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German Pages [281] Year 2017
Christian M. Springer ∙ Alfred Paleczny ∙ Wolfgang Ladenbauer
Wiener Bier-Geschichte
Böhlau Verlag Wien Köln Weimar ∙ 2017
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Postkarte »Ein Sonntag am Bockkeller in Nussdorf«, nach einem Originalgemälde von Johann Michael Kupfer, Wien 1903; © rcfotostock – Fotolia © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Ernst Grabovszki, Wien Einbandgestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20437-4
Inhalt 9 Vorwort DI Dr. Markus Liebl 11
Vorwort DI Dr. Andreas Urban
13 Einleitung
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27 27 29 31 36 36 36 40 44 44 49 55 61 62 66 70 72 75
Kapitel 1 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte
Kapitel 2 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten Es begann mit Herzog Albrecht II. – die bürgerlichen Bierbrauer Das erste Wiener Brauhaus stand in der Weidenstraße Die Brauerei im Neuen Bürgerspital am Schweinemarkt Die Zweigbrauereien des Bürgerspitals Heiligengeistmühle, auch Spitalmühle vor dem Kärntnertor Armenfondsbräuhaus im Unteren Werd Das Bürgerspital-Brauhaus in St. Marx Der Beginn der Familie Mautner (Markhof ) – das Brauhaus St. Marx Adolf Ignaz Mautner Carl Ferdinand und Viktor Mautner von Markhof Der Playboy auf der Landstraße – die Brauerei Neuling Vier Besitzer in zehn Jahren – das Brauhaus auf der Wieden Der Sprengsatz des Bürgerspital-Biermonopols – das Brauhaus der Herrschaft Margareten Der Nachbar der Jagdhunde – das Brauhaus Am Hundsturm Ein Klosterbräu im alten Wien – Sankt Theobald auf der Laimgrube Zar Peter der Große war Gast bei Königsegg – das Gumpendorfer Brauhaus Im Zentrum eines barocken Idealdorfes – das Lichtentaler Brauhaus
Inhalt 5
Kapitel 3 84 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien 84 Der kleine Konkurrent von Dreher und Mautner – das Simmeringer Brauhaus 89 Hier weinte Napoleon – das Kaiserebersdorfer Brauhaus 94 Schön und preiswert – das Gaudenzdorfer Brauhaus 100 Ausflugsziel der Biedermeierzeit – die Hütteldorfer Brauerei 109 Eine kleine Wirthausbrauerei – das Penzinger Brauhaus 110 Eine noch kleinere Gasthausbrauerei – das Rustendorfer Brauhaus 112 Strauß und das Lied der Arbeit – Premieren im Fünfhauser Brauhaus 115 Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 130 Die zweite Brauerei der Familie Kuffner – das Hernalser Brauhaus 135 An Umweltproblemen gescheitert – das Währinger Brauhaus 142 Dreher, Gierster und Kuffner waren hier tätig – das Oberdöblinger Brauhaus 146 Die Brauerei im Heurigenort – das Grinzinger Brauhaus 150 Der preußische Leutnant als Hofbräuer – das Nußdorfer Brauhaus 163 Die größte Brauerei der Biedermeierzeit – das Jedleseer Brauhaus 170 Es begann mit einem familiären Vertragsbruch – die Brauerei Zum Sankt Georg 175 Ein Hobby des Milchbauern – die Brauerei Aspern 177 Zwei kleine Brauereien am linken Donauufer – Bisamberg und GroßEnzersdorf 178 Die Brauereien im Stift und der Stadt Klosterneuburg 180 181 183 186 186 187 187 210 218 218
6 Inhalt
Kapitel 4 Die Brauhäuser in der Region Schwechat Gegründet von einer Winzerfamilie – das Figdor-Brauhaus Herrschaftlich – das Mayerische Dominikal- oder Popper-Brauhaus Das Kleinste in Schwechat – die Brauerei im nachmaligen Ochsenwirtshaus Brauerei oder nur Bierausschank – Kettenhof Die berühmteste von allen – die (Klein-)Schwechater Brauerei Klein-Schwechat unter der Familie Dreher Klein-Schwechat unter der Familie Mautner Markhof Unter russischer Aufsicht – die USIA-Brauerei Bierbrauen als städtische Bürde – das Wiener Stadtbräu in Rannersdorf
227 Die Wurzeln vieler bekannter Brauerfamilien – das Umland von Schwechat 228 Hier begann Franz Dengler – die Herrschaftliche Landgutbrauerei Freyenthurn in Mannswörth 230 Hier begann Franz Anton Dreher – die Schlossbrauerei Oberlanzendorf 231 Hier begann Georg Heinrich Mautner Markhof – die Schlossbrauerei Leopoldsdorf 232 Auch hier wirkten die Kuffner – die Brauerei Himberg 233 Brauereipioniere – das Brauhaus Zwölfaxing 235 Bier und Branntwein in der Schlossbrauerei Schwadorf 236 Die Brauereien von Fischamend 237 Schon im Dreißigjährigen Krieg zerstört – die Schlossbrauerei Ebergassing 238 Wenige Informationen – die Herrschaftsbrauerei Gramatneusiedl Kapitel 5 239 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien 239 Ein »missachtetes« Testament – Liesinger Brauhaus 250 Das einst bedeutendste im Süden von Wien – das Perchtoldsdorfer Brauhaus 252 Ein Opfer der Nationalsozialisten – die Austria-Brauerei in Wiener Neudorf 256 Erste Brauhaus-Aktiengesellschaft in Wien – die Brauerei Schellenhof 260 Hier wurde nur 25 Jahre gebraut – die Brauerei Neuerlaa 261 Eine weitere Aktiengesellschaft – das Brunner Brauhaus 266 Der Spezialist für Malzbier – das Mödlinger Brauhaus 267 Ein Lieferant für die Stadt Mödling – die Schlossbrauerei Achau 268 Im ewigen Streit mit den Weinbauern – die Schlossbrauerei Biedermannsdorf 270 Durch Feuer und Türken vernichtet – die Herrschaftsbrauerei Gaaden 270 Ein sehr altes und ein neues Brauhaus in Gablitz 275 Verzeichnis der verwendeten Literatur 279 Bildnachweis
Inhalt 7
Liebe Leser, in Österreich ist Bierkultur auf dem Vormarsch : Das Interesse und somit auch das Wissen der Österreicher und Österreicherinnen rund um den Gerstensaft steigt. Also kann man sagen : Bier ist in aller Munde. Einer meiner gern zitierten Biersprüche lautet : »Bier gibt es schon viel länger, als man glaubt, das hat es ja schon im Paradies gegeben – denn ein Paradies ohne Bier wäre nicht vorstellbar.« Aber auch, wenn sich die seriösen Quellen nicht ganz so weit zurückverfolgen lassen, wissen wir, dass die Geschichte des Brauens mehr als 6.000 Jahre zurückreicht. In der Geschichte war Bier vielfältig : zufällig entstandenes Getränk oder Gottesgabe, Fastentrunk im Kloster oder Massengetränk, regionale Spezialität oder weltweites Produkt. Seine Erzeugung war im Laufe der Geschichte ein gut gehütetes Geheimnis oder Teil der Hausarbeit, Privatsache im Bürgertum oder angesehener Handelszweig und eigene Industrie. In diesem letzten Entwicklungsschritt, jenem zur modernen Brauindustrie, war Österreich und der Wiener Raum sehr stark beteiligt : Anton Dreher, Braumeister von Klein-Schwechat in der Mitte des 19. Jahrhunderts, hat den Puls der Zeit erkannt und seine Brauerei auf Untergärung umgestellt – das war die Geburtsstunde des Lagerbiers oder »Wiener Typ«. Der findige Braumeister und in weiterer Folge sein Sohn wussten sich auch neueste technische Errungenschaften zu Nutze zu machen – von der Kältemaschine bis zur Dampfmaschine. So wurde die innovative Brauerei Schwechat schnell eine der größten der K&K-Monarchie. Heute noch ist die Brauerei Schwechat eine der größten in Österreich – ich selbst habe sieben Jahre in Schwechat gelebt und als Brauführer gearbeitet. In dieser Funktion habe ich natürlich viel Wissen um die dortige Geschichte erfahren – und freue mich, dass diese nun, gemeinsam mit anderen Brauereien des »Goldenen Bierjahrhundert«, für Interessierte zugänglich gemacht wird. Ich lade Sie ein, in dem vorliegenden Buch mehr über spannende Zeiten im Brauwesen zu erfahren und in die Wiener Geschichte des Bieres einzutauchen – dazu empfiehlt sich etwa ein Schluck gut gekühltes Schwechater Wiener Lager. Eine interessante Lektüre wünscht Ihr DI Dr. Markus Liebl Generaldirektor Brau Union Österreich Vorwort Markus Liebl 9
Liebe Freundinnen und Freunde der Wiener Brautradition
Generaldirektor Markus Liebl und Braumeister Andreas Urban bei der ersten Präsentation des Wiener Lagers im Jänner 2016
Das Jahr 2016 ist für Bierliebhaber von großer Relevanz. Man muss nicht über die Grenze zu den deutschen Nachbarn schauen, wo 500 Jahre Deutsches Reinheitsgebot als umfangreiches Werk zur Sicherung der Bierqualität gefeiert wird. Aus österreichischer Sicht ist die Herstellung des ersten hellen untergärigen Lagerbieres in der Brauerei Klein-Schwechat durch Anton Dreher den Älteren vor 175 Jahren viel bedeutender. Der Wiener Bierstil eroberte ab 1841 die Welt, die Art des Herstellverfahrens revolutionierte das Brauwesen. Dreher etablierte als erster auf dem Festland das in England praktizierte Mälzungsverfahren, um hellfarbiges Malz, den Wiener Malztyp, herzustellen. Er erkannte die chemischen Zusammenhänge der Zuckerbildung beim Maischen und kühlte durch Verwendung von Eisblöcken aus der Lobau bei der Untergärung. Auch bediente er sich des Thermometers für konstante Temperaturen beim Brauprozess und des Saccharometers für gleichmäßige Extrakte in der Würze. Dank seiner Kenntnisse über helles Malz und die lange kalte Lagerung bei der untergärigen Braumethode braute Anton Dreher das Wiener Lager in der heutigen Schwechater Brauerei bei Wien. Die Geschichte der ungefähr 60 Brauereien in Wien und dem Umland der Stadt zeigt ihre Bedeutung für die Vorstadt und beleuchtet die Auswirkungen auf die Wiener Braukultur. Mit Stolz darf man auf die Errungenschaften aller Wiener Brauereien und ihren Beitrag zur österreichischen Brautradition blicken. Genießen Sie – werte Leserinnen und Leser – die historische Aufarbeitung der Wiener Brauereilandschaft gemeinsam mit einem Glas aus Österreichs Biervielfalt, vielleicht auch mit einem kräftigen Schluck vom bernsteinfarbenen Wiener Lagerbier. Genussvolle Stunden und überschäumendes Lesevergnügen wünscht Ihnen DI Dr. Andreas Urban Braumeister zu Schwechat
Vorwort Andreas Urban 11
Die Autoren Christian M. Springer (ganz links), Alfred Paleczny (Mitte) und Wolfgang Ladenbauer (ganz rechts) mit Gabriela Straka und Andreas Urban von der Brau Union
Einleitung Es freut uns sehr, dass es nach vielen Jahren der Vorbereitung und des Zusammentragens doch gelungen ist, die Richtigen zusammenzuführen, um dieses Buch das Licht der Welt erblicken zu lassen. Nur, wer sind die Richtigen ? Das sind einmal wir drei Autoren, die von unterschiedlichen Ansätzen zu diesem Thema kamen und damit die Vielfalt und Differenziertheit von Forschung und Darstellung ermöglichten, durch Interesse und Forscherdrang auf wissenschaftlicher Basis : Erforschung von Wien und seiner Geschichte, Beschäftigung mit Architektur und Industriedesign, Sammler-Leidenschaft und Entdeckungslust. Natürlich verbunden und basierend auf der Liebe zum Bier ! Dieses Buch ist daher der Versuch einer Bestandsaufnahme aller historischen Brauereien, die jemals im Großraum Wien existiert haben. Geordnet nicht nach den Zeitpunkten der Tätigkeit, sondern nach der Lokalisation, wobei das eine zwangsläufig mit dem anderen zusammenEinleitung 13
hängt. Also zuerst die inneren Bezirke, dann die ehemaligen Vorstädte und nach Himmelrichtungen sortiert die Umgebung rund um das jetzige Gebiet von Wien. Nicht berücksichtigt haben wir die mittlerweile zahlreichen kleinen (Gasthaus-)Brauereien, die seit 1984 (die schon wieder geschlossene Brauerei in Nußdorf ) und 1985 (Fischerbräu in der Billrothstraße) gegründet worden waren. Zu groß ist die Fluktuation und zu unüberschaubar die einzelnen oft winzigen Braustätten ! Wir begannen unsere Arbeit unabhängig voneinander, einer angeregt durch seine Mutter, die Pionierin der Mittelalterarchäologie, der andere durch die Beschäftigung mit der Geschichte der Brauherrenfamilien und der dritte mit dem Interesse an der Erstellung einer Brauereitopografie der österreichischen Braustätten – (siehe auch www.brautopo.at). Letzterer schreibt : »Ich begann meine Arbeit im Jahre 1982 mit den Wiener Brauhäusern. Als Basis nahm ich die einschlägige Quellenliteratur und die Brauereiverzeichnisse. Schon alleine bei der Überprüfung mit vorhandenen Produktionsstatistiken mussten viele Angaben angezweifelt werden. Ich erkannte beim Studium hunderter Bücher, dass immer wieder einfach nur abgeschrieben und nichts hinterfragt wurde ; so begann eine mühevolle Arbeit in diversen Archiven.« Der Anlass für dieses Buch war also unser aller Interesse am Bier und an den Brauhäusern, die es erzeugten, speziell in unserer Heimatstadt Wien. Der Auslöser für das tatsächliche Zustandekommen war dann aber das Jubiläum der Erfindung von Anton Dreher in der Brauerei Schwechat, nämlich die Kombination eines speziellen untergärigen Biers mit neuen Brautechniken, allen voran die Lager- und Kühltechniken. Dieses besonders süffige und haltbare Bier trat vor 175 Jahren als »Wiener Lager« der Brauerei Schwechat seinen Siegeszug um die ganze Welt an ! Es wird heuer nicht nur gefeiert, sondern in dieser Brauerei nach den alten Rezepten nachgebraut und (nach unserer Meinung leider in viel zu kleiner Menge) auch ins Volk gebracht. Unser Buch stellt hiermit einen Teil der Jubelfeiern dar ! Wir sind uns bewusst, dass dieses Brauerei-Lexikon des Großraums Wien teils durch den dafür nötigen Zeitaufwand, teils durch nicht mehr existierende oder schwer auffindbare Unterlagen nicht vollständig und fehlerfrei sein kann. Um diesem Ziel dennoch näher zu kommen, werden die Leser und Forscher gebeten, uns Erkenntnisse oder Beobachtungen mitzuteilen, die der Richtigstellung, Ergänzung oder Aktualisierung dienen. In diesem Sinne haben wir bewusst Fehler eingebaut, um daraus ein Spiel zu installieren, wobei derjenige, der bis 31. 12. 2017 die meisten 14 Einleitung
Fehler entdeckt, von uns auf ein bieriges Abendessen eingeladen wird ! Fehlermitteilungen an : [email protected]. So ein Buch bedarf aber mehr als nur dreier Autoren. Wir bedanken uns deshalb bei folgenden Personen und Institutionen, wobei die Reihenfolge nichts über die Bedeutung sagen soll. Manche Sammler wollen absichtlich nicht genannt werden. Vielen und herzlichen Dank daher an : die Brau Union Österreich AG mit Herrn Generaldirektor DI Dr. Markus Liebl und Herrn DI Dr. Andreas Urban, Braumeister zu Schwechat, sowie Frau Mag. Dr. Gabriela Straka, Leiterin Kommunikation/PR & CSR und Pressesprecherin. Die Sammler von allem, was mit Bier zusammenhängt, in alphabetischer Reihenfolge : Alfred Hlavac, Anton Novotny, Gerhard Stöckl und Hannes Waclavsky. Die vielen Helfer, die in Bibliotheken, Archiven, Sammlungen und privat tätig sind und waren, für die oft wirklich intensive und engagierte Unterstützung bei unseren Recherchen. Der Böhlau Verlag und seinen MitarbeiterInnen, speziell Herrn Dr. Peter Rauch und Frau Dr. Eva Reinhold-Weisz. Und nicht zuletzt danken wir den besonders wichtigen Helfern, nämlich unseren Familien und Freunden, die uns in dieser Zeit nicht nur ausgehalten, sondern auch noch unterstützt haben ! In diesem Sinne : Prosit ! Christian Michael Springer Prof. Mag. Alfred Paleczny MR Dr. Wolfgang Ladenbauer
Einleitung 15
Kapitel 1
175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte
Franz Anton Dreher (1736–1820)
Katharina Dreher, geb. Widter (1786– 1864)
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Hensel : Anton Dreher, S. 8.
Am 19. November 1820 starb der Brauherr der Klein-Schwechater Brauerei, Franz Anton Dreher, der »Senior der sämtlichen Wiener H erren Bräumeister« und Ober-Vorsteher der Wiener Brauerzunft in seinem Herrschaftshaus Kledering »an Entkräftung im 85ten Lebensjahr«, wie man im Sterbebuch der Pfarre Schwechat lesen kann. Er hätte trotz dieser ehrenvollen Titel kaum Platz in der österreichische Wirtschafts-, im Speziellen der Brauereigeschichte gefunden, wenn er nicht 15 Jahre vorher im stattlichen Alter von 69 Jahren nochmals geheiratet und seine zum Zeitpunkt der Heirat gerade erst 18-jährige Gattin Katharina, geborene Widter, noch zwei Kinder geboren hätte : 1806 die Tochter Klara und 1810 seinen Sohn Anton, den ersehnten Erben. Dieser Anton, den man später den Älteren nannte, weil auch Sohn und Enkel Anton hießen, war zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters erst 10 Jahre alt und besuchte das Piaristengymnasium in der Josefstadt, damals wie heute eine sehr renommierte Schule. Seine Mutter führte die Brauerei mehr schlecht als recht weiter und bemühte sich, aus ihrem Sohn einen Brauer im Sinne der damaligen Zunftregeln zu machen. Sie schickte ihn nach der Schule in die Brauerei Meichl nach Simmering, wo er sich allerdings nicht allzu gelehrig zeigte, weil er sich mehr humanistischen Interessen widmete. Noch als Erwachsener soll er die Monologe aus den Shakespeare-Dramen in der Originalsprache zitiert haben, für das Braugeschäft hatte er als Jugendlicher aber nicht so viel übrig. Sein Lehrherr Georg Meichl soll zu ihm gesagt haben »Du wirst nie das Bierbrauen erlernen, Toni, laß es sein !«,1 womit er eines der gravierendsten Fehlurteile der Wirtschaftsgeschichte aussprach. Denn dieser Anton sollte einmal der hervorragendste Brauer Österreichs und sogar der ganzen Welt werden. Er gilt heute als »Erfinder« des Wiener Lagerbiers, wobei das Wort Erfinder absichtlich unter Anführungszeichen zu stellen ist, weil er im Grunde nur die beste Herstellungsmethode eines Getränks schuf, das auch andere in ähnlicher Form brauten. Er war sozusagen der Antipode unglücklicher österreichischer Erfinder wie Josef Madersberger, Peter Mitterhofer und Josef Ressel, die ihre Erfindungen 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte 17
nicht praktisch verwerten konnten und anderen den Ruhm der Umsetzung lassen mussten. Die Lehre bei Georg Meichl, dessen Enkelin Anton Dreher d. Ä. mit seinen Sohn verheiraten sollte, hatte nur insofern einen Sinn, als er während dieser Zeit den gleichaltrigen Gabriel Sedlmayr, Sohn des Besitzers der Münchner Spatenbrauerei, kennenlernte. Daraus entwickelte sich eine lebenslange und sehr produktive Freundschaft. Heute muss man zu dem Schluss kommen, dass sie aus dem Humanisten Dreher den erfolgreichen Bierbrauer machte und einen wesentlichen Beitrag zu dieser Erfindung leistete. Wir wollen uns deshalb auch mit ihm beschäftigen, weil wir dank einer umfassenden Biografie und vieler erhaltener Briefe den Großteil der Informationen über Anton Dreher von ihm wissen. Der Biograf Fritz Sedlmayr, Gabriels Enkel, bedauerte, dass zwar fast alle Briefe erhalten blieben, die sein Großvater erhielt, aber die abgesendeten, darunter die an Dreher, leider verloren gingen. Gabriel Sedlmayr war ein Jahr jünger als Anton Dreher und kam 1832 während seiner Walz mit einer Plätte, also einem kiellosen, weitgehend kastenförmigen Schiff, nach Wien, wie einst Drehers Vater. Er hätte gerne auch Vorlesungen an der Polytechnischen Schule besucht, doch er kam gerade zum Ende des Sommersemesters nach Wien. Im Juli verließ er auch schon wieder Hals über Kopf die Stadt, weil eine Choleraepidemie ausgebrochen war, der unter anderen alle Bewohner seines Hauses in Wien zum Opfer gefallen waren. Zuvor hatte er Dreher aber noch überzeugt, dass sie in Wien nichts lernen könnten und er mit ihm auf die Walz nach England gehen solle. Eine solche Walz war sogar noch lange nach der Aufhebung der Zunftordnung durchaus üblich. Danach musste der ausgelernte Geselle zwei bis drei Jahre auf Wanderschaft gehen, um sich auch in anderen Unternehmen umzusehen und zu lernen. Während Gabriel Sedlmayrs Vater diese Walz förderte, musste Dreher seine Verwandten erst überzeugen, dass diese sinnvoll sei. Sie hatten dafür überhaupt kein Verständnis, weil sie nach Meichls Urteil nicht von seinen Fähigkeiten als Bierbrauer überzeugt waren. Nur seiner Mutter konnte er verdanken, dass er wenigstens das notwendige Reisegeld erhielt. Der 22-jährige Anton besorgte sich nun im August 1832 einen »österreichisch kaiserlich-königlichen Reisepass«, in dem als Beruf »angehender Braumeister« und als Zweck der Reise »Ausbildung in seinem Fache« angegeben war. Nur so konnte er Österreich verlassen, obwohl man aus heutiger Sicht eher den Verdacht hegen könnte, dass Dreher auch die 18 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte
Anton Dreher der Ältere (1810–1863)
Gabriel Sedlmayer (1811–1891)
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Hensel : Anton Dreher, S. 9. Sedlmayr : Geschichte der Spatenbrauerei, S. 310.
Welt kennenlernen wollte und der Wandertrieb, der Wissensdurst oder kulturelle Interessen fast über seinem brautechnischen Interesse standen. Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn man seine Routen mit denen Sedlmayrs vergleicht. Der Münchner widmete sich, wo er hinkam, brautechnischen Studien, Dreher durchaus auch kulturellen Interessen. Nach einem gemeinsamen Aufenthalt in Böhmen (Prag, Karlsbad) und Sachsen (Dresden und Leipzig) praktizierte Sedlmayr in einigen anderen deutschen Brauereien und hörte Vorlesungen in Berlin. In Drehers Pass findet man hingegen Aufenthaltsvermerke vieler historisch interessanter Städte, wie Würzburg, Nürnberg, Regensburg, Basel, Straßburg, Frankfurt, Köln und Weimar. Sein Zeitgenosse und erster Biograf Eduard Hensel beschreibt das 1864 in seinem Stil so : »In Weimar war es, wo Dreher an den Gräbern der Heroen deutscher Literatur Abschied von der Poesie, von dem idealen Leben nahm und sich dem strengen, kalten Geschäftsleben in die Arme warf.«2 Zwischendurch dürfte er aber einige Zeit in der Sedlmayr’schen Brauerei gearbeitet haben, weil Sedlmayr seinen Vater schriftlich vorgewarnt hatte : »Wenn Dreher nach München kommt, sprechen Sie mit ihm mehreres über das Auflösen des Malzes und Mälzen, er hat es ganz gut los, ist überhaupt nicht dumm !«3 Sedlmayr und Dreher verwirklichten nun ihre Pläne, in England und Schottland ihr Glück zu versuchen und die auf dem Kontinent weitgehend unbekannten Brautechniken kennenzulernen. Die Briten waren damals ihren Branchenkollegen auf dem europäischen Festland weit überlegen. Während der Kontinent von den Napoleonischen Kriegen erschüttert wurde, widmete man sich auf der britischen Insel der Forschung. Die Engländer nutzten schon das Thermometer sowie das Mikroskop, verwendeten einen Vorläufer des Saccharometers zur Messung des Stammwürzegehaltes und waren dem Kontinent auch bei der wissenschaftlichen Steuerung des Produktionsprozesses um Jahrzehnte voraus. Sie verwendeten seit 1814 Dampfmaschinen und hatten ein Kühlsystem entwickelt, bei dem das Bier in einem Rohr durch ein anderes Rohr geleitet wurde, in dem sich kaltes Wasser befand. Das war ein Vorläufer jenes Systems, das später den etwas komplizierten Namen Rohrbündel wärmetauscher bekam. 1819 produzierten die Londoner Brauereien bereits 2,6 Mio. Hektoliter Bier jährlich, in Wien kam man gerade auf 0,6 Mio. Es gab also viel zu lernen für die jungen Herren. Nach langen Fußmärschen und Postkutschenfahrten überquerte Dreher im Juni 1832 den Ärmelkanal und traf am 25. Juli in London mit Sedlmayr zusammen, wobei sie bald zu viert waren, weil zwei andere 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte 19
Gabriel Sedlmayer, Anton Dreher und ein Brauerkollege namens Lederer während der Walz in England (nach einer Daguerrotypie aus dem Jahr 1839)
Brauerkollegen namens Meindl und Lederer sie begleiteten. Trotz einiger Empfehlungsschreiben, unter anderem des bayrischen Königs Ludwig I. und der Unterstützung des österreichischen Gesandten in London, Fürst Paul Esterházy, wurden sie aber nicht mit offenen Armen empfangen und hatten keine Chance auf ein Praktikum in einer der bedeutenden Brauereien der englischen Hauptstadt. Sie konnten vorerst nur die üblichen touristischen Besichtigungstouren unternehmen, vor allem in »Barclay, Perkins & Comp. Brewery«, dem damals größten Brauhaus der Welt. Sie waren von den zwei Dampf20 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte
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Sedlmayr : Geschichte der Spatenbrauerei, S 314 und Eckert : Ein österreichischer Brauer, S. 7. Sedlmayr : Die Geschichte der Spatenbrauerei, S. 318.
maschinen mit 24 und 40 PS überwältigt, sahen gusseiserne Gefäße, wie man sie in deutschen Ländern nicht kannte, und erfuhren, dass der jährliche Ausstoß 450.000 Hektoliter betrug, also etwas weniger als in allen Wiener Brauereien zusammen. Ihrem Ziel, die Produktionstechnik kennenzulernen, waren sie damit aber nicht nähergekommen. Aus einem Brief Sedlmayrs erfahren wir, wie es weiterging : »Der Zufall muß einen aber hier mehr begünstigen als alle Empfehlungen, sonst erfährt man doch nichts, und so ein glücklicher Zufall kam über uns. Dreher kaufte sich nämlich während seines Aufenthaltes in Nürnberg zwei kleine englische Bücheln über Brauerey …, der Verfasser war nicht genannt, nur am Ende war angekündigt, dass er einen Saccharometer verbesserte, der da und dort für 2 Guineen zu haben ist, und wir erfuhren bei dieser Gelegenheit die Adresse des Verfassers obengenannter Bücheln. Wir achteten anfangs nicht darauf, nach ein paar Tagen suchten wir ihn endlich doch auf, ohne eigentlich zu wissen, was wir bei ihm wollten.«4 Der Autor, ein Mr. Booth, war zwar eher ein Wissenschafter als ein Brauherr, aber er öffnete ihnen den Zugang zu den nicht öffentlich zugänglichen Bereichen einiger Brauereien. Aber auch dort vermutete man sofort, dass die Betriebe ausspioniert werden sollten. Sie besuchten nun auch Brauereien außerhalb von London und waren über die Geschwindigkeit der englischen Postkutschen überrascht, die dreimal so schnell und um die Hälfte billiger waren als in Deutschland. Von Manchester nach Liverpool konnten sie sogar erstmals mit einer Eisenbahn fahren. Trotz der Hilfe von Mr. Booth war es für die jungen Männer aber sehr schwierig, die Produktionstechnik zu erforschen. Sedlmayr erzählte dazu : »Wir haben immer kleine Fläschchen mit uns geführt, die wir verstohlener Weise füllen und dann zu Hause mit unserem Saccharometer nachwiegen. Doch die Flaschen zu füllen, unterliegt oft großen Schwierigkeiten, da sie nie einen allein in die Gährstube lassen, und gewöhnlich muß man es in ihrer Gegenwart thun, ohne dass sie es doch bemerken dürfen … Glücklich schätze ich mich, wenn wir ohne Prügel herauskommen. Um dieses mehr zu vermeiden, lassen wir uns jetzt Stöcke machen, von Blech, lackiert, unten mit einem Ventil, so daß, wenn man den Stock hineintaucht, er sich füllt, beim hinausnehmen schließt sich das Ventil, und wir haben das Bier im Stock, somit können wir dann sicherer stehlen.«5 Auch Dreher führte in England ein penibles Tagebuch über alle Brauvorgänge. Sein späterer Biograf Karl Eckert hat es in seiner Reiseschilderung, die zeitgleich mit Fritz Sedlmayrs Buch herauskam, teil175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte 21
weise abgeschrieben. Dreher formulierte den Durchbruch wörtlich so : »Hier wurden endlich zum erstenmahle in Großbritannien unsere Wünsche erfüllt, was wir nächst Gott vorzüglich unserem Schwätzer- und zum Teil auch Lügentalente zu verdanken hatten.«6 Mit einem Dampfschiff fuhren sie nach Schottland weiter und wurden dort dank eines Empfehlungsschreibens von Mr. Booth vom reichen Brauereibesitzer Bass aus Burton-upon-Trent freundlich empfangen, der sie ihrem Ziel ein weiteres Stückchen näherbrachte. Bass war zwar auch sehr vorsichtig und wollte ihnen seine Betriebsgeheimnisse nur zögernd erklären, aber seine Empfehlungsschreiben öffneten ihnen – mehr als die Briefe von Mr. Booth – »rasch die Tore der englischen und schottischen Brauereien und ermöglichten ihnen, die Geheimnisse des britischen Brau- und Mälzungsverfahren zu erforschen und mit in die Heimat zu nehmen.«7 So wurde das Jahr 1833 für ihre Ausbildung doch noch von Erfolg gekrönt und sie fuhren im Winter zurück auf den Kontinent. Dreher blieb ein Jahr in der Sedlmayrschen Brauerei in München, um »dort das englische Stahlsystem anwenden zu können«, wobei er bald auch mit Gabriel zusammenarbeiten konnte, der am 26. März 1834 auf Drängen seines Vaters nach München zurückgekehrt war.8 Ihre Versuche wurden mit Mr. Bass und dem Schotten Mr. Muir schriftlich diskutiert. Es erfolgte ein jahrelanger Erfahrungsaustausch und man schickte den Briten auch untergärige Hefe, die seit 1807 in der Spatenbrauerei erzeugt wurde und die in Großbritannien mit unterschiedlichem Erfolg aufgenommen wurde. »Während meines Freundes Aufenthalt machten wir einige Sude Ale nach der englischen Methode … Wir machten 2 Sude, bei welchen wir teils der schottischen Art teils der folgten, die Sie und Ihre Brauer die Liebenswürdigkeit hatte, uns zu senden. Einer wurde untergährig, der andere obergährig auf schottische Art vergohren …«, berichtete Sedlmayer. Vom ersteren Sud wusste er noch zu berichten, dass er so gut war, dass »einige Engländer, die mich mit ihrem Besuch beehrten und andere Leute, die in England waren, es für richtiges englisches Ale hielten oder uns zumindestens das Kompliment machten, dass es diesem ganz ähnlich sei«.9 Als Dreher 1835 nach Schwechat zurückkehrte, fand er die Brauerei stark verschuldet vor. Er konnte sie wegen seiner schlechten finanziellen Lage von seiner Mutter und ihrem zweiten Mann vorerst nicht einmal pachten. Vielmehr musste er sich erst mühsam das Vertrauen seiner Verwandtschaft wiedererkämpfen und das Geld für die Pacht borgen. Lange Zeit hatte niemand Vertrauen in seine Erfahrungen, weil er sich nur »nach 22 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte
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Eckert : Ein österreichischer Brauer, S. 8 und 9. Drehers Tagebuch dürfte nur die technischen Aspekte und nicht den Ablauf der Reise umfasst haben. Die schriftlichen Aufzeichnungen über den Reiseverlauf durch Gabriel Sedlmayr, die im Münchner Stadtarchiv liegen und von Fritz Sedlmayr 1934 ausgewertet wurden, kannten Drehers Biografen Hensel und Promintzer nicht, so dass man dort oft widersprüchliche Angaben über die Besuche der britischen Brauereien findet. Promintzer : 300 Jahre, S. 28. Sedlmayr : Die Geschichte der Spatenbrauerei, S. 321. Sedlmayr : Die Geschichte der Spatenbrauerei, S. 325.
10 Beide Zitate nach Hensel : Anton Dreher, S. 12. 11 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 357. 12 Besnecker : Cerevisia Austro-Viennensis Mechanico-Clinicè Elucubrata und Kaltenbaeck : Vaterländische Denkwürdigkeiten, S. 75/76.
ihren spießbürgerlichen, beschränkten Ansichten, zwecklos in der Welt herumgetrieben und sein Geld verschwendet hatte.« Die Aussage eines Verwandten, der ihm mit dem Satz »Mein lieber Anton, der ist ein Narr, der Ihnen Geld leiht zu dem heruntergekommenen Geschäft« seine Unterstützung verweigerte, spricht wohl Bände.10 Am 1. April 1836 konnte er seiner Mutter das Pachtgeld geben und begann seine Tätigkeit in der damals kleinen Brauerei, die gerade 600 Hektoliter pro Monat erzeugte. Voll Tatendrang und mit seinen in England erworbenen Kenntnissen hatte er bald Erfolg und steigerte den Monatsausstoß in seinem ersten Braujahr auf 1.700 Hektoliter. Er erzeugte nicht wie seine Konkurrenten dunkelbraunes und trübes »Kräusenbier«, sondern mildes und wesentlich wohlschmeckenderes, aber noch immer obergäriges »Kaiserbier«. Keinen Erfolg hatte er hingegen mit einem österreichischen Ale, das den damaligen Biertrinkern zu süß und zu stark war. Endlich durfte er mit den anderen Brauherren in Schwechat an einem Tisch im Kaffeehaus sitzen – eine Ehre, die ihm lange versagt geblieben war. Bis dahin hatte es in den Brauerkreisen geheißen, »der Dreher ist ein Esel, er ist von seiner Reise dümmer zurückgekommen, als er fortgegangen ist.«11 Schon während des ersten Pachtjahres gelang es Dreher, mehr als die beiden anderen Schwechater Konkurrenz-Brauereien Popper und Figdor und selbst mehr als sein Lehrherr Meichl in Simmering zu brauen, obwohl es ihm – eingeengt durch den Pachtvertrag und Geldmangel – nicht möglich war, größere Veränderungen durchzuführen. Die Bier-Situation damals entbehrte ja nicht einer gewissen Tragik und ist heute unvorstellbar : Zur Herstellung guter Biere bedarf es niedriger Gärungstemperaturen, die damals nur im Winter erreicht wurden. Durch mangelnde Hygiene sowie einseitigen und geringen Wissensstand hielt sich das Gebräu nur kurz und schmeckte manchmal geradezu katastrophal oder war ein sogenanntes »Bauchgrimmenbier«. Machen wir nun einen kurzen Abstecher in die Wiener Biergeschichte. Welche Biere trank man früher eigentlich ? 1732 erhielt A. J. Besnecker, ein Arzt der Wiener medizinischen Fakultät, den Auftrag, »die Bestandteile des Bieres, die Art der Zubereitung, den Gebrauch und Mißbrauch desselben zu untersuchen und in einer besonderen Schrift darzuthun«.12 Diesem Werk ist zu entnehmen, dass man damals dreierlei Gattungen von Weizenbier braute : das gemeine Weißbier, das Doppelbier und das Weinbier, Letzteres aber nur noch über Befehl des Hofes, es wurden dabei zu jedem Eimer Bier vier Maß gekochten, gärenden Weins zugesetzt. 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte 23
Zudem gab es fünf Sorten Gerstenbier : Weiß-Gerstenbier, Braunbier (bei höheren Temperaturen gedarrtes Malz, stärker gehopft), Märzenbier (höhere Stammwürze und Alkohol, länger haltbar), Luftbier (durch an der Luft getrocknetes Malz hat es eine bleiche Farbe, manchmal werden Ingwer, Lorbeeren, Rosmarin etc. zugesetzt) und den aromatisch-medizinischen Einbock (mit diversen Zusätzen wie Honigtrank und gärenden Gewürzsäften).13 Haferbier wurde vorerst nur in Horn (»Horner Bier«) und in Dross (»Troster Bier«), später auch in Margareten gebraut. Es war ein leicht saures, sehr spritziges und erfrischendes Bier aus luftgetrocknetem Hafermalz, wenig Hopfen und einer Spur Weinstein.14 Im Jahre 1809 wurden in Wien hauptsächlich drei Biersorten getrunken, und zwar neben dem »Horner« das blasse sogenannte »Mailänder« und das schwarze »Plutzerbier«, das durch einen kleinen Zusatz von Zucker und Reiskörnern ein künstliches Mousseux bekam. Es wurde unter anderem in Nußdorf gebraut. 1810 werden das braune Bier, das Mailänder Bier, das gemischte Bier, das Horner Bier und das Englische Bier als die beliebtesten genannt. Das braune Bier erwärmt und stärkt mehr den Magen als das Mailänder Bier, welches – so wird beschrieben – mehr kühlt, aber dafür bei schwachen Mägen und Därmen Blähungen und Verschleimungen verursacht. Das Englische Bier wird als das »geistreichste« bezeichnet und das Horner Bier als das schwächste und harntreibendste.15 1840 braute man in Wien hauptsächlich zwei Bierarten : im Winter das direkt aus den Gärbottichen abgezogene Winterfassbier, das in kleine Fässer abgeschlaucht und bei den Wirten eine Nachgärung durchmachen musste, ehe es ausgeschenkt werden konnte. Und im Frühjahr das, durch höhere Temperaturen bedingt, minderwertigere obergärige Bier, das ohne Nachgärung in kleine Fässer abgezogen bei den Wirten zur Ausschank gelangte. Die letzten Sude Winterbier wurden im März eingekocht, und zwar extraktreicher, damit sie länger hielten. Es wurde daher »Märzenbier« genannt. Dieser Name hat sich bis heute erhalten, auch wenn er nun für einen ganz anderen Biertyp steht. Man hört auch noch von einem »Kaiserbier« und vom stark moussierenden »Ministerbier«, von dem aber die Maß einen Gulden Konventionsmünze kostete und nur in geringen Mengen produziert wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es einen neuen Trend – es wurde innerhalb kürzester Zeit das dunkle »Bayerische Bier« beliebt. Diesem ähnlich, allerdings gehaltvoller und vom Farbmalz pechschwarz und mit üblem Geruch war das »Regensburger Bier«. Beide Biersorten 24 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte
13 Weiss : Die Gross-Industrie Österreichs, S. 205. 14 Zu den Biersorten dieser Zeit siehe Leuchs : Vollständige Braukunde, S. 319 ff. und Balling, Die Gärungschemie, insbes. S. 383 ff. 15 Lichtenthal : Ideen zu einer Diaetetik für die Bewohner Wiens
verschwanden aber bald wieder so schnell wie sie gekommen waren, und die meisten Brauereien in Wien und auch am Lande brauten nur mehr 10-grädiges sogenanntes Abzugbier.16 Im Sommer, wenn die Hitze am stärksten und der Durst am größten war, gab es so gut wie kein Bier, denn es konnte entweder nur miserables oder gar keines gebraut werden. Um dieses Dilemma zu beseitigen, gab es nur zwei Möglichkeiten : Erstens im Winter ein lagerfähiges Bier zu brauen, das den ganzen Sommer hindurch in Kellern gelagert werden konnte, oder zweitens die Temperaturen durch Maschinen zu senken, was vorerst aufgrund der mangelnden technischen Möglichkeiten noch nicht machbar war. »So begann das eiserne Zeitalter der Industrie : das Holz, sowohl als Brenn- wie als Einrichtungsmaterial, wurde grösstentheils verdrängt. Damit konnte erst jene peinliche Reinlichkeit im Betriebe, welche zu den technischen Cardinaltugenden des Brauwesens zählt, durchgeführt und jenen zahlreichen Infectionsgefahren der Würze vorgebaut werden, welche als geheime Feinde von den alten Brauern so sehr gefürchtet waren und viel unberechenbaren Schaden verursacht hatten. Damit gewann erst die Betriebsleitung die nothwendige Sicherheit, und als gleichzeitig die chemischen und physiologischen Vorgänge, welche die Natur der einzelnen Umwandlungsprocesse bilden, entdeckt, als die Lichtstrahlen wissenschaftlicher Forschung das Wesen und die Lebensthätigkeit der kleinsten Organismen enthüllten und die Arbeiten der neugeborenen Wissenschaft der Zymotechnik sich zu einem mächtigen Werkzeuge technischen Fortschrittes verwandelten, hat dies Alles zu einem fast revolutionär zu nennenden Umschwung in der Brautechnik geführt.«17
16 Jalowetz : Der Ausbau der österreichischen Brauereien 17 Geschichte der österreichischen Land- und Forstwirtschaft, S. 309. 18 Seidl : Bierguide 2016, S. 70.
1841 braute Anton Dreher nach mehreren Versuchen in dem damals schon 200 Jahre alten Brauhaus sein erstes helles Lagerbier. Ziemlich zur gleichen Zeit gelang dies auch seinem Freund Sedlmayr in München, der allerdings wegen der strengen bayrischen Brauereigesetze noch nicht das ganze Jahr hindurch brauen durfte und auch in der Lagertechnik nicht so weit war wie sein Wiener Freund. Deshalb gilt Dreher heute als der Erfinder einer neuen Herstellungsmethode des Lagerbiers, die Conrad Seidl als »Kombination von hellem Malz, wie es damals vor allem mit englischer Mälzungstechnologie hergestellt werden konnte, mit untergäriger Braumethode, also der langen kalten Lagerung«18 bezeichnet. Der Schwechater Braumeister Andreas Urban, der 2015 das Schwe chater Wiener Lager wiederbelebte, beschreibt diese Methode für Fach175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte 25
leute so : »Dreher erlangte bereits in Böhmen Erkenntnisse über die Malzlösung und den richtigen Zeitpunkt zur Beendigung des Wachstums, indem man das Korn zwischen den Fingern zerquetscht und den austretenden Mehlkörper zerreibt. In England lernte er die langsame Art des Keimprozesses, die sorgfältige Beobachtung des Blattkeimes und den schonenden Darrprozess bei niedrigen Temperaturen kennen. Das englische Mälzungsverfahren nutzte schon die indirekt befeuerte Darre, bei der nicht mehr die Rauchgase durch das Keimgut ziehen, sondern erwärmte Luft. Die Malzdarre von Daniel Wheeler erlaubte, bedingt durch die genaue Temperaturkontrolle, die Herstellung von hellem Malz (Pale Malt), das rein und frei von rauchigen Aromen ist.«19 Er baute auch als erster Brauer Kühlschiffe aus Metall zur Ausdampfung und Abkühlung der Würze nach dem Kochprozess anstelle von hölzernen Gefäßen. Das neue Bier war ein durchschlagender Erfolg und wurde erstmals im Fünfhausner Wirtshaus »Kohlkreuze« ausgeschenkt.20 Dieses Jahr 1841 wurde damit ein Meilenstein nicht nur der Wiener, sondern der österreichischen Brauereigeschichte. Im gleichen Jahr gelang wenige Kilometer weiter westlich am anderen Ende der heutigen Simmeringer Hauptstraße Adolf Ignaz Mautner in St. Marx eine ähnliche Bier-Innovation. In den Jahren davor wurden in Ottakring, Hernals, Währing und Liesing neue Brauereien gegründet, die sich ebenfalls rasch den Zunftregeln entzogen und auf Fabriksbasis arbeiteten. Sie bescherten Wien ein »goldenes Bierjahrhundert«, wie es einer der Autoren dieses Buches bezeichnet hat,21 und das spätestens 1941 zu Ende ging. Damals konnte noch mitten im Krieg ein letzter Ausstoßrekord verzeichnet werden, dem aber eine der größten Katastrophen der Wiener Brauwirtschaft mit weitreichenden Zerstörungen der Gebäude und Anlagen folgte.
19 Urban : 175 Jahre Wiener Lager, S. 102. 20 Paleczny : Wiener Brauherren, S. 24. Dieses Wirtshaus war der Vorgängerbau des heutigen Hauses Fünfhausgasse 15. 21 Paleczny : Wiener Brauherren, S. 13. Die Experten haben ihm bei dieser Begriffsfindung nicht widersprochen.
26 175 Jahre Wiener Lagerbier – die Vorgeschichte
Kapitel 2
Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten Die Wiener Biergeschichte begann natürlich nicht 1841, sondern rund 600 Jahre vorher. Wir wollen uns nun mit jenen Brauhäusern beschäftigen, die sich innerhalb der Stadtmauern und in den Vorstädten befanden. Die Vorstädte wollen wir von Osten nach Westen, also im Uhrzeigersinn »durchwandern« und somit analog zur späteren Nummerierung der Bezirke. Es begann mit Herzog Albrecht II. – die bürgerlichen Bierbrauer
22 Der Vorläufer des Hopfens war eine Kräutermischung namens »Grut«, die zu verhindern suchte, dass das Bier allzu schal und fad schmeckte und zu rasch verdarb. Die verwendeten Inhaltstoffe waren sehr unterschiedlich : Heidekräuter wie Porst und Erika, Schafgarbe, Beifuß, Rosmarin, Thymian, Salbei, Lorbeer, Anis, Kümmel, Wacholder, Koriander, Fichtensprossen, Wermut usw. 23 Berg, Fischer : Vom Bürgerspital zum Stadtbräu, S. 9 und Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, S. 2. 24 Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 11f.
In der Stadt wurde im Hochmittelalter vor allem Wein getrunken. Wein anbaugebiete gab es damals bis knapp vor der Stadtmauer. Wesentlich seltener tranken die Wiener ein aus einer »Grut«22 gebrautes Getränk, das aus Kräutern, Gewürzen und Obst bestand, der Vorläufer unseres heutigen Biers. Erst 1211 wurde nachweislich Hopfen in die Stadt gebracht, die Gärung war allerdings noch ein unerklärlicher Vorgang. Sie erfolgte weitgehend durch die in der Raumluft enthaltenen »wilden Hefen«. Nach und nach verbreitete sich das Biertrinken vor allem durch einwandernde Handwerker aus Deutschland, wo dieses Getränk u. a. durch Klosterbrauereien bereits wesentlich bekannter und beliebter war als an der Donau. So entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch in Wien das Handwerk des »prew«. Wir kennen auch die Namen der ersten Brauer, weil bis ins 15. Jahrhundert in Wien statt der Familiennamen noch Berufsbezeichnungen verwendet wurden : Sie hießen Otto Prew, der 1233 in einer Urkunde des Schottenklosters erwähnt wurde ; Ruedger der pierpreuwer, der 1301 eine Mühle erwarb, in der sich nach 1529 das Brauhaus des Bürgerspitals befand ; und Otakcher der pyrprew, der 1343 seinem Sohn einen Weingarten in Döbling vererbte.23 Zur Wende zum 14. Jahrhundert hin war im gesamten deutschsprachigen Raum der Übergang von Hausbrauereien zu einer gewerblichen Produktion zu bemerken.24 Bier als öffentlich zum Verkauf und Ausschank angebotenes Getränk wird erstmals 1340 im Wiener Stadtrecht des Habsburgerherzogs Al Es begann mit Herzog Albrecht II. – die bürgerlichen Bierbrauer 27
Wien im Spätmittelalter, Ansicht auf dem Babenberger-Stammbaum im Stift Klosterneuburg
brecht II. erwähnt. Damit wurde versucht, die Bierproduktion zu regeln und unter Aufsicht zu stellen. Die Braugerechtigkeit stand entweder einem gewissen Personenkreis zu, der sie selbst ausüben oder verpachten konnte, wurde an eine bestimmte Grundherrschaft gebunden oder vom Landesfürsten als Privileg für bestimmte Verdienste verliehen. Wir werden bei unserem Rundgang durch die alten Brauereien des 16. bis 18. Jahrhunderts immer wieder sehen, auf welche dieser drei Gründungsvoraussetzungen sich neue Brauereien beriefen. Der gleiche Herzog, der auch »der Weise« genannt wurde und Vater des wesentlich bekannteren Rudolf des Stifters war, hat aber auch durch das sogenannte Tafernenrecht den Wiener Weinbauern das Weinschank-Monopol innerhalb der Stadt verliehen. Damit gilt dieser Habsburger zwar als der Gründer einer Wiener Getränkeordnung, hat aber zugleich den jahrhundertelangen Kampf der Wiener Weinbauern mit den Bierbrauern ausgelöst. Die Weinhauer bangten immer wieder um den Absatz ihres Weines und liefen Sturm gegen das Bier als unliebsamstem Konkurrenten. Im 15. und zeitweise noch im 16. Jahrhundert wurde der Ausschank fremder Biere im Wiener Burgfrieden einige Jahre 28 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Herzog Albrecht II. »der Weise« oder »der Lahme« (1298–1358) auf einem Glasfenster im Kloster Königsfelden
Herzog Albrecht III. »mit dem Zopf« (1350–1395)
lang verboten, weil man meinte, dass das Wiener Umland das Land der Weinbauern sei und diese durch die Bierproduktion geschädigt werden.25 Die Verbote wurden aber immer wieder relativ rasch aufgehoben. Selbst als – wie wir gleich lesen werden – das Bürgerspital ein herzogliches Monopol für das Bierbrauen erhielt, musste dieses zwischen 1544 und 1566 mehrmals die Tätigkeit einstellen, weil man eine Verknappung und eine damit verbundene Verteuerung des für die Ernährung der Bevölkerung so wichtigen Getreides, vor allem des Weizens, verhindern wollte. 1382 war ein weiterer Meilenstein der frühen Biergeschichte, weil in diesem Jahr Herzog Albrecht III. die uneingeschränkte Bierproduktion verbot und das Bierrecht in Wien in ein landesfürstliches Recht umwandelte. Damit durfte nur mehr brauen und Bier ausschenken, wer mit dem Braurecht belehnt worden war und die nötige Gebühr an den Herzog abgeliefert hatte. Er wollte damit einerseits die Qualität des Biers heben und geeignete Handwerker als Brauer aussuchen, anderseits durch die Privilegienvergaben aber sicher auch finanzielle Vorteile erzielen. Der rechtliche Rahmen für die Bierproduktion wurde 1648 durch Kaiser Ferdinand III. festgelegt, indem er das Handwerk der Brauer in Österreich unter der Enns mit einer Handwerksordnung in 41 Artikeln regelte. Drei Jahre später stellte er ein Schutzpatent aus, das von den Kaisern Leopold I. im Jahr 1698, Josef I. im Jahr 1710 und schließlich von Maria Theresia bestätigt wurde. Das erste Wiener Brauhaus stand in der Weidenstraße
25 Herzog Albrecht V. hat 1430 beispielsweise verfügt, dass »mit Rücksicht auf die Nachteile, welche den Bürgern Wiens aus jeder Concurrenz beim Ausschanke der Weine erwuchs«, niemand innerhalb des Burgfriedens öffentlich Bier ausschenken dürfe. 26 Fol. 26 und 26V lt. Sailer L (1926 : 13).
In den sogenannten Lucken – dem Gebiet vor der Stadtmauer, wo die wichtigen Einzugsstraßen die Stadt erreichten – befanden sich die herzoglichen Gesindeviertel. Hier siedelten sich die Handwerker an, die aus hygienischen Gründen, aber auch wegen des Platzmangels und vor allem der Feuergefahr ihren Beruf nicht in der Stadt ausüben durften. Es sind uns viele Gassennamen und Ortsbezeichnungen überliefert, aber wegen fehlender Pläne fällt eine genaue Ortsangabe meist schwer. Unsere Biergeschichte beginnt in der Weidenstraße, die heute etwa von der Staatsoper zum Schillerplatz führen würde. Der Wienfluss war damals an dieser Stelle in mehrere Arme gespalten und die Gasse hatte ihren Namen von den vielen Weidenbüschen, die sie säumten. Dort befand sich das älteste Brauhaus Wiens vermutlich an der heutigen Adresse Elisabethstraße 12 und 14.26 Es wurde 1380 vom »Preuer« JohanDas erste Wiener Brauhaus stand in der Weidenstraße 29
Wien 1556 mit der Stadtmauer, davor die Häuser der Lucken um die Weiden straße, in der Stadt rechts die Kirche St. Clara, die später zum Bürgerspital gehörte, und links die Hofburg.
nes gegründet und er berief sich bereits auf das damals einige Jahrzehnte alte Stadtrecht Albrechts II. Um 1400 erbte Hans Zink nach der kurz zuvor verfügten Entscheidung Albrechts III. das Bierbraurecht als landesfürstliches Lehen und dieses »Pyrhaus und Prawhaus mit samt dem Gertlein« von seinem Vater Ulrich. Beide waren städtische und landesfürstliche Beamte. 1416 verkaufte Hans Zink das Brauhaus samt dem Braurecht um 1.000 Pfund Pfennige27 an Berthold von Mangen. Dessen Nachfolger Stephan Kraft zu Marspach musste das Braurecht am 3. Juli 1432 an das Bürgerspital abtreten.28 Das Bürgerspital behandelte Kranke, versorgte Alte und Gebrechliche und finanzierte sich durch Spenden, Abgaben von ihren Besitztümern und Einkünften aus ihren Tätigkeiten. Ein wichtiger Teil stammte vom eigenen Bier- und Brauhaus, geschützt durch Verordnungen, wie das Braurecht, den Brauzwang und den Bierzwang. Durch den Kauf des Braurechtes erwarb das Bürgerspital das Recht, ausschließlich und allein im Burgfrieden von Wien Bier zu brauen und auszuschenken. Die Grundherrschaften gehörten nicht zu diesem Burgfrieden und waren von den Rechten des Bürgerspitals nicht betroffen. Das Brauhaus stand schon vor 1432 in einem Nahverhältnis zum Bürgerspital, denn es war Eigentümer des Grundstücks und erhielt von Zink und seinen Nachfolgern bereits Abgaben aus dem Bierverkauf. Außerdem war Ulrich Zink lange Zeit dort Spitalsmeister, sozusagen der Verwalter. 30 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
27 Ein Pfund (=240) Pfennige entsprach ab dem 15.Jahrhundert einem Gulden. Einen damaligen Gulden kann man grob gerechnet in einen heutigen Kaufwert von ca. 600 Euro umrechnen. 28 Bürgerspital-Urkunden Nr. 532 und 533, zitiert nach Sailer : Das Bierbrauund Schankmonopol, S. 34/35.
»Flucht nach Ägypten«, Tafel des Schottenaltars um 1470 (Ausschnitt). Am Horizont rechts der Mitte die Stephanskirche und direkt davor der Komplex des Bürgerspitals.
Das Brau- und Schankmonopol wurde durch den Brauzwang unterstützt. Es war dies das Recht, in diesem Burgfrieden anderen das Brauen und gleichzeitig die Einfuhr von fremdem Bier in dieses Gebiet zu untersagen. Dazu kam noch der Bierzwang, wodurch die Wirte, ohne Rücksicht auf den Bedarf, zur Abnahme einer bestimmten Menge Bieres genötigt werden konnten.29 Es gab aber immer wieder Streitigkeiten mit der Stadtverwaltung, weil man sich über die Art der Steuereinhebungen nicht einigen konnte. Da das Spital aber auf den hohen Verpflegungsstand und die enormen Betriebskosten der Krankenversorgung hinwies, konnte es sich meist gegen den Magistrat durchsetzen. 29 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, S. 4ff. 30 Novag : Das Bürgerspital, S. 21. 31 Die Clarissinnen waren vor dem Anrücken der Türken nach Judenburg geflohen, so dass hier Räume für die Siechen, Kranken und Armen aus dem Bürgerspital gegeben waren. Als die Clarissinnen wieder nach Wien zurückkehrten, war jedenfalls ihr Kloster vergeben und wurde seitdem Bürgerspitalgebäude genannt. Ihnen jedoch wurde Kirche und Kloster St. Anna auf der anderen Seite der Kärntnerstraße zugewiesen.
Die Brauerei im Neuen Bürgerspital am Schweinemarkt
Das alte Bürgerspital und die Brauerei wurden, wie alle Gebäude vor den Stadtmauern, 1529 vor den herannahenden Türken zerstört.30 Es durfte mit Genehmigung von Kaiser Ferdinand I. bereits ein Jahr später in das verlassene St. Clara-Kloster am Schweinemarkt übersiedeln. Man bemühte sich, auch dort rasch eine Brauerei einzurichten, weil man auf die Einnahmen aus dem Monopol angewiesen war.31 Die Bautätigkeit und die Installation dauerten trotzdem acht Jahre, weil auch noch andere Gebäude, gerade in der Umgebung des Kärntnertores, dem Hauptangriffsziel der Türken, betroffen waren. Die Brauerei im Neuen Bürgerspital am Schweinemarkt 31
Ausschnitt aus dem Meldemann-Plan 1529: markiert ist das Spital vor dem Kärntnertor
Bürgerspitalkeller, Bürgerspitalplatz und Bürgerspital auf einer Darstellung des Neuen Marktes im Jahre 1600 (Kisch 1885)
Zugleich sah das Bürgerspital die Chance, nicht nur die Abgaben des Brauhauses für die Grundpacht zu lukrieren, sondern die gesamte Brautätigkeit zu übernehmen ! Während dieser Zeit konnte man nicht brauen und so wurde Bier aus Böhmen, Bayern, dem Mühl- und Waldviertel, aber hauptsächlich aus der näheren Wiener Umgebung einge32 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Kirche St.Clara (15) und das Bürgerspital auf dem Plan von Hoefnagel 1657
32 Der Eimer war bis ins 19. Jahrhundert das gängige Volumenmaß für Bier. Es entspricht 56,6 Liter. In der Folge werden Angaben außer bei wörtlichen Zitaten nur mehr in Liter angegeben.
führt. Dafür erhielt das Bürgerspital eine Entschädigung von 3 Kreuzer je Eimer.32 1537 konnte man wieder zu brauen beginnen, nachdem ein eigener, langer Trakt als Bräuhaus errichtet wurde, der zwischen dem heutigen Lobkowitzplatz und der Kärntner Straße lag. Bis zum Jahr 1558 hat das Bürgerspital nur eine einzige Bierschank betrieben, die sich bis zur Ersten Türkenbelagerung vor dem Widmertor und nach der TürkenbelageDie Brauerei im Neuen Bürgerspital am Schweinemarkt 33
St. Clara = Allerheiligen Kirche im Bürgerspital, und das alte Kärntnertor Theater auf dem Plan von C. Pfeffel 1724
rung im Spitalkeller in der Kärntner Straße33 befand. Der erste Leitgeb, heute würden wir ihn Bierwirt nennen, vor dem Widmertor hieß Hanns Huter (1444) und im Spitalkeller hieß der erste Hans Lainmayer (1531– 1549), dem seine Frau »so ime im pierkeller hilft«. Es war damals überhaupt das einzige Lokal in der heutigen Wiener Innenstadt, in dem Bier ausgeschenkt werden durfte. Erst 1558 entschloss sich das Bürgerspital, eine zweite Bierstube im sogenannten Leinwandhaus auf dem Hohen Markt Nr. 4 zu eröffnen, der dann weitere folgten : 1588 im Strauchgäßl und 1590 vor dem Stubentor. In den Vorstädten wurden im 16. Jahrhundert einige Brauereien eröffnet, die mit der Grundherrschaft verbunden waren, was im Stadtrecht Albrechts II. ausdrücklich erlaubt war. Wir kennen die Brauhäuser in Margareten, Hundsturm und Gumpendorf, die zwischen 1560 und 1580 zu produzieren begannen. Aus den Vororten kamen weitere Brauhäuser dazu, z. B. in Hütteldorf, Kaiserebersdorf, Schwechat und Simmering, die dem Bürgerspital im 17. Jahrhundert für jeden Eimer, den sie in die Stadt einführten, 15 Kreuzer als Entschädigung bezahlen mussten. Außer diesem Bieraufschlag wurde dem Bürgerspital 1713 zur Tilgung seiner aus Anlass der Pest entstandenen Schulden ein Bieraufschlag von 20 Kreuzer per Eimer bewilligt. Dieser wurde später mehrmals herabgesetzt, so 1740 auf 1 Kreuzer und schließlich ab 1771 mit 2.100 Gulden jährlich pauschaliert.34 1727 war mit dem Erwerb der Herrschaft Margareten und des dortigen Bräuhauses durch die Gemeinde Wien mit einem Schlag das allei34 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
33 Perger : Straßen, Türme und Basteien, 1991, S. 119 : »Der Klostergarten umfaßte die heutigen Parzellen Kärntner Straße 32,34, Maysedergasse 2, Führichgasse 1, der Klosterkeller die Parzellen Kärntner Straße 28,30« ; sowie S. 75 ; »Die Parzellen Kärntner Straße 28, 30, 32, 34, 36 zählten zum Kloster St. Clara, dem nachmaligen Bürgerspital«. 34 Altmann : Das Wiener Bürgerspital, S. 45/46.
Bürgerspital auf dem Vogelschauplan von Huber (1769–73)
nige Braurecht des Bürgerspitals Geschichte. Bis dahin hatte das Bürgerspital mit viel Mühe sein Monopol verteidigen können, obwohl oftmals dagegen Sturm gelaufen worden war. So wissen wir, dass 1644 eine Barbara Popp und 1648 ein Gabriel von Beverelli in der Rossau um Bewilligung zur Errichtung eines Bräuhauses innerhalb des Burgfriedens angesucht hatten und ihnen dies in Bezug auf die Rechte des Bürgerspitals verwehrt worden war. Man muss aber auch erwähnen, dass das Monopol des Bürgerspitals immer wieder, teils von den Donau-Schiffen und Die Brauerei im Neuen Bürgerspital am Schweinemarkt 35
teils von städtischen Behörden und Bediensteten, wie der Stadtguardia (Stadtwache), vom Hofgesinde und selbst vom Torwart des Landhauses, umgangen wurde. Sie schenkten oft auch in öffentlichen Gebäuden Bier aus. Auch der vom Stadtkommandanten in den Basteihäuschen gebilligte Schwarzausschank konnte vom Bürgerspital nie ganz verhindert werden.35 Durch die im 18.Jahrhundert aufkommende Konkurrenz ging es mit der Bürgerspitalbrauerei langsam bergab. 1783 bis 1790 wurde das Bürgerspital unter Joseph II. zu einem Zinshaus umgebaut. Die Brauereigebäude wurden 1789, der Rest des Bürgerspitals bis 1883 abgebrochen. Das Bürgerspital besaß ab 1789 nur mehr die Brauhäuser in der Leopoldstadt und in St. Marx, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts bzw. am Beginn des 18. Jahrhunderts gegründet worden waren. Die Zweigbrauereien des Bürgerspitals Heiligengeistmühle, auch Spitalmühle vor dem Kärntnertor
Angeblich soll in der Heiligengeistmühle vor dem Kärntnertor, die den Johannitern gehörte, schon 1518 der Müller Mert Orthofer gebraut und das Bier ausgeschenkt haben.36 Nach einer anderen Quelle37 errichtete das Bürgerspital Anfang Mai 1652 dort eine Brauerei-Filiale, in der Weißbier gebraut wurde, im Gegensatz zum Braunbier im Stadtbrauhaus. Die Mühle wurde nach der Türkenbelagerung 1683 als letzte vor der Stadt geschliffen, um mehr Platz für neue Befestigungen zu schaffen. Das Recht, eine Mühle zu betreiben, blieb aber und wurde einige Jahre später auf eine flussaufwärts errichtete Mühle übertragen, die als Bärenmühle in die Geschichte einging. Bier wurde dort aber keines mehr gebraut. Armenfondsbräuhaus im Unteren Werd
»Unterer Werd« hieß die größte Insel in der Donau nördlich von Wien. Die Spuren der ersten Ansiedlungen reichen bis in die Babenbergerzeit zurück. 1377 vermachte Seifried Reinholff ein Grundstück dem Wiener Bürgerspital, das zwischen 1536 und 1547 hier – ziemlich zeitgleich mit der Wiederaufnahme der Brautätigkeit im Bürgerspital selbst – ihr erstes Zweig-Brauhaus errichtete. Es war eines der ersten neuen Gebäude nach der Ersten Türkenbelagerung38 und hatte mit seinen Wirtschafts36 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
35 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, S. 8. 36 Internetabfrage 28. 3. 2016 : http:// www.wieden800.at/w800/flip/1/files/ assets/downloads/publication.pdf. 37 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, S. 17 und Weiss : Geschichte der öffentlichen Anstalten I. Abt, S. 99. 38 Kisch : Die alten Straßen …, Band VI, S. 195 und Weschel : Die Leopoldstadt bey Wien, S. 215.
Wienfluß und Mühlbach mit seinen Mühlen 1781. Am nächsten zur Stadt, aber jenseits (orogr. rechts) der Wien genau an der Einmündung des Mühlbaches gelegen ist die Heiligengeistmühle.
Gebäude des Brauhauses der Unteren Werd auf dem Plan von Kisch 1683
Die Zweigbrauereien des Bürgerspitals 37
und Nebengebäuden einen sehr ansehnlichen Umfang. Später wurden auf den Nebengrundstücken von Kaiser Ferdinand II. die »Judenstadt« errichtet, wo sich die aus der Stadt vertriebenen Juden wieder ansiedeln durften. Daneben entstanden Meierhöfe, Gärten, Lust- und Sommersitze reicher Wiener Bürger und vornehmer Adelsgeschlechter. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte der Untere Werd eine Menge schwerer Prüfungen zu bestehen. So war es »1697 und 1680 wegen der eingerissenen grausamben Contagion (Seuche), so dan auch 1683 der eingefallen Türkhischen Belägerung halber die Bürgerspitallerischen Bier Keller gespört«. Daraufhin suchte das Bürgerspital um »Remission des Bier Täz Bestandts Wenigst auf zwey Jahr« an und außerdem wurde auch noch »Weillen das Breuhauß in der Leopoldstadt durch den Erzfeindt völlig abgebrändt Worden, der völlige Steyrnachlass gesucht«.39 In einem Vergleich trat das Bürgerspital 1688 seine Grundherrlichkeit über die nun nach Kaiser Leopold I. benannte Leopoldstadt an den Wiener Magistrat ab. Dafür verzichtete der Magistrat auf seine Forderungen und sicherte dem Bürgerspital die Befreiung von Taz- und Ungeld zu.40 Dadurch konnte das Brauhaus wieder aufgebaut werden. Da der Eigenbetrieb nicht rentabel war, verpachtete man die Brauerei nach 1733 an mehr oder weniger tüchtige Leitgeben. 1754 wurden 13.000 Hektoliter Bier gebraut, das ist ungefähr das Zehnfache, das heute eine Wirtshausbrauerei produziert. Als Joseph II. 1775 den Prater für das Publikum öffnete, bekam das Brauhaus neue Klientel, zu der sicher auch die Soldaten aus der nahegelegenen Reiterkaserne zählten. Das Bürgerspital wollte an diesem Aufschwung mitverdienen und schrieb deshalb den Pächtern einen fixen Zins vor, so dass diese versuchten, möglichst viel zu produzieren, ohne die Einrichtungen instand zu halten. Damit ging es auch mit der Qualität des Bieres rapide bergab. Eine letzte Blütezeit erlebte das Brauhaus unter Franz Anton Dreher, der es am 1. Oktober 1782 in Pacht nahm und damit nicht nur Geld, sondern auch Ansehen erwarb. Er wurde nicht nur Obervorsteher der Wiener Brauerzunft, sondern konnte aus dem Ertrag für umgerechnet rund 400.000 Euro das damals eher unbedeutende Brauhaus KleinSchwechat erwerben. Wie wir schon wissen, schuf er so die Basis für die Erfolgstory der Familie Dreher. Er blieb allerdings bis 1812 Pächter der Brauerei im Unteren Werd und verpachtete Klein-Schwechat seinem Neffen Johann Dreher. Vermutlich wegen der wirtschaftlichen Probleme während der Franzosenkriege und des viel zu hohen Pachtzinses in der Höhe von 38 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Kaiser Leopold I. (1640–1705)
39 Weschel : Die Leopoldstadt bey Wien, S. 71. 40 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, S. 12. Das Ungeld war der Vorläufer der späteren Verzehr- und der heutigen Getränkesteuer.
Formular aus dem Jahr 1812
Brauhaus auf dem Plan von Vasquez (1827)
16.000 Gulden zog er sich dann aber doch nach Klein-Schwechat zurück und seine Nachfolger wirtschafteten den Betrieb nicht nur zu Tode, sondern brauten ein so schlechtes Bier, das – wie Johann Götz schreibt – er nur trinken konnte, »wenn er gleich darauf etwas anderes, gewöhnlich Salz, auf die Zunge« nahm. Drehers Nachfolger Dominik Hummel legte 1817 die Pacht zurück, musste aber bis zum Ablauf seines Vertrages 1822 trotzdem die Differenz zwischen dem mit ihm vereinbarten Pachtzins und dem niedrigeren Zins seines Nachfolgers Karl Seif bezahlen. Seif ist Die Zweigbrauereien des Bürgerspitals 39
nachweislich in Konkurs gegangen, die letzten Pächter, die Brüder Fischer, konnten nicht einmal mehr die Pacht von 6.416 Gulden verdienen. In den letzten Jahren bekam der Bürgerspitalfonds, wie man so schön sagt, keinen Heller mehr.41 1845 hatte das Bürgerspital an dem »völlig erträgnislos gewordenen Besitz« kein Interesse mehr und verkaufte das gesamte Areal an den Ziegelproduzenten Alois Miesbach, der zum Begründer des »Wienerberger«-Konzerns, dem heute größten Ziegelproduzenten der Welt mit 204 Werken in 30 Ländern42 wurde. Er führte zwar das Brauhaus noch bis 1854, riss es dann aber ab und parzellierte das Grundstück. Wo einst das »Armenfondsbräuhaus« stand, stehen heute zwischen Miesbachgasse und Malzgasse (früher Bräuhausgasse) Wohnhäuser, großteils aus der Gründerzeit, aber auch der 1956/57 von der Gemeinde Wien errichtete Theodor-Herzl-Hof. Das Bürgerspital-Brauhaus in St. Marx
Beginnen wir mit zwei Kurzbeschreibungen von St. Marx aus dem 19. Jahrhundert. Eine lautet : »Am entferntesten Punkte von Wiens Linien gegen Morgen, steht in stiller Abgeschiedenheit, wie der Vorhof der Ruhe und des Friedens, das Versorgungs-Haus und Spital zu St. Marks«43 und in der anderen kann man lesen : »Kein Fleckchen Erde auf der Landstraße dürfte so alterthümliche Bauten aufzuweisen haben, als das ehemalige Bürgerspital zu St. Marx. Hier finden wir noch Baureste aus dem Mittelalter, morsche rauchgeschwärzte verwitterte Mauerruinen, über deren Häupter Jahrhunderte dahinzogen. Jeder Stein, jeder Winkel erzählt da von längst verschwundenen Zeiten.«44 Heute ist freilich nichts mehr davon zu sehen. Die Spitzhacke hat alles zunichte gemacht. Noch 1826 schwärmte Lorenz Novag, der »Med. Doctor, ordentliches Mitglied der med. Fakult. und Professor über physische Erziehung des Menschen« sowie der Physikus des St. Marxer Bürgerspitals war, in seinem Buch, dass »der erste Gegenstand, welcher beym Eintritt in den Hof zu St. Marks unserm Blick begegnet, ist das niedliche gothische Kircherl mit seinem grauen Thurme. Es steht auf einem fast viereckigen Rasenplatze, welchen die Mauern der Bräuhaus-Gebäude umschließen … So wie man aus der Kirche tritt, bemerkt man rechts zwey Räder, die manchem, der St. Marks besuchte, auffielen, und die doch nur ganz einfache Winden sind, durch welche aus dem Keller auf einem kleinen Wagen des 40 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
41 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, S. 23. 42 Internetabfrage 30. 3. 2016 : http:// wienerberger.at/unternehmen. 43 Novag : Das Bürgerspital, S. 5. 44 Kisch : Die alten Straßen, Band VII, S. 426.
St. Marx auf dem Stich von Kleiner (Augsburg 1725)
45 Novag : Das Bürgerspital, S. 46, 52, 197. 46 Hauer : Vom Siechenhaus zum Gemeindebau, S. 1. 47 Pemmer : Aufzeichnungen über die Gebäude des Bezirkes Landstraße. 48 Komzak : Das Kinderspital, S. 8.
Bräuers Bier herauf gewunden wird. Wer an der Bräukunst Freude findet, der trifft hier in den Gebäuden genug für seine Neugierde. Ein Pferd, das stets im Kreise geht, und eine Maschine thätig macht, die das Bier kühlt. Vier Ochsen, die immerfort die nähmlichen Tritte treten, und dadurch eine Maschine treiben, wodurch das Malz geschrotet, und das Wasser viele Klafter hoch getrieben wird.« 45 Auf diesem Flecken Erde gab es damals vielleicht seit rund 430 Jahren, sicher aber seit 120 Jahren eine Brauerei, die gegen Ende ihres Bestehens sogar die drittgrößte des Kontinents werden sollte. 1394 wurde die Anlage bereits als »Bürgerspital zu St. Marks« bezeichnet und es dürfte dort schon eine Brauerei gegeben haben, weil diese in einer Urkunde von Herzog Albrecht III. vom Ungeld befreit war.46 Vielleicht war dies aber auch nur jene Taverne, die in einem Privileg Ferdinands I. aus dem Jahr 1543 erwähnt wird. Dieser Kaiser erlaubte, dass im Siechenhaus »Wein und Pier Unngelt und Aller Beschwärung frey«47 ausgeschenkt werden dürfe. 1617 gibt es wieder eine mögliche Erwähnung eines Brauhauses : »Manche Reisende blieben gleich nach dem Eintritt durch die Marxer Linie im Bürgerspitalwirtshaus zu St. Marx hängen«.48 Mit Sicherheit wissen wir, dass es ab dem Jahr 1707 eine dem Bürgerspital angeschlossene Zweigbrauerei gegeben hat, für die der dort »bestellte Hauspfleger Johann Baptista Küffel« dafür eine Jahresabrechnung »alda Geld Empfang und Ausgaben von Ersten January bis letzten December anno 1707« erstellt hat. Die Zweigbrauereien des Bürgerspitals 41
Das Spital zu St. Marx und das Waisenhaus (Ziegler 1810)
Ab 1733 wurde die Brauerei wie jene am Unteren Werd nicht mehr in Eigenregie geführt, sondern verpachtet.49 Der erste Pächter hieß Matthias Erhardt und wir kennen auch acht seiner Nachfolger, die jedoch teilweise mehr durch Raufhändel als durch rechtzeitige Bezahlung der Pacht auffielen. Im Großen und Ganzen waren sie aber als Brauer durchaus erfolgreich.50 Interessant ist die hier von den Autoren erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellte Urkunde über einen Grundstücksverkauf des Dominicus Potschacher, Bierbräu zu Schwechat nächst Wien am 8. Juli 1758 an den »ehrbaren Gottlieb Trischberger, worfür dessen Vatter, Herr Michael Trischberger, Bräumeister bey dem hochfürstlichen Salzburgischen Bräuhaus zu Hendorff«. Dieser Dominicus Potschacher war 1761–1764 Pächter von St. Marx. Unter ihm kam es zu einer deutlichen Besserung der Finanzen. Diese Urkunde befindet sich im Besitz der Familie, die später noch die Figdor-Brauerei in Schwechat und die Linzer Brauerei Potschacher besaßen. Von Karl Kaltner und Franz Girster wissen wir, dass sie am Beginn des 19. Jahrhunderts sang- und klanglos in Konkurs gegangen sind.51 Ihr Nachfolger war der letzte Pächter, und der hieß Adolf Ignaz Mautner. Er wurde einer der ganz großen der Wiener Brauereigeschichte und der Begründer einer der bedeutendsten Industriellenfamilien Österreichs. 42 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
49 Sailer : Das Bierbrau- und Schank monopol, S. 12. 50 Promintzer : 300 Jahre, S. 58. 51 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, S. 24, und Promintzer : 300 Jahre, S. 38.
Urkunde eines Grundstücksverkaufs 1758 des Brauers Potschacher, 1761– 1764 Pächter in St. Marx
Zuvor hatte es 1782 bis 1784 große Veränderungen in St. Marx gegeben. Kaiser Josef II. schickte die rund 200 Waisen in die neugegründete Pfarre Maria Geburt am Rennweg zur Obhut und die Kranken, Gebärenden sowie Irrsinnigen in das neu errichtete Allgemeine Krankenhaus in der Alserstraße (Altes AKH, Klinikbetrieb seit 1784). Da der Kaiser das Bürgerspital in der Kärntner Straße gänzlich aufhob, wurden die dort untergebrachten städtischen Pfründner in das nun leere St. Marxer-Spital verlegt. »Es wanderten somit schon im Frühjahre 1785 siebenundachtzig Männer und Weiber aus der Stadt in das Bürgerspital nach St. Marx«. Über dem grün und weiß angestrichenen Holztor, dessen Farben man noch bis in die Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts sehen konnte, stand : »Versorgungshaus der verarmten Bürger und Bürgerinnen Wiens«. Der wohl berühmteste Bewohner dieses Versorgungshauses war Josef Madersperger, der Erfinder der Nähmaschine, der hier 1850 völlig verarmt starb. Ein für sehr viele Brauereien der damaligen Zeit unbewältigtes Problem war die Hygiene in der Produktion und die negative Beeinflussung Die Zweigbrauereien des Bürgerspitals 43
Gebäude des Brauhauses (Novag 1820)
der Umwelt. Auch hierfür gibt es einen anschaulichen Text bei Novag : »Die Luft ist übrigens in St. Marks aus manchen Ursachen gegenwärtig nicht die beste. Die Senkgruben der großen Artillerie-Caserne, der Krotenbach, in welchen der Unrath fast zweyer Gebäude fließt, der nah gelegene Donau-Arm, der oft die Erdbeer Maß überschwemmt, und stinkende Sümpfe macht, die vielen Küchengärten, in welchen Kohlstrünke u. dgl. der Fäulnis überlassen werden, und einen Gestank verbreiten, der zu ersticken droht, die Stände für jede Gattung Schlachtvieh, die das Spital fast ganz umschließen, die Dünste, die sich im Bräuhaus so verschieden und häufig entwickeln, die Ausdünstungen selbst von mehr als 300 alten Menschen …«52 Ja, die gute alte Zeit ! Der Beginn der Familie Mautner (Markhof) – das Brauhaus St. Marx Adolf Ignaz Mautner
Das Brauhaus des Bürgerspitals war vor 1840 also in Verfall geraten. Erinnern wir uns an das Pferd und die vier Ochsen in der Beschreibung von Lorenz Novag und den Betrieb, der laut Kisch »kaum den Brauer und seine Familie genügend ernähren« konnte und bei dem »auch das Publicum bei dieser Production gar schlecht wegkam«53. So übernahm 44 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
52 Novag : Das Bürgerspital, S. 54f. 53 Kisch : Die alten Straßen und Plätze, Band VII, S. 434.
Adolf Ignaz Mautner von Markhof (1801–1889)
54 Sein Vorname war bis 1846 Abraham Isaak, sein zweiter Vorname Ignaz kommt vom Bürgermeister Czapka, der sein Taufpate war. 55 Waechter : Fleiss und Wille, S. 7.
Adolf Ignaz Mautner, ein 1801 in Smiřice/Smirsitz geborener Jude54, der das Brauhandwerk in Böhmen gelernt hatte, das Bürger spitalBrauhaus in St. Marx. Er hatte es in der judenfeindlichen Umgebung Böhmens zu einem schönen Vermögen gebracht und wollte nun sein Glück in Wien versuchen. Seine Enkelin Maria Waechter hat erzählt : »Als Mautner die Brauerei übernahm und bei verschiedenen Wirten Anfragen hielt, ob sie nicht sein Bier beziehen wollten, erhielt er zur Antwort, dies könne nur geschehen, wenn die Bierfässer zur Nachtzeit eingelagert würden, damit es die Gäste nicht erfahren, dass man ihnen St. Marxer Bier vorsetze.«55 Er übernahm die Pacht nach Vermittlung, wahrscheinlich auch Überredung durch den Wiener Bürgermeister Ignaz Czapka. Seine Familie bestand aus seiner Frau Julie Marceline und 10 Kindern. Er merkte bald, welche Nachteile er als Jude auch in Wien hatte und ließ sich und seine Familie bereits 1846 taufen. Diese Taufe war notwendig, damit er für seine Familie eine unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis in Wien erhalten und die Brauerei einige Jahre später kaufen konnte. Das war Juden bis 1859 nicht möglich. Noch vor der Taufe war er in der Brauerei sehr erfolgreich. Praktisch zeitgleich mit Anton Dreher in Schwechat begann er ausschließlich untergäriges Bier herzustellen. Es war ein Abzugbier, das von den Gärbottichen direkt in die Lagerfässer gepumpt wurde, wo es in Ruhe ausreifen und hefefrei ausgeschenkt werden konnte. Sein Bier war bald ein Anziehungspunkt im Wiener Prater, wo bis dahin während der Sommermonate kein kühles Bier verkauft werden konnte. Mautner ersparte mit dem Abzugbier den Wirten das problematische Nachreifen in ihren Kellern, ohne dass es im Brauhaus selbst eine lange Lagerdauer benötigte. Er machte die Entdeckung, dass die bis dahin bei den Brauern allgemein herrschende Meinung »dass jedes Bier durch starke Kälteeinwirkung Schaden leiden müsse« vollkommen irrig sei. Es gelang ihm zunächst, das Bier bis in den Mai hinein haltbar zu machen, indem er Eis zu den Fässern legen ließ. 1843 entwickelte er einen eigenen Lagerraumtyp – eine »sinnreich konstruierte Wasser- und Eiskühlvorrichtung mit Schlangenrohren und (in die Gärbottiche eingesetzte) Eisschwimmern«. Sie wurde »Normal-Bierlagerkeller System Mautner« genannt und gewährleistete durch günstig gelagerte Eismassen auch in wärmeren Jahreszeiten eine gleichbleibende Temperatur im Lagerkeller. Damit konnte er den ganzen Sommer hindurch hochwertiges untergäriges Abzugbier liefern. Wir wissen heute nicht, wo er sich dieses Der Beginn der Familie Mautner (Markhof ) – das Brauhaus St. Marx 45
Wiener Neustädter Kanal beim Queren der St. Marxer Linie, im Hintergrund der Schornstein der Brauerei
Wissen angeeignet hat und ob er seine Erfahrungen mit Anton Dreher austauschte, wofür aber einiges spricht. Er konnte die Produktion von rund 36.000 Hektolitern im Jahre 1840 bis zu seinem letzten Produktionsjahr 1875 versiebenfachen. Dafür benötigte er zahlreiche Zubauten und den Einsatz der Dampfkraft. Die erste Dampfmaschine zum Wasserschöpfen und Malzputzen und -schroten erstand er schon 1845 bei der ersten großen Wiener Gewerbeausstellung von der Wiener Maschinenfabrik Specker. Mautner konnte es sich leisten, in den ersten 1850er Jahren 130.000 Gulden für die neuen Einrichtungen zu investieren. Als er vom Bürgerspital 80.000 Gulden Zuschuss dafür verlangte, verkaufte man ihm 1857 lieber die Brauerei »samt der Braugerechtigkeit, das Wirtshaus mit der Schankgerechtigkeit, das Backhaus mit der Backgerechtigkeit, die Schmiede, das Versorgungshaus, die Gärten und Äcker um den Betrag von 275.000 Gulden«56. Das Bürgerspital wusste, dass es bald keinen Bedarf mehr an den Gebäuden haben würde, denn das neue Bürgerversorgungshaus in der Währinger Straße war damals bereits in Planung und Realisierung. Da sich Mautner während der Revolution sehr kaisertreu verhalten hatte, erwarb er sich die Anerkennung des jungen Kaisers Franz Joseph, der die Brauerei bereits in seinem zweiten Regierungsjahr besichtigte. Er »würdigte dasselbe einer eingehenden Besichtigung« und drückte dem Eigentümer für seine Verdienste und Bemühungen »die kaiserliche Anerkennung in den gnädigsten Worten« aus. Mautner und seine Gattin Julie wussten auch in den folgenden Jahren, was der Kaiser von ihnen 46 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
56 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, S. 25, und Akten des Bürgerspitalfonds (Wirtschaftskommission) Fasz. 2, No. 1. 275.000 Gulden wären auf den heutigen Geldwert umgerechnet 4,1 Mio. Euro.
Brauereigelände mit Bierfuhrwerke
erwartete. Der prägnante Backenbart, der das Gesicht von Adolf Ignaz und auch einiger seiner Nachkommen zierte, war sicher eine Hommage an Franz Joseph. Die Familie stiftete unter anderen in Wien das Kronprinz-Rudolf-Kinderspital mit einem Betrag von 150.000 Gulden (ca. 1,5 Mio. Euro), im Ort ihrer Sommerfrische Baden einen Schulkinder- und Waisenfonds und in ihrer Heimatgemeinde Smiřice ein Altenpflegeheim. 1872 wurde Adolf Ignaz wegen seiner industriellen und humanitären Verdienste als »Ritter von Markhof« als einer der wenigen geborenen Juden in den Adelsstand erhoben. Er schrieb unter sein Wappen die Worte : »Fleiss und Wille«. »Er war stets eingedenk des weisen Der Beginn der Familie Mautner (Markhof ) – das Brauhaus St. Marx 47
Spruches jenes griechischen Philosophen Apolonius, der da sagte : Wenn man arm ist, muss man ein Mann sein und wenn man reich ist – ein Mensch«, schreibt Maria Waechter in der Biografie, die den Wappenspruch als Titel hat. Der Adelstitel wurde von der Familie stets mit Stolz bis in die Gegenwart getragen. Sie hat es auch als eine von ganz wenigen Familien geschafft, den Adelsnamen nach Ende der Monarchie in den Familiennamen – natürlich ohne das »von« – überzuführen, so dass sie bis heute »Mautner Markhof« heißen. Das »von« steht aber auch auf den Grabplatten jener Familienmitglieder, die bereits in der Republik geboren wurden und die letzten, oft als Bier- und Senfbarone bekannten Mautner Markhof, ließen sich noch am Ende des 20. Jahrhunderts gerne mit »Herr von Mautner« ansprechen. Nach dem Kauf der Brauerei und dem Auszug der Pfründner baute Adolf Ignaz Mautner das Gelände in St. Marx total um. Auf den alten Spitalsgarten baute man Stallungen, Zimmermanns- und Tischlerwerkstätten und die Dachböden dienten als Malztennen und Malzdörren. Mehrere Häuser, wie z. B. das alte Schmiedhaus wurden niedergerissen, alle Bäume, bis auf eine alte Akazie mitten im Hof, wurden umgeschnitten, um Platz zu gewinnen. Das neue Verwaltungsgebäude entstand an Stelle der ehrwürdigen, aber längst entweihten Kapelle des heiligen Markus, die aber einige Jahre später fast baugleich auf dem Gelände des Kinderspitals wieder aufgebaut wurde und noch immer als Elisabeth-Kapelle in der Nähe der U-Bahnstation Schlachthausgasse steht. Den Kauf der Brauerei konnte er sich nur leisten, weil ihm gemeinsam mit den Brüdern Reininghaus, die später seine Schwiegersöhne wurden und die Brauerei in Graz gründeten, eine Produktionsmethode für Presshefe geglückt war. Die Bäcker verwendeten seit langer Zeit die Hefe des obergärigen Bieres. Als dieses Bier nach 1840 außer Mode kam, wurden sie mit der neuen, aus untergärigem Bier gewonnenen Stoff nicht glücklich. Sie war zu dunkel, bitter und besaß zu wenig Triebkraft. Die Bäckerinnung schrieb einen Preis in der Höhe von 1.000 Gulden aus und versprach eine große goldene Medaille dem, der ein entsprechendes Gärungsmittel kostengünstig herstellen konnte. Mautner gewann beides im Jahre 1847 für seine Presshefe. Zur Produktion baute er in Floridsdorf und Simmering eigene Fabriken, die von seinen Söhnen Georg und Carl Ferdinand geführt wurden. Der Weg für einen neuen lukrativen Industriezweig stand nun offen. 48 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Pavillon der Firma Mautner Markhof & Sohn bei der Weltausstellung 1873 in Wien
Ein Höhepunkt des Lebens von Adolf Ignaz war die Weltausstellung 1873 in Wien, wo er in einem imposanten Pavillon die breite Produktpalette präsentierte, die sich längst nicht nur ausschließlich auf Bier und Hefe beschränkte. Als er 1881 die goldene Hochzeit im Kreise seiner Familie, dem Braupersonal und allen anderen Bediensteten des Hauses feierte, erhielt der »Patriarch der Arbeit« als einziger Brauherr zu diesem Anlass vom Gemeinderat das Ehrenbürgerrecht der Stadt Wien verliehen. Er gehörte damit zu den am meisten ausgezeichneten Industriellen der Gründerzeit. Adolf Ignaz starb am 24. Dezember 1889 fast 90-jährig in seinem Haus am Franziskanerplatz 1, das er 1869 erworben hatte und wo noch immer Nachkommen seiner Familie wohnen. Er wurde am Wiener Zentralfriedhof in einer eindrucksvollen Familiengruft bestattet. Carl Ferdinand und Viktor Mautner von Markhof
Carl Ferdinand Mautner von Markhof (1834–1896)
In den 1850er-Jahren nahm Adolf Ignaz seinen ältesten Sohn Carl Ferdinand, der 1834 noch in Smirsitz geboren wurde, als »Associé« ins Geschäft. 1875 zog er sich 75-jährig für immer ins Privatleben zurück und überließ die nach dem Produktionsende der Brauerei im Lichtental nun einzige Brauerei Wiens innerhalb des Linienwalls seinem Sohn. Da die Konkurrenz zu Dreher damals sehr groß war, konnte sich der neue St. Marxer Brauherr nicht auf den Lorbeeren seines Vaters ausruhen. Er Der Beginn der Familie Mautner (Markhof ) – das Brauhaus St. Marx 49
war vielmehr gezwungen, die Produktion laufend zu steigern. Da war er auch sehr erfolgreich, weil das Abzugbier wesentlich preiswerter als Drehers Lagerbier war. Es wurde bevorzugt von den Arbeitern getrunken, so dass in Wien der Marktanteil bald 75 Prozent betrug. Dreher belieferte dafür nicht nur die ganze Monarchie, sondern alle Kontinente und sein Bier punktete durch hohe Qualität. Aber auch St. Marx exportierte Bier nach Deutschland, Italien, Schweiz, Rumänien und die Türkei, und auch dafür wurden eigene Eiswaggons konstruiert. Die wohltätigen Stiftungen seiner Eltern wurden von ihm weiter ausgebaut. Er ließ das Kinderspital erweitern und wendete dafür einen hohen fünfstelligen Guldenbetrag auf. Trotzdem konnte Carl Ferdinand mit der großen Konkurrenz und den familiären Problemen nicht fertig werden. Im Frühjahr 1896 wurden Betrügereien in der Brauerei bekannt, von denen er wahrscheinlich nichts wusste, für die er aber von der antisemitischen Presse mitverantwortlich gemacht wurde.57 Außerdem gab es seit seiner zweiten Heirat mit der Frauenrechtlerin Edith Sunstenau von Schützenthal zunehmende Probleme. Während er vor dieser Heirat seine Töchter mit Adeligen verheiraten konnte, heirateten danach die anderen Töchter entgegen seinem Willen, aber mit Billigung seiner Ehefrau Künstler, wie die Sezessionisten Kolo Moser und Josef Engelhart. Er soll zunehmend in eine tiefe Depression verfallen sein und beendete 1896 sein Leben durch einen Kopfschuss mit der Schrotflinte. Die Familie konnte nur mit Mühe ein kirchliches Begräbnis durchsetzen, indem sie den Tod auf eine Medikamentenvergiftung zurückführte58. Auch sein Bruder August endete durch Selbstmord. Er stürzte sich im Jahre 1883 »im Irrsinn« aus dem Fenster. Carl Ferdinands Sohn Viktor übernahm nach dem plötzlichen Tod seines Vaters das zur drittgrößten Brauerei am europäischen Kontinent herangewachsene Unternehmen. Es waren zu dieser Zeit 60 Beamte und 1000 Arbeiter beschäftigt. In diesem Jahr wurden bereits 540.690 Hektoliter gebraut und man näherte sich immer mehr dem Ausstoß des großen Konkurrenten in Klein-Schwechat. Im Gegensatz zu Dreher, dessen Betrieb durch häufige Streiks, Aussperrungen von Arbeitnehmervertretern und harte Arbeitskämpfe auffiel, durfte in St. Marx kein Beamter und kein Arbeiter ohne besonderes eigenes Verschulden entlassen werden. Es wurde versucht – soweit das nach dem damaligen Zeitgeist möglich war – die Arbeiter an das Unternehmen zu binden und zu erreichen, dass aus ihnen keine widerwilligen 50 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
57 Besonders der von Karl Lueger unterstützten Reichspost waren Großindustrielle, noch dazu mit jüdischem Hintergrund, ein Dorn im Auge und sie berichtete ausführlich über diese Affäre, siehe Reichspost vom 18. Juni 1896, S. 4. 58 Neue Freie Presse vom 2. September 1896, S. 6.
Brauereigelände 1908
Innenhof der Brauerei mit Ochsenfuhrwerken um 1910
Lohnsklaven, sondern engagierte Mitarbeiter wurden. Das Interesse des Chefs sollte sich möglichst mit dem eigenen decken und ihr Schicksal sollte mit dem des Unternehmens verflochten sein. Der Lohn wurde nach der Anzahl der Dienstjahre gesteigert und zu Neujahr wurden besondere Remunerationen verteilt – je nach Tüchtigkeit, guter Führung und Verdienst. Es gab eine umfangreiche Sozialunterstützung, modern ausgestattete Bäder im Betriebsgelände, eine Kantine, in der Speisen und Getränke – unbeschadet dem Freitrunk, den die Angestellten bezogen – in guter Qualität gegen mäßiges Geld verabfolgt wurden. Schließlich wurden Arbeiterwohnungen fast unentgeltlich samt Beleuchtung, Beheizung und Wäsche gebaut. Der Beginn der Familie Mautner (Markhof ) – das Brauhaus St. Marx 51
Victor Mautner von Markhof (1865–1919) Innenhof der Brauerei um 1910
Innenhof der Brauerei
Der 1865 geborene Victor Mautner Markhof gehörte zu den angesehensten Bürgern Wiens. Als Mitglied der vornehmen Wiener Gesellschaft bekam er etliche Orden und Auszeichnungen vom Kaiser (aber immer eine Stufe weniger als Dreher) und war einige Jahre Präsident des Brauherrenvereins für Wien und Umgebung. Wie Dreher war er einer der führenden Persönlichkeiten beim Pferdesport, der – wie heute Golf – 52 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Lageplan der Brauerei vor 1910
damals der Sport der Wirtschaftskapitäne war. Victor gewann mit seinen Pferden auch einmal das bedeutende Wiener Traberderby und war gern gesehenes Mitglied des exklusiven Jockeyclubs, auch wenn er wie Anton Dreher dort nicht bis in die Clubspitze vordrang. Außerdem gewannen Drehers Pferde das bedeutende Traberderby zweimal. Mautner Markhof musste aber auch seine neun Schwestern auszahlen, was ein hoher finanzieller Aufwand war. Inwieweit er psychisch an der großen Konkurrenz zum Schwechater Brauherren scheiterte, kann man nur vermuten. Der Beginn der Familie Mautner (Markhof ) – das Brauhaus St. Marx 53
Haupteinfahrt in die ehemalige Brauerei um 1930
Leider war er auch ein Spieler, der ein Vermögen an den Spieltischen der Casinos verlor, so dass ihn seine Cousins Georg II. und Theodor entmündigen ließen. Diese Cousins waren die Kinder seines Onkels Georg I. und erzeugten in Floridsdorf nicht nur Presshefe und Spiritus, sondern seit 1893 auch in der St. Georgs-Brauerei ein vorzügliches Bier und agierten wesentlich erfolgreicher als das »schwarze Schaf der Familie« in St. Marx. 1913 kam es zur Fusion mit der Anton-Dreher-Aktiengesellschaft in Schwechat, wobei die Simmeringer Brauerei der Familie Meichl ebenfalls einbezogen wurde.59 In den neu entstandenen »Vereinigten Brauereien Schwechat, St. Marx, Simmering – Dreher, Mautner, Meichl A.-G.« bekam Victor zwar noch den Posten des Vizepräsidenten, doch die Familie war finanziell schwer angeschlagen und konnte sich erst in den späteren 1930er Jahren wieder erholen. Das gelang hauptsächlich, weil ihre Unternehmen neben Bier und Hefe auch Branntwein, vor allem aber viele andere Lebensmittel wie Essig, Fruchtsäfte und Senf erzeugten und in Ostösterreich bei einigen dieser Nahrungsmittel fast Monopolisten waren. 1936/37 konnte Victors Neffe Georg III. deshalb die Vereinigten Brauereien von einem Bankenkonsortium, das nach dem Aussterben des österreichischen Zweiges der Familie Dreher die Aktienmehrheit erworben hatte, zurückkaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine neue Mautner-Erfolgs story, auf die wir im Kapitel über die Schwechater Brauerei zurückkommen werden. St. Marx spielte da keine Rolle mehr, diese Brauerei wurde 54 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
59 Anton Dreher war mit Katharina Meichl verheiratet und es gab auch sonst einige familiäre Bande zwischen der Schwechater Direktorenfamilie Aich und der Familie Meichl, siehe dazu Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 85.
Innenhof der ehemaligen Brauerei um 1930
1916, drei Jahre vor Victors Tod, für immer geschlossen. Von der Fabriksanlage ist heute nichts mehr zu sehen, sie wurde im Jahr 1945 durch Bomben schwer beschädigt und danach abgebrochen. 1953–56 errichtete hier die Gemeinde Wien einen Wohnhauskomplex, der Maderspergerhof genannt wird. Einzig die geräumigen Kelleranlagen, die während des Zweiten Weltkriegs unter dem Decknamen »Maria« der Rüstungsproduktion dienten, sind unter der sogenannten »Stadtwildnis« erhalten geblieben. Der Playboy auf der Landstraße – die Brauerei Neuling
60 Pemmer : Schriften zur Heimatkunde Wiens, S. 125–130 und Pemmer : Das Neuling’sche Brauhaus.
In der Vorstadt Landstraße gab es während der Biedermeierzeit eine fast schon vergessene, weil nur 50 Jahre bestehende Brauerei mit einem berühmten Vergnügungspark. Dass man doch einiges über sie weiß, verdanken wir dem bekannten Wiener Lokalhistoriker Hans Pemmer, der ihr eine seiner umfangreicheren Studien gewidmet hat.60 1817 kaufte der aus Neuwied am Rhein stammende, damals bereits 73-jährige unternehmenslustige Wiener Bürger und Juwelier Bruno Neuling in der damaligen Grasgasse (die heute nach ihm und seinem Sohn Neulinggasse benannt ist) mehrere Realitäten, und zwar das Pruckberger’sche Haus (heute Landstraßer Hauptstraße 52–54), den anschließenden Jakoberstadel des Der Playboy auf der Landstraße – die Brauerei Neuling 55
Brauhaus Neuling am Plan von Vasquez (1827)
Klosters St. Jakob ob der Hülben (heute Neulinggasse 21–25) und das dahinter gegen die heutige Strohgasse liegende Fux’sche Gartenhaus. Er hatte zwar nicht viel Ahnung vom Bierbrauen, aber er profitierte als erster davon, dass durch das Regierungsdekret vom 21. November 1815 das Brauereigewerbe nicht mehr konzessioniert war61 und er nur das nötige Kapital nachweisen musste. Bereits am 24. Oktober 1817 konnte man im »Allgemeinen Intelligenzblatt zur Wiener Zeitung« lesen : »Unterzeichneter ist beauftragt, von Seite des Neulingschen Brauhauses in der Ungargasse auf der Landstraße den werthesten Herren Abnehmern anzuzeigen, dass er die Erzeugung des bekannten Unterzeug-Bieres angefangen hat und dessen Verschleiß mit 1. November beginnen werde. Nikolaus Schmidtler, Bierversilberer.«62 Bruno Neuling starb einen Tag nach dem Erscheinen dieses Inserats an »Uibersetzung des Gichtstoffes auf die Baucheingeweide« und hinterließ den Besitz und ein Vermögen von fast 250.000 Gulden (ca. 3,2 Mio. Euro) seinen Söhnen Vinzenz und Bruno. Der 22-jährige Vinzenz übernahm die Brauerei, fiel aber vorerst nur durch sein extravagantes Leben auf. Legendär wurde sein Ausflug nach Paris mit mehreren vierspännigen Extrapostkutschen, um sich dort »in jeder möglichen Weise« zu unterhalten, wie der spätere Wiener Bürgermeister Kajetan Felder in seinen Memoiren berichtet. Für den jungen Felder, der in der Nähe des Brauhauses wohnte, war das Zusammensein mit seinen Eltern im Neuling’schen Bräuhaus der schönste Abschluss eines Sonntags : »Und doch gab es da keine andere Lust als, abgeschlossen von gestutzten Sträuchern, auf einer ungehobelten Bank an einem Gartentisch zu sitzen, 56 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
61 Czeike : Historisches Lexikon Wiens, Band 4, S. 383. 62 Allgemeines Intelligenzblatt zur Wiener Zeitung vom 24.10.1817
Vinzenz Neuling (1795–1846)
63 Felder : Erinnerungen eines Wiener Bürgermeisters, S. 11.
eine Bänkelmusik zu hören, ein Stückchen Käse oder Salami … mit einer Schnitte Hausbrot zu bekommen und einen Schluck von einem Bier zu kosten, das man heutzutage für einen Absud aus einem Dürrkräutlerladen halten würde. Die verschiedenen Sorten Bier – Bayrisch, Englisch, Gemischt, Märzen, Lager – standen damals in offenen ›Pitschen‹ in der Schankbude im Sonnenschein … Das größte Vergnügen fanden wir Kinder darin, uns im sogenannten ›Labyrinth‹ des Gartens, das aus einigen verzweigten Irrgängen bestand, herumzutummeln und eines dem anderen nachzujagen.«63 Eine schöne Schilderung eines Bierhauses um 1820. Wir wissen auch, dass der 1795 geborene Vinzenz Neuling, der zu seiner Zeit so bekannt war wie heute Baumeister Lugner, mit einer der bekanntesten Kurtisanen Wiens liiert war. Die aus Graz gebürtige Magdalena Niedersüß heiratete nach einer Liaison mit dem Fürsten Alois Kaunitz den Grafen Karl Albert Festetics und wurde damit zur Gräfin. So wird sie 1823 als »Concubine« von Vinzenz Neuling und ein Jahr später als seine Wirtschafterin bezeichnet. Die beiden scheinen laut Pemmer wegen ihres Lebenswandels einige Male in den Polizeiakten auf. Neuling ließ sich gerne als »Wohltäter« bezeichnen. Den einzigen Nachweis dafür erbrachte er nach der großen Überschwemmung 1830, als er eigenhändig den Obdachlosen Brot, Wurst und Wasser brachte. Trotzdem gelang es ihm zur Überraschung aller, das väterliche Erbe sogar noch auszubauen. Er ließ auf dem Grundstück der Landstraßer Hauptstraße den Gasthof vom Vormärzbaumeister Peter Gerl umbauen, der mit dem ebenfalls umgebauten Wintersalon eines der beliebtesten Der Playboy auf der Landstraße – die Brauerei Neuling 57
ergnügungslokale von Wien wurde. Es wurden zwar keine Eintritts V preise verlangt, dafür waren die Bierpreise »geschmalzen«. Josef Richter schreibt in seinen »Briefen eines Eipeldauers«, dass »die Bierpreise mit 54, 40 und 26 kr. so hohe seien, dass er sie fast für Weinpreise gehalten hätte«. Eipeldauer trank dort Porter und Märzenbier, fand es aber nicht so gut wie in der Möhrung, einem damals sehr beliebten Bierlokal in der Spänglergasse.64 Die Brauerei war für die damalige Zeit sehr modern ausgestattet und besaß beispielsweise eine niederländische Malzdarre und ein Sudhaus mit zwei kupfernen Braupfannen und zwei Brunnen, die durch Pferde oder Maschinen zu betätigen waren. In der Ungargasse befand sich das Gastzimmer mit neun Tischen und 26 Sprossensesseln. Dahinter lag in Richtung der heutigen Strohgasse ein schattiger Garten, über den uns der schon bekannte Novag berichtete : »Wen Durst und Müdigkeit zum Ausruhen zwingt, der findet in dem Garten des Bräuhauses des Bruno Neuling alle Bequemlichkeit.«65 Es gab dort 45 Kastanien- und 100 Akazienbäume sowie einen großen Wintersalon mit achtzehn steinernen Figuren. Der rund 3.300 Quadratmeter große Garten fasste 700 bis 800 Personen, die meist aus den besseren Bevölkerungsschichten kamen66. Das Ausmaß der Realität kann man in den bekannten Plänen von Graf Vasquez (Blatt Landstraße) deutlich sehen. Im »Neuling« spielten alle bekannten Musikkapellen Wiens wie die von Philipp Fahrbach und Johann Drahanek, der hier 1836 erstmals auftrat. Auch Josef Lanner und Johann Strauss Vater konzertierten in der Ungargasse. Im Fasching gab es Maskenbälle, im Sommer Feuerwerke, als häufige Gäste erschienen auch Franz Schubert mit seinen Freunden. 1837 rangiert die Brauerei mit einem jährlichen Ausstoß von 35.000 Hektolitern unter den größten in Wien und wurde im Buch »Der Fremde in Wien« von Hebenstreit so gerühmt : »In den Vorstädten wird der sogenannte Neulinger Brauhausgarten am meisten besucht.« Ins Stadtgespräch brachte Neuling seine Brauerei im Jahr 1834. In der Wiener Zeitung vom 2. April 1834 wurde in einem ganzseitigen Inserat67 eine Lotterie angekündigt, deren erster Preis die Brauerei selbst war. Dieser Preis konnte jedoch mit 300.000 Gulden abgelöst werden. Ganz Wien sprach von dieser Lotterie, ein zeitgenössischer Schriftsteller schrieb : »Ganz Wien und bis nach Linz hinauf sprach man von nichts als dem großen Neulingschen Brauhaus. Vornehme und Geringe, alle Wirte, Kellner und Stubenmädchen hatten Lose und hofften, mit 5 Gulden Herr oder Frau bürgerliche Braumeisterin zu werden.«68 Eine solche 58 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Zeitungsausschnitt 1834
64 zitiert nach Pemmer : Schriften zur Heimatkunde Wiens, S. 127. 65 Novag : Das Bürgerspital, S. 44f. 66 Kisch : Die Wiener Straßen, Band VIII, S. 486f. 67 Allgemeines Intelligenzblatt zur Wiener Zeitung vom 2. 4. 1834. 68 zitiert nach Pemmer : Schriften zur Heimatkunde, S. 128.
Zeitungs-Annonce 1875
August Wedl
Versteigerung war damals in Wien nicht etwas Einmaliges, auch das Theater an der Wien wurde wegen finanzieller Schwierigkeiten der Besitzer zweimal versteigert. Das Ganze endete aber immer damit, dass sich der Gewinner nur den Hauptpreis in Gulden auszahlen ließ. Der Besitzer zahlte auch die übrigen Gewinner aus, behielt aber seinen Besitz und dazu noch ein beträchtliches Körberlgeld, weil die Versteigerung weit mehr einbrachte als der Besitz wert war. Versteuern brauchte er nichts, Glücksspielsteuern sind erst den Finanzministern der Republik eingefallen. Neuling hat dadurch diesen Marketinggag als Brauherr überlebt und sicher auch viel Werbung für sein Haus gemacht. Er starb am 4. Oktober 1846 an Lungenlähmung und hinterließ seiner Freundin, der Gräfin Festetics, ein Vermögen von 36.000 Gulden. Sein Grabmal ist heute noch im Gräberhain des Schubertparks in Währing zu finden. Die Gräfin verkaufte noch im gleichen Jahr die Brauerei samt Vergnügungspark an den Bierbrauer August Wedl, der eine wichtige Rolle in der Wiener Brauereigeschichte spielt. Er wurde 1825 in Wien geboren und kam im Alter von 16 Jahren als Lehrling in die Brauerei des Josef Gierster in Gaudenzdorf. 1843 wurde er freigesprochen. Unmittelbar danach begab er sich, wie es zu jener Zeit üblich war, auf Reisen, um die Einrichtungen und Braumethoden fremder Brauereien zu studieren und seine Kenntnisse im Braufach sowie »seinen Gesichtspunkt im Allgemeinen« zu erweitern. Als vielerfahrener, tüchtiger Fachmann »mit gestähltem Charakter, ein ganzer Mann«, kehrte er nach längerer Abwesenheit nach Wien zurück. Er führte das Brauhaus in den nächsten zwei Jahrzehnten konstant als eine der sieben größten Braustätten Wiens und wurde bereits im Jahre 1854 zum Untervorsteher der Genossenschaft der Bierbrauer (später Brauherrenverein benannt) gewählt. Von 1856 bis 1859 fungierte er dort als Vorsteher. Auch unter ihm traten bedeutende Volkssänger im Brauhaus-Etablissement auf, so der Reformator des Volkssängerwesens, Johann Baptist Moser, ebenso der nicht minder beliebte Karl Kampf. Der Eintrittspreis betrug 20 Kreuzer. Durch Jahrzehnte hindurch blieb es ein Volkssängerlokal. Die Brauerei selbst konnte sich jedoch langfristig nicht gegen die neu entstehenden industriellen Bierfabriken durchsetzen. So kam es zu einem Deal mit dem Hütteldorfer Brauherrn Anton Bergmiller, der 1867 die Brauerei übernahm, stilllegte und nur die dringend benötigte Mälzerei noch eine Zeit lang weiter betrieb. August Wedl »kaufte« sich im Gegenzug damit als Direktor in die Hütteldorfer Brauerei ein und wird Der Playboy auf der Landstraße – die Brauerei Neuling 59
Braugasthof um 1980
uns dort wieder begegnen. Die Produktionsgebäude einschließlich der Mälzerei wurden noch im 19. Jahrhundert abgerissen und mit Zinshäusern verbaut, nachdem von 1867 bis 1879 dort noch die (Druckerei-) Maschinenfabrik Kaiser untergebracht war. Auch unter Wedls Nachfolger traten im weiterbestehenden Vergnügungslokal an jedem Tag eine andere Volkssängergruppe auf, u. a. Leopoldine Kutzel am Montag, Louise Montag mit Edmund Guschelbauer am Dienstag und ein Tanzkränzchen am Samstag. An Sonn- und Feiertagen gab es Militärmusik. 1886 erwarb J. Renz das Lokal (»Renz Etablissement«). Er veranstaltete Wäschermädelbälle, Liedertafeln des Männergesangsvereins mit der Kapelle Eduard Strauß und Sommerliedertafeln des Wiener Männerchors mit der Hoch- und Deutschmeisterkapelle. Später waren hier das Gasthaus Schreder, das Café Hoffmann »Zum Neuling« und danach ein griechisches Restaurant untergebracht. Zu dieser Zeit war der große baumbestandene Gastgarten bereits stark verwildert. 1980 wurde schließlich auch dieser Gebäudekomplex abgerissen und 1988 ein Miet- und Bürohauskomplex errichtet.69 Nun erinnert nur mehr ein einsamer Baum im Hof der Häuser Neulinggasse 21 und 23 an die Brauherrlichkeit des Biedermeierlokals.70 69 Klein, Kupf, Schediwy : Stadtbildverluste Wien, S. 140. 70 Ziak : Landstraßer Handbuch, S. 111.
60 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Lageplan der vormaligen Brauerei
Vier Besitzer in zehn Jahren – das Brauhaus auf der Wieden
71 Jahrschilling und Strafbuch der Bierversilberer in der k.k. Haupt- und Res.Stadt Wien 1700–1868. 72 Archiv des Stiftes Klosterneuburg : Kart. 2405. 73 Archiv des Stiftes Klosterneuburg : Kart. 2136. 74 Schimmer : Neueste Gemälde von Wien, S. 190. 75 Der Fremdenführer in Wien, S. 19.
Bei keiner Wiener Brauerei haben die Besitzer so schnell gewechselt wie auf der Wieden. Die Hauptstraße dieser Vorstadt war als Verlängerung der Kärntner Straße seit dem 12. Jahrhundert der wichtigste Verkehrsweg von Wien nach Triest und Venedig. An dieser Ausfallstraße, »gleich ums Eck hin« zum Blecherne-Turm-Feld, gab es einmal kurzfristig eine Brauerei.71 Viel ist aber nicht bekannt. 1829 scheint im Häuserverzeichnis ein Georg Freiherr von Pfisterer als Eigentümer des zweistöckigen Hauses Nr. 393 in der »Blecherne Thurmfeld Gasse«, Ecke »Mittelgasse«, der heutigen Rainergasse, auf. Damals war noch von keiner Brauerei die Rede. 1833/34 ist jedenfalls Anton Kalsner (Kalßner) der Besitzer der Realität und dortiger Braumeister. Aus diesem Jahr ist uns ein Arbeitszeugnis für einen gewissen Carl Kösler und ein Ansuchen um Ehebewilligung an die Stiftsherrschaft Klosterneuburg erhalten geblieben.72 Ebenso war der Braugeselle Anton Nusser in diesem Jahr im »Brauhaus Wieden« beschäftigt.73 Kalsner betrieb schon in den 1820er-Jahren am Mittersteig eine Branntwein- und Liqueurerzeugung. Im Häuser-Schema von Wieden wird 1836 bereits Franz Nagl als Besitzer des Hauses genannt. 183774 und 184175 wird auf »der alten Wieden, in der Blechernenthurmgasse« die Brauerei ebenfalls erwähnt. 1842 scheint dann im Häuser-Schema der Tuchhändler und Philanthrop August von Perko als Brauhaus-Inhaber auf. Vier Besitzer in zehn Jahren – das Brauhaus auf der Wieden 61
1844 wird Franz Beer als Betreiber der Gastwirtschaft genannt.76 Damals dürfte hier nicht mehr gebraut worden sein, denn statt einer Brauerei ist die Tischlerei eines Josef Epple verzeichnet. Später wurde der Gebäudekomplex nur mehr als Zinshaus mit 49 Wohnungen genutzt. 1957/58 errichtete man an seiner Stelle ein neues Wohnhaus. Der Sprengsatz des Bürgerspital-Biermonopols – das Brauhaus der Herrschaft Margareten
Im Margaretner Schloss, dessen Reste in den 1990er Jahren generalrenoviert wurden, befinden sich einige sehr gemütliche Lokale. Die wenigsten Gäste, die in einer dieser Gaststätten Margareten-Bräu trinken, werden wissen, dass es das schon mehr als 300 Jahre vorher gegeben hat. Das heute ausgeschenkte Bier ist kein Eigenbräu, sondern wird aus Tschechien importiert. Doch schräg vis-à-vis vom Schloss, wo heute der imposante, vom bekannten Architektenpaar Fellner & Helmer errichtete Margaretenhof steht, befand sich eine der ältesten Wiener Brauereien. Im Keller der Stiege 12 sind die Brauereigewölbe erhalten geblieben77, aber über dem Straßenniveau ist von einem Brauhaus nichts mehr zu sehen. Durch eine Zeichnung in der mehrbändigen Buchreihe von Wilhelm Kisch und dem bekannten Wien-Plan von Daniel Huber aus der Barockzeit wissen wir, wie die Brauereigebäude ausgesehen haben. Wie wir wissen, galt das Braumonopol nur für die im Wiener Burgfrieden liegenden Gebiete, nicht aber für die wenigen Grundherrschaften, die es bis ins 18. Jahrhundert noch innerhalb der Vorstädte gab. Eine dieser Grundherrschaften war Margareten, wo 1373 erstmals ein Gutshof genannt wird. 1395 stiftete Rudolf Tirna, der damalige Besitzer dieses Guts zusammen mit seiner Gemahlin und seinem Bruder, eine der heiligen Margaretha von Antiochia geweihte Kapelle. Nach ihr wurde die Herrschaft Margareten benannt. Die früher weitverbreitete Meinung, dass der Name von Margarethe Maultasch komme, die dort tatsächlich 1363 kurzfristig ihren Witwensitz gehabt hatte, ist daher falsch. Um diesen Gutshof bildete sich nun ein Ort. Seit wann aber in diesen Gemäuern Bier gebraut wurde, weiß man nicht mehr. 1594 wird jedenfalls das damals bereits als baufällig bezeichnete Bräuhaus erwähnt. Es dürfte auf den ungarische Hofkanzler und Primas-Erzbischof von Gran, Miklós (Nikolaus) Oláh zurückgehen, der das bei der ersten Türkenbelagerung zerstörte Schloss und die St.-Margarethen-Kapelle wie62 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
76 Handels- und Gewerbe-Adressbuch von Wien für 1845, S. 165. 77 Czeike : Historisches Lexikon, Band 4, S. 160.
Das komplette Brauhaus aus der Vogelperspektive (Huber 1769–73)
Schloss Margareten, daneben rechts der Brauhaus-Komplex
78 Maurer : Vorstadt Margareten, S. 45ff.
der aufbauen ließ und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mit dem Bierbrauen begann. Darauf wies auch eine Marmorplatte hin, die sich über dem »kleineren Thore des inneren Schlosshofes« mit der Jahreszahl 1578 befand. Ab diesem Zeitpunkt war das Brauhaus Teil der gutsherrschaftlichen Dominikalgründe und wechselte sehr oft den Besitzer.78 1619 und
Der Sprengsatz des Bürgerspital-Biermonopols – das Brauhaus der Herrschaft Margareten 63
1630 wurden aus dem Bräuhaus zwischen 10 bis 36 Hektoliter Bier jährlich in die Residenzstadt gebracht.79 1683 wurde das Gut mitsamt dem Bräuhaus wegen der herannahenden Türken niedergebrannt. 1690 kam Hans Ehrenreich von Oppel durch Heirat in den Besitz der Herrschaft und baute die Brauerei neu auf. Da er zuvor die Herrschaft Droß (auch Troß oder oft Trost genannt) besaß und von dort sehr erfolgreich Haferbier (es wurde auch »Horner Bier« genannt) nach Wien brachte,80 errichtete er hier nun auch für diesen Biertyp ein eigenes Sudhaus. Von diesem aus Hafermalz gebrauten Getränk berichtete uns der Jedleseer Brauherr Anton Bosch in seinen Memoiren : »Das sogenannte Horner Bier wurde nur in kleinen Quantitäten im Brauhaus Margarethen erzeugt. Dieses Bier war licht, säuerlich und trübe, moussierte stark und wurde in steinernen Krügen getrunken.«81 1709 vererbte Oppel seinem Stiefsohn Franz Anton Graf von Sonnau die Herrschaft Margareten. Dieser verkaufte sie 1727 an den Wiener Magistrat »samt den einverleibten Dörfern Matzleinsdorf und Nikolsdorf und den dazugehörigen Untertanen, Gärten, Äckern, Wiesen, Weingärten und Diensten, dem herrschaftlichen Bräuhaus und Backhaus, den (drei) Wirtshäusern … um den Betrag von 115.000 fl und 100 Dukaten«. Die Untertanen wurden in einem Atemzug mit den Gärten und dem Brauhaus verkauft. Die Stadt Wien war im 18. Jahrhundert bestrebt, alle Grundherrschaften innerhalb des neuen Linienwalles aufzukaufen. Mit Margareten erwarb sie zusätzlich ein Brauhaus, das nicht dem Braumonopol des Bürgerspitals unterlag und das damit die Aufhebung dieses landesfürstlichen Rechtes bis zum Ende des Jahrhunderts einleitete. Der Absatz der im herrschaftlichen Brauhaus hergestellten Bierprodukte schien nicht ganz klaglos abgelaufen zu sein. 1757 hieß es, die Margaretner Wirte bestellten »bey fremden Bräumeistern«, das Bräuhaus dürfte dennoch den verlässlichsten Ertrag innerhalb der dominikalen Besitzung abgeworfen haben. Die Wiener Stadtverwaltung zog aus dem Betrieb dieses Brauhauses jedenfalls große Vorteile, sonst hätte man sich 1786 nicht kurzfristig mit dem Gedanken getragen, auch im Klagbaumgebäude auf der Wieden ein weiteres Brauhaus zu errichten.82 Um 1788 wurde die Brauerei so beschrieben : »Über mächtigen Kellergewölben mit dem Bier- und dem Weinkeller, lag das ebenerdige Gebäude, in dem das Bier produziert wurde. Hier wohnten auch die Brauknechte. Daneben lag das Wirtschaftshaus mit der Wohnung des Braumeisters, ein Kuh- und Ochsenstall, die Dreschtenne und mehrere Schupfen.«83 64 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
79 Sailer : Das Bierschank-Braumonopol, Anhang. 80 Berg, Fischer : Vom Bürgerspital zum Stadtbräu, S. 15. 81 Bosch : Biographie, S. 10. 82 Miscellarienbuch im Expedit des Stadtbauamtes Nr. 1141, Bericht vom 21. Hörnung 1786. 83 Klusacek, Stimmer : Margareten, S. 38.
Der Gassentrakt des Brauhauses um 1870 vor der Demolierung (Kisch)
84 »Dominikal« bedeutet, dass der Besitz mit steuerlichen und rechtlichen Privilegien versehen ist.
Ein großer Übelstand in Margareten war der Mangel an gutem Wasser. Am oberen Teil des Wienerberges gab es genug davon, und so wurden mehrere Wasserleitungen gleichzeitig angelegt, so auch die Siebenbrunnen-Hofwasserleitung. In den tiefer liegenden Vorstädten war die Situation aber immer noch katastrophal. Die einzelnen Hausbrunnen, sogenannte »Tegelbrunnen« von beträchtlicher Tiefe, gaben meist ungenießbares, schwefeliges Wasser, und der Wienfluss konnte nicht einmal als Nutzwasser in Betracht kommen. Gerade an der Strecke, wo er den Margaretengrund berührte, hatte er die meisten sanitären Übelstände aufzuweisen. Oppel erhielt aus der Hofwasserleitung einen halben Zoll, und zwar unentgeltlich, weil die Röhre durch seinen Grund und Boden führte und ihm das häufige Aufgraben Schaden verursachte. Dieser Bezug wurde 1773 für den Magistrat auf 1¼ Zoll erhöht, wovon der größte Teil im Brauhaus Verwendung fand. Auch zahlreiche andere Häuser verbrauchten so viel Wasser, unter anderen das Hundsthurmer Brauhaus, das Bürgerspital-Brauhaus und das kaiserliche Schloss Favorita auf der Wieden. 1833 trennte sich der Magistrat der Stadt Wien von seinem Brauhaus und verkaufte es an Vinzenz Mach, es blieb aber dominikal84. Damals
Der Sprengsatz des Bürgerspital-Biermonopols – das Brauhaus der Herrschaft Margareten 65
führte die Brauerei neben dem »Großen Bräuhaus« auch noch das »Horner Bräuhaus« mit eigenem Gärkeller, was darauf schließen lässt, dass hier immer noch Haferbier erzeugt wurde. Weiters gehörte noch ein Branntweinhaus, die Wohnung des Bräumeisters, ein Hühnerstall, je ein Stall für Pferde, Kühe und Ochsen, ein Wagenschupfen und Malztennen dazu. Am 14. Juni 1862 brannte das Brauhaus ab,85 wurde kurzfristig wieder in Betrieb gesetzt, aber 1869 wegen Baufälligkeit aufgelassen und 1883 abgerissen. An seiner Stelle wurde 1884/85 vom Architektenbüro Fellner und Helmer ein Prachtbau ausgeführt, der sogenannte »Margarethenhof«, der 1984 sehr aufwendig renoviert wurde. Mit diesem »artigen Wohnhaus« wollten die beiden Architekten einen symbolhaften Nachfolgebau für das nur mehr in Bruchstücken vorhandene alte Schloss schaffen.86 Damals wurde auch der 1836 eingeweihte Margareten-Brunnen ein paar Meter weiter an seinen heutigen Platz versetzt. Der Nachbar der Jagdhunde – das Brauhaus Am Hundsturm
Das Brauhaus »Am Hundsturm« war ein grundherrschaftliches Brauhaus wie Margareten und ist mit dem Gründungsjahr 1564 zumindest ebenso alt, vielleicht sogar älter. Der Name kommt von einem Gebäude, in dem der Landesfürst seine Hunde (Rüden) für die Jagd unterbrachte. Schon unter Matthias Corvinus wurde die diesem Rüdenhaus benachbarte »Hunczmühle« in der »Scheibenried« erwähnt. Nach der Zerstörung während der Ersten Türkenbelagerung ließ Kaiser Matthias für die Jagdhunde abermals ein turmartiges Gebäude errichten, zu dem 1672 ein Schloss und ein »Complex kleiner Gebäude und Gärten« kam.87 In diesem Komplex dürfte auch das Brauhaus gelegen sein, denn Anna Hartmann schreibt in ihren Erinnerungen einer alten Wienerin : »Anschließend an Margareten ist ebenfalls am rechten Wienufer die Gemeinde Hundsturm, mit einem an den alten Hundsturm von Kaiser Karls Jagdschlösschen angebauten Herrenhaus, wo die Gutsherrschaft wohnte ; links davon das herrschaftliche Brauhaus, rechts die Amtsgebäude und Gärten und Remisen.« Hundsturm war demnach auch eine eigene Vorstadt, die 1850 vorerst dem 4. Bezirk Wieden, 1861 dem 5. Bezirk Margareten angeschlossen wurde. Wir wissen aus der Geschichte des Bürgerspital-Brauhauses, dass 1619 von dieser Brauerei 15 Eimer (100 Hektoliter) Bier nach Wien 66 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
85 Aimeth : Aus dem Tagebuch eines alten Margaretners. 86 Margaretner Museumsblätter 1/1984, 100 Jahre Margaretenhof. 87 Czeike : Historisches Lexikon, Band 3, S. 287.
Hundsturm und Brauhaus
88 Sailer : Das Bierschank-Braumonopol, Anhang. 89 Aimeth : Aus dem Tagebuch eines alten Margaretners.
gebracht wurden.88 1848 war es im Besitz von Philipp Schwarz, wahrscheinlich ein naher Verwandter jenes Carl W. Schwarz, der Braumeister in Lichtental und später Besitzer der Währinger Brauerei wurde. In die Lokalgeschichte kam das Brauhaus im März 1852, weil es durch einen heftigen Brand schwer beschädigt wurde.89 Dabei verunglückten mehrere Arbeiter, ein Bräuer kam ums Leben. Die Brauerei wurde aber wieder instand gesetzt und man braute bis zum Jahre 1864 unter dem »Eigenthümer und Braumeister« Philipp Schwarz, jährlich an die 50.000 Eimer Bier. Da auch 1862 das Margaretner Brauhaus abbrannte, ist zu vermuten, dass nicht nur die Unwirtschaftlichkeit und die neue Stadtplanung, sondern auch die Brandgefahr in diesen inzwischen dicht besiedelten Bezirken ein Grund für die Betriebsschließung im Jahr 1869 war. Mit Beschluss des Gemeinderates vom 26. Februar 1869 wurde das stillgelegte Brauhaus von der Gemeinde Wien aufgekauft und die Gebäude im Interesse der Regulierung mehrerer wichtiger Straßenzüge (Hundsturmer Platz – Am Hundsturm) abgerissen. Auf einem Teil des Areals wurde 1875 eine Volksschule erbaut. Der Hundsturm selbst – er Der Nachbar der Jagdhunde – das Brauhaus Am Hundsturm 67
stand dort, wo sich heute das Haus Am Hundsturm 9 befindet – und die letzten Teile des Schlosses, das seit 1734 in privatem Besitz war, wurden 1884/1885 abgerissen und »samt dem schönen Garten« parzelliert.90 Die einzige Wiener »Bräuhausgasse« erinnert noch an diese Brauerei.
Brauhaus am Hundsturm, Grundriss und Aufriss
90 Spitznagl : Wien-Margareten, S. 89.
68 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Platz mit den anschließenden Gebäuden des Brauhauses 1858
Ansichtskarte : Hundsturmer Linie (gelaufen 1910)
Ein Klosterbräu im alten Wien – Sankt Theobald auf der Laimgrube 69
Ein Klosterbräu im alten Wien – Sankt Theobald auf der Laimgrube
In den Klöstern war vor allem im Mittelalter das Bierbrauen sehr verbreitet, allerdings nur für den Eigenbedarf. In Wien sind uns nur zwei Kloster-Brauereien bekannt, die das Bier auch ausschenkten, und zwar auf der Laimgrube, auf dem Boden des heutigen 6. Bezirks, und in Simmering. Perger schreibt über die Vorstadt vor dem Widmertor im Bereich der heutigen Operngasse – Linke Wienzeile – Laimgrube – Mariahilfer Straße : »In dieser Vorstadt befanden sich die beiden städtischen Frauenhäuser (Bordelle), das Martinspital (gegründet 1339) und das Haus zu St. Theobald (1343–1451 Kloster des Drittordens vom hl. Franz, ab 1451 Franziskanerkloster) ; alle diese Häuser wurden 1529 zerstört.«91 Seit 1451 befand sich zwischen der heutigen Gumpendorfer und Mariahilfer Straße das erste Franziskanerkloster Österreichs, dem auch eine Brauerei angeschlossen war. Allzu viel weiß man von ihr nicht, aber die Klosteranlage ist auf dem Rundplan von Niklas Meldeman (auch Meldemann) aus dem Jahre 1530 noch relativ unversehrt zwischen Türkenzelten zu sehen. Theodor H. Mayer schildert in »Der Braumeister von der Laimgrube« die Stimmung jener Zeit vor der ersten Türkenbelagerung : »Als junger Bursch ist Braumeister Sebastian Ingram Anno 1499 von Böhmen gekommen, wo er das Brauen nach dortiger Art hat gelernet, hat vom Theobaldkloster das alte Brauhaus gepachtet, wo die Mönche ein recht frommes Dünnbier haben bereitet, für das wohl der Spruch hat gelten mögen : ›Zu wenig Hopfen, am Malz zu Arm – gibt ein Bier, daß Gott erbarm !‹ Der Liebe Gott hat denn auch Erbarmen mit diesem Bier gehabt, ist nur für das Kloster selbst gebrauet worden, und keiner der frommen Mönche hat je davon einen Rausch bekommen, mocht auch an einem heißen Sommertag nach schwerer Arbeit der Durst noch so groß sein. Der Ingram hat wohl sehr betrübt getan, als ihn der Abt der Verpflichtung enthoben hat, jede Woche für das Kloster ein Zehn-EimerFaß mit Bier zu liefern, um ihm dafür den Pachtschilling hat ermäßigt, insgeheim hat er aber einen Freudensprung getan, denn nun ist das ganze Bier, so er gebrauet hat, den Gästen zukommen. Hat sich sehr bald herumgesprochen, daß im Klosterbräu zu St. Theobald ein besonders gutes Bier zu haben wäre, die alte Stube ist immer überfüllt gewesen, der Ingram hat einen Stall dazu gepachtet, aus dem er eine richtige Wirtsstube hat machen lassen, und zuletzt auch vom Klostergarten den Teil, so sich gegen den Wienfluß senkt, hat dort Bänke und Tische aufstellen lassen. 70 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Die Lage der beiden benachbarten Brauhäuser Bürgerspital (Viereck) und St. Theobald-Laimgrube (Kreis) auf dem Plan von Marinoni 1706
91 Perger : Straßen, Türme und Basteien, S. 151.
Klostergebäude und Gründe der Laimgrube um 1500 (Mariahilfer Heimatbuch 1963) S. Diebold auf dem Meldemann-Plan von 1529
Ein Klosterbräu im alten Wien – Sankt Theobald auf der Laimgrube 71
So haben die Gäst’ die schöne Aussicht gehabt über die Wieden hin zum Wienerberg und über die Landstraße und auch über den Teil der Stadt, so gegen Westen ist gelegen, das Bier ist gut gewesen und das Geschäft noch besser, und nach zehn Jahren hat der Ingram das Brauhaus samt Zubehör vom Kloster käuflich erworben. Eine neue Sudpfann’ hat er daraufhin aufgestellt, die das Doppelte von der alten gefaßt hat, auch die alten Maisch- und Gärbottiche sind erneuert worden, und in die Keller, die sich wie des Königs Minos Labyrinth weit unter den Klostergarten haben hingezogen, sind zu Dutzenden neue Lagerfässer gerollt – der Ingram hat ein Geheimrezept gehabt, nach dem sich das Bier bis zu zwei Monaten hat gehalten, ohne zu brechen. War dazu wohl sehr viel Eis nötig, aber auch dafür hat der Ingram gesorgt, hat sogar im Sommer, wo doch sonst das Brauen ruht’, ein frisches Bier herstellen können …« Auf Befehl des Stadtkommandanten von Wien, Altgraf Niklas Salm, wurden die Häuser der Vorstädte vor den herannahenden Türken zerstört, so wurde auch das Kloster, die Kirche und das Brauhaus am 25. September 1529 in einen Schutthaufen verwandelt. Die Mönche flüchteten in die Stadt in ein Notquartier, von wo sie 1545 in das Kloster St. Niklas in der Singerstraße und 1589 in das Kloster in der Weihburggasse übersiedelten. 1667 wurde auf diesem Grundstück von den Karmelitern ein neues Kloster erbaut, das aber 1797 aufgelöst und in ein Arbeitshaus bzw. 1881 und 1905 in ein Polizeigefangenenhaus (seither auf der Roßauer Lände) verwandelt wurde. Eine Brauerei gab es dort aber nicht mehr.
Zar Peter der Große (1672–1725)
Zar Peter der Große war Gast bei Königsegg – das Gumpendorfer Brauhaus
Bereits im 15. Jahrhundert wird in Gumpendorf auf der Mollardmühle eine »Pirprewerin« (Bierbrauerin) genannt.92 Rund 200 Jahre später wurde in dieser Vorstadt nachweislich Bier gebraut, das wahrscheinlich auch ein russischer Zar getrunken hat. Zar Peter I. der Große unternahm mit mehr als 300 (!) Begleitern 1697 bis 1698 eine Reise in die wichtigsten Städte Europas. Diese Begleiter wurde die »Große Gesandtschaft« genannt. Ziel war es, von den fortschrittlichen westlichen Ländern zu lernen, Russland zu modernisieren und damit zu einer Großmacht zu entwickeln. Es gelang ihm allerdings nicht, die westlichen Mächte auch zu einer Unterstützung gegen das Osmanische Reich zu bewegen. Die Türken hatten ja gerade erst 1683 Wien zum zweiten Mal erfolglos belagert. 72 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
92 Internetabfrage vom 22. 3. 2016 : http://www.1133.at/document/view/ id/859.
Palais Königsegg von der Gumpendorfer Strasse in die heutige Esterhazygasse gesehen (Ilg 1893)
Leopold Wilhelm Reichsgraf zu Königs egg und Rottenfels (1630–1694)
93 Kisch : Die alten Straßen, Band X, S. 294.
Um sein Modernisierungsvorhaben besser umsetzen zu können, deklarierte er seine Aufenthalte nicht als offizielle Staatsbesuche, sondern reiste inkognito, wie wir es aus der komischen Oper »Zar und Zimmermann« von Albert Lortzing kennen, weshalb ihn wiederum die besuchten Herrscher ohne Protokoll empfangen und behandeln konnten bzw. auch mussten. In Wien wurde er daher von Juni bis August 1698 nicht in der Hofburg einquartiert, sondern in der Vorstadt Gumpendorf im Palais des Reichsvizekanzlers Königsegg, in dem sich zu der Zeit auch ein Brauhaus befand, von dem im Folgenden die Rede sein wird.93 Das letztendlich »geheime« Treffen mit Kaiser Leopold I. fand in der Sommerresidenz des Kaisers, der Favorita (Theresianum), statt, wo 268 Jahre später zwei der Autoren dieses Buches maturierten. Von diesem Brauhaus wissen wir, dass es Bier in die Residenzstadt brachte, aber wegen des Bürgerspital-Monopols für jeden Eimer einen »Bieraufschlag« von 15 Kreuzer an dieses abliefern musste. Leopold Wilhelm Reichsgraf zu Königsegg und Rottenfels, Herr zu Aulendorf und Staufen, Ritter des Goldenen Vlieses, kaiserlicher Kämmerer, geheimer Rat und Konferenzrat, Vizekanzler des römischen Reiches, der auf seiner Grundherrschaft dieses Brauhaus führte, beschwerte sich deswegen. So wurde am 8. Januar 1683 bestimmt, dass sein Brauhaus von dieser Steuer »wegen seines Privilegiums und uralten Prozzeß« ausgenommen Zar Peter der Große war Gast bei Königsegg – das Gumpendorfer Brauhaus 73
Palais Königsegg mit dem Brauhaus aus der Vogelperspektive (Huber 1769–73)
sei, während die anderen Brauherren und Brauhäuserinhaber diese Abgabe auch weiterhin bezahlen mussten. Noch im selben Jahr wurden beim Einfall der Türken alle Gebäude zerstört. Als sich die Osmanen wieder zurückgezogen hatten, erwarb der Reichsgraf zu seinem Grundstück noch die Trümmer des zerstörten benachbarten Frauenklosters dazu und ließ dort sein neues Palais errichten, dessen Hauptfassade gegen die Esterházygasse gerichtet war. 1689 baute Königsegg das Brauhaus anschließend an sein neues Palais, Ecke Gumpendorfer Straße und Kaserngasse, wieder auf. Die Kaserngasse (Kasernengasse) trennte das Areal der Gumpendorfer Kaserne vom Königsegg’schen Grund. Er erwarb das ausschließliche Recht, Weißbier zu brauen. Für diese Spezialität wurde das Wasser des Wienflusses genutzt, was wegen der schlechten Qualität dieses Wassers eher unglaublich klingt. 1746 erwarb Theresia Rechberger, Braumeisterin in Gumpendorf, von den Grafen Königsegg 17 Achtel Grund in der »Rein« in Penzing. 1833 wird Elisabeth Widter, geborene Öhlmayer, als Braumeisterin in Gumpendorf genannt, die in diesem Jahr auch das Figdorbrauhaus in Schwechat erwarb. Sie war sicher eine Verwandte der Mutter von Anton Dreher d. Ä., wir werden auf die Familie Widter noch eingehen. 74 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Gumpendorfer Straße stadtauswärts, ganz am rechten Rand ein Stück vom Brauhaus (Stich von Vasquez 1827)
Hausschild des ehemaligen Brauhauses (heute Haus Otto Bauer Gasse 2)
Nachdem der Nachfolger des Erbauers, Feldmarschall Lothar Graf Königsegg, gestorben war, erwarb Maria Theresia um 1754 das Palais und ließ darin die k. k. Ingenieurschule einrichten. 1841 kaufte der Wiener Magistrat das Brauhaus samt den dazugehörenden Gebäuden, Gründen und dem großen Garten um 70.000 Gulden, legte die Brauerei still und parzellierte das gesamte Areal. So entstanden die Bräuhausgasse, seit 1862 Brauergasse genannt, und die Königsegggasse. Das Palais diente nun als Zinshaus, es wurde 1886 demoliert und an seiner Stelle baute man Wohnhäuser. Im Zentrum eines barocken Idealdorfes – das Lichtentaler Brauhaus
Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657 oder 1662–1712)
94 Ein Modell dieses Idealdorfs gab es bis vor wenigen Jahren im Liechtenstein-Museum in der Wiener Fürstengasse.
Im Jahre 1648 suchte Gabriel von Beverelli um Bewilligung zur Errichtung eines Bräuhauses in der »Roßau vor dem Schottentore« an. Dies wurde ihm in Bezug auf das Braumonopol des Bürgerspitals verwehrt. Es sollte noch genau 50 Jahre dauern, bis es in dieser Gegend dann doch ein Brauhaus gab. Hans Adam I. Fürst von und zu Liechtenstein war seit 1676 Majoratsherr seiner Familie und wurde nach der zweiten Türkenbelagerung Mitglied des kaiserlichen geheimen Rats. In diesen Funktionen entfaltete er eine rege Bau- und Investitionstätigkeit. Er legte den Grundstein für das heutige Fürstentum Liechtenstein und vollendete den Bau des Liechtenstein’schen Majoratshauses am Minoritenplatz. Außerdem erwarb er mit Vertrag vom 27. Juni 1687 von Weikhard Reichsgraf von Auersperg und dem Stift Klosterneuburg eine von einem kleinen Donauarm und dem Alserbach eingeschlossene unbesiedelte Wiese »unter dem dürren Sporkenbühel« (Sperckhenbüchel), Altlichtenwerd genannt. Damals eine »pur lautere Wiesen, auf welcher sich die Wiener Zum öfteren ergötzet und in die also genante Spirckenbichlische Gstätten die Stuck von denen Kriegsbegiehrigen probiret worden«, wie es in einem Vermerk im Lichtentaler Pfarrgedenkbuch heißt. In der heutigen Sprache heißt das, dass das Militär dort einen Übungsplatz für Kanonen hatte. Der wirtschaftlich denkende Fürst Hans Adam hatte die Idee, auf »der Wiesen«, wie das Gebiet noch lange im Volksmund hieß, eine Vorstadt quasi als »Idealdorf«94 nach barocken Vorstellungen zu errichten. Sie wurde dann zu Ehren des fürstlichen Hauses »Lichtenthal« benannt. Die »nützliche Anlage« sollte die Grundrendite deutlich erhöhen, denn er Im Zentrum eines barocken Idealdorfes – das Lichtentaler Brauhaus 75
wollte der immer in Geldnot befindlichen Stadt Wien zeigen, wie man zu wirtschaften habe. Als erstes begann man 1694 mit der Errichtung des Brauhauses, denn mit dem Durst war immer ein gutes Geschäft zu machen. An Durstigen sollte kein Mangel herrschen, egal ob es sich um die zahlreichen Bauarbeiter oder die künftigen neuen Einwohner handelte. Erst zwei Jahre später wurde der Grundstein für das Sommerpalais in der heutigen Fürstengasse gelegt. Nach vierjähriger Bauzeit ging die Brauerei 1698 in Betrieb. In diesem Jahr erhielt sie das Privileg, nicht dem Wiener Burgfrieden untergeordnet zu sein. 1699 wurden die restlichen Grundstücke parzelliert. Im Auftrag des Fürsten begann man nun, die ersten Häuser zu errichten. Es entstand eine Anlage von 370 mal 370 Klaftern (rund 0,5 km2), die von sechs Straßen regelmäßig durchzogen war. 1701 setzte die Herrschaft einen Verwalter und einen Richter ein. Die »Amtskanzley«, also der Sitz des Amtmannes, befand sich im ersten Stock des Brauhauses. Damals waren bereits die ersten 80 Häuser fertig gestellt. Der erste Bräumeister mit dem Namen Georg Eckh kam aus Bayern – wie damals üblich – auf einer sogenannten Plätte die Donau herab. Auf diesem Wasserweg kamen viele Menschen nach Niederösterreich und Wien, so auch der Ahnherr der Familie Dreher, Franz Anton, um die nach der Türkennot entvölkerten Gebiete wieder zu besiedeln. Nun kam es auch zum Leidwesen der Weinbauern zu einem Aufschwung der Bierbrauereien, denn unter den Neuankömmlingen waren einige Bierbrauer – und noch viel mehr Biertrinker. Es wurde eifrig gebaut, denn den Neusiedlern, meist Handwerker, Arbeiter und Gastwirte, die mehr das Bier als den Wein gewohnt waren, wurden die Bauparzellen äußerst günstig verkauft. Außerdem wurde »dem Hause auf zehn Jahre die Freiheit von allen Steuern und Abgaben« zugesichert. Trotzdem mussten sie, obwohl die Häuser klein waren, noch »Zinsleute«, also Untermieter, aufnehmen. Eckh verfügte nicht nur über hervorragendes fachliches Können, sondern förderte auch tatkräftigst den Bau der Lichtentaler Kirche »Zu den hl. 14 Nothelfern« und erreichte sogar, dass Kaiser Karl VI. persönlich den Grundstein dazu legte.95 Außergewöhnlich war, dass bis zur Einweihung des Gotteshauses die Messen im Brauhaus gelesen wurden. Noch an den Osterfeiertagen 1712 bis 1714 fanden sich 600 Gläubige auf dem Brauhausareal ein, weil die vor der Kirche erbaute Kapelle zu klein war.96 Man braute als einziger Betrieb innerhalb des Linienwalles wöchentlich etwa 300 Hektoliter sogenanntes »Bayerisches Bier«, das obergärig, 76 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Bier Empfangs-Büchel Titelblatt
95 Wolf : Das Lichtentaler Brauhaus, S. 3. 96 Wolf : Alsergrund, S. 28 und Wolf : Das Lichtentaler Brauhaus, S. 3.
Bier Empfangs-Büchel Innentitel
Brauhaus in der Vogelschau (Huber 1769–73)
stark und dunkel war. Das Wasser stammte aus der fürstlich-liechtensteinischen Wasserleitung, die eigene Brunnstuben am Währinger Bach in der Nähe des Döblinger Spitzes und der heutigen Boltzmanngasse sowie am Alserbach auf der Höhe der heutigen Lazarettgasse 25 besaß. Diese Wasserleitung durfte grundrechtlich nicht verschoben werden, wodurch sich die bereits dringend notwendige Regulierung des Alserbaches bis in die Jahre nach der Schließung der Brauerei verschob und erst 1877 vollendet werden konnte. In den Vorstädten Wiens gab es damals noch keine geregelte Wasser versorgung und das Wasser aus den Brunnen war meist ungenießbar und enthielt Krankheitserreger. Da das Quellwasser nur dem Kaiser, dem Adel und reichen Bürgern zur Verfügung stand, trank man allein schon aus gesundheitlichen Gründen zu allen Tageszeiten Alkohol. Der KonIm Zentrum eines barocken Idealdorfes – das Lichtentaler Brauhaus 77
sum von vier Litern Wein oder Bier am Tag war nichts Außergewöhnliches. Das Bier galt im Vormärz als vorzügliche Spezialität. »In diesem Brauhaus besteht übrigens eine strenge Kontrolle für die Echtheit des Getränkes«, schreibt ein Zeitgenosse.97 Im heutigen Park der Sternwarte in Währing gab es einen kühlen Felsenkeller, in dem bis zu 600 Fässer gelagert werden konnten. Zu Anfang der 1840er Jahre war das Lichtentaler Brauhaus mit einem Jahresausstoß von 45.000 Hektolitern, 28 Brauereiarbeitern und 40 Brauknechten nach den Brauereien in Jedlesee und Am Hundsturm das drittgrößte auf heutigem Wiener Gebiet. Als im März 1711 nach seinem ersten auch noch der zweite Sohn Franz Dominik, den Hans Adam schon als würdigen Nachfolger und Erben betrachtet hatte, nicht einmal zweiundzwanzigjährig unerwartet starb, brach für den Fürsten die Welt zusammen. Er starb am 16. Juni 1712 an den Folgen eines Schlaganfalls, den er am Tag vorher erlitten hatte. Die sterblichen Überreste wurden nach Wranau98 überführt und dort an der Seite seiner beiden Söhne beigesetzt. Nun gab es aber keine männlichen Erben mehr. Nachdem die sogenannte karolinische Linie erloschen war, gingen die Herrschaft und das Fideikommiss an einen anderen Familienzweig, die gundackersche Linie über. Über die folgenden komplizierten Familienverhältnisse im Hause Liechtenstein zu berichten, würde das Thema hier bei weitem sprengen. Am 26. Juni des Jahres 1779, gegen 9 Uhr morgens, ereignete sich in der Nähe des Brauhauses, auf der Nußdorfer Linie, ein großes Unglück. Das Pulvermagazin, das mit »Stuckmunition« gefüllt war, explodierte durch eine »gählinge Entzündung«. Insgesamt wurden 67 Personen getötet und 97 verwundet. Auch im Brauhaus gab es Opfer. Ein Augenzeuge berichtete : »Auf eine halbe Stunde weit sind die Felder mit Schutt und großen Steinen bedeckt, auch wo der Pulverturm gestanden, ist kein Merkmal mehr zu finden. Das Liechtenstein’sche Brauhaus und das Weisenhaus sind gänzlich ruiniert und beschädigt worden«. Man erholte sich aber sehr bald wieder von diesem Schrecken und braute wieder Bier. Aber auch davor und danach wurde das Bräuhaus des Öfteren hauptsächlich durch Hochwasser beeinträchtigt. Mit der Steigerung der Produktion dürfte auch das Quellwasser zu wenig geworden sein und man verwendete filtriertes Donauwasser. Auch der Geschmack der Kundschaft änderte sich im Laufe der Zeit. So wurde nach dem »Bayerischen Bier« Anfang des 19. Jahrhunderts das 78 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
97 Wolf : Das Lichtentaler Brauhaus, S. 4. 98 Wranau bei Brünn, heute Vranov a Brna (Tschechien).
Brauhaus
99 Zitiert nach Wolf : Das Lichtentaler Brauhaus, S. 5.
sogenannte »Steyerische Bier« im Lichtental gebraut, ab Dezember 1840 gab es auch das »Lichtenthaler Kalt-Bier«. Bereits im 18. Jahrhundert besaß das Bräuhaus einen Bierausschank. Es war ein Doppelhaus, befand sich gegenüber der Brauerei in der Liechtensteinstraße und war unter dem Namen »Gstetten Würths Hauß« bekannt. Dieses bis dahin herrschaftliche Wirtshaus erwarb 1771 der Lichtentaler Bestands-Bräumeister Franz Joseph Stadler und seine Frau Maria Rosina um 1500 Gulden – »nebst dem rückwerts daranstossenden ganzen grund oder graß-garten, wie auch den unter diesen u. zum Theil unter dem Gebäu befindlichen grossen Würthshaus Keller rechter Hand u. dem aus diesen hineingehenden kleineren detto : wodurch also der grosse Keller linkerhand von der Strassen hinein, als eine immerhin zum Bräuhaus erforderliche Malzstatt u. dessen neben Kellerl für einen zeitlichen Verwalter ausgenohmen u. von seiten der gnädigsten Herrschaft als ein fürwährendes Eigenthum reservirt bleibt«.99 Die beiden nannten ihre Gastwirtschaft nun »Zur grünen Linde«, 1825 wurde sie »Zu den drei grünen Linden« umbenannt und 1827 zum letzten Mal erwähnt. Im Hof befanden sich trotzdem keine Linden, sondern Kastanienbäume, in deren Schatten sich so mancher Durstige laben konnte. Von dem großen Hof führte eine Stiege zur Nußdorfer Straße. Hier waren die alten Bier- und Eiskeller, in denen das Bier reifte, in den Berg gegraben. Als diese zu klein wurden, errichtete man im heutigen Sternwartepark in Währing eine neue Kelleranlage mit labyrinthartig verzweigten Gängen. Die eingehobenen Biersteuern überließ der Fürst dem Kloster zur Himmelspforte. Im Zentrum eines barocken Idealdorfes – das Lichtentaler Brauhaus 79
Ankündigung einer neuen Kühlanlage
1848 wäre das Brauhaus fast zu einer Verteidigungsfestung der Revolutionäre geworden. Nur der Hinweis auf die umfangreichen Nahrungsmittelvorräte, die bei einem Kampf vernichtet worden wären, konnte das verhindern. Nach der Auflösung der Grundherrschaften kam das Lichtental, das bis dahin der fürstlich-liechtensteinischen Jurisdiction unterstand, zur Stadt Wien. Die Brauerei blieb aber im Verbund der fürstlich-liechtensteinischen Betriebe. 1874 erschien in der Brauerzeitung »Gambrinus« ein Artikel über das Brauhaus, die Restauration und Gartenanlage »Zur schönen Aussicht« in Döbling, die ebenfalls dem Fürsten Liechtenstein gehörte : »Diese Braustätte ist wohl eine der ältesten Wiens und während, mit Ausnahme des St. Marxer, alle übrigen innerhalb der Linien gelegenen Brauhäuser bereits ihre Thätigkeit eingestellt haben, arbeitet dieses noch rüstig fort. Das Lichtenthaler Bräuhaus hat aber stets unter diesen Brauhäusern nebst dem St. Marxer Bräuhause den ersten Rang eingenommen und ihn bis jetzt behauptet. Diese Braustätte, in Wien selbst und zwar im IX. Gemeindebezirk, der ehemaligen Vorstadt Lichtenthal gelegen, besteht aus weitläufigen Gebäuden, dem Directionshause, den eigentlichen Betriebsgebäuden und großartigen Bier- und Eiskellern, die sich von der Liechtensteinstraße bis beinahe zur Nußdorferstraße hinzieht. Die hier erzeugten Lagerbiere gehören zu den vollmundigen, malzreichen und deshalb nahrhaften Bieren und sind als solche beliebt und gesucht. Noch mehr gilt dieses aber von den daselbst seit einigen Jahren schon erzeugten, sogenannten ›Sommerlagerbieren‹, eine Mittelsorte zwischen Lager- und Abzugbier, die sowohl in Farbe als in Geschmack den böhmischen Bieren beinahe ganz gleicht, viele derselben aber bezüglich der Güte übertrifft und dabei um ein Bedeutendes billiger zu stehen 80 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Innenhof und Trakt an der Wagnergasse mit Steigerhaus der Feuerwehr
kommt, als diese. Wer von unseren Lesern sich von dem jetzt Gesagten überzeugen will, der fahre nur ein Mal mit der Tramway bis zum Zögernitz nach Ober-Döbling, gehe von da dem Parke mit der schönen Fernsicht zu, durchschreite diesen und am Ende desselben blickt ihm das Einfahrtsthor der Restauration und Bierhalle des Liechtenthaler Bräuhauses sammt prachtvollem, weithin Aussicht gewährendem, großem Garten entgegen. Dort an der Urquelle des Liechtenthaler Bräuhauses, wo die mit der edlen Gambrinusgabe gefüllten Fässer unmittelbar aus den unter dem weiten Platze sich hinziehenden großartigen Kellern gehoben werden, und so das edle Naß stets ganz frisch zum Ausschank gelangt, dort wolle der geehrte Leser das Product des Lichtenthaler Bräuhauses verkosten, und er wird Alles so finden, wie wir es hier gesagt haben.« Die großindustrielle Konkurrenz machte dem alten Bräuhaus stark zu schaffen, und so konnte schlussendlich der marode Betrieb nicht mehr gerettet werden. Noch am 15. August 1877 las man im »Gambrinus« : »Die fürstlich Liechtenstein’sche Brauerei in Wien, unter der Bezeichnung ›Lichtenthaler Brauerei‹ bekannt, wurde bis zum 1. Juli 1877 in eigener Regie betrieben. Ungenügende Rentabilität veranlaßte die fürstliche Verwaltung, dieses Brau-Etablissement, dessen Produktion in den letzten Jahren 70–80.000 Hektoliter betrug, zu verpachten ; wie wir erfahren, hat sich in der Person des Herrn G. Fischel aus Prag ein Pächter gefunden, welcher diese vorzüglich eingerichtete und mit allen Maschinen der Neuzeit ausgestatteten Braustätte mit 1. Oktober d. J. übernimmt. Herr Fischel dürfte wohl der Mann sein, um dieses Im Zentrum eines barocken Idealdorfes – das Lichtentaler Brauhaus 81
Eckhaus Althanstraße/Newaldgasse kurz vor dem Abriss 1981
im Weichbilde der Residenzstadt so vortheilhaft gelegenen Brauhaus zu neuem Aufschwung zu bringen.« Doch Herr Fischel starb ein paar Tage später unerwartet, und da »dessen Erben den Vertrag nicht übernahmen, ist der Concurs zur Verpachtung der genannten Brauerei« auf die Dauer von 15 Jahren ausgeschrieben worden. Der Braubetrieb wurde im September 1877 eingestellt. Es fand sich kein Pächter und schließlich auch kein Käufer, und so blieb die Brauerei ein für alle Mal geschlossen. Auf dem Gelände war dann von 1884 bis 1897 das »Commando der 1. Wiener freiwilligen Feuerwehr für den neunten Bezirk« untergebracht. 1892 wurde ein Teil des Bräuhauses in der Liechtensteinstraße demoliert und die Grundstücke parzelliert. Ein ehemaliges Gebäude des Bräuhauses in der Althanstraße 49 überließ der Fürst 1889 dem Kunstschlosser Alexander Nehr, der zuvor in der Werkstätte des Schlossermeisters Wilhelm Ludwig in der Hahngasse 8–10 den 3,40 Meter hohen Wiener Rathausmann aus Kupfer geschaffen hatte. Alfred Wolf beschrieb den Zustand in den 1960er Jahren : »Wer heute durch die Wagner- pardon Reznicekgasse geht, bemerkt bei den Nummern 9–11 einen Zaun, hinter dem sich die verschiedensten Ausstellungsrequisiten türmen, oft sieht man auch ganze Wagenzüge der rührigen Handelskammer, die von hier auf Reisen gehen. In dem dahinter liegenden langgestreckten Haus sind die Depots für die vielgestaltigen 82 Die Brauhäuser in Wien und den Vorstädten
Direktionsgebäude um 1990 kurz vor dem Abriss
100 Wolf : Das Lichtentaler Brauhaus, S. 3. 101 Dehio Wien II. bis IX. und XX. Bezirk, S. 424. 102 Die Presse vom 1. 3. 1981 und Kurier vom 22. 3. 1981.
Ausstellungsstücke untergebracht, die auf Ausstellungen und Messen in der ganzen Welt für Österreichs Wirtschaft werben«. Bis in die 1960er Jahre gab es auch noch in der Althanstraße 45 »ein großes rundbogiges Tor mit mächtigen Prellsteinen, durch das einst dralle Rösser schwere Bierwagen zogen«.100 Der letzte Rest des alten Bräuhauses war ein Teil des »Directionsgebäudes«, das noch 1988 in der Reznicekgasse bestand. Es war mit Kaufvertrag vom 4. Mai 1954 an die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft verkauft worden. Kurz davor sollen in diesem Teil noch Kessel der Mälzerei und Trockenböden zu sehen gewesen sein. Die fünfflügelige Anlage war um einen sechseckigen Hof gruppiert und im Keller gab es noch die alten Kreuzgewölbe101. Selbst das gibt es heute nicht mehr. Diese ersten Gebäude des Voror tes Lichtental und die überhaupt ältesten Profangebäude des heutigen Alsergrunds wurden, wie so vieles in diesem Bezirk, ohne Rücksicht und hemmungslos vor nicht allzu langer Zeit zerstört. Man ließ sie so lange verkommen, bis auch die wütenden Proteste der Denkmalschützer nicht mehr helfen konnten.102
Im Zentrum eines barocken Idealdorfes – das Lichtentaler Brauhaus 83
Kapitel 3
Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien Nun wollen wir unsere Wanderung durch die Brauhäuser des Wiener Umlandes außerhalb des Linienwalls, des heutigen Gürtels, fortsetzen. Dabei wollen wir die Vororte wieder von Osten nach Westen, also im Uhrzeigersinn um die Inneren Bezirke und damit analog zur Nummerierung der heutigen Außenbezirke behandeln. Abschließend stellen wir noch einige Brauereien vor, die an beiden Donauufern im Norden und im Osten von Wien lagen. Der kleine Konkurrent von Dreher und Mautner – das Simmeringer Brauhaus
Am Ende des 19. Jahrhunderts waren die Dreher’sche Brauerei in KleinSchwechat und die Mautner Markhof ’sche Brauerei in St. Marx die größte und drittgrößte der Welt, wie es heißt. Trotzdem konnte sich zwischen diesen beiden Braustätten, die nur 7 Kilometer voneinander entfernt waren, eine dritte behaupten : die Simmeringer Brauerei der Familie Meichl. Der Grund, auf dem später dieses Brauhaus errichtet wurde, war schon vor 1028 der Sitz eines adeligen Geschlechts. 1405 wird der Besitz auch als »Thurnhof« bezeichnet und aus einem Brief des Freiherrn Stephan von Haimb vom 2. Februar 1605 an den Wiener Bürgermeister geht hervor, dass auf diesem Hof bereits vor dem Jahr 1605 ein Brauhaus bestand, welches schon damals »Märzenbier« gebraut haben soll. Im 17. Jahrhundert wechselte diese grundherrschaftliche Brauerei »neben dem Thurnhof samt Untertanen, auch den Kleinen Thurnhof« mehrfach den Eigentümer, bis sie mit Bewilligung Kaiser Leopolds I. 1678 an das Frauenstift »Zur Himmelpforte« überging. Als sich nur fünf Jahre später die Osmanen, der »Erbfeind der Christen«, zum zweiten Mal im Anmarsch befanden, flohen die frommen Schwestern in das Konvent des Hof- und Augustiner-Barfüßigen-Klosters nach Wien hinter die schützenden Stadtmauern und schenkten »großmütigst« den Barfüßi84 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Georg I. Meichl (1791–1834)
Theodor I. Meichl (1820–1869)
gen dort als Dank die in Simmering zurückgelassen 48 Eimer Bier. Am 12. Juli, einen Tag vor dem Eintreffen der Osmanen, fuhren deshalb zwei Pater mit einem Fuhrwerk nach Simmering und holten das Bier sowie 15 Maß Branntwein ab. Nach dem Sieg der kaiserlichen Armee kehrten die frommen Frauen wieder nach Simmering zurück und gründeten ein »Waisenkloster«. Hier sollen 15- bis 16-jährige Waisenmädchen untergebracht gewesen sein, die im Kloster drei Jahre lang unentgeltlich dienen mussten, was aber nicht ganz unbestritten ist. Unbestritten ist hingegen, dass weiter Bier gebraut wurde und Josef II. das Kloster aufhob, weil er der Meinung war, dass sich die Himmelspförtnerinnen ausschließlich mit ihrem eigenen Seelenheil und so nebenher mit der Pflege ihres körperlichen Wohles beschäftigen würden. Der Hof wurde der Staatsgüteradministration zur Verwaltung übertragen und das Brauhaus hintereinander einigen erfolglosen Brauern in Bestand gegeben, bis es 1821 von Johann Georg Dittmann erworben wurde. Der verpachtete es an Georg I. Meichl und verkaufte es ihm ein Jahr später, nachdem in kurzer Zeit seine Gattin und seine fünf Kinder an der Geißel des 19. Jahrhunderts, der Tuberkulose, erkrankt und gestorben waren. Ihn ereilte kurz darauf das gleiche Schicksal. Die Familie ist, ebenso wie die Familie Meichl, am Simmeringer Bergfriedhof begraben. Georg Meichl war der Sohn des Gablitzer Braumeisters Johann Meichl und kam 1810 nach Groß Schwechat. Dort war er bis zum Kauf der Simmeringer Brauerei Bestandsbrauer am Öhlmayer’schen (später Figdor-)Brauhaus. Er wurde in den frühen 1820er Jahren der Lehrherr von Anton Dreher dem Älteren und sein im Nachhinein falsches Urteil über Dreher haben wir schon im ersten Kapitel zitiert. Er starb am 6. Oktober 1834 und wurde in der Familiengruft beigesetzt. Das Brauhaus in Simmering erbte sein minderjähriger Sohn Theodor I. Er übernahm erst 1840 die Betriebsleitung und gehört damit ebenfalls zu jenen Brauherren, die das goldene Braujahrhundert einleiteten. Theodor war 1846 der erste Vorsteher des Brauherren-Vereines für Wien und Umgebung. Er muss also ein anerkannter Brauherr gewesen sein und gehörte zu den ersten, die von Handwerks- auf Fabriksbetrieb umstellten. 1868 hielt das Dampfzeitalter Einzug und es wurden zwei Maschinen mit je 20 PS und ein Locomobil mit 6 PS eingesetzt. Als er 1869 starb, hinterließ er die beiden Söhne Theodor II. und Georg II. sowie die Tochter Katharina, die im August 1870 in Simmering Anton Dreher d. J. ehelichte. Die beiden Brüder brachten das Brauhaus erst so richtig in Schwung und beschäftigten 1880 bereits 130 Arbeiter, Brauer, Binder und Knechte, Der kleine Konkurrent von Dreher und Mautner – das Simmeringer Brauhaus 85
Blick auf Simmering vom Laaerberg mit Schornstein und Brauereigebäude auf dem Rundgemälde von Gregosch, 1855
wobei dort und in Klein-Schwechat die härtesten Arbeitsbedingungen in der Branche herrschten. Das behauptete jedenfalls Stefan Huppert, der 1902 der erste Gewerkschaftsführer der Brauereiarbeiter wurde und in der Simmeringer Brauerei zu arbeiten begann.103 Die Schriftführer der Brauerzeitschrift »Gambrinus« beschrieben Georg II. zu seinem 50. Geburtstag hingegen »als personifizierte Liebenswürdigkeit und Urbanität« – es kommt also immer auf den Blickwinkel an. Am Pfingstmontag, dem 22. Mai des Jahres 1893, entstand, wie im »Gambrinus« zu lesen ist, »durch unvorsichtiges Hantieren im XI. Wiener Gemeindebezirk in Simmering ein Feuer, welches, von dem herrschenden Sturm begünstigt rasch um sich griff und bedeutende Verheerungen anrichtete. Durch Flugfeuer und Funken, welche in weitem Umkreise sich verbreiteten, wurde auch in der den Herren Th. & G. Meichl gehörenden Brauerei, und zwar im Hofe derselben, ein Düngerhaufen in Brand gesetzt, und unmittelbar darauf das Dach eines mit Malz gefüllten Magazines vom Feuer ergriffen, welches auch bis auf die Mauern eingeäschert wurde«. 1898 stieg die Bierproduktion auf den höchsten jemals erreichten Wert von 180.155 Hektoliter, wobei in damaligen Betriebsbeschreibungen die Leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen besonders hervorgehoben wird, die es insgesamt auf 550 PS brachten. Zur Auslieferung des Bieres beschäftigte man 90 Pferde und 16 Ochsen. 86 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Georg II. Meichl (1849–1919) 103 Stefan Huppert hat in seiner Broschüre »60 Jahre Organisation der Brauer und Fassbinder« die Lage der Arbeiter im Brauereigewerbe drastisch geschildert. Siehe auch das Kapitel »Stefan Huppert und die Brauereiarbeiter«. In Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 209 ff.
Sudhausgebäude in der Mautner Markhofgasse
Brauhaus-Restauration in der Simmeringer Hauptstraße 99
Im Simmeringer Brauhaus widmete man sich auch sehr intensiv der Hefe- Reinzucht. Die Anlage umfasste vier große Propagierungsapparate und zwei Sterilisatoren. Die Simmeringer Samenhefe wurde an alle Brauereien weit und breit geliefert und war ein sehr gutes Geschäft. Außerdem gehörte Georg II. zu den Gründern der Versuchsanstalt für Der kleine Konkurrent von Dreher und Mautner – das Simmeringer Brauhaus 87
Saal in der Brauhausrestauration
Blick auf das Brauereigelände von Norden nach 1920
Brauerei und Mälzerei, der späteren Brauer-Akademie. Er war damit auch ein führender Brau-Wissenschafter. Zur Brauerei gehörte eine große Restauration mit Garten, die 1895 erbaut wurde. »Ausser mehreren Gastzimmern … und einer gut eingerichteten Schankwirtschaft … hat diese Restauration auch einen kleinen und einen großen Saal, der besonders schön ausgestattet ist und 1200 Personen fasst«. Diese Restauration in der Simmeringer Hauptstraße 99 wurde von den späteren Schwechater Brauherren übernommen und war bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts als Schwechater Hof ein beliebter Treffpunkt des XI. Wiener Gemeindebezirks. 88 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Eingangstor in den Thurnhof mit Wappen der Himmelpförtnerinnen in der Mautner Markhofgasse 40 um 2010
1913, zwölf Jahre nach dem Tod von Theodor II. fusionierte Georg II. seine »Brauerei Simmering Th. & G. Meichl AG« mit Schwechat und St. Marx, einerseits weil der Konkurrenzdruck dieser beiden Brauereien zu groß war, andererseits wird auch von Bedeutung gewesen sein, dass er der Schwager von Anton Dreher war. Er wurde zum Vizepräsidenten der so entstandenen »Vereinigten Brauereien Schwechat, St. Marx, Simmering – Dreher, Mautner, Meichl A.G.« ernannt und hatte als Juniorpartner im Verwaltungsrat zwei von zwölf Stimmen. Kriegsbedingt musste 1917 die Bierproduktion eingestellt werden. Zwischen 1927 und 1930 wurde die Simmeringer Brauerei reaktiviert, weil in diesen Jahren die Schwechater Braustätte generalrenoviert wurde. Seine gleichnamigen Nachkommen Georg III. und Georg IV. waren bis 1978 in der nunmehr von der Familie Mautner Markhof geführten Schwechater Brauerei als Aufsichtsräte und Direktoren tätig, schieden allerdings als Kleinaktionäre der Brau AG nach sechs Generationen anlässlich der Fusion zur Brau Union aus dem Braugeschäft aus. Die Betriebsgebäude und Kelleranlagen wurden von der Familie Mautner Markhof noch bis 2004 für andere Zwecke adaptiert bzw. an diverse Firmen vermietet. 2011 waren sie fast gänzlich verschwunden und auf dem Areal entstand der sogenannte »Campus Mautner Markhof«. Erhalten sind heute nur mehr wenige historische Bauwerke, so der »Rosenhof« als Jugendhotel, der »Kastanienhof« mit dem Torbogen des Thurnhofes, auf dem sich das Klosterwappen der Himmelpförtnerinnen befindet, das sogenannte Adlertor und das Gebäude der ehemaligen Brauhausrestauration. Hier weinte Napoleon – das Kaiserebersdorfer Brauhaus
Marschall Jean Lannes (1769–1809)
Es ist schon etwas Besonderes, wenn in einem Wiener Brauhaus ein französischer Marschall stirbt und von Kaiser Napoleon I. Bonaparte persönlich betreut wird. Der kleine große Franzose hatte 1809 zum zweiten Mal die Residenzstadt Wien besetzt und befahl die Überquerung der Donau bei Kaiserebersdorf, um die österreichischen Truppen am anderen Ufer vernichtend zu schlagen. Als er am 18. Mai in Kaiserebersdorf ankam, bezog er zuerst im Schulhof hinter der Kirche, später im Thürnlhof Quartier. Der 21. und 22. Mai waren die Tage der blutigen Schlacht bei Aspern, in der das französische Heer erstmals geschlagen wurde. In die Geschichte ging das Brauhaus ein, als man den in dieser Schlacht an beiden Beinen schwer verwundeten französischen Marschall Jean LanHier weinte Napoleon – das Kaiserebersdorfer Brauhaus 89
Napoleon beim sterbenden Marschall Lannes im Mühlbergerhof
nes in die Wohnung des Brauherrn brachte und dieser von Napoleon mehrere Male besucht wurde. »Welch ein Verlust für Frankreich und für mich«, soll der Korse ausgerufen haben, als der Marschall am 13. Mai starb.104 Man nahm früher an, dass das Gebäude Mailergasse 9 das Sterbehaus sei und schmückte es 1955 mit einer Gedenktafel. Die französische Regierung interessierte sich eine Zeit lang für das bereits dem Verfall preisgegebene vermeintliche Sterbehaus des Marschalls, um eine Gedenk stätte einzurichten, doch wurde nichts daraus. Als die Realität 1989 der Spitzhacke zum Opfer viel, versetzte man die Tafel an das gegenüberliegende Gebäude Mailergasse 12. Wie man später feststellte, dürfte es sowieso das richtige Sterbehaus gewesen sein, denn man kann hier immer noch den in Originalberichten erwähnte Pferdestall, der sich unterhalb des Sterbezimmers von Marschall Jean Lannes befunden haben soll, finden. Damit konnte die oft als Kellergebäude bezeichnete Realität als Herrenhaus identifiziert werden. Lannes Tod traf Napoleon tief. Er verlor nicht nur einen seiner besten Generäle, sondern auch seinen engsten Freund. Er soll lange tränenüberströmt am Sterbelager gesessen haben. Lannes war der einzige Offizier, dem Napoleon das Du-Wort angeboten hatte und der sich als Einziger in seiner Anwesenheit unaufgefordert setzen durfte, was der Etikette bei Hofe nicht entsprach.105 90 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
104 Bouchal, Sachslehner : Napoleon in Wien, S. 81 f. 105 Internetabfrage 4. 4. 2016 : https:// de.wikipedia.org/wiki/Jean_Lannes.
Alte Erinnerungstafel an Marschall Lannes am Haus Mailergasse 9 im Jahr 1979
Neue Erinnerungstafel an Marschall Lannes auf dem Haus Mailergasse 12
106 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, Anhang. 107 Muth ist ein altes österreichisches Volumensmaß u.a. für Getreide, ein Muth sind 1845 Liter. 108 Katalog zur Sonderausstellung »Türkenjahr 1683« des Heimatmuseums Schwechat. 109 Strobl : Kaiser-Ebersdorf, S. 79.
Diese Brauerei befand sich in der heutigen Mailergasse, wo schon im Mittelalter ein Gutshof stand. Bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde hier Bier gebraut. So wurden etwa 1622 10 Eimer Bier ans Bürgerspital nach Wien geliefert.106 Um 1670 besaß der kaiserliche Grundbuchhändler Müller von Mühlberg diesen Hof mitsamt der Brauerei, worauf sich der Name Mühlbergerhof für dieses Anwesen einbürgerte. Er ließ die Brauerei »durch einen bestellten Brauer besorgen«, während er selbst in Wien wohnte und für den Vertrieb in der Hauptstadt sorgte. Nachdem seine Besitzungen bei der zweiten Türkenbelagerung schwer beschädigt und verwüstet wurden, berichtete er der niederöster reichischen Kammer über die erlittenen Schäden. Bei Plünderungen seines Landgutes Kettenhof sowie seines Bräuhauses in Ebersdorf verlor er nach eigenen Angaben etwa 80 Muth107 Malz, 500 Eimer Wein sowie den gesamten Viehbestand und die Einrichtung in den Gebäuden.108 Nach dem Entsatz Wiens verkaufte Mühlberg dem kaiserlichen Vizekanzler Reichspostmeister Graf Thurn von Valsassina den Mühlbergerhof samt der zerstörten Brauerei um 1.000 Gulden. Der Graf hatte nicht nur an der Brauerei Interesse, sondern witterte auch Geschäft durch die Vermietung der standesgemäßen Räumlichkeiten des Mühlbergerhofes. Nachdem das Schloss Ebersdorf ja vom Kaiser als Jagdschloss benutzt wurde und es nur beschränkte Wohnmöglichkeiten gab, mussten sich die Jagdgäste im Ort Quartiere suchen. Die Wohnräume des Herrenhauses der Brauerei galten als beste Unterkunft außerhalb des Schlosses.109 Hier weinte Napoleon – das Kaiserebersdorfer Brauhaus 91
Kaiserebersdorf um 1910 mit dem Brauereigelände in der Bildmitte
1716 verstarb der Graf, und sein Braumeister Johann Georg Uhl nützte die Gelegenheit, den völlig verschuldeten Besitz zu kaufen. Die Brauerei wurde wieder aufgebaut und in den Folgejahren so gut geführt, dass sie einen enormen Aufschwung erlebte. Das schmackhafte Ebersdorfer Bier, gebraut nach einem sorgsam gehüteten Familienrezept, war bald in der ganzen Umgebung bekannt und beliebt. Uhl stiftete 1763 seinem Namenspatron Georg anstelle der alten hölzernen eine gemauerte Prozessionskapelle. Der Schlussstein zeigt gekreuzte Malzschaufeln, das Firmenzeichen des Brauherrn Uhl, mit den Initialen IGV. Die Kapelle wurde wegen des Baus der Straßenbahn 1912 auf den heutigen Platz versetzt. 1807 wurde das Bräuhaus »das sowohl wegen seinem ansehnlichen Gebäude sehenswürdig, als wegen dem guten Bier in der Gegend umher berühmt ist und für eines der größten Bräuhäuser in Österreich gehalten wird« bezeichnet.110 Als Uhl starb, führte sein Sohn den Betrieb weiter. Es fand sich ein Miteigentümer namens Munsch »der Familie angehörig, die später in Wien das Hotel am Mehlmarkt leitete«. 1838 wird die Brauerei noch »als eine der Größten im Lande« bezeichnet. Die Nachfahren brauten bis 1849 weiter, danach gilt die Brauerei als unbetrieben. Die Mälzerei wurde eine Zeit lang an Dreher in Klein-Schwechat verpachtet, dann erwarb Anton Iritzer die Realität und baute sie zu einer großen Malzfabrik aus, die sogar 1893 bei der Weltausstellung in Chicago vertreten war. Anton Iritzer war der Sohn von Charlotte Kuffner, der Schwester des 92 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Gekreuzte Malzschaufeln mit Initialen von Johann Georg Uhl 1758, Schlussstein des Torbogens zum Kellerabgang am Haus Mailergasse 12
110 Oehler : Panorama von Wiens Umgebungen, S. 114.
Gebäude Mailergasse 5 um 1910
Gebäude Mailergasse um 1930
Ottakringer Brauherren Jakob Kuffner. Nach seinem Tod im Jahre 1903 übernahm sein Sohn Siegfried die Leitung des Unternehmens. 1920 kaufte die Gesellschaft »Erste Wiener Export-Malzfabrik Hauser & Sobotka« (heute STAMAG) den Betrieb auf. Nachdem die Malzproduktion in Stadlau konzentriert wurde – von hier werden auch heute noch die österreichischen Brauereien mit diesem wichtigen Rohstoff beliefert – begann man 1926 mit dem Abbruch der Betriebsgebäude. Bis heute sind die ebenerdige Etage der Keimböden (heute eine Turnhalle) Hier weinte Napoleon – das Kaiserebersdorfer Brauhaus 93
Sprengung eines Schornsteines beim Maschinenhaus der Mälzerei 1926
und der Hubertushof, in dem sich Ställe und Kelleranlagen befanden, erhalten geblieben. Neben dem modernisierten Herrenhaus und der Georgskapelle erinnert noch die Gruftkapelle am Friedhof an die Brauerfamilie Uhl. Schön und preiswert – das Gaudenzdorfer Brauhaus
Das Gaudenzdorfer Brauhaus war ein typisches Beispiel für jene Etablis sements bzw. Vergnügungslokale, die in der Biedermeierzeit unmittelbar vor dem Linienwall, dem heutigen Gürtel, lagen. Sie boten Essen und Trinken zu günstigen Preisen an, weil sie nicht der Verzehrsteuer unterlagen. Diese Verzehrsteuer war die wichtigste Umsatzsteuer dieser Zeit und wurde ab 1829 bei den Linienämtern für alle Lebensmittel eingehoben, die in die Stadt eingeführt wurden. Sie verteuerte damit auch den Bierpreis in der Residenzstadt und den Vorstädten, den heutigen Innenbezirken, beträchtlich.111 Gaudenzdorf ist heute Teil des Bezirks Meidling, wurde ab 1812 auf dem Klosterneuburger Stiftsgrund vor der Hundsturmer Linie errichtet und 1819 nach dem Propst des Stiftes Gaudenz Andreas Dunkler benannt. Die Brauerei wurde im Stil eines Sommerschlosses am Ortsanfang im Bereich der heutigen Schönbrunner Straße 149–151 errichtet und ging 1818 in Betrieb. Sie wurde auf einer der Randspalten der Pläne 94 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
111 Albrecht, Martsch : Der Wiener Alkoholkonsum, S. 77–87.
Lageplan des Brauereigeländes auf dem Plan des kk mil.geogr.Instituts »Umgebungen von Wien« 1860
Gaudenzdorfer Brauhaus auf der Randspalte des Planes von Vasquez 1835
Schön und preiswert – das Gaudenzdorfer Brauhaus 95
Blick auf Wien von Süden um 1860 mit idealisierter Darstellung des Brauereigeländes
von Graf Vasquez als eines der schönsten Biedermeier-Wirtschaftsgebäude von Wien verewigt und war eine der vielen Brauereien der ersten Gründungswelle in den 1810er Jahren im Wiener Raum. In den angebauten Tanzsälen, im Sommer auch im terrassenförmig angelegten großen Garten, wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun derts gut besuchte Unterhaltungsveranstaltungen durchgeführt. Dieses Brauhaus trug sehr zum Aufschwung der neuen Gemeinde bei : »Hunderte und aber Hunderte von Besuchern pilgerten im Vormärz an Sonntagen in das ›liederliche Tal und feuchtfröhliche Nest‹, wie man Gaudenzdorf nannte, um entweder im Brauhaus selbst oder in einem der sonstigen 45 Wirtshäuser von Gaudenzdorf ihren Durst zu löschen und die jährlich erzeugten 30.000 hl Bier vertilgen zu helfen«. In den Brauereigebäuden befand sich auch ein kleines Theater, in dem zeitweise Possen und Schauerdramen von »fahrenden Leuten« oder den Schauspielern des damaligen Meidlinger Theaters gespielt wurden.112 Das Brauhaus ist durch drei Generationen eng mit der Familie Gierster verbunden, die zu den bedeutendsten Familien dieses Vorortes und des späteren Wiener Bezirkes Meidling zählte. Der erste Brauereibesitzer war Joseph Gierster, der 1832 auch das Oberdöblinger Brauhaus von Leonhard Dreher erwarb und es etwa auf die gleiche Größe wie jenes in Gaudenzdorf ausbaute. 96 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
112 Meidling, S. 72 f.
Joseph Leopold Gierster jun. (um 1800–1863)
113 Diese paramilitärische Einrichtung wurde nach den Märzunruhen 1848 mit kaiserlicher Billigung geschaffen, um die Bürger vor den radikalen Arbeitern und die Fabriken vor Zerstörungen zu schützen. 114 Meidling, S. 72. 115 Berg, Fischer : Vom Bürgerspital, S. 10.
Sein Sohn, der wie sein Vater Joseph hieß und 1799 geboren wurde, trat schon in jungen Jahren in den elterlichen Betrieb ein. Die Namensgleichheit zwischen Vater und Sohn führte noch 1833 zu größeren Problemen, da das Ansuchen für das Braurecht des Joseph Gierster junior irrtümlich dem Vater zugesprochen wurde. In einem Schreiben vom 25. Oktober 1833 an die Stiftsherrschaft Klosterneuburg stellte Josef Gierster senior richtig, dass er nur noch eine Brauerei, und zwar die in Oberdöbling, betreibe. Es lohnt sich, diesen Joseph Gierster jun. etwas genauer zu porträtieren, weil er auch noch nach 1848 wie ein Grundherr in seinem Vorort agierte und dabei erstaunlich viel soziales Engagement für diese beginnende Gründerzeit an den Tag legte. Der noch von Kaiser Ferdinand zum ersten und einzigen k.k. Hofbraumeister ernannte Gierster war während der Revolution 1848 Bataillonskommandant der Nationalgarde113 und kooperierte nach dem Vorrücken der kaiserlichen Armee sofort mit dem kommandierenden Fürsten Windischgrätz. So war es kein Wunder, dass er 1850 erster Bürgermeister von Gaudenzdorf wurde – bis dahin führte ein Ortsrichter die Gemeindeaufgaben. Dieses Amt behielt er bis 1861. Eine seiner ersten Taten in dieser Funktion war die Übernahme des vorgesehenen, aber von der Gemeinde Meidling nicht finanzierbaren Choleraspitals, das er in der Nähe der Brauerei, der heutigen Seumegasse 5 (damals Gemeindegasse), mit sieben Betten errichtete und das für die Gesundheitspolitik des Vorortes von großer Wichtigkeit war. Als Ortsschulaufseher steigerte er die Kapazität seiner neu gegründeten Schule innerhalb weniger Jahre von zwei auf sieben Klassen, eine für die damalige Zeit offensichtlich wegen der stark zunehmenden Bevölkerungszahl erwähnenswerte Leistung.114 Außerdem unterhielt die Brauerei eine eigene Betriebsfeuerwehr, die er auch der Gemeinde zur Verfügung stellte. Gierster förderte die Künste und die Wissenschaft, war Vereinskommissär der Ersten österreichischen Spar-Casse, Grundentlastungs-Kommissionsmitglied, Mitglied des äußeren Stadtrats von Wien und vieles mehr.115 Im November 1853 gehörte er zu den ersten Wienern, die ihr Wohnhaus mit Gaslicht beleuchteten. Sein Brauhaus war in den Jahren vor und nach der Revolution von 1848 ein beliebtes Ausflugsziel der Städter, vor allem jener, die nicht allzu viel Geld hatten und in »besseren Kreisen« verkehren wollten. Das Bier und das preiswerte Essen lockten besonders an Sonn- und Feiertagen hunderte Besucher an. In einem Bericht heißt es : »… und schenkte man daselbst eine Maß (1,3 Liter) um drei Kreuzer Konventionsmünze ein, Schön und preiswert – das Gaudenzdorfer Brauhaus 97
Ehemalige Gebäude der Brauerei um 1900
während ein Braten, der in seiner Größe über den Tellerrand herabhing, nur 8 Kreuzer kostete.116 Wurde das Geld auch damals schwer verdient, so übten doch der große Garten, die Billigkeit des Essens sowie die Güte des nur aus Gerste, Malz und Hopfen erzeugten Bieres eine derartige Anziehungskraft aus, dass neben dem meist mit Gästen überfüllten Brauhause nach und nach noch 45 Wirte im Orte eine Existenz finden konnten«.117 98 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
116 Bis 1856 entsprachen 60 Kreuzer einem Gulden. Ein Gulden hatte den heutigen Geldwert von 15 Euro, ein Kreuzer demnach von 25 Eurocent. 117 Fischer : Chronik Gaudenzdorf, S. 7.
Innenhof der Brauerei um 1900
118 Fischer : Chronik Gaudenzdorf, S. 68.
Die Lokalchronik erzählt auch von einer Bohrung, bei der ein artesischer Brunnen beschädigt wurde, dessen Wassersäule deshalb weit über das Dach des Brauhauses hinausschoss und den ganzen Hof überschwemmte. »Das Ereignis war damals so auffallend, dass selbst der täglich durch Gaudenzdorf nach Schönbrunn fahrende Kaiser Franz Joseph die mächtige Wassersäule besichtigte.«118 Der Brunnen wurde dann wieder geschlossen, die Quelle versiegte bzw. bahnte sich einen anderen Weg Richtung Wienfluss. 1861 legte Gierster jun. seine Stelle als Bürgermeister von Gaudenzdorf zurück und zwei Jahre später schied er im 64. Lebensjahr »tief betrauert von seinen Mitbürgern aus dem Leben«. Sein Sohn August, der den Betrieb übernahm, starb nur zwei Jahre später im 37. Lebensjahr. Beide wurden am Meidlinger Friedhof beigesetzt. 1870 wurde mit 50.842 Hektolitern Bier der Höhepunkt der Produktion erreicht, allerdings gehörte das Brauhaus immer zu den kleineren in Wien. 1872 wurde die Braustätte geschlossen, »teils durch die damit verlorengegangene Zielbewusstheit, teils durch die neu aufkommende Konkurrenz der Großbrauereien« und weil die Erben auch nicht wirtschaften konnten. Von dem für damalige Verhältnisse mächtigen Besitz und Vermögen des Joseph Gierster war nichts mehr übriggeblieben. Die Gastwirtschaft und der Gartensalon blieben noch für einige Zeit bestehen. Die Brauereigebäude mussten Anfang des 20. Jahrhunderts dem Bau des Gaudenzdorfer Gürtels weichen. Die steinerne Giebelfigur oberhalb Schön und preiswert – das Gaudenzdorfer Brauhaus 99
des Eingangs zu den Saallokalitäten wurde beim Bau des »Fuchsenfeldhofes« in der Murlingengasse verwendet.119 Die Kölner Schokoladefabrik Stollwerck beauftragte 1910 den Architekt Rudolf Krausz, auf den Fundamenten eines Gebäudes einen Stahlbetonbau für die Wiener Niederlassung zu errichten. Der ließ wesentliche Stilelemente des Vorgängerbaues einfließen. Das Gebäude diente später der Firma ADEG als Zentrale, heute revitalisiert als Geschäftshaus mit Loft-Wohnungen. Ausflugsziel der Biedermeierzeit – die Hütteldorfer Brauerei
Die Geschichte der Hütteldorfer Brauerei ist insofern sehr interessant, als wir einiges von ihrer Vergangenheit im Vormärz wissen, also der Zeit, bevor Dreher und Mautner das Wiener Bier revolutionierten. Wer heute noch nostalgische Gefühle hat, muss ins Gasthaus Peschta in der Bahnhofstraße vis-à-vis des Hütteldorfer Bahnhofs gehen. Bei einem Krügerl des neuen Hütteldorfer oder des ebenso exzellent gepflegten Gösser Bieres kann man dort an den Wänden zahlreiche Bilder des alten Ortes und der Brauerei sehen. Im Tal des Wienflusses gab es auf heutigem Wiener Gemeindegebiet bereits im 10. Jahrhundert kleine Siedlungen, die von den Bayern gegründet wurden. Hütteldorf hat als eine von diesen die Stürme des Mittelalters und der Türken überlebt. Es soll von einem gewissen Outo oder Odilio »tief im Wienerwald und von diesem ganz umschlossen« an der bereits zur Römerzeit bestandenen Fernstraße nach Deutschland entstanden sein. Wir wissen von einer ab dem frühen 15. Jahrhundert bekannten Mühle im Dunstkreis des Waldamtes, deren Geschichte den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Sie ist auch nur deshalb interessant, weil sie 1572 dem Bierbrauer Hans vom Steinern Kreuz auf neun Jahre bis Ende 1581 in Bestand überlassen worden war.120 Ob dieser hier mit dem Bierbrauen begonnen hat oder ob schon viel früher in der Mühle gebraut wurde, wissen wir nicht und können nur Vermutungen anstellen. 1599 erwähnt jedenfalls Obrist Jägermeister Wolf Auersberg in einem Bericht, Majestät habe ihm diese »Müllel samt Preuheusel« als Leibgedinge überlassen, damit er diese genieße. Er habe sie um 100 Gulden in Bestand verlassen, nun falle sie aber heim, alles wäre baufällig. 100 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
119 Meidling, S. 74. 120 Twerdy : Beiträge zur Geschichte des Wienerwaldes, S. 382.
121 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, Anhang. 122 Verzeichnis vom 13. 9. 1675 (Verwendung von Weizen) (B.S.A. XIII/1). 123 Wilhelm Twerdy beschreibt die Geschichte der Mühle und des Brauhauses in seinen Beiträgen zur Geschichte des Wienerwaldes sehr ausführlich. 124 Oehler : Panorama von Wiens Umgebungen. 125 Promintzer : 300 Jahre, S. 78.
Wir wissen auch, dass die Brauerei in den Jahren 1619 und 1622 je 17 Eimer Bier an das Wiener Bürgerspital geliefert hat.121 Ab 1668 gehörten Mühle und Brauhaus den jeweiligen Besitzern der Herrschaft Hacking. 1675 wird erwähnt, dass das Verbot Weizen zu verbrauen, übertreten wurde.122 Überspringen wir die Zerstörungen während der zweiten Türkenbelagerung und die zahlreichen Besitzer der Herrschaft und deren Braumeister123 bis zum Ende der Napoleonischen Kriege. Im »Panorama von Wiens Umgebungen« aus dem Jahre 1807 wird das Brauhaus so beschrieben : »Etwas entfernt vom Dorfe liegt in einer angenehmen Gegend an einem Mühlbache das berühmte Bräuhaus, welches man für eines der ansehnlichsten in Niederösterreich hält. Neben dem Bräuhaus befindet sich ein Tanzsaal. Man sieht hier im Sommer, besonders an Sonntagen immer viele Menschen, nicht bloß aus den umliegenden Dörfern, sondern selbst aus Wien, welche hier der Göttin Ceres huldigen. Das Hütteldorfer Bier hat sogar die Ehre gehabt, in einem eigenen Liede besungen zu werden. Das Lied ist noch aus dem achtzehnten Jahrhundert, denn das niederösterreichische Bier des neunzehnten Jahrhunderts ist eben nicht geeignet, dichterische Begeisterung einzuflößen.«124 Hier findet man einen deutlichen Hinweis über die schlechte Qualität des Wiener Bieres in der Zeit vor Anton Dreher. Die Brauerei muss dennoch ziemlich ertragreich und gut besucht gewesen sein. Am 22. Juni 1815 konnte der damalige »Inhaber des freyen Bräuhauses zu Hütteldorf, Herr Anton Dittmann«, laut Schuldschein ein Kapital von 20.000 Gulden an den Hackinger Lederfabrikanten Franz Josef Lipp verleihen. Dittmann, der »wegen einer Brunnquelle im herrschaftlichen Walde« im Grund- und Gewährsbuch der Herrschaft Hacking eingetragen war, verkaufte die Brauerei 1829 an den Pächter des Brauhauses in Mannswörth, Franz Dengler. Wie der Braumeister Götz aus Klein-Schwechat berichtete, war Dengler der erste Brauer von Wien, der untergäriges »Märzenbier« erzeugte, »aber zu keiner Ausdehnung der Erzeugung kam«.125 Denglers Neffe Johann Franz heiratete übrigens die Tochter von Anton Bosch (Brauerei Jedlesee) und bekam die Fünfhauser Brauerei als Mitgift. Etwas verwirrend, aber einer der zahlreichen Fälle von Verbindungen zwischen den Wiener Brauerfamilien. Die Brauerei wurde zum bedeutendsten Wirtschaftsbetrieb des Ortes und war maßgeblich für seine Entwicklung zum biedermeierlichen Ausflugsort beteiligt. In den »Neuen komischen Briefen des Hans Jörgls von Gumpoldskirchen an seinen Schwager Maxel in Feselau (Vöslau) und Ausflugsziel der Biedermeierzeit – die Hütteldorfer Brauerei 101
Brauhausidylle aus der Biedermeierzeit
dessen Gesprächen über verschiedene Tagesbegebenheiten in Wien im Jahre 1832« kann man lesen : »… im Hütteldorfer Bräuhaus : Ah, da ist’s zugangen – so groß der Platz ist, so sein do alle Tisch so besetzt g’wesen, daß wir mit g’nauer Not no ein Platzel kriegt haben. Weil das Hütteldorfer Bier weit und breit berühmt ist, so hab i mi recht g’freut d’rauf und hab mir vom besten ein’s geben lassen ; – weiß der Teuxel, entweder is das beste Bier no nit ferti g’wesen oder sö haben’s den Tag vorher in d’ Wienerstadt einiliefern müssen ; denn i hab nit davon zu kosten kriegt ; süffig ist’s freili g’wesen, aber daß i wegen dem Bier, das wir g’habt haben, gar auf Hütteldorf aussi soll, das kunnt i do nit der Müh’ wert finden.« Adolf Schmidl schildert : »Der geräumige Gartensaal und die zahlreichen Tische, theils unter einer ehrwürdigen Linde, theils in dem Gärtchen, sprechen für den häufigen Zuspruch, der am Tage Mariä Geburt, 8. September, am stärksten ist, da dann die Wallfahrten nach Maria-Brunn auf dem Rückwege sich gewöhnlich hier erfrischen. Beim Bräuhause findet man denn an Sonntagen eine ganze Wagenburg von Zeiselwägen, Fiakern etc. aufgefahren. Doch muß bemerkt werden, dass man in Hütteldorf seltener Gelegenheit zur Heimfahrt als anderswo findet, und daher wohlthut, sich vorzusehen, da man sonst bis Hitzing oder Penzing zurückpilgern muß«. Zugleich zeichnet Schmidl ein gelungenes Alt-Wiener Stimmungsbild aus dem Brauhausgarten zu Hütteldorf : 102 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Blick auf Hütteldorf von Süden um 1900 mit dem Brauereigelände in der Mitte. Beachtenswert der Text unter dem Bild : Heute große Sauferei in Hütteldorf
126 Schmidl : Wien’s Umgebungen, I. Band, S. 137.
»… behäbige Wiener Bürger in blauen und braunen Bratenröcken mit mächtigen grauen Zylinderhüten und geblümten Seidenwesten, Grenadiere im weißen Waffenrock, mit der hohen Bärenmütze beim schäumenden Bierkrug unter der breiten Linde – dazu schöne Wiener Frauen in duftigen Sommerkleidern und Wiener Walzerklängen.«126 Trotzdem – und diesen Berichten fast widersprechend – befand sich das Brauhaus in einem sehr ärmlichen Zustand, als es 1845 Anton Bergmiller um 152.000 Gulden, von denen er aber nur einen Bruchteil selbst besaß, erwarb. Er stammte aus dem oberösterreichischen Ort Mauerkirchen, wo seine Vorfahren eine Brauerei betrieben hatten. Der Ausstoß betrug damals gerade einmal 16.000 Hektoliter, den er 1850 auf 42.000 und bis zum Ende seiner Brauertätigkeit im Jahr 1870 auf 145.000 Hektoliter ausweiten konnte. Die enorme Steigerung gelang durch laufende Modernisierungen, Erweiterung der Lagerräume und nicht zuletzt durch Umstellung auf Fabriksbetrieb im Jahre 1852. Die Grundherrschaft in Hütteldorf übte bis 1848 der Deutsche Orden aus, dann wurde Hütteldorf eine selbständige Gemeinde, was Bergmiller die Renovierung der Gebäude sehr erleichterte. Er war nämlich von 1851 bis 1867 erster Bürgermeister der neuen Gemeinde und holte sich außerdem 1862 eine kräftige Kapitalspritze durch eine Umwandlung der Brauerei in eine Aktiengesellschaft, wobei er eine Reihe prominenter Aktionäre, wie Alexander Schoeller, Philipp von Gomperz und Ludwig von Ladenburg gewinnen konnte. Den größten Aktienanteil besaß die Ausflugsziel der Biedermeierzeit – die Hütteldorfer Brauerei 103
Großindustriellenfamilie Schöller, die auch den Vorsitz im Verwaltungsrat stellte. Das ursprüngliche Aktienkapital von 600.000 Gulden konnte er 1864 bereits auf 800.000 Gulden erhöhen. Bergmiller war von 1849 bis 1852 (als Nachfolger von Adolf Ignaz Mautner) und von 1862 bis 1869 Vorsitzender im Brauherrenverein bzw. in der Innung, was sicher einiges über seine Bedeutung unter den Standeskollegen sagt. Bergmiller starb zwar mit nur 48 Jahren im Mai 1870, er ist aber der Vater der Blütezeit dieser Brauerei. Ab 1858 expandierte der Betrieb dank der Westbahn-Station in Hütteldorf und des Baus eines neuen Verkehrswegs, der heutigen Hadikgasse. In allen Beschreibungen der 1858 eröffneten »Kaiserin Elisabeth-Westbahn« wird das Brauhaus als größte Sehenswürdigkeit Hütteldorfs bezeichnet. Lassen wir uns die Beschreibung in einem dieser Führer auf der Zunge zergehen : »Die Station Hütteldorf ist das Eldorado aller durstigen Seelen. Sie ist für die Westbahn das, was Liesing für die Südbahn. In Liesing und Hütteldorf wird das Reich der Biermanen ewig getheilt bleiben. Jedenfalls verdient der Umstand Erwähnung, dass der dortige Riesenkeller des Herrn Bergmiller bei 80.000 Eimer Lagerbier, eine ganze Sintflut brauner Vertilgungsflüssigkeit, enthält. Der Bahnhof steht mit dem Bräuhausgarten mittels einer eigenen Straßenanlage in Verbindung.«127 Auch in den folgenden Westbahn-Führern steht das Brauhaus immer vor den anderen Sehenswürdigkeiten dieses Wienerwaldortes. Der »Concertsaal« des Brauhauses wurde wegen seiner großartigen Liedertafeln und Orchesterkonzerte sehr geschätzt. Hausdirigent war das Wiener Vorstadt-Original Michael Pamer, der auch der erste Brötchengeber von Josef Lanner und Johann Strauss Vater war, die später auch in Hütteldorf auftraten. Pamers Paradestück war eine Ländlerreihe mit dem Titel »Selige Erinnerungen an das gute Hütteldorfer Bier«. »Als besonderen Gag hatte Pamer eingeführt, dass er vor der Coda, also vor dem Schlußteil des Walzers, das Konzert unterbrach, um ein Seidel Bier in einem Zug auszutrinken.«128 Der Bierwalzer musste an einem Abend oft bis zu zwanzigmal wiederholt werden, das Biertrinken wurde auch für andere Dirigenten dieses beliebten Musikstückes Pflicht. Die Spezialität der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren die Frühschoppen, die riesige Menschenmassen bewegten. Die Gallmeyer, die Niese und der Girardi traten auf und Kronprinz Rudolf soll mehrmals mit einem Krügel des Hütteldorfer Bieres gesichtet worden sein, wenn er auf dem Weg zu seinem Jagdschloss nach Mayerling fuhr. Als 1912 der Fußballverein Rapid auf die benachbarte Pfarrwiese zog, saßen 104 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Anton Bergmiller (1822–1870)
127 Zitiert aus dem Album zur feierlichen Eröffnung der Westbahn, in : Penzinger Museums Blätter, 1969, Heft 21/22, S. 27. 128 Klusacek, Stimmer : Penzing, S. 27.
Brauereigelände mit Restaurant von der heutigen Brudermanngasse aus, um 1900
bald viele Anhänger im wunderschönen Brauereigarten, schließlich befand sich sein Eingang unmittelbar neben den Kassen des Fußballvereins. 1867 erwarb Bergmiller das Neuling’sche Brauhaus in der Ungargasse, dessen Besitzer August Wedl nach Hütteldorf wechselte und bereits drei Jahre später Bergmillers Nachfolger als Direktor der »Actien-Ges. Brauerei Hütteldorf« wurde. 1874 erfolgte eine Vergrößerung des Sudhauses und 1885 wurde die künstliche Kühlung eingeführt. 1890 konnte der Ausstoß die 200.000-Hektoliter-Grenze überschreiten, womit man in Wien hinter Schwechat, St. Marx und Liesing an vierter Stelle lag. Das Aktienkapital der Brauerei wurde inzwischen auf 1,2 Mio. Gulden und 1901 auf 3,6 Mio. Kronen (umgerechnet von 18 auf 23 Mio. Euro) erhöht und der Betrieb durch verschiedene Verbesserungen, so nicht zuletzt 1893/94 durch den Bau einer Mälzerei am Handelskai in Wien, vergrößert, »für deren Errichtung an dieser Stelle Rücksicht auf eine rationelle Ausnützung der Fracht- und Bezugsverhältnisse maßgebend war«. Sie verarbeitete per Campagne rund 500 Waggons Gerste, »daselbst ist auch ein Elektromotor für Beleuchtungszwecke aufgestellt.« Ein Problem, das auch andere Brauereien hatten, war der mangelnde Umweltschutz. Die Hütteldorfer Brauerei war direkt am Mariabrunner Mühlbach gelegen. Sie nutzte ihn energetisch zum Antreiben von Maschinen, aber auch zur Entsorgung ihrer Abwässer. So gelangten auch große Mengen an Abwasser in den Mühlbach. 1882 beklagten Experten den schlechten hygienischen Zustand des Wienflusses und auch des Ausflugsziel der Biedermeierzeit – die Hütteldorfer Brauerei 105
Erste und zweite Brauereieinfahrt in der heutigen Bergmillergasse, um 1900
Mariabrunner Mühlbaches : »Hauptsächlich sind es die Gärbereien und Färbereien, die chemischen Fabriken und das Hütteldorfer Brauhaus, welche an der Wasserverderbung und der Verschmutzung der Ufer den größten Antheil haben. Das aus dem Hütteldorfer Brauhause abgehende Wasser des Mühlbaches weist geradezu eine ekelerregende Beschaffenheit auf. Die Flusssohle dieses Baches ist bedeckt mit einer hohen 106 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Der Brauhausgarten im Jahr 1911
Saal in der Brauhausrestauration im Jahr 1911
129 »Bericht der vom Gemeinderathe der Stadt Wien berufenen Experten über die Wienfluß-Regulierung im August 1882.« Verlag des Gemeinderaths-Präsidiums, Wien 1882. 130 Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 75.
Schichte einer schlammigen Masse, aus welcher sich die verschiedenartigen Algen entwickeln, deren fortwährende Zersetzung einen intensiven Fäulnisgeruch verursacht.«129 Als in Mürzzuschlag die dortige Brauerei stillgelegt wurde, kam deren Besitzer Konrad Schneeberger nach Hütteldorf und wurde hier Direktor. Dieser 1866 geborene und in Weihenstephan ausgebildete Bierfachmann machte später bei den Vereinigten Brauereien eine große Karriere und war von 1927 bis 1936 Präsident des Brauherrenverbandes.130 Unter Ausflugsziel der Biedermeierzeit – die Hütteldorfer Brauerei 107
Bierzusteller der Brauerei um 1900 Mälzerei am Handelskai
seiner Leitung wurde das Brauhaus »großzügig ausgebaut und unter jeweiliger Anwendung der jüngsten Errungenschaften der dem Brauwesen dienstbaren Technik« eine der modernsten Brauereien Österreichs, deren Einrichtung als Vorbild für eine ganze Anzahl Brauereien wurde. Es wurde Lager-, Abzug- und Bayrisch-Bier erzeugt. Die nötige Gerste wurde aus der Hanna131 und aus dem Neutraer Gebiet132, der Hopfen aus der Saazer Gegend133 bezogen. Als Absatzgebiet kam hauptsächlich Wien, in weit geringerem Maße die Westbahnstrecke, in Betracht. Der herrliche Restaurationsgarten wurde in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg immer wieder vergrößert. Seit die Stadtbahn Hütteldorf und die übrigen Bezirken verband, wuchs die Frequenz des Etablissements weiter von Jahr zu Jahr und an schönen Sonntagen fanden »förmliche Wallfahrten von Ausflüglern« statt. Während des Ersten Weltkrieges musste das Restaurant geschlossen werden, weil dort die Assentierungskommission tagte und Militär einquartiert war. Danach konnte die Produktion nur langsam gesteigert werden. 1927 wurden wieder 155.232 Hektoliter gebraut, doch ein Jahr später beschloss der Verwaltungsrat unter der Führung von Richard Schöller die Fusion des Unternehmens mit der Vereinigten Brauereien AG St. Marx-Simmering-Schwechat und »Hütteldorf« wurde zusätzlich in den langen Brauereinamen aufgenommen. 1932 kam das Aus für den Brauereibetrieb : »Dieser an sich sehr moderne und gut eingerichtete Betrieb musste geschlossen werden. Auch spätere ›bessere Zeiten‹ brachten keine Möglichkeit mehr, den Braubetrieb wieder aufzunehmen«. Die Mälzerei am Handelskai blieb in Betrieb. Direktor Konrad Schneeberger war längst in den Verwaltungsrat nach Schwechat übersiedelt und wurde dort 1927 Generaldirektor, auch Richard Schöller zog in den Verwaltungsrat der Schwechater Brauerei ein. 1938 wurde die Liegenschaft von der Familie Mautner Markhof, die kurz zuvor die Vereinigten Brauereien erworben hatte, um 557.500 Reichsmark (ca. 2,8 Mio. Euro) verkauft, womit der schrittweise Ab108 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
131 Die Hanna (Haná) ist eine große, sehr fruchtbare Ebene in Mähren (Tschechien). 132 Neutra, heute Nitra, ist eine Stadt in der westlichen Slowakei. 133 Saaz, heute Žatec, ist eine Stadt in Böhmen (Tschechien).
Konrad Schneeberger (1866–1936)
bruch eingeleitet wurde. Die Brauereieinrichtung wurde nach Addis Abeba verschifft, wo die Familie Mautner Markhof nach dem Einmarsch der Italiener in Äthiopien ein Brauhaus gründete. Dieses wurde aber nach dem Einmarsch der Engländer 1941 vom äthiopischen Kaiser Haile Selassie enteignet und die Familie konnte nach 1945 nur mit viel Mühe eine Abfindung erhalten.134 Einige Teile des ehemaligen Brauhauses wurden in den 1950er-Jahren abgebrochen, nachdem dort nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Auffanglager für die Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft eingerichtet worden war. Andere Gebäude wurden damals von der Margarinefabrik »Ebhart und Herout« (Senna und Milla) erworben. Sie stehen teilweise heute noch, wurden aber umgebaut. Die Brauhausrestauration gibt es schon lange nicht mehr, mit ihr ist auch in Hütteldorf ein Stück Kultur untergegangen. Statt der Produktionsgebäude der alten Hütteldorfer Brauerei steht jetzt ein Supermarkt auf diesem altehrwürdigen Boden. Die ausgedehnten Bierkeller erstreckten sich entlang der Linzer Straße im Bereich der heutigen Gärtnerei Radl (Linzer Straße 480). Dort befand sich auch der Einfahrtsstollen mit dem »Bierhäusl«, auf das die Namensgebung des Berges zurückzuführen ist. Gegenüber dieser Kellerei wurde in den Jahren 1862 bis 1875 ein weiterer zwei Stockwerke tiefer Keller von gewaltigem Ausmaß angelegt. In den bis 2004 bestehenden Gebäuden befand sich die Firma Kraft & Wärme (Linzer Straße 455), heute findet sich dort ein Lebensmittelmarkt. Die darunterliegenden Kellereien sind zwar nicht mehr zugänglich, jedoch nach wie vor erhalten. Eine kleine Wirthausbrauerei – das Penzinger Brauhaus
134 Mautner Markhof G.: Von irgendwo in alle Welt, S. 159 ff.
Penzing (ein echter bayrischer »-ing«-Ort) geht auf das 9. Jahrhundert zurück und bildete an der dortigen Wienfurt, gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Hietzing, eine Brückenkopfstellung. Die Römer überquerten bereits den Wienfluss dort, wo sich jetzt die Kennedybrücke befindet. Penzing hat zwei alte Ortskerne. Einen älteren um die Altpfarre St. Jakob, den anderen in Form eines Straßendorfes im Bereich der Penzinger Straße zwischen Beckmann- und Nisselgasse. Die Eigentümer der Herrschaft wechselten im Laufe der Jahrhunderte öfters, auch das Bürgerspital befand sich darunter. Der letzte Eigentümer war ab 1846 das Wiener Schottenstift. Eine kleine Wirthausbrauerei – das Penzinger Brauhaus 109
Gasthaus Pumpler in der Penzingerstraße 38 um 1900
Wirtschaftlich begann der Aufstieg erst im 18. Jahrhundert, hauptsächlich durch die Seidenindustrie. Für das leibliche Wohl wurde in einer kleinen Wirtshaus-Brauerei gesorgt. Von diesem Penzinger Bräuhaus ist nicht viel bekannt. Man weiß nur, dass 1854 der »Eigenthümer und Braumeister« Lorenz Seidl hieß, und dass jährlich zwischen 1.300 und 4.500 Hektoliter erzeugt wurden, was selbst für damalige Verhältnisse recht gering war. Die Brauerei befand sich in einem Trakt des Hauses Penzinger Straße 38. Der Braubetrieb wurde 1859 aufgelassen und nur mehr die Gastwirtschaft weiter geführt, später als Gasthaus Pumpler. Die Gebäude sind längst abgebrochen und durch ein modernes Wohnhaus ersetzt. Ein einziger Bericht über dieses Brauhaus ist uns erhalten geblieben, und zwar von Friedrich Reischl in seinem Buch »Wien zur Biedermeierzeit«. Dort schildert er eine Bettlerhochzeit, die hier stattgefunden haben soll. Eine noch kleinere Gasthausbrauerei – das Rustendorfer Brauhaus
Der Flurname Rustendorf ist seit 1394 bekannt. Der Ort befand sich an der wichtigen Linzer Poststraße und bestand fast ausschließlich aus Wirtshäusern, die an der heutigen äußeren Mariahilfer Straße lagen. Diese trugen Namen, die in ganz Wien bekannt waren, wie zum Beispiel 110 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Lageplan der Brauerei
das 1730 als erstes hier errichtete Haus »Zum goldenen Reichsapfel«, »Zur goldenen Sonne« oder zum »Goldenen Mondschein«. 1771 bestand das »Rustendörfel« erst aus fünf Häusern. Zusammen mit der großen Anzahl von Einkehrhöfen in Braunhirschen führte dies jedenfalls zum lang anhaltenden Ruf, gemeinsam mit dem Nachbarort Rudolfsheim eine Wirtshauskolonie zu sein. Die damaligen Eigentümer waren die Freiherren von Mayer, die den Ort gemeinsam mit Penzing an das Schottenstift verkauften. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts steigerte sich die Bautätigkeit, und die Industrialisierung setzte ein. 1863 kam es auf Betreiben des Braunhirschener Bürgermeisters Benedikt Schellinger zur Vereinigung von Rustendorf, Braunhirschengrund und Reindorf zur Gemeinde Rudolfsheim, die dann im Zuge der Eingemeindung der Vororte 1890/92 zusammen mit Sechshaus den damaligen 14. (jetzt 15.) Wiener Gemeindebezirk bildete. Heute erinnert nur noch die Rustengasse an diesen Ort. In Rustendorf, auf Nr. 18, 19 und 20, Ecke Neue Gasse/Sechshauser Hauptstraße – heute Reichsapfelgasse/Sechshauser Straße – befand sich Eine noch kleinere Gasthausbrauerei – das Rustendorfer Brauhaus 111
auch eine kleine Gasthausbrauerei. 1843 wird hier ein Joseph Knaus135 und 1845 sowie 1847 eine Barbara Erler als Besitzerin der Realität genannt. Die Parzellen 18 und 19 sind als Bauplätze ausgewiesen. 1853 wird Michael Schmidt als Besitzer genannt.136 Es scheint aber auch ein Joseph bzw. Johann Schmidt auf. Der Betrieb wurde 1863 eingestellt. Von 1848 bis 1863 wurden hier 26.511 Hektoliter gebraut. Später wurde auf dem Areal ein Gründerzeit-Wohnhaus errichtet. Im Franziszeischen Kataster findet man außerdem, dass die Bierbrauer Michael Dittmann aus Hütteldorf und Georg Wieder aus Gumpendorf um 1820 in Rustendorf größere Ackerflächen besaßen, wo sie höchstwahrscheinlich ihre Braugerste angebaut hatten. Strauß und das Lied der Arbeit – Premieren im Fünfhauser Brauhaus
Bis in den Vormärz hinein war Wien arm an Konzertsälen, so dass die Brauereien den Kapellen, Künstlern und ihren vielen Interessenten Raum für Veranstaltungen und die populären Walzerfeste gaben. Einige dieser Säle befanden sich in Fünfhaus. Dieser Ort wurde am Beginn des 18. Jahrhunderts an einem Feldweg, der Gumpendorf und die Schmelz miteinander verbunden hatte, gegründet und soll 1751 tatsächlich erst fünf Häuser gehabt haben. Vierzig Jahre später waren es bereits 55 und 1795 wurde auf den Gründen des aufgelassenen Meierhofs der Karmeliter und einem angrenzenden Acker von Nikolaus Christoph Oesterlein (1756–1809) ein Brauhaus erbaut. Über die Brautätigkeiten von Oesterlein, seiner Witwe Helene, die nach ihm den Betrieb besaß, und des Braumeisters Heinrich Zwölfer wissen wir sehr wenig. Oesterlein war gelernter Schlossermeister und besaß in Fünfhaus auch eine Gewehrfabrik. Zwölfer137 stammte aus der Pfalz und sein Vater besaß in der heutigen Kandlgasse ein Wirtshaus mit dem Namen »Bei der Uhr«. Zwölfer erweiterte den Betrieb und starb 1836. Sein Nachfolger Anton Wittendorfer errichtete 1839 die »Erste Wiener Bierhalle« mit Garten Ecke der heutigen Gasgasse und Rosinagasse. Anton Bosch, der Besitzer des Jedleseer Brauhauses, vermählte seine einzige Tochter Katharina mit Johann Dengler, dem Neffen seines Freundes und Besitzers der Hütteldorfer Brauhauses, Franz Dengler. Das junge Ehepaar bekam in den 1840er-Jahren als Aussteuer das Fünfhauser Brauhaus. Es wirtschaftete nach den Wirren der Revolution 1848 nicht sehr glücklich. Dazu kam freilich auch, dass Katharina 112 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
135 Schwab : Häuser-Schema Wien mit ihren 34 Vorstädten 1843, Anhang S. 31. 136 Handels- und Gewerbeadressbuch von Wien 1845, S. 59, Häuser- Schema von Wien mit ihren 34 Vorstädten 1847, Anhang S.32 und Hahn : Der Bezirk Sechshaus, S. 120, 190. 137 Die Zwölfergasse in Fünfhaus wurde 1864/69 nach dem Braumeister und Besitzer des Fünfhauser Brauhauses Heinrich Zwölfer (1776–1836) benannt. Er verkaufte 1836 die Brauerei um 86.000 Gulden an Fritz Dengler. Die Gasse hieß vorher Bräuhausgasse.
Lageplan der Brauerei um 1860 auf dem Plan des kk mil.geogr.Instituts »Umgebungen von Wien«
138 Wiener Bezirkskulturführer, Rudolfsheim-Fünfhaus, S. 18 f.
1851 starb. Sie hinterließ sieben Kinder, für die der Großvater die Sorge übernahm. Die Bierproduktion ging in den Jahren 1849 bis 1861 jedenfalls von 22.751 auf 16.534 Hektoliter zurück. Nach Johann Denglers Tod im Jahre 1862 übernahm sein Sohn Anton, der in Jedlesee ausgebildet wurde, die Brauerei. Er heiratete die Tochter des Münchner Brauherrn Pschorr und war mit seinem Braumeister Josef Holzwart, der bis dahin die Bierhalle geführt hatte, so erfolgreich, dass sie zu einer der bedeutendsten Braustätten vor der Verzehrungssteuerlinie wurde. Der Bierausstoß stieg bis 1870 auf fast 68.000 Hektoliter. Die Biere, die dort gebraut wurden, erfreuten sich eines großen Absatzes und Fünfhaus wurde zu einem beliebten Ausflugsort. Tausende Menschen strömten an schönen Wochenenden aus der Stadt über die Linie und besuchten auch Schwenders Kolosseum, die Stefaniesäle oder die vielen kleineren Etablissements. Der Fleischhauer Franz Zobel erwarb im Jahr 1862 die Restauration, baute sie um und nannte sie »Viktoriasäle«, während sie das Volk aber nur »Zobels Bierhalle« oder »Zobeläum« nannte. Die Bierhalle sprengte alle bis dahin gekannten Dimensionen und allein der prächtige Gasthausgarten fasste 3.000 Personen. Damit war er damals der größte Wiens.138 In diesem Vergnügungs-Etablissement traten berühmte Musikkapellen auf. Strauß und das Lied der Arbeit – Premieren im Fünfhauser Brauhaus 113
Letztes Brauereigebäude Ecke Gasgasse/ Zwölfergasse im Jahr 1957
Johann Strauß und Josef Lanner konzertierten hier oft. Strauß brachte die »Gambrinustänze«, die »Lockvögel« und die »Knallkugeln« zur Uraufführung. Auch waren die Militärkapellen, vor allem unter dem Kapellmeister Karl Komzak, sehr beliebt. Volkssänger wie Carl Heinrich Kampf, Fanny Hornischer oder Antonie Mansfeld traten hier ebenso auf wie viele Gesangsvereine. Im Winter gab es großartige Ballveranstaltungen, unter anderem waren die Fiakerbälle am Aschermittwoch sehr beliebt. Am 29. August 1868 wurde hier vor angeblich gezählten 3.591 Gästen erstmals das »Lied der Arbeit« vorgetragen. Die großen Wirtshaussäle waren für die Sozialdemokratie mangels anderer Lokalitäten damals wichtige Veranstaltungsorte.139 Es gab aber auch Varietévorstellungen, besonders der französische Seiltänzer Blondin begeisterte das Publikum. Er war durch die Überquerung der Niagarafälle auf einem Hochseil weltweit berühmt geworden und »er überquerte bei seinen Vorführungen das Seil mit einem Sack über dem Kopf und auf einem Fahrrad – und er trug jeden, der es wünschte, über das Seil – ohne Netz.« 1880 versuchte der Penzinger Glasermeister Josef Brunner dort alle diese Kunststücke nachzumachen, womit er kurzfristig zu den populärsten Männern Wiens zählte.140 1872 erreichte die Bierproduktion mit 104.347 Hektolitern die Spitze. Die Besitzer dürften sich damit aber übernommen haben, denn es 114 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
139 Klusacek, Stimmer : Fünfhaus, S. 124 und Dee, Seidl : Ins Wirtshaus, S. 124. 140 Klusacek, Stimmer : Fünfhaus, S. 124.
»führte ein damals Aufsehen erregender Gefällsprozess« den Niedergang des sehr beliebten Etablissements herbei und die Brauerei wurde 1873 geschlossen. Das Areal wurde bald danach zu Bauzwecken parzelliert und 1884 dort das Magistratische Bezirksamt errichtet. An Stelle des riesigen Gastgartens wurde Ende des 19. Jahrhunderts eine Schule und Wohnhäuser gebaut. Ein kleiner Rest ist in Form des Friedrichsplatzes erhalten. Einige Baulichkeiten, die damals nicht abgerissen wurden, wie das Sudhausgebäude, wurden eine Zeit lang vermietet, auf den anderen Grundstücken wurden Wohnhäuser errichtet. Das Brauhaus in Rauhenstein bei Baden richtete in den Kellern ein großes Bierdepot ein. 1893/94 wurde auch das Sudhaus abgebrochen und an seiner Stelle die Leydoltgasse gebaut ; diagonal dazu wurde das Grundstück durch die neu errichtete Staglgasse von den Zobel-Gründen abgetrennt. 1905 übernahm das Stadtbräu aus Rannersdorf das Bierdepot – gekühlt wurde damals mit »Obereis« und »Seiteneis«. Um 1958 wurde das alte Direktionsgebäude geschliffen. Heute befindet sich hier das Postamt 1150 Wien. Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring
141 Wagner : 150 Jahre Brauerei Otta kring (1987) und Darthé : Ottakringer. Eine Unternehmensgeschichte (2007).
Die Ottakringer Brauerei hat insofern eine Sonderstellung, als sie im Gegensatz zu den rund fünf Dutzend anderen in diesem Buch beschriebenen Brauereien als einzige selbständig geblieben ist und noch immer Bier braut. Ihre Geschichte muss in drei Teilen erzählt werden : Nach einem 13-jährigen Vorspiel stand sie 88 Jahre im Besitz der Familie Kuffner und anschließend bisher 78 Jahre unter der Führung der Kommanditen bzw. Hauptaktionärsfamilien Harmer, Wenckheim und Menz. Die jüdische Familie Kuffner ist nicht wie die Familie Dreher ausgestorben, sondern wurde 1938 von den Nationalsozialisten vertrieben, wodurch vorerst die Familie Harmer und dann die beiden anderen Familien an ihre Spitze kamen. Das Unternehmen ist aus einem weiteren Grund bemerkenswert : Im Gegensatz zu den anderen Brauereien gibt es aktuelle Darstellungen ihrer Geschichte141, so dass wir uns hier nur auf eine Kurzfassung beschränken wollen. Die Geschichte beginnt im Mai 1837, als der Rannersdorfer Müllermeister Heinrich Plank von der damaligen Grundherrschaft, dem Stift Klosterneuburg, sieben Grundparzellen auf dem sogenannten Pfarracker Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 115
auf der Ried Paniken erwarb, wo einst Wein gepflanzt wurde.142 Plank hatte nicht vor, sein Bier nach einer Fabriksmethode zu brauen. Sein Bräuhaus und der Bierausschank, den er bereits ein Jahr später im heute noch existierenden, aber umgebauten sogenannten »Drei Röserlhaus« errichtete und dem ein Tanzsaal und natürlich auch ein Biergarten angeschlossen war143, sollte nur dem lokalen Bedarf genügen. Vielleicht wollte er damit auch erreichen, dass die Wiener ihre Ausflüge nicht nur nach Lerchenfeld, sondern auch nach Ottakring unternahmen. Lerchenfeld galt bereits – wie der Lokalhistoriker Gaheis schrieb – um 1800 als »des Heiligen Römischen Reiches größtes Wirtshaus«, weil von den 150 Häusern in diesem Vorort 102 die Schankgerechtigkeit besaßen. Als im März 1848 die Revolution ausbrach, versuchten Revolutionäre die Brauhäuser zu besetzen, einerseits um Bier zu bekommen, anderseits um zu plündern und zu zerstören. Es gibt einen interessanten Augenzeugenbericht des Ottakringer Ortspfarrers Paletz, der erlebte, wie »eine kleine Abtheilung jener Räuber und Mordbrenner, welche … mehrere Fabriken zerstört und geplündert hatten … auch nach Ottakring (kamen), um ihr schändliches Treiben zu wiederholen. Das stattliche Bräuhaus soll zunächst das Ziel ihrer bösen Absichten gewesen sein, allein sie hatten sich gewaltig verrechnet, denn kaum hatte sich die Nachricht von dem Heranrücken des Gesindels im Ort verbreitet, als sich eine Schaar rüstiger Männer mit Knütteln, Ochsenziemern und anderen Werkzeuge bewaffnet versammelte und dessen Ankunft erwartete. Angekommen, wurden die mit einer solchen Tracht Prügel begrüßt, dass sie unter Fluchen und Schelten retirirten.«144 Plank hat demnach die Revolution gut überstanden und expandierte. Der Ausstoß stieg, dennoch rechnete sich die Brauerei vorerst nicht und so musste er 1850 die mit 30.000 Gulden verschuldete Brauerei verkaufen. Die Käufer waren die aus dem mährischen Lundenburg (Břeclav) stammenden Brüder Ignaz und Jakob Kuffner. Sie erwarben neben den Gebäuden und Grundstücken unter anderem 1.300 Fässer à 2 Eimer, 255 Fässer à 1 Eimer und 30 Lagerfässer zu insgesamt 1.300 Eimer, »Unterzeugboding«, sechs Bierwägen, fünf Leiterwägen, neun Pferde und drei Ochsen. Mit der Familie Kuffner betrat eine neue Brauherrenfamilie den Wiener Boden. Ihre Erfolgstory begann mit einer Legende, die wir gerne glauben wollen. Danach soll ihr Urahn Lob oder Löbl für seinen Grundherren, dem Fürsten von und zu Liechtenstein, eine Schachpartie gewonnen haben, die dieser gegen einen französischen Diplomaten schon 116 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
142 Sein Vater Johann Plank hatte schon 1821 versucht, das Brauhaus in Zwölfaxing zu pachten und hat ihm das Interesse am Braugeschäft quasi vererbt. 143 Die Pläne dieser ersten Ottakringer Brauerei sind noch im Klosterneuburger Stiftsarchiv erhalten geblieben. 144 Schneider : Geschichte der Gemeinde Ottakring, S. 425.
Blick auf das Brauereigelände in der Ottakringer Straße um 1900
Ignaz von Kuffner (1822–1882)
145 Gaugusch : Wer einmal war, S. 1572. 146 Im Heimatmuseum von Břeclav, das sich in der ehemaligen Synagoge befindet, ist der Familie Kuffner ein eigener Schaukasten gewidmet.
aufgeben wollte.145 Mit der Belohnung konnte Lob in seinem Heimat ort Lundenburg ein Handelsunternehmen aufbauen, zu dem auch ein Brauhaus gehörte.146 Ignaz und Jakob, zwei seiner Großneffen, die inzwischen den Familiennamen Kuffner angenommen hatten, nützten 1850 ein kurzes Zeitfenster, das Juden nach der Revolution gestattete, in Wien Grundeigentum zu erwerben. Sie kauften die Ottakringer und 1856 die Ober-Döblinger Brauerei, wobei Ignaz in Ottakring blieb und seine Cousin Jacob nach Döbling zog. 1878 kamen dann noch weitere Cousins nach Wien und erwarben die Hernalser Brauerei. Ignaz Kuffner brachte es innerhalb kürzester Zeit zu höchstem Ansehen im Ort, aber auch in Wien selbst. Wenn in seinem Vorort Geld benötigt wurde, oder wenn es galt, sich sozial zu engagieren, war der Brauherr zur Stelle : »In der Regel half der Bräuereibesitzer Ignaz Kuffner aus der Klemme«, schrieb Ortschronist Pfarrer Paletz, der mit Kuffner später harte politische Sträuße ausfocht, weil er die jüdischen Kinder in den Schulen und sonstigen Kinderanstalten nicht von den katholischen trennen wollte, was damals offensichtlich üblich war. Die Popularität wuchs ständig und am 11. Mai 1869 wurde Ignaz Kuffner, nachdem er schon jahrelang im Gemeinderat tätig war, zum Bürgermeister und 1873 zum ersten Ehrenbürger von Ottakring gewählt. Er gründete, da der Bevölkerungszuwachs besonders stark war, neue Schulen, war der Initiator einer Kinderbewahrungsanstalt (ein Kindergarten für ärmere Kinder) und bemühte sich, dass der Vorort möglichst rasch ein Postamt, eine Feuerwehr und ein Polizeikommissariat bekam. Er wollte seine Gemeinde auch an Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 117
Blick auf das Brauereigelände in der Ottakringer Straße vom J.N. Bergerplatz um 1900
die Hochquellenwasserleitung anschließen lassen, aber da war die Bevölkerung interessanterweise dagegen. Für seine Brauerei benötigte er kein Hochquellwasser. Wie auch heute noch bezieht der Betrieb das Wasser aus hauseigenen Brunnen. Seit 1961 sind sogar vier, mit einer Tiefe von 110, 158, 164 und 180 Meter, in Betrieb. Der tiefste, der sogenannte Millionen-Gulden-Brunnen, wurde vor einiger Zeit saniert. Kuffner gelang es, dass die Pferdeeisenbahn, die vom Schottentor nach Hernals fuhr, in einem etwas seltsamen Bogen an seiner Brauerei vorbeiführte, so dass die Wiener leichter zu seinem Bier kamen.147 Am 6. Mai 1878 erhob Kaiser Franz Joseph I. den »Wohltäter der Armen« sogar in den Adelsstand. Der Brauherr galt nicht nur als einer der fortschrittlichsten in Wien, u. a. weil er 1856 – im gleichen Jahr wie Anton Dreher – eine erste Dampfmaschine aufstellen ließ, sondern auch als einer der sozialsten. Er war kein gewöhnlicher Fabrikant, für den seine Arbeiter ein Produk tionsmittel neben dem Kapital und den Realitäten waren, sondern er wollte bessere Arbeitsbedingungen als seine Mitbewerber bieten. Als Beispiele dafür muss seine Werksküche erwähnt werden, die damals einmalig war, und seine Unterstützung der »Arbeiterbildungsvereine«, die allerdings meist nur der Vorwand für gewerkschaftliche Tätigkeit waren. Sein Sohn Moritz hat als erster Brauherr mit seinen Arbeitern einen Kollektivvertrag abgeschlossen. Kuffner übernahm rasch das von Mautner erfundene Verfahren zur Produktion der Kunsthefe und konnte damit auf ein zweites Standbein 118 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
147 Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 148 ff.
Moriz von Kuffner (1854–1939)
seiner Wirtschaftstätigkeit setzen. Das Kühlproblem beim Bier löste er dadurch, dass er aus dem Ganstererteich, der sich bis 1880 gegenüber der Brauerei befand, Eisblöcke herausschneiden ließ. Die künstliche Kühlung wurde in Ottakring erst 1889 eingeführt, wobei man vorerst auf das System der Firma Pictet setzte und erst im 20. Jahrhundert Linde’sche Maschinen aufstellte. 1882 verstarb Ignaz Kuffner »nach längerem Leiden im Alter von Sechzig Jahren«. Er wurde auf eigenen Wunsch in der Familiengruft in Lundenburg beigesetzt, die auch während der nationalsozialistischen Herrschaft nicht zerstört wurde und noch immer existiert. Sein einziger Sohn und Universalerbe Moritz von Kuffner bekam seine Unternehmensanteile, seine Tochter Katharina 1,2 Millionen Gulden und das Haus Stadiongasse 2, seine Frau erhielt 200.000 Gulden und eine Jahresrente in der Höhe von 10.000 Gulden. Moritz von Kuffner war kein typischer Großindustrieller des ausgehenden 20. Jahrhunderts, sondern galt eher als Philosoph, Experte fremdsprachiger Literatur und Nationalökonom. Er gilt auch als bester österreichischer Bergsteiger seiner Zeit. So erkletterte er 1884 von der Glocknerwand über Teufelshorn (Erstbesteigung) und Glocknerhorn über den NW-Grat den Großglockner, mit 3798 Metern der höchste Berg Österreichs. 1885 überschritt er erstmalig den berühmten Eiger mit erstem Abstieg über den Mittellegigrat. 1887 gelang ihm die Ersteigung des Mont Blanc (4810 Meter, der höchste Berg der Alpen) mit der Erstbegehung des Südostgrates des Mont Maudit (4465 Meter), der seitdem seinen Namen Kuffner-Grat führt. Er weist im Fels den Schwierigkeitsgrat IV und im Eis eine Steilheit bis 60° auf ! Und ebenfalls seinen Namen führt eine Erstbegehung von 1899, nämlich der östliche Nordwandpfeiler auf den Piz Palü (3900 Meter) in der Bernina, der Kuffner-Pfeiler, der Kletterstellen bis zum Grad IV+ aufweist. Sein liebstes »Hobby« war allerdings die Astronomie. Für rund eine Million Gulden ließ er sich eine Sternwarte errichten, deren laufender Betrieb etwa ein Fünftel seines Jahreseinkommens verschlang. Die noch immer bestehende Kuffner-Sternwarte war lange das einzige private Observatorium Österreichs. Fünf Jahre nach dem Tod seines Vaters übersiedelten Moritz von Kuffner und seine Familie in das gegenüber der Brauerei errichtete Palais, das heute nach seinem Nachfolger Palais Harmer heißt. Er versammelte dort bei zahlreichen Empfängen und Soireen die politische und intellektuelle Oberschicht Wiens, wobei der Kardinal-Erzbischof dort durchaus Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 119
Fuhrwerkspark um 1900
auf den Wiener Ober-Rabbiner und den Sozialdemokraten Albert Sever treffen konnte. Die nicht nur in Wien weitverzweigte Familie Kuffner besaß in der Monarchie ein Lebensmittel-Imperium, das auch Zucker-, Presshefeund Spiritusfabriken in der Slowakei und in Mähren umfasste. Sie wurden zuerst in einer Familiengesellschaft und ab 1905 in der »Ign. & Jac. Kuffner A. G.« zusammengefasst, bei der Moritz mit 56,25 Prozent der Mehrheitsaktionär war. Der Verwaltungsrat bestand ausschließlich aus Familienangehörigen. Die Brauerei lief gut, der Ausstoß verdoppelte sich zwischen 1880 und 1910, und sie war nach Klein-Schwechat und St. Marx die drittgrößte im Wiener Umland. Zu erwähnen sind neben den großzügigen Ausbauten der Lagerkeller, die heute noch unter der Ottakringer Straße zu bewundern sind, ein zusätzlicher Brunnen, der wegen seiner immensen Kosten »Millionen-Gulden-Brunnen« genannt wurde, und der 1891 im Rahmen eines Großausbaus entstandenen Malzturm, der heute das Wahrzeichen von Ottakring ist. In der Monarchie führten Bierpreiserhöhungen oft zu dramatischen Protesten, wie das folgende Beispiel zeigt. Als der Brauherrenverein mit 1. Oktober 1911 eine solche Erhöhung ankündigte, beklagten die Gastwirte die unfairen Handlungsweisen und Kalkulationen der meisten 120 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Moritz Kuffner (1854–1939) mit Gattin Elsa (sitzend) und den drei Söhnen Ignaz, Johann und Stephan (von links nach rechts) auf einem Foto von F.X. Setzer 1922
148 Gambrinus Nr. 21/1911, S. 764.
Brauherren. Die Brauwirtschaft konterte, dass die Wirte keine realistische Preispolitik zustande brächten. Sie schossen sich wieder auf das Brauhaus der Stadt Wien ein, das sich einmal mehr als »Preisregulator« sah, weil es als einzige Wiener Brauerei den Preis nicht erhöhte. Wegen des geringen Marktanteils konnte es dadurch aber die Preispolitik kaum beeinflussen.148 Der verbalen Schlammschlacht folgten aber auch Taten. Nur wenige Tage nach einer blutig verlaufenen Teuerungsdemonstration am 17. September, bei der es in Ottakring drei tote Arbeiter gegeben hatte, fand in der Volkshalle des Wiener Rathauses eine gut besuchte Versammlung der Wiener Gastwirtegenossenschaft statt, an der sich auch viele Gemeinderäte beteiligten und bei der auch Bürgermeister Neumayer die Wirte unterstützte. Er war ja de facto Chef des Brauhauses der Stadt Wien, das immer an der Spitze des Widerstands gegen das Kartell stand. Die Gastwirte verfassten eine Resolution an die Brauherren, in der die Erhöhung nicht anerkannt und verweigert werden sollte. Es kam in der Folge zu einem umfangreichen Konsumentenboykott der Wiener Brauereien, dem sich auch viele andere Städte der Monarchie anschlossen. Besonders dramatisch war der Boykott in Ottakring. In einer Bierhalle kam es zu einer Protestversammlung der Wirte dieses Bezirks. Diese gipfelte im Beschluss, ein sehr schweres Opfer zu bringen und bis auf Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 121
122 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Linke Seite: 1. Malzboden, 2. Sudpfanne, 3. Läutergrand, 4. Fassfüllerei, 5. Filter apparate, 6. Pferdefuhrwerk Rechte Seite: 1. Entspunden, 2. Ausbürsterln der Fässer, 3. Ausleuchten und Korken, 4. Etikettieren, 5. Einlegemaschine, 6. Flaschenfüllanlage
Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 123
1. Auspechen der Fässer, 2. Kühlraum, 3. Flaschenfüllanlage
Weiteres kein Bier auszuschenken. Im Arbeiterheim wurde in den nächsten Tagen absolute Bier-Abstinenz geübt und am Sonntag wurden nach dem Kirchgang »Gspritzte« oder Kracherl getrunken. Angeblich gab es aber auch einen Massenexodus der Ottakringer in die Nachbarbezirke, wo es keinen Bierboykott gab. Die Kampfmaßnahmen verpufften und die Ottakringer tranken murrend bald wieder ihr Bier in den heimischen Lokalen. Die Bierpreiserhöhung fand natürlich statt. Kuffner konnte die Schwierigkeiten des Ersten Weltkrieges dank seiner guten finanziellen Basis und seiner Nebenbetriebe meistern und 124 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
149 Aus dem Restitutionsvergleich von Oliver Rathkolb zitiert in Darthé : Ottakringer, S. 42. 150 Weiss : Die Kuffner-Sternwarte, S. 33f. 151 Darthé : Ottakringer, S. 111f.
scheiterte erst 1938, als die Nationalsozialisten Österreich besetzten. Kuffner wollte schon lange vorher seine Unternehmen verkaufen, aber der plötzliche Einmarsch überraschte ihn zunächst. Noch im April 1938 wurde er mit dem Fabrikanten Dipl.-Ing. Gustav Harmer aus Spillern, der dort zwischen Korneuburg und Stockerau ein großes Gut besaß, handelseins. Harmer wollte eigentlich nur die Spiritusfabrik und hatte kein Interesse an der Brauerei. Moritz Kuffner und seine Söhne überredeten ihn aber auch zum Kauf dieses Betriebes, von dessen Produktionsmethoden er keine Ahnung hatte. Was nun folgte, war eine der interessantesten Arisierungen dieser Zeit, die die Historiker unter der Leitung von Oliver Rathkolb detailliert recherchiert und festgestellt haben : »Es gibt wohl wenige Restitutionsfälle … nach der Machtübernahme des NS-Regimes 1938, in denen die bestehenden politischen Rahmenbedingungen zugunsten der Opfer und ursprünglichen EigentümerInnen so extensiv ausgenützt wurden, wie im Falle der Ottakringer-Kuffner Gruppe.«149 Diese Arisierung als fair zu bezeichnen, wäre übertrieben, denn der Familie wurden nicht nur ihre Realitäten, sondern auch die umfangreichen Kunstschätze geraubt, die sie im Laufe ihrer Wiener Zeit gesammelt hatte. Lakonisch heißt es seitens der Nationalsozialisten, dass erst als »die Herren Moriz [sic] und Stefan von Kuffner … an die Gestapo das Ersuchen [richteten] … 35 % ihrer gesamten Vermögenswerte gegen gleichzeitige Einstellung des Verfahrens einzuziehen«150, ihnen die Ausreise erlaubt wurde. Stefan, der Sohn des 1939 verstorbenen Moritz, hat aber 1946 in einem Brief zugegeben, dass wenigstens die Verhandlungen mit Harmer »im Jahr 1938 … in durchwegs freundschaftlicher Weise geführt« wurden.151 Ohne auf die Details einzugehen, soll nur angemerkt werden, dass Gustav und sein Bruder Dr. Robert Harmer 1946 Stefan Kuffner zur Übernahme von Aktien an der Brauerei überreden wollten, was dieser ablehnte. Man einigte sich daraufhin auf eine Zahlung von 440.000 Dollar und eine Übergabe von Schwechater-Aktien im Wert von einer Million Schilling, was dem damaligen Wert der Brauerei entsprach. Von ihren Kunstgegenständen erhielt die Familie allerdings nur einen Bruchteil zurück. Damit beginnt der dritte Teil der Geschichte der Ottakringer Brauerei. Der widerwillig zu einem Brauherren gewordene Gustav Harmer hatte vorerst große Probleme mit den Nationalsozialisten, die ihm eine »zu freundliche Behandlung« der Familie Kuffner vorwarfen. Harmer hatte aber ein gutes Geschäft gemacht, weil er rasch aus den Gewinnen Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 125
den Kaufpreis erwirtschaften konnte. Bis 1943 lief das Biergeschäft sehr gut, da in Spillern die notwendigen Rohstoffe zur Verfügung standen und die Brauerei wegen der guten Qualität ein beliebter Bier-Lieferant für die Soldaten war. Auch nach Kriegsende konnte die Brauerei relativ rasch den Betrieb wieder aufnehmen und bereits am 21. Juni 1945 meldete das »Neue Österreich« stolz »Es gibt wieder Bier«. Durch diesen Artikel konnte man einen guten Überblick über die damaligen Zustände in den Brauereien gewinnen und lesen, »daß Hopfen genug vorhanden ist, während der Mangel an Malz, Zucker und Kohle nur eine geringe Produktion zulässt. In der Rannersdorfer Brauerei ist ein Lazarett eingerichtet, die Nußdorfer Brauerei dient der Aufbereitung von Donauwasser als Trinkwasser, nur die Liesinger Brauerei und die Ottakringer können begrenzt die Produktion aufnehmen : In Liesing wurden in zweimonatiger Arbeit die ärgsten Kriegsschäden beseitigt. In Ottakring konnte die von der SS vorbereitete Sprengung der Anlage von mutigen Arbeitern verhindert werden. Zusammenfassend heißt es : ›Es wird also nicht so viel Bier geben, aber auf ein ›Krügerl‹ ab und zu wird es reichen.« Im Winter 1946/47 gab es allerdings wieder so gut wie kein Bier. Erst 1949 konnte wieder ein 12-grädiges Lagerbier gebraut werden. Gustav und Robert Harmer hatten aber 1945 abermals politische Probleme, diesmal mit der russischen Besatzungsmacht, die die Brauerei besetzte und ihnen vorwarf, NSDAP-Mitglieder gewesen zu sein. Mit Hilfe von Stefan Kuffner und seinen Aussagen wurden die Verhältnisse aber geklärt und die erfolgreiche Nachkriegszeit konnte beginnen. In den 50er Jahren stiegen parallel mit dem Bierkonsum der Wiener auch wieder die Ausstoßzahlen der Ottakringer Brauerei. 1961 übertraf man erstmals seit 1930 wieder die 200.000-Hektoliter-Marke. 1962 traten Gustav Harmers Sohn Dr. Gustav Harmer und sein Schwager Dkfm. Engelbert Wenckheim in das Unternehmen ein. Die beiden damals 28-jährigen ausgebildeten Manager übernahmen gemeinsam die Führung von den Seniorchefs und führten rasch völlig neue Unternehmensführungsmethoden ein. Gustav Harmer jun. ist Jurist, hatte aber gleichzeitig die weltberühmte »Bierbraueruniversität« in Weihenstephan als Diplomingenieur absolviert. Wenckheim ist gelernter Volkswirt und war von 1990 bis 1995 Obmann der Sektion Industrie der Bundeswirtschaftskammer. Damals wurden auch zahlreiche Modernisierungsmaßnahmen gesetzt. Die Pferde wurden 1956 endgültig durch Lkws ersetzt. Das letzte Pferd kam 1959 ins Ausgedinge, wie der ehemalige Braumeister Heinz Schurz berichtet : »Für den firmeneigenen Fuhrpark baute man entlang 126 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
152 Schurz Heinz : Gartensiedlung Ottakring. Internetabfrage unter www. ottakringer.at. 153 Zitiert nach der Homepage der Brauerei Ottakring 2004 unter www. ottakringer.at.
der Grundstückgrenze im Westen und der Westhälfte im Norden gelegenen Pferdestallungen, Schmiede und Kutscherzimmer schrittweise um in eine Garage, eine Automechaniker-Werkstätte und eine zeitweise in Betrieb gewesene Auto-Lackiererei.«152 Auch auf dem Sektor der Biere wurde modernisiert : 1967 wurde die Marke Goldfassl eingeführt, mit der man sich auf die gute alte Brautradition in Wien und das bekannte alte Wirtshaus »Zum goldenen Fassel« in Ottakring zurückbesinnen wollte. Mit diesem Spezialbier sprach man gehobene Konsumentenschichten und die Spitzengastronomie an. Nach einer räumlichen Erweiterung des Braugeländes baute man eine neue Flaschenabfüllanlage, weil durch die Supermärkte das Flaschenbier dem vom Wirt geholten offenen Bier zunehmend den Rang ablief. Die Holzkisten machten Plastikkisten Platz, die Euro-Flasche entstand. Als nächstes Projekt wurden Mitte der 70er Jahre die Holzfässer durch Aluminiumfässer ersetzt. Weitere Innovationen waren das erste in Österreich produzierte 11-grädige Pils-Bier, das Goldfassl-Pils, das alkohol freie »Null-Komma-Josef« und schließlich 2004 die Sorte »Zwickl Rot«, über das »Bierpapst« Conrad Seidl schrieb : »Mit diesem Bier hat Braumeister Andreas Rosa wieder belebt, was fast ein Jahrhundert verschüttet gewesen ist : das Wiener Lagerbier. Bravo : Damit rettet Ottakringer den Ruf Wiens als Stadt mit eigenem Bierstil.«153 Ein weiteres entscheidendes Ereignis für die jüngste Brauereigeschichte war der Austritt aus dem inzwischen 70 Jahre alt gewordenen Bierkartell. Nach einer wissenschaftlichen Studie entschloss man sich am 1. Juli 1977 zu diesem Schritt, den ein mittleres Erdbeben der ganzen Branche begleitete. Abgesehen davon, dass dieses Bierkartell keiner Wettbewerbsregel der EU entsprochen hätte, hat sein Ende auch für die Bierkultur in Österreich nur positive Effekte gebracht. Die Anteile der Bierspezialitäten und des in diesen Jahren dahinsiechenden Fassbieres nahmen deutlich zu und die heute selbstverständliche Biervielfalt in der Gastronomie und im Handel wurde ermöglicht. 1978 wurde die Brauerei Ottakring von einer Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um das Familienschicksal vom Firmenschicksal zu trennen. Dieser Entscheidung gingen langjährige familiäre Differenzen voraus. Gustav Harmer wurde Aufsichtsratsvorsitzender, Engelbert Wenckheim Vorstandsvorsitzender, die Aktien blieben vorerst bei der Harmer KG und sind seit 1986 auch an der Börse erhältlich. Außerdem führte man die neue grüne »Schulterflaschen« ein, womit man gleichzeitig mit einem etwas höheren Preis auf Qualitätsbier setzte. Der letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 127
Altes und neues Sudhaus 2016
Durch eine neue Strukturierung, durch Lizenz- und Firmenzukäufe ist in den letzten Jahrzehnten aus diesem Unternehmen mit nur lokaler Bedeutung eine Getränkegruppe mit österreichweiter Bedeutung geworden. So wurde 1985 die Brauerei Kapsreiter im oberösterreichischen Schärding übernommen154, 1989 konnten nach der Ostöffnung Beteiligungen in Ungarn und in der Tschechoslowakei erworben werden. 2000 wurde man Hauptanteilseigner der Passauer Innstadt-Brauerei.155 Die Ottakringer Brauerei ist auch Eigentümer der 1993 erworbenen Brauerei im ungarischen Pécs und hat in den letzten Jahren auch einige Lizenzen an ausländische Qualitätsbrauereien vergeben, unter anderen in Kamerun und Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Harmer wurde 1985 Präsident des World Life Fund Österreich und hat mit seiner Kampagne »Kröten für die Au« wertvolle Umweltschutzarbeit u. a. für die Regelsbrunner Donau-Au geleistet. Nur durch seine Bürgschaft über 73 Mio. Schilling konnte der Nationalpark Donau-March-Thaya-Auen aufgebaut werden.156 Das sind aktuelle Beispiele, dass das Mäzenatentum der kaiserlichen Bierbrauer nicht ganz verloren gegangen ist.157 1995 verkaufte Gustav Harmer die Mehrheit seiner Ottakringer-Anteile an seinen Schwager Engelbert Wenckheim und blieb nun alleiniger Eigentümer der Brauerei Kapsreiter. 1998 tauschte er dann noch seine verbliebenen Anteile an Ottakringer mit der Brau Union gegen die Grieskirchner Brauerei,158 womit sich Harmer mit einer eigenen Holding aus Ottakring verabschiedete und einen heftigen Familienstreit 128 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
154 Die Brauerei Kapsreiter in Schärding wurde Ende 2012 wegen Unrentabilität geschlossen. 155 Anfang 2014 übernahm die Passauer Brauerei Hacklberg die Brauerei und schloss den Betrieb. 156 Seidl : Unser Bier, S. 284. 157 Sigi Menz führt unter dem Motto »Rapid ist Religion, und wir haben das Weihwasser« diese Tradition mit der Förderung des Wiener Traditions-Fußballvereins fort. 158 2013 verkaufte Michael Harmer jun. die Grieskirchner Brauerei an Marcus Mautner Markhof, der damit die alte Brauherrentradition seiner Familie wiederbelebt hat. Zwischenzeitlich scheiterte Michael Harmer mit einer Mikrobrauerei auf dem Gut Spillern.
KEG Verschluss eines Fasses um 2000 Brauereihof um 2000
159 Pleininger Hans : Das hochkarätige Netz von Ottakringer-Chef Menz, aus : Wirtschaftsblatt vom 25. 11. 2003.
mit der Familie Wenckheim auslöste. Bereits 1984 hatte »der schillernde Bierbaron Engelbert Wenckheim«, den damals knapp 32-jährigen »hungrigen« Vorarlberger Siegfried »Sigi« Menz von der Ersten österreichischen Sparkasse nach Ottakring geholt. Der hatte Bier im Blut, denn seine Mutter stammt aus der Dornbirner Mohrenbräu-Dynastie Huber, die heute die älteste Brauerei in Vorarlberg betreibt. Für den damaligen Wenckheim-Harmer-Clan wurde Menz im Laufe der Jahre so wertvoll, dass er ihn später in die Braufamilie aufnahm und ihn am Unternehmen beteiligte.159 1989 wurde ihm die Gesamtverantwortung des kaufmännischen Bereiches der Brauerei übertragen. Wie sehr die Ottakringer um die Selbständigkeit ihrer Brauerei kämpften, bewies eine ganzseitige Anzeige in der »Presse« vom 13. März 1998, in der sie sich gegen einen offensichtlich versuchten »hostile take over« der Brau Union wehrten und den Ottakringer Bierliebhabern versprachen : »Wir, die Familien Wenckheim und Menz, werden als Mehrheitseigentümer alles unternehmen, dass wir nicht das Schicksal vieler Brau-Kollegen erleiden und untergehen. Wir werden nicht zulassen, dass unser Ottakringer verwässert wird, schließlich sind wir seit über 160 Jahren dieser Ottakringer Brau-Tradition verpflichtet. Denn nur ein freier Wettbewerb mit der Vielfalt unabhängiger Brauereien garantiert Österreichs Bierfreunden eine große Auswahl von Biermarken und österreiDer letzte Rest des goldenen Bierjahrhunderts – die Brauerei Ottakring 129
Malzturm 2016
chischen Biersorten.« Nachdem die nunmehrigen Eigentümerfamilien Wenckheim, Menz, Trauttenberg und Pfusterschmid 2009 das Aktienpaket, das zwischenzeitlich der niederländische Bier-Konzern Heineken erworben hatte, zurückkaufen konnten, befindet sich die Ottakringer Brauerei wieder ganz in österreichischem Besitz. 2000 wurde Sigi Menz als Nachfolger Wenckheims Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Brauerei. Er wird dabei von Christiane Wenckheim, die zuvor Marketingmanagerin der Brauerei war, unterstützt. Der Bierausstoß entwickelte sich auf rund 600.000 Hektoliter. Das entspricht jenem Wert, den die Familie Dreher in Schwechat vor dem Ersten Weltkrieg erreicht hatte. Die zweite Brauerei der Familie Kuffner – das Hernalser Brauhaus
Damit kommen wir zur zweiten Brauerei der Familie Kuffner, die nur wenige Häuserblocks von der Ottakringer Brauerei entfernt im Bereich der Hernalser Ortlieb- und Frauengasse lag. Auch sie hat allerdings eine längere Vorgeschichte, bis sie 1878 von Gottlieb und Adolf Kuffner, den Cousins von Ignaz und Jacob, übernommen wurde. In Hernals wurde schon im Mittelalter Bier gebraut. Das wissen wir aus Urkunden, in denen etwa 1372 von einem Gerung der Preyer, der auch einen Weingarten besaß, gesprochen wird. 1400 wird laut Hernalser Heimatbuch ein Lehen der »Preuer von der Herren Alsse« erwähnt. 130 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Hernals 1649 in einem Stich von Merian
Ein Bräuhaus nach unseren Vorstellungen wurde in diesem Vorort erst 1839 von einem gewissen Rudolf Müller gegründet, also ebenfalls zum Beginn des goldenen Bierjahrhunderts. Es wurde an der heutigen Adresse Ortliebgasse 17 auf den landtäflichen Gründen »Gülden Spitzacker« als kleines Provinzbrauhaus, das eben nur den örtlichen Bedarf decken sollte, erbaut. »Schon in der längst vergangenen Aera der Kaiser- und Plutzerbiere that es sich rühmlichst hervor«, vermerkte dazu die Zeitschrift »Gambrinus«. Rudolf Müller geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und so übernahm 1853 Josef Lenz den Betrieb aus der Konkursmasse. 1867 folgte ihm sein Sohn Albert Lenz als Besitzer des Brauhauses. In der Zeit von 1863 bis 1873 stieg laut »Gambrinus« »sonach die Production innerhalb zehn Jahre um 43.600 Eimer, sie hat sich also mehr als verdoppelt und ist namentlich die Steigerung von 1870 bis 1873 eine gewaltige. Ursache davon ist der rationelle, auf Grund der neuesten Erfahrungen eingerichtete Betrieb, der seit den letzten Jahren in dieser Braustätte Platz gegriffen hat und der Betriebsleitung zur Ehre gereicht. Namentlich ist es aber das sogenannte Abzugbier, das besonders gesucht wird, weil es von besonderer Güte und Süffigkeit ist und den guten Ruf des Bräuhauses erhält.« Erst rund vierzig Jahre nach der Gründung taucht die Familie Kuffner in der Geschichte dieses Brauhauses auf, und zwar 1878 als Pächter und schließlich 1887 als Käufer. Wie sein Cousin Ignaz in Ottakring, bewährte sich Adolf als hervorragender Brauer, sein Bruder Gottlieb war noch im Jahr des Kaufes gestorben. Der Trend ging, so wie in allen zu dieser Zeit erfolgreichen Brauereien, in Richtung Industrialisierung. Es wurde langsam aber sicher gänzlich auf Dampfmaschinenbetrieb und ab Februar 1888 auch auf künstliche Die zweite Brauerei der Familie Kuffner – das Hernalser Brauhaus 131
Lageplan der Brauerei
Kühlung umgestellt, wobei eine Maschine nach dem Prinzip von Linde alle Gär- und Lagerkeller auf die richtige Temperatur bringen konnte. Das alte Brauhaus platzte langsam aus allen Nähten, sodass man in diesem Jahr die Grundstücke Ortliebgasse 15 sowie Frauengasse 23 erwarb. 1894 wurden zwei neue Lagerkeller »welche sämtliche in starkem Cementputz hergestellt sind« gebaut und 1896 die zweite wesentlich leistungsfähigere Linde’schen Kühlanlage eingesetzt. Weiters wurde im Jahre 1897 neben dem bestehenden Brunnen ein neuer artesischer Brunnen von 200 Meter Tiefe gebohrt, weil die Stadt Wien kein Wasser aus der Hochquellenwasserleitung zur Verfügung stellen wollte. Das Wasser dieser beiden Brunnen wurde von zwei »Luftdruckwasserhebungs-Dampfpumpen« gefördert. Im Dankbrief an die Brunnenbauer schreibt Kuffner »von den besten Bräuwässern, die man sich denken kann.« Weiter heißt es dort, »dass der Wasserstand selbst heuer, wo es monatelang nicht regnete, bei stärkstem Betriebe auch nicht um 1 cm gesunken« sei.160 Die Brauerei war nun auf eine Jahreserzeugung von 100.000 Hektoliter Bier eingerichtet, was jedoch nie erreicht wurde. Mit den Abzug-, Märzen- und Lagerbieren erreichte man ein Viertel des Umsatzes des benachbarten Ottakringer Betriebes. Auf dem Grundstück Frauengasse 23–27 eröffnete Kuffner einen Ausschank mit Saal und Garten auf einer Fläche von 12.000 m2, wo der Wienerlied-Interpret Edmund Guschelbauer vor allem mit seinem noch immer populären Lied vom »alten Drahrer« erstmals brillierte. 132 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
160 Muzik : Das ehemalige Hernalser Brauhaus, S. 15.
Adolf Kuffner (1840–1903)
Gustav Redlich von Vežeg (1852–1908)
161 Spitzer : Hernals, S.133 f. und Hernalser Heimatbuch, S. 296 f.
Adolf Kuffner dürfte sich bei diesen Investitionen etwas übernommen haben und so suchte er weitere Teilhaber. 1899 wurde die »Brauerei Hernals Kuffner & Redlich« protokolliert, wobei Adolf Kuffner ein Drittel behielt und der Rest auf fünf Verwandte und Bekannte aufgeteilt wurde, unter denen sich der Ottakringer Brauherr Moriz (der Sohn von Ignaz), sein Neffe Ludwig, der als Vizepräsident einer großen Zuckerfabrik in Ungarn in den Adel aufgestiegen war, und zwei Familienmitglieder aus der Ehe seiner Schwester Anna, Dr. Hans Redlich von Vežeg und Kurt Redlich von Vežeg, befanden. Adolf Kuffner starb 1903 kinderlos und hinterließ seinen Nichten und Neffen ein Vermögen von 1,4 Millionen Kronen (über 9 Mio. Euro), wobei Ludwig nun als Geschäftsführer und Brauherr fungierte. 1914 waren in der Brauerei noch 100 Arbeiter und 13 Beamte beschäftigt, doch auch an Hernals gingen die Kriegs- und Nachkriegsjahre nicht spurlos vorüber. Ludwig Kuffner und seinen Teilhabern fehlten wie den meisten anderen Brauerkollegen das Geld für notwendige Renovierungen, die Fotos der Brauerei aus diesen Jahren zeigen bereits ziemlich desolate Gebäude. 1924 musste der Betrieb sogar kurzfristig eingestellt werden, weil nur mehr knapp über 20.000 Hektoliter gebraut werden konnten. 1933 musste man sich dem Verdrängungswettbewerb der Vereinigten Brauereien beugen, die 7/11 Anteile erwarben und 1936 den Betrieb einstellten.161 Ludwig Kuffner starb ein Jahr später im Alter von 85 Jahren und ersparte sich dadurch im Gegensatz zu seinem Ottakringer Verwandten Moriz die Vertreibung durch die Nationalsozialisten. Die Maschinen und Apparate wurden unter anderem an die Brauerei in Murau (Steiermark) verkauft, die Gebäude in der Frauengasse – gleichzeitig mit dem Hütteldorfer Brauhaus – demoliert. Die Gebäude in der Ortliebgasse standen noch nach dem Zweiten Weltkrieg, wurden Anfang der 1950er Jahre großteils abgebrochen und das Gelände als Baustofflagerplatz verwendet. 1969 errichtete man hier den Sportplatz einer Schule (BG XVII Parhamerplatz). Als man 2005 dort eine sogenannte »Volksgarage« errichtete, wurde eine archäologische Notgrabung durchgeführt, weil man römische Spuren erhoffte. Man fand allerdings nur die Grundmauern der alten Eiskeller und des Fabrikschlotes sowie Gegenstände der Brauerei, wie eine alte Bierflasche und Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg. Leider aber – wie der Lokalhistoriker Kurt Spitzer erzählt – keinen Tonkrug, wie sie der Sammler Anton Nowotny von vielen Wiener Brauereien, aber noch nicht von Hernals gefunden hat.162 Die zweite Brauerei der Familie Kuffner – das Hernalser Brauhaus 133
Brauereigebäude in der Frauengasse kurz vor dem Abriss um 1930
Brauereigebäude in der Ortliebgasse mit dem noch bestehenden Haus Nr. 15
Auf den Gründen der ehemaligen Brauhausrestauration wurde nach entsprechenden Um- und Zubauten im Februar 1938 die Pferde-Fleischhauerei, Selcherei und Wurstfabrik des Josef Bunzl eröffnet, die 1960 den Betrieb einstellte. Auch diese Gebäude mussten einem Supermarkt Platz machen. Nur das Verwaltungsgebäude in der Ortliebgasse 15 erinnert noch als Wohnhaus ein bisschen an vergangene Brauherren-Herrlichkeit. 134 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
162 Spitzer : Hernals. S.133 f.
An Umweltproblemen gescheitert – das Währinger Brauhaus
In der Brauereigeschichte wird selten erwähnt, dass die Brauhäuser aus Umweltgründen nicht sehr beliebt waren. Die Betriebe verschmutzten die damals noch zahlreichen Bäche in den Vororten und verbreiteten ungefiltert Rauch sowie einen bisweilen aufdringlichen Geruch. Dazu kam die ständige Brandgefahr. Im industriellen Zeitalter wurde das noch hingenommen, aber als um die bisher freistehenden Brauereien immer An Umweltproblemen gescheitert – das Währinger Brauhaus 135
Lageplan der Brauerei im Jahr 1887 (Plan von Lechner)
mehr Wohnhäuser gebaut wurden, kam es mit den Bürgern zu immer größeren Konflikten. Besonders deutlich wurde dies beim größten Betrieb des Nobelvorortes Währing, der Brauerei, dokumentiert. Auch diese Brauerei wurde in den Jahren zwischen 1837 und 1840 gegründet. Im Dezember 1839 erwarb das Ehepaar Konrad und Theresia Dreher zwei Realitäten an der heutigen Gentzgasse, auf denen sich Graf Sebastian Agala rund dreißig Jahre vorher eine Sommerresidenz hatte erbauen lassen. Konrad war der Sohn jenes Johann Nepomuk Dreher, der an der Übernahme des Klein-Schwechater Brauhauses durch seinen Verwandten Franz Anton Dreher beteiligt war und ein so großes Vermögen geerbt hatte. So konnte er Ende 1843 bei einer öffentlichen Versteigerung auch das Halterhaus an der Ostgrenze des Währinger Friedhofs (heute Schubertpark) und 1844 einen angrenzenden Weingarten kaufen. Er wird im Grundbuch bei allen Transaktionen als Braumeister bezeichnet, weil er diesen Beruf schon in der Brauerei in Neudorf 136 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Ludwig Schwarz Senior
Bierfuhrwerk von Ochsen gezogen mit Ludwig Schwarz Junior um 1900
163 Papouschek : In Währing stand ein (Hof )Bräuhaus, S. 2.
ausgeübt hatte. Er dürfte gleich nach dem Kauf der ersten Realität mit dem Umbau zu einer Brauerei begonnen haben, wobei er schrittweise das Halterhaus und die Weingärten einbezog. Mitten durch seinen Besitz floss der Währinger Bach, der damals angeblich so klar war, dass »Fische herumschwammen und der Wasserbedarf der Brauerei gedeckt werden konnte«.163 Er wurde 1851 eingewölbt, das Eigentumsrecht des Bachgrundes blieb jedoch der Brauerei erhalten. Der Tod seiner Frau im Jahr 1845 dürfte für ihn nicht nur persönlich ein tiefer Schlag gewesen sein, trotz einer Produktion von 11.000 Hektolitern musste er Konkurs anmelden. Er starb kurz darauf und die Brauerei stand nun ein Jahr still, bis sich Ende 1847 Eduard Alexander Hang leithner als Pächter der Konkursmasse fand, der 1848 oder spätestens 1853 das Brauhaus kaufen konnte. Zuvor erlebte er bei der Revolution 1848 erregte Szenen, als die Menge den Keller aufsprengte, sich betrank und fußhoch im ausrinnenden Bier herum watete. Der Werkführer wurde dabei tödlich verletzt. Nun gab es bis 1859 einen viermaligen Eigentümerwechsel, wobei einige Jahre auch die Familie Bosch im Grundbuch aufscheint, die das Nußdorfer Brauhaus besaß und großzügige Investitionen und Erweiterungen vornahm. Die erfolgreichste Zeit der Währinger Brauerei begann 1859, als Carl Wilhelm Schwarz den als bescheidenes Landbräuhaus bezeichneten BeAn Umweltproblemen gescheitert – das Währinger Brauhaus 137
Restaurantgarten
Brauereigebäude in der Währingerstraße
trieb übernahm, dessen Produkte mehr in der Umgebung Wiens und auf dem »Flachlande« als in Wien selbst Absatz fanden. Über den Zustand des Brauhauses im Mai 1860 gibt es von Major Ernst Schwarz einen anschaulichen Überblick : »… Gegen die Herrengasse (heute Gentzgasse) stand das Wohngebäude in seiner jetzigen Gestalt, neben demselben ein ebenerdiges Gebäude, in welchem die Brauhausschank untergebracht war. An Letzteres schloß sich rückwärts
138 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
das kleine Gärtchen mit einer nächst der Nachbarrealität errichteten offenen Halle aus Holz an. Zwischen diesem und dem großen Hofe stand der ebenfalls jetzt noch bestehende einstöckige Hoftrakt, damals zu Hopfen- und Gerstenböden verwendet. Gegen Osten war der Hofraum durch die Malzdarre und das Sudhaus begrenzt. … In der Realität C.Nr. 129 stand an der Hauptstraße das sogenannte ›Halterhäusel‹, enthaltend die Wohnung des Wirtschafters und einige Nothstallungen und neben demselben das ebenfalls von Bosch erbaute Stallgebäude. Neben diesem erhob sich längs der Friedhofsmauer und dieselbe um eine Klafter überragend ein drei Klafter hoher, sechs Klafter breiter Erdwall, im Hintergrunde des Hofes aber in einer Entfernung von 15 Klaftern von der Hauptstraße eine zwei Klafter hohe Rampe, von welcher aus sich der ›Berg‹ in sanfter Steigung bis gegen die südlich angrenzenden Fluren – das heutige Neu-Währing – fortsetzt. Derselbe war mit Feldern bebaut …«.
Josef Wünsch
Unter Schwarz erfolgte eine Umstellung von Unterzeugbier auf Abzugbier, wofür man neue große Keller- und Eisräume benötigte, die der sehr gefragte Baumeister Peter Gerl baute. Gerl und später sein gleichnamiger Sohn waren auch für die zahlreichen Erweiterungen in den 1860er Jahren verantwortlich, bei denen der Erdwall längs des Friedhofs abgegraben, das ebenerdige Schanklokal in der Herrengasse auf zwei Stockwerke aufgestockt, eine neue Mälzerei gebaut und das Sudhaus »durch Hinausrücken der Mauer gegen den Hof« erweitert wurde. Der Biergarten reichte nun von der heutigen Gentzgasse bis zur Hainzingergasse. Auch in den 1870er Jahren blieb das Brauhaus eine ständige Baustelle. Die Lagerkeller und die Mälzereien wurden erweitert, der Brauhausschank wurde auf die andere Seite der Herrengasse (heute Gentzgasse) verlegt und der Ausstoß konnte auf jährlich 80.000 Hektoliter erhöht werden, womit Währing aber trotzdem unter den kleinsten Wiener Brauhäusern blieb. 1886 wurde die Brauerei in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt, in die Ludwig, der Sohn von Carl Wilhelm Schwarz, und sein Schwiegersohn Josef Wünsch als Gesellschafter eintraten. Die beiden führten die Brauerei nach dem Tod des Seniorchefs im Jahr 1899 weiter, hatten aber eine schwierige Phase der Brauereientwicklung zu bewältigen. Die eingangs erwähnten Umweltprobleme hatten schon am Faschingsdienstag 1882 begonnen, als um 11 Uhr nachts in der Malzdarre ein Feuer ausgebrochen war. Ursache des Brandes soll ein von einer Öl lampe in das bis zu 63 Grad erhitzte Malz gesprungener Funke oder die Überheizung der Darre gewesen sein. Als es 1896 nochmals brannte, An Umweltproblemen gescheitert – das Währinger Brauhaus 139
Brauhauseingang in der Währingerstraße 134 um 1900
sah die Bevölkerung vor allem im benachbarten Cottage-Viertel in diesem Betrieb einen großen Gefahrenherd für ihre schönen Häuser. Nun begann ein Kleinkrieg zwischen der Gemeinde Wien und den Brauereibesitzern. Ein Ehrenbeleidigungsprozess zwischen Josef Wünsch und dem Bezirksvorsteher Anton Baumann, den der Politiker verlor, verbesserte die Situation sicher nicht positiv. In einem Erlass des Ministeriums des Inneren vom 30. Mai 1899 wird zwar gegenüber der Behauptung der Gemeinde, »daß es im öffentlichen Interesse gelegen sei, daß dieser Brauhaus-Betrieb in absehbarer Zeit aus diesem Stadttheil verschwinde«, ausdrücklich auf »das dem Gewerbetreibenden zustehende Betriebsrecht« hingewiesen. Da die Kessel stark rauchten, gab es immer wieder weitere Beschwerden, so dass Wünsch Rauchverzehrungsapparate einbauen ließ. Außerdem wurde die Brauerei als Hindernis für die Entwicklung Währings bezeichnet, und es wurde eine »Agitation« eingeleitet, die sich abermals gegen die Rauchbelästigung diesmal beim Fasspichen richtete. 1907 schrieb die Tochter von Josef Wünsch : »Überdies strebte die Gemeinde immer nachdrücklicher die Beseitigung der vielfach störenden großen Industrieanlage aus dem Mittelpunkt des aufblühenden Bezirkes an und so nahm mein Vater die schwere Aufgabe des Verkaufes auf sich«. Wünsch war zwar Präsident des Zentralverbandes der österreichischen Brauerei-Industriellenvereine, aber gegen die Gemeinde Wien hatte er keine Chance. 140 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Brauereihof um 1900
164 Ossman : Abschrift der Chronik der Währinger Brauerei.
In der Chronik der Brauerei164 heißt es weiter : »Der Kreis der Mitbesitzer in der Familie war nachgerade zu groß geworden. Die jüngere Generation war nicht gewillt, geschäftliche Risken und geringe Jahreserträge, wie die letzten schwierigen Jahre sie gebracht hatten, mit Geduld hinzunehmen.« Die Brautätigkeit wurde Anfang 1907 eingestellt. Am 14. Februar wurde beim Wiener Bankverein die »Punktation betreffend den Verkauf der Brauerei in Währing an die Aktiengesellschaft der Brunner An Umweltproblemen gescheitert – das Währinger Brauhaus 141
Brauerei« unterfertigt, und am 2. Mai fand der »Auszug mit dem Comptoir aus der Brauerei« statt. Josef Wünsch trat gleichzeitig in die Verwaltung der Brunner Brauerei ein. Die Brunner Brauerei ließ die maschinellen Einrichtungen abbrechen und übernahm nur die Brau- und Lieferrechte bzw. die Quote, die Währing im Bierkartell besaß. Die Brauereigebäude wurden bald darauf abgebrochen und an ihrer Stelle Wohnhäuser errichtet.
Brauhausrestauration in der Gentzgasse 62 am 20. April 1933 anlässlich Hitlers Geburtstag und um 1970 vor dem Abbruch
Dreher, Gierster und Kuffner waren hier tätig – das Oberdöblinger Brauhaus
Vis-à-vis der Fischer-Brauerei, die als erste neuzeitliche Wiener Gasthausbrauerei 1985 von Sepp Fischer in der ehemaligen Brauhausrestauration der Oberdöblinger Brauerei eingerichtet wurde, befindet sich der Kopenhagener Hof. Wahrscheinlich wissen nur die wenigsten Bewohner dieses Gemeindebaus, dass sie sich auf bierhistorischem Gelände befinden. Mitglieder von drei bekannten Wiener Brauherrenfamilien waren hier tätig, die wir schon aus Gaudenzdorf, Ottakring und Schwechat kennen, und zwar die Familien Dreher, Gierster und Kuffner, wobei hier alle nicht so großen Erfolg hatten wie in ihren Stammbetrieben. Auf dem nur wenige hundert Meter vom Linienwall entfernten Areal »Ried Feldeln« gründete um 1824 Leonhard Dreher, ein weitschichtig Verwandter der Schwechater Brauerdynastie, ein Brauhaus. Er schaffte es aber nicht wie der »große« Anton Dreher ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, sondern erlitt, wie ein paar Jahre später auch sein Verwandter in Währing, wegen fehlenden Kapitals rasch Schiffbruch. Er 142 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Todesanzeige von Jacob Kuffner
Lageplan der ehemaligen Brauerei um 1950
verkaufte die Brauerei 1832 an die Gaudenzdorfer Brauerfamilie Josef sen. und Elisabeth Gierster, die es ihrem Sohn Josef jun. weitergaben. Dabei kam es kurioserweise 1833 zu einer falschen Konzessionserteilung an den Senior, so dass dieser formell das Unternehmen bis zu seinem Tod führen musste. Schließlich wurde es als Zweigbetrieb der Gaudenzdorfer Brauerei geführt, wobei es zwischen 1853 und 1856 an einen Bernhard Kauffried verpachtet war. Erst als 1856 die Brauerei von den Brüdern Ignaz und Jacob Kuffner, den Inhabern der Ottakringer Brauerei, erworben wurde, stieg der Ausstoß in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts auf rund 87.000 Hektoliter jährlich. Es hieß, die Brüder harmonierten mit einer seltenen Einmütigkeit, was sehr viel zum Erfolg der beiden beitrug. Ignaz leitete die Ottakringer, Jakob die Ober-Döblinger Brauerei, jeweils ganz autonom. Damals wurden ein »dunkles, vollmundiges und nahrhaftes«, ein »gewöhnliches Schankbier« mit 10° Bierwürze sowie ein sehr beliebtes und Dreher, Gierster und Kuffner waren hier tätig – das Oberdöblinger Brauhaus 143
Brauereigelände 1937
nur in Döbling erzeugtes »Sommerlagerbier« mit 11° Bierwürze gebraut. Letzteres war ein Mittelding zwischen Unterzeug- und schwerem Lagerbier, wie die Zeitschrift »Gambrinus« berichtete : »Die Umwandlung der alten daselbst befindlichen Kesselbräuereien in Dampfbrauereien, der Uebergang von der Untergährung zur Obergährung, die höhere Gradhältigkeit und Vollmundigkeit der daselbst erzeugten Biere sind zumeist Kuffner’s Werk«. Am 8. Dezember 1881 brannte »unter dramatischen Umständen« das Ringtheater ab. Auch Jacob Kuffner war unter den Zuschauern, konnte aber wie durch ein Wunder gerettet werden. Nach dem Tode seines Cousins Ignaz im Jahre 1882 »ging selbstverständlich Jacob Kuffner dem tatenvollen Sohne des verstorbenen Bruders, dem nunmehrigen Chef von Ottakring, Herrn Moritz Edler von Kuffner, mit Rath und That an die Hand und so ward wieder jene Einigkeit erzielt, die einem 144 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Brauereigelände um 1950
165 Filek-Wittinghausen : Gut gewerkt in Döbling, S. 38. 166 Klusacek, Stimmer : Döbling, S. 37.
großen Industrie-Unternehmen zum Nutzen gereicht«, wie man weiter im »Gambrinus« lesen kann. Alljährlich, am Tage des Ringtheaterbrandes, veranstaltete Jacob Kuffner ein kleines Fest und beschenkte auch zahlreiche Arme. Keine zehn Jahre konnte er so feiern, denn im Mai 1891 starb der Brauherr, einer der bekanntesten Persönlichkeiten in der Brauwelt. Seine Erben investierten weiter in das Brauhaus, und so wurde es systematisch ausgebaut und modernisiert. 1892/93 wuchs auf einem benachbarten neu erworbenen Grundstück ein neues Sudhaus mit einer Leistung von 150 Hektolitern je Sud aus dem Boden.165 Darüber entstand der neue Malzboden. Pro Campagne konnten jetzt rund 500 Waggons Gerste vermälzt werden. Das erzeugte Malz wurde nicht nur in Ober-Döbling verwendet, sondern teilweise auch nach Ottakring abgegeben. Brauerei und Mälzerei nahmen nun eine Fläche von 15.000 m² ein. Es wurden neue, künstlich gekühlte Gärkeller mit einem Fassungsraum von rund 4.000 Hektolitern eingerichtet. Der Lagerkeller fasste rund 19.000 Hektoliter, und das Bier wurde mit »mechanischen Aufzügen« aus dem Keller befördert. Ob sich diese Investitionen wohl je gerechnet haben ? 15 Jahre später, 1907, wurde der Braubetrieb eingestellt, nachdem die Kuffner-Familie durch den Ausbau der Ottakringer Brauerei die Kapazitäten nicht mehr benötigte. Das Gebäude, in dem dann Arbeiter der Ottakringer Brauerei wohnten, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1949 abgerissen. Heute befindet sich dort die anfangs erwähnte Wohnhausanlage Kopenhagen-Hof.166 Dreher, Gierster und Kuffner waren hier tätig – das Oberdöblinger Brauhaus 145
Die Brauerei im Heurigenort – das Grinzinger Brauhaus
Wer heute im Herzen des Weinortes Grinzing den Trummelhof findet, sollte über dem Eingangstor die alte Inschrift »Niederösterreichisches landtäfliches Brauhaus« und auch die letzten zwei Zeilen auf der Tafel links neben dem Eingang lesen. Der Trummelhof befindet sich auf Fundamenten einer römischen Ansiedlung, stammt aus dem 12. Jahrhundert, war 1246 bis 1463 Lehen der Herren von Grinzing und 1750 bis 1835 Herrensitz des Freiherrn Managetta von Lerchenau, dessen Wappen sich noch ober dem Tor befindet.167 Hinter diesem Gebäude errichtete im Jahr 1814 Reichsgraf Franz Simon von Pfaffenhofen neben einer schon bestehenden Branntweinbrennerei eine »englische Bierbrauerey«. Er setzte auf auch für Wien völlig neue englische Produktionstechniken. Damals witterten einige Brauer am Kontinent das große Geschäft mit britischen Bierarten. Die Ursache war der enorme Aufschwung, den die Brauereien speziell in London genommen hatten. In England entstanden schon am Anfang des 19. Jahrhunderts große Brauanstalten, denen es dank wissenschaftlicher Geräte wie Thermometer und einem Vorläufer des Saccharometers sowie der metallenen Brauhauseinrichtungen möglich war, stets ein relativ gleichmäßig gutes Bier zu bereiten. Dort verdrängte das Eisen nicht nur aus hygienischen Gründen die hölzernen Gefäße vollständig. Es gab nun eiserne Weichstöcke, Maischbottiche und Kühlen (diese waren oval und an beiden Enden kielförmig geformt, woher auch der Name »Kühlschiff« stammt). Man ließ die Würze, ehe sie in den Gärbottich kam, durch eine dünne metallene Röhre laufen, die »mehrere Tausend Quadratfuss« Fläche hatte. Diese Röhre befand sich in einem größeren Rohr und dazwischen floss ständig kaltes Wasser. Bei anderen Apparaten wurde »eine dünne Schichte Würze zwischen dünnen Metallplatten im Kreise zwischen zwei Schichten kalten Wassers« gepumpt.168 Noch im selben Jahr kaufte Pfaffenhofen sämtliche Maschinen und Werkzeuge in London. Der Geschmack des neuen Bieres vom Trummelhof in Grinzing dürfte trotzdem nicht so ganz der der Wiener gewesen sein, und so widmete sich der Freiherr lieber der »Branntwein- brennerey«. Um 1820 verpachtete er die Brauerei an Ludwig Jetter, der sie 1835 nach langen Streitereien von ihm kaufen konnte. Dieses Datum steht noch heute als Gründungsjahr über dem Eingang des Trummel-Hofes. 146 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Fassade Trummelhof um 2010
Tafel neben dem Eingang des Trummelhofes
167 Springl : Heimatkunde, S. 9 ff. 168 Weiss : Die Gross-Industrie Österreichs, S. 209.
Franz Richter
Josef Bratmann (1848–1924)
169 Döbling : Eine Heimatkunde, S. 284.
Grinzing um 1900 mit Brauerei vom Hungerberg gesehen
1854 starb Jetter und seine Gemahlin führte den Betrieb unter dem Namen »Ludwig Jetter’s sel. Witwe« weiter. Die Brauerei hat nur kurz ihre Produktion eingestellt und ging 1855 an Franz Richter senior über, der die Firma im Dezember 1861 in »Franz Richter & Comp.« umbenannte. Seine Kompagnons waren Rudolf Richter, ab 1875 Franz Richter jun. und ab 1882 Clementine Weißhappel und Josefine Kinsele. Er selbst war auch im Brauherrenverein ein anerkannter Mann und stand einige Jahre an seiner Spitze. 1873 wurden 46.633 Hektoliter Bier erzeugt. Von da an ging die Produktion ständig zurück. 1889 wurden nur mehr 23.885 Hektoliter erzeugt. 1897 erwarb der 1848 in Mähren geborene Produktenhändler Josef Bratmann den Betrieb. Er steigerte den Ausstoß wieder auf bis zu 40.000 Hektoliter (1908). Außerdem wurden dort ein sehr bekanntes Kracherl und Sodawasser produziert. Während des Ersten Weltkriegs ging die Produktion natürlich stark zurück und danach litt auch das »landtäfliche« Brauhaus St. Leopold unter der Schwäche des Brauereigewerbes169 und der starken Konkurrenz der Vereinigten Brauereien, so dass 1923 der Betrieb kurzfristig eingestellt wurde. Josef Bratmanns Schwiegersohn Eduard Budil dürfte aber dann doch noch Geschmack an dem kleinen Brauhaus gefunden haben und begann 1927 unter dem Namen »Drei-Stern-Bräu«, den schon Jetter verwendet hatte. Er modernisierte die Anlage mit dem sogenannten Die Brauerei im Heurigenort – das Grinzinger Brauhaus 147
Brauhausausschank St.Leopold um 1910
Trummelhof, 1927
Nathan-Verfahren und setzte vor allem auf Flaschenbiererzeugung. Sein dunkles Bier war zwar bekannt und begehrt, doch 1930/31 brachten wirtschaftliche Probleme das endgültige Aus für das Grinzinger Brauhaus. Am 31. Oktober 1951 erlosch die Konzession ungenützt. Es wurde dort einige Jahre nur mehr Bier anderer Erzeuger, hauptsächlich vom Stadtbräu in Rannersdorf, abgefüllt. Das Gelände wurde bereits in den 1930er-Jahren von der Sascha-Film Verleih- und Vertriebs GmbH (Ate148 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Flaschendetail
lier Grinzing) – ab 1938 Wien-Film – erworben und 1953 um 5,8 Millionen Schilling eine Synchronisationshalle und ein Film-Kopierwerk eingerichtet. Hier wurden unter anderem die Sissi-Filme und 1960 »Im weißen Rössl« für die Kinovorführungen entwickelt und kopiert. Mitte der 1980er-Jahre wurden auch diese Aktivitäten eingestellt, danach lagen die Gebäude brach und verfielen. Teile der noch bestehenden Gemäuer wurden um 2004 zu einem modernen Wohn- und Geschäftshaus ausgebaut. Der ehemalige Braugasthof mit dem schönen schattigen Garten und dem einst 3.000 Personen fassenden »Bertasaal« befand sich schräg gegenüber dem Trummelhof, beherbergte eine Zeit lang ein »WienerDie Brauerei im Heurigenort – das Grinzinger Brauhaus 149
wald«-Restaurant und ist uns heute in veränderter Form als Restaurant Neuland erhalten geblieben. Der preußische Leutnant als Hofbräuer – das Nußdorfer Brauhaus
Die Geschichte der Wiener Brauherren hat einige seltsame Facetten : In der Residenzstadt gab es um 1900 prominente, inzwischen schon längst als Wiener bezeichnete Familien wie die Dreher, Mautner Markhof, Meichl, Kuffner oder Faber, doch zum k. u. k. Hofbräuer wird ein preußischer Leutnant ernannt, den nur die Liebe nach Wien führte. Bevor dieser Karl Adolf Ludwig Bachofen von Echt jedoch diesen Titel erhielt und Chef der Nußdorfer Brauerei wurde, hatte diese bereits eine bewegte und interessante Vergangenheit hinter sich. Dieses Brauhaus befand sich an der Straße, die einst nach Favianis (Mautern) führte und auf die Zeit Marc Aurels zurückgehen soll. Bis zur Zeit Maria Theresias stand hier ein Jesuitenkolleg für die Priesterausbildung, in dem 1552 der 1925 heilig gesprochene, wortgewaltige Befürworter der Hexenverfolgung und Teufelsaustreiber, Petrus Canisius wirkte, um den Protestantismus in Wien zu bekämpfen. Als 1773 Papst Klemens XIV. aus politischen Gründen den Jesuiten-Orden aufhob, wurden im nunmehr verlassenen Gebäude in der Hackhofergasse Waffen gelagert. Während der Napoleonischen Kriege war es kurz Hauptquartier des französischen Kaisers, dann erwarb ein Baron Schweighardt das Anwesen. Von ihm kaufte 1815 Anton Bosch, den wir als Brauherrn in Jedlesee noch besser kennen lernen werden, um 30.000 Gulden die Realitäten samt einer Brauereibefugnis und gab sie seinem jüngeren Bruder Franz Xaver weiter. Beide waren die Söhne des Verwalters der Fürsten Öttingen zu Wallerstein in Bayern und hatten dort das Brauhandwerk gelernt. Sie kamen während ihrer Walz nach Wien, arbeiteten einige Jahre als Brauburschen in Jedlesee und kehrten anlässlich des Wiener Kongresses in die Residenzstadt zurück, um hier zu heiraten und sich niederzulassen. Franz Xaver Bosch baute in den folgenden Jahren das Gebäude zu einer Brauerei um. Als der Bau vollendet war und der Betrieb beginnen sollte, erhob die Wiener Brauerinnung jedoch Einspruch wegen einer mangelhaften Übergabe der Brauereibefugnis. Es blieb nichts anderes übrig, als von einem Grinzinger namens Loibl diese nochmals zu erwerben, weil Loibl dieses Recht besaß, aber nicht nutzte. Dies kostete neuerlich 5.000 Gul150 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Peter Canisius (1521–1597), Lehrer im Jesuitenkolleg
Brauereigelände im Jahr 1819
Franz Xaver Bosch (1789–1860)
den. 1819 gilt daher als Gründungsjahr der Nußdorfer Brauerei. Bosch braute ein hochwertiges schwarzes Plutzerbier, das seinen Namen von den »Plutzern« hatte, in denen es serviert wurde. Durch einen kleinen Zusatz von Zucker und Reiskörnern bekam es ein künstliches Mousseux und war daher sehr süffig und überaus beliebt. Bosch wirtschaftete so gut, dass er bereits nach sechs Jahren schuldenfrei war. 1830 kam es zu einer wesentlichen Vergrößerung des Betriebs und er errichtete das Haus mit der noch bestehenden Biedermeier-Fassade in der Hackhofergasse. Er baute Lagerkeller in den Berg hinein und 1842 auf dem Plateau über der Kelleranlage den sogenannte »Bockkeller«. Dieses Aussichtslokal wurde später vielfach vergrößert und mit einem Aussichtsturm gekrönt. Das bis auf wenige Mauern komplett aus Holz erbaute Gebäude brannte im Zweiten Weltkrieg ab. Anstelle des Bockkellers mit dem großen Garten wurden in letzter Zeit Wohnhäuser errichtet, die darunterliegende Kelleranlage in der Eichelhofstraße ist erhalten. An Sonn- und Feiertagen spielten hier die beliebten Militär-Kapellen. Es war – wie Zeitgenossen behaupteten – der schönste, größte und schattigste Restaurationsgarten in der Umgebung Wiens. Man genoss die herrliche Aussicht und schätzte das Bier und so wurde der Garten bis zum Zweiten Weltkrieg zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Wiener. Als die Verkehrsverhältnisse besser wurden, sollen viele Wiener nach dem säurereichen Wein beim Heurigen in Grinzing nach Nußdorf Der preußische Leutnant als Hofbräuer – das Nußdorfer Brauhaus 151
Blick auf Nußdorf im Jahr 1833
Blick auf Nußdorf mit den Schornsteinen der Brauerei und dem Bockkeller
hinuntergegangen sein, »pufferten« dort mit dem süffigen Bier ab und fuhren mit Bahn oder Tramway wieder nach Hause. Franz Xaver Bosch, der übrigens auch als »brutaler Ausbeuter und Leuteschinder galt« und während der Revolution 1848 gefährliche Angriffe seiner Arbeiter abwehren musste,170 verstarb 1860 in Nußdorf und wurde am Friedhof in der heutigen Nußberggasse beigesetzt. Sein Sohn 152 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
170 Klusacek, Stimmer : Döbling, S. 39.
Karl Adolf Bachofen von Echt (1830– 1922)
171 Königsaal, heute Zbraslav, ist ein Stadtteil von Prag (Praha). 172 Libesnitz heute Líbeznice liegt im Bezirk Praha-východ (Prag-Ost) in der Region Středočeský kraj (Mittelböhmen). 173 Bettelheim : Neue österreichische Biographie, Band 5, S. 134. 174 Ebenda.
Franz Bosch war aber nicht in der Lage, das Brauhaus länger als fünf Jahre weiterzuführen. Als er in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, trat er an seinen Schwager Karl Adolf Ludwig Bachofen von Echt heran, die Leitung der Brauerei zu übernehmen und den Besitz »auf sich, die beiden Brüder Bosch und einen anderen Schwager zu vereinigen«. Bachofen von Echt wurde am 1830 in Oelde in Westfalen geboren und studierte vor seiner Militärzeit von 1848 bis 1853 an der Prager Universität Technik und Chemie. Seine Familie stammte aus dem holländischen Limburg und gehörte zum Uradel des Landes, wo sie sich bereits Anfang des 14. Jahrhunderts nachweisen lässt. Von Holland wanderten die Bachofen nach Köln aus. Karl Adolf selbst kam 1848 durch den ältesten Bruder seines Vaters, Abund, nach Prag. Dort lebte auch dessen ältester Bruder Clemens und besaß gemeinsam mit seinem Schwager die Zuckerfabriken in Königsaal171 und in Libesnitz172. Die Tochter von Bosch, Albertine, lernte bei einem Empfang nach einem Manöver in Prag den preußischen Leutnant kennen, der beim 6. preußischen Jägerbataillon diente. Als er 1857 zu Besuch nach Wien kam, wurde Verlobung gefeiert und zwei Jahre später in Nußdorf geheiratet. Nach der Hochzeit kehrte Bachofen deshalb mit seiner Frau nach Libesnitz zu seinem Bruder zurück, um die Leitung der Zuckerfabrik zu übernehmen. In den Jahren 1860 bis 1864 gebar ihm Albertine zwei Töchter und einen Sohn, Adolf Karl. Nach dem Hilfeschrei aus Nußdorf traf Bachofen am 15. Mai 1865 nach erfolgreichen Verhandlungen mit seinen Verwandten, begleitet von Albertine, seinen drei Kindern und seinem Jagdhund Othello in das Unternehmen ein, um den herabgewirtschafteten Betrieb wieder auf Vordermann zu bringen. Dies gelang ihm auch. »Er musste sich, wenn auch mit der Theorie des Brauwesens durch seine Studien vertraut, erst in die Praxis einarbeiten, verfolgte alle Fortschritte auf diesem Gebiete und unternahm oft Reisen, um neue Erfindungen kennenzulernen, selbst einzuführen und den Betrieb auf der Höhe der Zeit zu halten …«173 Es waren große Umbauten, besonders der kostspielige Bau neuer »Felsen-Lagerkelleranlagen«, notwendig. »Das große Ansehen, das sich Bachofen durch seine Tätigkeit, seine gewinnende Persönlichkeit und seinen lauteren Charakter erworben hatte, (und wohl auch das Geld, Anm.d.Verf.) brachte es mit sich, dass er bereits im Jahre 1867 in den Bezirksschulrat und 1872 zum Bürgermeister von Nußdorf gewählt wurde.«174 Diese Stelle bekleidete er bis zur Der preußische Leutnant als Hofbräuer – das Nußdorfer Brauhaus 153
Medaille gestaltet von Karl Bachofen von Echt mit einem Selbstbildnis aus dem Jahr 1890
Brauereigelände im Jahr 1894
Vereinigung des Ortes mit der Stadt Wien im Jahr 1891. Die Gemeinde Nußdorf ernannte ihn daraufhin zum Ehrenbürger. Von 1891 bis 1895 war er Gemeinderat in Wien. 1896 wurde der Brauerei von Kaiser Franz Joseph nach einem persönlichen Besuch der Titel eines k.u.k. Hoflieferanten zuerkannt. Angeblich wurde durch seine Gattin Sisi auf das das leicht moussierende und süßliche St. Thomas Bräu aufmerksam gemacht. Dann wollte der Kaiser kein anderes Bier mehr trinken. Zuvor waren für ihn jahrelang Fässer vom Münchner Spatenbräu nach Wien transportiert worden. Daraufhin ließen Bach ofen von Echt und Medinger auf allen ihren Geschäftspapieren den Aufdruck »k.u.k. Hofbräuhaus« anbringen. Das ging nur drei Jahre gut, dann wurde ihnen das untersagt, weil die Brauerei kein ärarisches, also staatliches Unternehmen war. Als Kompromiss konnte man dann mit dem Obersthofmeisteramt die Verleihung des Titels »k.u.k. Hofbräuer« für Bachofen erreichen. Damit kam der Nußdorfer Brauherr als einziger seiner Zunft zu diesem schönen Titel und war Kammerlieferant des kaiserlichen Hofes. Das war damals eine große Auszeichnung, weil er auch die kaiserlichen Gemächer betreten durfte. Er schnappte diese Auszeichnung dem berühmteren Anton Dreher d. J. und Moritz Kuffner weg, die sich ebenfalls sehr um diesen Titel bemüht hatten.175 Leider ist das Originalrezept für das St.-Thomas-Bräu nicht mehr erhalten, auch wenn sich seine Erben 154 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Medaille mit den Köpfen von Karl Adolf und Albertine Bachofen von Echt aus dem Jahr 1909
175 Kalmár, Waldstein : Bier im Heurigenland, S. 47 f.
Hof der Brauerei im Jahr 1899
Johann Medinger (1846–1908)
176 Kalmár, Waldstein : Bier im Heurigenland, S. 47.
1984 nach der kurzfristigen Gründung eines kleinen Nachfolgebetriebs auf diesen bayerischen Biertyp beriefen. So werden wir niemals erfahren, warum Kaiser Franz Joseph so für dieses Bier schwärmte. Gerüchteweise soll Sisi das leicht moussierende und süßliche Bier so gemocht haben. Mitte der Neunzigerjahre zog sich Bachofen allmählich von der direkten Leitung der Brauerei zurück, beschäftigte sich immer intensiver mit der Familiengeschichte und brachte auch einige Publikationen heraus, die in Fachkreisen als vorbildlich galten. Schon in der Jugend hatte er sich mit dem Jagen und Vogelausstopfen sowie dem Sammeln von Käfern, Schmetterlingen und Versteinerungen beschäftigt. Im Alter galt er als anerkannter Ornithologe. Er war mit Peter Rosegger befreundet und wurde ein Bewunderer und Sammler der Werke und Gemälde des Dichters Adalbert Stifter. Schließlich war er auch ein bekannter Numismatiker, der viele Medaillen selbst gestaltete. Auch weil er seine großartige Sammlung römischer Münzen dem Kunsthistorischen Museum schenkte, wurde der k.u.k. Hofbräuer 1906 vom Kaiser in den österreichischen Freiherrenstand erhoben.176 Ab 1877 stand mit Johann Medinger ein zweiter Fachmann an seiner Seite. Er hatte in die Familie Bosch eingeheiratet und war 1877 an die Stelle seines in diesem Jahr verstorbenen Verwandten Rudolf Bosch getreten. Auch ihm müssen wir hier einige Zeilen widmen, weil er für das Wiener Brauereiwesen von großer Bedeutung war. Der preußische Leutnant als Hofbräuer – das Nußdorfer Brauhaus 155
Er wurde 1846 geboren und begann seine Berufskarriere in der Farbenfabrik seiner Familie. In der Brauerei konnte er sich dank seiner kaufmännischen Fähigkeiten rasch nach oben dienen. 1903 erwarb er gemeinsam mit Karl Adolfs Sohn Adolf Bachofen von Echt und Ludwig Freiherr von Oppenheimer die Gablonzer Brauerei177, war deren Chef und fusionierte sie 1908 mit der benachbarten Reichenberg-Maffersdorfer Brauerei178. Er galt in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts als eine der ersten Kapazitäten in Wirtschaftskreisen und war lange Jahre Präsident des Brauherrenvereins und in dieser Funktion auch der erste Präsident des 1898 gegründeten Centralverbandes der österreichischen brauindustriellen Vereine.179 In seine Jahre fielen die schwierigen Verhandlungen mit der neugegründeten Gewerkschaft der Brauereiarbeiter um den gemeinsamen Kollektivvertrag und einige andere arbeitsrechtliche Neuerungen. Da es mit dem Centralverband erstmals auch eine gesamtösterreichische Interessensvertretung der Brauereien gab, konnte man sich konzentriert der »Versteinerung der Marktverhältnisse« durch die Bildung von Kartellen widmen, was mit dem ersten Bierkartell 1907 auch erreicht wurde.180 Auch da stand Medinger an vorderster Front. Er war, wie einige seiner Brauherrenkollegen, als Direktor Führungskraft in der Ersten österreichischen Sparkasse, außerdem Vorstand des Gewerbehygienischen Museums, Kurator der Heilstätten für TBCKranke und erster Präsident der »Versuchsstation für Brauerei und Mälzerei«. Für seine Verdienste erhielt er das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens und wurde 1903 vom Kaiser unter anderem für seine Verdienste um die Arbeiterfürsorge und Gewerbehygiene in den Adelsstand erhoben. Auch seine Nobilitierung war eine Art Kompensation für das nicht mögliche »Hofbräuhaus«. Um alle Erben gleichmäßig am Familienvermögen beteiligen zu können, wurde der Betrieb im August 1908 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, wobei auch die böhmischen Brauereien in Gablonz und Reichenberg eingebracht wurden. Als ausschließliche Aktionäre wurden Johann von Medinger, der auch Präsident wurde, weiters Adolf Bachofen von Echt junior, Hans von Medinger und Karl August Bachofen von Echt eingetragen. Das Aktienkapital betrug 6 Millionen Kronen, zerlegt in 15.000 voll eingezahlte, auf die Inhaber lautende Aktien zu je 400 Kronen. Als Hans von Medinger 1908 starb, konnte man in seinem Nachruf in der »Neuen Freien Presse« lesen, dass »er wegen seines schlichten, güti156 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
177 Gablonz, heute Jablonec nad Nisou in Tschechien. 178 Reichenberg-Maffersdorf, heute Liberec-Vratislavice nad Nisou in Tschechien. 179 Gambrinus Nr. 1/1909, S. 2. 180 Paleczny : Wiener Brauherren, S. 200.
Blick auf die Brauereifassade in der Hackhofergasse von der Freihausgasse
Der preußische Leutnant als Hofbräuer – das Nußdorfer Brauhaus 157
Nußdorfer Platz um 1900 mit Brauerei und Restauration »Rose« am rechten Bildrand
gen Wesens und seiner ernsten Pflichtauffassung bei seinen Angestellten verehrt und beliebt war« – eine Passage, die man nur selten beim Tod anderer Brauherrn findet.181 Auch seine beiden Söhne waren Brauherren. Sein gleichnamiger Sohn Hans war in den 1920er Jahren Präsident der Nußdorfer Brauerei. Er erwarb in der Ersten Republik hohe Verdienste um den Wiederaufbau der Handelsbeziehungen Österreichs mit den Nachbarstaaten. Sein zweitältester Sohn Wilhelm erbte die Gablonzer Brauerei und wurde Parlamentarier im neuen tschechischen Staat.182 Karl Adolf Bachofen, der mit Kaiser Franz Joseph das Geburtsjahr 1830 teilte, überlebte den alten Monarchen noch um sechs Jahre und starb im Mai 1922 im Alter von 92 Jahren. Es war ein »sanftes Hinüberschlummern«. Seine Witwe Albertine folgte ihm 1925 mit 86 Jahren. Die Brauerei ging im neuen Jahrhundert an die nächste Generation der Familien Bachofen von Echt und Medinger über. 1886 erfolgte eine umfangreiche Renovierung, während der eine Linde’sche Kältemaschine aufgestellt, die elektrische Beleuchtung eingeführt und mit zwei Dynamomaschinen mit zusammen 58 PS die Umstellung von Dampfbetrieb auf elektrischen Betrieb eingeleitet wurden. Die Brauerei bedeckte damals ein Gelände von 12 Hektar. 1900 braute man den Spitzenwert von 229.000 Hektolitern – nur Schwechat, St. Marx und Liesing brauten damals mehr. 1890 bis 1893 ließ Johann Medinger die ersten Arbeiterwohnhäuser einer Wiener Brauerei mit 300 Betten für unverheiratete Arbeiter und 30 Wohnungen für Ehepaare bauen, die Bäder und eine Dampfheizung 158 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
181 Neue Freie Presse vom 19. 12. 1908 Abendblatt, S. 1. 182 Gambrinus, Nr.1/1928, S. 17.
Brauhausrestauration »Rose« am Nußdorfer Platz
183 Schmidl : Wiens Umgebungen, I. Band, S. 28.
hatten und den modernen und hygienischen Anforderungen der damaligen Zeit voll entsprachen. Bachofen und Medinger betrieben auch neben dem Wiener Rathaus, in der Reichsratsstraße 15, ein ausgezeichnetes Restaurant und führten 28 Bierdepots in Wien und der näheren Provinz. Außerdem erwarben sie als weitere Brauhausrestauration die Gastwirtschaft »Rose« am Nußdorfer Platz, die schon lange vor der Gründung der Brauerei bestanden hatte. Schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die »Rose« besonders zur Herbstzeit von den Wienern stark besucht. 1835 lobte sie Adolf Schmidl, dem wir einige zeitgenössische Schilderungen in diesem Buch verdanken, als lohnendstes Ausflugsziel in Nußdorf, wobei er allerdings den erst 1842 entstandenen Bockkeller noch nicht kannte : »Sie zählt viele Besucher, der köstlichen Fische und Solokrebse willen, die man hier erhält. Neben dem Saale ist im ersten Stock ein Fischbehälter, und die Gäste können also das Vergnügen haben, ihre Beute selbst zu fangen.« Schmidl zählte auch das Nußdorfer Bier, das damals noch Franz Xaver Bosch braute, »zu den besseren Gattungen«.183 Ein anderer Zeitgenosse lobte einige Jahrzehnte später die »schöne Fernsicht theils auf das Kahlengebirge, theils auf den herrlichen Donau strom und die weiten Donauauen … die auf einer Seite an dem letzten Ausläufer der Alpen, dem weinreichen Bisamberge, ihre Grenze findet. Dieses Gebäude nun ist das Schanklocale der Nussdorfer Bräuerei«. 1903 wurde der Freihof (Freihofgasse 1), der seit 1871 der Weingroßhandlung Chamrath & Luzatto gehörte, von der Brauerei aufgekauft. Er befindet sich noch heute im Besitz der Familie Bachofen von Echt. Der preußische Leutnant als Hofbräuer – das Nußdorfer Brauhaus 159
Nach dem Tod Medingers wurde 1908 Adolf Karl Bachofen von Echt, der älteste der drei Söhne Karl Adolfs, nach Vollendung seiner technischen Studien und einer längeren Praxis im Ausland neuer Präsident der Aktiengesellschaft. Er dürfte sich aber mehr seinem Hobby und dem Studium als dem Brauwesen gewidmet haben, denn er galt als anerkannter Paläontologe und promovierte 1925 zum Doktor der Philosophie. Er avancierte noch zum Kommerzialrat und übergab dann die Präsidentenstelle an Wilhelm Medinger, dem wieder August Hermann, Rittmeister a. D., und anschließend Wolfgang Bachofen von Echt, die beiden Söhne Adolf Karls, folgten. Sie durften dank der preußischen Vergangenheit das »von« im Namen weiterführen. Unter Wolfgang Bachofen von Echt wurde 1949 das letzte Bier gebraut. Er hatte noch wie seine Vorfahren als Oberleutnant in der kaiserlichen Armee gedient und war mit Elisabeth Lederer aus der Familie bekannter jüdischer Kunstmäzene verheiratet. Von ihr gibt es Bilder von Klimt und Schiele. Sie behauptete sogar, ein uneheliches Kind von Gustav Klimt zu sein, um nach 1938 nur als Halbjüdin zu gelten. Ihr Mann hatte sich schon 1933 zum Nationalsozialismus bekannt und sich 160 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Rechnungszettel um 1900
Bierfuhrwerk vor einem Bierdepot Rechnungszettel
Blick von der Donau auf Nußdorf mit der Brauerei am linken Bildrand
184 Lillie : Was einmal war, S. 145.
1938 von ihr scheiden lassen, wobei sie ihm alle Anteile an der Brauerei abtreten musste.184 Im März 1949 veranstaltete man noch einen Brauerball, doch bald wandte sich das Blatt – ein Jahr später erhielten die Mitarbeiter ein formloses Kündigungsschreiben. Wolfgang Bachofen von Echt stellte 1950 den Betrieb ein und verkaufte das Unternehmen der Brauerei Schwechat, die den Betriebsstandort aber bis auf die Mälzerei stilllegte. Als 1963 das Stadtbräu liquidiert wurde, wurde auch diese nach Rannersdorf verlagert. Der letzte Bier-Jahresausstoß betrug nur mehr 42.000 Hektoliter. Die Aktionäre erhielten teilweise neue Aktien der Schwechater Brauerei. Die Grundausstattung des Brauhauses gelangte auf abenteuerliche Weise Der preußische Leutnant als Hofbräuer – das Nußdorfer Brauhaus 161
Blick auf die Mälzerei in der Hackhofergasse
Halbbogenreliefs mit Szene der Biererzeugung auf der Brauereifassade in der Hackhofergasse
nach São Paulo und wurde von der Companhia Paulista de cervejas Vienenses verwendet, mit der Georg III. Mautner Markhof allerdings ohne nachhaltigen Erfolg Wiener Bier in Brasilien verkaufen wollte. 1965 wurden die Betriebsgebäude der Nußdorfer Brauerei niedergerissen und auf den ausgedehnten Gründen Reihenhäuser errichtet. Einzig der unter Denkmalschutz stehende Verwaltungstrakt mit seiner unter Bosch gestalteten biedermeierlichen Fassade ist uns erhalten geblieben. Hier fallen die Reliefs über den Fenstern auf, die einerseits die vier Jahreszeiten und anderseits zwei Brauereiszenen zeigen. Der Betrieb in der »Rose« wurde zusammen mit der Brauerei eingestellt und die Firma INKU übernahm das Gebäude. Als dieses Unternehmen dann Mitte der 80er Jahre auszog, blieb ein verunstaltetes Gebäude zurück, das danach mit großem Aufwand äußerlich wieder halbwegs hergerichtet wurde. Die Innenräume sind vermietet. 162 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Anton von Störck (1731–1803)
Sieben Jahre nach dem Tod seines Vaters eröffnete 1984 Henrik Bachofen von Echt, der Urenkel des Gründers und »absolvierter Kernphysiker und Brau-AG Aktionär«, eine kleine Brauerei mit Ausschank im Freihof unter dem Namen »Brauhaus Nussdorf«. Obwohl das Originalrezept nicht mehr vorhanden war, braute der »Herr Baron«, wie er sich nennen ließ, das alte, dunkle St. Thomas Bräu seiner Vorfahren nach und kreierte auch sonst für Wien eher unübliche Biersorten.185 Jedes Jahr, zum Geburtstag des Kaisers, schenkte er das eigens nach Rezept seines Großvaters gebraute »Franz-Joseph-Geburtstags-Bier« aus. Mit August 2004 musste er gesundheitsbedingt den Betrieb schließen. Henrik Bachofen von Echt verstarb im September 2007. Das niedrige, langgestreckte und unter Denkmalschutz stehende Gebäude an der Heiligenstädter Straße ist ungenutzt in verfallendem Zustand erhalten, dahinter befinden sich weiträumige Kelleranlagen und darüber ein großer Garten. 1839 sollte im Kahlenbergerdorf eine weitere Brauerei entstehen. In diesem Jahr wurde von Josef Ritter von Hohenblum bei der Stiftsherrschaft Klosterneuburg um Bewilligung angesucht. Sie wurde erteilt, doch überlegte es sich Hohenblum anders, und so wurden dort bis etwa 1860 nur Spiritus und Essig erzeugt. Die größte Brauerei der Biedermeierzeit – das Jedleseer Brauhaus
185 Seidl : Unser Bier, S. 274. 186 Diese Ausstoßzahlen wurden ab 1837 vom Brauherrenverein für Wien und Umgebung gesammelt und sind u. a. im Anhang des Buches von Christoph Wagner »150 Jahre Ottakringer Brauerei« abgedruckt. 187 Hinkel : Floridsdorf, S. 98.
Eine erste Aufzeichnung über den Ausstoß der Brauereien im Wiener Umland gibt es aus dem Jahr 1837. An der Spitze dieser Liste stand damals mit 63.000 Hektolitern eine Brauerei im kleinen Ort Jedlesee.186 Dabei hatte dieser kleine im Jahr 1014 erstmals urkundlich erwähnte Ort am linken, also nordöstlichen Donauufer nach 1736 viel von seiner wirtschaftlichen Bedeutung verloren, weil durch den Neubau der Donaubrücke der wichtigste Weg nach Böhmen nicht mehr durch Jedlesee auf dem uralten Weg durch Langenzersdorf (heutige Pragerstraße), sondern auf der neuen Reichsstraße (Kaiserstraße, heutige Brünner Straße) führte. Der Ort stagnierte auf Grund der neuen Randlage. Einen neuen Aufschwung erlebte Jedlesee, als 1778 der Leibarzt des Kaisers, Anton Freiherr von Störck, die Herrschaft erwarb und der Ort mit der neuen Reichsstraße nach Böhmen verbunden wurde.187 Am 20. November 1779 suchte er um Bewilligung zur Errichtung einer Brauerei an. Diese wurde abgewiesen, wie den Hofkanzlei-Protokollen zu entnehmen ist. 1786 suchte er erneut an und erhielt am 25. Jänner Die größte Brauerei der Biedermeierzeit – das Jedleseer Brauhaus 163
1787 dann doch die Bewilligung, auf seinem Gut zu Jedlesee ein Bräuhaus mit Schankgerechtigkeit zu errichten, jedoch nur »gegen die Bedingniß, kein Bier in die Stadt einführen zu wollen«. Ein neuerliches Gesuch um Aufhebung dieser Beschränkung hatte Erfolg. Man einigte sich und mit 13. Mai 1788 wurde allen Bräumeistern auf dem Lande ohne Ausnahme »die Bräuung aller Gattungen Bieres und deren Einfuhr nach Wien« gestattet, »jedoch müsse von selben ein Aufschlag zur Entschädigung des Bürgerspitals entrichtet werden«. Das Brauhaus entstand dort, wo die Straße von der Überfuhr aus Nussdorf auf die Prager Straße traf und wurde von Anfang an durch die Grundherren an geeignete Braumeister verpachtet. Der letzte dieser Pächter war Josef Grünauer. 1807 ging die Brauerei in den Besitz von Josef Räuschle über, lag aber von 1812 bis 1814 brach, ehe sie Jakob Wohl, Eigentümer des »Großen Wirtshauses am Spitz«, erwarb und seiner Tochter Theresia und deren Gatten Anton Bosch übergab. Anton Bosch stammte von einer bayerischen Brauerfamilie ab, die in der Brauerei des Fürsten Oettingen zu Wallerstein tätig war. Er selbst arbeitete sieben Jahre dort, ehe er auf Wanderschaft ging. Dabei kam er auch nach Wien, wo er elf Monate im Brauhaus Jedlesee als Kellerbursche arbeitete. Er blieb aber in Wien und dürfte sich in die Tochter von Jakob Wohl verliebt haben. Die beiden heiraten und schufen so neben den Dynastien der Dreher und Mautner eine dritte Brauherrenfamilie, deren Nachkommen wir nicht nur in Jedlesee, sondern auch in Nußdorf, Fünfhaus und Hütteldorf treffen. Geld hatten die beiden wohl keines, und so dürften der Vater bzw. Schwiegervater eingesprungen sein. Anton Bosch musste ihm 130.000 Gulden zu164 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Anton Bosch (1784–1862)
Brauhaus mit klassizistischer Fassade in der Prager Straße 84
188 Bosch : Biographie, S. 11
rückzahlen, schaffte es aber innerhalb von fünf Jahren schuldenfrei zu sein. »Bosch stellte gleich nach seinem Eintritte einen alten Brennapparat neuerlich auf und erzeugte täglich zwei Eimer Spiritus, welcher keiner Steuer unterlag und bei der herrschenden Theuerung, die sich im nächste Jahre in eine Hungersnoth verwandelte, mit 60 fl per Eimer verkauft wurde«. Aus seinen Memoiren erfahren wir, warum er mit der damals kleinsten niederösterreichischen Brauerei, deren Bauzustand schlecht und die bis dahin nie mehr als zehn Brauburschen beschäftigte, einen so großen Erfolg hatte : »Damals wurden in Wien bloß obergärige Biere in zwei Hauptsorten erzeugt, nämlich das so genannte Regensburger, welches pechschwarz war und von Farbmalz einen üblen Geruch hatte und das so genannte Mailänder Bier, welches etwas lichter, jedoch auch nicht klar war. … Ich hörte auf, diese beiden Biergattungen zu brauen und erzeugte zwei neue Biersorten unter den Namen Englisch- oder Kaiserbier, die etwas lichter und weniger gehopft waren und bald die Gunst des Publikums errangen. Nach und nach wurde mein Bier in Wien so beliebt, dass die Wirte an der Taborlinie den Abtragern Trinkgelder oft guldenweise zusteckten, um nur von ihnen Bier zu bekommen … Vom Jahre 1816 bis 1842 war ich nie im Stande so viel Bier zu erzeugen, als ich hätte ausführen können. Die alten, reichen und meist stolzen Wiener Brauer kamen zu mir, erkundigten sich über mein Brauverfahren und recrutierten gerne ihre Leute aus meinem Gesellenstand.«188 Bosch erwarb eine neue Braupfanne sowie zwei Bierkühler dazu und ließ einen hölzernen Gärkeller bauen. Trotzdem er nun monatlich 4.500 Die größte Brauerei der Biedermeierzeit – das Jedleseer Brauhaus 165
Pragerstraße stadtauswärts auf Höhe Hopfengasse mit dem Brauereigebäuden vor 1900
bis 5.600 Hektoliter erzeugte, konnte er bis zum Jahre 1842 nie der Nachfrage genügen. Sein jüngerer Bruder Franz Xaver Bosch, der bei ihm Wirtschafter war, bekam auch Lust, eine eigene Brauerei zu besitzen, und so bat er Anton, für ihn den Jesuiten-Hof in Nussdorf zu erwerben. Damit wurde Franz Xaver Bosch zum erfolgreichen Gründer des Nußdorfer Brauhauses. 1823 renovierte Bosch sein Wohnhaus in der Jedleseer Brauerei und 1825 die übrigen Gebäude des vorderen Hofes, die »mit Ausnahme des Sudhauses aus ungebrannten Ziegeln erbaut und rückwärts theilweise mit Stroh gedeckt waren«. Aus dem Jahr 1837 gibt es folgende Beschreibung des Brauhauses durch Adolf Schmidl, das »vielleicht das größte, sicher aber eines der besten im Lande ist. 25 Arbeiter erzeugen auf zwei Pfannen und zwei Branntweinkesseln jährlich 80.000 Eimer Bier und 200 Eimer Branntwein, wovon nicht weniger als der vierte Theil im Orte selbst verzapft wird. Man kann daraus auf die Lebhaftigkeit des Straßenverkehrs schließen. Nicht leicht fährt ein Fuhrmann vorbei, ohne einen Augenblick zu halten, und an Sonntagen sieht man eine ganze Wagenburg …, welche aus Wien des köstlichen Bieres wegen heraus pilgern. Wäre ein hübscher Garten beim Hause, der Zuspruch würde noch größer seyn ; sogar im Hofe lagern sich die durstigen Gruppen.« Biervergnügen im Biedermeier !189 1845 und 1859 baute Bosch neue, große Lagerkeller. 1865 erneuerte er das Sudhaus und ließ die erste Dampfmaschine mit 35 PS aufstellen. Seine einzige Tochter Katharina verheiratete er mit Johann Dengler, dem Neffen seines Freundes Franz Dengler, der in Hütteldorf das Brau166 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Tödlicher Arbeitsunfall im Brauhaus 1888
189 Schmidl : Wiens Umgebungen, IV. Band, S. 61.
Gleicher Blick mit neuem Restaurationsgebäude nach 1900
Anton Dengler (1838–1900)
haus besaß. Sie bekam die Fünfhauser Brauerei zur Aussteuer. Doch als sie bereits 1851 starb und ihr Mann Pleite gemacht hatte, übernahm Anton Bosch die Sorge für seine sieben Enkel. Den Ältesten, Anton Dengler, nahm er in seinen Betrieb in Jedlesee auf. Dieser heiratete 1866 eine Tochter des Münchner Brauereibesitzers Matthias Pschorr. Anton Bosch war inzwischen auch Ortsrichter. Nachdem er die Brauerei in Jedlesee nun so ausgebaut hatte, wie er es sich vorstellte (Produktion rund 100.000 Hektoliter), übergab er sie im selben Jahr seinem Sohn Xaver Bosch. Nach diesem übernahm Anton Dengler das von seinem Großvater schon vorher für ihn vorgesehene Brauhaus. Anton Dengler führte in den Jahren ab 1888 die künstliche Kühlung ein und steigerte den Ausstoß in den folgenden Jahren auf 140.000 Hektoliter. Er erwarb angrenzende Liegenschaften »im Ausmaß von 13 Joch« und sicherte damit »die unbehinderte Ausdehnung des Etablissements, das er in den Jahren 1867 bis 1874 durch die Erweiterung der Lagerkeller, 1870 durch ein neues Sudwerk von der Firma Ringhofer und 1874 durch eine große, doppelte Malzdarre vervollkommnete«. 1871 baute er einen »1000 Klafter langen Canal« zur Entsorgung der Abwässer. Dieser führte von der »Theresiengasse in die Schwarze Lacke«. 1877 bis 1881 wurde »im Bisamberge zu Lang-Enzersdorf« ein Lagerkeller für »die schweren Märzenbiere« gebaut, »in welchen sich das Eis besser halten ließ als in den bloß künstlich angeschütteten Kellern des Brauhauses«. 1900 starb Anton Dengler. Kurz zuvor wurde die neue Brauhausrestauration »Zum Gambrinus« fertig gestellt, die uns als einziges Relikt dieser Brauerei, jahrelang ziemlich abgehaust, doch Ende 1989 renoviert, erhalten geblieben ist. Der Brauereibetrieb ging an seinen Sohn Rudolf Die größte Brauerei der Biedermeierzeit – das Jedleseer Brauhaus 167
Blick auf den Brauhausgasthof am Beginn der Hopfengasse mit dem Geburtshaus des ehemaligen Bundespräsidenten Franz Jonas (rechts)
Dengler über. Dieser baute das Sudhaus von Feuer- auf Dampfkochung um und elektrifizierte den Betrieb. Er installierte eine moderne Abfüllanlage samt »Bierstapelraum« und Filterwäscherei. Die Produktion sank aber wieder auf die 100.000-Hektoliter-Grenze ab. Als der Erste Weltkrieg kam, spürte das natürlich auch diese Brauerei ganz kräftig. 1922 entschloss sich Rudolf Dengler die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Die goldenen Zeiten waren aber längst vorbei und 1927 erwarben die Vereinigten Brauereien in Form eines Aktientausches das gesamte Aktienpaket und zwei Jahre später genehmigte die Generalversammlung dann auch die Fusion. Das war natürlich das »Aus« für das Jedleseer Brauhaus, das im Jahre 1930 seine letzten 33.390 Hektoliter Bier braute. Der Bierbedarf konnte ohne Weiteres allein von Schwechat und Hütteldorf bestritten werden. Wolfgang Bosch, der Hauptaktionär des Jedleseer Brauhauses wechselte in den Verwaltungsrat der Schwechater Brauerei. Ein Jahr später wurde auch die Mälzerei in Jedlesee eingestellt, da der gesamte Malzbedarf von den Mälzereien in Schwechat und am Handelskai in Wien gedeckt werden konnte. Während des Zweiten Weltkriegs, von Juli 1944 bis April 1945, befand sich in der Hopfengasse ein Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen, in dem KZ-Häftlinge in den Kellern der Brauerei für die Flugzeugfirma Heinkel Ersatzteile fertigen mussten. Nach einem schweren Bombenangriff kam die Produktion zum Erliegen. Reste des Lagertores sind noch erhalten. Die Gebäude an der Prager Straße, die lange 168 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Lageplan der Jedleseer Brauerei und der Brauerei St. Georg im Jahr 1912
Zeit als Wohnhäuser für die Brauereiarbeiter verwendet wurden, waren im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht und 1945 kurz von der Roten Armee besetzt, sie waren allerdings durch Bombentreffer arg ramponiert. Letzter Mieter war eine Glasfabrik, ab 1978 wurde das schöne Wohnhaus und die verbliebenen Betriebsgebäude zum Bedauern der Denkmalschützer abgerissen : Damit verschwand eines der interessantesten Gebäude aus dem alten Jedlesee. Nachdem 1980 auch der Lagerkeller zugeschüttet wurde, errichtet man anstelle der alten Brauerei Mitte der 1980er-Jahre neue WohnDie größte Brauerei der Biedermeierzeit – das Jedleseer Brauhaus 169
häuser (Denglerpark) ; nur die Restauration »Zum Gambrinus« ist in veränderter Form erhalten. Lange ein Gasthaus mit Tanzschule im ersten Stock ist mittlerweile hier ein asiatisches Lokal eingezogen. An die Familie Dengler erinnert am Bisamberg noch die Denglervilla. Es begann mit einem familiären Vertragsbruch – die Brauerei Zum Sankt Georg
Adolf Ignaz Mautner hatte vier Söhne, von denen zwei Brauherren werden wollten. Da er nur eine Brauerei besaß, übergab er diese seinem ältesten Sohn Carl Ferdinand und überantwortete dem anderen seine anderen Betriebe, in denen Hefe und Spiritus hergestellt wurden. Dieser andere Sohn hieß Georg (I.) Heinrich und übersiedelte als 24-Jähriger 1864 von St. Marx nach Floridsdorf, wo er an der heutigen Adresse Prager Straße 20 die zweite Mautner-Fabrik führte. Im Gegensatz zu seinem Bruder wollte Georg aber nicht nur verwalten, sondern ausbauen. In der Familienchronik warf sein gleichnamiger Urenkel Georg IV. seinem Ahnherrn vor, dass er das Talent seines drittgeborenen Sohnes nicht erkannt und nur das Recht des Ältesten gesehen hätte.190 Georg Heinrich kaufte eine Mühle und gründete 1872 mit seinem Schwager Otto Waechter eine Malzfabrik, die bald eine der größten Österreichs werden sollte. In der Familienchronik kann man lesen : »Später wird er dieses Unternehmen seinem Bruder Carl Ferdinand mit der Verpflichtung verkaufen, mit ihm auf dem Brauereisektor nicht in Konkurrenz zu treten. In diesem Fall wird eine Konventionalstrafe von 200.000 Gulden vereinbart.«191 Als Georg 1884 eine Brauerei in Leopoldsdorf kaufte, war das noch kein Vertragsbruch. Als er jedoch diese Brauerei fünf Jahre später der Familie Waechter weiterverkaufte und mit dem Geld auf dem Floridsdorfer Betriebsgelände die neue Brauerei gründete, musste er die vereinbarte »Konventionalstrafe«, die heute den Wert von rund 2,5 Mio. Euro hätte, an seinen Bruder bezahlen – auch wenn die Gründung von seinem Vater »miterwogen und gebilligt« wurde. In der Familienchronik kann man zwar lesen, dass dies zu keinem Zerwürfnis der beiden Brüder geführt habe, sondern als »normales Geschäft« angesehen wurde, aber der Keim der Rivalität zwischen den Floridsdorfern192 und den St. Marxern wurde damals sicher gelegt. Als Victor 1913 den Konkurs anmeldete, wurde das in Floridsdorf eher schadenfroh gesehen und Victor als »schwarzes Schaf« der Familie mehr oder weniger geächtet. 170 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Georg I. Heinrich Mautner von Markhof (1840–1904)
190 Mautner Markhof G.: Von Irgendwo in alle Welt, S. 134. 191 Mautner Markhof G.: Von Irgendwo in alle Welt, S. 134. 192 Manfred Mautner Markhof beschreibt sich in seinen 1978 erschienenen Memoiren »Haltestellen und Stationen« als Floridsdorfer und fügte sich erst langsam der Gewissheit, damit auch Wiener zu sein.
Blick auf die Brauerei von Norden, davor die Peitlgasse
193 Mautner Markhof Th.: So war’s, S. 20.
Georg Heinrich ging mit der Gründung dieser Brauerei ein großes Risiko ein. Fachkreise rieten ihm davon ab, weil »heute, wo man am Morgen nicht weiß, was der Abend bringt, würde durch neue Gründungen nur dem Fiscus in Betreff der außerordentlichen, unerschütterlichen Zinserträgnisse ein neuer Fingerzeig gegeben« oder »man möge mit den Brauereigründungen nun für eine Zeit taktvoll zuwarten, und nicht, auf die Gefahr hin, den Geldplatz zu überlasten, heute um jeden Preis das noch flüssige Capital in Brauerei-Actien umsetzen, weil man dadurch gezwungen wäre, Dividenden auf unnatürliche Art, auf Kosten des Bierpreises oder des Qualitäten-Renomées aufzubringen, oder mit den Dividenden-Zahlungen aufzuhören«, wie in einer Ausgabe des »Gambrinus« zu lesen ist. Er setzte auf Qualität und hatte drei Grundsätze : »Erstens darf es kein besseres Bier geben als das unsrige, zweitens Pflege und Schätzung der Kundschaft und drittens bestes Einvernehmen und warmes Herz für Angestellte und Arbeiter.«193 1892 wurde mit dem Bau nach den Plänen des Besitzers begonnen. Die Besonderheit daran war, dass die Brauerei oberirdische Lager- und Gärkeller besaß, die sich im ersten Stockwerk befanden und »mit den allerbesten Eis- und anderen Maschinen versehen wurden und unter Anspannung aller Kraft in nicht ganz dreiviertel Jahren erbaut und eingerichtet werden konnten«. Fünf Dampfmaschinen mit 240 PS sorgten für den Maschinenantrieb und die Beheizung der Sudpfannen. Die Brauerei bekam den Namen »Zum St. Georg«. Im Februar 1893 ging die Anlage in Betrieb. »Das Programm des Besitzers, der von frühester Jugend an in diesem Gewerbe herangebildet worden war und durch viele Reisen im Auslande seine Ausbildung vollendet hatte, bestand darin, nur aus bester Rohware das vorzüglichste Erzeugnis zu erEs begann mit einem familiären Vertragsbruch – die Brauerei Zum Sankt Georg 171
Die vier Söhne von Georg I. Heinrich Mautner von Markhof : Theodor, Kuno, Georg II., Otto im Jahr 1899
zielen und die Meinung zu widerlegen, dass man ein lichtes Bier wie das vorzügliche Pilsner nur an Ort und Stelle erzeugen könne«. Mautner Markhof dürfte es tatsächlich gelungen sein, ein »gleichwertiges Erzeugnis, wie es jenes ausgezeichnete lichte und hopfenbittere Produkt ist« auf den Markt zu bringen, denn er bekam bei der »Internationalen II. Wiener Kochkunst-Ausstellung 1898« für sein »St. Georgs- Märzenbier« – »welches daselbst nebst dem berühmten Pilsner Produkte ausgestellt war« und von den Konsumenten und Wirten zu beurteilen und auf seine Ebenbürtigkeit zu prüfen war – die höchste Auszeichnung – das Ehrendiplom. 1900 überschritt die Erzeugung bereits die 200.000-Hektoliter-Marke. Ein Erfolg, den es bis dahin nach einer so kurzen Produktionszeit im Brauereigewerbe noch nicht gegeben hatte. Als Georg Heinrich 1904 starb, übernahm nicht sein ältester Sohn Otto, sondern seine jüngeren Söhne Georg (II.) Anton und Theodor das Unternehmen. Sie mussten aber ihren Geschwistern deren Anteil am Erbe auszahlen, was sie im Gegensatz zu Victor schon allein wegen der geringeren Zahl von Geschwistern problemlos abwickeln konnten. Schwieriger war für sie die Abwicklung des Konkurses in St. Marx und die Einbringung in die Vereinigten Brauereien, wobei St. Georg aber selbständig blieb. Darüber wird im Kapitel über die Schwechater Brauerei erzählt. Die beiden wurden zu den eigentlichen Gründern des großen Wirtschaftsimperiums der Familie Mautner Markhof, das bis zum Ende des 172 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Theodor August Mautner von Markhof (1869–1947)
Georg II.Anton Mautner von Markhof (1875–1934)
194 Mautner Markhof G.: Von Irgendwo in alle Welt, S. 152.
20. Jahrhunderts bestand. Sie begannen mit der Produktion vieler anderer Lebensmittel wie Senf, Essig, Spirituosen und Fruchtsäften und legten damit die Basis für die Blütezeit des Unternehmens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch heute sieht man noch den alten Firmennamen »Th und G Mautner Markhof AG« auf dem Betriebsgebäude in Simmering, das allerdings schon lange nicht mehr der Familie gehört. Mit der St.-Georgs-Brauerei ging es nach dem Ersten Weltkrieg kontinuierlich bergab, die Konsumenten hatten kein Geld mehr für Qualität. Die Produktionsmenge der Vorkriegszeit konnten nicht mehr erreicht werden und es gab auch zu wenig Geld, um die für Kriegszwecke gezwungenermaßen abgelieferten guten Materialien, vor allem Kupfer, zu erneuern. Statt 200.000 Hektoliter wurden nur mehr durchschnittlich 130.000 erzeugt, der totale Tiefpunkt kam 1933 mit knapp über 50.000 Hektolitern. Als Georg II. 1934 starb, konnte sich sein Bruder Theodor nicht mehr dagegen wehren, dass sein Neffe Georg III. die St.-Georgs-Brauerei opferte, um die Aktienmehrheit an den Vereinigten Brauereien übernehmen zu können. Im damaligen Geschäftsbericht liest es sich zwar wie ein »normaler Geschäftsfall«, tatsächlich war es ein kleiner Familienkrieg194 : »Die außerordentliche Generalversammlung der Vereinigten Brauereien AG vom 30. Dezember 1935 beschloss den Ankauf sämtlicher Aktien der Mautner Markhof Brauerei St. Georg Aktiengesellschaft. … Durch die Erwerbung dieser 60.000 hl-Brauerei war es möglich, die sofortige Es begann mit einem familiären Vertragsbruch – die Brauerei Zum Sankt Georg 173
Brauereigelände um 1910
Zusammenlegung der beiden Verkaufsapparate zwecks Regieverbilligung durchzuführen. Dieser Vorgang vollzog sich reibungslos und war mit Ende Februar 1936 abgeschlossen.« In weiterer Folge wurde Ende Juni 1936 die Biererzeugung eingestellt und nur mehr ein Bierdepot eingerichtet. Die Eiserzeugung, ebenso die Sodawasser- und Limonadenproduktion wurden am Standort fortgesetzt, die bestehende Druckerei weiter betrieben. Die Spiritusfabrik hatte die Produktion schon lange davor eingestellt. Die Familie Mautner Markhof wohnte zum Teil auf dem Betriebsgelände in der noch bestehenden Villa Prager Straße 20, zum Teil im 1902 erbauten Mautner Schlössl Prager Straße 33, in dem sich heute das Floridsdorfer Bezirksmuseum befindet. 1944 kam es zum Umzug auf das Simmeringer Betriebsgelände, teils in den Rosenhof, der heute ein Jugendhotel ist, teils in die Dittmanngasse, wo es heute noch Mautner-Villen gibt. Ab dem Sommer 1944 waren im Floridsdorfer Betriebsgelände jüdische Zwangsarbeiter beim Bau eines Hochbunkers eingesetzt, der nie fertig gestellt wurde, aber immer noch an der Gerichtsgasse steht : »Die Familie Mautner Markhof gab die Villa im Jahr 1944 auf. Im Sommer desselben Jahres wurde das Gelände von alliierten Flugzeugverbänden bombardiert. Die ersten Meldungen über den Einsatz von ungarisch-jü174 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
dischen ZwangsarbeiterInnen in der Prager Straße 20 lassen sich auf die Zeit nach den Bombardements datieren. So schrieb beispielsweise József Bihari, der von Debrecen nach Wien deportiert worden war und dort als Zwangsarbeiter arbeiten musste, am 9. 8. 1944 in seinen Kalender : ›Tatsächlich musste ich heute zur Arbeit in die Mautner Bierfabrik gehen. Wir mussten Schutt abtragen. Die Arbeit ist sehr schwer, aber in der Kantine gibt es Mittagessen und ein Krügel Bier. Alles wäre gut, nur die Arbeit ist schwer‹.«195 Nach schweren Bombentreffern konnte in Floridsdorf wenigstens wieder 1948 mit der Limonadenproduktion begonnen werden. In den Folgejahren wurde das große Gelände jedoch etappenweise der Gemeinde Wien verkauft und die Produktion nach Simmering verlagert. Zum Teil stehen heute dort Gemeindebauten, zum Teil die Trasse der Stadtautobahn, zum Teil ist eine Parkanlage geblieben, wobei es nur mehr geringe Gebäudespuren zu sehen gibt. Ein Hobby des Milchbauern – die Brauerei Aspern
195 Informationen des Historikers Thomas Pototschnig, die noch nicht veröffentlicht sind.
Bevor wir mit unserer Rundreise durch die Brauereien das Wiener Stadtgebiet verlassen und nach Niederösterreich kommen, muss noch eine kleine Brauerei im Nordosten der Stadt erwähnt werden. In Aspern an der Donau – schräg vis-à-vis der Kirche mit dem große Löwen davor, der an die Schlacht gegen Napoleon erinnert – bestand bis 1880 eine kleiEin Hobby des Milchbauern – die Brauerei Aspern 175
nere Brauerei im Garten eines Milch- und Wirtschaftshofes, die bereits um 1760 im Bannbuch des Ortes genannt wird. Um 1820 scheint hier Johann Oberleuthner als Meier auf. Dreißig Jahre später ist sein gleichnamiger Sohn im Besitz des Bauerngutes. Er betreibt das kleine Bräuhaus weitere dreißig Jahre und stirbt 1881, wie am Grabstein an der Kirchenmauer zu lesen ist. Das Anwesen befand sich bis November 2002 weiterhin im Besitz der Familie, deren letzter Nachkomme Hans damals im Alter von 71 Jahren starb. Über diese Brauerei ist 1874 ein kurzer Artikel im »Gambrinus« erschienen : »In einer Zeit, wo die Großproduktion immer weiterschreitet und die kleinere Industrie immer mehr zurückdrängt, gehört Muth und Ausdauer dazu, um sich emporzuringen. Das sehen wir am Besten an den vaterländischen Bräuhäusern. So haben im Jahre 1873 nicht weniger als fünfzehn Bräuhäuser ihre Thätigkeit eingestellt, ohne daß dabei die Bierproduktion einen Nachtheil erlitten hätte. Dieselbe ist vielmehr um 350.534 Eimer gestiegen. Wir haben des Oefteren schon nachgewiesen, daß einzelne Bräuhäuser, seitdem sie in tüchtigen, fachkundigen Händen sich befinden, einen immer größern Aufschwung nehmen. Unter diesen Bräuhäusern befindet sich auch jenes zu Aspern, ein Bräuhaus, daß erst unter dem jetzigen Besitzer sich emporgerungen hat zu einem Etablissement, dessen Ruf mit seinem Erzeugnisse immer weiterdringt. Namentlich ist das Abzugbier dieser Braustätte weit und breit im Marchfeld bekannt und beliebt. Es vereinigt eben alle guten Eigenschaften eines Bieres in sich, ist vollmundig, süffig und besitzt einen guten Geschmack. Dabei zeichnet sich dasselbe durch eine seltene Klarheit und Reinheit aus. Die Braustätte in Aspern zählt keineswegs zu jenen, welche die Bierproduktion im Großen betreiben, aber sie zählt zu jenen Landbrauhäusern Niederösterreichs, welche dem fortschrittlichen Zuge der Zeit folgen und ihren Anforderungen stets Rechnung zu tragen wissen. Allmählig, namentlich aber unter dem gegenwärtigen Besitzer hob sich die Production und machte Erweiterungen und Veränderungen der Braustätte nothwendig. Seitdem jedoch daselbst ein Bier gebraut wird, das zu den besten Niederösterreichs gezählt zu werden verdient, hebt sich die Nachfrage nach diesem Biere gewaltig. An dem Consume dieses Bieres participirt vorzugsweise das flache Land und die Vororte Wiens. Dabei ist aber zu erwähnen, daß es verhältnismäßig sehr billig abgegeben und ausgeschänkt wird. Darum ist diese Gambrinusquelle auch sehr gesucht und gewinnt immer mehr an Ruf und Bedeutung, ein Verdienst, das dem gegenwärtigen Bräuereibesitzer
176 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
Grabstein von Johann Oberleuthner am Friedhof in Aspern
allein gebührt, der es, wie nicht sobald Einer, verstanden hat, alle Neuerungen im Interesse seines Etablissements und der vaterländischen Bierproduction zu verwerthen. Möge darum dieses Etablissement auf dem betretenen Wege rüstig vorwärts schreiten. Das Ziel, das es sich dabei vorgestellt hat, ist ein richtiges und muß, wenn consequent verfolgt, zu erreichen sein, und das wünschen wir sowohl im Interesse der vaterländischen Bierproduction, wie im Interesse der des Etablissementsbesitzers.«
Lageplan der Brauerei im Franziszeischer Kataster
Doch bereits sechs Jahre später musste Johann Oberleuthner aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Sein gleichnamiger Sohn hatte scheinbar kein Interesse an der Brauerei, und so wurde im September 1880 das letzte Bier gebraut. Das Brauereigebäude besteht schon lange nicht mehr. Die Häuser in der Ehrensteingasse 5–9 und am Asperner Heldenplatz 16 sowie der ehemalige Getreidekasten befanden sich bis Ende 2010 in ruinösem und verwahrlostem Zustand und wurden dann wurden ebenso wie einige Gebäude im Hof der ehemaligen Brauerei abgebrochen. Zwei kleine Brauereien am linken Donauufer – Bisamberg und GroßEnzersdorf
Mit den folgenden kleineren Brauereien überschreiten wir zwar die heutigen Wiener Stadtgrenzen, bleiben aber noch am linken, also östlichen Donauufer. Dort gab es in Bisamberg eine Schlossbrauerei, von der wir eigentlich nur wissen, dass sie nach der Zerstörung des Bürgerspitals während der ersten Türkenbelagerung Bier bis 1537 nach Wien führte. Wann dieses herrschaftliche Bräuhaus, das sich wohl neben der herrschaftlichen Taverne Ecke Hauptstraße/Korneuburger Straße befand, gegründet wurde, ist unbekannt. Ebenso liegt ihr Ende im Dunklen, sie dürfte entweder bei einem Brand 1662, bei der Übernahme durch neue Besitzer vor 1667 oder spätestens im Zuge der Zweiten Türkenbelagerung vernichtet worden sein. Etwas mehr wissen wir von der Brauerei in Groß-Enzersdorf. Die Stadt war bis 1803 Hauptort des Freisinger Hochstiftes im Marchfeld und lag ursprünglich auf einer überschwemmungsfreien Donauinsel. Wo die Freisinger waren, da wurde auch meist Bier gebraut. In einer Urkunde aus dem Jahre 1160 können wir »Apud Encinesdorf ; de cervisia Zwei kleine Brauereien am linken Donauufer – Bisamberg und Groß-Enzersdorf 177
decem …« lesen, was wohl eine Bestätigung ist, dass es in Groß-Enzersdorf schon damals Cervisia, also Bier gab. Eine neuzeitliche Brauerei dürfte im 17. Jahrhundert gegründet worden sein. Sie wurde jedenfalls beim großen Stadtbrand 1732 erwähnt und stand an der Stelle der ehemaligen Freising’schen Bischofsburg, von der nur mehr einige Mauerreste erhalten sind. Nach einem abermaligen Brand im Jahr 1827 wurde sie nochmals aufgebaut, ging 1851 in Betrieb, musste aber 1854 wegen Unrentabilität endgültig geschlossen werden. Heute befindet sich in dem Gebäude am Hauptplatz 12 der Stadtsaal. Die Brauereien im Stift und der Stadt Klosterneuburg
Auf dem anderen, dem rechten Donauufer, in Klosterneuburg, wurde ebenfalls Bier gebraut. In der Unteren Stadt, zwischen Hundskehle und dem Kierlingbach, befand sich über 450 Jahre hindurch eine Badstube,196 ehe die letzten Besitzer »Medic Doctor« Ignaz Jäger von Waldau und seine Gattin Theresia das Areal an den Baumeister und zeitweisen Bürgermeister Johann Walchshofer verkauften. Dieser baute die Gebäude am Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Brauhaus um. Da er selbst ja kein Bierbrauer war, stellte er einen Braumeister an. Im 19. Jahrhundert kam es zu mehrmaligem Wechsel der Besitzer, weil offensichtlich keiner einen nachhaltigen Erfolg erzielen konnte. Der bekannteste war der aus dem saarländischen Tettingen stammende Michael Ruff, der 1848 das Brauhaus um 13.595 Gulden und 30 Kreuzer C.M. erworben hatte. Er war zuvor eine Zeit lang in der Brauerei Laa an der Thaya beschäftigt. Vor seinem Tod im Jahre 1855 war er auch im Klosterneuburger Gemeindeausschuss tätig. Den höchsten Bierausstoß erzielten allerdings seine Erben im Jahre 1862 mit 12.554 Hektolitern. Ab 1864 kam es wieder zu mehrfachem Besitzerwechsel. Interessant wird es wieder, als der damalige Pächter Wilhelm Burian bei der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 für sein Bier sogar ein Anerkennungsdiplom erhielt.197 Trotzdem wurde ab 1877 nur mehr sporadisch gebraut. 1880 kam das endgültige Aus und die Klosterneuburger mussten ihr Bier nun aus Nußdorf beziehen. 1904 wurde an Stelle der Brauerei, dem Bad und der St.-Georgs- Kapelle das Städtische Krankenhaus errichtet. Der Teil, wo einst die Brauerei stand, diente später als Altersheim und dann als Landeskinder178 Die Brauhäuser in den Vororten sowie im Norden und Osten von Wien
196 Flamm, Mazakarini : Bader, Wundarzt, Medicus. 197 Fasbender : Allgem. Zeitschrift für Bierbrauer und Malzfabrikation.
Das letzte Brauereigebäude (rechts im Bild) in der Hofkirchnergasse in den 1930er Jahren
garten. Interessant ist, dass auf einem Foto aus den 1930er-Jahren in der Hofkirchnergasse noch ein Gebäude der Brauerei zu sehen ist. Schon lange zuvor wurde im Stift Klosterneuburg Bier gebraut, was 1680 in einer Notiz über Kupferschmiedearbeiten im Kammeramtskalender erwähnt wurde. Nach einer anderen Kammeramtsrechnung gab es 1711 im Stift zwei »Preymaister«. Der eine braute im »unteren Keller für Ihro Gnaden«, der andere im »Rentkeller« sein Bier.198 Zwei getrennte Braustätten, eine für den Klerus und eine für die Gäste, waren einst in Klöstern nicht ungewöhnlich.
198 Archiv des Stiftes Klosterneuburg, Urkunden und Klosterneuburg : Geschichte und Kultur, Band 1, um 1991. Die Brauereien im Stift und der Stadt Klosterneuburg 179
Kapitel 4
Die Brauhäuser in der Region Schwechat Kaum eine andere Region in Ostösterreich weist eine so große Brauereidichte auf wie die um die Stadt Schwechat. Wir wollen ihr deshalb ein eigenes Kapitel widmen. Wenn man von Wien über die Simmeringer Hauptstraße nach Schwechat fährt, fällt gleich an der Stadtgrenze eine große Mosaiktafel »Die Braustadt Schwechat begrüßt Sie« auf. Diese Tafel dürfte eine Werbetafel für die rechts bzw. südlich davon liegende Schwechater Brauerei sein und es ist kaum anzunehmen, dass ihre Aufsteller damit auch auf die bierhistorische Rolle Bezug nehmen wollten. Noch vor 150 Jahren buhlten allein in der Stadt drei Brauereien um die Biertrinker, wobei man bemerken muss, dass eine davon nicht nur weite Teile von Wien belieferte, sondern bald als größte Brauerei der Welt ihre Produkte in alle Erdteile verschicken sollte. In Schwechat wurden um 1863 jedenfalls jährlich über 300.000 Hektoliter Bier erzeugt, da kamen auf einen Einwohner rein statistisch über 40 Hektoliter, das entspricht fast 11 Liter Bier pro Tag. Insgesamt gab es auf dem heutigen Schwechater Stadtgebiet im Laufe der Jahrhunderte mindestens sieben Brauereien. Beginnen wir chronologisch : Die Stadt Schwechat, bereits in der Römerzeit als Reiterkastell »Ala Nova« bekannt, wurde erstmals 1334 als Markt erwähnt. Sie entwickelte sich mit Beginn der Neuzeit zur Handwerksstadt. Das Wasser des gleichnamigen Flusses trieb Mühlen an und ab dem 19. Jahrhundert wurden teils große Fabriken gebaut. Heute ist sie durch das große ÖMV-Gelände und den größten Flughafen Österreichs bekannt. Im Jahr 1590 gab es bereits zwei Brauereien und 1632 waren es sogar vier. Der jüngste dieser vier Betriebe, die Schwechater Brauerei, hat als einziger überlebt und braut heute noch jährlich 800.000 Hektoliter. Er gehört zwar inzwischen zu einem internationalen Brauereikonzern, war aber dafür verantwortlich, dass dieses Buch entstand, weil – wie schon in den Vorworten bemerkt wurde – ihr berühmtester Brauherr Anton Dreher der Ältere vor genau 175 Jahren dort das Wiener Lagerbier erfand. Zuvor soll aber die Geschichte der anderen Brauereien geschildert werden.
180 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Tafel bei der Stadteinfahrt : Die Brau stadt Schwechat begrüßt Sie (Foto aus dem Jahr 1979)
Gegründet von einer Winzerfamilie – das Figdor-Brauhaus
Kaufangebot einer Schwechater Brauerei aus dem Jahr 1789 in der Wiener Zeitung
199 Anton Figdor (Aaron Nathan) entstammte einer großen jüdischen Handelsfamilie aus Pressburg, Kittsee und Wien, aus der auch so berühmte Familien wie Wittgenstein, Salzer, Brücke, Poschacher, Joachim, Hainisch oder Kupelwieser hervorgingen. 200 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 347. 201 Promintzer, 300 Jahre, S. 46.
Dieses Brauhaus, das in den wenigen vorhandenen Quellen nach seinem letzten Besitzer199 benannt wird, gilt als die älteste Brauerei in Schwechat und stand in der Bruck-Hainburger-Straße. Auf Nr. 1 befand sich im 16. Jahrhundert ein Hauerhaus, das dem im Jahre 1575 aus Mannswörth eingewanderten Winzer Veit Wäschl gehörte. Sein Sohn Friedrich, Besitzer des Gasthofes »Zum roten Krebsen« im Freihof, Hauptplatz 3, erkannte die Zeichen der Zeit und suchte zwischen 1580 und 1590 um die Brauereigenehmigung an. Im Haus seines Vaters errichtete er eine kleine Brauerei und musste dafür, wie in einem Urbar verzeichnet ist, an die Herrschaft Ebersdorf »von der Praypfannen jährlich ain Gulden zu Michaelis« zahlen.200 Einige Jahre später konnte er das benachbarte Haus Hauptplatz 2 erwerben und die Brauerei vergrößern. Wäschl genoss bereits nach kurzer Zeit großes Ansehen und wurde 1593 für drei Jahre zum Schwechater Marktrichter ernannt. 1615 übernahm sein Sohn Hans die Brauerei und vergrößerte sie, nachdem er das Nachbarhaus Bruck-HainburgerStraße 3 um 380 Gulden erworben hatte. Hans Wäschl war Ratsbürger von Schwechat und wurde später sogar Mitglied des äußeren Rates in Wien. Während der zweiten Türkenbelagerung und beim Einfall der Kuruzzen 1704 wurden die Gebäude schwer beschädigt, blieben aber im Familienbesitz. Nach dem Wiederaufbau wechselten die Besitzer mehrmals, bis »das Brauhaus samt den Brauwerkzeugen« und die Grundstücke 1734 von der Familie Öhlmayer erworben wurden. Der nächste bekannte Name in der Brauereigeschichte war Georg I. Meichl, den wir als späteren Besitzer der Simmeringer Brauerei kennengelernt haben. 1833 scheint als Brauherrin Elisabeth Widter auf, eine gebürtige Öhl mayer, die zuvor Braumeisterin in Wien-Gumpendorf war. Sie ließ vier Jahre später auch ihren Gatten Ignaz im Grundbuch eintragen. Die Familie Widter werden wir in Klein-Schwechat wieder treffen, weil eine Katharina Widter die Mutter des berühmten Anton Dreher d. Ä. war. 1841 kaufte ein Ignaz Widter ein nebenstehendes Haus, um die Brauerei zu seiner endgültigen Größe auszubauen. 1845, also kurze Zeit später, scheint ein Josef Primus Müller als Besitzer auf, der aber auch bereits fünf Jahre später das Brauhaus samt »Zugehörung« an Anton Figdor weiterverkaufte. 201 Figdor war ein überaus tüchtiger Geschäftsmann und hervorragender Brauereifachmann. Er beschäftigte in diesem Jahre dreizehn BrauburGegründet von einer Winzerfamilie – das Figdor-Brauhaus 181
Innenhof des ehemaligen Figdor-Brauhauses
schen, einen Binder, sieben Knechte, einen Wirtschafter, einen Rechnungsführer und einen Kellner in der Brauhaus-Bierschank »Zum grünen Baum«.202 Er investierte gewaltige Summen, um mit der starken Konkurrenz von Anton Dreher mithalten zu können. Er ließ einen neuen Gärkeller, eine Malzdarre, einen Lagerkeller, zwei Eisgruben, ein Fassmagazin, eine Pechhütte, neue Stallungen und Scheunen sowie ein Wohnhaus vermutlich am Hauptplatz 2 bauen. Es gelang ihm tatsächlich, den Bierausstoß von 11.472 Hektolitern im Jahr der Übernahme auf 40.657 Hektolitern im zwölften Jahr seiner Tätigkeit (1862) zu steigern. Mit der Qualität von Dreher konnte er aber nicht mithalten und das investierte Geld rentierte sich nicht. So musste Figdor 1863 »finanziell verausgabt, körperlich und seelisch gebrochen« den Konkurs anmelden und den Betrieb einstellen. 1869 wurden die Gebäude, in denen sich kurzfristig die erste Telegrafenstation der Stadt befunden hatte, von der Klein-Schwechater Brauerei erworben. Da sie bei ihren Mälzereien immer an Platzmangel litt, wurden hier zwei englische Malzdarren errichtet und das ehemalig Sudhaus in ein Maschinenhaus umgebaut.203 1915 waren in dem Gebäude russische Kriegsgefangene und 1919 eine von Amerikanern betriebene Kinderausspeisung untergebracht.204 Die Mälzerei bestand noch, als der Großteil der Gebäude am 20. Fe bruar 1945 durch Bombentreffer in Schutt und Asche gelegt wurde. Einige Gebäude im Hof und die Kamine mit den charakteristischen 182 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Feuersäulen über dem ehemaligen Figdor-Brauhaus im Jahr 1945 202 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 348. 203 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 349. 204 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 135 und 149.
Hauptplatz von Schwechat mit alter Mälzerei (links), um 1960
Windfängen wurden erst in den 1960er Jahren abgerissen. Das letzte Gebäude im Hof, das einst Umkleideräume und Büros der Brauerei beherbergte, fiel in den 1980er-Jahren der Spitzhacke zum Opfer. An ihrer Stelle wurden neue Wohnhäuser errichtet. Heute steht nur noch das Gebäude des einstigen Bräugasthofes an der Bruck-Hainburger-Straße. Es beherbergte lange Zeit ein Fotogeschäft, heute eine Glaserei. Herrschaftlich – das Mayerische Dominikal- oder Popper-Brauhaus
205 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 349. 206 Dominikale waren Herrschaftsbedienstete, die durch die Herrschaft in den Besitz von Grund und Boden und mit steuerlichen und rechtlichen Privilegien versehen waren.
Gegenüber dem späteren Figdor-Brauhaus befand sich im 15. Jahrhundert ein Gutshof mit 90 Joch Äckern, der mit dem Nebenhof vereinigt war und vermutlich dem Stift Göttweig gehörte. Er hatte zur Zeit der Türkenkriege ein wechselvolles Schicksal, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann. Wichtig für die Brauereigeschichte ist, dass er um 1580 in den Besitz des niederösterreichischen Landschaftssekretärs Matthias Lehner überging, der 1624 für seine Verdienste in den Ritterstand erhoben wurde.205 Das Anwesen am Hauptplatz 3 wurde gleichzeitig wieder zu einem Freihof erhoben, weil es diesen Status verloren hatte. Es wurde nun als dominikal bezeichnet.206 Lehner errichtete hier die zweite Brauerei in Schwechat. Dass diese schon vor Ende des 16. Jahrhunderts bestanden haben muss, geht aus einem Gesuch hervor, mit dem sich Christof Capeller, »Kriegszahlmeisteramtsdiener« und Besitzer des Freihofes am Hauptplatz 4 (dem späHerrschaftlich – das Mayerische Dominikal- oder Popper-Brauhaus 183
teren Bezirksgerichtsgebäude) 1599 an Kaiser Rudolf II. mit der Bitte wandte, auf seinem Hofe eine Brauerei errichten zu dürfen. Der Verwalter der »Kaiserlichen Herrschaft Ebersdorff« erklärte daraufhin in seinem Gutachten dem Kaiser, »dass im Markte Schwechat, seiner Majestät zugehörig, zwei Bierbrauer, Friedrich Wäschl und Matthias Lehner, Landschaftssekretär, auf seinem Freihof Bier brauen lassen, dass (meines) Erachtens diese Brauereien für ein solches Fleckl genug währen und viele Gerste verbraut wird und hiedurch sowie auch für Holz eine Verteuerung zu Folge hat«. Das Gesuch wurde daraufhin abgelehnt. Überspringen wir die weitere Geschichte, die Johann Ableidinger in seiner Schwechater Chronik genau beschreibt, bis das dominikale Brauhaus am Beginn des 19. Jahrhunderts von Karl Mayer aus St. Pölten gepachtet wurde. Von ihm wissen wir, dass er 1809 nach der Besetzung Österreichs durch Napoleon 53 Eimer »Mailänder Bier« um 4 Gulden 15 Kreuzer den Eimer an die französischen Soldaten lieferte.207 1811 konnte Mayer den »im ständischen Kataster inliegenden Freihof und Edelsitz zu Schwechat Nr.16 samt Brauhaus und die darauf haftende Branntweinschank-Gerechtigkeit, die Ochsenmühle (zum Schroten des Malzes), das Branntweinhaus und sämtliches Inventar« um 66.000 Gulden erwerben, wozu 1817 noch das Haus Bruck-Hainburger-Straße 2 und 1824 das nebenan am Hauptplatz liegende Wirtshaus »Zum roten Krebsen« kamen, das 250 Jahre zuvor der Familie Wäschl gehört hatte. 1827 zog er sich, inzwischen zu großem Ansehen und Reichtum gelangt, auf sein schon einige Jahre vorher erworbenes Schloss Kettenhof zurück und überließ die Brauerei 1831 seinem Sohn Anton und dessen Gattin Aloisia.208 Anton Mayer ließ den Brauhausgassentrakt samt dem Gasthaus »Krebsen« demolieren und erbaute stattdessen ein stattliches, einstöcki184 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Ansicht des Brauhauses nach 1830 und aufgestockt um 1900
Anton Mayer
207 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 350. 208 Promintzer : 300 Jahre, S. 349.
Ehemaliges Dominikal-Brauhaus von Bomben zerstört, 1945
209 Promintzer : 300 Jahre, S. 44. 210 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 351.
ges Gebäude. Eine Kettenumfriedung entlang des Hauses war Symbol des Freihofes. Vor dem Aufstieg der Dreher’schen Brauerei war es der größte Bierproduzent von Schwechat. Als Anton Mayer 1853 starb, zog seine Witwe nach Wien und verkaufte 1859 den ganzen Besitz an die Brüder Moritz und Leopold Popper. Wie Figdor versuchten sich die Brüder fünf Jahre lang gegen die übermächtige Konkurrenz von Dreher durchzusetzen. Trotz eines Rekord-Ausstoßes von 63.312 Hektolitern im Jahr 1862 gingen sie zwei Jahre später in Konkurs209 und zogen ebenfalls nach Wien. Die Dreher’sche Brauerei erwarb aus der Konkursmasse 1865 den ganzen Besitz und baute die Anlage, genauso wie das Figdor-Brauhaus, in eine Mälzerei um. Im Braujahr 1926/27 wurden hier stolze 300 Waggons Malz erzeugt.210 Im Hof des ehemaligen Brauhauses befand sich zwischen 1869 und 1919 ein Postamt. Die Mälzerei bestand bis zum Jahre 1938 und wurde im Februar 1945 durch Bombentreffer schwer beschädigt. Der größte Teil des zerstörten Gebäudes wurde Ende der vierziger Jahre abgerissen, darunter auch die Reste der Hauptplatzfront. Der Autohändler Fritz Neckam erwarb um 1950 das Grundstück und errichtete auf dem Areal ein Autohaus, das bis 2006 existierte. Ein einziges Gebäude der alten Brauerei, die ehemalige Zweiradwerkstatt in der Bruck-Hainburger-Straße 10, blieb bis 2012 erhalten, dann wurde das gesamte Areal geschliffen und 2013 der große City House Komplex errichtet. Herrschaftlich – das Mayerische Dominikal- oder Popper-Brauhaus 185
Das Kleinste in Schwechat – die Brauerei im nachmaligen Ochsenwirtshaus
Diese kleine Schwechater Gasthausbrauerei stand vor der zweiten Tür kenbelagerung ungefähr im Bereich der heutigen Himberger Straße 11.211 An der Stelle eines Winzerhauses wurde sie vermutlich in den 1620er-Jahren gegründet, wobei 1625 als Besitzer der Bierbrauer Mathias Tüncz genannt wird, der das Haus und den Betrieb 1629 an den Bierbrauer Georg Haukh verkaufte. Seine Nachfolger brauten offensichtlich nur für den eigenen Ausschank, bis das Gebäude 1683 bei der Türkenbelagerung niedergebrannt wurde und die ganze Brauerfamilie ums Leben kam. Bereits ein Jahr später erwarb das Ehepaar Benedikt und Susanna Eder das Grundstück um 250 Gulden und errichtete »dortselbst das Krobatische Wirtshaus«. Es hatte den Namen daher, dass vermutlich in Rauchenwarth angesiedelte Kroaten dort einkehrten. 1768 führte Anton Kraus das Gasthaus unter dem Namen »Zum weißen Ochsen«.212 1984 wurde dieses Gebäude abgerissen und ein Supermarkt errichtet. Brauerei oder nur Bierausschank – Kettenhof
Ob sich hier tatsächlich eine Brauerei befunden hat, sind sich die Historiker uneinig. Nur kurz nach dem Ende der Zweiten Türkenbelagerung, am 21. Dezember 1683, scheint im Taufbuch der Pfarre Schwechat ein gewisser Martinus Tobelanger als Bierbrauer und Leitgeb in Kettenhof auf. Besitzerin von Schloss und Herrschaft war damals Marie Anna, Gattin des kaiserliche Rat und Grundbuchshändler Michael von Mühlberg. Nachdem sich dieser, der ja auch Besitzer des Ebersdorfer Brauhauses war, bei der Niederösterreichischen Kammer über die Verwüstung und die erlittenen Schäden beklagt hatte,213 kann man eher davon ausgehen, dass Tobelanger Bierbrauer in Kaiserebersdorf war und die Familie während der Wirren hier Unterschlupf gefunden hatte. 1827 wurde die »Herrschaft Kettenhof samt der großen Fabrik, Landhaus und Garten auf freihändigen Verkauf gestellt«. Damals scheint hier ein herrschaftliches radiziertes Bierhaus, aber nicht direkt eine Brauerei auf.214 1845 wird Barbara Karoline Mayer Besitzerin der Herrschaft, als sie das Anwesen von ihrem Gatten Dr. Karl Mayer erwarb. In diesem Zusammenhang wird hier ein »Malzhaus samt dazu gehörigen Einrich186 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
211 Schwechater Museumsnachrichten Nr. 2/1993, S. 15. 212 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 352. 213 Katalog zur Sonderausstellung »Türkenjahr 1683« des Heimatmuseums Schwechat. 214 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 210.
Der letzte verblieben Rest der Zeit vor Dreher : der barocke Gartenpavillon
tungen« erwähnt.215 Dieses hatte der Bruder ihres Manns, der Besitzer des Schwechater Dominikal-Brauhauses Anton Mayer, gepachtet, es stand noch 20 Jahre in Betrieb. Es waren auch Lager für Gerste und Malz vorhanden. Später wurden die Gebäude abgerissen, da sie total veraltet waren. Einige Teile standen noch bis um 1930.216 Die berühmteste von allen – die (Klein-)Schwechater Brauerei
Kommen wir nun zur wichtigsten Brauerei dieser Stadt, die auch im 19. Jahrhundert die erfolgreichste in Österreich wurde. 1632 gilt als ihr Gründungsjahr. Damals zeigte der ehemalige Kammerdiener von Kaiser Matthias und Besitzer des Kettenhofes, Peter Descrolier, großen Mut, als er den Grundstein für ein viertes Schwechater Brauhaus »an der klain’ Schwechat« legen ließ. Auch hier wollen wir seine wechselvolle Geschichte und die Zerstörungen beim Türken- und beim Kuruzzenkrieg überspringen, bis es 1763 – schwer verschuldet – von den Gläubigern versteigert und von der Grafenfamilie Blümegen erworben wurde.217
215 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 211. 216 Schwechater Museumsnachrichten Nr. 2/1993, S. 16. 217 Promintzer : 300 Jahre, S. 12.
Klein-Schwechat unter der Familie Dreher
Am 22. Oktober 1796 erwarb Franz Anton Dreher von den Grafen Blümegen den Freihof samt Brauhaus und Wirtshaus (Kohlstaude) um preiswerte 19.000 Gulden (rund 570.000 Euro) und das Herrschaftshaus Die berühmteste von allen – die (Klein-)Schwechater Brauerei 187
Brauhausgasse in Schwechat mit Direktionsgebäude und Festsaal
in Kledering um 3.000 Gulden.218 Wir erinnern uns, dass ein paar Jahre später Karl Mayer für das Dominikalbrauhaus 66.000 Gulden bezahlen musste. Dreher wurde 1735 in Pfullendorf bei Überlingen am Bodensee geboren und kam um 1760, zur Zeit Maria Theresias (1717–1780), auf einer Holzplätte »gar wenig belastet mit irdischen Gütern«, nach Wien. Diese sogenannten »Ordinary« fuhren einmal im Monat von Donauwörth stromabwärts bis in die Residenzstadt und brachten ihr viele Menschen, die die Wirtschaft oft nachhaltig belebten. Dreher wurde vorerst Bierkellner, ein Beruf, der damals auch die Bierpflege und Unterstützung des Braumeisters einschloss. Er pachtete 1773219 mit erspartem Geld das Brauhaus Ober-Lanzendorf und 1782 das wesentlich größere Brauhaus in Wien-Leopoldstadt. Die Führung in Klein-Schwechat überließ er weitgehend seinem Verwandten Johann Nepomuk Dreher, er selbst hielt sich bis zu seiner Pensionierung in der Leopoldstadt auf. Seit 1806 führte er den stolzen Ehrentitel eines »Seniors der sämtlichen Herren Wiener Bräumeister« und war Ober-Vorsteher der Wiener Brauer-Zunft.220 1804 überließ ihm die Marktgemeinde Schwechat unentgeltlich einen hinter seiner Gartenmauer gelegenen Teil der sogenannten Gemeindehutweide zwecks Erweiterung der Brauerei, jedoch mit der Verpflichtung, den Gemeindestier zu unterhalten.221 Wir wissen bereits, dass er im gleichen Jahr als 69-Jähriger die 18-jährige Müllerstochter Katharina Widter heiratete, die noch zwei Kinder, Anton den Älteren und Klara, zur Welt brachte. Damit sicherte er, spät aber doch, das Bestehen der 188 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Anton Dreher d. Ä. (1810–1863) im Jahr 1854 auf einem Gemälde von Friedrich Amerling
218 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 87. 219 Dieses Jahr wird fälschlicherweise auf den aktuellen Flaschen der italienischen Dreher-Brauerei als Gründungsjahr ihrer Brauerei angegeben. 220 Die Geschichte der Familie Dreher wird nicht nur in den hier zitierten Werken von Johann Ableidinger und Josef Promintzer, sondern auch im 2014 erschienenen Buch von Alfred Paleczny »Die Wiener Brauherren« geschildert. 221 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 88.
Brauereigelände um 1860 mit der Brauhausstraße im Vordergrund
Dreher-Dynastie. Klara heiratete Franz Anton Aich, der – wie auch ihre Kinder – ein treuer Beamter des Dreher-Imperiums wurde. Anton Drehers Jugend, seine Freundschaft mit Gabriel Sedlmayr, ihre Reise nach England und Schottland sowie die Erfindung des Lagerbieres wurden einleitend ausführlich geschildert. Zitieren wir aber noch einmal Gabriel Sedlmayr, der bei seinem Besuch in Wien auch die Brauereien kennenlernte, die einen unterschiedlich guten Eindruck auf ihn hinterließen. So schrieb er seinem Vater : »Die Methoden des Brauens von Wien sind ebenso verschieden je nach Gutdünken der Braumeister, wie bey uns, der eine macht dicke Maisch, der andere keine, der Klein-Schwechat unter der Familie Dreher 189
Brauereigelände um 1860 mit Faßdepot und Eisenbahnwaggons
eine nimmt viel Hitze, der andere wenig etc. etc. … Als obergährige Biere findet man hier doch einige gute, die meisten sind aber schlecht.«222 Den besten Eindruck machten auf ihn die Jedleseer, die Gaudenzdorfer, die Neuling’sche und die Simmeringer Brauerei von Georg Meichl, wo er im Juni 1832 Anton Dreher während dessen Lehrzeit kennen gelernt hat. Kommen wir nun auf das weitere Leben von Anton Dreher dem Älteren zurück. Auch nach der Erfindung des Lagerbiers blieb er ein Pionier der Brautechnik, der sich nie mit dem Erreichten zufrieden gab. Im Jahr 1842 entstanden in Schwechat die ersten großen Lagerkeller, in denen das Bier abgelagert werden musste, um dadurch erst seine Güte zu erlangen. Dieses Bier hielt sich dort nicht nur ein Jahr und länger, sondern gewann dadurch noch an Schmackhaftigkeit. Die Nachfrage und der Ausbau der Brauerei führten zu gewaltigen Produktionssteigerungen. So entwickelte sich diese in kurzer Zeit zur größten auf dem europäischen Kontinent. Wie sehr die Produktion stieg zeigt ein Vergleich : 1837 wurden 2.000 Hektoliter, 1850 75.000 Hektoliter, 1860 215.000 Hektoliter und 1870 fast 400.000 Hektoliter gebraut. Anfangs stand er in totalem Widerspruch zu den Zunftregeln, die sich gegen seine technisch orientierten Fabriksmethoden und die künstliche Kühlung stellten. Später wurde er nicht nur in der Monarchie, sondern in ganz Europa nachgeahmt. Er versuchte das Kühlproblem in seinen riesigen Lagerkellern, die in ganz Schwechat und Umgebung angelegt 190 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
222 Zitiert nach Sedlmayr : Die Geschichte der Spatenbrauerei, S. 308.
Erste Dampfmaschine der Brauerei, derzeit im Technischen Museum in Wien
223 Stadler : Das industrielle Erbe, S. 721.
wurden, zu lösen, wozu er jeden Winter 100.000 Tonnen Natureisblöcke aus der Lobau nach Schwechat bringen ließ. 1856 wurde die erste Dampfmaschine von der Firma Vinzenz Prick aufgestellt, die heute an zentraler Stelle im Wiener Technischen Museum gezeigt wird. Es gelang ihm auch, stets neue Vertriebswege zu finden, vor allem durch den Bau von riesigen Bierhallen und von Zweigbrauereien in anderen Kronländern der Monarchie. Er nützte sogar die noch in den Anfängen stehende Eisenbahn, indem er ab 1846 einen eigenen »Bierzug« bis Kledering fahren ließ, wo seine Kutschen auf die durstigen Wiener warteten und sie in die »Kohlstaude« neben der Brauerei brachten, wo sie ein nach bayrischem Vorbild gestalteter Gastgarten mit Blasmusik erwartete.223 Eine Bierhalle entstand ab 1858 auf der Landstraßer Hauptstraße 97. Dieser Dreherhof, zu dem ein Tanzsaal und ein Gasthausgarten gehörten, hieß später Schwechater Hof und ist heute das Einkaufszentrum »Galleria«. 1861 erwarb er eines der ersten Grundstücke, die nach dem Schleifen der Stadtmauern zum Verkauf angeboten wurden. Dort baute er am Opernring 4, gleich neben der neuen Hofoper, ein prächtiges Palais und ließ in den darunterliegenden ehemaligen Kasematten einen imKlein-Schwechat unter der Familie Dreher 191
Dreherhof in der Landstraße Hauptstraße um 1930
Bierhalle im Keller des Hauses Opernring 4 (Lithografie um 1870)
posanten Bierkeller errichten. Die Fertigstellung des Gebäudes erlebte er allerdings nicht mehr. 1861 erwarb er eine Brauerei im Hopfenanbaugebiet Michelob224 bei Saaz und ein Jahr später eine in Steinbruch225, um auch am böhmischen und ungarischen Markt präsent zu sein. Außerdem erwarb er dort große 192 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
224 Michelob bei Saaz, heute Měcholupy u Žatce (Tschechien). 225 Steinbruch, heute Kőbánya bei Budapest (Ungarn).
Erinnerungsblatt an Anton Dreher sen. mit Bildern seiner wichtigsten Realitäten
Grundbesitzungen, wo er seine eigenen Rohstoffe anbaute. Es muss auch noch erwähnt werden, dass er als erster Brauherr seine Investitionen durch Darlehensaufnahmen bei Sparkassen finanzierte, was zu Zunftzeiten völlig undenkbar gewesen wäre. 1861 feierte Dreher sein 25-jähriges Betriebsjubiläum. Am 16. Novem ber des selben Jahres besuchte Kaiser Franz Joseph samt Hofequipage am Vormittag das Brauhaus, speiste hier zu Mittag und ging am Nachmittag mit Dreher auf das nahe Frauenfeld, wo er »auf dessen Arm lehnend« einem Dampfpflug zuschaute, der hier versuchsweise seine Arbeit verKlein-Schwechat unter der Familie Dreher 193
richtete. Das Feld war von einem Kavalleriekordon abgesperrt und man hatte nur mit einer Eintrittskarte Zutritt. Daraufhin wurde Dreher noch im selben Jahr mit dem Ritterkreuz des Franz-Josefs-Ordens ausgezeichnet.226 Er wurde als Mitglied des niederösterreichischen Landtages in den ersten Reichstag der Monarchie gewählt und galt als Anhänger der deutschliberalen Politik. Dort lernte er auch den späteren Wiener Bürgermeister Dr. Cajetan Felder kennen, der nach seinem Tod neben den Direktoren eine wichtige Rolle als Vormund seines Sohnes und Vermögensverwalter spielen sollte. Dreher war zeitlebens mit Krankheiten konfrontiert und so kam sein früher Tod im 53. Lebensjahr nicht allzu überraschend. Als er am 26. Dezember 1863 frühzeitig von einer Opernaufführung heimkehrte, »erregte sich der Nimmermüde bei der Lektüre eines Briefes derart, dass sein jahrelang überbeanspruchter Organismus versagte«. Es sollen sich seit dem Ableben des Walzerkönigs Johann Strauß Vater in Wien nie so viele Menschen bei einem Begräbnis gedrängt haben, wie bei dem Drehers.227 Erfolgreiche Unternehmer haben manchmal Söhne, die das Erbe recht und sehr oft schlecht verwalten, bei Anton Dreher war es nicht so. Sein Sohn, der so wie sein Vater Anton hieß und deshalb der Jüngere genannt wird, war zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters erst 14 Jahre alt und erbte ein immenses Unternehmen, das er noch bedeutend ausbauen sollte. Da er noch minderjährig war, wurde er durch »zwei Directoren und einem Vermögensverwalter im Vereine mit einem Testamentsexecutor« bis zu seiner Großjährigkeit vertreten. Der vorsorgliche Vater hatte in seinem Testament dafür gesorgt, dass bis zu seiner Großjährigkeit Männer an der Spitze des Unternehmens standen, welchen die Verwaltung der Geschäfte mit Beruhigung anvertraut werden konnte. Die beiden Direktoren, die Cajetan Felder unterstützten, waren sein Schwager Franz Aich und August Deiglmayer. Unter ihnen wurden das Mayerische Dominikalbrauhaus und die Figdorbrauerei aufgekauft und zu Mälzereien umgebaut. Ganz besonders wurde der Export gefördert. Dazu wurde in Triest eine dritte Zweigbrauerei errichtet, mit der nicht nur der oberita lienische Raum, sondern auch die zahlreichen Österreicher, die durch den beginnenden Fremdenverkehr die Adriaküsten besuchten, mit Bier versorgt werden konnten. Neben dem Schiffsverkehr setzte die Interimsgeschäftsführung zunehmend auf die Eisenbahn. 1867 baute sie die private Brauhausbahn zwischen Schwechat und Kledering sowie eine mit Pferden betriebene 194 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Franz Aich sen. (1803–1875)
August Deiglmayer (1827–1877)
226 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 108. 227 Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 36.
Titelblatt einer Sondernummer der Brauerzeitschrift Gambrinus aus dem Jahr 1895
228 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 111.
Eisenbahn zwischen dem Brauhaus und der Ebersdorfer Kelleranlage, weil man nicht das Bier im Brauereibereich durch den Russ der Loko motiven verunreinigen wollte.228 Mit dieser ersten österreichischen Industrieeisenbahn konnte man das bis dahin als unmöglich gehaltene Vorhaben umsetzen und Dreher-Bier zur Weltausstellung nach Paris transportieren. Man hatte zwar einen Anschluss zum Eisenbahnnetz der Monarchie geschaffen, es mussten aber auch Eisdepots an der BahnstreKlein-Schwechat unter der Familie Dreher 195
Lokomotive der Dreherbahn
Brauereigelände um 1870
cke und die ersten eisgekühlten Bierwaggons gebaut werden, in denen die Temperatur gleichmäßig niedrig gehalten werden konnte, um den Export auch auf weiteste Distanzen zu sichern. In Paris war das Wiener Lagerbier eine Sensation und erhielt die höchsten Auszeichnungen – gemeinsam mit dem Spatenbräu von Gabriel Sedlmayr, der ebenso wagemutig und innovativ war. Mit dem Projekt »Weltausstellung« wurde im Übrigen auch in Frankreich, wo bis dahin fast ausschließlich Wein getrunken wurde, der Bierkonsum ebenso wie mit der Brauerei Triest im Weinland Italien gefördert. In der Zwischenzeit besuchte Anton Dreher d. J. das akademische Gymnasium in Wien und die chemisch-technische Abteilung des Poly technikums in Zürich. Er war für längere Zeit auf Studienreisen in Eng196 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Brauereigelände um 1870
land, Frankreich, Deutschland, in den Niederlanden und in der Schweiz, meist begleitet von seiner Mutter und keinesfalls unter so dramatischen Umständen wie bei seinem Vater. 1870, zu seiner Volljährigkeit, übernahm er den Betrieb und heiratete kurz darauf Katharina »Käthe« Meichl, die Tochter des Simmeringer Brauherren – eine Hochzeit, die noch von seinem Vater gemeinsam mit Felder arrangiert worden war. Die Verbindung dieser Brauereien wurde noch durch zwei weitere Hochzeiten zwischen den Familien Aich und Meichl verstärkt, wodurch eine mächtige Brauherrendynastie entstand. Im Gegensatz zu seinem Vater war der jüngere Dreher kaum mehr im operativen Geschäft tätig, sondern konzentrierte sich auf Unternehmensstrategien und die Koordination der verschiedenen Zweigbetriebe in Österreich, Böhmen, Ungarn und Italien, die weit über das Brauereigeschäft hinausgingen und auch die Verwaltung von Realitäten (v. a. Gaststätten) und ausgedehnten Ländereien umfasste. Dreher besaß um 1900 57.000 Hektar Grund in der Monarchie und beschäftigte in seinen Unternehmen mehr als 10.000 Arbeiter und Angestellte. Deshalb musste er sich auf einen Stab von Direktoren verlassen, die teilweise dezentral tätig waren und in Michelob und Steinbruch ihren Sitz hatten. Vorerst waren dies die bewährten Herren Franz Aich und August Deiglmayer, nach dessen Tod 1887 Alfons Erhard, der zum Generaldirektor aller Dreher’schen Brauereien aufstieg. Er wurde von den Söhnen von Franz Aich und zunehmend auch von Anton Drehers Söhnen unterstützt. Die Strategie der Brauerei lautete extreme Expansion. Der heimische Markt war hart umkämpft. Durch die starke Zuwanderung aus den Kronländern in die Residenzstadt wurden jedoch mit den Arbeitern Klein-Schwechat unter der Familie Dreher 197
Mit diesem Pavillon war die Klein- Schwechater Brauerei bei der Wiener Weltausstellung 1873 vertreten.
neue Kundenschichten erschlossen, die allerdings meist das billigere Abzugsbier vorzogen. Die Zweigbrauereien in Böhmen, Ungarn und Italien wurden laufend ausgebaut. In Böhmen und Mähren wurden mehrere kleinere Brauereien gekauft, so dass der Marktanteil des Dreherbieres auch in dieser führenden europäischen Bierregion immer mehr stieg. Dreher genügte aber auch der Markt in der Monarchie nicht. Von Michelob aus belieferte er mit der Eisenbahn die westeuropäischen Staaten und von Triest führten bald Schiffe das gekühlte Dreher-Bier nach Südamerika, Asien (bis nach China und Japan) und Australien. Damit wurde das Lagerbier bald in der ganzen Welt bekannt. Dafür bedurfte es eines großen Vertriebsnetzes, das ständig erweitert wurde. In der ganzen Monarchie wurden Bierdepots eingerichtet, insgesamt standen am Ende des 19. Jahrhunderts 100.000 Fässer und drei Millionen Flaschen zur Verfügung, die vor allem für den Export verwendet wurden. Die erste Flaschenbierabfüllhalle wurde noch unter Anton Dreher dem Älteren in der Schwechater Plankenmühle eingerichtet, wo das Bier noch händisch mit Schläuchen in die Fässer gefüllt wurde. Die Dreherbahn besaß, um die Verbindung zur Staatsbahn herzustellen, 1898 zwei Lokomotiven, 60 eisgekühlte Waggons und die Frachtbewegung umfasste jährlich 17.000 Waggonladungen. Neben dem Vertrieb war die Verbesserung der Technologie ein zweiter Schwerpunkt der Betriebspolitik. Das erste Problem, das einer bes198 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Anton Dreher d. J. (1849–1921)
Erste Linde’sche Kältemaschine der Brauerei
229 Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 53. 230 Gambrinus Nr. 2/1913, S. 47.
seren Lösung bedurfte, war die Kühlung. Nach wärmeren Wintern gab es im Wiener Umland zu wenig Eis, so dass es teuer aus kälteren Ländern herbeigeschafft werden musste. Der bayrische Professor Carl Linde experimentierte seit 1871 mit Ammoniak-Kältemaschinen und Dreher wagte als erster einen praktischen Einsatz in Triest, der so erfolgreich verlief, das im Sommer 1876 die ersten Lagerräume in Schwechat künstlich gekühlt werden konnten. Diese anfangs sehr teure und nicht immer ganz verlässliche Methode setzte sich nur langsam durch, die meisten Brauereien stellten erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf diese künstliche Kühlung um. Die Brauerei war auch eines der ersten Unternehmen, die vom Dampfbetrieb auf die Elektrizität umschalteten. 1906 wurde eine noch bestehende und unter Denkmalschutz stehende dieselelektrische Kraftzentrale in Betrieb genommen, so dass auch der Strom selbst erzeugt werden konnte. In der Brauerei arbeiteten 123 elektrisch betriebene und drei Diesel-Motoren mit insgesamt 1.000 PS.229 1874 wurde die Brauhausfeuerwehr gegründet, die später die Domäne von Anton III. Dreher wurde. In Wien wurden neben den großen Bierlokalen im Dreherhof auf der Landstraße und der Bierhalle am Opernring, zu der auch das Nobel restaurant »De l’Opera« gehörte, dutzende weitere Lokalitäten gemietet, gekauft oder anders erworben. So beklagten 1913 die Gastwirte, dass er »aus den Taschen des Gastgewerbes Millionen gezogen hat und dem hunderte und aberhunderte Gastwirte ihre Existenz geopfert haben«.230 Fast alle diese Lokalitäten hat er wieder verpachtet. Die größte davon lag ab 1884 neben der heutigen Grünbergstraße zwischen der TivoliKlein-Schwechat unter der Familie Dreher 199
Bierfuhrwerk vor der Haupteinfahrt in die Brauerei in der Brauhausgasse
Saal in der Katharinenhalle von Weigls Dreherpark in Meidling um 1900
gasse und der Schönbrunner Schlossstraße. Sie wurde an den Hernalser Heurigenwirt Johann Weigl verpachtet und hieß »Weigls Vergnügungsetablissement im Dreherpark«. Später wurde dort die Katharinenhalle aufgestellt, die damals mit einem Fassungsvermögen von 4.000 Personen der größte Saalbau der Monarchie war. Insgesamt fanden dort und im Garten 20.000 Personen Platz, die an sonnigen Wochenenden rund 50.000 Krügel konsumierten. Da er selbst nicht in sein Stadtpalais ziehen wollte, sondern Schwechat eng verbunden war, kaufte er 1872 das Schloss Altkettenhof, das er 1901 200 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Daum’s Bierhalle im St.Anna-Keller des ehemaligen Jesuitenklosters zwischen der Annagasse und der Johannesgasse in der Wiener Innenstadt
niederreißen ließ, um um 800.000 Kronen (rund 5 Mio. Euro) das feudale neobarocke »Dreherschloss« errichten zu lassen. Es wurde von seiner Witwe Käthe bis 1937 bewohnt und besteht heute in renovierter Form als Bezirksgericht weiter. Anton Dreher war der typische Großindustrielle der Monarchie. Er galt als liebenswürdig, populär und bescheiden, im Geschäftsverkehr und gegenüber seinen Arbeitern und Kunden war er aber extrem kapitalistisch eingestellt, dem jedes soziale Denken fremd war. Adolf Eszöl, der Klein-Schwechat unter der Familie Dreher 201
Dreherschloss in Schwechat um 1910
Schwechater Lokalhistoriker, schildert ihn so : »Anton Dreher war ein berüchtigter Brauherr. Viele Familien wurden durch seine brutale Betriebsführung vernichtet. Er behinderte die Organisation der Arbeitnehmervertreter mit Hilfe der willfährigen Schwechater Gendarmerie und ruinierte unzählige Gastwirte, in dem er ihnen gegen Wechsel Geld lieh und diese dann schnell wieder fällig machte. Danach übernahm er ihre Häuser. Auch wenn er von seinem riesigen Kapital immer wieder soziale Einrichtungen förderte, war er doch mehr gefürchtet als beliebt.231 Er galt als harter Dienstherr, im ›Königreich Dreher‹ wurde der Kampf gegen die beginnende Gewerkschaftstätigkeit so hart wie nirgends anders geführt. Dreher war auch der letzte, der seinen Arbeitern den Beitritt zu den Arbeitnehmerverbänden gestattete, viele von ihnen wurden wegen der Organisation von Streiks fristlos gekündigt und fanden deshalb in der gesamten Monarchie keinen Arbeitsplatz mehr.« Anderseits nutzte er seine Beliebtheit bei Kaiser Franz Joseph, mit dem er mehrmals auf die Jagd ging und der ihn wie schon seinen Vater 1893 mit einem Brauereibesuch ehrte. Die Wiener Abendpost vom 6. Juni schilderte den Besuch so : Nach dem vormittäglichen Besuch des NÖ. Landesschießens in Schwechat »fuhr der Monarch in das Dreher’sche Etablissement, woselbst Herr Anton Dreher mit seinen Söhnen und den Beamten Allerhöchstdenselben ehrfurchtsvoll begrüßten. Bei einem Rundgange durch die einzelnen Abtheilungen des Etablissements credenzte Frau Käthe Dreher Sr. Majestät dem Kaiser im Lagerkeller einen Pocal Bier, aus dem der Monarch dem Hausherrn und seiner Ge202 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Biermarke, im 19. Jahrhundert ein Teil des Gehaltes der Arbeiter
231 Ezsöl : Schwechat – Geschichte, S. 96.
Familie Dreher im Jahr 1911 : Vorne links Anton III., rechts Anton II. (d.J.), in der Mitte der 2. Reihe Eugen und Theodor, 3. Reihe ganz links Franz Aich jun. und in der Mitte Alphons Erhard
232 Seidl : Unser Bier, S. 83.
mahlin allergnädigst zutrank. Zum Schlusse trugen Se. Majestät seinen Namen in das Gedenkbuch ein und verließen dann unter Hoch Rufen der im letzten Hofe zu hunderten aufgestellten Arbeitermassen das Etablissement.« Nach diesem Besuch erhielt Dreher das Komturkreuz des FranzJoseph-Ordens, dem 1909 das Großkreuz als höchste Stufe folgte. Außerdem erhielt er 1903 den Orden der Eisernen Krone II. Klasse und war damit einer der meistausgezeichneten Unternehmer der Monarchie. Damit hätte er Anspruch auf die Erhebung in den Adelsstand gehabt, wozu übrigens schon die Ansprache Kaiser Franz Josephs anlässlich einer Jagd mit »lieber Herr von Dreher« genügt hätte. Da er angeblich seinem Vater versprochen hatte, niemals einen Adelstitel anzunehmen, verzichtete er auf die Nobilitierung. Im Volk wurde er durch diese Entscheidung noch populärer. In Schwechat sprach ihn sowieso jeder mit »Herr Baron« oder »Herr von Dreher« an und sein Unternehmen wurde das »Königreich Dreher« genannt. Dieser »Bieradel« war dem als »Bierkaiser von Wien« bezeichneten Unternehmer Auszeichnung genug.232 Seit 1884 war er Mitglied des niederösterreichischen Landtages und 1902 wurde er vom Kaiser in das Herrenhaus als Abgeordneter auf Lebenszeit berufen. Das Herrenhaus war das Oberhaus des Reichsrates, wo neben dem Hochadel und den höchsten Vertretern des Klerus auch einige wenige verdienstvolle Männer aus der Wirtschaft saßen. Dort blieb Klein-Schwechat unter der Familie Dreher 203
Aktie der Vereinigten Brauereien
er bis zum Ende der Monarchie im November 1918. Zu erwähnen ist auch, dass er ein erfolgreicher Rennstallbesitzer war und mit seinen Pferden zweimal das Wiener Derby gewann. Er saß als einziger Bürgerlicher im Jockey-Club, einem der feudalsten Klubs des alten Wien, wo sonst nur der Hochadel verkehrte. Dreher galt als einer der reichsten Österreicher. Roman Sandgruber hat ihn in seinem Buch »Traumzeit für Millionäre« für 1908 auf den 7. Rang gereiht, Viktor Mautner von Markhof (St. Marx), Moritz von Kuffner (Ottakring) und Moritz Faber (Liesing) folgen auf den Rängen 14, 81 und 100.233 Er hatte drei Söhne, die bereit waren (oder sein mussten) in seinen Unternehmen Führungspositionen zu übernehmen. Etwas Besseres kann einem Großindustriellen eigentlich nicht passieren. 1905 wurden deshalb alle Brauereien in eine Familien-Aktiengesellschaft mit dem Namen »Anton Dreher, Brauerei Actien-Ges.« eingebracht und im Juni 1913 gelang ihm der große Coup der Zusammenlegung mit den Brauereien in St. Marx und Simmering. Er nützte dabei den Konkurs von Victor Mautner von Markhof und die familiären Bande zur Familie Meichl und gründete die »Vereinigten Brauereien Schwechat, St. Marx, Simmering – Dreher, Mautner, Meichl A.-G.«, wobei seine Familie Hauptaktionär war. Das Fusionsverhältnis zwischen Dreher, Mautner von Markhof und Meichl wurde mit 4 : 2 : 1 festgelegt, im Verwaltungsrat betrug es 6 : 4 : 2. Die Vereinigten Brauereien beschäftigten 1913 rund 3.000 Arbeiter und 204 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
233 Sandgruber : Traumzeit für Millionäre, S. 24 und 67.
Kalenderblatt aus dem ersten Weltkrieg
234 Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 59. 235 Darthé : Ottakringer, S. 32. 236 Arbeiterzeitung vom 5. 9. 1916, S. 6, und Neue Freie Presse vom 4. 9. 1916, S. 7.
produzierten allein in Wien und Schwechat 1,4 Mio. Hektoliter Bier, was einen Marktanteil in Österreich von 35 Prozent bedeutete.234 Der Erste Weltkrieg bedeutete für die Vereinigten Brauereien wie auch für alle anderen eine Katastrophe. Es gab keine Planung der Rohstoffe, so dass die Vorräte an Gerste und Hopfen praktisch Ende 1915 aufgebraucht waren. Man verzichtete deshalb rasch auf die Produktion von Starkbier und versuchte wenigstens 75 % der Vorkriegsmenge zu erreichen. Die Ernte 1916 brachte nur mehr einen Bruchteil der Ernte der Vorjahre. Die Vorräte, die die Brauereien selbst angelegt hatten, wurden von der Heeresverwaltung beschlagnahmt. Es kam zu Preiserhöhungen, auf die die Regierung mit Höchstpreisfestsetzungen reagierte. Die Ausstoßmenge wurde für jede Brauerei auf einen Bruchteil der Friedenserzeugung reduziert. Im September 1916 wurde erstmals die Verarbeitung von Gerste zu Braumalz untersagt und die Erzeugung der Bierwürzemenge auf 35 Prozent der Vorkriegszeit verringert. Die Brauereien bekamen nur mehr 23 Prozent der Gerste und sechs Prozent der Malzmenge des Jahres 1913 geliefert und der Stammwürzegehalt musste von 12 auf vier Grad herabgesetzt werden. Im »Kriegsbier« befanden sich deshalb an Stelle von Gerste immer mehr Pferdebohnen, Kartoffelstärke, Kunsthonig, Zwetschkenmarmelade, Zuckerrüben und Ähnliches. Man kann sich gut vorstellen, wie dieses Dünnbier geschmeckt haben muss. Hopfen gab es hingegen genug, weil es dafür keine alternativen Verwendungsmöglichkeiten gab. Um die erforderliche Nachzucht einer brauchbaren Hefe zu erhalten, wurde das Bier deshalb zunächst normal eingebraut und dann durch Zusatz von Wasser gestreckt. 1918 betrug die Produktionsmenge im Wiener Umland nur mehr 18 Prozent und in Österreich sechs Prozent der Vorkriegsmenge.235 Zugleich wurde für die Restaurants und Gasthäuser verfügt, dass sie Bier nur mehr wochentags von 19 bis 22 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 16 bis 22 Uhr ausschenken durften, wobei sich der Ausschank auf einen halben Liter pro Person bzw. einen Liter »über die Gasse« beschränkte. Die Zeitungen kommentierten, dass »da die unverbesserlichen Biertrinker von Wirtshaus zu Wirtshaus wandern« und die in Wien fast ausgestorbenen Abholkäufe aufleben würden.236 Ein Großteil der Pferdefuhrwerke und der Lastkraftwagen wurde für das Militär beschlagnahmt, so dass es für die Brauereien zu erheblichen Transportschwierigkeiten kam. Die wenigen verbliebenen alten Lkw konnten bald wegen der Benzinknappheit und der Beschlagnahme von Gummireifen auch nicht mehr fahren. Außerdem wurden Buntmetalle, Klein-Schwechat unter der Familie Dreher 205
Garten des Schwechater Brauereigasthofs »Zur Kohlstaude« um 1910
vor allem Kupfer, von der Heeresleitung beschlagnahmt. Vor allem diese Demontagen der Produktionsanlagen führten zu einer Konzentration der österreichischen Brauwirtschaft. Von den 39 Brauereien, die es 1913 in Wien und Niederösterreich gegeben hatte, existierten 1918 nur mehr 25, in Österreich halbierte sich sogar ihre Zahl. Da es auch nach 1918 kaum geeignete Rohstoffe gab, war die Lage bis in die Mitte der 1920er Jahre fatal. Mit Verordnungen der neuen Bundesregierung wurde erst am 31. Mai 1923 die Bierproduktion in der Vorkriegsqualität und -quantität möglich und die Zwangswirtschaft beendet. Bis dahin wurde das Ausmaß der »Normalerzeugungsmenge« schrittweise beginnend mit 10 Prozent im ersten Nachkriegsjahr erhöht und der Stammwürzegehalt beginnend mit 6,5 Grad angehoben. Das erlebte Anton Dreher d.J. aber nicht mehr, weil er 1921 verstarb. Zuvor musste er erleben, dass sein jüngster Sohn Theodor 1917 mit seinem 80 PS starken Mercedes, der damals eines der schnellsten und sichersten Autos war, als »unbekümmerter Schnellfahrer« bei einem Autorennen bei Klagenfurt tödlich verunglückte. Sein Enkel Anton fiel in Galizien während des Ersten Weltkrieges. Die fast unheimliche Todesserie ging aber weiter. Der älteste Sohn Anton Eugen übernahm 1921 den Vorsitz im Verwaltungsrat, starb aber unerwartet bereits vier Jahre später. Als auch noch Oskar, der Sohn von Theodor starb, blieb von der großen Familie 1926 nur der mittlere Sohn Eugen und die Tochter von Anton Eugen, Kitty, über. Kitty hatte inzwischen »Anton Drehers Exportbrauerei in Saaz« übernommen und mit Michelob fusioniert. Sie hätte kaum die Chance bekommen, den Verwaltungsrat zu übernehmen. Sie führte die Brauerei bis 1946 und wurde dann aus der Tschechoslowakei vertrieben. Weibliche 206 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
237 Neue Freie Presse vom 27. 4. 1926, S. 7. 238 Reichspost vom 28. 4. 1926, S. 7. 239 Reichspost vom 27. 4. 1926 und vom 1. 5. 1926, S. 7.
Nachkommen von ihr leben heute noch im Raum Schwechat und verwalten dort große Grundbesitze, die teils aus der Dreher-Zeit stammen. Eugen hatte die ungarische Brauerei übernommen, wurde ungarischer Staatsbürger, heiratete die Tochter des Besitzers der bis dahin größten ungarischen Brauerei Haggenmacher und hatte keine Lust nach Wien zu kommen. 1926 verkaufte er sein Aktienpaket, weil er das Geld für die Expansion in seiner neuen Heimat benötigte. Da die Familien Mautner Markhof und Meichl nicht in der Lage waren, das nötige Kapital aufzubringen, wurde ein Bankenkonsortium unter der Führung der Creditanstalt Eigentümerin der Vereinigten Brauereien und der Einfluss der Familie Dreher erlosch völlig. Eugen fusionierte die beiden Budapester Betriebe und führte sie bis 1949 sehr erfolgreich als größte Brauerei Ungarns. Das ungarische Dreherbier ist nach dem Zerfall des Ostblocks natürlich unter einem ganz anderen Eigentümer wieder auf dem Markt. Vor der Übernahme durch das Bankenkonsortium hatten die Vereinigten Brauereien noch Ende April 1926 einen Protest der Wirte gegen eine Bierpreiserhöhung um zwei Groschen auf 40 Groschen pro Krügerl zu überstehen. Sie beschlossen einen Boykott der Brauereien. In der ganzen Stadt und in Niederösterreich wurde von der Gastwirtegenossenschaft mit Streikposten das Ausschankverbot von Bier rigoros überwacht. Mit Fahrradpatrouillen sollten sie »das betreffende Lokal besetzen und dort jeder bei nur einem Glas Sodawasser dem Geschäftsinhaber den Platz ›versitzen‹. Das ereignete sich gestern vormittag im Hotel Metropole … und die Wirkung war, dass der Restaurateur die Erklärung abgab und diese sofort in die Tat umsetzte, dass er sich dem Boykott anschließe«.237 Am zweiten Tag des Boykotts versuchten die Pächter der Restaurants »Leupold«, das der Schwechater Brauerei, und der »Weißen Rose«, das der Nußdorfer Brauerei gehörte, wieder Bier auszuschenken. Beide Lokale wurde von anderen Gastwirten (!) besetzt238, so dass der Streik bald lückenlos auch in allen anderen Lokalen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den großen Brauereien standen, durchgeführt wurde. Erst als der Handelsminister intervenierte, wurde der Boykott nach vier Tagen ergebnislos abgebrochen, der Preis für ein Krügerl wurde kurzfristig auf 37 Groschen (rund einen Euro) gesenkt und die bierlose Zeit für die Wiener war wieder vorüber.239 Ganz bierlos war sie ja nicht, denn die meisten Lebensmittelläden hatten weiterhin Flaschenbier verkauft. Dann starb mit den neuen Eigentumsverhältnissen langsam auch das so hoch gerühmte »Schwechater Lagerbier«, das Dreher zu Weltruhm Klein-Schwechat unter der Familie Dreher 207
gebracht hatte. Prof. Eduard Jalowetz begründet dies in der Zeitschrift »Die Brau- und Malzindustrie« so : »Es ist aber ganz merkwürdig und bedauerlich, daß der Typus des Schwechater Bieres ganz verschwunden ist. Man sprach seinerzeit vom Wiener Lagerbier und dieses war eigentlich nur das Schwechater Bier, da die anderen Brauereien, wie schon erwähnt, dieses Bier entweder gar nicht oder in einem ganz geringen Prozentsatz erzeugten. Das Schwechater Lagerbier, bzw. das Wiener Lagerbier, das von mancher Seite wegen seiner Farbe sehr geschmäht wurde, war, soweit ich mich an die Qualität desselben erinnern kann, ein ganz vorzügliches Getränk, voll im Geschmack, prachtvoll im Schaum, gut abgelagert. Dieses Lob kann vielleicht durch die Erinnerung an das Alte hervorgerufen sein ; sicher ist, daß es den modernen Anforderungen nicht gewachsen wäre, das sich an das Pilsner Bier anlehnt. Das alte Abzugbier wird niemand im guten Andenken bewahren und ich könnte keine guten Eigenschaften desselben erwähnen. Wenn ein Getränk, das in Millionen Hektolitern erzeugt wurde, so plötzlich aus dem Konsum verschwindet, so ist dieser Vorgang als ein Umsturz von ganz bedeutender Art zu bezeichnen … Nun steht der Name ›Schwechater Lager‹ für ein ganz anderes Bier, einen ganz anderen Biertyp, so wie es auch dem ›Märzenbier‹ anderer Brauerein ergangen ist, die heute ebenso überhaupt keine Ähnlichkeit mehr mit dem ursprünglichen haben. Während man früher ein mittelfarbiges Malz verwendet hat, war nun ein lichtes gefragt. Es wurde unter dem Losungswort ›Fortschritt in den Werksvorrichtungen bei konservativer Arbeitsweise‹ gehandelt. Diese Devise ist gesund und führt zu einer neuen Type, welche sich an das Idealbier, das Pilsner Bier, anlehnt«, hieß es damals – »und ganze Generationen von Drehers werden sich in ihrem Mausoleum umgedreht haben.« Zuvor schaffte das »Schwechater Lager« noch bei der Pariser Weltausstellung 1937 zum dritten Mal hintereinander gegen starke Konkurrenz die höchste Auszeichnung, den GRAND PRIX, zu erreichen. Dann sollte es fast 80 Jahre dauern, bis das Dreher’sche Lagerbier im Winter 2015/2016 wieder ein Revival erlebte. Nicht nur die Bierqualität, auch die Kapitalverhältnisse und die Struktur der Vereinigten Brauereien hatten sich schlagartig geändert. Die Brauerei in St. Marx schloss 1916 ihre Pforten und Simmering braute nur mehr bis 1930. Bereits 1927 kam es zur Fusion mit der »Brauerei Jedlesee Rudolf Dengler AG« und der »Hütteldorfer Brauerei AG«, die ihren Betrieb ebenfalls kurz darauf einstellten. Aus Hütteldorf wechselte allerdings nicht nur Richard Schöller als neuer Großaktionär, sondern 208 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Brauereihof um 1930
auch Konrad Schneeberger als neuer Generaldirektor nach Schwechat. Schneeberger gelang trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation zwischen 1927 und 1930 eine Generalrenovierung der Schwechater Brauerei und eine optimale Nutzung der Synergien mit den anderen Braustätten und Zweigbetrieben. In diesen Jahren wurden unter anderem moderne Fasswäscherei-, Binderei- und Pichanlagen errichtet und Beton-Gärbottiche sowie im Lagerkeller eine Riesen-Beton-Tankanlage gebaut. Weiters erfolgte eine weitgehende Umstellung auf Lastkraftwagen-Transporte. Außerdem wurde eine Flaschenbier-Zentrale für das gesamte Unternehmen eingerichtet, um den immer größer werdenden Anforderungen dieses Geschäftszweiges gerecht werden zu können. 1932 hatte die Brauerei bereits 225.000 Transportfässer, 20.000 Fässer wurden jährlich repariert und über 70.000 jährlich geeicht. Acht Kolonnen Fassreinigungsmaschinen säuberten damals täglich 15.000 Fässer. Vier Wasch- und Füllkolonnen reinigten, füllten, verschlossen und etikettierten stündlich 24.000 Flaschen – 30 Millionen im Jahr. Im Umlauf waren nach wie vor drei Millionen Flaschen. Mit 60 Paar Pferden, 200 Lkw, Pkw, Dreiräder und Traktoren hatte die Brauerei den größten Privat-Fuhrpark Österreichs und mit 2.400 m² die größte Privatgarage Österreichs. Die Betriebsfeuerwehr bestand aus 80 Mann. Die Vereinigten Brauereien besaßen Mitte der 1930er Jahre neben den Brauereien auch die Mälzereien »Popper« und »Figdor« in Schwechat, Klein-Schwechat unter der Familie Dreher 209
die Malzfabriken Floridsdorf und Handelskai in Wien sowie 92 verschiedene Realitäten wie Bierhallen, Bierniederlagen und Wohnhäuser. Klein-Schwechat unter der Familie Mautner Markhof
Die weitere Entwicklung der Vereinigten Brauereien verlief eher unerwartet. Einerseits waren es die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Creditanstalt nach dem Crash des Jahres 1931, andererseits eine wirtschaftliche Erholung der Familie Mautner Markhof dank ihres wieder florierenden Lebensmittelgeschäftes240, die die Eigentümerverhältnisse abermals veränderten. 1935 waren sämtliche Bankschulden abgebaut und Georg III. Mautner Markhof241 nahm im Alleingang mit dem Generaldirektor der Creditanstalt Adrian van Hengel Verhandlungen über den Erwerb der Aktienmehrheit auf. Die bereits in wirtschaftlicher Schieflage befindliche St.-Georgs-Brauerei musste gegen den Willen einiger anderer Familienmitglieder ihren Betrieb einstellen und alle Auslandsbeteiligungen in Polen und Jugoslawien wurden verkauft. Dem neuen Familienoberhaupt gelang es innerhalb von zwei Jahren, die Aktienmehrheit an den Vereinigten Brauereien zu erwerben. Man muss hier anmerken, dass die Unternehmen der Familie Mautner Markhof von einem so genannten »Viererzug« verwaltet wurden, in dem jeweils vier Familienmitglieder gleichberechtigt mit der Geschäftsführung betraut wurden. Georg III. war in den 1930er Jahren sozusagen der primus inter pares des Viererzuges. Die Übernahme wurde formell erst mit Jahresbeginn 1937 vollzogen, denn sie war eine »äußerste komplizierte Konstruktion, die detailliert dazustellen nahezu ein eigenes Buch füllen würde«, wie Georg IV. Mautner Markhof vor 30 Jahren in die Familienchronik schrieb.242 Die Familie Mautner Markhof erwarb 50.000 zusätzliche Aktien und war damit – gemeinsam mit den Altaktionären Schöller und Meichl – mit 57,5 % Mehrheitseigentümer der Vereinigten Brauereien. Der Kaufpreis betrug 4,2 Mio. Schilling (heute etwa 12 Mio. Euro). Es gab nun eine Umbenennung in »Mautner Markhof Brauerei Schwechat AG« und das Unternehmen mit dem Firmennamenungetüm war damit Geschichte. Eineinhalb Jahre nach dieser Übernahme musste der Name abermals geändert und der Namensteil Mautner Markhof beseitigt werden, weil die Nationalsozialisten, die Österreich im März 1938 besetzt hatten, der Familie Mautner Markhof die Führung ihres Unternehmens verboten. 210 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
DDr. Dipl.Ing. Georg III. Mautner Markhof (1904–1982)
240 In den 1920er-Jahren begannen Georg II. und Theodor Mautner Markhof mit der Erzeugung von Essig, Senf und Spirituosen und sanierten so das angeschlagene Gesamtunternehmen. 241 Georg III. war der Urenkel von Adolf Ignaz Mautner Markhof aus der Floridsdorfer Linie und 1934 nach dem Tod seines Vaters Georg II. Familienoberhaupt. 242 Mautner Markhof G.: Das industrielle Erbe, S. 7.
Zerstörtes Brauereigelände im Jahr 1945 – Russische Soldaten
243 Stadler : Das Brauhaus, S. 21 und Anzeige im Neuen Wiener Tagblatt vom 7.März 1941. 244 Darthé : Ottakringer, S. 55.
Sie galt als Achtel-Juden, die nach den seltsamen Rassengesetzen zwar ein Unternehmen besitzen, aber nicht führen durften. Georg III., der seit 1937 an der Spitze des Verwaltungsrates stand, musste zurücktreten und ging während der folgenden Jahre meist auf Tauchstation, zuletzt in Brasilien. Die Familie stand zwar weiter unter massivem Druck, ihre Schwechater Aktienmajorität an eine deutsche Großbank verkaufen zu müssen, konnte aber schließlich diesen »Weisungen« erfolgreich Widerstand leisten. Die Brauerei war im Zweiten Weltkrieg die größte Einzelbraustätte des Deutschen Reiches und konnte 1941 den 100. Jahrestag des erstmaligen Ausschanks des Wiener Lagerbieres mit einer Broschüre mit dem Titel »Schwechater Lager« feiern.243 Obwohl es anfänglich erbitterten Widerstand, vor allem seitens der bayrischen Brauer gab, wurde dort Anton Dreher dem Älteren die »Erfindung« des Lagebieres bestätigt. Im Zweiten Weltkrieg gab es eine wesentlich bessere Planung der Rohstoffe als im Ersten Weltkrieg, so dass es bis in das letzte Kriegsjahr fast keine Ersatzstoffe gab. Der Kriegsbeginn traf die Brauwirtschaft in einer Aufschwungphase, sowohl in Schwechat als auch in Liesing, Ottakring und Nußdorf wurden 1939 Rekordmengen verkauft, die um das 2,5-fache höher waren als 1937244. Bereits im Winter änderte sich das grundlegend. In Schwechat wurde ab Dezember 1939 nur mehr 9-gradiges Bier und ab Mai 1940 auch 6-gradiges Bier erzeugt, wobei das 9-gradige bis in die letzten Kriegstage nur an bevorzugte Institutionen geliefert wurde. Es gab ab Oktober 1940 zwar auch ein 10-gradiges Hopfenperle-Spezialbier, das aber im freien Verkauf nicht erhältlich war und Klein-Schwechat unter der Familie Mautner Markhof 211
der NSDAP zur Verfügung stand. Außerdem erzeugte man ein bierähnliches Malzgetränk namens »Soma«. Ab 1941 wurden die Auslieferungskontingente beim Bier stufenweise beschränkt, vorerst für Flaschenbier und ab 1944, als alle Autos der Brauerei eingezogen wurden, auch das Fassbier. 1942/43 hatte es in Schwechat zwar noch einmal einen Ausstoßrekord gegeben, es wurde in Wien sogar mehr – allerdings minderwertiges – Bier produziert als 1939 ! Mit Beginn des Bombenkrieges 1944 durften aber gerade noch 25 Prozent der Biermenge des Jahres 1938 erzeugt und verkauft werden. Die Qualität war trotzdem wesentlich besser als in den Kriegsjahren 1916 bis 1918. Wie in den meisten anderen Brauereien wurde 10-grädig gebraut und dann mit Wasser versetzt, so dass trotzdem nur ein schlechtes Dünnbier herauskam. Mit diesen schrittweisen Erschwernissen in der Produktion musste auch der Vertrieb reduziert werden und wie 1915 wurden fast sämtliche Kraftfahrzeuge eingezogen, ohne allerdings im Krieg jemals verwendet zu werden. Das berichtete jedenfalls Manfred Mautner Markhof in seinen Memoiren »Haltestellen und Stationen«. Nun folgte ab 1950 eine Blütezeit, die eng mit dem Namen von Manfred Mautner Markhof verbunden war. MMM, wie man ihn kurz nannte, 212 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Brauereigelände um 1955
BrauIng.Dr.h.c. Manfred I. Mautner Markhof (1903–1981) Bierfuhrwerk um 1910 (oben) Bier-Lkw um 1950
übernahm 1945 das Unternehmen, baute es gemeinsam mit anderen Familienangehörigen nach den kriegsbedingten Zerstörungen wieder auf und setzte die Verdrängungspolitik im Wiener Braugeschäft fort. 1950 wurden die Nussdorfer Brauerei und 1959 das Brauhaus der Stadt Wien erworben und stillgelegt. So gab es auf Wiener Stadtgebiet noch die Liesinger Brauerei, die 1973 mit der Brau AG fusionierte, und danach nur mehr die Ottakringer Brauerei. Erst ab Mitte der 1980er-Jahre belebte die GrünKlein-Schwechat unter der Familie Mautner Markhof 213
214 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
245 Der Fußballverein Austria Wien trug in den 1970er Jahren das stilisierte Bierglas der Schwechater Brauerei auf den Leibchen. 246 25 Jahre Brauerei Schwechat, S. 26.
dungswelle der kleinen Wirtshausbrauereien und der einige Jahre zuvor erfolgte Zerfall des Bierkartells die Biervielfalt in der Bundeshauptstadt. Wie einige seiner Vorfahren war MMM vor allem durch den prägnanten Backenbart bekannt, der ihm den wenig schmeichelhaften Namen »Senf-Tegetthoff« einbrachte, weil er Österreich nicht nur mit Bier, sondern auch mit vielen anderen Nahrungsmitteln, wie eben mit Senf, versorgte. MMM schaffte es, bis 1968 den Ausstoß auf ein sogenanntes »all-time-high« von 1,286.000 Hektolitern zu erhöhen. Als Billigbier besaß »sein« Bier aber nicht den allerbesten Ruf. Er versuchte durch die Einführung von Spezialbiersorten, wie der »Hopfenperle« und der in einem internationalen Verbund produzierten Biersorte SKOL entgegenzusteuern. Eine wirkliche Qualitätsverbesserung gab es jedoch erst nach der Übernahme des Unternehmens durch die Brau AG. Manfred und sein gleichnamiger Sohn setzten allerdings Marksteine in der Bierwerbung, weil sie als erstes Unternehmen einen Fußballverein sponserten245, vor Fußball-Länderspielen dem ORF hohe Summen für den Satz »Die Übertragung dieses Länderspieles widmet die Brauerei Schwechat allen Freunden des Schwechater Bieres und jenen, die es noch werden wollen«246 zahlten, Prominente wie Heinz Conrads für Werbesendungen wie »Fass’ das Glück« zu ihren Produkten verpflichteten und sich als Hauptsponsor für die damals sehr populären Internationalen Gartenbauausstellungen in Wien 1964 und 1974 positionierten. Viele Jahrzehnte gab es auf dem Donauturm, an dem die Brauerei auch zu fünf Klein-Schwechat unter der Familie Mautner Markhof 215
Prozent beteiligt war, als weithin sichtbare Werbung das Schwechater Bierglas (»Ein Glas heller Freude«). Legendär wurden auch ihre Bierflaschen, die man – wie »Mundl« Sackbauer in der TV-Serie »Ein echter Wiener geht nicht unter« – mit einem Abreißverschluss aus Aluminium, auch Alka-Verschluss genannt, öffnete. Erwähnenswert ist auch, dass Anfang 1972 die Österreicher einige Zeit das Schwechater Bier boykottierten, weil Manfred Mautner Markhof bei der Disqualifikation des Skifahrers Karl Schranz bei den Olympischen Spielen sehr unglücklich agiert und den Anschein der Zustimmung erweckt hatte.247 Das Jahr 1978 war ein weiterer Meilenstein in der Geschichte dieser Brauerei. Seit 1969 hatte es Fusionsbestrebungen zwischen den österreichischen Großbrauereien gegeben. Die Familie Mautner Markhof tendierte dabei wegen der verwandtschaftlichen Beziehungen zur Familie Reininghaus auf eine Kooperation mit deren Grazer Brauerei, die sich jedoch Mitte der 1970er Jahre zerschlug. Der nächste Versuch klappte. Manfred II. und Georg IV. setzten sich gegen andere Familienmitglieder durch und es kam mit Jahresanfang 1978 zu einer Fusion mit der Brau AG in Linz. Die Familie blieb größter Kernaktionär und erhielt 25 Prozent der Brau-AG-Aktien. Aus steuerlichen Gründen blieb die Marke »Schwechater Bier« bestehen. Georg IV. wurde stellvertretender Aufsichtsratschef der 216 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Flaschenfüllanlage mit Alka-Verschlüssen um 1955
247 Heute weiß man, dass das ein Missverständnis war und MMM diese Disqualifikation nur bedingt gutgeheißen hat. Siehe Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 125.
Bierkiste aus dem Jahre 1956
248 Zitiert nach Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 128. 249 Stadler : Das Brauhaus, S. 210.
Brau AG und meinte dazu : »Emotionell betrachtet, mag dieser Schritt bedauerlich sein, aber vom Verstand gesehen, den Geschäftsleute nie außer Acht lassen sollten, ist er der einzig vernünftige Weg.«248 In den folgenden Jahren kam es zu umfangreichen Anpassungs- und Rationalisierungsmaßnahmen, um Schwechat in den Gesamtkonzern der Brau AG einzuordnen. Zugleich wurden aber in Schwechat große technologische Schritte gesetzt. Schon seit 1972 gab es keine Holzfässer, sondern nur mehr Aluminiumfässer, 1979 folgten eine neue Flaschenabfüllanlage und 1987 der Neubau des Gär- und Lagerkellersystems, das die alten Tankanlagen aus der Zeit von Konrad Schneeberger ablöste. 1997 wurde die neue Dosenanlage in Betrieb genommen, die die größte Bieranlage Mitteleuropas war. 1998 fusionierten die Brau AG und die Steirer Brau AG zur Brau Union Österreich AG, womit Schwechater und Reininghaus doch noch unter ein gemeinsames Dach kamen. Allerdings schied damit die Familie Mautner Markhof aus dem Unternehmen endgültig aus und widmete sich nur mehr der Produktion ihrer übrigen Lebensmittel in Simmering. Am Anfang des neuen Jahrhunderts wurde auch diese Produktion aus Gründen, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen, aufgegeben bzw. verkauft, wobei nur die Marke, etwa bei Senf, Fruchtsäften und Essig überlebte. Seit 2001 gibt es das »Brauhaus Schwechat«, wo in einem kleinen Biermuseum auch wieder der Vergangenheit des eigenen Unternehmens gedacht wird. 2006 wurde mit der Inbetriebnahme des neuen Sudhauses das Betriebsgelände von der Brauhausstraße an den heutigen Standort in die Mautner-Markhof-Straße verlegt. Im Jahr 2003 kam es dann zur Übernahme der Brau Union durch Heinecken N. V., dem drittgrößten Bierproduzenten der Welt nach Anheuser-Busch/SAB Miller und Carlsberg. Ein Besuch des ehemaligen Betriebsgeländes lohnt sich aber noch immer. »Der langgestreckte, zweigeschossige Bau mit Runderkern an den Gebäudeenden, einem Korbbogenportal in der Mittelachse und dem ziegelgedeckten Walmdach«249 in der Schwechater Brauhausstraße 12 war bis 1900 das Wohnhaus der Familie Dreher und sollte auch ein Museum für diese Familie werden. Daraus wurde leider nichts, denn heute residiert dort eine Honigfirma. Dieses Gebäude steht ebenso unter Denkmalschutz wie der danebenliegende Festsaal und der aus der Zeit Maria Theresias stammende barocke Gartenpavillon. Sehenswert ist auch das Mausoleum der Familie Dreher auf dem Schwechater Friedhof neben dem Brauereigelände, das erwähnte Klein-Schwechat unter der Familie Mautner Markhof 217
Dreher- Schlössl und einige Erinnerungen in und neben der neuen Brauhausrestauration, wo auch Utensilien des Liesinger Brauereimuseums untergebracht sind. Alles andere wurde aber abgebrochen, wie der schöne Festsaal der Brauhausrestauration »Kohlstaude«, die Mälzerei mit den berühmten und für Schwechat so typischen Kaminen und das große 1955 errichtete Sudhaus. Unter russischer Aufsicht – die USIA-Brauerei
Im Hintertrakt der Grundstücke Wismayrstraße 6 und Ehrenbrunngasse 5 errichtete Eduard König 1891 eine Feigen- und Malzkaffeefabrik. 1938 kam der Betrieb im Zuge der Arisierung an den »Reichsdeutschen« Dr. Karl Hugendubel, der bis zum Kriegsende die Malzfabrik weiterführte. 1945 enteigneten die russischen Besatzer den Betrieb und stellte ihn unter die Verwaltung der USIA. 1949 begannen hier der Rannersdorfer Bierbrauer Rudolf Mauritz und der Gärungstechniker Maximilian Leithenmayr unter der Leitung eines russischen Direktors mit der Produktion von 13-gradigem Spezialbier, das in der Klein-Schwechater Brauerei in Flaschen gefüllt und etikettiert wurde. Später wurde das USIA-Bier dann mit dem Klein-Schwechater verschnitten. Nachdem die Russen 1955 Österreich verlassen hatten, wurde der Braubetrieb eingestellt und die Mälzerei unter österreichische Staatsverwaltung gestellt, die den Betrieb an Hugendubel zurückgab. Der verkaufte die Mälzerei 1958 an die Dornbirner Mohren-Brauerei, die hier zehn Jahre lang weiter produzierte und das Malz nach Vorarlberg brachte. Nachdem 1968 eine Erweiterung des Betriebes durch die Gemeinde Schwechat abgelehnt wurde, verkaufte die Mohren-Brauerei die Realität an einen Champignonzüchter, der die Kelleranlagen bis 1982 für seine Zwecke nutzte.250 Die Gebäude wurden vor einiger Zeit abgebrochen und das Grundstück neu verbaut.
Erinnerungen an die USIA-Brauerei
Bierbrauen als städtische Bürde – das Wiener Stadtbräu in Rannersdorf
Die Wiener Gastwirte hatten im ausgehenden 19. Jahrhundert mit den Großbrauereien immer größere Probleme. Durch Kundschaftssicherungsverträge wurden sie einer Großbrauerei »zugeteilt« und von dieser 218 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
250 Schwechater Museumsnachrichten Nr. 2/1993, S. 17.
251 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 123.
beim Bierabsatz richtiggehend geknebelt. Außerdem wurden die Klagen immer lauter, dass die Brauereien zu viel für ihr Bier verlangen würden und sie Preiserhöhungen nicht an die Konsumenten weitergeben könnten. Die Wirte machten mehrere Eingaben an den Magistrat der Stadt Wien, um diesen Missstand zu beseitigen. Eine dieser Eingaben im Jahre 1881 forderte die Errichtung eines städtischen Brauhauses. Dies war natürlich den alteingesessenen Brauherren von Wien ein Dorn im Auge und sie versuchten alles, um die Gründung einer solchen Brauerei zu verhindern. Der damals noch liberal orientierte Wiener Gemeinderat diskutierte den Vorschlag und stellte sich auf den Standpunkt, dass »die Bierpreise in Wien ohnehin so niedrig seien, daß die Heranziehung einer Concurrenz absolut wirkungslos wäre und daher ebenso richtig die Berathung über den Antrag … als unnütze Zeitverschwendung declarirten. Demgemäß wurde dem Vorschlage des Magistrates, die Errichtung einer städtischen Bierbrauerei abzulehnen, weil die eigene Regie für Biererzeugung nirgends bestehe und auch kein Erträgnis davon zu erwarten sei … zugestimmt.« Die Wirte gaben sich nicht geschlagen, und so kamen sie auf die Idee, selbst eine Brauerei zu gründen. Einige Zeit später stand spöttisch im »Gambrinus« : »Seit einem Jahre schon spukt in Wien das Gespenst einer Genossenschaftsbrauerei, welche von den Gastwirthen errichtet werden soll ; in einer am 26. v. M. abgehaltenen Sitzung wurde abermals der einstimmige Beschluß gefaßt, diese Genossenschaftsbrauerei unter dem Titel ›Wiener Bürgerliches Brauhaus‹ ins Leben zu rufen. Das Capital, welches zur Errichtung dieses Brauhauses nothwendig ist, bei zwei Millionen Gulden, soll im Wege der öffentlichen Subscription aufgebracht werden.« Die Gastwirte setzten trotz aller Polemik zielstrebig ihren Weg fort, benötigten aber noch volle zehn Jahre, bis sie ihren Plan umsetzen konnten. In Rannersdorf bei Schwechat wurde das rund 80.000 m² große »landtäfliche Gut Wallhof« vom Dominikanerorden gekauft und 1901 mit dem Bau des »Wiener Brauhaus Reg.Gen.m.b.H.«, das auch aus architektonischer Sicht durchaus beachtenswert war, begonnen. Die Voraussetzungen bezüglich Standortwahl, Absatzmöglichkeiten, Brauwasser und Ausdehnungsmöglichkeiten waren auch sehr positiv. 1902 begann die Mälzerei mit dem Betrieb, am 16. Februar 1903 fand die feierliche Eröffnung statt und am 7. Juni konnte mit der Bierproduktion begonnen werden.251 Leider gab es von Anfang an innerbetriebliche Streitereien Bierbrauen als städtische Bürde – das Wiener Stadtbräu in Rannersdorf 219
u. a. über die hohen Auflagen bezüglich der Pensionszahlungen und der zu klein geplanten Betriebsgröße. Viele Einleger zogen schon 1904 ihr Kapital zurück, so dass das Projekt bald vor dem Zusammenbruch stand. Dazu kam, dass dieser Akt der Selbsthilfe von den damaligen Brauherren – allen voran Anton Dreher aus dem benachbarten KleinSchwechat – als Einbruch in ihre Interessenssphären empfunden wurde. Das neue Brauhaus wurde vom Brauherrenverein mit allen nur zur Verfügung stehenden Mitteln der Publizität bekämpft. Dadurch war dem Brauhaus ein denkbar unglücklicher Start beschieden und am 26. Juni 1905 beschloss die Genossenschaft bei einer dramatischen Generalversammlung in der Volkshalle des Wiener Rathauses – mit 1.436 gegen 108 Stimmen – die Genossenschaft aufzulösen und das Brauhaus der Gemeinde Wien zu übergeben. Dort hatte sich die Politik völlig geändert. Nach der Ablöse der Liberalen durch die Lueger-Partei im Gemeinderat stand man Eingriffen in die Wirtschaft und Kommunalisierungen von Betrieben nun durchaus positiv gegenüber. Am 30. Juni 1905 fand unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger die entscheidende Sitzung des Wiener Gemeinderates statt. Da seine christlichsoziale Stadtverwaltung in den Jahren davor wiederholt über die Gründung einer städtischen Brauerei nachgedacht hatte, konnte er ohne größere Schwierigkeiten die Rettung der Brauerei durchsetzen und der Antrag des Stadtrates, das Brauhaus Rannersdorf zu kommunalisieren, wurde angenommen. Es gab nur sieben Gegenstimmen. Auch die Sozialdemokraten stimmten dafür, weil ihr Hauptredner Franz Schuhmeier Bier als »flüssige Nahrung« seiner Arbeiter bezeichnete, das man ihnen kostengünstig zur Verfügung stellen müsse. So konnte die Gemeinde Wien 1.200 Wiener Gastwirte und sonstige Kleinanleger vor dem wirtschaftlichen Ruin retten. Viele hatten nicht nur ihre ganzen Ersparnisse, sondern auch Darlehensbeträge investiert, um Anteilscheine an dem Genossenschaftsbrauhaus zu erwerben. Da sie typische Wähler der Christlichsozialen waren, beschloss man, sie mit der Hälfte des Reingewinnes für Rückzahlung und Verzinsung ihres Kapitals abzufinden.252 Die Gemeinde Wien kam nun mehr oder weniger ungewollt zu einer Brauerei und hatte nebst ihrer eigentlichen Funktion, ein qualitativ hochstehendes, preiswertes Bier herzustellen, auch wesentliche wirtschaftliche und soziale Aufgaben zu erfüllen. Am 1. September 1905 ging das Brauhaus tatsächlich in den Besitz der Gemeinde Wien über. Die Produktionsstätte wurde zügig ausgebaut und bald zeigte sich, dass das »Brauhaus der Stadt Wien« gar nicht so 220 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
252 Berg, Fischer : Vom Bürgerspital zum Stadtbräu S. 19 und Pellar : Geschichte – nicht ohne uns, S. 144.
253 Die Neue Zeitung vom 26. Juli 1908, S. 4, und Reichspost vom 26. September 1911, S. 6.
schlecht geführt wurde, wie es der Wiener Brauherrenverein prophezeit hatte. Die Straßenbahn wurde zum Biertransport verwendet und die städtischen Markthallen waren als Bierdepots wie geschaffen. Bereits bei den von den Wirten heftig bekämpften Bierpreiserhöhungen der Jahre 1908 und 1911 fiel das städtische Brauhaus auf, weil es über die Zeitungen verkünden ließ, dass man den Kartellbeschluss zur Preiserhöhung nicht befolgen werde.253 Aus diesem Grund versuchte nun der Brauherrenverein, der Stadt das Unternehmen abzukaufen. Im Gegensatz zu vielen anderen widerspenstigen Brauereien in Niederösterreich, die man ruinierte, hatte das Kartell aber gegen die Stadtverwaltung keine Chance. Diese erzielte zwar bis zum Beginn des Weltkrieges – vor allem wegen der restriktiven Preispolitik – keinen Reingewinn, konnte aber den Ausstoß kontinuierlich steigern und gehörte bald zu den größten Wiener Brauereien. 1912 wurde mit 257.981 Hektolitern der Höchstausstoß der Vorkriegszeit gemeldet. Die Schulden der Genossenschaft wurden weiter reduziert und die ehemaligen Genossenschafter wurden letztendlich mit 70 Prozent des Nominalwertes ausbezahlt. Zwei Jahre später brach der Erste Weltkrieg aus und der Bierabsatz sank wie bei den anderen Brauereien beträchtlich. Je länger der Krieg dauerte, desto schlimmer wurden die wirtschaftlichen Umstände. Für die sozialdemokratische Gemeindeverwaltung, die ab 1919 die Verwaltung übernahm, war das Brauhaus ein wichtiger städtischer Betrieb. 1923 waren wieder genügend Rohstoffe vorhanden und man konnte wieder Bier auf Vorkriegsstandard brauen. Man hoffte auf eine stetige Konjunkturverbesserung und schuf eine Erzeugungsmöglichkeit für 500.000 Hektoliter – ein Ausstoß, der 1928 fast erreicht wurde. Der Nachkriegs-Bierboom in Wien konnte ausgenutzt werden, und man produzierte bereits mehr Bier als in Liesing und Ottakring. 1923 wurde mit dem Bau der Arbeiter- und Beamtensiedlung in der Kübelgasse (heute Stankagasse) und gegenüber des Wallhofes begonnen. Die Wohnungsmieten waren moderat. Bis 1930 wurde, wie in der benachbarten Schwechater Brauerei, hohe Beträge in den Maschinen- und Fuhrpark (90 Pferde und 35 Lastkraftwagen) sowie in neue Lagertanks investiert. Das Sudhaus soll damals das modernste Europas gewesen sein. 1927 schloss man die Brauerei an die Wiener Hochquellwasserleitung an und grub einen vierten Brunnen für die Nutzwasserversorgung. In Wien wurde ein Zentraldepot sowie eine Flaschenbierzentrale in der Simmeringer Hauptstraße eingerichtet. Ein Wohlfahrtsgebäude mit moderBierbrauen als städtische Bürde – das Wiener Stadtbräu in Rannersdorf 221
Brauereigelände um 1910
und um 1933
Sudhaus um 1910
und um 1933
Mälzerei um 1910
und um 1933
222 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Biertransport um 1910
254 Schwechater Museumsnachrichten Nr. 2/1993, S. 19 f.
und um 1933
nen Umkleideräumen und Bädern sowie einem Brauhaus-Restaurantsaal mit Werksküche, in der um ein paar Groschen gegessen werden konnte, waren für Arbeiter und Angestellte soziale Errungenschaften, von denen Brauereiarbeiter anderer Betriebe nur träumen konnten. Es wurden Löhne und Zuwendungen weit über dem Kollektivvertrag ausgezahlt. 254 Für damalige Verhältnisse besonders fortschrittlich, wurde ein Freischwimmbad im Werksgelände errichtet und den Beschäftigten und ihren Angehörigen zur Verfügung gestellt. In einem Verwaltungsbericht der Stadt Wien konnte man lesen : »Das erfolgreiche Wirtschaften führte auch dazu, daß Überschüsse des Brauhauses der Stadt Wien dazu verwendet werden konnten, Stadtrat Prof. Dr. Julius Tandler die Errichtung des ersten Krebsforschungsinstitutes mit Radiumbehandlung im Krankenhaus Lainz zu ermöglichen.« Die 1930er Jahre brachten für die Brauerei einen spürbaren Rückschlag. Durch die Wirtschaftskrise verringerte sich die Produktion spürbar und dem politischen Umsturz 1933/34 folgte eine umfangreiche Kündigungswelle für die meist sozialdemokratischen Angestellten und Arbeiter. Im Gegensatz zu den anderen Brauereien handelte es sich um einen städtischen Betrieb, der stark von den politischen Machtverhältnissen abhängig war. Die neue vom Ständestaat eingesetzte Betriebsleitung wollte und konnte keine neuen Investitionen vornehmen, unter anderem weil der Bierverbrauch in ganz Österreich bis 1938 sehr stark zurückging. 1937 wurde nicht einmal die Hälfte des Jahres 1930 produziert. Als die Nationalsozialisten in Österreich einmarschierten, wurde die gesamte Führungsmannschaft aus politischen Gründen entlassen und ein großer Bierbrauen als städtische Bürde – das Wiener Stadtbräu in Rannersdorf 223
Teil der Arbeiter ausgetauscht : »Gemaßregelte aus der Ständediktatur wurden teilweise wieder aufgenommen, dafür ›Unbelehrbare‹ entlassen. Manch einer, der sein Fähnlein rechtzeitig in den Wind gehangen hatte, konnte mit einem sozialen Aufstieg rechnen …«255 1938 stand im bereits von den Nationalsozialisten geschriebenen Verwaltungsbericht der Stadt Wien : »Bis in die Tage des politischen Umbruchs im Frühjahr 1938 hatte die im Lande Österreich seit Jahren herrschende Wirtschaftskrise mit allen ihren Auswirkungen gerade mit besonderer Gewalt auf den Betrieben der ostmärkischen Brauindus trie gelastet … Erst der politische Umbruch im Jahre 1938 gebot diesem Prozeß der fortschreitenden Verkümmerung Einhalt und ließ die Brauindustrie der Ostmark durch die Eingliederung in die blühende Wirtschaft des Deutschen Reiches an jener Entwicklung teilhaben, deren sich die Brauereien des Altreichs schon seit Jahren erfreuen. Über Nacht setzte die Erzeugung und Absatz eine geradezu stürmische Aufwärtsentwicklung ein …« Wie man weiß, hielt die euphorische Stimmung ja nicht lange an. Was folgte, war der Schrecken des Zweiten Weltkrieges, der mit schwersten Schäden der Brauereigebäude durch Bombardierung und Kämpfe in den letzten Kriegstagen endete. Die russischen Truppen besetzten den Betrieb und richteten das Direktionsgebäude und die Mälzerei als Lazarett ein, die Werkskantine wurde in einen Operationssaal verwandelt. Die Autowerkstätte und sämtliche Garagen wurden von Truppen in Verwendung genommen und der Betrieb durfte nur mehr von jenen Bediensteten betreten werden, die vom russischen Kommando zur Arbeitsleistung herangezogen wurden. Im Gegensatz zur Schwechater Brauerei, wo Manfred Mautner Markhof Wachposten aufstellen ließ, kam es außerdem zu Plünderungen, bei denen Tanks und Maschinen beschädigt wurden. Es ist ein Wunder, dass unter diesen Umständen im Juni mit dem Brauen begonnen werden konnte und im August das erste Bier zum Ausschank kam, das wahrscheinlich mit diesem Begriff noch wenig zu tun hatte. Da vorerst keine Transportfässer zur Verfügung standen, mussten die Kunden das Bier selbst abholen, was sie mit unterschiedlichsten Fahrzeugen, vom Handwagen und landesüblichen Fuhrwerk bis zum geländegängigen Militär-Lastkraftwagen erledigten. Erst langsam konnte der Fuhrpark notdürftig zusammengestellt und die Rohstoffe für die nächste Bierkampagne besorgt werden. Die Brauerei berichtete : »Die Schwierigkeiten des Abtransportes konnte aber auch im Laufe der nächsten Wochen behoben werden. In 224 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
255 Ebenda.
Fritz Imhoff auf einem Werbeplakat des Stadtbräus
der provisorischen Autowerkstätte wurden aus Autowracks (Saurer wagen, Baujahr 1903) 3 Lastwagen fahrbereit gemacht, 2 weitere Autos und 1 Traktor, die vom Volkssturm beschlagnahmt worden waren, konnten repariert werden … Der Direktor selbst und einige Angestellte, die Beziehungen zur Landwirtschaft hatten, gingen auf sehr abenteuerliche Touren, um einen oder auch nur einen halben Waggon Gerste aufzutreiben. Es gelang auch wirklich, das bewilligte Gerstenquantum aufzukaufen, und, was auch nicht sehr leicht war, sie im eigenen oder gemieteten Fuhrwerk sicher in die Brauerei zu bringen.« Wegen des fehlenden Hopfens und der geringen Gerstezuteilung konnte im Jahre 1946 nur ein Bruchteil der Betriebskapazität ausgenützt und nur Leichtbier ausgeschenkt werden. Erst im Oktober 1948 konnte man mit der Erzeugung von höhergrädigem, also wieder normalem Bier beginnen. Zu den Weihnachtsfeiertagen des Jahres 1953 wurden zwei Sorten Starkbier auf den Markt gebracht : das 16-gradige Stadtbräu-Weihnachtsbier und das 20-gradige Porter. In den Kinos lief die Werbung »Prost Stadtbräu« und der bekannte Schauspieler Fritz Imhoff lächelte von den Plakaten »Zum Weihnachtsbratl – Stadtbräu Weihnachtsbier«. Die Autoren, die damals noch Kinder waren, können sich an die umfangreichen Werbemaßnahmen des Stadtbräus noch gut erinnern. Zum Neujahr wurde auf 600.000 Totoscheinen geworben, und Hochzeitspaare bekamen nebst einem Glückwunschschreiben eine Kostprobe von »Stadtbräu« und »Stefflbräu«. In allen Gemeindebauten gab es Hinweise auf das Stadtbräu und auch im Radio wurden im Sender Wien I um 13.45 und 18.50 Uhr Werbespots ausgestrahlt. Mehrere großangelegte Neon-Lichtreklamen warben an wichtigen Verkehrspunkten für Stadtbräu. In den Straßenbahnen sah man Sprüche wie »Kommt dir die Steuer in die Quere – dann muß ein Schluckerl STADTBRÄU her !«, »Der Frühling naht, das Herz wird schwer – Da muß ein Schluckerl STADTBRÄU her !« oder »Heut’ geht’s mir gut – heut’ bin i’ wer ! Heut’ muss ein Schluckerl STADTBRÄU her !« Im Sommer 1954 veranstaltete die Brauerei in verschiedenen Gasthäusern eine Gratis-Stadtbräu-Bierkost. An den Türen sämtlicher Kabinen der Städtischen Freibäder wurde »ein lustiges Bild von Fritz Imhoff« geklebt. Die letzten dieser Bilder klebten noch vor kurzem im leider gesperrten und inzwischen abgerissenen Hohe-Warte-Bad. Ebenso dramatisch wie die Gründung verlief dann aber in den letzten 1950er Jahren die Betriebsschließung der Brauerei. Schon im Juli 1955 tauchten die ersten Gerüchte über einen Verkauf des Brauhauses Bierbrauen als städtische Bürde – das Wiener Stadtbräu in Rannersdorf 225
auf. 1957 konnte infolge der anhaltend günstigen Wirtschafts- und Ertragslage sowie wegen des steigenden Fremdenverkehrs und nicht zuletzt der außerordentlichen Hitzewelle noch der bisher höchste Bierausstoß der Nachkriegszeit verzeichnet werden. Die Werbetätigkeit erreichte einen Höhepunkt, als beim Abschlussfest anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Gänsehäufels als 1. Preis eine »Goggomobil-Limousine« ausgespielt wurde. Hinter vorgehaltener Hand wurde jedoch immer mehr vom Verkauf der Brauerei gemunkelt und es wurde von untragbaren Lasten für die Gemeinde, von zurückgehendem Bierabsatz und von Pensionen, die zu teuer kämen, gesprochen. Der schon öfter zitierte Adolf Eszöl, damals Leiter des Heimatmuseums in Schwechat, schilderte die Situation aus seiner Sicht : »Hinter den Kulissen jedoch bahnte sich schon der Untergang der Brauerei an. Vertreter der Gemeinde Wien, an der Spitze der zuständige Stadtrat, ›Finanzgenie‹ und spätere Bürgermeister Felix Slavik, hatten Kontakt zu zwei Käufergruppen aufgenommen, die das Brauhaus übernehmen wollten. Einer der Interessenten war ein deutscher Konzern, der den Betrieb nach Übernahme unverändert weiterführen wollte. Gegen diesen wurde polemisiert. Die Brauerei sollte ›österreichisch‹ bleiben. Die zweite Gruppe bestand aus einem Konsortium österreichischer Brauereiinhaber, in der die Familie Mautner Markhof 52 Prozent der Anteile hielt. Dies drang bald auch an die Ohren der Arbeiter, die sich in zwei Gruppen teilten, die jeweils ›ihren‹ Favoriten verteidigten : Eine davon hätte lieber unter dem deutschen ›Herrn‹ gearbeitet, als das Risiko auf sich zu nehmen, den Arbeitsplatz zu verlieren. Die zweite Gruppe glaubte, sich unter den Fittichen der ›Österreicher‹ besser aufgehoben. Der ganze Streit war aber unnötig, denn die Arbeiter wurden sowieso nicht gefragt. Unterdessen gingen die Verhandlungen unter größter Geheimhaltung weiter. Die stark verunsicherte Arbeiterschaft, bis zuletzt im Unklaren gelassen, erfuhr schließlich das Ergebnis. Nicht wie man vielleicht glauben sollte, von der Betriebsleitung, sondern aus der Zeitung. Die kommunistische ›Volksstimme‹ hatte als einzige Zeitung den Mut, über die Verhandlungspraktiken und das Endergebnis zu berichten. Die österreichische Gruppe hatte das Rennen gemacht und gab gleichzeitig bekannt, dass die Rannersdorfer Brauerei eingestellt werde. Nun war die Verwirrung groß, zumal Eingeweihte wissen wollten, dass der deutsche Konzern 178 Millionen Schilling geboten hatte und weitergearbeitet hätte, die Mautner-Gruppe dagegen nur 140 Millionen und die Einstellung verlangte.«256 226 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
256 Die Schwechater Brauereien, zeitgeschichtliches Archiv von Adolf Ezsöl, Bericht 4, unveröffentlicht.
Im Juli 1959 beschloss der Gemeinderat, das Angebot der Interessen gruppe österreichischer Brauereien auf Ankauf des Brauhauses der Stadt Wien anzunehmen. Der Betrieb wurde mit Ende des Jahres 1959 stillgelegt und der »Karl-Oppolzer-Kommanditgesellschaft« übergeben.257 Offiziell wurde nur verlautet : »Die Arbeiter und Angestellten wurden unter Wahrung ihrer sozialen Rechte einvernehmlich mit den Betriebsräten und zuständigen Gewerkschaften zu einem Teil von den Kaufbrauereien übernommen, zum anderen Teil setzen sie ihr Dienstverhältnis bei der Stadt Wien fort, soferne sie noch keinen Anspruch auf die Versetzung in den Ruhestand haben«. Adolf Eszöl erzählte weiter : »Obwohl noch heute von Fachleuten die Meinung vertreten wird, dass kein Grund, auch wirtschaftlich, für die damalige undurchsichtige Transaktion bestanden hätte, wurde am 31. Dezember 1959 das Todesurteil über einen der wichtigsten Betriebe unserer Region vollstreckt. An diesem 31. Dezember formierten sich die Arbeiter zum letzten Mal zu einem Umzug in ›ihrer‹ Brauerei. Am Schluss der Kundgebung begruben sie das ›Wiener-Stadtbräu‹ symbolisch beim Haupttor. Als einige von ihnen am Fabriksschlot eine schwarze Fahne aufzogen, wurde die Polizei gerufen, die die Entfernung derselben verlangte.« Nachdem die Brauanlagen einige Jahre leer standen, wurden einige Gebäude 1968 von der Firma Rohr-Mertl angekauft und zum größten Röhrenlager Österreichs umfunktioniert. Das ehemalige Sudhaus wurde in den Jahren 1969 bis 1971 umgebaut, und diese Gebäude bestehen großteils noch. Die Saladin-Mälzerei (Hähergasse 12) wurde bis 1979 von der Brauerei Schwechat und danach nur mehr als Getreidespeicher genutzt. Zuletzt standen diese Gebäude leer und wurden 1996/97 abgetragen und an ihrer Stelle Wohnhäuser errichtet. Die Wurzeln vieler bekannter Brauerfamilien – das Umland von Schwechat
257 Stadtbräu-Kurier Mitteilungen des Brauhauses der Stadt Wien, Ausgabe XLIII, Rannersdorf, Dezember 1959.
Hier stoßen wir auf viele bekannte Namen wie Dengler (Mannswörth), Dreher (Oberlanzendorf ), Mautner Markhof (Leopoldsdorf ), Kuffner (Himberg) sowie Mayer und Meichl (Zwölfaxing). Sie sollten uns schon deshalb interessieren, weil hier große Brauherrenkarrieren begannen. Es gibt aber auch einige kleinere wie Fischamend, Ebergassing und Gramatneusiedl, die wir auch nicht vergessen wollen. Die Wurzeln vieler bekannter Brauerfamilien – das Umland von Schwechat 227
Gut Freyenthurn im Jahre 1672
Hier begann Franz Dengler – die Herrschaftliche Landgutbrauerei Freyenthurn in Mannswörth
Beginnen wir mit Mannswörth, heute ein Teil der Stadt Schwechat. Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges kamen Einwanderer aus Südbayern, um sich dort anzusiedeln. Das dürfte auch der Grund für die Errichtung einer Brauerei im befestigten schlossartigen Landsitz Freyenthurm gewesen sein, die 1702 erstmals erwähnt wird, aber vermutlich schon länger bestanden hat. In der Pfarrkirche von Mannswörth kann man den Grabstein des »Gewesten Braumaister Schwarzenbach«, der 1733 starb, entdecken.258 Einige Jahre vor 1829 scheint Franz Dengler als Brauhauspächter auf. Er dürfte recht erfolgreich und geschickt gewirtschaftet haben, denn in diesem Jahr konnte er die damals schon sehr beliebte Hütteldorfer Brauerei kaufen, und die war sicher nicht billig. Bis 1845 wurde hier Bier gebraut, zuletzt 4.500 Hektoliter. 1849 erstand Anton Dreher d. Ä. von Friedrich Ritter von Meißl den »herrschaftlichen Freyenthurm und Blauhof zu Mannswörth samt 331 Joch Grundstück und einem Brauhaus«, baute den Gutshof zu einer Mälzerei mit dreizehn Malztennen um und nannte ihn »Mannswörtherhof«. Die Mälzerei stand bis 1902 in Betrieb, dann wurde der dazugehörende Grundbesitz den anderen Dreher’schen Gütern zugeteilt und nur mehr landwirtschaftlich genutzt.259 228 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Franz Dengler (1781–1862)
258 Sautner : Chronik Mannswörth, S. 15. 259 Schwechater Heimatbuch, S. 234.
Malzdarre um 1980
Malztenne um 1990
Die ehemaligen Brauereigebäude im Nordtrakt wurden bei Luftangriffen in den Kriegsjahren 1944 und 1945 großteils zerstört. Das Hauptgebäude des Schlosses, das einst die Malztennen beherbergte, wurde 1988 unter Denkmalschutz gestellt und bestand noch lange in verfallendem Zustand. Nachdem die Gemeinde Schwechat das gesamte Anwesen erDie Wurzeln vieler bekannter Brauerfamilien – das Umland von Schwechat 229
Lageplan der Brauerei im Franziszeischer Kataster
worben hatte, begann man mit der Revitalisierung des Haupttraktes und nutzte ihn als Veranstaltungssaal, Bibliothek und Hort. Das Dach der Malzdarre mit dem markanten Kamin war zuvor zusammengebrochen, und so wurde dieses Gebäude mit einigen anderen abgerissen und das Areal an eine Wohnbaugenossenschaft verkauft, die hier Wohnhäuser errichtete. Der Schlosscharakter der Anlage ist damit weitgehend verloren gegangen. Hier begann Franz Anton Dreher – die Schlossbrauerei Oberlanzendorf
Ein Dreher begegnet uns auch in der herrschaftlichen Gutsbrauerei in Oberlanzendorf, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Schloss und Gut des Grafen Hermann Friedrich Königsegg-Aulendorf, einem Verwandten des Besitzers des Gumpendorfer Brauhauses, gehörte. Bereits 1619 wurde von hier Bier nach Wien geliefert. Auch für das Jahr 1760 ist belegt, dass das hier erzeugte Luft- oder Braunbier großteils nach Wien »versilbert« wurde. In die Brauereigeschichte eingegangen ist das Brauhaus, weil es Franz Anton Dreher, der spätere Besitzer der Brauerei Klein-Schwechat, 1773 unter Verwendung der Mitgift seiner damaligen Gattin Anna, pachten konnte.260 Das Bräuhaus besaß bei der Übernahme durch Dreher eine Braupfanne »auf 40 Eimer« und war so klein, dass »zur Verfrachtung 230 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Barocke Skulptur des Hl. Rochus mit Brauerzeichen bei der Kirche Maria Lanzendorf 260 Ableidinger : Geschichte von Schwechat, S. 355.
Steintafel mit der Inschrift »F.A.D. 1773«
des Materials und des Bieres nur eine einzige Zugkraft – eine Kuh – zur Verfügung stand«. Er musste jährlich 300 Gulden nebst 40 Eimer Bier als Pacht zahlen und außerdem »die halben Trebern, die Hälfte Trank, 5 Eimer Branntwein und 5 Eimer Essig« abliefern. Immer wenn es Dreher schlecht ging, machte er mit seiner Frau eine Wallfahrt zu Fuß nach Mariazell, wohin er ein hölzernes Kreuz trug, um Gottes Segen zu erlangen. Der liebe Gott dürfte ihn wohl erhört haben, und sein Fleiß, seine Intelligenz, die Geschicklichkeit und vor allem die Liebe für das Bier machten es möglich, dass er sich trotz des schlechten Pachtvertrages ein »nicht unbedeutendes« Vermögen zusammensparen konnte, mit dem er 1782 das wesentlich größere Leopoldstädter Brauhaus des Bürgerspitals im Unteren Werd zu Wien pachten konnte.261 Der Betrieb wurde zwar von den nachfolgenden Pächtern weiter ausgebaut, musste aber wegen veralteter Braumethoden 1846 die Produktion einstellen. Im November 1900 errichtete man im benachbarten Schloss das Kaiserin-Elisabeth-Asyl für verkrüppelte Kinder. Während der Nazizeit war hier ein berüchtigtes Arbeitserziehungslager untergebracht, in dem etwa 400 Personen infolge von Misshandlung, Hunger und Krankheit starben. Seit 1945 gehört das Gut Schloss Oberlanzendorf der Caritas Wien, die hier ein Behindertenzentrum betreibt. Da die Hauptstraße direkt durch das Brauhaus führte, musste es im Zuge der Straßenverbreiterung abgerissen werden. Bis vor einigen Jahren gab es eine halbverwitterte Steintafel mit der Inschrift mit den Initialien Franz Anton Drehers »F.A.D.1773«, die einmal eine Gerstenweiche zierte und später oberhalb des Eingangs zum Kanzleitrakt in der Schwechater Brauerei eingemauert wurde262. Leider ist dieses einzige Erinnerungsstück an den Beginn der Brautätigkeit der Familie verloren gegangen. Hier begann Georg Heinrich Mautner Markhof – die Schlossbrauerei Leopoldsdorf
261 Promintzer : 300 Jahre Brauhaus, S. 19. 262 Ebenda. 263 Hofkammerarchiv, NÖ Herrschafts akten, L29, fol. 21–25b, 1602.
Nicht nur Dreher, auch eine andere bekannte Familie begann in dieser Region ihre Brautätigkeit : der so genannte Floridsdorfer Zweig der Familie Mautner Markhof. Georg Heinrich, der drittälteste Sohn des Wiener Familiengründers Adolf Ignaz, hat in der Schlossbrauerei Leopoldsdorf sein erstes Bier gebraut. Dieses herrschaftliche Brauhaus wurde erstmals 1602 erwähnt263 und kam 1839 in den Besitz der als Bankiers bekannten Freiherren von Sina. Die Wurzeln vieler bekannter Brauerfamilien – das Umland von Schwechat 231
Das ehemalige Brauereigebäude um 1996
1884 erwarb Georg Heinrich, der kurz zuvor von Kaiser Franz Joseph gemeinsam mit seinem Vater zum Ritter von Markhof ernannt wurde, den Besitz. Nach St. Marx, Schwechat und Floridsdorf ist das die bereits vierte Familien-Brauerei, auf die wir in diesem Buch eingehen. Georg Heinrich war zwar gelernter Braumeister, sollte sich aber dem zweiten Standbein des Familienbetriebs, dem Hefegeschäft, widmen und es aufbauen. Die weitere Geschichte, die ihn zum Gründer der St.-Georgs-Brauerei werden ließ und die zu einem etwas seltsamen Familienkontrakt führte, haben wir im Kapitel über diese Brauerei beschrieben. In Leopoldsdorf hat er aber bereits ein »Georgs-Bier« gebraut und dazu das Wasser aus dem Wiener Neustädter Kanal verwendet, was heute kaum vorstellbar ist. Nach dem Verkauf an seinen Schwager Otto von Waechter, wurde das Brauhaus mehrfach verpachtet und es soll noch bis Mitte der 1930er Jahre Bier in Kleinstmengen für den Eigenbedarf gebraut worden sein. Das Braurecht besteht bis heute264, das noch bestehende Brauhausgebäude wird als landwirtschaftlicher Schüttboden verwendet.
Georg I. Heinrich Mautner von Markhof (1840–1904)
Auch hier wirkten die Kuffner – die Brauerei Himberg
Eine dritte bekannte Brauherrenfamilie begegnet uns in Himberg. Die Brauerei muss schon 1590 bestanden haben, weil in diesem Jahr im Grundbuch der uns schon vom Hütteldorfer Brauhaus bekannte Hans vom Stainer Kreuz als »Pierbreuer zu Himperg« aufscheint. Das alte Bräuhaus stand damals schon in der heutigen Brauhausgasse »ain halb Lehen bey St. Catharina daselbst zu Himperg«. Wir überspringen die Geschichte 232 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
264 Mitteilung von Dipl. Ing. H. Manz, Gut Leopoldsdorf, 1996.
der nächsten zweieinhalb Jahrhunderte, bis die Brauerei, die jährlich rund 15.000 Hektoliter erzeugte, nach einem Konkurs von der Marktgemeinde Himberg übernommen und dann an das Ehepaar Lorenz und Josepha Tröger verkauft wurde. Diese dürften aber nicht selbst gebraut haben, denn bereits vor 1857 wurde es an die Brüder Adolf und Gottlieb Kuffner, Neffen des bekannten Ottakringer Brauherrn, verpachtet, die es bis zur Einstellung im Jahre 1869 betrieben und in diesem letzten Jahr nur mehr 505 Hektoliter Bier brauten. Die beiden pachteten 1878 das Brauhaus in Wien-Hernals, wo sie wesentlich erfolgreicher waren. Die Gebäude der alten Brauerei wurden im Jahre 1871 verkauft und gingen, nachdem sie mehrere Besitzer hatten, im Jahre 1885 im Versteigerungswege an Samuel und Jacob Reif über, die hier eine Malzfabrik einrichteten. Damals wurden die Gebäude stark verändert bzw. neu errichtet. Der charakteristische Kamin der Malzdarre prägt noch heute diesen Teil von Himberg. Auf dem Areal werden nun Kunststoffteile für den Sanitärbereich erzeugt. Brauereipioniere – das Brauhaus Zwölfaxing
Pestkreuz von 1680 mit der Inschrift : Dein am Oelberg geschwitztes Bluet, uns in Todesangst kam zu guets, zu einem ewigen Gedächtnis habe ich, Georg Schweninger, Braumeister von Zwölfaxing, dieses Kreuz aufrichten lassen.
265 Berg, Fischer : Vom Bürgerspital zum Stadtbräu, S. 15. 266 Sailer : Das Bierbrau- und Schankmonopol, Anhang. 267 Sprosec : Zwölfaxing, S. 274.
In Zwölfaxing gab es bereits vor 1612 ein herrschaftliches Brauhaus265, von dem wir wissen, dass es 1622 19 Eimer Bier nach Wien brachte266 und 1634 anlässlich einer Pfändung der Herrschaft Zwölfaxing genannt wird. Der gesamte Besitz und auch die Brauerei dürften damals arg abgewirtschaftet gewesen sein. Es gibt weitere Erwähnungen dieses Brauhauses : 1680 ließ der Braumeister von Zwölfaxing, Schweninger, als Dank für die überstandene Seuche ein Pestkreuz errichten, das noch in der Nähe des Neu-Kettenhofes steht und den Braumeister namentlich erwähnt. 1727 wurde das Testament vom »seeligen Johann Heinrich Haugg, gewester Bräumeister zu Zwölfaxing« eröffnet und 1790 das »mit Wassermaschinen wohl versehene Bräuhaus und eine herrschaftliche Mühle mit 4 Gängen« erwähnt.267 1806 schlug der Feuerteufel zu und äscherte die vorwiegend mit Holz eingerichteten Gebäude der Brauerei und der Mühle ein. Die Kirche und die benachbarten Häuser des Dorfes blieben auch nicht verschont. 1810 verkaufte die Herrschaft Gatterburg die Brandstatt an Private, nämlich an das Ehepaar Franz Anton und Theresia Köller. Zu dieser Zeit begannen die aus England stammenden eisernen Sudhäuser ihren Siegeszug um die Welt und Zwölfaxing war wohl eines der ersten, vermutlich sogar das erste Brauhaus in und um Wien, in dem ein Die Wurzeln vieler bekannter Brauerfamilien – das Umland von Schwechat 233
Ehemaliges Gemeindewirtshaus um 1989
Brauereieinfahrt um 1989
so modernes und hygienisches Sudwerk eingerichtet wurde. Dies dürfte große Aufmerksamkeit erregt haben, denn es wird immer wieder als »besonders merkwürdig« bezeichnet, was damals so viel wie besonders bemerkenswert hieß. Auch die Mühle wurde neu errichtet. Man kann sich vorstellen, dass das alles nicht billig war und so musste das Ehepaar Köller Darlehen »zur gänzlichen Herstellung unseres Bräuhauses und der damit verbundenen Gebäude« aufnehmen. Braumeister war der Sohn des Hauses, Johann Köller. Der galt als äußerst widerspenstig und geriet laufend mit den Behörden in Konflikt. Er widersetzte sich 234 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Ehemalige Brauereigebäude um 1989
Kontrollen seines Betriebes und kam auch amtlichen Vorladungen nicht nach, was ihm gesalzene Geldstrafen einbrachte.268 Die Familie Köller verschuldete sich immer mehr, so dass das Brauhaus 1821 zur Versteigerung ausgeschrieben wurde. Als Interessenten scheinen die uns bekannten Schwechater Brauherren Karl Mayer und Georg Meichl auf, die jedoch vom Wiener bürgerlichen Zimmermeister Anton Öferl überboten wurden. Er verkaufte das Brauhaus kurz darauf dem Ehepaar Johann und Katharina Plank, Mühleninhaber in Ran nersdorf, enge Verwandte des Gründers der Ottakringer Brauerei. Als sie in Konkurs gingen, wird als federführender Anwalt ein gewisser Dr. Johann Nestroy, Vater des bedeutenden Dramatikers und Satirikers Johann Nestroy, genannt.269 Schließlich kam das Brauhaus 1844 doch an Karl Mayer, ständischer Brauhausbesitzer aus Schwechat, der die Produktion kurz darauf einstellte. Die Gebäude sind in veränderter Form großteils erhalten. Bier und Branntwein in der Schlossbrauerei Schwadorf
268 Ebenda, S. 278. 269 Sprosec : Zwölfaxing, S 281f. 270 Hofkammerarchiv, NÖ Herrschafts akten, S. 40, fol. 795–805b, 1616.
Im herrschaftlichen Bräuhaus in »Schwandorf«, wie Schwadorf früher manchmal genannt wurde, findet man nur unbekannte Brauernamen. Es wurde 1616 erstmals erwähnt270, gehörte wie auch das Schloss den Passauer Erzbischöfen und zählte neben den Mühlen zu den ältesten Dominikalhäusern des Ortes. In alten Aufzeichnungen ist von WassereinDie Wurzeln vieler bekannter Brauerfamilien – das Umland von Schwechat 235
Brauhaus Fischamend vor dem Ersten Weltkrieg
läufen und Schöpfrädern die Rede. Aus dem Jahre 1695 wissen wir nur, dass im Bräuhaus auch Branntwein erzeugt wurde und in diesem Jahre ein »Brandwein-Kössel« für 72 Gulden neu angeschafft wurde. Das Bier wurde im Brauhaus selbst, aber auch in den Herrschaftswirtshäusern der untertänigen Ortschaften ausgeschenkt.271 Auch nach Wien wurde Bier geliefert.272 Der Betrieb wurde 1848 eingestellt und das Gebäude in eine kleine Meierei mit einer Wohnung für den Verwalter umgebaut. Dieses fand ab 1891 für die Schwadorfer Spinnerei Verwendung, die im Hof ein großes Magazin errichtete und es nach Entfernung der noch vorhandenen Kessel und Bräugeräte in ein Arbeiterwohnhaus umwandelte. Den Namen »Bräuhaus« hat das desolate Gebäude bis zu seinem Abbruch weitergeführt. Die Brauereien von Fischamend
Seit Mitte des 17. Jahrhunderts ist uns in Fischamend eine Mühle mit einem Brauhaus im Besitz der Dominikaner bekannt. Anfang des 18. Jahrhunderts erhielten die Mönche auch das Recht, Bier nach Wien zu führen, was sie auch ausnützten.273 1830 brannte das Bräuhaus ab. Die Brauerei wurde wieder aufgebaut, aber 1880, genau 50 Jahre s päter, stellte man den Braubetrieb ein. Die Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerbombt und es gab jahrelang nur noch ein paar verfallene Mauerreste, die inzwischen Wohnhäusern gewichen sind. Nur das Brau236 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
271 Heimatbuch des Bezirkes Bruck a. d. Leitha, S. 157. 272 Wiener Landesarchiv, Jahrschilling und Strafbuch der Bierversilberer in der k.k. Haupt- und Residenzstatt Wien 1700–1868. 273 Ebenda.
Im Hof des Brauhauses, 1928
gasthaus wurde nach dem Krieg wieder hergerichtet und als Wirtshaus »Zum alten Brauhaus« weitergeführt. Danach bestand in dem Gebäude noch lange das Lindenberger Café, heute ist es ein Wohnhaus mit einem Geschäftslokal. Zwei Grabsteine an der Kirche weisen darauf hin, dass es auch einmal eine bürgerliche Brauerei in Fischamend gegeben hat. An der Ortskirche findet man nämlich Grabsteine von »Franz Xaver Gerstbauer, Bürgerl. Bräumeister, gest. 4. Juni 1792 im 54. Lj.« und von »David Kraus, Braumeister v. Fischamend, gest. 4. Sept. 1802 im 58. Lj.«. Näheres ist uns aber nicht bekannt. Es existierte auch kurzfristig eine kleine Wirtshausbrauerei im Gasthaus Mappes in der Gregerstraße Nr. 3, das um 1868 bis um 1880 von Anton und um 1884 von Johann Mappes geführt wurde, wobei sich die Brauanlage vermutlich im Nebenhaus befand.274 Noch heute können sich die älteren Bewohner Fischamends an dieses urige Lokal erinnern. Nachdem vom Wirtshaus jahrelang nur noch der Torbogen zeugte, ist mittlerweile hier ein Szenelokal eingezogen. Schon im Dreißigjährigen Krieg zerstört – die Schlossbrauerei Ebergassing
274 Gambrinus : Verzeichnis der österr. Brauereien, 1877 und Mitteilung des Heimatmuseums Fischamend, 1989.
Nur eine kurze Erwähnung ist eine Brauerei im Schloss Ebergassing wert, das zwischen 1540 und 1620 im Besitz der Herren von Apfalter und Thanrädl stand. Mitglieder dieser Familie galten als Rädelsführer der Protestanten in Niederösterreich. Nachdem das Gut 1620 vom Staat Die Wurzeln vieler bekannter Brauerfamilien – das Umland von Schwechat 237
mit Gewalt enteignet wurde, kann man im Schätzungsprotokoll des »Rebellengutes Obergässing« aus dem Jahre 1620/21 lesen : »Im und beim Mayerhof ist ein Bräuhäusl ; aber an der Braupfanne und an den dazugehörigen Geräten ist alles zerstört ; es wird demnach allein das Brauen und die Gerechtigkeit taxiert mit 400 Gulden«.275 Das im Dreißigjährigen Krieg zerstörte Bräuhaus wurde scheinbar nicht mehr in Betrieb genommen, zumindest wird es nirgends mehr erwähnt. Heute sind der Meierhof und die Nebengebäude renoviert und als Sitz des Gutes Marenzi erhalten. Wenige Informationen – die Herrschaftsbrauerei Gramatneusiedl
In Gramatneusiedl sind die Quellen noch dürftiger. Im Zusammenhang mit dem Kauf der Herrschaft Ebergassing durch einen gewissen Jeronimo Bonacina, der im Dreißigjährigen Krieg das Kaiserhaus finanziell unterstützte, wird hier 1623 ein herrschaftliches Brauhaus genannt.276 Das ist aber auch die einzige Erwähnung.
275 Hofkammerarchiv, NÖ Herrschafts akte, Ebergassing E6, fol. 74–80, Schätzungsprotokoll 1621. Beatrix Bastl : Herrschafts-Schätzungen … 1550–1750, Wien 1992. 276 Cech : Chronik von Ebergassing.
238 Die Brauhäuser in der Region Schwechat
Kapitel 5
Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien Wir verlassen nun die Region um Schwechat und kommen in den Süden Wiens, wo es einige bedeutende, aber auch einige kleinere Braustätten gab, und beschließen die Brauereibeschreibungen mit der einzigen, die im Westen, nämlich in Gablitz, lag und immer noch liegt. Ein »missachtetes« Testament – Liesinger Brauhaus
Johann Georg Held (1769–1850)
277 Schultes : Ausflüge nach dem Schneeberge, S. 5f. 278 Spitzer : Liesing, S. 194. 279 Auf Lithographie von Sandmann von 1845, die 6 Jahre nach der Gründung der Brauerei entstand, kann man gut den klösterlichen Ursprung der Gebäude erkennen.
Am längsten bestand die Liesinger Brauerei. Leider sind in den letzten Jahren viele Erinnerungen an sie verschwunden, wenn man von der Braurestauration, den Arbeiterwohnhäusern und den letzten Resten des sehr schönen Museums absieht, die man nur mehr zerpflückt teils in der Schwechater Brauerei, teils im Bezirksmuseum Liesing und teils in der Bierwerkstatt im steirischen Nestelberg bewundern kann. Die Anfänge dieses Brauhauses fallen in die ersten Jahre unseres goldenen Bierjahrhunderts. Wieder steht am Beginn eine Geschichte, die jahrzehntelang immer wieder brav abgeschrieben wurde, obwohl sie nicht ganz richtig ist. Als Gründer gilt Johann Georg Held aus Brunn277, ein schwer sehbehinderter Kriegsveteran. Er hatte die Idee, auf dem Grundstück seiner Mutter eine Brauerei zu errichten. Rosalia Held hatte diese Realität von der damaligen Besitzerin der Herrschaft Liesing, Josepha Gräfin von Breuner, erworben. Ursprünglich wurde hier unter dem sogenannten Steinmaßl vom Wiener Dorotheerstift eine Kellerei mit einem Felsenkeller errichtet, weil es seine Weingärten in Atzgersdorf immer weiter ausbaute und nun mehr Lagermöglichkeit für den Wein benötigte.278 Wie so viele andere Klöster, wurde auch das Dorotheerstift von Josef II. aufgehoben. Nun sollte der Weinkeller zum Bierkeller werden, die oberirdischen klösterlichen Gebäude boten sich zum Umbau in eine Brauerei an.279 Die Brauer-Zunft soll sich einige Jahre gegen eine neue Brauerei ausgesprochen haben, weil in unmittelbarer Nähe auf dem Schellenhof, in Brunn Ein »missachtetes« Testament – Liesinger Brauhaus 239
Theodor Löwenthal (1798–1878)
Moritz Faber sen. (1798–1875)
und in Perchtoldsdorf bereits gebraut wurde. Held konnte sich durchsetzen, weil er schon lange von der Herrschaft Liesing das Braurecht erworben hatte. Am 6. Februar 1839 wurden die ersten 70 Eimer Bier gebraut und bereits am 7. März schenkte er sein »Oberliesinger Felsenkeller-Bräu« aus280 und erzeugte ab Ende der 40er Jahre auch das sogenannte Kaiserbier, von dem wir aber nicht wissen, ob es damals hell oder dunkel war. Das Bier fand allgemein Anklang und der Standort war für einen weiteren Ausbau durchaus geeignet. Es gab Wasser aus dem Liesingbach, das aber nicht als Brauwasser verwendet wurde. Die Südbahn fuhr ab 1841 durch die Stadt, wegen der großen Entfernung von der Residenzstadt konnte er mit billigeren Arbeitskräften und einer geringeren Steuerbelastung kalkulieren. Der zügige Ausbau, der durch das rasche Aufblühen des Unternehmens notwendig war, bedurfte aber neuer Finanzierungsquellen. 1843 trat Theodor Löwenthal und 1845 Moritz Faber (sen.) in den Betrieb ein. Interessant ist ein Blick in das riesige »Kontobuch 1843« : Da gibt es eine Eintragung, aus der hervorgeht, dass sich ein Johann von Beethoven, ein Verwandter des Komponisten, auch an dem Unternehmen beteiligte. Das Geld bekam er einige Jahre später mit einem schönen Gewinn wieder zurück.281 Nachdem Johann Georg Held 1850 starb, wurde die Firma unter der Bezeichnung »Löwenthal & Faber« weitergeführt und Helds E rben ausbezahlt. Und nun die Geschichte, die man überall lesen kann : Held hatte 240 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
280 100 Jahre Brauerei Liesing 1883– 1938. 281 Seidl : Unser Bier, S. 292.
Kontoblatt von Johann van Beethoven, einem Verwandten des großen Komponisten, über die Mitfinanzierung des Brauhauses
Moritz Faber jun. (1837–1921)
282 Wurzbach : Biographisches Lexikon, Stichwort Held.
1843 in seinem Testament »ansehnliche Legate an Diener und Hausgenossen, die mit unwandelbarer Ausdauer und Treue dienten, gemacht, und auch die Armen nicht vergessen.« Außerdem legte er fest, dass das Bierbrauen sofort nach seinem Tod einzustellen sei.282 Wenn nun behauptet wird, dass Löwenthal und Faber diese Bestimmung ignorierten und widerrechtlich weiterbrauten, so ist das nur bedingt richtig. Das Testament wurde noch vor ihrem Einstieg in den Betrieb verfasst und inzwischen waren sie ja Mehrheitseigentümer und in keiner Weise an diese Bestimmung gebunden. Die Bande zwischen den Brauherren wurde durch die Eheschließung von Moritz Faber junior mit Marie, der Tochter Löwenthals, gefestigt und damit ausgesprochen stabile Verhältnisse hinsichtlich der Führung des Betriebes geschaffen. Nach dem Tode seines Vaters übernahm Moritz Faber jun. 1855 die Leitung des Unternehmens und »in rascher Folge wurden die Mälzereien und die großen Kelleranlagen ausgebaut, maschinelle Einrichtungen beschafft und das Absatzgebiet über Niederösterreich und die angrenzenden Teile Ungarns ausgedehnt«. Im Liesinger Bezirksmuseum kann man auf vielen Wandbildern sehen, in welchem Tempo die Brauerei damals ausgebaut wurde. Der Gastgarten der Brauerei war wegen seiner schönen Aussicht bald sehr berühmt und beliebt, das Liesinger Bier wurde auch in Wien bekannt. 1872 wurde die Firma in die »Aktien-Gesellschaft der Liesinger Brauerei« umgewandelt. Dabei führte die Österreichische Hypothekenund Rentenbank eine Million Gulden an frischem Kapital zu, was vor allem für den Ausbau des Exports verwendet wurde. Wie Dreher d. J. war Faber in den anderen Kronländern der Monarchie mit Bierdepots vertreten und in einem Inserat des Adressbuches Lehmann aus dem Jahr 1877 kann man lesen, dass das Bier nicht nur nach Westeuropa, sondern über Alexandria, Beirut und Istanbul in viele afrikanische und asiatische Länder geliefert wurde. Aus einem Artikel des »Journal of the Society of Ein »missachtetes« Testament – Liesinger Brauhaus 241
Die Liesinger Brauerei im Laufe der Zeit:
1845, die klösterliche Anlage ist noch erkennbar
um 1850
um 1860
Arts«, den Conrad Seidl kürzlich gefunden hat, geht hervor, dass man in England zwei österreichische Biere schätzte, und zwar das Lager-Bier von Dreher und das Liesinger Bier. 242 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
um 1865
um 1870
um 1875
283 Samara ist eine Industriestadt im Südosten des europäischen Teils Russlands, an der Wolga gelegen, wo sich auch die große Brauerei befindet, die um die Jahrhundertwende gemeinsam mit dem Österreicher Alfred Vacano von Wellho gegründet wurde. Hier wird das Schiguli-Bier produziert, benannt nach den von der Brauerei aus sichtbaren Schiguli-Bergen, die auch auf dem Etikett abgebildet sind.
Das Liesinger Brauhaus konkurrierte damals »mit durchschlagendem Erfolg« mit den größten Brauhäusern am Weltmarkt. Schließlich wurden zwei Auslandsbrauereien in Russland gegründet : die Brauerei »Vienna« in St. Petersburg und die Großbrauerei »Siguli« in Samara, die noch immer besteht283. Faber war auch wie Dreher und Mautner Markhof bei der Wiener Weltausstellung 1873 mit einem eigenen Pavillon vertreten. Ein »missachtetes« Testament – Liesinger Brauhaus 243
Altes Sudhaus
Der Ammoniak-Kompressor der ersten künstlichen Kühlanlage stand lange vor der Brauerei in der Breitenfurter Straße
Moritz Faber, der im Gegensatz zu seinen wichtigsten Konkurrenten in der Brauereigeschichte zu den »großen Unbekannten« zählt, war auch ein Pionier der Kühlung. 1883 stellte er das größte damals existierende Linde’sche Kühlaggregat auf und kurz darauf war er maßgeblich daran beteiligt, dass es einem Mitarbeiter von Linde, Karl Hempel, gelang, erstmals kristallklares Kunsteis zu erzeugen. Faber baute in der Brigittenau die Wiener Krystalleisfabrik, mit der alle Probleme bei der Kühlung 244 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
284 Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 176 f. 285 Matzig : Geschichte, 2. Konvolut, S. 1129.
des Bieres endgültig gelöst waren.284 Außerdem war er in den letzten Jahren der Monarchie ein wichtiges Mitglied der Wiener Gesellschaft. Wie Anton Dreher saß er im Herrenhaus, trug das Großkreuz des Franz-Josefs-Ordens, war wie der 1878 verstorbene Löwenthal Ehren bürger von Liesing und führte die ehrwürdige Erste österreichische Spar-Casse als Oberkurator durch die schwierige Zeit von 1900 bis 1919. Er trat auch – nicht nur in Liesing, sondern auch in seiner zweiten Heimat Gosau – als großer Wohltäter hervor und setzte in sozialer Hinsicht bedeutende Aktivitäten. So wurden in den Jahren zwischen 1900 und 1914 neun Häuser mit 84 Wohnungen für die Arbeiter und drei Beamten-Wohnhäuser mit dazugehörigen Gärten in Oberliesing errichtet, die sogenannten »Bräuhaus-Häuser« zwischen der Lehmanngasse und der Haeckelstraße. Ab 1898 wurde nach Plänen von Ferdinand Fellner und Hermann Helmer die neue Brauhausrestauration mit ihrem charakteristischen Turm gebaut. In einem prächtigen Festsaal, der 6.000 Menschen fasste, etablierte sich jahrelang das gesellschaftliche Leben Liesings. Es wurden Feste der Vereinigung »Ur-Schlaraffia« ebenso wie Bälle und politische Veranstaltungen abgehalten. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch die Konzerte der »Deutschmeister«. Im Volksmund wurde das Restaurant auch »Maria Krügel« genannt, weil sich dort während der Messen und vor allem während der langen Prozessionen an den hohen Festtagen ein Teil der »Gläubigen« bei einem Krügel Bier aufhielt und sich erst gegen Ende des Festes wieder in die Kirche zurückbequemte.285 Ein »missachtetes« Testament – Liesinger Brauhaus 245
In der Brauperiode 1905/06 wird berichtet, dass der Bierabsatz durch die Witterung, die Landesbierauflage und einer Bauarbeiteraussperrung beeinträchtigt wurde. Weiters wurden die Arbeitslöhne bedeutend erhöht, »andererseits wirkten die Betriebsverbesserungen günstig«, was nichts anderes heißt, als dass durch neue Maschinen Arbeitskräfte eingespart wurden. Während vor dem Ersten Weltkrieg die Produktion zwischen 300.000 und 400.000 Hektoliter pro Jahr schwankte, zwang der Rohmaterialmangel in den Kriegsjahren zu einer großen Betriebseinschränkung. Der 246 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
jährliche Absatz sank 1917 auf knapp 23.000 Hektoliter und erst 1925 konnten wieder über 220.000 Hektoliter gebraut werden. In diesem Jahr war Faber aber bereits tot. Als er 1921 starb, war sein Vermögen geschrumpft und die Aktienmehrheit ging auf die Familie Miller zu Aichholz über. Vinzenz Miller zu Aichholz hatte bei der Umwandlung der Brauerei 1872 bereits ein großes Aktienpaket erworben und wechselte sich mit Faber auf dem Posten des Verwaltungsrats-Präsidenten ab. Als er starb, traten seine Söhne August und Heinrich an seine Stelle, kauften einige der benachbarten Brauereien auf und legten sie still. DarunEin »missachtetes« Testament – Liesinger Brauhaus 247
Brauereigelände um 1970
ter befanden sich der Schellenhof, Wr. Neustadt, Mödling, Brunn und Perchtoldsdorf. Wie die Vereinigten Brauereien war auch Liesing daran schuld, dass wir in diesem Buch hauptsächlich nur mehr über ehemalige Brauhäuser berichten können. Trotzdem musste der Betrieb 1928 mit der Österreichischen Brau-AG unter deren Präsidenten Dr. Ferdinand Falkensammer fusioniert werden, wobei die folgende Beschreibung entstand, die wir auszugsweise wiedergeben : »Die Erneuerung der ganzen Einrichtung wurde nun im beschleunigten Tempo fortgesetzt ; es entstand eine neue Maschinen- und Kesselanlage, der Gärkeller und die Lagerkeller wurden mit Großraumgefäßen ausgestattet, automatisch arbeitende Maschinen zum Waschen, Füllen, Verschließen und Etikettieren der Flaschen beschafft, eine Eisfabrik mit einer Tageserzeugung von 2.000 Block Eis (50.000 kg) wurde an die Kühlanlage angeschlossen, die Arbeitsmaschinen mit elektromotorischem Antrieb ausgerüstet, das Pferde- und Ochsenfuhrwerk durch Lastautos ersetzt, die Bierniederlagen in Wien und in der Provinz mit künstlicher Kühlung ausgestattet … Im Lagerkeller, der Fässer und Tanks mit zusammen 70.000 hl fasst, lagert das Bier bis zu 5 Monaten zur vollen Reife. Automatisch arbeitende Fassfüllapparate füllen aus den großen Lagertanks bis zu 250 hl per Stunde in die Transportfässer, die mit besonderen Reinigungsmaschinen vorher außen und innen gereinigt werden. 2 große Flaschenwasch-, Füll- und Verschlussanlagen mit Etikettiermaschinen bringen täglich 100.000 Flaschen
248 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
Vinzenz Miller Ritter zu Aichholz (1827–1913)
Bier fertig, die, in Kisten verpackt, in den Kühlräumen bis zum Abtransport aufbewahrt werden. Die Liesinger Brauerei erzeugt drei Sorten Bier : Das allgemein bekannte ›Liesinger Lagerbier‹, das große Verbreitung besitzt, das helle, stark gehopfte ›Kaiserbier‹ mit besonders feinem Hopfengeschmack und das starke, malzige, dunkle ›Porterbier‹, das sich allgemeiner Beliebtheit erfreut und dessen Absatz ständig zunimmt. Zum Abtransport des Bieres steht eine eigene Geleiseanlage zur Verfügung ; die Bahnwaggons werden mit Traktoren von und zur Bahn abgeschleppt. 50 eigene Autos befördern das Bier zu den Niederlagen in Wien und der nächsten Umgebung. Zum Brauen wurde das Wasser eines schon zu Maria Theresias Zeiten, als Badequelle bekannten Brunnens, im 6 km entfernten Rodaun benutzt.«
Letzte Bierabfüllung im November 1977
Der ganze Erneuerungsprozess wurde 1930 mit Einsetzen der Wirtschaftskrise abrupt beendet. Die Produktion ging wieder zurück und konnte auch nach dem Zweiten Weltkrieg nur langsam wieder gesteigert werden. Die Spitzenwerte der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg wurden allerdings nie erreicht, obwohl mit der Kapazität der Bierbedarf von ganz Wien gedeckt hätte werden können. Mitte der 50er-Jahre wurde ein neues dunkles Bier vorgestellt – das »Schwarze Kaiser«. Der Geschmack der Bevölkerung entwickelte sich immer mehr zu herberen Bieren, und so wurde das neue nicht mehr gesüßt und hatte doch einen vollmundigen Malzgeschmack – ähnlich jenen dunklen Spezialbieren, die vor dem Krieg so gerne getrunken wurden. Im Zuge der Modernisierung wurde 1966–68 der sogenannte »BrauAG-Turm« von der Firma Mayreder errichtet. Er war 72 Meter hoch und konnte als Silo 22.000 Tonnen Gerste aufnehmen. Er wurde am 8. Oktober 1968 in Betrieb genommen und verschandelte bis zu seinem Abriss im Juni 2006, weithin sichtbar, das südliche Wien. 1974 stellte die Brau-AG die Bierproduktion in Liesing ein und konzentrierte sie auf Wieselburg, danach wurden hier nur mehr Limonade (Keli) und Sodawasser abgefüllt. 1980 wurde auch die Malzproduktion eingestellt. Danach begann man mit dem »zizerlweisen« Abbruch der Brauereigebäude. So wurden 1990 das Sudhaus und der letzte große Schornstein abgetragen. Nach einem Großbrand im Jahre 2005 wurden die restlichen Gebäude und auch das erwähnte Brauereimuseum geschliffen und in den Jahren 2008 bis 2012 auf diesem Gelände Wohnhäuser sowie das Einkaufszentrum Riverside errichtet. Im noch erhaltenen, auffällig gebauten Restaurationsgebäude zogen während des Zweiten Weltkriegs die Wehrmacht und danach die Russen Ein »missachtetes« Testament – Liesinger Brauhaus 249
ein. Nach deren Abzug befand sich das Gebäude in einem katastrophalen Zustand. So gesehen ist es ein Glück, dass es nochmals renoviert und 2012 nach langen Streitigkeiten mit den Eigentümern unter Denkmalschutz gestellt wurde. Der berühmte Brauhaussaal ist allerdings durch Raumunterteilungen verschwunden und im Erdgeschoss ist ein Reifenhändler eingezogen. Das einst bedeutendste im Süden von Wien – das Perchtoldsdorfer Brauhaus
Als Georg Held in Liesing sein Brautätigkeit 1839 begann, wurde in Perchtoldsdorf, Brunn, Wiener Neudorf und auf dem Schellenhof schon erfolgreich gebraut. Wir wollen uns nun mit diesen vier Unternehmen beschäftigen, die auch als einzige aus Gemeinden außerhalb des heutigen Wiener Stadtgebietes im Jahr 1898 dem Wiener Brauherrenverein angehörten.286 Wir wollen dabei nach ihrem Gründungsdatum vorgehen. Danach ist Perchtoldsdorf eindeutig der älteste Betrieb, weil schon 1593 dort ein Bierausschank urkundlich belegt ist und wir im Archiv der Gemeinde 1628 den »Pier-Proyer« Achaz Scheibelhuber in der Brunner Gasse finden. Die Brauerei befand sich im sogenannten Liechtenecker-Hof. Eine industrielle Brauerei, wie wir sie heute kennen, wurde
286 Die Mitglieder sind aufgezählt in : Paleczny : Die Wiener Brauherren, S. 196.
250 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
Ludwig Grienauer (1844–1908)
287 Opll : Perchtoldsdorf, S. 9.
an dieser Stelle aber erst 1828 errichtet. Sie übertraf 1840 die anderen Braustätten in dieser Region an Bedeutung.287 Viel mehr wissen wir jedoch nicht, außer dass sie 1854 im Besitz des Realitäten- und Ökonomiebesitzers Lorenz Grienauer war, der 1884 als »Nestor der österreichischen Brauherren« im Alter von 80 Jahren starb. Kurz zuvor findet Das einst bedeutendste im Süden von Wien – das Perchtoldsdorfer Brauhaus 251
man im Gambrinus noch eine Brandmeldung, wobei der ärgste Schaden durch die Feuerwehr verhindert werden konnte.288 Seine Gattin Theresie erbte die Brauerei, braute aber bis zu ihrem Tod nicht mehr und so stand der Betrieb bis 1885 still, ehe eine Gesellschaft mit dem Namen »Ludwig Grienauer, Moritz Bujatti und Theresia Bujatti in Perchtoldsdorf« gegründet wurde, die das Braugeschäft wieder aufnahm. 1902 wurde der Braubetrieb, angeblich wegen des fehlenden Bahnanschlusses, stillgelegt. Später war auf dem Gelände die Essigfabrik Doller untergebracht. Viele Gebäude bestanden noch in den 1990er Jahren, eigentlich ziemlich unverändert, sogar der Name Grienauer war auf einer Türglocke zu lesen. 1999 wurden erste Pläne bekannt, wonach das ganze Areal abgerissen werden sollte, um Wohnhäusern Platz zu machen.289 Der Unmut der Bevölkerung rief auch das Denkmalamt auf den Plan, das im Jahr 2000 wesentliche Teile der Gebäude Brunner Gasse 3 und 5 unter Schutz stellte und so vor dem Abbruch bewahren konnte.290 2004 wurde begonnen, das restliche Gelände mit Wohnblöcken zu verbauen. Gegenüber der Brauerei befand sich einst der Braugasthof mit einem schönen Biergarten. Nach dem Ende des Braubetriebs wurde die Wirtschaft unter dem Namen »Altes Brauhaus« weitergeführt und Schwechater Bier ausgeschenkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog hier eine Heurigenschank mit einer legendären Hendlbraterei und Backhendlstation ein.291 Auch hier steht heute ein modernes Wohnhaus. Ein Opfer der Nationalsozialisten – die Austria-Brauerei in Wiener Neudorf
Die Neudorfer Brauerei wurde 1769 gegründet, als ein gewisser Johann Conrad ein Grundstück von der Herrschaft Neudorf »gegen alleinige Lösung der Hausgewähr und alleiniger Abrechnung Zwey Gulden Dienst mit hienach ertheilten Zehen freyjahren ohnendgeldlich« übernommen hatte. Er errichtete darauf ein Brauhaus »das viele Phasen der Entwicklung des Brauwesens durchgemacht und im Laufe der Zeiten manche Veränderung erfahren« hatte. Für die Braugerechtigkeit musste er 8.300 Gulden bezahlen.292 Von der Brauhausrestauration wird berichtet, dass im Parterre die »ordinärste Klasse« und im ersten Stock die »honetteren« Gäste bewirtet wurden. Auch Kaiser Franz I. soll manchmal dort gewesen sein, um sich an dem Bier, das ihm in einem Steinkrug ser252 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
288 Gambrinus vom 1. 7. 1882. 289 Die Presse vom 20. 12. 1999 : Wohnklotz in Perchtoldsdorfer Zentrum stößt Bürgern sauer auf. 290 Kurier vom 9. 5. 2000 : »Doller-Häuser« amtlich unter Schutz gestellt. 291 Archiv Perchtoldsdorf, https ://www. facebook.com/vintageperchtoldsdorf/ posts/668457849934720. 292 Janetschek : Wiener Neudorf und sein Bier.
Ernst Herzfelder (1865–1923)
293 Seidl : Wien’s Umgebungen, S. 237. 294 Mödling und sein Bezirk, S. 165.
viert wurde, zu laben. Auch Joseph Haydn, Franz Schubert und Ludwig von Beethoven, alles keine Verächter eines guten Trunks, sollen sich hier öfter aufgehalten haben. Johann Gabriel Seidl berichtet 1826 : »Nördlich von Laxenburg, näher an Wien, liegt Neudorf mit einem herrschaftlichen Schlosse, einem Bräuhause, welches unter die größten in Österreich gehört, und vor dem die gemeinen Badnerfuhren gewöhnlich rasten.«293 1895 wird vom Übelstand der sogenannten »Freitänze« berichtet, die als »Viehmarkt« bezeichnet wurden. Als der Pächter wechselte, atmete hauptsächlich der Pfarrer, aber auch alle anderen »anständigen Leute« auf. Vor dem Ersten Weltkrieg war die Restauration auch der Mittelpunkt der Kirtagfeiern am Sonntag nach Mariä Schnee, der Kirchenpatronin. Neben der Dreifaltigkeitskapelle wurde eine Art Maibaum, »Kirtagbaum« genannt, aufgestellt. Junge Burschen versuchten ihn zu besteigen, denn oben glitzerte die vom Brauereibesitzer Herzfelder gespendete goldene Uhr und wartete auf den ersten, der sie herunterholte, als Gewinn. Robert Herzfelder war auch der bekannteste Name unter den Eigentümern. Er übernahm das Brauhaus genau 100 Jahre nach der Gründung und verpachtete es zwölf Jahre lang an Ignaz Isac Schwoner,294 der eine rationellere Braumethode einführte und später Direktor der Brauerei Schellenhof wurde. Herzfelder, der auch als »mächtiger Herrscher im Reiche der Ziegel« galt, von denen er 40 Millionen jährlich produzierte, brachte die Brauerei »auf eine Stufe der Vollkommenheit, wie sie sehr wenige Landbrauereien besitzen«. Er ließ das »Etablissement« 1870 sofort von Hand- auf Dampfbetrieb umbauen und erweiterte das Absatzgebiet auf Wien und die Vororte, wo das Unternehmen mehrere Bierdepots besaß. Im Gambrinus kann man 1874 über Neudorf, wo sich auch eine Besserungs- bzw. Strafanstalt für Frauen befand, lesen : »Kommt das wohl nur selten vor, so hat doch Neudorf ein anderes Etablissement aufzuweisen, von dem man wirklich gestärkt scheidet und den man wieder gerne zugeht, welch’ letzteres von der Besserungs-Anstalt nicht behauptet werden kann. Das Etablissement, in dem man wirklich gestärkt wird, ist das Bräuhaus in Neudorf mit seinem vortrefflichen Biere, das dem Durstenden im Bräuhausschanke credenzt wird.« 1896 wurde eine neue große Kraftzentrale gebaut und schrittweise von Dampf- auf Elektrizitätsbetrieb umgestellt. Für den gestiegenen Wasserbedarf wurden zwei große unterirdische Sickerschlitzanlagen angelegt, die das »Gebirgsgrundwasser« sammelten und in zwei, rund Ein Opfer der Nationalsozialisten – die Austria-Brauerei in Wiener Neudorf 253
Brauhausrestauration im Winter, um 1900
einen Kilometer von der Brauerei entfernt gelegenen Zisternen leiteten, wo es mit einer elektrischen Pumpenanlage in die Hochreservoirs der Brauerei befördert wurde. Für Kühlzwecke und die »Condensation des Dampfes der Betriebsdampfmaschinen« wurde eine rund 300 Meter lange Wasserzuleitung aus dem Mödlingbach gebaut. Nach behördlicher Vorschrift wurde das erwärmte Wasser dem Bache wieder zugeführt, wobei sogar Filteranlagen eingebaut wurden. 1904 kam man auf die Idee, den Betrieb in »Austria-Brauerei« umzubenennen.295 Nach Ernst Herzfelders Tod im Jahre 1923 übernahm sein Neffe Anton Redlich das Brauhaus. Die Familien Herzfelder und Redlich waren Juden und so wurde die Brauerei im März 1938 durch die Nationalsozialisten enteignet und der Betrieb eingestellt. Die Lieferrechte gingen an die Liesinger Brauerei. Anton Redlich und einige Familienmitglieder emigrierten in die USA, ein anderer Teil der Familien kam im Holocaust ums Leben.296 1954 wurde ein Restitutionsverfahren abgeschlossenen und die Realitäten Anton Redlich, dem Großneffen von Ernst Herzfelder, zugesprochen,297 der daraufhin alles verkaufte. Die meisten Gebäude waren allerdings den Bomben zum Opfer gefallen, der Rest wurde 1973 bei einem Brand in dem inzwischen dort eingerichteten Möbelauslieferungslager vernichtet. So bestehen nur mehr wenige Gebäudereste in veränderter Form. Erhalten ist auch noch die ehemalige Brauhausrestauration. Dieses Gebäude befindet sich gegenüber dem »Haus der Maschinen« und beherbergt ein Ärztezentrum und eine Apotheke. An das alte Bräuhaus erinnert nur mehr ein Straßenname. 254 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
295 Janetschek : Wiener Neudorf und sein Bier. 296 Doležal : Die Familie Herzfelder. 297 Ebenda.
Titelblatt einer Speisekarte von 1933 Luftbild der Brauerei in den 1930er- Jahren Brauhaus und Restauration um 1900 Mälzereigebäude um 1940
Ein Opfer der Nationalsozialisten – die Austria-Brauerei in Wiener Neudorf 255
Brauereigelände in den späten 1950er-Jahren
Wir dürfen natürlich auch nicht die Brauerei im Schloss Neudorf vergessen, die zwischen 1632 und 1634 errichten wurde und noch 1831 existiert haben muss. Schweickhardt schrieb : »Auf der Seite von Wien aus links befindet sich weit außer dem Orte ein Brauhaus, das zweite und größere (vielleicht eines der größten in Niederösterreich) steht auf derselben Seite zu Anfang des Dorfes«.298 Mit dem kleineren kann nur das herrschaftliche Bräuhaus beim Schloss gemeint sein. Erste Brauhaus-Aktiengesellschaft in Wien – die Brauerei Schellenhof
Neben der Ortschaft Siebenhirten, die heute die Südgrenze von Wien bildet, gab es wahrscheinlich schon im 12. Jahrhundert den Schellenhof, in dem die Ortsbewohner bei kriegerischen Auseinandersetzungen Schutz fanden. Der Sage nach soll er einst ein Kloster gewesen sein und in einer Landtafel erscheint er als »Edelsitz Schellenhof«. Er war auf jeden Fall ein befestigter »Dominicalbesitz«, in dem auch Bier gebraut wurde.299 Das wissen wir aus jener schon oft zitierten Liste des Bürgerspitals, in der angeführt wird, wer 1622 Bier nach Wien liefern durfte. Während der Zweiten Türkenbelagerung wurde der Schellenhof samt Bräuhaus zerstört, aber bereits zwei Jahre später stand die Brauerei wieder in Betrieb. Aus alten Verträgen wissen wir weiters, dass der Schellenhof in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus der Bierbrauerei, einer Mühle, einem Ziegelofen und einem Gasthaus bestand und dass er bis in die Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seinen alten Gängen und Gewölben, der 256 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
298 Schweickhardt v. Sickingen : Darstellung des Erzherzogthums Österr. unter der Enns u. W. Band 3. 299 Jahne : Heimatkunde Hietzing-Umgebung, S. 173.
Brauerei auf dem Rundgemälde von Gregosch, 1855
Brauereigelände um 1900
mit »Messelicenz« ausgestatteten Kapelle, dem »Thurme mit Glocke und Uhr«, sowie den »Inleutewohnungen« sein halb feudales, halb klösterliches Aussehen bewahrt hatte. Der Arzt, Botaniker und Lehrer am Theresianum, Joseph August Schultes, der sich auch als (alpiner) Reise-Schriftsteller betätigte, schrieb 1802 und 1807 jeweils fast wortgleich : »Man hat das Dörfchen Siebenhirten im Südwesten vor sich und geht an der vor demselben gelegenen Schmiede etwas rechts in die Gasse, deren linke Ecke ein Wirtshaus Erste Brauhaus-Aktiengesellschaft in Wien – die Brauerei Schellenhof 257
bildet. … Jetzt ist das Bräuhaus in diesem Dorfe, der sogenannte Schellenhof die größte Merkwürdigkeit ; man braute hier das beste Bier in der Gegend um Wien.«300 Fünf Jahre später kann man in einem Panorama von Wiens Umgebungen lesen : »Er (der Schellenhof ) besteht aus einem freyen Hof mit einem Bräuhaus und einigen kleineren Häusern. In diesem Bräuhaus wird das meiste von dem Bier gebraut, welches man gegenwärtig unter dem Nahmen des bayrischen Biers in Wien verzehrt.« Die 17 Familien, die dort wohnten, waren fast durchwegs im Brauhaus beschäftigt. Mitte der 1840er Jahre scheint das Brauhaus unter dem Namen »Mack’s Schellenhofer Bierbrauerei« auf, die jährlich knapp 3.000 Hektoliter Bier braute. 1862 wurde sie in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen »Erste Bierbrauerei-Actiengesellschaft in Wien« umgewandelt :301 »War bis dahin der Handbetrieb in Anwendung, so wurde jetzt die Brauerei auf Dampfbetrieb eingerichtet, die Kellereien erweitert, neue Werksgebäude hergestellt und die technischen Einrichtungen vervollkommnet, so dass das Unternehmen auf eine gegen früher um Vieles erhöhte Leistungsfähigkeit gebracht wurde.«302 Ein Jahr später erwarb die neue Gesellschaft die Neuerlaaer Brauerei, stellte dort den Braubetrieb ein und verwendeten die Gebäude nur mehr als Mälzerei. »Die Brauerei Schellenhof kultivierte Mitte der Sechziger-Jahre hauptsächlich das Geschäft in Flaschenbier, welches damals einen bedeutenden Ruf erlangte.«303 Das Absatzgebiet war zum weitaus größten Teil Wien und Umgebung nebst der Mödlinger und Badener Gegend sowie Ungarn. 258 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
300 Schultes : Ausflüge nach dem Schneeberge, Ausgabe 1802, S. 6, und Ausgabe 1807, S. 4. 301 Das Brunner Brauhaus wurde schon einige Jahre früher in eine Aktiengesellschaft eingebracht. 302 Jahne : Heimatkunde Hietzing-Umgebung, S. 173. 303 Mödling und sein Bezirk, S. 165.
Während wirtschaftliche Schwierigkeiten bis zum Ersten Weltkrieg durch Ausgabe neuer Aktien gemeistert werden konnten, die man jedoch nur mit viel Mühe an den Mann brachte, ging es nach 1914 mit dem Schellenhof und auch seiner Brauerei stark bergab. Statt 106 Einwohnern wie im Jahr 1890 gab es 1923 nur mehr 43. Der Braubetrieb wurde im Sommer 1926 stillgelegt und »die Kunden nach Verbrauch der Biervorräte, soweit solche noch vorhanden waren, von den Wiener Verbandsbrauereien übernommen«, wie im Liquidationsbericht vom 30. September 1926 zu lesen ist. Ein Teil der Schulden konnte mit dem Verkauf diverser Wiener Gaststätten, wie etwa dem Lugeckkeller, die sich im Besitz der Brauerei befanden, abgedeckt werden. Im Dritten Reich diente die Kelleranlage unter dem Decknamen »Sophie« als Untergrund-Fabrik und Luftschutzkeller. Durch Bombentreffer wurden in einem Teil der Anlage, dem »Knobl-Keller«, über hundert Personen verschüttet und getötet. An der Stelle des alten Edelsitzes war nur mehr ein ausgedehntes Ruinengelände zu sehen, auf dem 1960/61 von der Gemeinde Wien die Wohnhausanlage »Brauhausflur« errichtet wurde. Das Pförtnerhaus, das Direktionsgebäude, das Gärtnerhaus, ein Stadel, das Gebäude der ehemaligen Gastwirtschaft, der ehemalige Eisteich »Schellensee« sowie der nicht zerbombte Teil der Kelleranlage sind erhalten geblieben. Erste Brauhaus-Aktiengesellschaft in Wien – die Brauerei Schellenhof 259
Ausschnitt aus dem Aufnahmeplan von 1872
Hier wurde nur 25 Jahre gebraut – die Brauerei Neuerlaa
Die Chronik des Ortes Neuerlaa ist dürftig. Durch die steigende Bevölkerungszahl wurde die Gründung dieses neuen Ortes südlich von Erlaa notwendig. Wir wissen, dass ein Bäcker namens Johann Pfeifer das erste Haus errichtete. 1838 wurde das Bräuhaus erbaut und dieses Jahr gilt auch als Gründungsjahr der Brauerei. Im Stiftsarchiv Klosterneuburg stoßen wir jedoch auf ein Staatsbürgerschaftsansuchen, in dem der Braugeselle Anton Nusser angibt, im Jahre 1836 in der Brauerei des Karl Seift in Rodaun gearbeitet zu haben.304 Wo sich diese Brauerei befand, ist unklar. Nachdem die Brauerei Neuerlaa im Besitz von Alois Seift war, gibt es wohl einen engen Zusammenhang zwischen diesen beiden Braustätten. Lange bestand die Brauerei in Neuerlaa nicht. 1845 wurden hier 25.000 Hektoliter Bier gebraut. Nach mehrmaligem Besitzer- und Päch terwechsel wurde der Betrieb 1863 von der Schellenhofer 1. Bierbrauerei-Actiengesellschaft angekauft, 1866 stillgelegt und danach nur mehr als Mälzerei verwendet. Während der Brauperiode 1904/05 brannte die Mälzerei ab und wurde komplett aufgelassen. Man konzentrierte daraufhin die Malzproduktion auf den Schellenhof. Die Brauerei befand sich genau in dem Zwickel zwischen Altmannsdorfer Allee und Triester Straße, gemeinsam mit einem Gasthaus, das es nun auch nicht mehr gibt. Heute befindet sich dort ein Lebensmittelmarkt und ein Baustoffhandel. 260 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
304 Archiv des Stiftes Klosterneuburg : Kart. 2136.
Eine weitere Aktiengesellschaft – das Brunner Brauhaus
305 Thömmes : Die Geschichte der Brunner Brauerei, S. 8. 306 Darstellung von Medling und seiner Umgegend, S. 153.
Die vielen Dominical-Höfe der adeligen Wiener machten Brunn am Gebirge einst zu einem ansehnlichen Ort. Die Wiener ließen hier ihren Wein durch »inwohnende Weinzierl« keltern, die auch ihr Melkvieh versorgten, und verbrachten hier oft auch den Sommer. Einer dieser Höfe war der Seeauerhof, den 1729 Paul Mair, Braumeister vom Schellenhof, für 4.000 Gulden erwarb. Ob er hier eine Brauerei einrichten wollte, werden wir nie erfahren, denn er starb kurz darauf. 1731 war seine Witwe bereits neu verheiratet.305 Der Seeauerhof wurde in der Folge von einem Doctor Allmar von Allstern mit dem benachbarten Kemeterhof zusammengelegt, kostspielig neu erbaut und an den Grafen von Saurau verkauft.306 In diesem Freihof wurde 1790 zum Unmut der Weinhauer eine Brauerei »in bescheidenem Ausmaß« eingerichtet. Nach der Freigabe des Gewerbes begann 1816 ein gewisser Patek hier eine moderne Brauerei nach englischem Vorbild einzurichten. Das kostete so viel Geld, dass er bereits nach einem Jahr auf fremdes Geld angewiesen war und der Betrieb in eine Kommanditgesellschaft mit dem Namen »Brunner Brau-Unternehmen« umgewandelt wurde. Das Absatzgebiet dieser kleinen Brauerei dürfte anfangs nicht weit über Brunn und Maria Enzersdorf hinausgegangen sein. Ein Aufschwung kam erst, als die Südbahn 1841 in diesem Bereich eröffnet wurde. Um Geld für einen großzügigen Ausbau der Braustätte Eine weitere Aktiengesellschaft – das Brunner Brauhaus 261
Brauereieinfahrt in der LeopoldGattringer-Straße
aufzutreiben, wurde 1847 die »Brunner Brauhaus-Unternehmungs-Actiengesellschaft« mit einem Grundkapital von 200.000 Gulden C. M. gegründet, und 1872 fand eine Umbenennung in »Actiengesellschaft der Brunner Brauerei« statt. Zuvor begannen unter der Leitung von Anton Paul Lechner die Ausbauarbeiten zu einer der größten Braustätten der Monarchie, bei der die Kühl- und Lagerkeller für eine Jahresproduktion von 200.000 Hektolitern ausgelegt wurden. Die Brauerei war damals der größte Industriebetrieb in Brunn und mit einem eigenen Industriegeleise an die Bahn angeschlossen. Dieses 262 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
Haupttor und Mälzereigebäude, rechts die Malztennen
führte »von der Hauptlinie der Südbahn beim Übergang nahe der Vesperkapelle durch das Gelände der Brauerei bis zum Felsenkeller«. Auf diesen Schienen war niemals eine Lokomotive zu sehen. Abends fuhren nämlich die vollen Waggons auf dem abschüssigen Gelände zum Frachtenbahnhof von selbst hinunter, nur von einem Bremser im Häuschen des ersten Waggons begleitet. Zwei Paar Ochsen schleppten die leeren Waggons dann wieder mühsam hinauf. Die Hauptabsatzgebiete waren damals natürlich Wien und Umgebung, sowie die »Konsumtionsorte« der verschiedenen Bahnlinien – hauptsächlich Raab, Ödenburg, Tyrnau usw. Der Gambrinus berichtete damals : »Wem ist Brunn am Gebirge, dieser reizende Ort an der Südbahn und am Abhange des Wienerberges, unbekannt ? Wer hat nicht schon daselbst in der reizend gelegenen Bräuhaus-Restauration sich an der Gambrinusquelle gelabt und den daselbst erzeugten edlen Gerstensaft gekostet ? Ja es gab eine Zeit, und sie ist noch nicht gar zu ferne von uns, wo das Brunner Bier unter den damals so beliebten leichteren Unterzeugsbieren eine hervorragende Rolle spielte. Als die Bevölkerung Wiens sich immer mehr den stärkeren vollmundigen Bieren zuzuwenden begann, hat auch diese alte Bräustätte sich dem neuen Verfahren angeschlossen und mit der Erzeugung der Lagerbiere sich vorzugsweise befaßt und dies mit durchgreifendem Erfolge.« Eine weitere Aktiengesellschaft – das Brunner Brauhaus 263
Sudhaus
Die Produktion verdoppelte sich in der Zeit von 1863 bis 1873. »Wie alle Wiener Biere sind sie malzreich und enthalten das der Gesundheit zuträgliche Maß von Hopfenbittere, so daß sie nicht bloß Genuß-, sondern auch Nahrungsmittel sind … Es macht keinen schweren Kopf und wirkt auf die Verdauungs- und Harnorgane sehr wohlthätig ein«. Um 1880 wurden acht verschiedene Biersorten erzeugt, sie nannten sich Abzugbier, Lagerbier, Tafelbier, Kaiserbier, Bockbier, Greußenbier (Nachgärung), Kraftmalzbier und Mutterbier. Wie so viele andere Brauereien, hatte auch Brunn zu dieser Zeit stark mit der Konkurrenz – speziell aus Rauhenstein – zu kämpfen und geriet in finanzielle Schwierigkeiten. So war man beispielsweise 1883 froh, wieder einmal eine Dividende an die Aktionäre ausschütten zu können. Einen Beitrag dazu dürfte das neu eingeführte Salvator-Bier geleistet haben. Man braute aber auch als Spezialität ein Matador Kraft-MalzBräu. Eine besondere Attraktion war auch der beliebte »Bierrummel«, eine Art Oktoberfest, der in den weitläufigen Malztennen einmal im Jahr abgehalten wurde. 1907 erwarb die Brunner Brauerei das Währinger Brauhaus in Wien, »deren Betrieb sie mit dem eigenen vereinigte« – sprich stilllegte. Der langjährige Währinger Gesellschafter Josef Wünsch trat damit in die Verwaltung der Brunner Brauerei ein. Mit den von schweren Rossen, zumeist Pinzgauer-Hengsten mit blankgeputztem Kummet, gezogenen Fuhrwerken, wurde das Bier nach 264 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
Aktie
Wien gebracht. »Wenn am frühen Morgen ein Bierwagen nach dem anderen die Brauerei verließ, wieherten sie hell beim Herauskommen aus dem Tor und machten sich im ganzen Ort bemerkbar«. Im Winter, nach jeder längeren Frostperiode, wurde mit 30 bis 40 Ochsenfuhrwerken das Natureis von den Teichen in der Umgebung in den Felsenkeller gebracht und dort eingelagert. Das meiste Eis kam vom »Froschnauer Teich«, aber auch sehr viel vom »Bräuhausteich«. Dieser lag hinter den Tennen, Scheunen und Ställen inmitten von Wiesen und war im Sommer als Badeteich der Kinder, aber auch als zugefrorener Spielplatz im Winter sehr beliebt. »Fast die ganze Belegschaft mag es gewesen sein, die eingesetzt war, wenn die Eisarbeit geleistet werden musste. Auch für die Weinhauer war es in der arbeitsarmen Zeit ein willkommener Nebenverdienst«, schrieb Tierarzt Ludwig Müller in seinen Erinnerungen : »Die Brauereigebäude und anschließende kleinere Häuser leiteten in einem Bogen hinüber zum Annenhof. Den Eingang zur Brauerei bildete die gewölbte Einfahrt des Seeauerhofes … Die Malztennen erstreckten sich weit nach hinten. Reste einer Längsmauer sind am Haus Nr. 56 erhalten. Sie bestanden aus sehr langen Gewölben. Die Stockwerke waren durch breite Treppen verbunden. Wenn nicht gemälzt wurde, standen die riesigen Gewölbe leer und bildeten für die Schuljugend einen starken Anreiz, durch ein offenstehendes Fenster von der Hinterseite der Gebäude her in dieselben einzudringen. Man kam über den Steig entlang der Gartenmauer der Häuser der Gattringer-Straße an die Hinterseite der Brauerei heran. Die Malztennen reichten von der Straße bis an jenen Steig – was einen Begriff ihrer gewaltigen Größe zu geben vermag. Sie stellten im Inneren ein wahres Labyrinth dar. Der rein gehaltene Boden bestand aus spiegelglatten Kehlheimer-Platten, die Wände waren sauber gekalkt. In den unendlich langen, gebogen verlaufenden Hallen herrschte Dämmerlicht, weil ja nur von den niedrigen Rundfenstern an den Giebelseiten Licht einfiel. Jeder der Räume war der Länge nach durch eine Reihe gedrungener Säulen aus behauenem Stein unterteilt. Infolge der Krümmung der Räume ergaben sich reizvolle Überschneidungen …«
307 Thömmes : Die Geschichte der Brunner Brauerei, S. 57.
Am 22. Juli 1930 wurde die Brauerei mit der »Österreichischen Brau AG« in Liesing fusioniert und der Braubetrieb eingestellt. 1933 begann man mit dem Abbruch des Hauptgebäudes, Ende 1935 folgte die Mälzerei und das Bürogebäude.307 1957–59 wurden die restlichen Gebäude demoliert. Ein Mosaik auf dem 1960 an dieser Stelle fertig gestellten Gemeindebau, der nach Dr. Adolf Schärf benannt wurde, soll noch an die Brauerei erinnern, hat aber keinerlei Ähnlichkeit mit der alten Brauerei. Eine weitere Aktiengesellschaft – das Brunner Brauhaus 265
Der Bräuhausteich ist auch schon längst zugeschüttet. Der Felsenkeller mit einem Lager und einer Schießhalle bestand bis 2010, dann musste er nach einem Wassereinbruch wegen Einsturzgefahr zugeschüttet werden. Einzig das Vesperkreuz – die einstige Bräuhauskapelle – steht nach wie vor, von einem großen Lindenbaum beschirmt, an seinem Platz, den Hintergrund bildet mittlerweile die hässliche Lärmschutzmauer der Autobahn. Der Spezialist für Malzbier – das Mödlinger Brauhaus
Die erste kleine Brauerei in Mödling wurde 1849 in der Grutschgasse gegenüber dem »Franzisco-Josephinium«, wo 1870 die erste österreichische Brauschule einziehen sollte, vom Arzt Dr. Herzner gegründet. Es wurden dort nur sogenannte Nährbiere, also Biere für Rekonvaleszente, Mastkuren, sogenannte Blutarme usw. gebraut. Wegen mangelhafter Einrichtung, speziell fehlender Kühlmöglichkeiten, wurde der Braubetrieb aber bald wieder eingestellt und 1864 in den Gebäuden eine Malzextrakt-Fabrik eingerichtet, die aber auch nur kurze Zeit bestand.308 Interessant wird das Mödlinger Brauhaus dann noch einmal, als es 1868 von den Brüdern Jakob und Sigmund Grossmann erworben und elf Jahre später wiederbelebt wurde. Die beiden waren die Pächter der Bierbrauerei Rauhenstein in Baden bei Wien und auf der Suche nach einer günstigen Malzfabrik. Das Malz, das sie hier erzeugten, wurde auch nach Italien und Deutschland, hauptsächlich nach Bayern, exportiert. Mit dem Billigbier, das sie in Rauhenstein produzierten, machten sie den anderen Brauereien das Leben schwer. Da für viele Leute auch beim Bier das Billigste gerade gut genug war, florierte diese »Volksbier«-Brauerei. Als Samuel Grossmann den Betrieb in Mödling übernahm, kam er auf die Idee, dort neben der Mälzerei auch wieder – wie zu Dr. Herzners Zeiten – eine Spezialitäten-Brauerei einzurichten, die 1877 eröffnet wurde. Über diesen Neuzuwachs waren die Herren im Brauherrenverein nicht sehr entzückt :309 »Es scheint mit dem Rauhensteiner Bier nicht mehr gehen zu wollen, was wir bei der Qualität dieses Erzeugnisses ganz begreiflich finden, weshalb die superklugen Herren Großmann auf die Idee gekommen sind, aus ihrer Mälzerei in Mödling um eines allgemeinen Bedürfnis Rechnung zu tragen, eine neue Brauerei zu erbauen. Nun hat allerdings eine unserer ersten Brauereibaufirmen die Ummodellierung übernommen und so dürfte in kürzesten Mödling, welches 266 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
308 Mödling und sein Bezirk, S. 166. 309 Gambrinus vom 15. 6. 1877.
Lageplan der Brauerei
doch auch jetzt eine Stadt ist, seinen Gambrinustempel erhalten, was in diesem Tempel für ein Bier gebraut werden wird, darüber dürfen alle Fachleute in Klaren sein, und die Laien, die je in der unglücklichen Lage gewesen sind, das ›Rauhensteiner Volksbier‹ trinken zu müssen, aus eigener Erfahrung wissen.« Es war eine Spezialität der eingesessenen Brauherren, nicht im Brauherrenverein vertretene Konkurrenz sofort »madig« zu machen und in Grund und Boden zu verdammen. Von anderen Kreisen wurde das Mödlinger Brauhaus hingegen schon vor der Eröffnung mit vielen Vorschuss-Lorbeeren bedacht, weil es für damalige Verhältnisse nach »neuesten Systemen« eingerichtet und mit Dampf betrieben wurde. Das Geschäft, das sich die Besitzer erhofften, dürfte es aber nicht gewesen sein, und so wurde bereits 1885, acht Jahre später, der Betrieb wieder eingestellt. Das Brauhaus wurde von der »Actiengesellschaft der Brunner Brauerei« erworben und bald danach abgebrochen. Lange Zeit befand sich hier ein Sportplatz, der nun einer Wohnhausanlage weichen musste. Noch eine Anmerkung : Die einleitend erwähnte »Erste österreichische Brauschule« wurde 1870 als neuer Teil der landwirtschaftlichen Mittelschule »Franzisco-Josephinium« gegründet. Sie wurde als Vereinsbetrieb geführt und durch ein Kuratorium verwaltet, wobei der Brauherrenverein als Hauptsponsor auftrat. Da 1895 die »Akademie für Brauindustrie« im Technologischen Gewerbemuseum für eine wesentlich bessere Ausbildung eingerichtet und später als eigene Fakultät der Hochschule für Bodenkultur eingegliedert wurde, gab es an dieser Brauschule bald keine Interessenten mehr, weswegen sie 1912 geschlossen wurde. Ein Lieferant für die Stadt Mödling – die Schlossbrauerei Achau
310 Oehler : Panorama von Wiens Umgebungen, S. 141.
In Achau, das noch im 19. Jahrhundert gewöhnlich Hochau genannt wurde, betrieb die Herrschaft bereits kurz nach der Zweiten Türkenbelagerung eine Brauerei. Besitzer war damals Johann Quentin Graf von Jörger, der in Wien die Sicherheitswache und die nächtliche Beleuchtung aller Gassen einführte.310 Der Verwalter Anton Johann Rosenauer erwähnte 1751 in einem Bericht unter anderem auch das Bräuhaus samt 12 Joch Äcker und 12 Tagwerk Wiesen. Es warf einen jährlichen Ertrag von 750 Gulden ab. Das Schloss betrieb aber keine eigene Taverne, »daEin Lieferant für die Stadt Mödling – die Schlossbrauerei Achau 267
Lageplan der Brauerei im Franziszeischer Kataster
hero das Leitgeben und Wirtshausgerechtigkeit der Gemain zu Achau um einen jährlichen Bestand der 30 Gulden verlassen wird«. Es wird berichtet, dass die Stadt Mödling gegen Widerstand der Weinhauer zeitweise im Hochsommer Bier aus Achau und auch aus Neudorf bezog. In der übrigen Jahreszeit war es dort interessanterweise nur erlaubt, an Kranke und Rekonvaleszente Bier zu verkaufen. Deswegen wurde später die zuvor erwähnte kleine Brauerei des Dr. Herzner gegründet. 1845 wurden hier noch 2.406 Eimer Bier gebraut, danach dürfte die Erzeugung eingestellt worden sein, denn ab 1846 sind uns keine Produktionszahlen mehr bekannt. 1885 wird in der Topographie von Niederösterreich zwar noch das Brauhaus genannt, vermutlich war es damals aber bereits längere Zeit stillgelegt. Man nimmt an, dass sich die Brauerei in den Wirtschaftsgebäuden des Schlosses unmittelbar neben der alten Wehranlage befand.311 Im ewigen Streit mit den Weinbauern – die Schlossbrauerei Biedermannsdorf
Biedermannsdorf (auch Bittermansdorf, Pittermannsdorf genannt) war ein Dorf und eine eigene Herrschaft, die Mitte des 17. Jahrhunderts 268 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
311 Mitteilung von Prof. Mag. Josef Kogler, Achau 1997.
Lageplan der Brauerei Biedermannsdorf im Franziszeischer Kataster
312 Strahammer : Biedermannsdorfer Heimatkunde.
den Herren der Burg Liechtenstein bei Mödling gehörte. Die Bürger verfügten über große Weinanbauflächen und betrieben das sogenannte »Gemeindewirtshaus«, das Schloss betrieb eine Brauerei mit einer angeschlossenen Gastwirtschaft. Solange das herrschaftliche Bräuhaus mit seiner Taverne existierte, kam es laufend zu Streitereien mit der Gemeinde und ihrem Wirtshaus. 1662 erklärte der Herrschaftspächter Michael Madlsberger dezidiert, nur das Bierleutgeben, niemals aber die Weinschankgerechtigkeit ausüben und damit den Bürgern schaden zu wollen, obwohl die Herrschaft selbst über große Weinanbauflächen verfügte. Das dürfte bei seinen Nachfolgern nicht klaglos funktioniert haben, denn 1796 ersuchte die Gemeinde den Kaiser höchstpersönlich, »den ordentlichen beständigen Weinschank« der Herrschaft einzustellen. Die Betreiber des herrschaftlichen Bräuhauses und der angeschlossenen Taverne dürften anscheinend nicht viel von dem Revers, den Madelsberger einst für sich und seine Nachfolger unterschrieben hatte, gehalten haben. Einige fanden einen Kompromiss, andere scherten sich wenig darum und schenkten Wein und Bier aus. Nun war der Gemeinde plötzlich auch der Bierausschank in der Schlosstaverne ein Dorn im Auge und so kam es 1803 zu einem Vergleich mit dem nunmehrigen Besitzer des Bräuhauses, Herrn Peter Freyherr von de Traux de Wardin : »Die Gemeinde zahlt von 1. Juni 1803 angefangen nur mehr 200 Gulden an Taz und Umgeld für ihr Gemeinde-Wirtshaus bey der Herrschaft ; hingegen machet sich die Dorfgemeinde verbindlich, nicht nur die Übertragung des herrschaftl. Wirtshauses aus dem Schlosse in das hiezu von der Mühle gegenüber erbaute Haus zu gestatten, sondern auch wider den Betrieb des Wirtshauses zu ewiger Zeiten keine Beschwerde zu führen.« Im Gegenzug verzichtete die Herrschaft, ebenIm ewigen Streit mit den Weinbauern – die Schlossbrauerei Biedermannsdorf 269
falls auf ewige Zeiten, »auf dem Bräuhaus niemalen eine Schank weder mit Wein noch mit Bier zu betreiben, oder von jemandem betreiben zu lassen«. Es folgten aber weitere Streitereien, bis 1843 die Herrschaft endgültig den Bier- und Weinausschank in ihrer Taverne einstellte.312 Im Brauhaus, das direkt an das von Kardinal Kollonitsch errichtete Schloss Wasenhof angebaut war, wurden jährlich etwa 20.000 Hektoliter Bier gebraut, bis sich auch hier die große Konkurrenz der Bierfabrikanten bemerkbar machte. 1849 stellte der letzte Besitzer, der Ziegelfabrikant Alois Miesbach, den wir schon vom Brauhaus im Unteren Werd kennen, den Betrieb ein. Die Einrichtung und Teile der Brauereigebäude verschwanden und wichen einer Eisengießerei und Kesselschmiede. Aber noch 1862 werden im Jahrbuch der Braumeister und Bierversilberer eigenartigerweise Alois Miesbachs Erben als Eigentümer des Bräuhauses in Biedermannsdorf genannt, aber das war wahrscheinlich schon reine Reminiszenz.
Ehemaliger Braugasthof Wildenauer, der heute noch besteht
Durch Feuer und Türken vernichtet – die Herrschaftsbrauerei Gaaden
In Gaaden muss es bereits im 16. Jahrhundert unter dem Hofmeister des Stifts Heiligenkreuz, Christoph Prandtner, eine Brauerei gegeben haben, weil er sie kurz vor seinem Tod 1563 seinem Schwager Hans Stoßamhimmel, Bürger und Äußerer Rat zu Wien, vererbte. Dieser hatte jedoch das Pech, dass im Jahre 1567 in Gaaden eine Feuersbrunst ausbrach, welche die Burg und fast den ganzen Ort einäscherte. 1571 verkaufte dann seine Witwe die Feste Gaaden samt Mühle und Bräuhaus an Franz von Poppendorf. 1579 gelang es Abt Ulrich Müller und dem Konvent, den Besitz wieder dem Stift Heiligenkreuz einzuverleiben. Um 1670 wurde die Brauerei unter Abt Ulrich Molitor in Niedergaaden, gegenüber der Mühle beim Mödlingbach, neu errichtet,313 doch dürfte sie während des Türkenkriegs im Jahr 1683 zugrunde gegangen sein. Ein sehr altes und ein neues Brauhaus in Gablitz
In der letzten Gemeinde, deren Brauhäuser wir beschreiben wollen, gab es einen sehr alten und gibt es einen sehr neuen Betrieb. In Gablitz musste der alte am Ende des 19. Jahrhunderts den Betrieb einstellen 270 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
313 Die Geschichte von Gaaden, Teil 1 (im Internet abgerufen : http://gaaden.at/uploads/contenteditor/files/ geschichte/geschichte-1.pdf ).
314 Urban : 175 Jahre Wiener Lager, S. 103. 315 Verzeichnis vom 13. 9. 1675 (Verwendung von Weizen) (B.S.A. XIII/1). 316 Bewilligung vom 24. 3. 1714 Bier nach Wien zu führen (B.S.A. IV/41) und Wiener Landesarchiv : Jahrschilling und Strafbuch der Bierversilberer in der k.k. Haupt- und Residenzstatt Wien 1700–1868. 317 Mitteilung Berthold Weiß 1997, Archivalien im Heimatmuseum Gablitz.
und der neue hat unter dem Braumeister Harald Führer gerade wieder mit dem Brauen begonnen. Mit dem »Hütteldorfer Bräu« hat sie nach der Schwechater und der Ottakringer Brauerei wieder ein dem Wiener Lager ähnliches Bier auf den Markt gebracht. Diese Kreation hat der Schwechater Braumeister und Schöpfer des neuen Schwechater Wiener Lagerbiers, Andreas Urban, als einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Bierkultur gelobt.314 Das alte Gablitzer Brauhaus wurde um 1651 vom Mauerbacher Kartäuserkloster, das damals die Grundherrschaft über Gablitz ausübte, errichtet. 1675 wird es unter den Braustätten genannt, die Weizen verbraut hatten.315 Der Ort war die erste Poststation an der Reichsstraße von Wien nach Linz. Hier wurden Pferde gewechselt, Hufe beschlagen, Fuhrwerke repariert, eine Jause eingenommen und Gablitzer Bier getrunken – und dafür gab es eine herrschaftliche Taverne neben dem Brauhaus. Es wurde auch immer wieder Bier nach Wien geliefert316 und das Brauhaus scheint 1722 in der »Spezifikation derer sowohl in, als außer denen Linien dem Landt respective sammenthlichen Bräuhäuß Aigenthümern, welche in die Stadt das bräuende Bier einzuführen berechtigt sind« auf.317 1724 stiftete der Braumeister Hanns Christoph Zäch eine Statue des Hl. Nepomuk, die er am Weg zum Brauhaus aufstellen ließ und die sich heute beim Stiegenaufgang zur Gablitzer Kirche befindet. Als 1782 die Karthause Mauerbach aufgelöst wurde, veräußerte man auch deren Besitzungen. Darunter befand sich auch das Brauhaus, das der damalige Braumeister Leopold Fischer um 1.000 Gulden in SchuldEin sehr altes und ein neues Brauhaus in Gablitz 271
Bräuereigebäude
scheinen kaufte. Von den nächsten Eigentümern muss Johann Meichl erwähnt werden, der hier von 1830 bis 1834 tätig war und dessen Sohn Georg später in die Simmeringer Brauerei wechselte, die seine Familie bis 1913 führte. Im »Panorama von Wiens Umgebungen« von 1807 kann man folgendes, völlig in Vergessenheit geratenes Sprichwort erfahren : »In dem Bräuhaus wurden ehemals die größten und fettesten Ochsen von Niederösterreich gemästet. Daher entstand das Sprichwort in Österreich, womit man einen einfältigen Menschen bezeichnete, wenn man sagte : Der Mensch hat auf der hohen Schule zu Gablitz studiert«. In der »Topographie von Österreich unter der Enns« von Schweickhardt aus dem Jahre 1832 findet man eine andere Erklärung über die Herkunft dieses alten Volksspruches, mit dem ein Ignorant bezeichnet wird : »Dieses Sprichwort soll daherkommen, weil vor vielen Jahren ein Braumeister zwei seiner Söhne durch einen alten Abbé eigens erziehen ließ, welche in einem nächst dem Brauhause auf einer Anhöhe gelegenen Zubauhause wohnten und allda den Unterricht, leider aber ohne allen Erfolg, erhielten (Angabe der Herrschaft Mauerbach). Es soll noch gegenwärtig im Brauhause ein großes Protokoll vorliegen, worin viele Personen verschiedenen Ranges zum Scherze als Besucher dieser hohen Schule sich einzeichneten.« 1842 erwarben Karl und Anna Schönwiese das Brauhaus um 24.000 Gulden.318 Karl war bereits 46 Jahre alt und stammte aus Schlesien. Dort hatte der damals 18-Jährige fast zwei Jahre beim Mälzer und 272 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
318 Grimmlinger : Das Antonia Bad in Gablitz.
Braugasthof
319 Arbeitszeugnis, Archiv Österr. Historische Brauereitopographie. 320 Gewerbeschein, Archiv Österr. Historische Brauereitopographie.
Brauer Friedrich Ludewig in Peterswaldau als Braubursche gearbeitet, wie man einem noch erhaltenen Arbeitszeugnis aus dem Jahre 1816 entnehmen kann.319 Zwischen 1845 und 1864 wurden hier jährlich etwa 2.000 bis 3.500 Hektoliter Bier gebraut. Im Dezember 1865 trat sein Sohn Anton mit 31 Jahren die Nachfolge an und meldete dies dem Gewerbe-Register im Bezirksamt Purkersdorf.320 Er war von 1867 bis 1872 auch Bürgermeister von Gablitz. Da die Wiener immer mehr den Wert einer Sommerfrische erkannten, wurde der Ausflugsverkehr nach Gablitz zunehmend stärker und Meichls Nachfolger konnten das Brauhaus vorerst erfolgreich weiterführen. 1877 gab es bereits einen Stellwagenverkehr zur Eisenbahnhaltestelle »Kellerwiese«, heute Purkersdorf-Gablitz. 1898 folgte die erste Autobuslinie nach Purkersdorf, die allerdings wegen zu großer Lärmbelästigung bald wieder eingestellt wurde. Danach fuhr man bis 1926 wieder mit Pferdegespannen. 1895 kam es zu einem folgenschweren Großbrand, dem das Brauhaus zum Opfer fiel und das Ende der traditionsreichen Braustätte bedeutete. Danach wurden die Reste der Brauerei samt allen Rechten, Lieferverträgen und die intakt gebliebene Restauration an die Brüder Herzfelder Ein sehr altes und ein neues Brauhaus in Gablitz 273
Omnibusverbindung nach Gablitz
vom Wiener Neudorf Brauhaus verkauft. Die Restauration wurde verpachtet und mit Neudorfer »Austria-Bier« beliefert. Wie wir vom Neudorfer Brauhaus wissen, emigrierte dessen jüdischer Besitzer Anton Redlich 1938 nach Amerika und forderte nach dem Zweiten Weltkrieg die Realität vom nunmehrigen Besitzer, dem Fuhrwerksunternehmer Johann Bauer, zurück, was ihm nach einem sechsjährigen Gerichtsprozess auch gelang. Redlich hatte aber nichts anderes im Sinn, als den Großteil der Gebäude demolieren zu lassen, den Grundbesitz zu parzellieren und um 1958 zu veräußern.321 Bereits 1948 hatte der letzte Wirt Heinrich Gattermayer altersbedingt den Schankbetrieb aufgegeben. Gänzlich verarmt starb er 1952. Mit ihm ging die 300-jährige Geschichte des Gablitzer Brauhauses zu Ende.322 Heute erinnern die Bräuhausgasse und das Bräuerfeld an die einstige Braustätte. Einzelne Gebäude des Brauhauses sind, in vollkommen umgebauter Form, noch vorhanden. Über dem Brauhauskeller wurde ein modernes Wohnhaus errichtet.
321 Vormaurer : Brauerei Gablitz – ein Blick auf ihre Geschichte. 322 Internet : http://www.gablitz.info/ DreamHC/Seite45.html, abgerufen am 4. 4. 2016.
274 Die Brauhäuser im Süden und im Westen von Wien
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Stadtarchiv Schwechat : 203 (Text) Archiv Marktgemeinde Wiener Neudorf : 254 (Text), 255 (3x Text), 256 (Text) Heimatmuseum Fischamend : 237 (2 x) Heimathaus Brunn am Gebirge : 261, 262 (2x Text), 263 (Text), 264 (Text) Heimatmuseum Gablitz : 272, 273, 274 Familienarchiv Mautner Markhof : 47 (Text), 172 (2x) Stadtarchiv Klosterneuburg : 179 Archiv Wolfgang E. Schulz : 144, 147 (Text), 155 (Text) Archiv Franz Mazanec : 145 Archiv Anton Nowotny : 122, 123, 124 (alle Bilder) Archiv Adolf Ezsöl : 182 (2x), 183, 184 (Text rechts oben), 185, 211 (Text 2x oben) Familie Geyer, Gasthaus »Zum Mittelpunkt der Welt« : 259 (Text unten) Sammlerobjekte : Alfred Hlavac, Anton Novotny, Gerhard Stöckl, Hannes Waclavsky
Bildnachweis 279