldgrund in Kolumnenbreite (fol. 1r, 10r, 17v, 40v,
283 Ebd.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
68r, 89v, 98r, 135r, 186r), rosafarbene und blaue Rahmen mit weißen Ornamenten ; illuminierte Initialen. Ca. 1300 bzw. letztes Viertel 13. Jh.; Frankreich bzw. Flandern oder Nordfrankreich. Einb.: Eichendeckel, braunes Maroquin, goldgeprägt, Belz-Niédrée, 19. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 988. –– FSE 82 : »Romances. Three French. French. c. 1300. Folio 52 10 Fitzw. Mus McClean 179«. –– Bridwell Lib., Nr. 925, fol. 71r : »Le Roman de cet sages de Rome : le Roman de Marques et les Roman de Lorin. MSS circa 1300 with description in MSS by Paulin, Paris«. –– Kall., fol. 2r : »Le Roman des sept sages. Le Roman de Marques. Le Roman de Lorin. a MS on vellum ; 212 leaves of two columns : 8 small miniatures. circa 1300. A full description by Paulin Paris goes with this book. The writing is good, and so are ordinary initials. The miniatures are good ; but two of them are a little rubbed. [Angaben zur Prov. von Cockerell]«. –– BQ 1897, 73 : »French work […] About 1300«. Prov.: M. J. Techner, Paris, Kat. 1865–1867, Nr. 245 – Baron François Florentin Achille Seillière – Seillière-Auktion, Sotheby’s, 25.2.–1.3.1887, 933 – BQ, April 1890, Katalog 103, Nr. 186 – 1890 WM – RB – WM 1898, 988 – Leighton £ 69 – Frank McClean – 1904 als Vermächtnis an das FMC. Kat : James 1912, Nr. 179, S. 340–346, Abb. CII ; Morgan/Panyatova 2009, Nr. 159, S. 50– 51. Lit.: Linenthal 2007, S. 366. Quellen zum MS :
–– Brief von Morris an Quaritch vom 9.5.1890, zit. bei Kelvin 1996 III, Nr. 1717. S. 156 : Morris sendet Quaritch einen Scheck über £ 200. Eventuell handelt es sich dabei um das Geld für den Roman de Sept Sages, den Morris im April 1890 bei Quaritch kaufte. Zum MS :
–– Fol. 1r–144v Roman de Laurin, fol. 145r–161v Roman de sept sages de Rome, fol. 162r–215r Marques de Rome. Beschreibung der Handschrift, besonders des Textes, von M. Paulin, Paris, abgedruckt in : James 1912, S. 340–345. IX.9. (96). Senlis : Le Coustumez du Baillage de Senlis
Verbleib unbekannt. Papier, 59 Bl., 4°. Um 1495 ; Frankreich. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 1061. –– FSE 84 : »Senlis. Le coustanz & baillage. French. 15th cent. 5«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 1061 – Ellis £ 1.14. 591
William Morris als Handschriftensammler
IX.10. (97) Statuta Regni Angliae temp. anni primi Edwardi III ad annum XXIII Henrici VI 1327–1445
Verbleib unbekannt. Pergament, 271 Bl., 337 × 240 mm (2°), 38 Z. Illuminierte Initialen mit den Wappen der Fitzwilliam-Familie sowie andere Wappen, die die Heiraten der Familie dokumentieren, dreiteilige Bordüre mit Blattwerk mit Stäben, großen farbigen Blättern, Doldenblüten, Blumen, feinlinige Rispen. Blaue Buchstaben auf rotem Fleuronnée. Um 1446 ; England. Einb.: Juchtenleder. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 1137. –– FSE 83 : »Royal Statutes. 1327–1445. English. c. 1446. folio. 42 (Higgins) / Perrins«. Prov.: vor 1479 Thomas Fitzwilliam of Mablethorpe – Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 24.–30.4.1891, 2526 – 1891 WM – RB – WM 1898, 1137 – Leigthon £ 40 – Alfred Higgins-Auktion 2.5.1904, 225 – Leighton £ 45 – Charles William. Dyson Perrins – C. W. Dyson Perrins-Auktion, Sotheby’s, 9.12.1958, 23. Kat.: Warner 1920, Nr. 21, S. 70–71, Taf. XXIX. Quellen zum MS :
–– Morris vermerkte auf dem Vorsatzblatt des MS (dat. 1891) : »An English Book of good quality as to writing and ornament. The illuminated borders and armouries very characteristic of the place and period (1450), the red and blue letters very good.«284 –– WMs Katalog der Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s 24.–30.4.1891, 2526 (Grolier Club, New York), Notiz von SCC : »This must be WM’s MS now belonging to Dyson Perrins. WM sale 1137 – £ 40 Leighton – Alfred Higgins, sale 2.5.1904 – £ 45 Leighton – Perrins«. –– BL, MS Add. 52629, Cockerell, Diary 1892, fol. 69v, 5.12.1892 : »English MS of Statues 1327–1445«.
X. Profane Texte, italienische Handschriften X.1. (98) Alexander de Villa Dei, Doctrinale seu Grammatica Latina (Alexandri di Villa Dei Doctrinale Metro Leonico de Grammatica) Beinecke Rare Book & Manuscript Library, Yale University, New Haven, Connecticut, MS Marston 64
Pergament, 1 Bl. Papier+1 Bl. Pergament+54 Bl.+1 Bl. Papier+1 Bl. Pergament, 264 × 185 mm (2°), 24 Z. 284 Zit. nach : WM 1898, S. 110 ; vgl. Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1823, S. 746.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Sechszeilige Initiale mit Autorenbildnis (fol. 1r), im unteren Seitenrand ein Wappenschild der Pesaro, das von mehrfarbigen Akanthusblättern gerahmt wird. Zweizeilige Initialen, Paragraphenzeichen. 1. Viertel 15. Jh.; Norditalien. Einb.: Juchtenleder, goldgeprägt, Charles Lewis, 1820. Bibl.-kat.:
–– WM» 1898, 1190. –– FSE 1 : »Alexander de Villa Dei. Doctrinale. circa. 1530 [korrigiert in Bleistift auf 1430]. 3 10«. BQ 1897, 1 : »fine MS. by an Italian hand, on vellum / About 1450«. Prov.: Pesaro-Wappen, Venedig – Henry Drury-Auktion, Evans, 3.3.1827, 188 – Thomas Thorpe – 1832 John Trotter Brockett (†1842) – Trotter Brockett-Auktion, Sotheby’s, 16.6.1843, 16 – Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891, 327 – WM – RB – WM 1898, 1190 – Breslauer £ 8.15 – Maggs – 1956 Laurence C. Witten – 1956 Thomas Ewart Marston – Beinecke Rare Book Library, New Haven. Kat.: Ricci Suppl., S. 71–72, Nr. 64 – Shailor 1992, S. 131–132. Lit.: PML 1976, S. 34. Quellen zum MS :
–– Eventuell über Leighton erworben, über den Morris drei andere MSS der Auktion kaufte (Edward Hailstone-Auktion, 1858, 2072, 2138, vgl. Brief von WM an Leighton vom 30.4.[1891], Kelvin 1996 III, Nr. 1868, S. 296–297. Brief von WM an Walker vom 2.5.[1891], Kelvin 1996 III, Nr. 1871, S. 300). –– WMs Katalog der Edward Hailstone-Auktion, Sotheby’s, 23.–30.4.1891, 327 (Grolier Club, New York) : Notizen von SCC zur Provenienz. X.2. (99) Leonardus Aretinus
(Leonardo Bruni/Lionardo Aretino) :
Historiarum Floren-
tini populi libri XII ; Rerum suo tempore gestarum commentarius Bodleian Library Oxford, MS Buchanan c. 1
Pergament, i+258+ii Bl., 351–353 × 256–257 mm, 27 Z. Im unteren Seitenrand ein Medaillon mit Putto, der einen leeren Schild trägt, und einem Rahmen Ranken und Goldpunkten (fol. 1r). 11 Weißrankeninitialen auf Polstergrund, diejenige auf fol. 1r besonders reich gestaltet. Um 1440–1450 ; Florenz. Malereien zugeschrieben Bartolomeo d’Antonio Varnucci.285
285 Albinia de la Mare, New Research on Humanistic Scribes in Florence, in : Annarosa Garzelli (Hrsg.), La miniatura fiorentina del Rinascimento, 1440–1525 : un primo censimento, Inventari e cataloghi toscani, 18–19, Florenz 1985, S. 395–574, hier S. 398, Anm. 21 ; vgl. mit Abbey MS J. A. 3227, Alexander/de la Mare 1969, S. 31.
593
William Morris als Handschriftensammler
Einb.:
15. Jh.
Eichendeckel, braunes Leder, Metallverschlüsse und -beschläge, Venedig, Mitte
Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 131. –– FSE 6 : »Aretinus (Leon.) Historia Florentina. circa 1450. 19 10«. –– BQ 1897, 5 : »fine MS. on vellum, in its original Italian binding About 1450«. Prov.: unbekannte italienische Eigentümer des 15.–17. Jh.s – Eigentümervermerk von 1536 – John Adrian Louis Hope, 7th Earl of Hopetoun and 1st Marquis of Linlithgow – Hopetoun-Auktion, Sotheby’s, 25.2.1889, 228 – Leighton – Morris nach 1890 erworben – RB – WM 1898, 131 – Rt. Hon. T. R. Buchanan £ 25 – 1941 als Stiftung an die BLO. Kat.: Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 230, S. 23, Taf. XX – Kidd 2001, S. xxvii, 1–7, Taf. 11, 13. X.3. (100) Aristoteles : Ethicorum libri (Ethica nicomachea) Houghton Library, Harvard College Library, Cambridge, Massachusetts, MS Lat. 266
Pergament, 152 Bl., 181 × 130 mm (4°), 23 Z. 9 Weißrankeninitialen in der Höhe von drei oder vier Zeilen, das Binnenfeld in Gelbbraun oder Rot mit Goldpunkten, der unregelmäßige Außengrund dunkelblau. Um 1440/1450 ; Italien, ev. Florenz. Einb.: olivfarbenes Maroquin mit Wappen, Charles Lewis, ca. 1830–1840. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 71. –– FSE 7 : »Aristotelis, libri de virtutibus. circa 1450. 5«. Prov.: Philip Augustus Hanrott-Auktion I, London, 16.7.1833, 1418 – H. Bohn – John Alfred Wigan – Henry G. Bohn-Auktion II, Sotheby’s, 9.5.1870, 8819 – BQ – WM – RB – WM 1898, 71 – Leighton £ 7.5 – Preston A. Perry-Auktion, Anderson Galleries, New York, 21.4.1908, 271 – 1908 Charles Eliot Norton, Norton MS 2008 – 1908 Harvard College Library, Cambridge, Mass., erworben durch die »Friends of the Library«. Kat.: Ricci 1935 I, S. 999 (Norton 2008) – Ricci Suppl., S. 244 – Wieck 1983, S. 112, Abb. 124. X.4. (101) Cicero : Orationes Beinecke Rare Book & Manuscript Library, Yale University, New Haven, Connecticut, MS 93
Pergament, 228 Bl., 391 × 274 mm (2°), 33 Z. 27 fünf- bis siebenzeilige goldene Initialen mit Weißrankenornament auf blauem Außensowie beigefarbenem und gelbgrünem Binnengrund, Initialfelder von unregelmäßigem Umriss, die Ranken leicht gelb getönt und im Binnengrund in komplizierten Verflechtungen angeordnet, der Hintergrund mit goldenen Dreipunktgruppen versehen. Um 1430–1440 ; Florenz. 594
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Schreiber wie Florenz, MS Laur. 35, 27.286
Einb.: Halbeinband, braune Kartondeckel, Lederrücken, Pergamentecken Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 357. –– FSE 37 : »Ciceronis Orationes. Italian. 15th cent. La. folio. 20 Gribbel / Philadelphia«. –– BQ 1897, 25 : »Italian work About 1460« oder 26 : »another fine MS. […] Italian work About 1460«. Prov.: Girolamo Lagomarsini (†1773) – Dominikanerkloster San Marco, Florenz – Friedrich Ludwig von Keller – Ambroise Firmin-Didot – BQ (Catalogue of Rare Books and Manuscripts bought at the Sale of the celebrated Didot Collection, London ca. 1890, Nr. 4, S. 2) – WM – RB – WM 1898, 357 – BQ £ 27.10 – Laurence W. Hodson-Auktion, Sotheby’s, 3.–5.12.1906, 128 – SCC £ 50 – John Gribbell – F. I. Keller – David Wagstaff – 1945 als Geschenk von Mrs Wagstaff an die Yale University Library, New Haven. Kat.: Ricci Suppl., S. 28, Nr. 93 ; Shailor 1984, S. 134–136, Taf. 25. Quellen zum MS :
–– Im vorderen Spiegel Notiz von Cockerell vom 3.12.1906 : »Ciceronis Orationes and Crispi Sallusti Oratio in M. Tullii Ciceronum (f. 200) / M. Tulli Ciceronis responito in Crispum Sallustium (Apocripiae) [fol. 201r] / Ital. MS c. 1440 / This MS was particularly prized by WM.« X.5. (102) Cicero : Orationes et Vita L. Aretini Bibliothèque publique et universitaire, Genf, Comites Latentes MS 73
Pergament, 177/180 Bl., 2° (131∕8 × 9 in.), 36 Z. Erste Seite mit dreiteiliger Weißrankenbordüre in Goldrahmen auf Polstergrund mit Vögeln und Insekten, von Putti gestützter Wappenschild, große Weißrankeninitiale ; große Weißrankeninitiale mit 6 Putten am Anfang des sechsten Oratio, 16 kleinere Weißrankeninitialen. Um 1460–1470 ; Rom. Einb.: Eichendeckel, braunes Maroquin. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 358. –– FSE 35 : »Ciceronis Vita et oraniones. Venetian. c. 1470. Folio. 90 Tomkinson«. –– BQ 1897, 25 : »Italian work About 1460« oder 26 : »another fine MS. […] Italian work About 1460«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 358 – Waring £ 81 – Michael Tomkinson-Auktion II, Sotheby’s, 3.7.1922, 1266 – Sotheby’s, 11.12.1956, 14 – Willis King III-Auktion, Sotheby’s, 6.12.1971, 27 – Genf, Bibliothèque publique et universitaire.
286 Vgl. Shailor 1984, S. 136 : nach A. C. de la Mare.
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William Morris als Handschriftensammler
Kat.: Hidden Friends 1985, Kat. Nr. 29, o. S. mit Abb.287 X.6. (103) Cicero : Tusculanae Disputationes The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., MS HM 1031
Pergament, 1+87+1 Bl., 270 × 183 mm (kleines 2°), 32 Z. Um 1470 ; Italien, vermutl. Venedig. Schreiber : eventuell Paolo Erizzo ; Maler : Meister der Putti, Venedig, tätig zwischen 1469 und 1473288. Einb.: Eichendeckel, Ziegenleder, blindgeprägt mit Flechtbandornamenten, 15. Jh., aufgezogen auf Kalbsledereinband des 19. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 365 : »an elaborate painted and illuminated Renaissance scroll border«. –– FSE 36 : »Ciceronis Tusculanae questiones. Italian. c. 1470. sm. Folio. 10«. –– BQ 1897, 23 : »fine initial page Venice, about 1450«. Prov.: Erizzo-Familie von Venedig (P.E.A.F., ev. für Paulus Erizzo Antonii Filius289) – 1658 Marsilio Papafava aus Padua – WM – RB – WM 1898, 365 – B. F. Stevens £ 32 – Robert Hoe-Auktion I, Anderson Galleries, New York, Dezember 1911, 2122 – G. D. Smith – Henry E. Huntington – Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif. Kat.: Ricci 1935 I, S. 81 – Dutschke 1989 I, S. 293–294, II, Abb. 130. Zum MS :
–– Auf fol. 2r vierseitiger blauer Rahmen mit sich zu Voluten einrollenden grünen Ranken mit purpurfarbenen, goldgehöhten Akanthusblättern, in der oberen Leiste in einen purpurfarbenen Puttokopf und eine goldene Muschel mündend, in der unteren Leiste ausgehend von den Blattschwänzen zweier geflügelter weiblicher Phantasiewesen, die einen Wappenschild halten. Der Rahmen gestützt von einem roten Gesims, das wiederum von zwei Füllhörnern getragen wird, aus denen Voluten ragen. Die siebenzeilige grüne C-Initiale als facettierter Kapitalbuchstabe mit Goldrahmen und rotem Binnenfeld, das mit einer Medaille mit Profilkopf verziert ist. –– Fünfzeilige farbige, facettierte Initialbuchstaben zu jedem Buch. Im Binnenfeld verschiedene Motive : fol. 24r Amphore und Ranken, fol. 35v geflügelter, eine Leier spielender Kentaur, fol. 51r ein sich bewaffnender Putto, fol. 66r ein Flöte spielender Knabe. Die Motive in goldener und farbiger Zeichnung aus dem farbigen Binnengrund herausgearbeitet. 287 Hier irrtümlich die Angaben : WM 1898, 27. 288 Vgl. Dutschke 1989 I, S. 294. Siehe dazu Lilian Armstrong, Renaissance Miniature Painters & Classical Imagery. The Master of the Putti and his Venetian Workshop, London/Philiadelphia 1981, Nr. 26, S. 117. 289 Dutschke 1989 I, S. 294.
596
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Schrift wie Fenestella-MS, BLO, MS Buchanan e. 15 (vgl. WM 1898, 297). X.7. (104) Lucius Junius Moderatus Columella : De re rustica Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 139
Pergament, 187 Bl., 270 × 190 mm, 29 Z. 10.9.1469 dat.; Italien, eventuell Mailand. Schreiber : Henriecus Roffinus de Murialdo, Ferrara. Einb.: rotes Maroquin mit dem Wappen der Sandri, Herzöge von Savona, 18. Jh. Bibl.-kat.:
–– FSE 38 : »Columella, de re rustica. Italian. 15th cent. Folio. 200 JPM 109«. –– BQ 1897, 27 : »handsome Italian work 1468«. Prov.: Familienmitglieder der Del Carretto, Herzöge von Savona und Millesimo bei Neapel – Sandri, Herzöge von Monbasilio – Sammlung Alexander Hamilton Douglas, Duke of Hamilton, MS 184 – 1883 Königliches Museum, Berlin – Hamilton-Auktion, Sotheby’s, 23.5.1889, 50 – WM – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 571 – James 1906, Nr. 109, S. 169–170 – Ricci 1937 II, S. 1392, 139 – Harrsen/Boyce 1953, Nr. 59, S. 33, Taf. 47. Lit.: Ausst.-Kat. The Painted Page. Italian Renaissance Book Illumination 1450–1550, hrsg. von J. J. G. Alexander, Royal Academy, London/PML, New York 1994/1995, München 1994, S. 81. Zum MS :
–– Der Titel zweizeilig in Goldkapitalis. –– Auf fol. 1r zum Vorwort eine vierseitige goldgerahmte Rahmenbordüre aus Weißranken auf Polstergrund mit Dreipunktgruppen und Eckmedaillons. Eine Miniatur bietet, von Säulen gerahmt und von einem Gebälk abgeschlossen, den Blick in eine Landschaft mit Fluss, von Schiffen befahrener Meeresbucht und ummauerten Städten in den fernen Bergen. Im Vordergrund der Landschaft sitzt der Autor, umgeben von Bauern vor einem turmartigen Gebäude. Die Medaillons der Rahmenbordüre enthalten Szenen mit ländlichen Arbeitsdarstellungen : Mann beschneidet Weinstock, Schafhirt, Kornwagen, Mann bei der Kornernte. In der unteren Bordüre das Wappen der Del Carretto auf einem von Löwen gezogenem Wagen, eingefasst von einem Lorbeerkranz. In der linken Bordüre ein Rhombenfeld mit einem weißen Kaninchen, in den Ranken der oberen Rahmenleiste klettern zwei Putti. –– Der Beginn jedes Buches mit Ausnahme des ersten durch eine runde Miniatur im unteren Seitenrand ausgezeichnet. Die goldgerahmten Miniaturen seitlich von mit Weißranken gefüllten Feldern eingefasst. –– Die Miniaturen werden einem der beiden Künstler zugeschrieben, die das Stundenbuch der Cecilia Gonzaga illuminierten (PML, MS M. 454), für den die etwas unter-
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William Morris als Handschriftensammler
setzten Figuren kennzeichnend sind.290 1889 wurden die Arbeiten noch Girolami dai Libri zugeschrieben.291 –– Randbordüren und goldene Initialbuchstaben mit Weißranken auf rotem, blauem und grünem Polstergrund mit weißem Punktmuster, unregelmäßige Kontur des Außengrundes. X.8. (105) Pseudo Lucius Fenestella : De Romanorum Magistratibus Bodleian Library Oxford, MS Buchanan e. 15
Pergament, iii+44+ii Bl., 214‑215 × 143–144 mm, 27 Z. Schreiber von Morris’ Cicero-MS der Tusculanae Disputationes (WM 1898, 365 ; Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., HM 1031), auf fol. 42v : PEFA, eventuell Paolo Erizzo, Sohn des Antonio, der von 1473–1503 tätig war ; vgl. a. ÖNB, Cod. 3180. Initiale (fol. 1r), in die ein jugendlicher Männerkopf im Profil in camaieu d’or eingestellt ist, das Wappen der venezianischen Erizzo-Familie im unteren Seitenrand, farbige Initialen.292 Um 1470–1480, 1471–1473 ;293 Venedig. Einb.: Eichendeckel, braunes Maroquin, blindgestempelt mit Wappen. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 297. –– FSE 42 : »Fenestella. De Romanorum magistratibus. Italian. c. 1470. Fine binding [in Bleistift] sm. 4to 15«. –– BQ 1897, 32. Prov.: Erizzo-Familie, Venedig – italienische Bibliothek, 18. Jh. – Leighton – Morris um 1889 erworben – RB – WM 1898, 297 – Rt. Hon. T. R. Buchanan £ 13 – 1941 als Stiftung an die BLO. Kat.: Pächt/Alexander 1970 II, Nr. 558, S. 55, Taf. LI – Kidd 2001, S. xxvii, 97–101, Taf. 34. Lit.: Armstrong 1981, Nr. 26, S. 6, 117, Abb. 57. X.9. (106) Grammatica Latina Rhythmica / Alexander de Villa Dei, Doctrinale : Scribere clericulis paro … Quas tres personas credo in idem deitatis
Verbleib unbekannt. Pergament, 63 Bl., 140 × 90 mm (8°). Die erste Seite illuminiert, blaue und goldene Kapitalbuchstaben. 15. Jh.; Italien. 290 PML-File, MS M. 139. 291 Hamilton-Auktion, Sotheby’s, 23.5.1889, S. 49–50. 292 Vgl. mit Arbeiten des »Master of the Putti«, Pächt/Alexander 1970 II, S. 55 ; vgl. a. Armstrong 1981, Nr. 26, S. 117. 293 Armstrong 1981, S. 117.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
Einb.: Eichendeckel, braunes Maroquin, blindgeprägt. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 418. –– FSE 57 : »Metrical Latin Grammar. Ital. c. 1460. sm. 8°. 5 – AF. Vigers«. Prov.: Johannes Paulus Marconus Venetus 1610 – WM – RB – WM 1898, 418 – Leighton £ 5.10 – A. F. Vigers – Maggs – 1938 Phyllis Goodhart Gordan & John Dozier Gordan Jr., New York. Kat.: Ricci Suppl. S. 404, Nr. 151. X.10. (107) Onosander : De optimo imperatore, per Nicolaum Secundinum traductus Graeco in Latinum Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 449
Pergament, 69 Bl., 220 × 150 mm, 20 Z. Auf der ersten Seite eine vierseitige Weißrankenbordüre auf farbigem Polstergrund ; im unteren Seitenrand ein von einem Lorbeerkranz eingefasster Schild. 3 Weißrankeninitialen auf Polstergrund. Um 1470/1490 ; Italien, eventuell Rom (Ricci 1937 II, S. 1451) oder Neapel (Harrsen/ Boyce 1953, S. 49). Schreiber : Stil des Ioachimus de Gigantibus294/Pietro Ippolito da Luni.295 Einb.: Holzdeckel, rotes Maroquin, goldgeprägt, um 1490, Florenz (WM 1898, 694) oder Neapel. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 694. –– FSE 65 : »Onosander. De optimo Imperatore. c. 1480. sm 4to fine binding [hinzugefügt] 20 Hoe«. Prov.: Wappen des Auftraggebers entfernt – William Bragge-Auktion, Sotheby’s, 7.– 10.6.1876, 299 – J. Molini – WM – RB – WM 1898, 694 – BQ für £ 23 – Robert HoeAuktion, Anderson Galleries, New York, 24.4.1911, 2159 – Giuseppe Martini – 1911 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Ricci 1937 II, S. 1451, Nr. 449 – Harrsen/Boyce 1953, Nr. 87, S. 49. X.11. (108) Matheus Palmerius (Matteo Palmieri) : Liber de Temporibus Wellcome Institute Library, London, MS 591
Pergament, 100 Bl., 281 × 201 mm, 28–30 Z., gotische Schrift. Paragraphenzeichen in Blau und Rot, Überschriften in Rot, Weißrankeninitiale aud Polstergrund mit Seitenranddekoration am Textanfang, weitere Initiale auf fol. 3r 1469 ; Italien, vermutlich Florenz. 294 Harrsen/Boyce 1953, S. 49. 295 Http ://corsair.themorgan.org/cgi-bin/Pwebrecon.cgi ?BBID–77340 [Zugriff am 2.6.2012].
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William Morris als Handschriftensammler
Einb.: Eichendeckel, Leder, blindgestempelt, 15. Jh., Italien. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 930. –– FSE 67 : »Palmerius (Matt.) Liber de temporibus. Ital. sm. folio. 7«. Prov.: Libri-Auktion, Sotheby’s, 11.8.1859, 1926 – Pickering, London – William Horatio Crawford of Lakelands-Auktion, Sotheby’s, 12.3.1891, 2330 – Leighton – WM – RB – WM 1898, 930 – Wilton (Henry Wellcome) £ 7 – Wellcome Institute Library, London. Zum MS :
–– Chronik von der Geburt Christi bis in das Jahr 1469 mit besonderer Relevanz für die Geschichte von Florenz.296 –– Einträge von 1512–1515, eventuell von Guglielmo Cioni, von dem sich eine Signatur im Buch erhalten hat. –– Text als Teil des »Chronicon« des Eusebius in Mailand um 1475 publiziert. –– Beschreibungen des MS von Crawford und SCC. X.12 (109). Sydrachus : Qui si comincia el libro prologho del libro di Sidracho lo Strolagho lo qual parla di tutce le cose che aluomo bisognano Fitzwilliam Museum Cambridge, MS CFM 16
Pergament, 124 Bl., 250 × 180 mm (4°), 31–32 Z. Schreiber : Pietro Pico. Auf fol. 1r Initiale mit Autorenporträt, 3 Miniaturen, farbige Initialen. Um 1440 ; Italien, eventuell Venedig. Einb.: Pergament, Lederbänder, 17. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 1076. –– FSE 85 : »Sidracho, Libro dello strolagho. Italian. c. 4to. 12 (CFMurray)/ Fitzw. Mus.« –– BQ 1897, 74 »About 1380«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 1076 – BQ £ 30 – CFM – 1905 als Geschenk an das FMC Kat.: Wormald/Giles 1982 I, S. 28–30 – Morgan/Panayotova 2011, Nr. 62, S. 124–125 Zum MS :
–– Die Miniaturen der Handschrift wurden von Wormald/Giles mit Arbeiten Cristoforo Corteses verglichen.297 –– Malereien nur in erster Lage. 3 ungerahmte Miniaturen auf fol. 3r, 3v, 8v. –– Initiale mit Autorenporträt ; alternierend rote und blaue Initialen.
296 Vgl. The Lakelands Library, Catalogue of the Rare & Valuable Book, Manuscripts & Engravings of the late W. H. Crawford, Esq. [….], Sotheby’s, London, 12.–23.3.1891, Los 2330. 297 Wormald/Giles 1982 I, S. 28–30.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
X.13. (110) Virgilius Maro : Georgica et Aeneis Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., MS HM 1036
Text unvollständig : Es fehlen die letzten 23 Zeilen der Georgica IV und von Aeneis VI, 1–105. Pergament, 3+207+3 Bl., 342 × 232 mm (2°), 31 Z. 1. Hälfte 15. Jh.; Italien, ev. Florenz.298 Einb.: braunes Maroquin mit Blind- und Goldprägung, Leighton, sign. im hinteren Innendeckel. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 1194. –– FSE 90 : »Vergilii ‹ Georgica › et Ænæis. Italian. c. 1400. Folio. 150«. –– BQ 1897, 75 : »with two pictures, and several finely decorated pages. An attractive volume About 1450«. Prov.: WM – RB – WM 1898, 1194 – Hepenstal £ 164 – Ross C. Winans – 1918 Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif. Kat.: Ricci 1935 I, S. 82 – Dutschke 1989 I, S. 301–304, II, Abb. 88. Lit.: Fletcher 190, S. 426. Quellen zum MS :
–– Im MS einliegend eine von Cockerell in Bleistift geschriebene Inventarkarte : »William Morris’s own Cataloguing in the hand of his friend Sydney C. Cockerell«. Die oben rechts in Bleistift mit 90 nummerierte Karte trägt die Überschrift »MS / Italian / c. 1500« : »Vergilius (Publius) Maro : Georgica & Æneis / Italian. Late 14th or early 15th century. Folio. Gothic letter. On 206 ff. of vellum, including 2 that are blank. 31 lines / At the beginning of the Georgics there is an ornamental half border in gold & colours & a picture of a man ploughing with two oxen. At the beginning of the Æneid there is a similar but more elaborate ornament into which the burning of Troy, Aeneas on a white horse, & two ships, are introduced. At the beginning of each book there is a large initial in gold & colours. At the end of the volume are a series of epigrams, etc. with penwork initials. The last 23 lines of the 4th Georgic and the first 105 lines of the 6th Æneid are lacking. Brown morocco.« Zum MS :
–– Miniatur auf fol. 2r am Beginn der Georgica : Darstellung eines pflügenden Mannes vor einer hügeligen Landschaft mit liegendem Hirschen und weißer Burg im Hintergrund. Die Miniatur ist durch Braun- und Grüntöne mit einzelnen gelben Akzenten bestimmt. Trotz der sorgfältigen Schattierungen und Wiedergabe der Gewandfalten lassen sich Probleme bei der perspektivischen Darstellung erkennen. 298 Dutschke 1989 I, S. 304.
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William Morris als Handschriftensammler
–– Miniatur auf fol. 38r am Beginn der Aeneis : Das brennende Troja im Binnenfeld der Initiale A, im unteren Seitenrand eine Miniatur mit der Darstellung des Aeneas auf einem weißen Pferd (links) und zwei Schiffen auf See (rechts), im Hintergrund eine Berglandschaft. Für diese Miniatur lässt sich ein anderer Maler vermuten, da sich anstelle einer sorgfältigen Modellierung nun Binnenzeichnung in Sepia findet und die Naturformen stärker stilisiert werden. –– Florale Randbordüren am Beginn der beiden Texte. Auf fol. 2r im linken und unteren Seitenrand, auf fol. 38r im inneren Seitenrand und die Miniatur des unteren Seitenrandes einfassend. An relativ schlanken Stäben ansetzende Akanthusblattvoluten, Blattknospen mit Goldmitte, stilisierte Blüten, Sepialinien mit Goldbeeren, die Zwickelfelder der sich einrollenden Ranken mit Gold gefüllt. Die Farbigkeit durch Violett, Grün, Rot und Blau bestimmt. –– Initialen : zehnzeilig bzw. größere farbige Initialen, dreizeilige Goldbuchstaben mit Fleuronnée-Dekoration als Textunterteilung. Für die Epigramme am Ende des MS ab fol. 204r Fleuronnée-Initialen in Rot auf purpurfarbenem Fleuronnée alternierend mit Blau auf rotem Fleuronnée.
XI. Diverse MSS XI.1. (111) Vier Bl. aus Gebetbuch
Verbleib unbekannt. Pergament, 4 Bl., Folio. Die Seiten illuminiert, darunter eine kleine Miniatur mit Darstellung eines Abtes, historisierte Initialen und Besatz. 14. Jh. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 784. Prov.: WM – RB – WM 1898, 784 – BQ £ 6. XI.2. (112)
(Guilelmus)
Paraldus
(auch Peraldus),
Episc. Lugd.: Summa Virtutum et Vi-
ciorum
Privatsammlung. Pergament, 222 Bl., 301 × 210 mm (2°), DK, 48 Z. Dekorierte Kapitalbuchstaben in Rot und Blau. Sp. 13. Jh.; flämisch. Einb.: Eiche, braunes Maroquin, blindgeprägt. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 932. –– FSE 68 : »Paraldus (Gul.) Summa virtutum. &c. Fol. 10«. 602
Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Bridwell Lib., Nr. 922, fol. 71r : »Summa virtutum & viciorum, MS on vellum, late 14th century.« Prov.: Busleyden College, Leuven – WM – RB – WM 1898, 932 – Wilton (Henry Well come) £ 11 – aus dem Nachlass 1945 an Dawsons of Pall Mall – Robert C. Pearson – 1957 als Geschenk von Pearsons Witwe an A. N. L. Munby – Sotheby’s, 22.6.1982, 42 – Privatsammlung. Lit.: A(nthony) S(tockwell) G(arfield) Edwards, A. N. L. Munby’s Collecting of Medieval and Renaissance Manuscripts, Transactions of the Cambridge Bibliographical Society 15, Nr. 3, Great Collectors and Their Grand Designs : a Centenary Celebration of the Life and Work of A. N. L. Munby, 2014, S. 57–71, hier S. 62, Nr. [10] auf S. 68. XI.3. (113) Joannes de Muris : Theorica Proportionum Musicalium et Canones Minutiarum Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, MS lat. fol. 600
Pergament, 16 Bl., 2°. Ornamentale Initialen. 15. Jh./um 1460. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 912. –– FSE 64 : »Murio, Jo. de. Theorica proportionum musical. c. 1460. Fol. 1«. Prov.: Guglielmo Libri-Auktion, Sotheby’s, 28.3.–5.4.1859, 702 – WM – RB – WM 1898, 912 – Breslauer £ 4 – 1898 Königliche Bibliothek (heute : Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz) von Antiquariat Breslauer. Kat.: Folkerts 1981, Nr. 17, S. 66. XI.4. (114) Zwei Miniaturen von Johannes Bemler (Bämler) Pierpont Morgan Library, New York, MS M. 45
Pergament, Bifolium, 300 × 210 mm, aus dem Register einer deutschen Bruderschaft von St. Leonard ; 2 Miniaturen. 1457, dat.; Augsburg, Johannes Bemler oder Bämler, sign. (Kreuzigungsminiatur). Einb.: grünes Maroquin, England, 19. Jh. Bibl.-kat.:
–– FSE 96 : »Bamler [ ?] Drawings. Folio. 40 JPM 105«. –– BQ 1897, 9. Prov.: Bruderschaft von St. Leonard, Unter-Liezheim, Diözese Augsburg (Harrsen 1958, S. 69) – bis 1874 in der Sammlung John Piggot – BQ, in den Katalogen von 1874 und 1886 aufgeführt (vgl. Ricci 1937 II, S. 1373) – 23.4.1895 von BQ durch SCC für Morris für £ 10 erworben – RB – 1902 J. Pierpont Morgan – PML. Kat.: Bennett 1900, Nr. 666 – James 1906, Nr. 105, S. 161–162 – Ricci 1937 II, S. 1373, Nr. 45 – Harrsen, 1958, Nr. 57, S. 68–69, Taf. 71. Ausst.: BFAC 1874, Nr. 22 ; PML 1976, Nr. 17, Taf. IX. 603
William Morris als Handschriftensammler
Quellen zum MS :
–– BL, MS Add. 45410, Morris, Diary 1895, 23.4.1895 : SCC hat »Bamler pictures« für £ 10 gekauft. –– BL, MS Add. 52632, Cockerell, Diary 1895, fol. 37v, 24.4.1895 : »Went to Mr. Weale at the SKM about the two leaves painted by J. Bamler, recently acquired from Quaritch«. –– HL, HM 36910, Brief von Morris an Cockerell, 24.4.1895, zit. nach : Kelvin 1996 IV, Nr. 2368, S. 270 : »Many thanks for conducting the negotiation I look forward to seeing both book and sheets as my own. When the article is good looking in it self I don’t object to the added interest of history. Do you suppose that Bamler wrote his name himself. I suppose at any rate the writing is undoubtedly contemporary.« Morris besaß nur wenige deutsche Handschriften. Diese beiden Blätter erwarb er vermutlich wegen der Verbindung des Malers zur Augsburger Druckkunst. Bämler (ca. 1430–1504) war in Augsburg in den 1470er Jahren als Schreiber und Illuminator tätig, widmete sich aber zunehmend der Druckkunst. Morris verwahrte sechs seiner Drucke in seiner Bibliothek.299 Zum MS :
–– 2 Miniaturen auf Goldgrund : fol. 1v Christus am Kreuz, daneben stehend Maria und Johannes ; fol. 2r der hl. Leonard, der zwei Gefangene befreit. Die Miniaturen werden von Akanthusblättern bzw. blauen Schuppen- oder Blattbändern umgeben, wobei sich an den Ecken jeweils mit punzierten Mustern versehene Goldquadrate befinden. Diese inneren Rahmen werden wiederum von einem äußeren Rahmen aus Blumen, Tieren und Vögeln auf Goldgrund eingefasst, in deren Ecken vierpassförmige Felder gesetzt sind, die die Evangelistensymbole und Büstenporträts von Heiligen enthalten. Vgl. die Kreuzigungsminiatur mit einer entsprechenden Miniatur, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, Cod. 1.13, dat. 1462 (Harrsen 1958, S. 68). XI.4. (115) Ferdusi : Shah-Nameh (Firdawsi : Shahnama) Fitzwilliam Museum Cambridge, MS 311
Papier, 440 Bl., 370 × 245 mm (2°), 4 Kolumnen, 29 Z. Nastaliq Schrift. Jede Seite mit einem Rahmen in Blau, Rot, Gold, Grün. 67 Miniaturen, aber in der Handschrift ein Vermerk des Schreibers, dass sie ehemals 82 Miniaturen umfasst habe. Frühes 17. Jh. (1620–1621) ; persisch, provinzieller Stil (Nordiran, Astarabad, Esfahan ?). Einb.: schwarzes Maroquin, goldgeprägt, mit Seide beklebter Vorsatz. Bibl.-kat.:
–– WM 1898, 529. –– FSE 41 : »Ferdusi, Shah-Nameh. Persian. 17th cent. Folio. 40 WSBlunt / Fitzwilliam Museum«. 299 Vgl. Kelvin 1996 III, S. 277, Anm. 4 ; ders. 1996 IV, Appendix B, S. 406.
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Handschriften in William Morris’ Bibliothek
–– Bridwell Lib., Nr. 105, fol. 10r–11r : »The Shah Nameh of Abul Cassim Firdusi. MS Persian illuminated«. –– Kall., fol. 2r–v : »The Shah Nameh of Firdusi. MS on oriental paper with a great many miniatures, very bold and ornamental. Persian of the seventeenth century«. –– BQ 1897, 58 : »a large and beautiful MS. with numerous Miniatures ; in Oriental binding A.H. 1030«. Prov.: chinesische Eigentümer – WM – RB – WM 1898, 529 – BQ £ 47 – 1900 Wilfrid Scawen Blunt – 1922 als Geschenk Blunts an das FMC. Kat.: Wormald/Giles 1982 I, S. 301–303 – Panayotova 2009, S. 29–30 mit Abb., S. 156. Lit.: Panayotova 2007, S. 401 ; Barbara Brand/Charles Melville (Hrsg.), Ausst.-Kat. Epic of the Persian Kings. The Art of Ferdowsi’s Shahnameh, Fitzwilliam Museum Cambridge 2010–2011, London/New York 2010, Kat. Nr. 78, S. 190. Quellen zum MS :
–– Morris begann um 1883 eine Übersetzung des persischen Werks, wobei er sich auf die französische Übersetzung »Le Livre des Rois« von Jules Mohl 1838 stützte.300 Morris’ Fassung des Textes »The Setting-Up of the Holiday of Fire« in der BL, MS Add. 45317, fol. 48–75. XI.5. (116) Band mit 31 indischen Zeichnungen
Verbleib unbekannt. 11 × 6 in. und 16¾ × 8¾in. 17. oder 18. Jh.; Delhi. Bibl.-kat.:
–– Bridwell Lib., Nr. 353, fol. 28r : »Album of Eastern illuminations (Delhi work seemingly)«. –– Kall., fol. 2v : »A vol : containing 31 carefully painted miniatures, illustrations seemingly of stories. Delhi work of the seventeenh or eighteenth century, beyond the ordinary for the most part.« –– WM 1898, 720 : »Indo-Persian Drawings, 31 Miniatures, chiefly mythological subjects, Delhi School […] all very highly finished«. –– FSE 52 : »Indo Persian pictures. Folio. 25.« Prov.: WM – RB – WM 1898, 720 – Ellis für £ 39.10. XII. Handschriften, die sich in Morris’ Bibliothek befunden haben sollen, aber in keinem der Kataloge nachweisbar sind XII.1. S. Francis of Assisi : I Fioretti Boston Public Library, Boston, Mass., MS 1543 300 Vgl. Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1539, S. 688 ; Mackail 1995 II, S. 92.
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William Morris als Handschriftensammler
66 Bl., 260 × 170 mm. Um 1480 ; Italien. Einb.: rotes Maroquin. Prov.: WM ? – 1948 Kraus – 1951 Boston Public Library. Kat.: Ricci Suppl., Nr. 121, S. 213 – Zoltán Haraszti, Notable Purchases, in : The Boston Public Library Bulletin VII, 1955, S. 72–91, hier S. 76. XII.2. Ralph (Ranulf) Higden : Polychronicon The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., MS HM 132
Pergament, 3 Bl.+309 Bl. (fol. 295–309 frei), 264 × 174 mm, 33–38 Z. Mitte 14. Jh.; England. Beendet 1327, bis 1340 von anderem Autor, aber dem gleichen Schreiber weitergeführt, letzte Einträge bis 1352 von anderem Schreiber. Einb.: Holzdeckel, Schafsleder, Reste von Lederriemen und Nägeln für Verschlussbänder, ev. St. Werburg, 15. Jh. Prov.: von Higden wohl um 1360 bzw. zwischen 1299 und 1363–1364301 in der Abtei vom St. Werburgh/Werburg, Chester, geschrieben (fol. 183r) – ausradierte Einträge – um 1500 George Savage – Phillipps MS 20712 – Phillipps-Auktion, Sotheby’s, 21.–26.3.1895, 419 (allerdings keine Angabe bei Ricci) – WM ? (kein Exlibris) – 1900 George Dunn, Wooley Hall bei Maidenhead – Dunn-Auktion 1913, 512 – Edwards – Herschel V. Jones, Minneapolis – 1918 Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif. Kat.: Ricci 1935 I, S. 55 – Dutschke 1989 I, S. 175–177, II, Abb. 72. Zum MS :
Hierbei handelt es sich um die »E«-Fassung der gedruckten Textversion.302 –– Rote Paragraphenzeichen und Überschriften, rote Initiale am Textbeginn ohne Dekoration, einzelne Textteile in Rot hervorgehoben. Auf fol. 4v eine ovale Weltkarte mit Jerusalem im Zentrum sowie einer Darstellung von Adam und Eva im oberen Rand ; auf fol. 48r im unteren Seitenrand Pläne der Arche. –– Ralph (Ranulf) Higden war Benediktinermönch im Kloster St. Werburgh, Chester. Auf fol. 183r wird Abt Seynesburg genannt, der dieses Amt zu Higdens Zeit (1349– 1362/1363) innehatte. –– Das Hidgen-Manuskript der Bibliotheca Phillippica wird mit illuminierten Kapitalien, in Doppelkolumne geschrieben und in Kalbsleder gebunden beschrieben. Der Text endet im Jahre 1376. Die voneinander abweichenden Zeitangaben lassen vermuten, dass es sich um unterschiedliche Handschriften dieses Textes handelt. 301 Dutschke 1989 I, S. 176. 302 Ebd.
606
Tabellarische Aufstellung der Handschriften in William Morris’ Bibliothek nach Inhalt
–– Zwar befindet sich in dem Archiv der Huntington Library eine maschinenschriftliche Beschreibung der Handschrift, die Morris zugeschrieben wurde, doch bestehen keine Hinweise darauf, dass sich die Handschrift tatsächlich in seinem Besitz befunden hat.303 XII.3. Exemplification Bodleian Library Oxford, MS Spanish c. 15
Pergament, i+27 Bl., 40 Z. Flechtwerk-Initialen. 1564 ; Spanien, ev. Sevilla. Prov.: Inspeximus by Philip II. of charters of the monastery of St. Mary of Graces and the Redemption of the Captives, Sevilla – WM – Mrs S. Vansluis – 1951 erworben von der BLO Die Handschrift wird weder in dem Auktionskatalog der Morris/Bennett-Auktion von 1898 noch in dem Katalog der Sammlung Bennett erwähnt. Sollte sie sich in der Sammlung von Morris befunden haben, so scheint er sie vor seinem Tod verschenkt oder weitergegeben zu haben. Kat : Mary Clapinson/T. D. Rogers, Summary Catalogue of Post-Medieval Western Manuscripts in the Bodleian Library : Acquisitions 1916–1975, 3 Bde., Oxford 1991, II, S. 1170, Nr. 53031.
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Kat.Nr.
Standort
5.3 Tabellarische Aufstellung der Handschriften in William Morris’ Bibliothek nach Inhalt
I.1. (1)
Unbekannt
14
86
11[ ?] Biblia
Nordfrankreich / England
um 1250/ 1210–1220
I.2. (2)
Philadelphia, MS Lewis E 36
19[ ?]
34
15[ ?] Biblia
Italien, Padua oder Venedig
um 1260–1280
I.3. (3)
PML, MS M. 109–111
13
12
Biblia
Frankreich
um 1260/ 1270
I.4. (4)
FMC, MS McClean 12
24
Biblia
anglo-normannisch oder nordfranzösisch
um 1280
I.5. (5)
PML, MS M. 138
17 113
Biblia
Frankreich oder England
um 1280/ 1260–1270
33
13
303 Ebd., S. 177.
607
608
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Standort
Kat.Nr.
William Morris als Handschriftensammler
I.6. (6)
Ohio BS751200x
15[ ?]
87
Biblia
Spanien
um 1280
I.7. (7)
Boston MS G.401.11
18
169
Biblia
Nordfrankreich
um 1280/frühes 14. Jh.
I.8. (8)
Unbekannt
21
88
Biblia
anglo-normannisch oder französisch
um 1290/ 1250
I.9. (9)
SoA, MS 956
22[ ?]
38
Biblia
Südfrankreich ?
spätes 13. Jh./14. Jh.
I.10. (10)
Wormsley Lib.
12
170
Biblia
Normandie (Rouen ?)
um 1300
I.11. (11)
Cambridge, University Lib., MS Add. 6159
25
35
Biblia
Frankreich (Paris) Mitte oder 2. Viertel 13. Jh.
I.12. (12)
Unbekannt
16/ 20[ ?]
36
Biblia
anglo-normannisch
14. Jh.
I.13. (13)
Unbekannt
16/ 20[ ?]
37
Biblia
anglo-normannisch oder nordfranzösisch
14. Jh.
I.14. (14)
Unbekannt
23
171
Biblia
anglo-normannisch
14. Jh./1290– 1330
I.15. (15)
Los Angeles, Getty, MS Ludwig I 8
26
168
Biblia, 3 Bde.
Nordfrankreich (Lille)
um 1270
I.16. (16)
Los Angeles, Getty, MS Ludwig I 12
27
172
Biblia Libri. Varii Veteris Testamenti
Nördliche Nieder- um 1450 lande
I.17. (17)
PML, MS M. 968
28
167
Biblia. Regum libri quatuor
Nordfrankreich
zw. 1200– 1225/1275
I.18. (18)
Los Angeles, Getty, MS Ludwig I 4
87
1155
Testamentum Novum Latinum
Frankreich (ev. Pontigny)
um 1170
I.19. (19)
Unbekannt
88/ 115
1023
30[ ?] Testamentum Novum Latinum
normannischfranzösisch / Oxford
13. Jh./1260er Jahre
I.20. (20)
Unbekannt
108
520
Evangelia Secundum SS- Lucam & Johannem
Paris oder Nordfrankreich
frühes 13. Jh./ um 1210
I.21. (21)
Unbekannt
69
513
Epistolae S. Pauli
?
11. oder 12. Jh.
14
57
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Standort
Kat.Nr.
Tabellarische Aufstellung der Handschriften in William Morris’ Bibliothek nach Inhalt
I.22. (22)
Washington 5 DC, Museum of the Bible
126
3
Apokalypsis S. Joannis
Italien (Venedig)
Spätes 14. Jh./1420– 1425
II.1. (23)
BL, MS Add. 81084
112
866
59
Psalterium Aureum
England, St. Albans
1146/1150/ Ende 12. Jh.
II.2. (24)
PML, MS M. 43
73
60
Huntingfield Psalter
England
Spätes 12./ Anfang 13. Jh.
II.3. (25)
Unbekannt
53
65
Psalterium
Deutschland ?
13. Jh.
II.4. (26)
PML, MS M. 103
78
61
Nottingham Psalter
Oxford, Reading oder Lenton Priory
um 1220/1250
II.5. (27)
PML, MS M. 153
117
63
Psalterium
Nordfrankreich oder Paris
um 1228–1231
II.6. (28)
PML, MS M. 101
106
64[ ?] Beauvais Psalter
Frankreich (Beum 1250 auvais oder Paris)
II.7. (29)
PML MS M. 106 74
67
Psalterium
Brügge ?
1255–1265
II.8. (30)
PML, MS M. 183
75
70
Psalterium
Umgebung von Liège
um 1260/ 1280er Jahre
II.9. (31)
PML, MS M. 100
93
66
Clare oder England (LonGiffard Psalter don)
II.10. (32)
PML, MS M. 98
94
69[ ?] Paris Psalter
Beauvais oder Paris
1275–1299
II.11. (33)
PML, MS M. 97
71
68[ ?] Catherine Psalter
Flandern (Brügge/Gent ?)
um 1265/um 1290
II.12. (34)
PML, MS M. 102
72
62
Windmill Psalter
East Anglia oder London
Spätes 13. Jh.
II.13. (35)
PML, MS M. 79
76
71[ ?]
Psalterium
Nordfrankreich (St. Omer ?)
Spätes 13./ frühes 14. Jh.
II.14. (36)
PML, MS M. 155
77
Psalterium
Flämisch (Liège)
1290–1305
II.15. (37)
Unbekannt
79
972
Psalterium
England
um 1310
II.16. (38)
BL, MS Egerton 3271
80
815
Psalterium
Holland
1. Hälfte 15. Jh.
II.17. (39)
New York, Columbia Univ., Western MS 38
Ferial Psalter
Frankreich (Paris ?)
1440–1460
III.1. (40)
Worchester MS 117 Q. 107
522
Evangelistarium
Ev. Worchester
nach 1226
III.2. (41)
Unbekannt
125
Antiphonarium
?
um 1275 und 15. Jh.
4
867
31
um 1270/1290– 1300
609
610
III.3. (42)
BL, MS Egerton 2977
124
3
III.4. (43)
Unbekannt
IV.1. (44)
Los Angeles, Getty, MS Ludwig V. 4
62
1070
IV.2. (45)
Aberystwyth, National Lib. of Wales, MS 15536E
99 / 61
903
IV.3. (46)
PML, MS M. 107
60
IV.4. (47)
Bibliothèque 59 royale, Brüssel, MS II 2663
4
54
55
798
52
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Standort
Kat.Nr.
William Morris als Handschriftensammler
Antiphonarium
Norditalien (Piacenza)
1295
Antiphonarium
Italien
14. Jh.
Steinfeld Missale
Deutschland um 1180 und (Köln / Steinfeld) 1440
Sherbrooke Missale
East Anglia
um 1310–1320
Tiptoft oder Despenser Missale
East Anglia / London / Cambridge
um 1320
Missale
Flämisch
um 1460
V.1. (48) Unbekannt
31
Breviarium
Nordfrankreich
14. Jh.
V.2. (49) PML, MS M. 200
33
20
Brevarium
Süditalien (Tarent ?)
um 1350– 1400/1400– 1420
V.3. (50) PML, MS M. 75
32
19
Breviarium
Frankreich (Paris ?)
Spätes 14. Jh./um 1350
VI.1. (51)
PML, MS M. 92
101
41[ ?] Horae
Frankreich
1230–1239
VI.2. (52)
FMC, MSS 191, 242
VI.3. (53)
PML, MS M. 60
46
42[ ?] Horae
Nordfrankreich (Thérouanne)
um 1300
VI.4. (54)
PML, MS M. 90
47/ 103
43
Meaux Hours
Frankreich (Verdun oder Paris)
um 1375
VI.5. (55)
Bloomington, Ind.
114
Horae
Holland
15. Jh.
VI.6. (56)
PML, MS M. 99
48
Horae
England (Gloucestershire)
1405–1415
VI.7. (57)
Koninklijke Bibliotheek, Den Haag, KB 79K30
50
45[ ?] Horae
Holland (Zwolle oder Utrecht)
um 1420–1440
VI.8. (58)
PML, MS M. 76
51
47
Horae
Flämisch (Brügge ?)
um 1420/ 1450
VI.9. (59)
Poitiers MS 1106
104
44[ ?] Horae
Frankreich (Poitiers ?)
um 1400
Grey Fitzpayn Englisch / Clifford Gray Hours
438 46 439
487
zwischen 1280–1330/ um 1310–1330
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Standort
Kat.Nr.
Tabellarische Aufstellung der Handschriften in William Morris’ Bibliothek nach Inhalt
VI.10. (60)
Oxford, Keble Coll., MS 77
49
437
48
Horae
Holland (Utrecht) Ende 15. Jh.
VII.1. (61)
FMC, MS CFM 9
11
120
2
Ambrosius, Epis. Mediolanensis
Mailand
1408
VII.2. (62)
Unbekannt
2
118
Ambrosius, Opuscula
Italien
um 1440
VII.3. (63)
Houghton Lib., MS Typ. 289
8
78
6
Athanasius Alexandrinus, Contra Gentiles
Italien (Venedig ?)
um 1465–1470
VII.4. (64)
Houghton Lib., MS Typ. 703
9
148
8
Augustinus, Sermones
Deutschland (Rheingebiet ?)
um 1150
VII.5. (65)
PML, MS M. 154
10
7
Augustinus, Manuale
Italien
1462
VII.6. (66)
Unbekannt
43
470
37
Gregorius, Moralia in Jobum
Deutschland
12. Jh.
VII.7. (67)
Huis Bergh, s’Heerenberg, 217 (MS43)
97 / 98
563
36
Gregorius, Decretales
Südfrankreich (Toulouse)
13. Jh./um 1300
VII.8. (68)
BLO, MS Lat. th. b. 4
107
560
34
Gregorius, Decretales
Modena oder Bologna
1241
VII.9. (69)
Liverpool, Sid- 109 ney Jones Lib., MS F.4.20
561
35
Gregorius, Decretalium
Frankreich
um 1290/3. Viertel 14. Jh.
VII.10. (70)
Chapin Lib., Williamstown, Mass.
44
587
50
Hieronymus, Liber Esaiae
Südwestdeutschland
um 1240
VII.11. (71)
Unbekannt
45
480
29
Hieronymus, Vita et Epistolae
Italien (Verona)
1451
VIII.1. (72)
PML, MS M. 81
95
10
Bestiarium
England (Lincoln oder York ?)
um 1170/1185
VIII.2. (73)
PML, MS M. 186
30
Bonaventura : Psalterium
Frankreich
1490–1500
VIII.3. (74)
PML, MS M. 162
34
21
St. Catherine of Siena, Revelations
England
um 1470
611
612
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Standort
Kat.Nr.
William Morris als Handschriftensammler
VIII.4. (75)
Baltimore, Wal- 111 ters Art Gallery, Walters MS W.133
558
33
Gratianus, Decretales
Hainaut
um 1280–1290
VIII.5. (76)
Winchester Ca- 105 thedral, MS 20
580
38
Hegesippus, De Excidio Judaeorum
England ?
um 1150
VIII.6. (77)
BL, MS Add. 38644
110
387
Johannis Andrea, Novella super …
Nordfrankreich
1345
VIII.7. (78)
PML, MS M. 158
53
Johannes de Utino, Compilatio Historiarum
Basel
um 1476
VIII.8. (79)
Boston, Public Lib., MS G.401.10
55
VIII.9. (80)
745
53
Lactantius Firmianus, Divinarum Institutionum
Italien (Venedig ?)
um 1450
Baltimore, Wal- 100/ ters Art Gallery, 56 Walters MS W. 350
345
22
Legenda Sanctae Catherinae de Senis
Italien (Florenz oder Siena)
um 1470
VIII.10. (81)
Unbekannt
40
662
Liber Monasterii
Flämisch (Antwerpen)
15. Jh.
VIII.11. (82)
Unbekannt
63
904
Liber Taxarum Rom
1492–1503
VIII.12. (83)
PML, MS M. 976
66
696
56
Ordo septem Ecclesiasticorum Graduum
13. Jh.
VIII.13. (84)
Cambridge, 39 University Lib., MS Add. 6760
371
28
Petrus Comes- Frankreich tor, Historia Scholastica
Mitte 13. Jh./ 14. Jh.
VIII.14. (85)
Library of the University of Notre Dame, Ind., MS 08
81
862
72
Petrus Remensis, Aurora
Spanien ?
um 1220/ Ende 13. Jh.
VIII.15. (86)
BLO, MS Buchanan d. 4
70
863
Poggio Bracciolini, De varietate fortunae
Florenz
1455
VIII.16. (87)
FMC, MS McClean 118
86
1118
Severus (Sulpitius), Vita ..
England
12. Jh.
Italien (Rom)
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Standort
Kat.Nr.
Tabellarische Aufstellung der Handschriften in William Morris’ Bibliothek nach Inhalt
IX.1. (88)
PML, MS M. 165
89
39
Aldobrandino da Siena, Le Regime de santé
Frankreich (Rouen ?)
um 1440
IX.2. (89)
FMC, MS CFM 14
116
134
Aristoteles, Politicia
anglo-normannisch oder französisch
13.–14. Jh.
IX.3. (90)
Staatsbibliothek zu Berlin, MS lat. fol. 601
29
306
17
Boethius & Vitruvius
England ?
11. und 12. Jh.
IX.4. (91)
PML, MS M. 533–534
92
732
49
Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae
Frankreich (Dijon)
um 1230/um 1280
IX.5. (92)
PML, MS M. 132
91
52
Guillaume Paris de Lorris & Jean de Meun, Roman de la Rose
um 1380
IX.6. (93)
Houghton Lib., MS Typ 749
58
792
51
Testament et Codicilles de Maistre Jehan de Mehun
um 1400
IX.7. (94)
Lillian Goldman 54 Law Lib., New Haven, Rare flat 11-0030
736
Justinianus, Nordfrankreich Codex et Institutiones
um 1250
IX.8. (95)
FMC, MS McClean 179
82
988
73
Roman de sept sages de Rome …
um 1300
IX.9. (96)
Unbekannt
84
1061
Senlis, Le Frankreich Coustumez du Baillage
um 1495
IX.10. (97)
Unbekannt
83
1137
Statuta Regni Angliae temp.
England
um 1446
X.1. (98)
New Haven, Beinecke Lib., MS Marston 64
1
1190
1
Alexander de Villa Dei, Doctrinale
Norditalien
1. Viertel 15. Jh
X.2. (99)
BLO, MS Buchanan c. 1
6
131
5
Leonardus Aretinus, Historia Florentini
Florenz
um 1440/ 1450
Frankreich
Frankreich/Flandern
613
614
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Standort
Kat.Nr.
William Morris als Handschriftensammler
X.3. (100)
Houghton Lib., 7 MS Lat. 266
71
Aristoteles, Ethicorum libri
Italien (Florenz ?)
um 1440/1450
X.4. (101)
New Haven, Beinecke Lib., MS 93
37
357
25 od. 26
Cicero, Orationes
Florenz
um 1430–1440
X.5. (102)
Genf, Comites 35 Latentes MS 73
358
25 od. 26
Cicero, Orationes
Rom
um 1460–1470
X.6. (103)
HL, MS HM 1031
36
365
23
Cicero, Tuscu- Italien (Venedig) lanae Disputationes
X.7. (104)
PML, MS M. 139
38
27
Lucius Junius Moderatus Columella, De re rustica
X.8. (105)
BLO, MS 42 Buchanan e. 15
297
32
Pseudo Lucius Venedig Fenestella, De Magistratibus Romanorum
um 1470–1480
X.9. (106)
Unbekannt
57
418
Grammatica Latina Rhythmica
Italien
15. Jh.
X.10. (107)
PML, MS M. 449
65
Onosander, De optimo imperatore
Italien (Rom oder um Neapel ?) 1470/1490
X.11. (108)
London, Wellcome Inst. Lib. MS 591
67
930
Matheus Palmerius, Liber de Temporibus
Italien, ev. Florenz
1469
X.12. (109)
FMC, MS CFM 16
85
1076
74
Sydrachus
Italien (Venedig ?)
um 1440
X.13. (110)
HL, MS HM 1036
90
1194
75
Vergil, Georgi- Italien (Florenz ?) 1. Hälfte 15. ca et Aeneis Jh.
XI.1. (111)
Unbekannt
784
4 Bl. aus Gebetbuch
?
14. Jh.
XI.2. (112)
Privatbesitz
68
932
Paraldus, Summa Virtutum
Flämisch
13./14. Jh.
XI.3. (113)
Staatsbibliothek zu Berlin, MS lat. fol. 600
64
912
Joannes de Muris, Theorica Proportionum Musicalium
?
15. Jh.
um 1470
Italien (Mailand ?) 1469
Datierung
Lokalisierung
Textart
BQ-Nr.
Sotheby-Nr.
Ellis-Nr.
Standort
Kat.Nr.
Tabellarische Aufstellung der Handschriften in William Morris’ Bibliothek nach Inhalt
XI.4. (114)
PML, MS M. 45
96
9
Bemler-Miniaturen
Augsburg
XI.5. (115)
FMC, MS 311
41
529
58
Ferdusi, Shah- Persien Nameh
1620–1621
XI.6. (116)
Unbekannt
52
720
Zeichnungsband
Indien (Delhi)
17.–18. Jh.
XII.1.
Boston, MS 1543
Franz von Assisi, I Fioretti
Italien
um 1480
XII.2.
HL, MS HM 132
Ralph Higden, England Polychronicon
Mitte 14. Jh.
XII.3.
BLO, MS Spanish c. 15
Exemplification
1564
Spanien (Sevilla ?)
1457
615
Tafeln
Taf. 1: William Morris, Robert Browning, Paracelsus (Buch IV, Zeile 190–205, in der Version von 1849), 1856/1857, The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., HM 6478. © Courtesy of the Huntington Art Collections, San Marino, California. Taf. 2: William Morris, La Belle Iseult, 1858, Tate Gallery London, Inv.-Nr. N04999. © Tate, London 2018.
617
Tafeln
Taf. 3: William Morris und Charles Fairfax Murray, The Story of the Volsungs and Niblungs, 1869/1870, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 268, S. viir. Photo Bodleian Libraries, The University of Oxford.
618
Tafeln
Taf. 4: William Morris, The Story of the Dwellers at Eyr, 1870–1871, Birmingham Museum and Art Gallery, Inv.-Nr. 92’20, S. 1. Photo © Birmingham Museums Trust.
Taf. 5: William Morris, Charles Fairfax Murray, Louise Powell, The Story of Frithiof the Bold, 1871/1873 und 1906/1907, Privatsammlung, S. 1. Photo © Christie’s Images/Bridgeman Images.
619
Tafeln
Taf. 6: William Morris, The Rubáiyát of Omar Khayyám, 1871–1872, British Library London, MS Add. 37832, fol. 7r/S. 13. © The British Library Board (MS Add. 37832).
620
Tafeln
Taf. 7: William Morris, The Rubáiyát of Omar Khayyám, 1871–1872, British Library London, MS Add. 37832, fol. 12r/S. [23]. © The British Library Board (MS Add. 37832).
621
Tafeln
Taf. 8: William Morris, Three Icelandic Sagas, 1873–1874, Fitzwilliam Museum Cambridge, MS 270*, S. 133. © The Fitzwilliam Museum, Cambridge. Taf. 9: William Morris, Three Icelandic Sagas, 1873–1874, Fitzwilliam Museum Cambridge, MS 270*, S. 136. © The Fitzwilliam Museum, Cambridge. Taf. 10: William Morris, Edward Burne-Jones, Charles Fairfax Murray, Louise Powell, P. Vergilii Maronis Aeneidos, 1874–1875 und 1904–1909, Privatsammlung, S. 1. Photo © Christie’s Images/ Bridgeman Images.
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Tafeln
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Tafeln
Taf. 11: William Morris, Edward Burne-Jones, Charles Fairfax Murray, Graily Hewitt, P. Vergilii Maronis Aeneidos, 1874–1875 und 1904–1909, Privatsammlung, S. 44. Photo © Christie’s Images/ Bridgeman Images. Taf. 12: William Morris, Edward Burne-Jones, Charles Fairfax Murray, Juno auf ihrem Streitwagen, P. Vergilii Maronis Aeneidos, 1874–1875, Privatsammlung, S. 2. Photo © Christie’s Images/Bridgeman Images.
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6 Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften Die Handschriften sind in der vermuteten, sich durch Datierungen, Vergleiche und Quellennennungen ergebenden chronologischen Reihenfolge angeordnet. Die Maße erfolgen in Höhe x Breite je Seite. Die Maße der Pergamentseiten variieren jeweils aufgrund des Zuschnitts. Einzelseiten und Erläuterungen zu Skizzen und Fragmenten werden im Haupttext aufgeschlüsselt und erläutert.
Abkürzungen :
Ausst. (o. K.) – Ausstellung (ohne Katalog) Bibl.-kat. – Kataloge von Morris’ Bibliothek DK – Doppelkolumne Einb. – Einband Prov. – Provenienz Lit. – Literatur in chronologischer Folge
1. Robert Browning, Paracelsus, Buch IV, Zeile 190–205 (in der Version von 1849) The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., HM 6478
Pergament, 1 Bl., 175 × 152 mm ; Schriftfeld : 80 × 85 mm, 2 Verse à 8 Z. Sommer 1856 oder 1857. Einb.: grünes Maroquin, goldgeprägt. Prov.: Geschenk von Morris an Robert Browning ; Browning-Familie ; 1913 Sotheby’s, London ; Henry Sotheran, London ; Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif. Lit.: Dunlap 1972/1976, S. 413–414 ; Dunlap 1975, S. 142–143 ; Dunlap 1976, S. 49 ; Banham/Harris 1984, S. 212 ; Kelvin 1989, S. 144 ; Naylor 1990, S. 94 (mit Datierung um 1870) ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 484–485 ; Phimister 2000, S. 32–33 ; Whitla 2001, S. 39–40, S. 81, Nr. A. 1 ; Waggoner 2003, S. 90–91, 94, Abb. 61 auf S. 88 ; Braesel 2008 ; Tittle 2012, S. 104–109, 285, Abb. 3.6 auf S. 108.
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Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
2. William Morris, Think but one Thought The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif., HM 6480
Papier, 1 Bl., 223 × 190 mm ; Schriftfeld : 140 × 120mm, 15 Z./S. 1856/1857. Lit.: Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 596, S. 586. 3. William Morris, Guendolen
Zuletzt nachgewiesen : Sotheby’s, London, 21.–22.6.1993, Los 244. Pergament, 1 Bl., 247 × 193 mm ; 24 Z./S. August 1856. Prov.: Georgiana Burne-Jones ; ihre Tochter Mrs J. W. Mackail ; Sotheby’s, 22.12.1952, Los 102 ; Alan G. Thomas, London ; Sotheby’s, London, 21.–22.6.1993, Los 244. Lit.: Mackail (1899) 1995 I, S. 103–104 [ ?], 108 ; May Morris, in : CW IX, S. xix ; Dunlap 1972/1976, S. 112–122, 421, Abb. auf S. 114 ; Dunlap 1975, S. 142, Taf. 5 ; Lindsay 1975, S. 82 ; Dunlap 1976, S. 49–50 ; Gallant 1988, S. 62 ; Marsh 1988, S. 15 ; Kelvin 1989, S. 144 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 489, S. 570 ; Phimister 2000, S. 32–33 ; Whitla 2001, S. 39, 41–42, Abb. 1 auf S. 103, S. 81, Nr. A. 2 ; Braesel 2008 ; Tittle 2012, S. 111–112, 285–286, Abb. 3.7 auf S. 110. 4. Gebrüder Grimm, The Iron Man Sammlung J. Paul Getty, Wormsley Library, Buckinghamshire
Pergament, 1 Bl., 370 × 235 mm ; 73 Z./S. Winter 1857 (1856/1857 oder 1857/1858). Prov.: Louisa Baldwin, geb. MacDonald ; John Boyle (1970). Lit.: BL, Add. MS 45347, S. 61–63 mit Photographie ; Mackail (1899) 1995 I, S. 115–116 ; May Morris, in : CW IX, S. xix ; Crow 1934, S. 71 ; Fairbank 1970, S. 54 ; Dunlap 1972/1976, S. 122–128, 421, Abb. auf S. 124 ; Dunlap 1975, S. 143 ; Dunlap 1976, S. 50 ; Peterson 1991, S. 60 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 484, 486 ; MacCarthy 1994, S. 124–125 ; Nash 1996, S. 297, Kat. Nr. N.1, S. 301 mit Abb.; Salmon/Baker 1996, S. 21 ; Phimister 2000, S. 32–33 ; Hindman 2001, S. 171 ; Whitla 2001, S. 42, 81, Nr. A. 3 ; Jan Marsh, in : Wildman 2004, S. 337 ; Braesel 2008 ; Tittle 2012, S. 112–114, 286, Abb. 3.8 auf S. 115. 5. William Morris, The Story of the Dwellers at Eyr (»Dwellers I«) Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. c. 265
Papier, Wasserzeichen J. & J. G. Smith 1865, 2 Bl.+S. 1–50, wobei S. 37–46 fehlen+2 Bl., 360 × 240 mm ; Schriftfeld : 215 × 150 mm, Seitenränder : oben 50, unten 90, außen 56, innen 35 mm, 24 Z./S. 1869. Einb.: rotes Maroquin, Rivière & Sons, 1936. 626
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
Prov.: Geschenk von May Morris 1939 an die Bodleian Library.
BLO I 1941, S. 57 ; Fairbank 1970, S. 58, 65, Taf. IV ; Dunlap 1972/1976, S. 155–161, 423, Abb. auf S. 157 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1250, S. 106 ; Dunlap 1975, S. 149– 149, Taf. 10 ; Dunlap 1976, S. 52, 55 ; PML 1976, Kat. Nr. 48, S. 110–111, Taf. XLIII ; Naylor 1990, S. 92 ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43700, S. 506 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1577, S. 698 ; Thompson 1993, S. 151 ; Nash 1996, S. 298, Kat. Nr. N.4, S. 303 mit Abb.; Hindman 2001, S. 171 ; Whitla 2001, S. 50–51, 84, Nr. C. 1, S. 85, Nr. D. 1, S. 90, Nr. G. 1 ; Braesel 2008 ; Tittle 2012, S. 124. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, WMGW, 19.6.–22.8.2010. Lit.:
6. William Morris, The Story of the Volsungs and Niblungs Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 268
Papier, Wasserzeichen C. Ansell 1864, 6 Bl.+1 Bl. (fol. vii) mit dem Anfang+80 Bl. (davon Text bis fol. 73v, liniert bis fol. 74v, fol. 75–80v leer), 287 × 215 mm ; Schriftfeld : 165 × 118 mm, Seitenränder : oben 47, unten 70, außen 67, innen 35 mm, 24 Z./S. Unter Beteiligung von Charles Fairfax Murray und eventuell von George Wardle. Um 1869/1870. Einb.: Pergament, grünbrauner Maroquinrücken, die Längsränder leicht überstehend und mit Punkten goldgeprägt, auf dem Rücken goldgeprägter Titel in Kapitalis, signiert im hinteren Innendeckel : The Doves Bindery. Prov.: Geschenk von May Morris 1939 an die Bodleian Library. Lit.: May Morris, in : CW IX, S. xx-xxi, xxiii ; V&A 1934, Kat. Nr. 232–234 ; BLO I 1941, S. 57 ; Zapf 1949, S. 17 ; Fairbank 1970, S. 58, 66, Taf. V ; Dunlap 1972/1976, S. 161–165, 423, Abb. auf S. 163 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1251, S. 107 (Datierung : ca. 1871) ; Dunlap 1975, S. 149–150, Taf. 11 ; Lindsay 1975, S. 166 ; Dunlap 1976, S. 55–56 ; PML 1976, Kat. Nr. 49, S. 111, Taf. XLIV ; Marshall 1979, S. 165 ; Banham/Harris 1984, Kat. Nr. 185, S. 219, Abb. auf S. 218 ; Naylor 1990, S. 93 ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43704, S. 507 ; Thompson 1993, S. 151 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1588, S. 701 ; Nash 1996, S. 298, Kat. Nr. N.6, S. 304 mit Abb.; Elliott 2000, S. 30 (hier in den Frühling 1871 datiert) ; Hamilton/Hart/Simmons 2000, Abb. auf S. 54 ; Hindman 2001, S. 173 ; Whitla 2001, S. 51, 85, Nr. D. 2 ; Acker 2010, S. 9 ; Tittle 2012, S. 124 ; Acker 2016 mit Abb. auf S. 18. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, WMGW, 19.6.–22.8.2010. 7. William Morris, A Book of Verse Victoria & Albert Museum, London, NAL, MSL 131–1953
Papier, Wasserzeichen C. Ansell 1864 ; 34 Bl.: 1 Bl.+4 Bl. (S. [i-ii] leer, S. [iii] Titelseite, S. [iv] leer, S. [v-vi] Inhaltsverzeichnis, S. [vii] Zwischentitel, S. [viii] leer)+51 paginierte S., S. [52] leer+2 Bl. (S. [53] Kolophon, S. [54] leer)+1 Bl.+1 Bl., 279 × 216 mm ; Schriftfeld : 167 × 118 mm, Seitenränder : oben 45, unten 64, außen 63, innen 25 mm, 24 Z./S. 627
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
Unter Beteiligung von Edward Burne-Jones, Charles Fairfax Murray und George Wardle. Begonnen ca. Februar 1870, beendet am 26.8.1870 (siehe Kolophon). Einb.: Pergament, goldgeprägte Dekoration aus zwei verschiedenen jeweils alternierenden Blütenzweigen in 17 vertikalen und 13 horizontalen Reihen, in der Mitte in einem goldgeprägten Lorbeerkranz die Initialen G. B. J., zweifache Goldfilete, in den Ecken jeweils eine goldgeprägte Rosette, Vorder- und Hinterdeckel identisch gestaltet, Rücken mit Titel und zwei goldgeprägten Blütenstielen, Riviere (im vorderen Innendeckel signiert). Prov.: Geburtstagsgeschenk von Morris an Georgiana Burne-Jones 1870 ; ihre Tochter Mrs J. W. Mackail ; Sotheby’s, 22.12.1952, Los 99 ; V&A. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : SoA, MS 984/1/1–2 ; Charles Fairfax Murrays Skizzenbuch, PML, Inv.-Nr. 1963.8 ; Morris, Figurenentwürfe : V&A, HAC ; Murrays Diary von 1878, CFLP, Inv.-Nr. 1983.A.30 ; Murray, Figurenentwürfe und Zeichnungen : PUAM, HAC (zugeschr., Inv.-Nr. 70.132) ; Murrays Notizbuch, HRC. Lit.: ACES 1888, Kat. Nr. 150 ; Vallance (1897) 1989, S. 380–381 ; ACES 1899, South Gallery, MS Case Y c ; EBJ 1892, Kat. Nr. 165 ; Day 1899, S. 28 mit Abb.; Mackail (1899) 1995 I, S. 208–209, 277–278 ; Bell 1903, S. 93 ; Lisle 1907, S. 188 ; May Morris, in : CW IX, S. xviii, xx-xxii, xxvii-xxviii ; V&A 1934, Kat. Nr. 229, 230 ; Crow 1934, Abb. auf S. 97 ; Zapf 1949, S. 17 ; Sotheby’s, London, 22.12.1952, Los 99 ; Fairbank 1970, S. 58, 61, 65, Taf. V ; Dunlap 1972/1976, S. 165–174, 421, Abb. auf S. 167, 169, 173 ; Dunlap 1975, S. 150–151, Taf. 12 ; Lindsay 1975, S. 163, 167–168, 185–186 ; Dunlap 1976, S. 56–57 ; Fine Print 1976, S. 19 ; PML 1976, Kat. Nr. 50, S. 111, Taf. XLV, Farbtaf. LIVa ; Bradley 1978, S. 44, Abb. auf S. 52 ; Cable 1978, S. 85 ; Marshall 1979, S. 149–150, 158, 164, 166 ; Morris 1979, S. 31 ; Whalley/Kaden 1980, Kat. Nr. 156, S. 88–89, Abb. auf S. 11 ; Whalley 1980, S. 320 ; Morris 1981 ; Robinson 1982, S. 16, Abb. 5, 6 ; Kirsch 1983, S. 145, 228–229, Abb. auf S. 108 ; Watkinson 1983, S. 61, Abb. 79 ; Banham/Harris 1984, S. 213 ; Berger 1984, S. 46 ; Lottes 1984, S. 192 ; EBJ 1986, S. 236 ; Henderson 1986, S. 115–116 ; Gallant 1988, S. 62 ; Kelvin 1989, S. 146 ; Harrison/Waters 1990, S. 121 ; Naylor 1990, S. 96–97 ; Albert 1991, S. 96 ; Peterson 1991, S. 62, Abb. 19 auf S. 61 ; McGann 1992, S. 58, 65–74, Taf. VII-VIII, Abb. 28–31 ; Braesel 1993 ; McGann 1993, S. 45–49, 59–67 ; Rosenbaum/ Pearson 1993, S. 485, MoW 60, 133, 137, 145, 173, 190, 223, 246, 256, 283, 304, 310, 338, 368, 392, 417, 432, 479, 534, 538, 597, 647, 652, 658 auf S. 517, 526, 527, 531, 533, 538, 540, 541, 545, 548, 549, 553, 556, 559, 561, 563, 569, 577, 578, 587, 592, 593 ; Thompson 1993, S. 150–151 ; MacCarthy 1994, S. 264, 267–268, 596, Taf. XI ; Faldet 1996, S. 61–76 ; Goodwin 1996, S. 399–404 ; Marsh 1996, Abb. auf S. 150 ; Nash 1996, S. 298, Kat. Nr. N.5, S. 303 mit Abb.; Rogers 1996, S. 72, Abb. S. 73 ; Victorian Poetry 34, 3, Herbst 1996, S. 328, 396, 411–412, 436 ; Watkinson, in : Parry 1996, S. 95–97 ; Watkinson 1996, S. 36 ; Anscombe 1999, Abb. auf S. 37 ; Fiell/Fiell 1999, S. 157 ; Lechien 1999, S. 78 ; Miles 1999, S. 133–143 ; Bingaman 2000, S. 96–97 ; Elliott 2000, S. 26–27 ; Elliott 2000a, S. 20 ; Hamilton/Hart/Simmons 2000, S. 108–109 ; Phimister 2000, S. 33 ; Braesel 2001 ; Hindman 628
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
2001, S. 171, Abb. auf S. 172, Taf. 24 ; Whitla 2001, S. 28, 51, Abb. 7 auf S. 106, S. 85–86, Nr. D. 3 ; Christie’s, London, 27.11.2002, S. 44, 65, 67–68, Abb. 8 auf S. 44 ; Helsinger 2002, S. 219 ; Poulson 2002, S. 60, Abb. auf S. 59 ; Cooper 2003, S. 40–41, Abb. 30 auf S. 40 ; Robinson 2003, S. 277 ; Watson 2003, S. 130, Abb. 117 ; Elliott 2004, S. 45 ; Tucker 2004, S. 102–103, Abb. auf S. 104 ; Pinkney 2005, S. 12 ; Duchnowski 2006, S. 18 ; Le Mire 2006, Nr. A–138.01, S. 266–268, D–28, S. 309 ; Braesel 2008 ; Acker 2010, S. 9 ; John Dixon Hunt, Introduction, in : Dixon Hunt/Lomas/Corris 2010, S. 15–33, hier S. 31, Abb. 18 ; MacCarthy 2011, S. 241 ; Watson 2011 III, Kat. Nr. 264, S. 1184–1191 mit Abb.; Tittle 2012, S. 125–130, 287, Abb. 3.10 auf S. 128 ; Boos 2017, S. 5, Abb. auf Cover und S. 5 ; Braesel 2017. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, WMGW, 19.6.–22.8.2010. 8. William Morris, The Story of the Dwellers at Eyr (»Dwellers II«) Birmingham Museums and Art Gallery, Inv.-Nr. 92’20
Papier, Wasserzeichen Whatman 1865 : S. 25–29, 32–78, 1870 : S. 7–24, 30–31, 81–126,1 Vorsatz+1 Bl.+3 Bl. A table of chapters in this Book (Versoseite des 3. Bl. nur in Bleistift liniert)+1 Bl. Prologue+2 Bl. leer, in Bleistift liniert+S. [1]-S. 239 Text, S. [240] leer+3 Blatt [S. 241–246] An Index of Names of People, 2 Bl. Epilogue, dabei die Rectoseite des 1. Bl. [S. 247] und die Versoseite des 2. leer [S. 250]+1 Bl. in Bleistift liniert [S. 251–252]+1 Bl. Kolophon, die Versoseite leer [S. 254]+1 Bl. Hintersatz, 355 × 241 mm ; Schriftfeld : 213 × 147 mm, Seitenränder : oben 53, unten 89, innen 35, außen 60 mm, 24 Z./S. Vergoldungen : Wilday. 1870, beendet am 19.4.1871. Einb.: rotes Maroquin, Rückentitel goldgeprägt, goldgeprägte Ornamente in den Ecken der Einschläge, dreifacher Goldschnitt. Prov.: 1871 Geschenk von Morris an Georgiana Burne-Jones, die die Handschrift 1920 den BMAG schenkte. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : Morris’ Skizzenbuch, HRC. Lit.: ACES 1888, Kat. Nr. 147 ; Vallance (1897) 1989, S. 381–382 ; ACES 1899, South Gallery, MS Case Y a ; Day 1899, S. 22, Abb. auf S. 23 und 29 ; Mackail (1899) 1995 I, S. 278 ; May Morris, in : CW IX, S. xx, xxiii ; Hewitt 1934, S. 8 ; V&A 1934, Kat. Nr. 235 ; Zapf 1949, S. 17 ; Fairbank 1970, S. 56, 59, 61, 67, Taf. VII ; Dunlap 1972/1976, S. 174–182, 423, Abb. auf S. 178, 180 ; Dunlap 1975, S. 151, Taf. VI ; Lindsay 1975, S. 156, 163, 170 ; Dunlap 1976, S. 57–58 ; PML 1976, Kat. Nr. 51, S. 111–112, Taf. XLVI ; Marshall 1979, S. 165 ; Lottes 1984, S. 192–193 ; Henderson 1986, S. 115 ; Kelvin 1989, S. 146 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 484, MoW 1578, S. 698–699, MoW 477, MoW 136, S. 569, 526 ; MacCarthy 1994, S. 268 ; Harris 1996, Abb. auf S. 29 ; Nash 1996, S. 298 ; Whitla 2001, S. 51, 78, Anm. 14, 86, Nr. D. 4, S. 90, Nr. G. 3 ; Christie’s, 27.11.2002, S. 44 ; Braesel 2008 ; Mikael Ahlund 1 Angaben nach : Rosenbaum/Pearson 1993, S. 698.
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Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
(Hrsg.), Ausst.-Kat. The Pre-Raphaelites, National Museum, Stockholm 2009, Kat. Nr. 199, S. 231, Abb. 115 auf S. 128 ; Tittle 2012, S. 287. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, WMGW, 19.6.–22.8.2010. 9. William Morris, The Story of Kormak Pierpont Morgan Library, New York, MS MA 1804
Papier, Wasserzeichen : Whatman 1870, 30 Bl.: 2 Bl. leer+21 Bl. Kormak (Text bis fol. 21v, Kol. I, Z. 7)+1 Bl. nur liniert (fol. 22)+1 Bl. (fol. 23) Heimskringla+1 Bl. (fol. 24) Hafbur & Signy+2 Bl. (fol. 25–26) Frithiof the Bold+2 Bl. leer, 400 × 245 mm ; Schriftfeld insg.: 278 × 167 mm, DK, Kolumne 278 × 76 mm, Breite des Interkolumniums 12 mm, Seitenränder : oben 43, außen 57, unten 78, innen 23 mm, 40 Z. 1871 ; 1873 (Whitla 2001, S. 90). Einb.: grünes Levant-Maroquin, Douglas Cockerell 1898. Prov.: nach Morris’ Tod als Geschenk von Jane Morris an Sydney Carlyle Cockerell gegeben ; Cockerell-Auktion, Sotheby’s, 10.12.1956, Los 89 ; John M. Crawford ; 1956 als Geschenk an die Pierpont Morgan Library, New York. Bibl.-kat.: BL, MS Add. 54721 (Hodgdon Papers vol. CXLII) : Add. to Memorandum of the Kelmscott Estate. Books and MSS to be left Lit.: May Morris, in : CW IX, S. xx ; Hewitt 1934, S. 9 (fälschlich als »Ogier the Dane« bezeichnet) ; V&A 1934, Kat. Nr. 231 ; Zapf 1949, S. 17 ; SCC 1956, Los 89, Calligraphy 1958, Kat. Nr. 74, Abb. 35 ; Miner u. a. 1965, Kat. Nr. 121, S. 133, Abb. auf S. 134 ; Fairbank 1970, S. 56, 59, 66–67, Taf. I-III ; Morris/Magnússon 1970 ; Dunlap 1972/1976, S. 197–207, 423, Abb. auf S. 204–205 ; Dunlap 1976, S. 59 ; PML 1976, Kat. Nr. 52, S. 112, Taf. XLVII ; Marshall 1979, S. 165 ; Osley 1984, S. 358 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1568 auf S. 695 ; Lasner 1996, Kat. Nr. 62, S. 17 ; Hindman 2001, S. 171 ; Whitla 2001, S. 53, 90, Nr. G. 2 ; Le Mire 2006, Nr. A–134-01, S. 265. 10. William Morris, The Story of Frithiof the Bold Sammlung J. Paul Getty, Wormsley Library, Buckinghamshire
Papier, Wasserzeichen : Whatman 1870, Vorsatz+3 Bl.+11 Bl. (22 S.)+13 unbeschriebene Bl., 391 × 251 mm ; DK, Kolumne : 280 × 72 mm, Interkolumnium 13 mm, Seitenränder : oben 43, unten 74, innen 30, außen 55 mm, 40 Z. Unter Beteiligung von Charles Fairfax Murray, Louise Powell, Graily Hewitt. 1871 (May Morris, in : CW IX, S. xx ; Dunlap 1972/1976, S. 422) ; 1873 (Whitla 2001, S. 92) ; 1906–1907. Einb.: türkisblaues Maroquin, T. J. Cobden-Sanderson, signiert : »18 Cobden-Sanderson 85«. Prov.: Von Morris an Murray verkauft oder als Geschenk ; Sotheby’s, London, 7.7.1919, Los 67 ; verkauft an Robson ; American Art Association, New York, 4.1.1934, Los 331 ; 630
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
Estelle Doheny, Doheny Memorial Library, California ; Christie’s, New York, 19.5.1989, Los 2369 ; J. P. Getty, Wormsley Library. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : PML, MS MA 1804, fol. 25–26 sowie maschinenschriftliche Notiz von Murray ; Briefe im HRC ; JRLM, MS M 1281. Lit.: Vallance (1897) 1989, S. 383 ; Mackail (1899) 1995 I, S. 299 ; Sotheby’s, London, 7.7.1919, Los 67 (datiert 1873) ; May Morris, in : CW IX, S. xx ; Zapf 1949, S. 17–18 ; Sotheby’s, London, 30.5.1961, Los 498, S. 110 (Korrespondenz Hewitt-Murray vom 2.10.1904–27.10.1909) ; Fairbank 1970, S. 56, 59, 67 ; Dunlap 1972/1976, S. 195–197, 207–209, 422, Abb. auf S. 208 ; Lindsay 1975, S. 199 ; Dunlap 1976, S. 59 ; PML 1976, Kat. Nr. 53, S. 112, Taf. XLVIII ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1545, S. 689 ; Nash 1996, Kat. Nr. N.7, S. 304, Abb. auf S. 305 ; Christie’s, New York, 19.5.1989, Los 2369, S. 86–89 ; MacCarthy 1994, S. 268 ; Getty 1999, Kat. Nr. 80, S. 194–197 ; Elliott 2000, S. 40–41 ; Whitla 2001, S. 53, S. 92–93, Nr. 13 ; Tittle 2012, S, 125, 286–287. 11. William Morris, The Story of Hen Thorir Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 266
Papier, Wasserzeichen C. Ansell 1869, 6 Bl. Michalet Bütten (S.[i-xii])+36 S.+6 Bl. Michalet Bütten (S.[37–48]), 288 × 216 mm ; DK, Schriftfeld : 188 × 146 mm, Kolumnenbreite : 70 mm, Interkolumnium : 7 mm, Seitenränder : oben 36, unten 57, innen 28, außen 42 mm, 27 Z. 1871 ; 1873 (Whitla 2001, S. 86). Einb.: Pergament, grüner Maroquinrücken, The Doves Bindery. Prov.: Geschenk von May Morris 1939 an die Bodleian Library. Bibl.-kat.: Bibliothekskataloge von ca. 1876 und 1890/1891, YCBA, fol. 2v, Nr. 11 ; Kall., S. 4. Lit.: BLO I 1941, S. 57 ; Fairbank 1970, S. 58–59, 66 ; Dunlap 1972/1976, S. 186–188, 423, Abb. auf S. 187 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1256, S. 107 ; Dunlap 1976, S. 58–59 ; Osley 1984, S. 358 ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43702, S. 506 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1558 auf S. 692 ; Nash 1996, S. 299, Kat. Nr. N.12, S. 307 mit Abb.; Fiell/Fiell 1999, S. 156 ; Whitla 2001, S. 51, 86, Nr. E. 5. 12. William Morris, The Story of the Banded Men Bodleian Library Oxford, MS Eng. Misc. d. 267
Papier, Wasserzeichen : C. Ansell 1869, 6 Bl. Michalet-Bütten+40 S.+S. 41–48 liniert+6 Bl. Michalet-Bütten, 288 × 216 mm ; DK, Schriftfeld : 188 × 146 mm, Kolumnenbreite : 70 mm, Interkolumnium : 7 mm, Seitenränder : oben 36, unten 57, innen 25, außen 42 mm, 27 Z. 1871 ; 1873/1874 (Whitla 2001, S. 86). Einb.: Pergament, grüner Maroquinrücken, The Doves Bindery. Prov.: Geschenk von May Morris 1939 an die Bodleian Library. 631
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
Bibl.-kat.:
S. 4.
Bibliothekskataloge von ca. 1876 und 1890/1891, YCBA, fol. 2v, Nr. 12 ; Kall.,
Lit.: BLO I 1941, S. 57 ; Fairbank 1970, S. 59, 66 ; Dunlap 1972/1976, S. 189–192, 423, Abb.
auf S. 190 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1255, S. 107 ; Dunlap 1976, S. 58–59 ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43703, S. 507 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 697, MoW 1574 ; Nash 1996, S. 299, Kat. Nr. N.11, S. 307 mit Abb.; Whitla 2001, S. 51, 86, Nr. E. 6. 13. William Morris, The Story of Howard the Halt Cheltenham Art Gallery & Museum, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, fol. 11r–19r
In : Fragments translated written out and decorated by William Morris from Lancelot du Lac. The Saga of Howard the Halt. The Heimskringla etc. Papier : J. Whatman 1870, 4 Bl. Kelmscott Press-Papier mit dem Daisy-Wasserzeichen+fol. 1r–8r Lancelot du Lac+fol. 8v–10v leer+fol. 11r–19r The Story of Howard the Halt+fol. 19v–21v leer+fol. 22r–23r The Foreword of Snorri Sturluson+fol. 23v–30r The Story of the Ynglings+fol. 31 Kormak Saga+fol. 32 : 1 Bl. Papier mit einem Wasserzeichen von 1869, bemalt mit einer stark stilisierten floralen Leiste in Elipsenstruktur mit Rosen und Lilien+fol. 33–34 : 2 Bl. Pergament, fol. 33r mit den ersten drei Quartains des »Rubáiyát of Omar Kahayyám«+4 Bl. Kelmscott-Papier, 400 × 240 mm ; DK, 40 Z. Um 1871. Einb.: braunes Maroquin, Douglas Cockerell, signiert und datiert : 19 DC 02. Prov.: Emery Walker ; CAGM. Lit.: Rosenbaum/Pearson 1993, S. 486, MoW 1560.5 auf S. 693, MoW 1520.5, S. 684, MoW 1534.5, S. 687, MoW 1590.5, S. 702 ; Greensted/Wilson 2003, Abb. 69–71. 14. William Morris, The Story of Gunnlaug Worm-Tongue Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. e. 233/1, fol. 1r–16v
Pergament, 2 Bl. Papier+33 Bl. Pergament : fol. 1r–16v Gunnlaug the Worm-Tongue, fol. 17r–33 Seiten mit verschiedenen Textauszügen zu »The Rubáiyát of Omar Khayyám«+2 Bl. Papier, 152 × 112 mm ; Schriftfeld : 98 × 70 mm, Seitenränder : oben 21, unten 33, innen 15, außen 27 mm, 17 Z. 1871 ; 1872/1873 (Dunlap 1972/1976, S. 226) ; Ende 1873/Anfang 1874 (Whitla 2001, S. 94). Einb.: Pergament. Prov.: Geschenk von May Morris 1939 an die Bodleian Library. Lit.: V&A 1934, Kat. Nr. 248 ; Fairbank 1970, S. 69 ; Dunlap 1972/1976, S. 226–231, 422, Abb. auf S. 229 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1252, S. 107 ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43705, S. 507 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1550 auf S. 690–691 ; Nash 1996, S. 299, Kat. Nr. N.10, S. 306 mit Abb.; Whitla 2001, S. 53, 94, Nr. G. 14.
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Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
15. William Morris, Ogier the Dane Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 265, fol. 1r–v
Pergament, zusammengebunden mit Morris’ »Haroon al Rasheed«- und »The Story of Harald Hairfair«-Fragmenten : 1 Bl.+1 Bl. »Ogier the Dane«+6 Bl. »Haroon«+1 Bl. mit Skizze eines Bettes+16 Bl. »Harald Hairfair«+1 Bl., 237 × 165 mm ; Schriftfeld : 148 × 95 mm, Seitenränder : oben 35, unten 54, innen 28, außen 42 mm, 22 Z. 1871. Einb.: Pergament. Prov.: Geschenk von May Morris 1939 an die Bodleian Library. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : PML, Inv.-Nr. 1963.8. Lit.: Hewitt 1934, S. 9 ; V&A 1934, Kat. Nr. 247 ; Fairbank 1970, S. 68 ; Dunlap 1972/1976, S. 225–226, 229, 421 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1253, S. 107 ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43701, S. 506 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 448 auf S. 565 ; Nash 1996, S. 299, Abb. 101 auf S. 300 ; Whitla 2001, S. 91, Nr. G. 6. 16. Edward Fitzgerald, The Rubáiyát of Omar Khayyám British Library London, MS Add. 37832
Pergament, 1 Bl.+23 S.+S. [24]+1 Bl., 156 × 111 mm ; Schriftfeld : ca. 102 × 72 mm, Seitenränder : unten ca. 35, außen ca. 25, oben ca. 20 mm, innen ca. 14 mm, 17 Z. Zusammenarbeit mit Edward Burne-Jones und Charles Fairfax Murray. Begonnen wohl im Frühling 1871, beendet 16.10.1872. Einb.: rotes Maroquin, eingeprägtes Goldmuster aus Blumen und Zweigen. Prov.: 1872 Geschenk von Morris an Georgiana Burne-Jones ; Geschenk von Georgiana Burne-Jones an die British Library. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : Figurenzeichnungen in der TGL, dem V&A, der HAG, dem PUAM, der WMGW, dem AMO ; WMGW, Inv.-Nr. J578 ; BL, MS Ashley 5755, fol. 111r–112r ; BL, C43c26 Scraps ; BLO, MS Eng. misc. E. 233/1, fol. 26r–33. Lit.: ACES 1888, Kat. Nr. 149 ; Crane 1897, S. 94, Abb. auf S. 90–91, 94–95 ; Vallance (1897) 1989, S. 382–383 ; Ellis 1898, S. 626 ; ACES 1899, South Gallery, MS Case Y d ; Mackail (1899) 1995 I, S. 278–279 ; GBJ (1904) 1993 I, S. 34 ; Walter Crane, An Artist’s Reminiscences, London 1907, Reprint 1968, S. 163 ; Crane 1911, S. 29, Abb. auf S. 30– 33 ; May Morris, in : CW IX, S. xx, xxii ; CW XXII, Abb. zwischen S. xxviii/xxix ; Hewitt 1934, S. 5–7, 10 ; V&A 1934, Nr. 238a ; Zapf 1949, S. 18, Abb. auf S. 47 ; Backhouse 1968, S. 72, 75 ; Fairbank 1970, S. 61, 66, Taf. VI ; Dunlap 1972/1976, S. 209–218, 422, Abb. auf S. 213–214 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1252, S. 107 ; Dunlap 1975, S. 152, Taf. III und 13 ; Lindsay 1975, S. 163 ; Dunlap 1976, S. 58–60 ; PML 1976, Kat. Nr. 54, S. 112, Farbtaf. LIVd ; Marshall 1979, S. 164–165 ; Kelmscott 1981, S. 68 ; Morris 1981a ; S. C. Cockerell, A Short History and Description of the Kelmscott Press, in : Morris 1982, S. 79 ; Kirsch 1983, S. 229 ; Banham/Harris 1984, S. 213, Kat. Nr. 186, S. 219–220, Taf. VIII ; Berger 1984, S. 46 ; Lottes 1984, S. 193 ; Henderson 1986, S. 115–116 ; Gallant 1988, S. 62 ; Kel633
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
vin 1989, S. 146–147 ; Harrison/Waters 1990, S. 121 ; Naylor 1990, S. 144 ; Rosenbaum/ Pearson 1993, S. 486 ; Thompson 1993, S. 151 ; Barrington 1994, S. 16 ; MacCarthy 1994, S. 266–267 ; Nash 1996, S. 298, Kat. Nr. N.8, S. 305, Abb. auf S. 304 ; Wood 1999, S. 70–71 ; Elliott 2000, S. 40 ; Whitla 2001, S. 28, Abb. 10 auf S. 107, S. 90–91, Nr. G. 4 ; Christie’s, London, 27.11.2002, S. 44, 65, 67–68, Abb. 9 auf S. 45 ; Braesel 2004 ; Tucker 2004, S. 105 ; Appuhn-Radtke 2008, S. 185–186, Abb. 4 ; Alison Smith in : Barringer/Rosenfeld/Smith 2012, Kat. Nr. 145, S. 189 ; Tittle 2012, S. 131–136, 288, Abb. 3.11 auf S. 135. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, William Morris Gallery Walthamstow, 19.6.– 22.8.2010 (Faksimile). 17. Edward Fitzgerald, The Rubáiyát of Omar Khayám Privatbesitz
Papier, Wasserzeichen : C. Ansell 1869 ; 13 Bl.: fol. 1r Besitzervermerk Frances Graham in schwarzer Tinte ; fol. 1v leer, fol. 2r Titelseite, 2v leer, fol. 3r–13r (S. 1–19) Text, fol. 13v leer, 285 × 215 mm ; Schriftfeld : 161 × 118mm, Seitenränder oben 47, unten 66, innen 34, außen 63 mm, 24 Z.; Miniaturen : Höhe von 10 Z., 57 × 108 mm. Zusammenarbeit mit Edward Burne-Jones. 1871–1872 ; 1872–1873 (Whitla 2001, S. 92). Einb.: rotes Maroquin, goldgeprägte Kränze. Prov.: als Geschenk von Edward Burne-Jones an Frances Graham ; in Privatbesitz. Lit.: EBJ 1892, Kat. Nr. 163 ; EBJ 1899, S. 42 ; Mackail (1899) 1995 I, S. 279–280 ; Bell 1903, S. 93 ; GBJ (1904) 1993 II, S. 34 ; Lisle 1907, S. 96, Anm. 1 (mit Datierung um 1872), 189 ; Paris 1914, Kat. Nr. 56, S. 12 (mit 1873 datiert) ; May Morris, in : CW IX, S. xx, xxii ; Hewitt 1934, S. 5, 7, 10 ; V&A 1934, Kat. Nr. 237, Taf. VI ; Fairbank 1935, Taf. 5 auf S. 14 ; Zapf 1949, S. 18, Abb. auf S. 45 ; Fairbank 1970, S. 66 ; Dunlap 1971, S. 48 ; Dunlap 1972/1976, S. 219–225, 422, Abb. auf S. 223 ; EBJ 1975, Kat. Nr. 271, S. 84 ; Dunlap 1975, S. 152 ; Dunlap 1976, S. 60 ; PML 1976, Kat. Nr. 55, S. 112 ; Henderson 1986, S. 116 ; Harrison/Waters 1990, S. 121 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 485, 486 ; Parry 1996, Kat. Nr. N.8, S. 305, Abb. auf S. 304 ; Fitzgerald 1997, S. 146 ; Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 59, S. 162–164 ; Wood 1999, S. 70–71 ; Flanders 2001, S. 137 ; Whitla 2001, S. 53, 92, Nr. G. 7 ; Christie’s, London, 27.11.2002, S. 44 ; Braesel 2004 ; Garry Garrard, A Book of Verse. A Biography of the Rubaiyat of Omar Khayyam, Thrupp, Stroud 2007, S. 191, 239, 249 ; Caroline Arscott, Mutability and Deformity : Models of the Body and the Art of Edward Burne-Jones, Interdisciplinary Studies in the Long Nineteenth Century 7, 2008, www.19. bbk.ac.uk [Zugriff am 28.10.2014], S. 23 ; Calloway/Orr 2011, S. 45, Abb. 32 auf S. 45 : MacCarthy 2011, S. 117, 408–409 ; Alison Smith in : Barringer/Rosenfeld/Smith 2012, S. 229 ; Tittle 2012, S. 288, Abb. 3.1. auf S. 76 ; de Girolami Cheney 2014, S. 15, Abb. 27 ; Smith 2018, Kat.-Nr. 111, S. 152 mit Abb.
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Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
18. William Morris, The Story of the Ynglings Society of Antiquaries, London, MS 906 (Kelmscott House 50)
Pergament, 61 Bl.: 1 Bl. Vorsatz+3 Bl.+S. I-VII+S. [VIII] (liniert)+97 S.+S. [98] (liniert)+3 Bl.+1 Bl. Hintersatz, 250 × 215 mm ; Schriftfeld : ca. 177 × 140 mm, Seitenränder : oben 30, unten 42, innen 25, außen 48 mm, 19 Z. Zusammenarbeit mit Philip Webb und Charles Fairfax Murray. Ende 1872/Anfang 1873. Einb.: grünes Maroquin mit Goldprägung, The Doves Bindery, sig. und dat.: 18 C-S 97. Prov.: Vermächtnis May Morris. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : PML, MA 1804, fol. 23 ; CAGM, Inv.Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, fol. 22r–30r ; Figurenentwürfe : V&A, HAC. Bibl.-kat.: Bibliothekskataloge von ca. 1876, YCBA, fol. 2v, Nr. 9 ; Kall., S. 4. Lit.: ACES 1899, South Gallery, MS Case Y e ; May Morris, in : CW IX, S. xxi ; V&A 1934, Kat. Nr. 244–245 ; Zapf 1949, S. 20 ; Morris 1966 I, S. 454 ; Fairbank 1970, S. 67 ; Dunlap 1972/1976, S. 237–242, 422, Abb. auf S. 239, 241 ; Dunlap 1975, Taf. VI ; Dunlap 1976, S. 60–61 ; PML 1976, Kat. Nr. 56, S. 112–113, Farbtaf. LIVb ; Kelmscott 1981, Nr. B10, S. 168–169, Abb. auf S. 96 ; Marshall 1979, S. 165 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1536, S. 687, MoW 1593, S. 702–703 ; MacCarthy 1994, S. 268 ; Willetts 2000, Nr. 906, S. 423 ; Whitla 2001, S. 53, S. 92, Nr. G. 9 ; Acker 2010, S. 9 ; Acker 2016, Abb. auf S. 22. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, William Morris Gallery Walthamstow, 19.6.– 22.8.2010. 19. William Morris, The Story of Halfdan the Black ; The Story of Harald Fairhair Pierpont Morgan Library, New York, MS MA 3471, fol. 1r–7v ; fol. 8r–24v
Pergament, 24 Bl.: 7 Bl.+17 Bl., 248 × 200 mm ; Schriftfeld : 175 × 140 mm, Seitenränder : oben 30, unten 43/45, außen 45, innen ca. 15 mm, 19 Z. Um 1872/1873. Einb.: Pergamentdeckel, Rücken aus grünem Maroquin, goldgeprägt, The Doves Bindery. Prov.: 19.9.1897 als Geschenk von Jane Morris an Lady Anne Blunt ; John M. Crawford Jr., New York ; PML. sowie Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 265, fol. 9r–24v
Pergament, 16 Bl., 250 × 205 mm ; Schriftfeld : 175 × 140 mm, Seitenränder : oben 31, unten 47, innen 25, außen 46 mm, 17 Z. Lit.: Fairbank 1970, S. 67–68 ; Dunlap 1972/1976, S. 243–245, 422, Abb. auf S. 244 ; Pächt/ Alexander 1973 III, Nr. 1253, S. 107 (datiert 1870–1876) ; Dunlap 1976, S. 61 ; PML 1976, Kat. Nr. 57, S. 113, Taf. XLIX ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43701, S. 506 ; Rosenbaum/ Pearson 1993, MoW 1554–1556, S. 692–693 ; MacCarthy 1994, S. 268 ; Whitla 2001, S. 53, 93, Nr. G. 10–11 ; Sharp/Marsh 2012, Nr. 306, S. 299 (Brief von Jane Morris an Lady Anne Blunt, 19.9.1897). 635
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
20. William Morris, King Hafbur and King Siward Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. e. 233/2
Papier : Whatman 1870, 16 Bl., Text bis fol. 9r (S. [17]), die Linierung bis fol. 16v, 204 × 127 mm ; Schriftfeld : 150 × 80 mm, Seitenränder : oben 22, unten 32, innen 20, außen 27 mm, 17 Z. Um 1873–1874. Einb.: Pergament. Prov.: Geschenk von May Morris 1939 an die Bodleian Library. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : PML, MS MA 1804, fol. 24. Lit.: V&A 1934, Kat. Nr. 246 ; Hewitt 1934, S. 8 ; Fairbank 1970, S. 58–59, 68, Taf. IX ; Dunlap 1972/1976, S. 277–279, 421, Abb. auf S. 276 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1254, S. 107 ; Osley 1984, S. 358 ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43706, S. 507 ; Nash 1996, S. 299, Kat. Nr. N.9, S. 306 mit Abb.; Thompson 1993, Taf. 12 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 196, S. 534 ; Fiell/Fiell 1999, S. 156 ; Whitla 2001, Abb. 8 auf S. 106, S. 87, Nr. E. 1. 21. Edward Fitzgerald, The Rubáiyát of Omar Khayyám Bodleian Library Oxford, MS Don. f. 3
Pergament, 12 Bl.: 23 beschriebene S., fol. 12v liniert, 150 × 114 mm ; Schriftfeld : 98 × 69 mm, Seitenränder : oben 20, unten 32, innen 18, außen 27 mm, 17 Z. Um 1873–1874. Einb.: Die Blätter zusammengenäht und in einem pergamentbezogenen Schuber mit hellbraunem Lederrücken und -kanten verwahrt, goldgeprägter Titel. Prov.: Geschenk von May Morris 1933 an die Bodleian Library. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : BL, MS C.43.c.26 ; BLO, MS Eng. misc. e. 233/2, fol. 17r–24v ; V&A, NAL, Inv.-Nr. L 697 II iii–1957, Regal-Nr. 86.U.U.4 ; WMGW, MS J578. Lit.: V&A 1934, Kat. Nr. 236, 238 ; BLO I 1941, S. 57 ; Zapf 1949, S. 18 (fälschlich : auf Büttenpapier) ; Morris 1966 I, S. 467 ; Fairbank 1970, S. 66 ; Dunlap 1972/1976, S. 231–237, 422, Abb. auf S. 234 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1257, S. 107 ; Dunlap 1975, Taf. IV ; Dunlap 1976, S. 62–63 ; PML 1976, Kat. Nr. 60, S. 113–114, Taf. LII ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 39174, S. 164 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 485–486 ; MacCarthy 1994, S. 266– 267 ; Whitla 2001, S. 52, 94, Nr. G. 15 ; Tittle 2012, S. 288. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, William Morris Gallery Walthamstow, 19.6.– 22.8.2010. 22. Haroon al Rasheed Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 265, fol. 2–7
Büttenpapier : J. Whatman 1872, 6 Bl.: Text bis fol. 5r, liniert bis fol. 6v, 235 × 188 mm ; Schriftfeld : 153 × 113 mm, Seitenränder : oben 34, unten 46, innen 30, außen 45 mm, 16 Z. 636
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Um 1873. Einb.: Pergament. Prov.: Geschenk von May Morris 1939 an die Bodleian Library. Lit.: V&A 1934, Kat. Nr. 249 ; BLO I 1941, S. 57 ; Fairbank 1961, S. 6, Abb. auf S. 4 ; Fairbank 1970, S. 58–59, 68 ; Dunlap 1972/1976, S. 266–271, 421, Abb. auf S. 270 ; Pächt/ Alexander 1973, Nr. 1253, S. 107 ; Dunlap 1976, S. 63–64 ; PML 1976, Kat. Nr. 58, S. 113 ; Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43701, S. 506, Taf. L ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 487 ; Nash 1996, S. 299, Abb. 101 auf S. 300 ; Whitla 2001, S. 97, Nr. E. 2. 23. The Story of the Volsungs and Niblungs William Morris Gallery Walthamstow, Inv.-Nr. J578a, fol. 1v–2r Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. g. 59
Pergament, 2+13 Bl., 84 × 73/75 mm ; 16 Z./S. Frühjahr 1874. Prov.: Cockerell-Auktion, Sotheby’s, 10.12.1956, Los 94a. Lit.: Dunlap 1972/1976, S. 245–246, Abb. auf S. 247 ; Fine Print 1976, S. 24 ; Clapinson/ Rogers 1991, Nr. 43707, S. 507 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1589–1590, S. 701–702. 24. William Morris, The Story of Egil Society of Antiquaries, London, MS 907 (Kelmscott House 49)
Papier : J. Whatman 1870, 1 Vorsatzbl.+5 Bl.+160 S., davon Text bis S. 157, S. 158–160 liniert+5 Bl.+1 Hintersatzbl., 253 × 195 mm ; Schriftfeld : 168 × 125 mm, Seitenränder : oben 35, unten 50, innen 28, außen 43 mm, 19 Z. Um 1874 (Dunlap 1972/1976, S. 422) ; 1873–1874 (Willetts 2000) ; eventuell 1874 (Whitla 2001, S. 88). Einb.: Pergament, grüner Maroquinrücken, goldgeprägt, The Doves Bindery. Prov.: Vermächtnis May Morris. Bibl.-kat.: BL, MS Add. 54721 (Hodgdon Papers vol. CXLII) : Add. to Memorandum of the Kelmscott Estate. Books and MSS to be left ; YCBA, fol. 2v, Nr. 10 ; BL, MS Add. 52772 (S. C. Cockerell, List of Will. Morris’s M.S.S. in my care now, 12.4.1899), fol. 13r. Lit.: May Morris, in : CW IX, S. xxi, xxiii ; V&A 1934, Kat. Nr. 243 ; Zapf 1949, S. 20 ; Morris 1966 I, S. 9 ; Fairbank 1970, S. 67 ; Dunlap 1972/1976, S. 260–266, 422, Abb. auf S. 261 ; Dunlap 1976, S. 62 ; Kelmscott 1981, S. 168 ; Rosenbaum/Pearson 1993, MoW 1542, S. 689 ; Lasner 1996, Kat. Nr. 38, S. 15 ; Willetts 2000, Nr. 907, S. 423–424 ; Whitla 2001, S. 88, Nr. E. 6. 25. William Morris, Three Icelandic Sagas : The Story of Hen Thorir, The Story of the Banded Men, The Story of Howard the Halt Fitzwilliam Museum Cambridge, MS 270*
Papier, Wasserzeichen : Whatman 1870, 1 Bl.+244 S.: S. 1–56 The Story of Hen Thorir, 637
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S. 57 nur liniert, S. 58–131 The Story of the Banded-Men, S. 132 nur liniert, S. 133–240 The Story of Howard the Halt, S. 241-[244] A Gloss in Rhyme on The Story of Haward, by William Morris+1 Bl., 250 × 195 mm ; Schriftfeld : 170 × 125 mm, Seitenränder : außen 41, oben 34, unten 49, innen 23 mm, 18 Z. 1873- Februar 1874. Einb.: gelbes Maroquin, goldgeprägt, De Coverly. Prov.: Geschenk Morris’ an Georgiana Burne-Jones ; von ihr 1909 an das FMC gegeben. Lit.: Vallance (1897) 1989, S. 382 ; ACES 1899, South Gallery, MS Case Y b ; Day 1899, Abb. Auf S. 30 ; May Morris, in : CW IX, S. xxi, xxix-xxx ; V&A 1934, Kat. Nr. 325 ; Zapf 1949, S. 18 ; Fairbank 1970, S. 58–59, 61–62, 68, Taf. VIII ; Dunlap 1972/1976, S. 271–277, 423, Abb. Auf S. 273, 276 ; Dunlap 1975, S. 152–153, Taf. V, 14 ; Dunlap 1976, S. 64–65 ; PML 1976, Kat. Nr. 61, S. 114, Taf. LIII ; Marshall 1979, S. 165 ; Robinson/Wildman 1980, Kat. Nr. 121, S. 92–93, Taf. 67 ; Wormald/Giles 1982 I, S. 223–224 und II, Taf. 93 ; Naylor 1990, S. 145 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 485, MoW 1, 1559, 1561, 1575, S. 511, 693–694, 697–698, MOW 731, 805, 810, 822, 896, 919, 929, 965, 987, 1003, 1047, 1119, 1152, 1172, 1186, 1285, 1375, 1380, 1436, 1477 ; MacCarthy 1994, Taf. XII ; Whitla 2001, S. 51, S. 87–88, Nr. E. 3–5 ; Christie’s, London, 27.11.2002, S. 44 ; Robinson 2003, S. 278, Abb. 3 ; Panayotova 2009, S. 64–65 mit Abb. 2.7 ; Florence S. Boos, Where Have All the Manuscripts Gone ? Morris’s Autographs in Diaspora, The Journal of William Morris Studies XXII, 4, Winter 2018, S. 4–14, hier S. 10–13, Abb. 4–5 auf S. 8, 9. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, William Morris Gallery Walthamstow, 19.6.– 22.8.2010 ; Calligraphy Today, Fitzwilliam Museum Cambridge, 10.11.2012–13.1.2013. 26. Horaz, The Odes of Horace / Q Horatii Flacci Carminum Bodleian Library Oxford, MS Lat. class. E. 38
Pergament, 5 Bl.+183 paginierte S.+S. [184, nur liniert]+5 Bl., 168 × 117 mm ; Schriftfeld : 108 × 70 mm, Seitenränder : oben 23, unten 37, innen 20, außen 28 mm, 18 Z. Unter Beteiligung von Edward Burne-Jones, Charles Fairfax Murray. 1874. Einb.: braunes Maroquin, goldgeprägt, The Doves Bindery (18 C-S 97). Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : CAGM, 1991.1016.996.Y7/EWL Y7 ; PML, MS MA 4011 ; WMGW, MS J578. Prov.: Geschenk von May Morris 1939. Bibl.-kat.: YCBA, fol. 2v, Nr. 7 ; Kall., fol. 2r. Lit.: ACES 1888, Nr. 148 ; Vallance (1897) 1989, S. 380 ; Ellis 1898, S. 626 ; ACES 1899, South Gallery, MS Case Y f ; Mackail (1899) 1995 I, S. 303 ; Paris 1914, Kat. Nr. 57, S. 12 ; May Morris, in : CW IX, S. xx–xxi, xxx ; May Morris, in : CW XI, xxvii-xxix, Abb. zwischen S. xxviii/xxix ; Hewitt 1934, S. 5, 7–8, 10 ; V&A 1934, Kat. Nr. 240–241 ; BLO I 1941, S. 57 ; Zapf 1949, S. 18–19, Abb. auf S. 44 ; Fairbank/Wolpe 1960, S. 52, Nr. 89, S. 96–97 mit Abb.; Fairbank 1961, S. 5–6 ; Morris 1961 I, S. 468 ; Sotheby’s, London, 30.5.1961, Los 638
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508, S. 112 (Korrespondenz Morris-Murray von 1870–1892) ; Stokes 1963, S. 25 ; Morris 1966 I, S. 468 ; Anderson 1969, Abb. 271 auf S. 194 ; Fairbank 1970, S. 54, 58, 60–62, 68, Taf. X ; Dunlap 1971, S. 48 ; Dunlap 1972/1976, S. 280–287, 421, Abb. auf S. 281 ; Lindsay 1975, S. 200 ; Kirsch 1983, S. 229 ; Pächt/Alexander 1973 III, Nr. 1258, S. 107, Abb. auf Taf. CXII ; Dunlap 1975, S. 153–154, Taf. VII, 15 ; Dunlap 1976, S. 65–66 ; Fine Print 1976, S. 20 ; PML 1976, Kat. Nr. 62, S. 114, Farbtaf. LIVc ; Bradley 1978, Abb. auf S. 53 ; Surtees 1980, S. 59 ; S. C. Cockerell, A short history and description of the Kelmscott Press, in : Morris 1982, S. 79 ; Banham/Harris 1984, S. 213, Kat. Nr. 187, S. 220, Abb. auf S. 218 ; Kelvin 1984 I, Nr. 225 und 231, S. 213–214 und 219–220 ; Lottes 1984, S. 193 ; Osley 1984, S. 358 ; Henderson 1986, S. 160 ; Gallant 1988 mit 12 Abb.; Naylor 1990, S. 143 ; Peterson Clapinson/Rogers 1991, Nr. 43708, S. 507 ; 1991, S. 59 ; Thompson 1993, S. 151, 153 ; MacCarthy 1994, S. 267, 327 ; Nash 1996, S. 299, Kat. Nr. N.13, S. 308 mit Abb.; Fiell/Fiell 1999, S. 159 ; Elliott 2000, S. 57, 80 ; Peterson 1992, S. 6 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 485, 486–487 ; Hindman 2001, S. 171 ; Whitla 2001, S. 28, 52, Abb. 9 auf S. 107, S. 88, Nr. F. 2 ; Christie’s, London, 27.11.2002, S. 44, 65 ; Robinson 2003, S. 278 ; Hart 2012, S. 217 ; Sharp/Marsh 2012, Nr. 325 auf S. 312 (Brief von Jane Morris an S. C. Cockerell, 7.6.1898), Nr. 503 auf S. 428 (Brief von Jane Morris an S. C. Cockerell, 15.10.1909) ; Tittle 2012, S. 136–140, 288–289, Abb. 3.12 auf S. 137 ; Morris/Wilmer 2014. Ausst. (o. K.) : Calligraphic Masterpieces, William Morris Gallery Walthamstow, 19.6.– 22.8.2010. 27. Vergil, Aeneis Privatbesitz
Pergament, Vorsatzblatt+4 Bl.+1 purpurfarbenes Bl.+370 S. (185 Bl., bis S. 177 von Morris geschrieben)+2 Bl.+1 purpurfarbenes Bl.+2 Bl.+Hintersatz, ca. 320–335 × 240 mm ; Schriftfeld : 220 × 115 mm, Seitenränder : unten 68, oben 35, innen ca. 30, außen 60 mm, 28 Z. Unter Beteiligung von Edward Burne-Jones, Charles Fairfax Murray, Louise Powell, Graily Hewitt. 1874–1875 und 1904–1909. Einb.: braunes Maroquin, Blindprägung, Messrs Leighton. Probeseiten, Entwürfe, verwandte Zeichnungen : CAGM, 1991.1016.996.Y7/EWL Y7 ; Entwürfe und Zeichnungen von EBJ, FMC ; Skizzenbücher von EBJ, PML, Inv.-Nr. 1961.28, 1971.1 ; MS MA 4011 ; SoA, MS 984/1/3 ; Entwurf EBJs in kanadischer Privatsammlung. Prov.: Verkauf an Charles Fairfax Murray wohl im Sommer 1888. Nach Murrays Tod am 25.1.1919 wurde die Handschrift bei Sotheby’s, London, am 18.7.1928, Los 2, angeboten (erworben durch Gregory). Am 24.6.1932 erwarb Mrs Estelle Doheny die Handschrift von Mrs George W. Millard. Edward Laurence Doheny Memorial Library, St. John’s Se639
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
minary, Camarillo, University of California ; Christie’s, New York, 19.5.1989, Los 2370 ; Privatbesitz. Bibl.-kat.: Morris’ Bibliothekskatalog von ca. 1876, YCBA, fol. 2v, Nr. 8. Lit : EBJ 1892, Kat. Nr. 88–90, 91–94 ; Leprieur 1892, S. 399, Abb. auf S. 381, 397 ; EBJ 1896, S. 6, Nr. 97, 98, 100, 102, 105, 107, 108 ; Charles Ricketts, Lucien Pissarro, De la typographie et l’harmonie de la page imprimée, 1896, engl. Übersetzung durch Richard K. Kellenberger, 1953 unter dem Titel »Of Typography and the Harmonie of the printed Page«, Colby Quarterly 3, 12, Article 5, November 1953, S. 194–200, hier S. 196 ; Studio 1896, Abb. auf S. 199 ; Vallance (1897) 1989, S. 383 ; Christie’s, 16. und 18.7.1898, Los 185 (Sisyphus), 188 (Ixion), 189 (Tantalos) ; Ellis 1898, S. 626 ; ACSE 1899, South Gallery, MS Case Y g ; EBJ 1899, Nr. 158 (1–4), 159 (5–8), 160 (9–12), 161 (1–6), 162 (7–13), 164 (14–17) ; Mackail (1899) 1995 I, S. 277, 303, 319–321 ; Bell 1903, S. 51–52, 93, 3 Tafeln zwischen S. 50/51 ; GBJ (1904) 1993 II, S. 56 ; Wood 1905, Taf. V–XII ; Lisle 1907, S. 116, 189 ; May Morris, in : CW IX, S. xx-xxii, xxxi ; dies., in : CW XI, S. xxi-xxvii, Frontispiz, Abb. zwischen S. xxv/xxvi ; Christie’s, 5.6.1919, Los 149 (»an illustration for Virgil«) ; Sotheby’s, London, 18.7.1928, Los 2, S. 5–7, Taf. II–IV ; EBJ 1933, Kat. Nr. 70, 73 ; V&A 1934, Kat. Nr. 242 ; Brinton 1934 ; Hewitt 1934, S. 4–6, 10 ; Zapf 1949, S. 17–20, Abb. auf S. 46 ; Sotheby’s, London, 30.5.1961, Los 498, S. 110 (Korrespondenz Hewitt-Murray vom 2.10.1904–27.10.1909) ; Stokes 1963, S. 25, 26 ; Morris 1966 I, S. 467–468 ; Backhouse 1968, S. 72, 75 ; Fairbank 1970, S. 58, 60–61, 63, 68, Taf. XI ; Dunlap 1971, S. 48 ; Dunlap 1972/1976, S. 288–295, 423, Abb. auf S. 291–292 ; Dunlap 1975, S. 153–155, Taf. VIII ; EBJ 1975, Kat. Nr. 272, S. 84 ; Fitzgerald 1975, S. 154, Abb. gegenüber S. 145 ; Lindsay 1975, S. 200 ; Morris & Co. 1975, Nr. 122 ; Robinson 1975, S. 348 ; Dunlap 1976, S. 66–68 ; Fine Print 1976, S. 20 ; PML 1976, Kat. Nr. 63, S. 114, Taf. LIV, Farbtaf. LIVe ; Mickelsson 1979 ; Robinson/Wildman 1980, Kat. Nr. 122, S. 93 ; Vergil 1982, Kat. Nr. 131, S. 80–81 ; Banham/Harris 1984, S. 213 ; Robinson 1982, S. 16, Abb. 8–10 ; EBJ 1986, S. 27, 236, Kat. Nr. 136–146, S. 272–273, Abb. auf S. 252–255 ; Henderson 1986, S. 160–161 ; Gallant 1988, S. 62–63 ; Christie’s, 19.5.1989, Los 2370, S. 90–103 mit Abb.; Mark Wrey, Anne Montefire (Hrsg.), Christie’s Review of the Season 1989, Christie’s, Oxford 1989, S. 205 ; Harrison/Waters 1990, S. 121–122, 177, Abb. 167–168 auf S. 117 ; Albert 1991, S. 96–97 ; Peterson 1991, S. 62–64, Abb. 20 auf S. 63 ; EBJ 1992, S. 100–101, Kat. Nr. 37–52, S. 102–104, Abb. auf S. 25, 73, 138–141 ; Peterson 1992, Abb. 5 gegenüber S. 9 ; Earthly Paradise 1993, Kat. Nr. A 26, S. 74–75 ; Rosenbaum/Pearson 1993, S. 485, 487 ; Thompson 1993, S. 153 ; Barrington 1994, S. 16 ; MacCarthy 1994, S. 267, 354, 361 ; Nash 1996, S. 299, Kat. Nr. N.14, S. 308, Abb. auf S. 309 ; Fitzgerald 1997, S. 154, 261, Abb zwischen S. 224/225 ; Wildman/Christian 1998, Kat. Nr. 66, S. 172–174 ; Fiell/Fiell 1999, S. 158 ; Lechien 1999, S. 98–101 ; Wood 1999, S. 70, 94, Abb. S. 55 ; Elliott 2000, S. 57–58, 66, 68 ; Elliott 2000a, S. 23 ; Roatcap 2000 ; Hindman 2001, S. 171 ; Whitla 2001, S. 28, 49, 53–54, Abb. 11 auf S. 108, S. 95, Nr. H 2 ; Christie’s, London, 27.11.2002, S. 44, Abb. S. 34 und 35, Los 1, S. 46–69 ; Peter Cormack, in : Lloyd Webber 2003, S. 234, Kat. Nr. 259 auf 640
Katalog der von William Morris illuminierten Handschriften
S. 313, Abb. auf S. 268–269 ; Arscott 2008, S. 17, 95 ; Panayotova 2009, S. 163/165, Abb. 2.119 auf S. 172 ; Calloway/Orr 2011, S. 254, Abb. 233 auf S. 254, Anm. 7 auf S. 277 ; Benedetti/Frezotti/Upstone 2011, Kat. Nr. 80 auf S. 252–253 ; MacCarthy 2011, S. 257 ; Tittle 2012, S. 142–174, 289–295, Abb. 4.1, 4.3., 4.5–12 auf S. 141, 154, 159, 161, 163–166, 168, 170 ; Mitchell 2015 ; Tittle 2015. 28. Heimskringla-Fragment Pierpont Morgan Library, New York, MS MA 4011, fol. 2r–6v
Pergament, 355 × 230 mm ; Schriftfeld 245 × 160 mm, Seitenränder : oben 38 mm, unten 70 mm, innen 40 mm, außen 70 mm, 35 Z. Zusammengebunden mit jeweils 1 Bl. mit Texten des »Book of Verse« und der »Aeneis« bzw. verschiedenen Schriftproben nach italienischen Schreibmeistern ; 6 Bl. Pergament zur »Aeneis«, die Cockerell am 13.11.1926 von Murray erhielt. Um 1875. Prov.: 1899 als Geschenk von Jane Morris an Cockerell ; Cockerell-Auktion, Sotheby’s, 10.12.1956, Los 93 ; Major J. R. Abbey-Auktion, Sotheby’s, 1.12.1970, Los 2909 ; Normann H. Strouse ; PML, MA 4011. Lit.: Zapf 1949, Abb. auf S. 46 ; Fairbank 1970, S. 69 ; Dunlap 1972/1976, S. 246, 248–250, Abb. auf S. 249 ; Morris & Co. 1975, Kat. Nr. 154 ; Rosenblum/Pearson 1993, MoW 1535, S. 687, MoW 1592, S. 702 ; Whitla 2001, S. 95, Nr. H 1.
29. The Rubáiyát of Omar Khayyám Cheltenham Art Gallery & Museum, Inv.-Nr. 1991.1016.996.Z2/EWL Z2, fol. 33r
Pergament-Bifolio, 335 × 240 mm ; Schriftfeld : 238 × 135 mm, Seitenränder : oben 35, unten 62, innen 3, außen 65 mm, 29 Z. Um 1875. Prov.: Emery Walker ; CAGM. Lit.: Rosenbaum/Pearson 1993, S. 486.
641
7 Anhänge
Anhang I Die Angaben in eckigen Klammern enthalten Informationen zu dargestellten Monatsarbeiten in den Handschriften, die Morris nicht nennt, Angaben zu den Handschriften oder sonstige Erläuterungen. Nicht lesbare Partien sind mit [ ?] gekennzeichnet.
William Morris, Notiz- und Skizzenbuch, BL, MS Add. 45305
Fol. 6r–6v Books for Calendars1 Harley 5049
Harley 2917
Harley 2915
Harley 2934
Harley 2438
Januar
man feasting
man feasting being waited on
Janus eating & drinking
man feasting
man eating & warming
Februar
man warming his man sitting foot sitting* before fire
* [der Stern – [Mann vor markiert die Kamin] Wiederholung des Themas von MS Harley 5049]
lady with candle
März
man pruning
– [Beschneiden von Büschen]
– [Erde umgraben]
– [Beschneiden der Bäume]
cutting arbor
April
man in fields
man with bough – [Mann mit Baum auf Schulter]
riding with hawk
gentleman [ ?] [tanzend]
Mai
man with bough
man with hawk on fist
Man hawking (good)
man with bough Good
hawking on horseback
Juni
man mowing
man with sheep on shoulder
Man mowing (good)
Mowing very good
man with logs ?
Juli
Reaping man
– [Getreideernte] – [Getreideernte] – [Getreideernte] mowing
August
Threshing man
Sowing1
Treshing
– [Dreschen]
reaping
September
man in wine press
– [Weinkeltern]
– [Weinkeltern]
picking grapes Man good
picking grapes
Oktober
Sowing man
Singeing a pig
Sowing
– [Säen]
Sowing
November
Knocking down mast
putting loaves into oven
Knocking down mast (good)
[Schweinefüttern] good
Killing pig
1 Bei BL, MS Harley 2917 ist im August zwar ein säender Mann dargestellt, doch handelt es sich dabei eigentlich um das Monatsbild für September, denn der August fehlt in dieser Handschrift. So verschieben sich bei Morris in der Tabelle bei diesem Manuskript die Monatsbilder jeweils um einen Monat nach vorne, so dass er im Dezember »nothing« vermerkt.
642
Anhänge
Harley 5049
Harley 2917
Harley 2915
Harley 2934
Harley 2438
Dezember
man killing pig with club
nothing
cutting up a pig
Killing a pig
putting loaves into oven
Anmerkungen
fair 1490
very fair very good David [ ?] [ev. Bezug auf fol. 93r ?]
all good 1420 good book 1420 like Bedford Elaborate
1280
Stundenbuch, Paris, um 1480– 1490, Miniaturen von drei Malern im Stil des Meisters von Jacques de Besançon
Stundenbuch, London, um 1440–1450, dem Fastolf Meister zugeschrieben
Psalter, England oder Niederlande, 2. oder 3. Viertel des 13. Jh.s
Katalog Stundenbuch, angaben Tours, um 1510–1520, Miniaturen von zwei oder drei Malern im Stil Jean Bourdichons
Stundenbuch, Troyes, um 1410, Werkstatt des Meisters des Rohan-Stundenbuches
Fol. 7r–7v 2716A
2719B
Harley 2935
Januar
man feasting
Feasting
[an Kamin speisender Mann]
Februar
man warming
März
man pruning
Digging
[Beschneiden von Sträuchern]
April
lady making a garland good
man with [ ?] boughs
girl making garland very good
Mai
lady & gent. riding on one horse good
stag hunting
lady & gentl. walk.
[ ?]
[Mann vor Kamin]
Juni
man mowing good
Mowing
[Gras mähen]
Juli
Reaping
–
[Heugarben binden]
August
threshing
–
[Dreschen]
September
man in wine press
Sowing
[Weinkeltern]
Oktober
man sowing
[ ?]
[Säen]
November
knocking down acorns
–
[Füttern der Schweine mit Eicheln]
Dezember
singeing a pig
–
[Schweineschlachten]
Anmerkungen
1480 a good book but rough zodiac
1480 very good landscapes. all these are pictures
1460 a good rough book
Katalogangabe
Stundenbuch, Paris, um 1480–1490, zugeschrieben dem Umkreis des Meisters des Jacques de Besançon
643
Anhänge
Fol. 7r MS Harley 5762 : no occupations good signs / very good book say 1430 [Stundenbuch, Paris, um 1460, Umkreis des Meisters der Münchner Legenda Aura] MS Harley 2936 : beautiful pictures both to each month2 [Stundenbuch, Paris, um 1500–1510, zugeschrieben dem Meister von Martainville 183] Fol. 7v MS [Add.] 21909 : Small book very good c. 1470 [Stundenbuch, französischer Stil, um 1500] MS [Add.] 4836 : a lovely calendar full of saints / april is good [Stundenbuch, Frankreich, spätes 15. Jahrhundert] MS Harley 2924 : Calendar rough but amusing / april lady & gentl : in close of flowers [Stundenbuch, Rouen, um 1510–1520, 3 Maler : ein Maler im Stil von Robert Boyvin tätig, ein weiterer diesem nahestehend, und bei dem dritten Maler handelt es sich um den Meister der David-Szenen aus dem Grimani-Brevier] MS Harley 2863 : very elaborate good calendar [Stundenbuch, Tours, um 1485, Meister des John Charpentier]
William Morris, Skizzenbuch, BL, MS Add. 45336
Fol. 40v : Kurzangaben zu den von Morris konsultierten Handschriften MS Harley 2952 : early 15, very good borders [Stundenbuch, Frankreich (Paris oder Bourges ?), 1. Viertel des 15. Jahrhunderts, Master of Madonnas of Humility] Fol. 43v MS Egerton 1147 : good flemish hours [Stundenbuch, Brügge, um 1500, zugeschrieben dem Meister des Dresdner Gebetbuches und einem seiner engen Mitarbeiter] 144 137 144+ MS Harley 4940 : Breviare DA [Matfres Eymengau de Beziers, Breviari d’amor, Südfrankreich (Languedoc), 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts] MS Sloane 3049 : angels ect. [Francisco de Ximenez, Livre des anges, Tours, um 1480, im Stil des Meisters des Stundenbuches, Lissabon, Museu Calouste Gulbenkian, MS LA 135] 2 Morris’ Eintrag bezieht sich darauf, dass dieses Kalendarium jeweils zwei Darstellungen der Arbeiten und Tierkreiszeichen pro Monat enthält.
644
Anhänge
MS Add. 24189 : Manndeville [sic !] [Die Reisen von Sir John Mandeville, Böhmen, umm 1440/1410, Serie von 28 GrisailleMiniaturen, Meister der Mandeville-Reisen] MS Royal 19 C. iv : Songe du Vergier [Évrart de Trémaugon (zugeschr.), Le Songe du Vergier, Paris, 1378, Meister der Bibel des Jean de Sy] MS Royal 19 B. xvii [Jacobus de Voragine, La Legende Doree en François que frere Jehan de Vignay translata de Latin en francais, Paris, 1382, zugeschrieben dem Pseudo-Jacquemart] MS Royal 20 C. iv : Cas de nobles hommes, 1 picture wheel of fortune [Giovanni Boccaccio, Übersetzer : Laurent de Premierfait, Des cas des ruynes des nobles hommes et femmes, ev. Paris, 1. Viertel des 15. Jahrhunderts, zugeschr. dem Meister der Cité des Dames]
Anhang II Notizen in Morris’ Skizzenbuch in HRC, Austin, Texas, William Morris Collection, MS 2934
Die eckigen Klammern enthalten erläuternde Angaben zu den von Morris eingesehenen Handschriften sowie kurze Beschreibungen von Zeichnungen, die die Einträge begleiten, oder bezeichnen nicht lesbare Partien ([…]). HRC, MS der British Library Skizzenbuch Morris’
Kommentar von William Morris
Eingelegtes Blatt
MS Add. 15268 [Le Livre des Ansienes Estoires, ev. Italien, um 1285]
14th
MS Add. 17046 [Verzeichnis der Statuten der Scuola di San Zuone Battista di Murano]
–
MS Add. 18720 [Biblia Sacra, Italien, 14. Jh.]
–
MS Add. 14812 – [Statuta, provisiones, ordinamenta et reformationes Artis Barbitonsorum civitatis Perusii, facta anno 1407] MS Add. 16532 [Matricula hominum Societatis Bisileriorum trivii parte Ravenatis civitatis Bononie …]
–
MS Add. 18198 [Antiphonarium, frühes 14. Jh.]
Ante – Fine choirbook figures
645
Anhänge
HRC, MS der British Library Skizzenbuch Morris’
Kommentar von William Morris
MS Add. 15(6)685 [Libellus de Maribus et Officiis Nobilium intitulatus …]
(1420) […]
MS Add. 14781 [S. Aurelii Augustini Episcopi Hipponensis, Expositio Psalmorum Davidis, um 1480]
Fine architectural first page – rich in white vine letters
MS Harley 1340 [Joachimi Calabri Fundatoris ac primi Abbatis Florensis Monasterii …, 1215] MS Add. 14783 [S. Aurelii Augustini Episcopi Hipponensis, De Civitate Dei Libri XXII, 15. Jh.]
Very fine first page, two other letters
MS Add. 19397 [Kolorierte Karte] Fol. 10v »Italian books«
Fol. 11r
MS Add. 23923 [Dekretalien, Italien, 1370–1381]
A law book with text & gloss big & very pretty initials with heads in them – not much pattern. Early 14-
MS Add. 18720 [Bibel, Norditalien, ev. Venedig. Anfang des 14. Jh.s]
A bible with many pictures & ornament of [Skizze von Akanthusblättern zu Seiten eines Stieles] […] some of the pictures very good 14
MS Royal 6 E.ix [Convenevole da Prato, Versadresse an Robert von Anjou, König von Neapel, von der Stadt Prato in der Toskana, »Regia Carmine«, Toskana, um 1335–1340, Pacino di Buonaguida]
King Roberts book strange allegorical business big Giotesque [sic !] figures (quite by) very interesting & fine – earliest 14.
MS Harley 7183 [Homiliar, ev. Florenz, 2. oder 3. Viertel des 12. Jh.s]
A very big book full of letters rather coarse otherwise but with very fine interlacing work 12th.
MS Add. 21120 [Übersetzung der Ethik des Aristoteles durch Karl, Prinz von Viana, Sohn Johannes II. von Navarra, Aragon und Sizilien]
A very gorgeous book for letters of interlaced work and other writing – all very florid useful in many points but without invention – c. 1460
MS Harley 5600 [Herodot, Homer, Narratio de gente et vita Homeri, Iliad, Florenz, 1466, zugeschr. Ioannes Rhosos]
A Homer with very well drawn and inventive letters & border interlaced – a most beautifully written book
MS Egerton 1148 The Petrarch with the letters a flame – c. [Francesco Petrarca, Sonetti & Canzonie- 1450 re. Liber Triumpharum, Florenz, um 1480, ev. Attavante degli Attavanti] MS Add. 11933 A Cicero with one border page & 2 or 3 [M. Tullii Ciceronis de Officiis, ad Marcum, letters of interlaced very good. c. 1450 filium, Libri III]
646
Anhänge
HRC, MS der British Library Skizzenbuch Morris’
Fol. 11v
Kommentar von William Morris
MS Harley 2760 [M. Vitruvii Pollionis, de architectura libri X., Frankreich oder Italien, 3. Viertel des 13. Jh.s]
Not Italian – French
MS Add. 15287 [Ordo Missalis]
[Fünf Zeichnungen von Blattblüten und Knollenranken sowie eine durchgestrichene Skizze eines Knollendetails]
MS Harley 2749 [durchgestrichen ; Marcus Tullius Cicero, Epistolae ad familiares, Italien, 2. oder 3. Viertel des 15. Jh.s] MS Harley 2648 [Juvenal, Satyrae : Scriptae, Florenz, 1410]
Ugly first page very good writing (for pattern)
MS Harley 2662 1 page good interlacing a few letters [Marcus Fabius Quintilianus, Institutiones, good ev. Ferrara, 1434] Fol. 12r
Fol. 12v
MS Harley 2761 [Vergil, Buccolica, Georgica & Aeneis, Florenz, 3. Viertel des 15. Jh.s]
[Zeichnung einer Blattblüte]
MS Add. 27428 [Verschiedene italienische theologische Texte]
Very pretty little pictures 14-
MS Add. 24638 [Decii Junii Juvenalis Satyrarum Libri V]
Juvenal very fine pounced gold & scroll c. 1450
MS Add. 14817 [Bernardino de’ Capitanei de Landriano, Gedicht zu Ehren Lodovico Maria Sforza Visconti, Herzog von Bari]
Latish heavily coloured letters very good. roman writing
MS Harley 2593 Exceedingly good first page of regular [Giannozzo Manetti, De dignitate hominis, type very useful good writing Florenz, 1455, Francesco d’Antonio del Chierico, Maestro delle Deche di Alfonso d’Aragona] MS Harley 3410 [Francesco Petrarca, Sonetti & Canzoniere, ev. Mailand, 2. oder 3. Viertel des 15. Jh.s]
Petrarch good first page rather coarse – useful
MS Add. 14777 [Leonari Bruni Aretino de Bello Punico Libri III]
Fine bold coloured interlaced work useful
Fol. 13r Bibl. MS Add. 11933 Bibl. Butl Butl. [M. Tullii Ciceronis de Officiis, ad Marcum, Cicero – good first page of the regular filium, libri III] type – writing most beautiful (useful) MS Add. 15819 [Arathi (solensis) fragmentum …]
Good first page useful writing regular
647
Anhänge
HRC, MS der British Library Skizzenbuch Morris’
Kommentar von William Morris
MS Add. 12004 Bibl. Butl. [M. Valerii Martialis, Epigrammatum, Libri Martial not very useful XIV …] Of the other type […] pretty & […] Fol. 13v
MS Harley 3293 [Polybii Historianum Libri 5, Mantua oder Ferrara, 3. Viertel des 15. Jh.s]
Fine borders with stone work and white vine
MS Burney 198 [Titus Livius, Ab urbe condita, ev. Padua, um 1400]
14 century curious
MS Harley 3481 – [Plato, Übers. Marsilio Ficino, Opera, Neapel, ca. 1491–1493, Matteo Felice] MS Harley 3694 [Titus Livius u. a., Ab urbe condita u. a. Texte, Florenz, um 1470–1480, zugeschr. Francesco Rosselli]
Best of writing good first page
MS Harley 3109 [Hieronymus, Epistulae, Rom, 3. Viertel des 15. Jh.s., ev. Andrea da Firenze]
Big bold writing rather Roman
MS Add. 49021
Good bold letters
MS Harley 2662 Bold coarsish white vine [Marcus Fabius Quintilianus, Institutiones, [eine Skizze von einer sich einrollenden ev. Ferrara, 1434] Ranke mit Blüte ; verschiedene Schriftproben] Fol. 14r
[Skizze von zwei sich gegenüberstehenden, gewundenen Akanthusblättern sowie eines liegenden, sich regelmäßig windenden Akanthusblattes]
Fol. 15r
[Zehn Skizzen von Blattblüten, eine Skizze von sich trennenden Ranken, von Rankenwerk im Weißrankenstil umwundene Buchstaben Q und R]
Fol. 16r
[15 Skizzen von Blattblüten und Akanthusblättern]
Fol. 17r
[24 Skizzen von Blattblüten und Rankenstücken]
Fol. 18r
[15 Skizzen von Blattblüten und Akanthusblättern]
Rückseite MS Add. 24686 About 1280 Tennison [sic !] Psalter des Skizzen- [Alphonso oder Tenison Psalter, England, Skizze eines Vogels buches um 1284–1316] Fol. VIIIr MS Harley 2897 [Gebetbuch von Johannes von Burgund und der Margarete von Bayern, Paris, um 1410–1419]
648
About 1370 – goodish book
Anhänge
HRC, MS der British Library Skizzenbuch Morris’
Kommentar von William Morris
MS Cotton Cleop. C. viii [Aurelius Prudentius, Psychomachia, frühes 11. Jh.]
A.P. with pictures
MS Cotton Domitian A. xvii [Psalter Henry VI., um 1425–1430]
Henry the 6ths prayer book
MS Add. 18193 [Stundenbuch, Spanien, Mitte des 15. Jh.s]
Italianizing borders muddling
MS Add. 16997 [Stundenbuch des Etienne Chevalier, Paris, um 1420]
Good scroll borders very pretty pictures – 1400
MS Add. 28162 Early french good pictures in wonderful [La Somme Le Roi, Frankreich (Paris oder condition virtues & vices Maubuisson), zwischen 1290 und 1300] Fol. VIIIv
MS Add. 17333 [S. Johannis Apocalypsis, Anfang des 14. Jh.s] MS Royal 19 B. xv [Queen Mary Apokalypse, London oder East Anglia, 1. Viertel des 14. Jh.s]
Apocalypse [Zeichnung von sich windendem Akanthus]
MS Royal 20 B. xx [Le livre et le vraye histoire du bon roy Alexande, Paris, um 1420] Fol. IXr
MS Egerton 1070 [Stundenbuch des René von Anjou, Paris und Aix-en-Provence, um 1410 und 1442–1443, zugeschr. dem EgertonMeister, der Boucicaut-Werkstatt sowie Barthélemy d’Eyck]
Rene of Anjou scrolls [drei Skizzen von Rankenformen]
MS Harley 2278 [John Lydgate, Lifes of Saints Edmund and Fremund, ev. Bury St. Edmunds, zwischen 1434 und 1439]
Lydgate [drei Skizzen von sich um einen Stab windenden Akanthus]
Anhang III Quellen zur Arbeit an der »Aeneis«-Handschrift unter Graily Hewitt und Louise Powell 29.6.1904, Eintrag in Cockerells Diary, dass Murray ihm berichtet habe, Hewitt mit der Beendigung der »Aeneis« beauftragen zu wollen, BL, MS Add. 52641, fol. 43v. 30.6.1904, Brief Hewitts an Cockerell : Hewitt erhält von Murray den Auftrag, das achte Buch als Probe auszuführen, BL, MS Add. 52721, fol. 123r. 649
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30.9.1904, Eintrag in Cockerells Diary, dass Hewitt Cockerell eine Schriftprobe zum achten Gesang gezeigt habe, BL, MS Add. 52641, fol. 57r. 2.10.1904, Brief Hewitts an Cockerell mit Überlegungen zum Honorar für die Niederschrift des achten Gesangs. Hewitt bekundet sein großes Interesse für die »Aeneis« und äußert die Befürchtung, durch eine zu hohe Forderung, seine weitere Mitarbeit an der Vollendung der Handschrift zu verspielen, BL, MS Add. 52721, fol. 125r. 2.10.1904, Brief Hewitts an Murray mit der Mitteilung, dass er bereits vor kurzem die Abschrift des achten Gesangs beendet habe. Er erwähnt einige Schwierigkeiten mit Besonderheiten der Schrift Morris’, HRC. 28.12.1904, Eintrag in Cockerells Diary, dass Hewitt die kalligraphische Abschrift des achten Gesangs beendet habe, BL, MS Add. 52641, fol. 69v. 23.5.1905, Brief Hewitts an Murray, in dem Hewitt die Hoffnung äußert, die verbleibenden fünf Gesänge der Handschrift bis Ende Juli zu vollenden : »It has gone on fairly evenly I think, and is beginning to look quite imposing & jolly. And it is my great fun to do«, HRC. 28.7.1905, Brief Hewitts an Cockerell : Hewitt berichtet, er habe die letzten fünf Bücher nahezu beendet, BL, MS Add. 52721, fol. 130r. 28.7.1905, Brief Hewitts an Murray : Hewitt informiert Murray über die Beendigung der fünf letzten Bücher und bittet um weitere Informationen zur Arbeit am siebten Buch. Er weist auf einige Schreibfehler hin und erläutert seine Korrekturvorschläge, HRC. 1.8.1905, Brief Hewitts an Murray : Hewitt nennt den Preis pro Seite für die Ausführung der goldenen und farbigen Buchstaben sowie der zwölf Einleitungsseiten zu den jeweiligen Büchern. Weiterhin erörtert er Probleme in Hinblick auf das Arrangement des Textes und bezieht Stellung zu einer von Murray geäußerten Kritik : »And the result is this characterlessness you notice. Let me at least plead it is intention not carelessness or headlessness, rather a very careful and (consequently) selfconscious simplicity.« Er erwähnt zwei weitere Fehler, über die er bekümmert ist, aber er tröstet sich mit der folgenden Entdeckung : »My delight when I found the Durham book scribe fallible was intense […]. To eleminiate this humanity from handiwork seem to me almost undesirable«, HRC. 6.8.1905, Brief Hewitts an Murray, in dem Hewitt über die Schwierigkeiten des Goldauftrages berichtet, HRC. 6.8.1905, Brief Hewitts an Cockerell : Probleme zwischen Hewitt und Murray in Hinblick auf die Textanordnung, BL, MS Add. 52721, fol. 131r. Wunsch Murrays nach einem Kostenvoranschlag zur Ausführung der Kapitalbuchstaben. Hewitt erwähnt seine eigenen Befürchtungen, durch zu hohe, wenn auch Material und Arbeitsaufwand angemessene Forderungen die Arbeit verlieren zu können, »because I value the honour of this job so, apart from money making« (fol. 131v). Er werde in jedem Fall die zwölf Anfänge für die Gesänge in Gold ausführen. 23.7.1906, Brief Hewitts an Murray : Hewitt sendet die beendeten Seiten der »Aeneis« und gibt Anweisungen zum Schutz des Goldes bei der anschließenden Dekoration der Seiten, HRC. 14.8.1906, Brief Hewitts an Murray : Hewitt will mit der Arbeit am siebten Gesang beginnen, mit der Vergoldung der restlichen sechs Einleitungsseiten allerdings erst nach Ende seines Urlaubes anfangen, HRC. 14.10.1906, Brief Hewitts an Murray mit der Mitteilung über die Vollendung des siebten Gesangs, HRC. 9.11.1906, Brief Hewitts an Murray : Hewitt hat fast die Arbeit an Abschrift und Vergoldung been650
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det. Er verweist auf die Probleme, die durch Morris’ Purpurfärbung am Beginn des ersten Buches entstanden seien, und berät Murray in Hinblick darauf, ob diese Purpurfärbung auch bei den anderen Einleitungsseiten verwendet werden sollte bzw. ob es empfehlenswert sei, Seiten mit starken Unregelmäßigkeiten des Pergaments neu zu schreiben, HRC. 2.10.1907, Brief Cockerells an Murray, HL, MS HM 36935 : Cockerell lobt Murray für die Förderung der zeitgenössischen Kalligraphie und Illuminierung und äußert sich zu konkreten Projekten : »Hewitt’s Gudrun bids fair to be a stunning performance & I am sure that Powell is making a fine job for the Virgil.« Der Anfang des Briefes deutet darauf hin, dass Cockerell sich in einem früheren Brief besorgt erkundigte, ob Murray die Arbeit an den verschiedenen Handschriftenprojekten aufgeben und die Kalligraphen nicht mehr beschäftigen wolle. Murray antwortete darauf wohl, dass ihm momentan das Geld für deren Bezahlung fehle, da er einige teure Objekte erworben habe (vgl. HL, MS HM 36935). 22.1.1908, Brief Hewitts an Murray : Hewitt schlägt vor, für die Gestaltung der ersten Seite der »Frithiof«- und »Aeneis«-Handschriften Morris’ Kelmscott-Chaucer-Bordüren zu variieren, HRC. 12.6. 1909, Brief Hewitts an Murray : Hewitt stimmt Murrays Auffassung zu, dass die Kapitalbuchstaben innerhalb des Textes auf der Versoseite in Gold, auf der Rectoseite jeweils in Blau ausgeführt werden sollen, weist aber darauf hin, dass Morris selbst nicht so konsequent vorgegangen sei. Dieses treffe auch für seinen Umgang mit den in den Seitenrand gerückten größeren Majuskeln zu, HRC. 14.6.1909, Brief Hewitts an Murray mit der Mitteilung über die Paginierung der »Aeneis«-Handschrift durch Hewitt, HRC. 16.7.1909, Brief Hewitts an Cockerell, in dem Hewitt über die Arbeit an den Überschriften und Kapitalbuchstaben berichtet, BL, MS Add. 52721, fol. 161. 14.9.1909, Brief Hewitts an Murray : Bericht Hewitts über den Fortgang der Arbeit an der »Aeneis«Handschrift. Er habe die Paginierung und die Vergoldung der ersten Seite abgeschlossen und vermutet, dass Louise Powell ihre Arbeiten inzwischen ebenfalls beendet haben wird, HRC. 26.9.1909, Brief Hewitts an Murray, in dem Hewitt seine Zufriedenheit mit der ersten Seite äußert, die Louise Powell beendet hat, HRC. 3.10.1909, Brief Hewitts an Murray : Hewitt »reblued many of the pages, the letters of which you thought too light and staring, making them darker and warmer. I was too much afraid of being »Rickettsy« in my blue. Certainly the letters look more comfortably now«, HRC, siehe a. Sotheby’s, London, 30.5.1961, Los 498, S. 110. 9.10.1909, Brief Hewitts an Murray mit Dank für das Bezahlen der Rechnung, HRC. 26.10.1909, Brief Hewitts an Cockerell, in dem er berichtet, dass Murray die Arbeit an der »Aeneis« weiterführen wolle, obwohl er die hohen Kosten beklage, BL, MS Add. 52721, fol. 165. 27.10.1909, Brief Hewitts an Murray, in dem Hewitt auf Verbesserungen des Goldtones auf der Einleitungsseite zum ersten Buch und der Blautöne bei einigen der Buchstaben hinweist, HRC. 6.11.1914, Brief Hewitts an Cockerell, in dem sich Hewitt an Cockerells Ratschlag erinnert, eine durch Faltung beschädigte Seite neu zu schreiben, BL, MS Add. 52721, fol. 175r. 14.9.1915, Brief von Georgiana Burne-Jones an Murray : »I wonder whether you have been able to find a quiet space in which to go on with the Virgil – it would be splendid if you could finish it !«, JRLM, MS Ryl. Eng. 1278, fol. 36r.
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Anhang IV Publikationen zu illuminierten Handschriften und zur Geschichte des Buches in William Morris’ Bibliothek Illustrierte Bücher zum Rittertum
John Ashton, Romances of Chivalry, 1887, mit faksimilierten Abbildungen nach Buchmalereien – WM 1898, 20. Illustrierte Texteditionen
The Apocalypse of St. John the divine, Facsimile of an English MS of the 13th century in the Bodleian at Oxford, hrsg. von H. O. Coxe, Roxburgh Club, London 1876 – WM 1898, 892 ; Bridwell Lib., Nr. 150, fol. 14r. J. F. Conybeare, Illustrations of Anglo-Saxon Poetry, 1826 – WM 1898, 222. Henry Ellis, Account of Caedmon’s Metrical Paraphrase of Scripture History, an illuminated MS. of the Xth Century, Archaeologia, 1832 – WM 1898, 291. John Gage [Rokewode], A Dissertation on St. Æthelwolds Benedictional, an illuminated MS. of the Xth Century, Archaeologia, 1832 – WM 1898, 461 ; Bridwell Lib., Nr. 547, fol. 42r. Ausgaben des Roxburghe Clubs wie die Gesta Romanorum und zum Hl. Gral, hrsg. von H. O. Coxe, 1819–1876 – WM 1898, 887–892. Bibliothekskataloge mit Abbildungen
Bibliothèque de l’Enseignement des Beaux-Arts. Manuscrits et Miniatures …, – WM 1898, 41. Catalogue of the Arundel and Burney MSS in the British Museum, 1834–1840 – WM 1898, 137 ; Bridwell Lib., Nr. 354, fol. 28r und Nr. 526, fol. 40r. Catalogue de la Bibliothèque de Ricardo Heredia, 1894 – WM 1898, 207. Ellis & Elvey’s Catalogue 1894 – WM 1898, 207. Thomas Frognal Dibdin, Aedes Althorpianae, or, An Account of the mansion books and pictures, at Althorp : the residence of George John Earl Spencer, K. G.; to which is added a supplement to the Bibliotheca Spenceriana, 2 Bde., London 1822 (Grolier Club, New York). Facsimiles of the National Manuscripts of Ireland photo-zincographed by Sir Henry James, pt. I-III, 1874–1879 – WM 1898, 916 ; Bridwell Lib., Nr. 320, fol. 26r. M. R. James, Fitzwilliam Museum. Descriptive Catalogue of the MSS. with Introduction and Indices, 1895 – WM 1898, 410. Perkins Library Sale Catalogues 1873 – Bridwell Lib., Nr. 542, fol. 42r ; – WM 1898, 207 . Verschiedene Kataloge von Quaritch, 1889–1895, darunter auch »Facsimiles of Choice Examples, selected from Illuminated MSS. Unpublished Drawings and Illustrated Books« (pt. 2–10) – WM 1898, 872–874. Quaritch Katalog von 1868 – Bridwell Lib., Nr. 839, fol. 63r. Katalog der Sunderland Library, 1881 – Bridwell Lib., Nr. 543, fol. 42r. H. L. D. Ward, Catalogue of Romances in the Department of MSS. in the British Museum I-II, 1883–1893 – WM 1898, 1042.
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Bücher zur Buch- und Handschriftengeschichte
E. A. Bond, E. M. Thompson (Hrsg.), Facsimiles of Manuscripts and Inscriptions, 3 Bde., Palaeographical Society, London 1873–1883 – WM 1898, Nr. 929 ; Bridwell Lib., Nr. 324, fol. 26r. Brunet, Manuel du Librairie, 4 Bde., Paris 1814 – Bridwell Lib., Nr. 39, fol. 5r. Rev. Thomas Frognall Dibdin, Bibliographical Decamerone, Bd. II, III, London 1817 – WM 1898, 239 ; Bridwell Lib., Nr. 284, fol. 23r. Verschiedene Faksimile-Ausgaben von Stundenbüchern wie die »Horæ Pembrochianæ. Some account on an Illuminated Book of Hours« (Text von W. H. James Weale, hrsg. von Frederic Startridge Ellis, 1880), die »Hours of Albert of Brandenburg« (hrsg. von Frederic Startridge Ellis, 1883), »Account of an Illuminated Book of Hours, executed for Jean Comte de Dunois« (1894) – WM 1898, 489 ; Bridwell Lib., Nr. 540, fol. 41r. Weitere Faksimiles von illuminierten Handschriften neben Photographien anderer Kunstwerke in einer Mappe – WM 1898, 510. Walter de Gray Birch, History of the Utrecht Psalter, 1876 – WM 1898, 1019 ; Bridwell Lib., Nr. 181, fol. 17r. Walter de Gray Birch, Early Drawings and Illuminations in the British Museum, 1879 – Bridwell Lib., Nr. 775, fol. 57r. Humphreys History of the Art of Printing, London 1867 – WM 1898, 717 ; Bridwell Lib., Nr. 470, fol. 36r. Falconer Madan, Books in Manuscript : a short introduction to their study and use, with a chapter on records, 1893 – WM 1898, 51. John Henry Middleton, Illuminated Manuscripts in Classical and Mediæval Times, 1892 – WM 1898, 639. Planches enluminée from 1 to 1008, 5 Bde. – Bridwell Lib., Nr. 674, fol. 51r. Statuts de l’ordre de Saint-Esprit, MS du XIVe siècle, avec une notice sur la Peinture des Miniatures par le Comte de Viel-Castel, 1853 – WM 1898, 1138. Vetusta Monumenta VI, Taf. 18–25 ; VII, pt. 1–2, Taf. 1–10 – WM 1898, 1188. George F. Warner, Sforza Book of Hours, Miniatures and Borders, 1894 – WM 1898, 1062. Handbücher zum Illuminieren
J. J. Laing, A Companion to the Manual of the Art of Illumination, London 1871 – Bridwell Lib., Nr. 637, fol. 48r. Henry Shaw, Art of Illumination in the Middle Ages, London 1870 – WM 1898, 1065 ; Bridwell Lib., Nr. 151, fol. 14r. William Robert Tymms/M. Digby Wyatt, Art of Illuminating from the Earliest Times, o. J. [1. Ausg. 1860, wobei unklar ist, welche Ausgabe Morris erwarb] – WM 1898, 1034 ; Bridwell Lib., Nr. 490, fol. 38r. Diplomatisch-historische Nachschlagewerke
Charles Dufresne, Sieur Ducange, Glossarium Mediae et infimae Latinitatis, Ausg. Leopold Favre, 10 Bde. in 5 Bden., 1883–1887. Nouveau traité de diplomatique, par deux Religieux Bénédictins de la Congrégation de S. Maur, 6 Bde., 1750–1765 – WM 1898, 691.
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Bernard Quaritch, Palaeography, Notes on the History of Writing, etc., 22 facsimiles, 1894 – WM 1898, 875. Joseph Balthazar Silvestre, Universal Palaeography, Übers. von Frederic Madden, 2 Bde. mit insg. 296 Taf.+2 Bde. Text, 1850 – WM 1898, 1122. Publikationen zur Kulturgeschichte
Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck, Trachten, Kunstwerke und Geräthschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts, 720 Chromolithographien, 10 Bde., Frankfurt a. M. 1879–1889 – WM 1898, 476. Auguste Racinet, La costume historique, 20 pt. in portfolio, Paris 1888 – Bridwell Lib., Nr. 833, fol. 65r. Kunstgeschichtliche Publikationen
Catalogue of the Arts & Crafts Exhibition 1888 – Bridwell Lib., Nr. 731, fol. 55r. Clutton’s Illustrations of Medieval Art in France – Bridwell Lib., Nr. 342, fol. 27r. Louis Gonse, L’Art Gothique. L’Architecture, la Peinture, la Sculpture, le Decor, o. J. The Handmaid to the Arts, London 1747 – Bridwell Lib., Nr.121, fol. 12r. Owen Jones, Grammar of Ornament, London 1868 – WM 1898, 730. Paul Lacroix, Les Arts au Moyen Age, 1869 (2. Ausg.), sowie die Bände Sciences et Lettres au Moyen Age von 1877 und Military and Religious Life in the Middle Ages von 1874 – WM 1898, 613–615 ; Bridwell Lib., Nr. 452, fol. 35r+381, 30r+833, 62r. Mrs Merrifield, Treatise on Painting, written by Cennino Cennini in 1487, 1844 sowie dies., Original Treatises on the Art of Painting, XIIth to XVIIIth Centuries, with Introduction, Translations, Prefaces and Notes (2 Bde.), 1849 – WM 1898, 636–637 ; YCBA, fol. 16v (1876) ; Bridwell Lib., Nr. 158, fol. 15r. William Young Ottley, Collection of Facsimiles of Scarce and Curious Prints by Early Masters of the Italian, German and Flemish Schools, 1826 – WM 1898, 700 Portfolio with South Kensington Reproductions ; Bridwell Lib., Nr. 100, fol. 10r. Jean Baptiste Séroux d’Agincourt, History of Art by its Monuments, 328 Taf., 3 Bde., London 1847 – WM 1898, 1117 ; Bridwell Lib., Nr. 337, fol. 27r. Henry Shaw, Encyclopaedia of Ornament, London 1842 – WM 1898, 1063 ; Bridwell Lib., Nr. 690, fol. 52r. South Kensington Handbooks : Ivory, Furniture, Tapestry – Bridwell Lib., Nr. 261, fol. 22r. Theophilus, The Arts of the Middle Ages, transl. by Robert Hendrie 1847 – Bridwell Lib., Nr. 489, fol. 38r. James Ward, Elementary principles of ornament, 1890 – Bridwell Lib., Nr. 298, fol. 24r.
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8 Abkürzungen AMO BFAC BL BLO BMAG BML BNP BQ Bridwell Lib. CAGM CFLP FMC HAC HL HRC JRLM MMA NAL ÖNB PML PUAM RIBA SoA TGL V&A WAGB WAGM WMGW YCBA
Ashmolean Museum, Oxford Burlington Fine Arts Club, London British Library, London Bodleian Library, Oxford Birmingham Museum and Art Gallery, Birmingham British Museum, London Bibliothèque nationale de France, Paris Bernard Quaritch Ltd., London Bridwell Library, Southern Methodist University, Dallas Cheltenham Art Gallery and Museum, Cheltenham Collection Frits Lugt, Institut Néerlandais, Paris Fitzwilliam Museum, Cambridge Huntington Art Collections, Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif. Huntington Library, Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens (The Huntington), San Marino, Calif. Harry Ransom Center, The University of Texas, Austin, Texas John Rylands University Library, Manchester Metropolitan Museum of Art, New York National Art Library, Victoria & Albert Museum, London Ösrerreichische Nationalbibliothek, Wien Pierpont Morgan Library, New York Princeton University Art Museum, Princeton NJ Royal Institute of British Architects, London Society of Antiquaries, London Tate Gallery, London Victoria & Albert Museum, London Walters Art Gallery, Baltimore, Md. Whitworth Art Gallery, Manchester William Morris Gallery, Walthamstow Yale Center for British Art, New Haven, Conn.
655
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10 Personen-, Orts- und Sachregister
Verweise auf Anmerkungen sind durch kursive Seitenzahlen gekennzeichnet. Handschrif ten, mit Ausnahme derjenigen von William Morris, werden unter ihrem Aufbewahrungs ort verzeichnet. Abbey, Major John Roland 193, 295, 313, 472, 473, 490, 499, 505, 581, 641 Aberystwyth, National Library of Wales – MS 15536E (Sherbrooke Missal) 539–540, 610 Ackermann 414, 418 Aldenham, Henry Hicks Gibbs, 1st Baron 446, 447, 526–528 Alexander, Esther Frances (Francesca) 415 Alighieri, Dante 41, 46, 63, 71, 76–77, 145, 168, 175–179, 200–201 The Amateur Illuminator’s Magazin 419–420, 425 Arrighi Vicentino, Lodovico degli 123–124, 134, 146, 207, 233, 270, 282, 312, 319, 339 The Art Journal 54, 61, 74, 247, 395, 396, 397, 398, 401, 403, 408–413, 420, 423, 426, 449, 462–463, 465 Art Treasures Exhibition, Manchester 445 Arundel Society 52, 200, 263, 441, 461–462 Ashburnham, Lord Bertram 470, 557 Athens, Ohio University Library, Archives and Special Collections – BS751200x 495, 608 Audsley, George Ashdown 402, 406, 417, 419, 422, 465 Audsley, William James 402, 406, 417, 463 Baldini, Baccio 76, 176–177, 201 Baldwin, Charles A. Baldwin, Louisa Macdonald 18, 79,113, 326, 626 Baltimore, Maryland, Walters Art Gallery – MS W. 133 574–576, 612 – MS W. 350579–580, 612 Barnard, Henry Gee 517, 519 Barnard, Jabez 424 Bateman, Edward La Trobe 69 Bateman, Thomas und William 480, 484, 514, 565, 567 Bartoli, Domenico 73
Bartoli, Pietro Santi 330 Bastard d’Estang, Comte Auguste de442–443 Beckford, William 469 Bennett, Richard 479, 490, 492–502, 504–505, 507–510, 513–514, 516–517, 519–522, 524–525, 527, 532–535, 537–539, 541, 544–546, 548, 554, 556–559, 561, 566–607 Benson, Robert Hugh 447–448, 505–506 Benson, William Arthur Smith 505–506, 587 Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz – MS lat. fol. 600 603, 614 – MS lat. fol. 601 585–586, 613 Bernini, Gian Lorenzo 351 Besozzo, Leonardo da 531 Birch, Walter de Gray 454–455, 653 Birket Foster, Myles 73, 101, 102, 158, 188 Blake, William 33–35, 193–194 Bloomington, Indiana, Library of Indiana University 558, 610 Blunt, Wilfrid Scawen 43–44, 604–605 Boccaccio, Giovanni 51–53, 71, 158, 179, 354 Bohn, Henry G. 594 Bonnard, Camille 49, 68–69, 72–73 Boston, Mass., Boston Public Library – MS 1543 605–606, 615 – MS G. 401.10 578–579, 612 – MS G.401.11 496, 608 Botticelli, Sandro 14, 176, 196, 199–201, 336, 347, 350, 382, 385 Boyce, George Price 93, 289 Bradley, John W. 301, 411, 413, 422–423, 451 Bragge, William 446, 524, 535, 583, 599 Breslauer, Bernard H. 313, 472–473, 489, 581, 593 British Museum London 355, 362, 364 – Parthenon-Fries, -Metopen und Giebelfiguren 337, 346, 362, 369 – Maussolleion von Halikarnassos 337
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Personen-, Orts- und Sachregister
– Nereidenmonument von Xantos 337, 346, 355 Brown, Ford Madox 54, 67–70, 82, 83–84, 93, 98, 100, 201, 290 Browning, Elisabeth 406 Browning, Robert 105–106, 109–110, 112, 258–259, 475, 625 Brüssel, Bibliothèque Royale de Belgique – MS II 2663 543–544, 610 Buchanan, The Rt. Hon. Thomas Ryburn 583, 594, 598 Burges, William 56–60, 409, 470 Burlington Fine Arts Club, London 446 Burne-Jones, Edward 13–16, 22, 44, 47–48, 50–56, 60, 65, 70–79, 83, 90, 1004–106, 110, 139–143, 153, 163, 166, 200, 202, 241, 280, 323, 333–337, 494, 511, 541, 548, 572–573 – A Book of Verse, Victoria & Albert Museum, London, National Art Library, MSL 131–1953 177, 190–192, 255–256, 260, 263, 628 – Aeneis, Entwürfe für, Fitzwilliam Museum Cambridge, Inv. Nr. 1183–1–29 10, 294, 322–325, 331, 333, 339, 344–385, 639 – The Beguiling of Merlin (Merlin and Nimue) 166, 180, 181, 347, 350, 358 – Briar Rose/Dornröschen 96, 166, 192, 245, 259, 372–373, 377 – Chaucer Schrank/The Prioress’s Tale Cabinet 48–49, 100 – Dorigen of Bretagne Longing for the Safe Return of her Husband 102 – Amor und Psyche nach Entwürfen für »The Earthly Paradise« 97–98, 166, 168, 191, 196, 259, 334, 347, 349, 350, 354, 356, 360, 368 – Green Dining Room, South Kensington Museum/ Victoria & Albert Museum, London: Personifikationen der Monate 138, 172–173, – Green Summer 100, 196, 245, 256, 260 – »Holy Grail«-Tapisserien für Stanmore Hall, Entwürfe 97–98 – Illustrationen für den Kelmscott-Chaucer 41–42 – Kachelentwürfe 73, 172 – Katie Lewis, Porträt 102 – Ladies and Animals Sideboard 54 – Laus Veneris 96, 101, 256, 349, 355, 376 – Le Chant d’Amour 55, 100, 103, 196, 256 – The Legend of Good Women, Kartons, Birmingham Museum and Art Gallery 52, 54, 157, 166, 179, 247
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– Love among the Ruins 166, 258–259, 352, 372, 379 – Maria Zambaco, Porträt 55, 103, 256, 352 – The Odes of Horace/Q Horatii Flacci Carminum, Bodleian Library Oxford, MS Lat. Class. e. 38 290, 293–295, 638 – Orpheus-/Graham-Flügel 102, 334, 344, 346, 352, 357, 369, 374, 380 – Perseus-Zyklus 95, 168, 293, 332, 344–347, 355, 362, 364, 368, 371, 379, 382 – Princess Sabra 101, 188–190 – Pygmalion-Zylus 96–97, 168, 259–260, 334, 349 – Rosenroman-Zyklus für Rounton Grange, Entwürfe für Stickereien 97, 260 – The Rubáiyát of Omar Khayyám (Graham-Rubáiyát), Privatbesitz 1, 252–261, 263, 633–634 – St. Georgs-Zyklus für Myles Birket Foster, The Hill, Witley, Surrey 97, 101–102, 168, 188, 361 – The Seasons, Day and Night, für Frederick Leyland 138, 171–173, 337 – Sir Degrevaunt-Zyklus, Red House 52, 74, 79, 101 – Skizzenbuch, Fitzwilliam Museum Cambridge, Inv. Nr. 1070.5 77, 336, 347–348, 352, 356, 362, 376 – Skizzenbuch, Fitzwilliam Museum Cambridge, Inv. Nr. 1083 53, 55, 69, 72–73,98, 247 – Skizzenbuch, Pierpont Morgan Library and Museum, New York, Inv. Nr. 1971.1 344, 357, 362–365, 370, 372, 374, 378–379, 380–382, 639 – Skizzenbücher, Victoria & Albert Museum London, E. 1–1955, 2–1955, 3–1955, 4–1955, 5–1955, 6–1955, 10–1955 73–76, 84, 102, 175–177, 247, 255–256, 334–337, 346–347, 350, 352, 355, 359–360, 362–364, 371–372 – Troja-Triptychon 89, 334–336, 344, 352, 358, 360, 364, 369, 371–372, 376, 382 – The Wheel of Fortune 89, 335–336, 376 Burne-Jones, Georgiana, geb. Macdonald 10, 44, 54, 72, 79, 102–193, 106, 113, 116, 138, 143–145, 157–160, 206, 217, 230, 234, 240–241, 249, 251, 281, 316, 327, 392, 506, 552, 626, 628–629, 633, 638, 651 Burne-Jones (verheiratete Mackail), Margaret 97, 620, 626 Butler, Charles 502, 524, 534, 563, 579 Cambridge, Cambridge University Library – MS Add. 4085 485, 515
Personen-, Orts- und Sachregister
– MS Add. 6159 500, 608 – MS Add. 6760 582, 612 Cambridge, Corpus Christi College – MS 53 540, 554 – MS 61 68 Cambridge, Fitzwilliam Museum – MS 191 /242 (Pabenham-Clifford Hours/Grey Fitzpayn Hours/Clifford Grey Hours) 115, 485, 549–554, 610 – MS 311 474, 504–505, 615 – MS CFM 9 563–564, 611 – MS CFM 14 585, 614 – MS CFM 16 600, 614 – MS McClean 12 495, 607 - MS McClean 33 484 – MS McClean 118 584, 613 – MS McClean 179 474, 590–591, 613 Cambridge, Mass., Houghton Library, Harvard College Library – MS Lat. 266 594, 614 – MS Typ 289 564–565, 611 – MS Typ 703 565–566, 611 – MS Typ 749 589–590, 613 Campo Santo, Pisa, Trionfo della Morte50, 55, 336 Candour, Thomas 288, 298 Canton, R. 412, 425 Carpi, Ugo da 124 Carter, John 97–98, 246 Castel del Buon Consiglio, Trient 51, 86 Celotti, Abate Luigi 443, 471 Charrington, John 500, 582 Chaucer, Geoffrey 13, 41, 48–49, 52, 67–68, 78–79, 101–102, 145, 157–158, 179–180, 354 Cheaster Beatty, Alfred 565 Chiswick Press 118 Cimabue 336, 421, 451 Clegg, E. 408 Clovio, Giulio 400, 420–421, 424, 435–439, 445–446, 450–451, 453, 456, 459, 462, 466, 469 Cobden-Sanderson, Thomas 183, 226, 509, 630 Cockerell, Douglas 235, 249, 493, 499, 509–510, 514, 519–520, 527, 549, 567, 630, 632 Cockerell, Sydney Carlyle 11,224, 230, 321, 476–478, 486, 491, 494, 496–499, 502–504, 507, 509–511, 513, 515, 517, 519.521, 524, 527–529, 531, 534, 541–542, 548, 550–556, 566–569, 571–572, 574–575, 577–579, 582, 585–589, 592–593, 595, 601, 604, 641, 649–651
Cole, Henry 458 Collcutt, Thomas 176, 178 Collingwood, G.408 Collins, Charles Allston 41, 69–70, 100 Collinson & Lock 16, 174, 176, 178 Colonna, Francesco 178, 259, 265 Cornelius, Peter 32–33, 411 Cowlishaw, W. Henry 327, 407 Crace, John Gregory 94 Crane, Walter 42, 94, 168, 467 Crawford, John M. 504, 630, 635 Crawford, William Horatio 479, 581, 600 Cruikshank, George36, 106 Cundall, Joseph 401 Curzon, Robert 469 da Vinci, Pierini und Tribolo 352 Dehara, David 424 Delamotte, Freeman Gage 127, 280, 413, 417, 423–424, 426 De Lara, David Laurent 412–415, 417 della Robbia, Lucca 74, 84, 183, 352 De Morgan, William 299 Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, Nationale Bibliotheek van Nederland – KB 79K30 558–559, 610 Dennistoun, James 455, 459 Dibdin, Thomas Frognall 93, 437, 443–444, 652–653 Dickens, Charles 36–39 Didron, Adolphe Napoleon 57, 84 Douce, Francis 469 Doves Bindery 567, 627, 631, 635, 637, 638 Dresser, Christopher 397–398 Dublin, Trinity College – MS 58 (Book of Kells) 66, 405, 432, 439, 446 Dufresne, Charles, Sieur Ducange 442, 657 Dunlap, Joseph E. 12, 106, 108–110, 113, 116, 120, 125, 129, 134–139, 146, 162, 207–208, 218, 220– 222, 230–233, 239, 260–262, 267–271, 276–279, 281–283, 304, 306, 308–319, 321, 386–387 Dunlop, Walter 66, 98 Dunn, George 537–538, 606 Dürer, Albrecht 13, 32, 47, 115, 401, 412 Dyson Perrins, Charles Williams 471, 490–491, 538, 576, 592 Eastlake, Charles 246, 456 The Ecclesiologist 398–399, 403
695
Personen-, Orts- und Sachregister
Ellis, Frederick Startridge 44, 413, 434, 437, 474–475, 478, 482, 492, 500, 505, 511, 517, 519–521, 524, 527–528, 535–536, 541, 552, 558, 563, 567, 580, 584, 587, 653 Fairholt, Frederick William 54, 68, 98, 445 Fairbank, Alfred 12, 137–138, 208, 218, 253, 319, 338 Faithful, Emily 416 Firmin-Didot, Ambroise 575, 588, 595 Fitzgerald, Edward 241 Fleet, Esther Faithful 416 Fountaine, Sir Andrew 480, 485, 549–552 Fra Angelico 246, 411 Franco da Bologna 421 Gage Rokewode, John 98, 442–443, 656 Genf, Bibliothèque Publique et Universitaire – Comites Latentes MS 73 595, 614 George Rowney & Co. 418, 422 Gere, Charles March 41, 43 Gerard, John 155, 297 Getz, Milton E. 504 Gilchrist, Alexander 193–194 Gimingham, Miss A. E. 405, 416 Giotto 52, 192, 263, 336, 421, 441, 451 Godwin, Edward William 58–59 Goodwin, Thomas G. 422–423, 301, 411, 413, 451 Gough, Richard 98 Graham, Frances 103, 251–252, 255, 334, 634 Graham, William 166, 252, 256, 382 Gregynog, Gwendolyn Davies 540 Gribbel, John 582, 595 Grieninger, Johannes 289, 323 Grimm, Gebrüder, Jacob und Wilhelm 106, 113 Gruner, Ludwig 460 Hailstone, Edward 477, 480–482, 490–491, 499, 502–503, 513, 525, 562, 592–593 Hamilton, Alexander Hamilton Douglas, Duke of 201, 493, 571, 586, 597 Hanrott, Philip August 594 Harden Grange, Bingley, Yorkshire 98, 104 Harrison, William Randle 396, 424, 426 Hart, Horace 46 Robert Hendrie 17, 59, 658, 421, 438 Hewitt, Graily 11, 42, 224–225, 241, 253, 256, 285,
696
291, 293, 300, 327–329, 332, 338–339, 341, 509, 630, 639, 649–651 Hodson, Laurence W. 490–491, 499–503, 505, 508–509, 564–567, 575, 579, 582, 595, 324 Hoe, Robert 586, 596, 599 Hofer, Philip 565, 589 Hogarth, William 37 Holford, Robert Stayner 72, 445–448, 454–455, 459, 470 Holiday, Henry 337 Holman Hunt, William 41, 201, 255, 257 Holmes, Richard R. 445, 459 Holroyd, Robert 459 Hopetoun, John Adrian Louis Hope, 7th Earl of 594 Hornby, Charles Harold St. John 291, 491, 499, 505 Howard, George, 9th Earl of Carlisle 168, 334, 350, 360 Hughes, Arthur 65, 98 Humphreys, Henry Noel 61, 69–70, 79, 99, 115, 210, 214, 280, 396, 398–403, 409–414, 418–420, 427, 429, 448–449, 451–454, 457, 468, 657 Huntington, Henry E. 596 Hypnerotomachia Poliphilii 64, 178, 259, 265–266 Jarman, John Boycott 460–461, 470 James, Montagu Rhodes 507, 541, 551–552, 656, Jenner, Henry 454 Jewitt, Edwin 424 Johnes, Thomas 442, 448 Johnston, Edward 224, 327 Jones, Owen 61, 70, 108, 124, 280, 396–399, 402–404, 410, 415, 417, 420, 425–426, 452, 458–59, 658 Keble, John 411 Kerrich, R. E. 445 Knight, Charles 67–68 Knox d’Arcy, William 97 Kugler, Friedrich Theodor 455–457 Labitte, Alphonse 589 Lacroix, Paul73, 658 Laing, J. J. 417, 438–439, 654 Lasinio, Carlo 50 La Trobe Bateman, Edward 69 Lawrence, Edwin Henry 480, 482–484, 502–503, 533, 546, 554, 574, 582, 585 Layard, Henry Austen 445, 459
Personen-, Orts- und Sachregister
Leighton & Co. 477, 479–482, 490–494, 501–505, 508, 513, 525–526, 532, 534, 544–546, 554, 561, 563, 565, 567–570, 581, 582, 591–594, 597–601, 639 Leighton, Lord Frederic 337 Lessore, Louise, verheiratete Powell 224–226, 229, 327–328, 341, 586, 630, 639, 649–651 Lethaby, William R. 446 Lewis, John Frederick 491 Leyden, Lukas van 55, 172 Leyland, Frederick 138, 171–173, 337, 382 Liberale da Verona 77, 461–462 Libri, Guglielmo 470, 588, 600, 603 Liverpool, Sydney Jones Library, University of Liverpool – MS F.4.20 568–569, 611 Loftie, William John 446, 453 London, British Library – MS Add. 4836 87, 644 – MS Add. 5141 49, 79, 100 – MS Add. 10546 329, 444 – MS Add. 11933 287, 646–647 – MS Add. 12004 648 – MS Add. 14777 287, 647 – MS Add. 14781 287, 646 – MS Add. 14783 646 – MS Add. 14812 645 – MS Add. 14817 647 – MS Add. 15254 83, 248 – MS Add. 15268 649 – MS Add. 15287 288, 300, 647 – MS Add. 15685 650 – MS Add. 15819 647 – MS Add. 16532 645 – MS Add. 16997 210, 300, 301, 649 – MS Add. 17012 74 – MS Add. 17046 645 – MS Add. 17333 647 – MS Add. 18193 647 – MS Add. 18198 645 – MS Add. 18720 288, 645–646 – MS Add. 18850 47, 63, 86, 150, 293, 298, 420, 434, 460 – MS Add. 18855 75, 92 – MS Add. 19397 646 – MS Add. 19587 76, 176 – MS Add. 21909 87, 150, 644 – MS Add. 21120 111, 287, 646
– – – – –
MS Add. 23923 646 MS Add. 24098 92 MS Add. 24189 88–89, 133, 645 MS Add. 24638 647 MS Add. 24686 48, 76, 90, 108, 420, 431–432, 460, 528, 530, 648 – MS Add. 27428 647 – MS Add. 27697 150, 297 – MS Add. 28162 653 – MS Add. 29704–29705, 44892 213, 298 – MS Add. 35322 79 – MS Add. 38644 568, 577, 612 – MS Add. 42130 52, 55, 63, 76, 90, 97–98, 128, 295 – MS Add. 42131 87, 292, 298, 301, 344 – MS Add. 49021 648 – MS Add. 49622 90, 115, 154 – MS Add. 49999 111 – MS Add. 62925 447 – MS Add. 81084 509–510, 609 – MS Arundel 13 57 – MS Arundel 60 434 – MS Arundel 83 I 410, 460 – MS Arundel 83 II 67, 434 – MS Arundel 155 57 – MS Burney 198 285, 652 – MS Cotton Cleop. C. viii 57, 59, 649 – MS Cotton Dom. A. xvii 301, 649 – MS Cotton Nero C. iv 57, 107 – MS Cotton Nero D. iv 66, 432, 444 – MS Egerton 943 76, 176 – MS Egerton 1070 209, 300–301, 649 – MS Egerton 1069 97 – MS Egerton 1147 88, 644 – MS Egerton 1148 646 – MS Egerton 2019 154, 298 – MS Egerton 2022 455 – MS Egerton 2977 537–538, 610 – MS Egerton 3271 535, 609 – MS Harley 1340 646 – MS Harley 2278 74, 99, 301, 315, 321, 649 – MS Harley 2438 86, 642–643 – MS Harley 2593 285, 651 – MS Harley 2648 647 – MS Harley 2662 287, 647–648 – MS Harley 2749 647 – MS Harley 2760 288, 647 – MS Harley 2761 288, 301, 331–332, 647 – MS Harley 2788 76, 329
697
Personen-, Orts- und Sachregister
MS Harley 2798–2799 70, 107, 114–115, 439, 445 MS Harley 2800–2802 67, 445, 465 MS Harley 2863 87, 277, 455, 644 MS Harley 2897 49, 58, 62, 248, 648 MS Harley 2900 154, 210, 301 MS Harley 2904 343 MS Harley 2915 86, 417, 455, 642–643 MS Harley 2917 86–87, 147, 209, 455, 642–643 MS Harley 2924 87, 455, 644 MS Harley 2934 86, 277, 455, 642–643 MS Harley 2935 86–87, 150, 643 MS Harley 2936 87, 150, 154, 156, 283, 455, 644 MS Harley 2952 88, 210, 298, 644 MS Harley 3109 67, 285, 297, 338, 648 MS Harley 3293 287, 297, 301, 648 MS Harley 3410 287, 647 MS Harley 3481 285, 297, 301, 648 MS Harley 3694 285, 648 MS Harley 4379–4381 52, 57, 72, 79–80, 98, 99, 150, 213 – MS Harley 4425 51, 57, 58, 62, 73, 91–7, 127, 158, 354, 448, 455, 461, 465 – MS Harley 4431 53, 57, 67, 72, 74, 89, 95–96, 99, 298 – MS Harley 4836 87, 644 – MS Harley 4866 49, 67–68, 100 – MS Harley 4867 53 – MS Harley 4940 88–89, 644 – MS Harley 4902 285, 297 – MS Harley 5049 86, 277, 455, 642–643 – MS Harley 5600 287, 646 – MS Harley 5762 87, 147, 150, 455, 644 – MS Harley 7026 434, 445 – MS Harley 7183 287, 646 – MS King’s 24 332, 351, 354 – MS Royal 1 D. I 111, 154, 506 – MS Royal 2 A. xxii 77, 98 – MS Royal 2 A. xviii 300 – MS Royal 2 B. ii 111 – MS Royal 2 B. vii 55–58, 62, 76, 88, 90, 98, 104, 138, 246–247, 295, 420, 431, 434, 540 – MS Royal 2 B. xiv 300 – MS Royal 3 D. vi 108, 530 – MS Royal 6 E. ix 57, 111, 288, 320, 445, 646 – MS Royal 12 C. xix 570, 572–573 – MS Royal 14 D. v 80 – MS Royal 14 E. iii 52, 98 – MS Royal 14 E. iv 57–58 – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
698
– MS Royal 14 E. v 53, 150 – MS Royal 15 D. i 52, 68, 73, 74, 150, 301 – MS Royal 15 E. vi 57, 74, 79, 150, 301 – MS Royal 16 G. v 53, 57 – MS Royal 17 D. vi 49, 67, 100, 179 – MS Royal 17 E. iv 53, 99 – MS Royal 17 E. vii 136, 434 – MS Royal 18 D. ii 57, 89 – MS Royal 18 D. ix 150 – MS Royal 18 E. ii 74 – MS Royal 19 B. xiii 95 – MS Royal 19 B. xv 45, 649 – MS Royal 19 B. xvii 89, 645 – MS Royal 19 C. iv 54, 89, 266, 645 – MS Royal 19 D. iii 301 – MS Royal 20 A. xvii 95 – MS 20 B. vi 460 – MS Royal 20 B. xx 57–58, 649 – MS Royal 20 C. iv 89, 645 – MS Royal 20 C. v 53 – MS Royal 20 D. iv 98, 108 – MS Sloane 2435 109 – MS Sloane 3049 88, 644 – MS Stowe 17 104, 247 London, Society of Antiquaries of London – MS 59 434, 460 – MS 984/1/1–2 144, 628 – MS 984/1/3 339, 368, 630 – MS 956 473, 498, 608 London, Wellcome Institute Library – MS 591 599–600, 614 Lonsdale, Horatio W. 470 Los Angeles, John Paul Getty Museum – MS Ludwig I 4 505–506, 587, 608 – MS Ludwig I 8 502–503, 608 – MS Ludwig I 12 503–504, 608 – MS Ludwig V 4 538–539, 610 Louisa, Marchioness of Waterford 415 Lucien, Henry Montanell 424 Ludwig, Dr. Peter 502, 504, 505, 538 Lyon, Bibliothèque Municipale – MS 27 333 Mabillon, Jean 124, 442 Macdougall, William Brown 407–408 MacFarlane, James 68 Mackail, John William 11, 78, 105, 113–114, 119, 146, 229, 240, 242, 252–253, 256, 322, 447, 474
Personen-, Orts- und Sachregister
Mackmurdo, Arthur Heygate 65 Madden, Frederic 67, 438, 442, 450–453, 466, 471 Maffei, Scipione 442 Magnússon, Eiríkr 121–122, 134–135, 202, 207, 217, 222, 236–237, 261–262, 276, 281, 319 Mai, Angelo 330–332 Malory, Sir Thomas 13, 47, 49, 65, 105 Manchester, James Rylands Library – MS Ryl. Lat. 53 279, 286, 473 Mancini, Giulio 124 Manta, Castello, Sala Baronale 158 Mantegna, Andrea 166, 347, 354, 357, 364, 366, 369, 376, 382 Mappae Clavicula 421 Marples, James Orr 408 Marston, Thomas Ewart 593 Masolino da Panicale 531 Massimi, Camillo330 McClean, Frank 494, 584, 591 Meiss, Milliard 32 Membland Hall, Devon 300 Memling, Hans 247 Merrifield, Mrs 658 Michelangelo 14, 335–337, 361–362, 369, 372, 379, 382, 435 Middleton, J. Henry 454–455, 657 Midolle, Jean 461 Millais, John Everett 69, 201 Missy, César de 499 Montfaucon, Bernard de 88, 99, 442, 448 Moore, Alfred 56, 337 Morris, Jane 48, 52–53, 65, 67, 79, 111, 142, 145, 158–160, 183, 248, 250, 276, 295, 311, 313, 354, 407, 472–473, 630, 635, 641 Morris, Jenny 472, 489, 535–536, 548, 551 Morris, Marshall, Faulkner & Co./Morris & Co. 12–13, 16, 54, 63, 76, 82, 191, 206, 244, 299, 326, 392 – Beddington, South London 152, 246 – Cambridge, Queens’ College, Kachelzyklus 82–88, 93, 118 – Glasfenster 13, 16, 139, 153, 156, 212, 243–244, 347 – All Saints, Cambridge 82, 352 – All Saints, Coddington, Notts. 191 – All Saints, Dedworth, Berksh. 191 – All Saints, Middleton Cheney, Northants. 83, 216, 245, 358, 369
All Saints, Selsley, Gloucs. 88, 248 Bradford Cathedral, Yorkshire 138, 245, 273 Christ Church Cathedral, Oxford 99, 244–245 Holy Cross & St Lawrence, Waltham Abbey, Essex 90 – Holy Trinity Church, Sloane Street, London 531 – Jesus College Chapel, Cambridge (mit Deckenmalerei) 157, 243, 246, 248, 273, 347, 356–357, 360 – Llandaff Cathedral, Glamorgans 88, 156, 245, 273, – St. Chad’s, Bishop’s Tachbrook88 – St. Helen’s, Darley Dale, Derbyshire 138, 188, 245–246 – St. John the Baptist, Tuebrook, Liverpool 156, 244, 274 – St. John the Evangelist, Knotty Ash 376 – St. John the Evangelist, Torquay, Devon. 138, 246 – St. Martin’s, Margate, Cheshire 88 – St. Martin’s, Marple, Cheshire 212 – St. Martin’s-on-the-Hill, Scarborough, Yorkshire 90, 191, 244, 246, 372 – St. Mary’s, Speldhurst 212 – St. Mary’s, Tadcaster, Yorkshire 246 – St. Michael and all Angels, Lyndhurst, Hants. 138, 246 – St. Michel and St. Magdalene, Easthampstead, Berkshire 375 – St. Michael’s, Tilehurst, Berksh. 156, 245 – St. Michael and All Angels, Lyndhurst, Hants. 138, 246 – St. Michael and All Angels, Brighton 248 – St. Nicholas, Whiston 212 – St. Oswald’s, Durham 138, 246, 273–274 – St. Peter’s, Kirkbampton, Cumberland 156, 244–246 – St. Peter and Paul, Cattistock, Dorset 156 – St. Stephen’s Parish Church, Guernsey 90, 191 – Trinity Church, Saugerties-on-Hudson, New York 248 – Green Dining Room, South Kensington Museum (Victoria & Albert Museum), London 126, 138, 172–173 – Kacheln 156 – Bough 63, 126, 136–137, 147, 211, 222, 272, 284, 302, 315 – – – –
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Personen-, Orts- und Sachregister
– Findon Buttercup 128 – Findon Daisy 128 – Longden 126, 129 – Peterhouse College, Cambridge, Combination Room 158, 172 – Scroll 136, 147, 211, 272, 315, 285 – Small Bough 63 – Sunflower 128 – Swan 63 – King René’s Honeymoon Cabinet, Victoria & Albert Museum London 54, 73 – Tapisserien – Acanthus and Vine 300 – Forest Tapestry 276, 300 – Pomona 173, 300 – Woodpecker Tapestry 212, 300 Morris, May 14, 17, 21, 47, 113, 156, 173, 182, 191, 220, 229–230, 242, 251–252, 290, 293, 303, 311, 322, 331, 343,349, 379, 384, 473, 527, 541, 627, 631–633, 635–638 Morris, William – Gemälde – La Belle Iseult 48, 66, 80, 105, 116–117 – How Sir Palomides loved La Belle Iseult with exceeding great love out of measure and how she loved not him again but rather Sir Tristram 65 – Handschriften – A Book of Verse, Victoria & Albert Museum, London, National Art Library, MSL 131–1953 13,31,35, 120, 129, 133–138, 142–206, 209, 212–215, 231–232, 234, 242–243, 252–257, 260–261, 263, 266, 269, 274, 284, 298, 324, – Aeneid, Pierpont Morgan Library, New York, MA 4011 339–340 – Guendolen, ehem. Samml. Alan G. Thomas 106–110, 112, 114, 116, 626 – Hafbur and Signy, Pierpont Morgan Library New York, MA 1804, fol. 24r-v 221–222, 636 – Handschriftenfragmente, Cheltenham Art Gallery and Museum, Inv. Nr. 1991.1016.996. Z2/EWL Z2 234–240, 269–270, 281, 632, 641 – Handschriftenfragmente, Cheltenham Art Gallery and Museum, Inv. Nr. 1991.1016.996. Y7/EWL Y7 294, 302, 339–340, 345, 368, 638 – Handschriftenfragmente, British Library London, MS Add. 45298A 132
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– Haroon al Rasheed, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 265 315, 318–321, 636–637 – The Lovers of Gudrun, William Morris Gallery Walthamstow, Inv. Nr. J578 251, 328 – King Hafbur and King Siward, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. e. 233/2 221, 304–306, 317, 636 – The Odes of Horace/Q Horatii Flacci Carminum, Bodleian Library Oxford, MS Lat. Class. e. 38 13, 18, 45, 100, 139, 150, 271, 279, 285, 289–303, 308, 314–315, 317–318, 328, 341–343, 369, 391, 638–639 – Paracelsus, Huntington Library, HM 6478 109–112, 116, 625 – The Rubáiyát of Omar Khayyám, British Library London, MS Add. 37832 13, 137–138, 150, 153, 214, 223, 233, 238–249, 251–255, 267–268, 272, 274, 276, 306, 314–315,321, 324, 391, 633–634 – The Rubáiyát of Omar Khayyám, British Library London, MS Ashley 5755 250, 633 – The Rubáiyát of Omar Khayyám, British Library London, MS C. 43c. 26 309, 636 – The Rubáiyát of Omar Khayyám, Bodleian Library Oxford, MS Don. f. 3 306–307, 310, 314, 317, 636 – The Rubáiyát of Omar Khayyám, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. e. 233/1, fol. 17r–24v 307–309 – The Rubáiyát of Omar Khayám (GrahamRubáiáyt), Privatbesitz 96, 120, 240, 243, 252–261, 263, 268 – The Rubáiyát of Omar Khayyám, William Morris Gallery Walthamstow, Inv. Nr. J578 249–251, 308–309, 633–634 – Scenes from the Fall of Troy, British Library London, MS Add. 45321 107, 203 – The Story of Bellerophon in Lycia, British Library London, MS Add. 45301 125, 131–134 – The Story of the Banded Men, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 267 230–235, 238, 252, 271–272, 277, 281, 631–632 – The Story of the Dwellers at Eyr (Dwellers I), Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. c. 265 121, 123–137, 142, 146–147, 150, 208–209, 211, 213, 219, 319, 626–627 – The Story of the Dwellers at Eyr (Dwellers II), Birmingham Museum and Art Gallery,
Personen-, Orts- und Sachregister
Inv. Nr. 92’20 123, 126, 129, 133–134, 142, 153, 206–217, 219–220, 230–232, 234, 236, 238–241, 243–244,254, 269, 272,276, 285, 299, 629–630, – The Story of Egil, Son of Scaldgrim, Society of Antiquaries London, MS 907 311–319, 637 – The Story of Frithiof the Bold, J. Paul Getty, Wormsley Library, Buckinghamshire 137, 224–230, 267, 630–631 – The Story of Frithiof the Bold, Pierpont Morgan Library, New York, MA 1804, fol. 23r–26v 137, 222–230, 238, 630–631 – The Story of Gunnlaug the Worm-Tongue and Raven the Skald, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. e. 233/1, fol. 1r–16v 261, 632 – The Story of Halfdan the Black, Pierpont Morgan Library, New York, MA 3471, fol. 1r–7v 238, 270–271, 278, 311, 635 – The Story of Harald Fairhair, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 265, fol. 9r–24v 270, 635 – The Story of Harald Fairhair, Pierpont Morgan Library, New York, MA 3471, fol. 8r–24v 276–277, 635 – The Story of Hen Thorir, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 266 211, 214, 230–235, 252, 254, 268, 270–272, 277, 282, 631 – The Story of the Iron Man, J. Paul Getty, Wormsley Library, Buckinghamshire 111–117, 366, 626 – The Story of Rhodope, British Library London, MS Add. 45304 131–133, 209, 277 – The Story of Kormak, the Son of Ogmund, Pierpont Morgan Library, MA 1804 217–220, 223, 225, 228, 230, 235, 239, 629 – The Story of Lancelot du Lac, Society of Antiquaries London, MS 905/1–3 235, 312, 315 – The Story of Lancelot du Lac, Society of Antiquaries London, MS 905/4 235, 312, 316 – The Story of Ogier the Dane, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 265, fol. 1r-v 267–269, 236, 239, 261, 632 – The Story of the Volsungs and Niblungs, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. d. 268 125, 133–143, 146–147, 150, 225, 310, 319, 366, 391, 627 – The Story of the Volsungs and Niblungs,
William Morris Gallery Walthamstow, Inv. Nr. J578a 310–311, 637 – The Story of the Volsungs and Niblungs, Bodleian Library Oxford, MS Eng. misc. g. 59 310–311 – The Story of the Ynglings, Society of Antiquaries London, MS 906 139–140, 211, 214, 216. 223, 236, 238, 269–277, 386, 391, 635 – The Story of the Ynglings, Pierpont Morgan Library, New York, MA 1804, fol. 23r-v 220, 366, 386–388, 390 – Think but one thought of me up in the stars, Huntington Library, HM 6480 112, 116, 626 – The Three Icelandic Sagas, Fitzwilliam Museum Cambridge, MS 270* 100, 229–230, 271, 278, 281–288, 291, 296–299, 303–304, 306–308, 313, 316–317, 341, 343, 637–638 – P. Vergilii Maronis Aeneidos, Privatbesitz 13, 18, 120, 140, 262, 279, 321–385, 389–390, 639–641, 649–651 – Möbel – St. George’s Cabinet, Victoria & Albert Museum London 54 – Red House Settle 48 – Notiz- und Skizzenbücher – Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin, MS 2934 45, 132, 142–143, 248, 287–288, 297, 300–301, 645–649 – British Library London, MS Add. 45305 85–87, 150, 175, 277, 455, 642–644 – British Library London, MS Add. 45336 49, 52, 54, 73, 88–92, 133, 158, 255, 266, 644–645 – Pressendrucke und Entwürfe für Buchschmuck A Dream of John Ball 41 – The Earthly Paradise 21–22, 38, 51, 98, 118, 141, 160–161, 265, 269, 224, 354, 360, 385, 388 – Golden Wings 91–92 – Gothic Architecture 407 – Love is Enough 118, 149, 153, 212, 215, 231–232, 243, 271–272, 344, 352 – Kelmscott Chaucer 21–22, 41–42, 49, 226, 331, 328, 369, 441, 651 – Kelmscott Press 18, 20, 41–42, 118, 155–156, 204, 328, 388, 406–407, 476–477 – The Roots of the Mountains 406–407 – The Story of Cupid and Psyche 290, 385 – The Story of the Glittering Plain 19, 42 – Syr Percevelle of Galles 406–407
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Personen-, Orts- und Sachregister
– The Well at the World’s End 41–42 – The Wood beyond the World 41 – Schriften, literarisch – The Earthly Paradise 86, 118, 132–134, 184, 202–203, 251, 268, 276, 319, 326 – The Doom of King Acrisius 186, 202, 344 – A Good Knight in Prison 93 – The Hill of Venus 51, 195 – The Man who never Laughed again 319 – The Story of Cupid and Psyche 290, 385 – Life and Death of Jason 187 – News from Nowhere 19, 41, 92–93 – Ogier The Dane 181–184, 292, 268–269 – Poems by the Way 143, 162, 164, 169, 178, 185, 187, 190, 192, 204, 221, 304 – Rapunzel, The Defence of Queen Guinevere and other Poems 49, 106, 109, 203 – Scenes from the Fall of Troy 326, 203, 107 – Sir Galahad: A Christmas Mystery 49 – The Story of the Glittering Plain or The Land of Living Men – Three Northern Love Stories 202, 222, 229, 262, 319 – Story of the Unknown Church 90–91 – Schriften, Buchgeschichte und Kunsthandwerk/ Design – An Address delivered at the distribution of prizes to students of the Birmingham Municipal School of Art 437 – Address on the collection of Paintings of the Pre-Raphaelite School in the City of Birmingham Museum and Art Gallery 15, 141,436 – Antiscrape, Address at the twelfth annual meeting, 3.7.1880 131 – Art and the Beauty of the Earth 129–130, 433 – Art and Labour 393 – Art under Plutocracy393 – The Beauty of Life 23 – The Early Illustration of Printed Books 22, 430 – The Exhibition of the Royal Academy, by a Rare Visitor 392 – Gothic Architecture 393, 407, 463 – The Gothic Revival I 432 – The Gothic Revival II 194 – The History of Pattern Designing 592 – The Ideal Book 19–20, 141, 148, 160, 244, 393, 430 – The Lesser Arts 23, 130, 131, 393
702
– Making the Best of It 130, 154, 330 – On the Artistic Qualities of the Woodcut Books of Ulm and Augsburg in the Fifteenth Century 22 – Printing 429 – The Revival of Architecture 394 – Some Notes on the Illuminated Manuscripts of the Middle Ages 85, 297–280, 298, 429–430, 432–435 – Some Thoughts on the Ornamented Manuscripts of the Middle Ages 18, 410, 428–432 – Some Hints on Pattern-Designing 80–81, 119, 127, 130–131, 152–154, 216–217 – The Woodcuts of Gothic Books 21, 348, 429–430 – Stoffentwürfe – Acanthus 299 – Anemone 299 – Tulip and Willow 153 – Stickereien – Daisy, Red House 78–79 – Zyklus für den Speisesaal des Red House 52–53, 73, 118, 157–158, 160, 163, 172–173, 179, 196, 212, 232 – Tapeten – Acanthus 299, 342 – Batchelor’s Button 300 – Daisy 80, 118, 132, 137, 151, 154, 211 – Diaper 128–129, 136, 147, 211 – Fruit 126, 147, 150, 243 – Jasmine 82, 149, 153, 243 – Jasmine Trellis 149, 150 – Larkspur 152 – Lily 149 – Marigold 153, 238 – Powdered 149, 152 – Rose 243 – Scroll 136, 153 – Trellis 150, 243 – Vine 153, 243 – Willow 149, 153 Moxon, Edward 15, 38, 40, 204 Murray, Charles Fairfax 13–18, 70, 124, 139–140, 143–144, 162, 241, 247, 263–269, 274–276, 279, 289–290, 310, 385, 389, 391, 439, 474, 478, 492, 530, 538, 571, 633, 635, 638 – A Book of Verse, Victoria & Albert Museum
Personen-, Orts- und Sachregister
London, National Art Library, MSL 131–1953 157–204, 266, 627–628 – The Story of Frithiof the Bold , J. Paul Getty, Wormsley Library, Buckinghamshire 224–230, 630 – Kalenderbücher, Collection Frits Lugt, Institut Néerlandais, Paris 16, 174, 176, 185, 190, 267, 290–291, 322, 325–327, 439, 474, 452, 628 – The Last Parting of Helga and Gunnlaug 264–265 – Skizzenbuch, Pierpont Morgan Library New York, Inv. Nr. 1963.8 163, 167–168, 183–186, 189–190, 194, 197–198, 202, 226–227, 264–266, 629 – P. Vergilii Maronis Aeneidos, Privatbesitz 322, 324–329, 339–341, 345, 348–360, 364–371, 379, 382, 385, 639, 649–651 Nash, John 12, 230, 234, 304 Neureuther, Eugen Napoleon 32 New Haven, Connecticut, Beinecke Rare Book & Manuscript Library, Yale University – MS 93 594, 614 – MS Marston 64 592, 613 New Haven, Connecticut, Lillian Goldman Law Library, Yale University – Rare Flat 11-0030 590, 613 New York, Columbia University Library – Western MS 38 535–536, 609 New York, Metropolitan Museum of Art – Inv. Nr. 1972.118.10 531 New York, New York Public Library – MS Spencer 22 72, 448 – MS Spencer 26 554 New York, Pierpont Morgan Library – MS M. 43 510–513, 516, 609 – MS M. 45 603–604, 615 – MS M. 60 554–555, 610 – MS M. 75 546–547, 610 – MS M. 76 159–160, 611 – MS M. 79 532, 609 – MS M. 81 570–573, 611 – MS M. 90 555–557, 610 – MS M. 92 547–549, 610 – MS M. 97 525–526, 609 – MS M. 98 477, 523–25, 609 – MS M. 99 557–558, 610 – MS M. 100 477, 515, 522–523, 609 – MS M. 101 477, 517–519, 609 – MS M. 102 477, 526–531, 609
– MS M. 103 514–516, 609 – MS M. 106 519–520, 609 – MS M. 107 540–543, 610 – MS M. 109–111 493–494, 607 – MS M. 132 588–589, 613 – MS M. 138 494–495, 608 – MS M. 139 597–598, 614 – MS M. 153 516, 609 – MS M. 154 566, 611 – MS M. 155 532–533, 609 – MS M. 158 577–578 – MS M. 162 574, 612 – MS M. 165 584–585, 613 – MS M. 183 520–521, 609 – MS M. 186 573–574, 611 – MS M. 200 545–546, 610 – MS M. 449 599, 614 – MSS M. 533–534 586–587, 613 – MS M. 729 448 – MS M. 766 66 – MS M. 968 504–505, 608 – MS M. 976 581–582, 612 Nicoletto da Modena 360, 364 Norton, Charles Eliot 134, 322, 439, 442, 594 Notre Dame, Indiana, The Library of the University of Notre Dame – MS 08 582–583, 612 Oderigo da Bologna 421 Offor, Edward 408, 442 Orcagna, Andrea (Andrea di Cione) 50, 193, 336 Ottley, William Young 74, 442–446, 455, 459, 469–471, 654 Oxford and Cambridge Magazin 71, 106, 112, 118 Oxford, Bodleian Library – MS Ashmole 1511 572–573 – MS Auct. D. 2. 4 95 – MS Auct. D. 4. 17 46 – MS Auct. F. 4. 32 45 – MS Bodley 264 26, 44–46, 55, 57, 212, 300 – MS Buchanan c. 1 286, 593–594, 613 – MS Buchanan d. 4 474, 583, 612 – MS Buchanan e. 15 598, 614 – MS Canon. Class. Lat. 52 332 – MS Digby 227 298 – MS Digby 232 300 – MS Douce 5–6 104, 108, 248 – MS Douce 62 76, 102, 248, 295
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Personen-, Orts- und Sachregister
– MS Douce 180 44–46 – MS Douce 195 96, 101, 464 – MS Douce 213 51 – MSS Douce 219–220 72, 100 – MS Douce 364 96 – MS Douce 366 46, 107, 464, 439, 528 – MS Lat. th. b. 4 568, 611 – MS Spanish c. 15 607, 615 Oxford, Christ Church College Library – MS 92 543 – MS 178 543 Oxford, Keble College – MS 77 562, 611 Oxford, Oxford Union Debating Hall 65–66, 116, 180, 300 Pächt, Otto 26, 29, 31–32, 280, 491 Panofsky, Erwin 28, 32 Paris, Bibliothèque Nationale de France – MS fr. 60 333 – MS fr. 6325 73 – MS fr. 6808 73 – MS fr. 15397 555 – MS lat. 919 298 – MS lat. 3947 500 – MS lat. 9474 396, 399–400, 421 – MS Lat. 18014 298, 399, 434 Parson, John 156, 248 Pater, Walter 200–201 Patmore, Coventry 60, 66 Perkins, Frederick 578,656 Peterson, William 44–45 Petrarca, Francesco 178–179 Philadelphia, Free Library of Philadelphia – MS Lewis E 36 473, 491–492, 607 Phillipp, Ambrose Lisle 410 Phillipps, Sir Thomas 469–470, 486, 509, 552, 576, 582, 606 Pierpont Morgan, John 479,493, 513, 516–517, 519–520, 522, 524–525, 527, 532–533, 541, 546, 547, 554, 556, 557, 559, 566, 570, 574, 578, 584, 586, 588, 597, 599, 603 Pisan, Christine de 52–53, 420 Planché, James Robinson 68, 449 Poitiers, La Médiathèque François Mitterand et son réseau – MS 1006 560–561, 611 Pollaiuolo, Antonio 335, 361
704
Pollen, Hungerford 65 Powell, Alfred 224–225, 328 Powell, Louise siehe unter: Lessore, Louise Poynter, Edward 56, 58, 337 Präraffaeliten 12, 15, 38–41, 43, 50, 60–70, 141, 155, 162–163, 175, 255, 393, 405, 468 Prinsep, Val 54, 65, 98 Pritchard, Arthur Harrison 417 Proctor, Adelaide Anne 425–416 Proctor, Robert 477 Pugin, Arthur Welby Northmore 20, 62, 94, 463–465, 468 Punch 66, 70, 409–410 Quaile, Edward 467 Quaritch, Bernard 437, 471, 479–481, 485–486, 491, 497, 499, 502–503, 510–511, 514–515, 522, 527, 534, 539, 546, 550, 555, 569, 574–576, 588, 591, 599, 604, 652, 654 Racinet, Auguste 658 Raffael (Raffaello Sanzio) 54,336, 351, 359, 361, 398, 425, Raimondi, Marcantonio 350, 351, 355, 359, 362, 370 Red House, Bexleyheath 48, 50, 52, 74, 78–80, 89, 92, 132, 138, 157, 173, 212, 232, 323 Reuter, Edmond G. 406–407 Richel, Bernhard 578 Ripa, Cesare 170–171 Robinson, John Charles 445, 459–460 Rogers, Samuel 480 Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana – Cod. vat. Lat. 3225 330–331 – Cod. vat. Lat. 3867 330–331 Rom, Biblioteca Nazionale – MS BR. 39 77 Romano, Giulio 351, 362 Roscoe, William 445, 469–470, 505 Rosenthal, Antiquariat 486, 543, 548, 577 Rosenthal, Jacques 447, 567–568, 571–572 Rosenthal, Ludwig 480, 564, 577 Rossetti, Dante Gabriel 13, 15, 38, 40–41,47–48, 54, 60–66, 69–70, 100, 105, 110, 139, 141, 145, 175, 178, 192, 201, 336–337 – Arthur’s Tomb 63–64, 66 – The Blue Closet 50, 61, 63 – Fra Pace 61–64 – Going to Battle 49
Personen-, Orts- und Sachregister
– How Sir Galahad, Sir Bors and Sir Percival were fed with the Sanc Grail 65 – Paolo and Francesca da Rimini 15, 63–64, 166 – St. Catherine 62, 64 – Sir Launcelot in the Queen’s Chamber 49, 66 – Stuhl mit „Guendolen in the witch-tower and Prince below kissing her long golden hair“ 49–50, 108 – Stuhl mit „The arming of a knight, from the Christmas Mystery of „Sir Galahad“ 49–50 – The Wedding of St. George and the Princess Sabra 62 Rossetti, William Michael 193, 200 Rounton Grange 97, 260 Roxburghe Club 46, 444, 656 Ruskin, John 14–15, 20, 43, 53, 60, 69, 72, 79–80, 105, 200–201, 336–337, 382, 394, 415, 418, 438–442, 445–446, 455,461, 466, 487 Russell, John Fuller 446, 459 Sandars, Samuel 485, 515, 549 Sandy, Frederick 66–67, 69 San Marino, Huntington Library, Art Collections and Botanical Gardens (The Huntington – MS HM 132 606–607, 615 – MS HM 1031 596–598, 614 – MS HM 1036 322, 601–602, 614 Santi Bartoli, Pietro 330 Saunders, John 67 Scarisbrick Hall 398, 445–446 Scharf, Georg, Jr. 398, 445–446 Scheere, Herman 292, 298 Seddon, John Pollard 54 Seillière, Baron François Florentin Achille 591 Séroux d’Agincourt, Jean Baptiste Louis Georges 330, 438, 443, 658 Shadford Walker, Thomas 535 Shaw, Henry 17, 49, 52–55, 61–62, 67–68, 73–75, 77, 79, 94, 99, 111, 138, 172, 210, 255–256, 330, 396–399, 402–404, 419, 425–426, 429, 438, 442, 446, 448, 449–455, 457, 460, 462–463, 468, 471, 653–654 S’Heerenberg, Huis Bergh – Inv. Nr. 217 (MS 43) 567–568, 611 Siddal, Elizabeth 53 Siena, Dom 336, 348, 351, 356–357, 362, 365 Signorelli 335–336, 361 Silvestre, Joseph-Balthazar 438, 442, 450, 654
Sneyd, Walter 459 Soane, Sir John 69, 455, 461 Solomon, Simeon 56, 337 Sommerard, Alexandre du 442 Spencer-Churchill, George, 5th Duke of Marlborough 502 Sprega, Ernesto 461–462 Stanesby, Samuel 397, 417 Stanhope, Spencer 65 Steele, Robert 537–538 Stephens, Frederick George 101, 155 Stokes, Margaret 405 Stothard, Charles A. 68 Stainton, E. L. 492, 565 Strange, Lady Louisa 411 Strangford, Percy Clinton Smythe, 6th Viscount 490 Street, George Edmund 13, 46, 94, 48, 79 Strixner, Johann Nepomuk 32 Strutt, Joseph 45, 58, 68, 94, 99, 442, 444, 449 Stuart, William 480, 485, 504–505 Sussex, Augustus Frederick, Duke of 485, 499, 504 Swan, Henry 415, 439 Swinburne, Algernon Charles 145, 193, 200, 254, 318, 475 Tagliente, Giovanni Antonio 123–124, 218, 233, 312, 319 Tassin, René Prosper 437, 451, 653 Taylor, William Benjamin Sarsfield 452 Tennyson, Alfred 15, 38, 40, 63, 106, 204, 401, 418, 475 Theophilus Presbyter 17, 59, 421, 438, 654 Thompson, Edward Maunde 447, 528 Thorpe, Thomas 509, 576, 589, 593 Thynne, Lord Charles 410, 460 Tite, William 445–446, 459 Tomkinson, Michael 557, 570, 595 Touche, Victor 426 Toustain, Charles François 437, 451, 657 Townley, Charles 445 Traquair, Phoebe Anna 405–406, 415 Tymms, William Robert 17, 210, 301, 320–321, 411–412, 419–421, 438, 653 Vallance, Aymer 11, 173, 226, 229, 242 Van Eyck, Jan 74, 255, 376 Vasari, Giorgio 50, 201, 421, 435, 456, 458, 468, 470 Visconti, Ennio Quirino 74, 337
705
Personen-, Orts- und Sachregister
Waagen, Gustav Friedrich 86, 93–94, 201, 436, 455–457, 466, 470 Walker, Emery 44–46, 217, 316, 479, 493–494, 497, 525, 548, 551, 553, 571–572, 582, 586–587, 590, 593, 632, 641 Ward, Harry L. D. 47, 60, 652 Ward, James 654 Ward, Marcus 403–405, 423 Wardle, George 137, 143, 150, 157, 183, 219, 627–628 Waring, Eleanor 411–412 Warington Taylor, George 121 Warner, George Frederick 653 Warren, Albert H. 398, 415, 417, 424 Washington, DC, Museum of the Bible 509, 609 Watts, George Frederic 337, 382 Weale, Charles 462, 604 Weale, W. H. James 657 Webb, Philip 48, 54–55, 90, 126, 142, 276, 300, 550, 571–572, 635 Weitzmann, Kurt 27, 29 Weltausstellung, London, 1851 43, 80, 416–417, 420, 458, 463 Weltausstellung, London, 1862 417 Wellcome, Sir Henry 507, 513, 535, 558, 580–581, 583, 590, 600, 603 Westlake, Nathaniel Hubert John 57, 88 Westwood, John Obadiah 417, 442, 453, 457–458 Whitla, William 95, 108, 111, 114, 122–123, 135, 146, 207–208, 218, 222, 230–231, 233, 241, 253, 262, 270–271, 280, 291, 304, 308, 311, 338, 386 Whittingham, Charlotte und Eleanor 118
706
Wickhoff, Franz 27, 29 Wien, Österreichische Nationalbibliothek – Cod. 1857 100, 297 – Cod. 2568 50 – Cod. 2597 54 – Cod. theol. graec. 31 27–28, 329 Willemin, Nicolas-Xavier 99, 464 Williamstown, Mass., The Chapin Library, Williams College – MS XIII 569–570, 611 Willimont, Thomas 480 Wills, Howell 480, 485, 534 Winchester, Winchester Cathedral – MS 20 476–577, 612 Wing, Caleb William 460, 473 Winsor & Newton 418 Wood, F. G. 426 Woodward, Benjamin 65 Woolner, Thomas 69 Worchester, Worchester Cathedral – MS Q. 107 Wormsley Library, Buckinghamshire 498–499, 608 Wright, Thomas 54 Wyatt, Matthew Digby 17, 59, 111, 210, 301, 320, 330, 411, 412, 419–422, 429, 438, 468, 653 Yates Thompson, Henry 65, 446, 479, 486, 497, 539–540, 576, 579, 589 Yonge, Charlotte 411 Zapf, Hermann 12, 242, 303
EIN STIEFKIND DER FORSCHUNG IN DEN MITTELPUNKT GERÜCKT: ILLUMINIERTE URKUNDEN
Gabriele Bartz | Markus Gneiß (Hg.) Illuminierte Urkunden. Beiträge aus Diplomatik, Kunstgeschichte und Digital Humanities / Illuminated Charters. Essays from Diplomatic, Art History and Digital Humanities Beihefte zum Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Band 16 2019. 544 Seiten, 116 s/w- und 75 farb. Abb., gebunden € 70,00 D | € 72,00 A ISBN 978-3-412-51108-1 Auch als eBook erhältlich
Illuminierte Urkunden sind lange Zeit als Stiefkinder der Forschung behandelt worden. Nicht zuletzt durch den Einsatz digitaler Hilfsmittel sind sie im vergangenen Jahrzehnt zunehmend in das Licht der Öffentlichkeit getreten. Das neu geweckte Forschungsinteresse konzentriert sich auf die veränderte Performativität von Urkunden durch den Zusatz von Schmuckelementen. Der reich bebilderte Band präsentiert Aufsätze von Forscherinnen und Forschern aus elf Ländern, die illuminierte Urkunden aus den unterschiedlichen Blickwinkeln ihrer Disziplinen untersuchen.
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Christine Beier | Evelyn Theresia Kubina (Hg.) Wege zum illuminierten Buch Herstellungsbedingungen für Buchmalerei in Mittelalter und früher Neuzeit 2014. 297 Seiten, 194 farb. Abb., gebunden € 65,00 D | € 67,00 A ISBN 978-3-205-79491-2 Der Band ist in einer Open Access Version verfügbar
Bilder in mittelalterlichen Büchern sind Teil eines komplexen Mediums, das nur auf den ersten Blick vertraut erscheint. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich Fragen, die uns die Distanz zu diesen vor mehreren Jahrhunderten entstandenen Werken wahrnehmen lassen. Faktoren wie individuelle Interessen von Auftraggebern, ökonomische Überlegungen oder die Organisation der Zusammenarbeit von Schreibern, Illuminatoren und Buchbindern haben das Aussehen der Bücher in einer Weise bestimmt, die heute nicht mehr ohne weiteres nachvollziehbar ist. In den Beiträgen des vorliegenden Bandes nähern sich die Autoren diesem Thema von kunsthistorischer Seite, wobei es sowohl darum geht, Methoden zur Untersuchung der Herstellungsbedingungen von Handschriften und frühen Drucken vorzustellen, als auch nach Erkenntnissen zu fragen, die sich daraus für das Verständnis der Illustrationen gewinnen lassen.