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German Pages 244 Year 1994
Chrysostomos Mantzavinos . Wettbewerbstheorie
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t
Heft 434
Wettbewerbstheorie Eine kritische Auseinandersetzung
Von
Chrysostomos Mantzavinos
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Mantzavinos, Chrysostomos: Wettbewerbstheorie : eine kritische Auseinandersetzung / von Chrysostomos Mantzavinos. Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 434) ISBN 3-428-07934-5 NE: GT
D21 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-07934-5
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 1992 von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Meinem lieben Lehrer, Herrn Professor Dr. Alfred E. Ou, möchte ich für seine weise Unterstützung an dieser Stelle herzlich danken. Für harte aber gerechte Kritik an verschiedenen Fassungen des Manuskripts sowie für ständige Diskussionsbereitschaft danke ich Frau Professor Dr. Susanne WiedNebbeling. Für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Ralph Berndt. Vom Philosophen, Herrn Professor Dr. Herbert Keuth, habe ich im Rahmen seiner wissenschaftstheoretischen Seminare und privater Gespräche die Möglichkeiten und Grenzen der Suche nach der Wahrheit gelernt. Meinem hochverehrten Lehrer in Griechenland, Herrn Professor Dr. Dr. Petros Gemtos, Rektor der Universität Athen, bin ich für seine vielfältige Förderung im Laufe der Jahre zu großem Dank verpflichtet. Herrn Dr. Dimo Alivertis, der bei der sprachlichen Überarbeitung des Textes wesentlich mitgearbeitet hat, gilt mein ganz besonderer Dank. Frau Anne SchweinIin möchte ich für die sorgfältige Vorbereitung des Textes zur Drucklegung danken. Für die moralische Unterstützung möchte ich meiner Familie, Frau Georgia Koutroumbas und allen meinen Freunden in Tübingen danken. Schließlich sei dem Deutschen Akademischen Austauschdienst für die finanzielle Unterstützung der Promotion und des Druckes gedankt.
Tübingen, im Oktober 1993
Chrysostomos Mantzavinos
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13
1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
2.1. 2.2.
2.3.
Erster Teil Geschichte der Wettbewerbstheorie
15
Erstes Kapitel Rückblick auf die historische Entwicklung der Wettbewerbstheorie
15
Der Weg zur klassischen Nationalökonomie und A. Smith ............ Die freie Konkurrenz bei A. Smith ............................ Zur Theorie der vollkommenen Konkurrenz ...................... Die preistheoretische Revolution ..............................
15 17 19 21
Zweiter Teil Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
23
Zweites Kapitel Die "orthodoxe" amerikanische Wettbewerbstheorie
23
"Workable Competiton" und "Industrial Organization" .............. Die Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs .................... 2.2.1. Die Arbeiten von John M. Clark ........................ 2.2.2. Die "Workability"-Literatur ............................ 2.2.3. Die Kritik ........................................ 2.2.3.1. Normativer Charakter der Beurteilungskriterien ....... 2.2.3.2. Meßprobleme und Anwendbarkeit ................. 2.2.3.3. Erklärungsfähigkeit der Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs ................................... Industrial Organization ..................................... 2.3.1. Das Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma ..... 2.3.2. Die Kritik ........................................ 2.3.2.1. Die Aussagefähigkeit des Paradigmas .............. 2.3.2.2. Statistische Messungen und ökonomische Theorie
23 26 26 29 32 32 33 33 35 35 38 38 39
8
Inhaltsverzeichnis Drittes Kapitel Die Chicago-Schule
3.1. 3.2.
Die Wettbewerbstheorie der Chicago-Schule ...................... Die Kritik ............................................. 3.2.1. Sozialdarwinismus und die Machtproblematik ............... 3.2.2. Die Anwendbarkeit des Modells der vollkommenen Konkurrenz Viertes Kapitel Die Theorie der Contestable Markets
4.1.
4.2. 4.3.
5.1. 5.2. 5.3. 5.4.
Grundzüge der Theorie .................................... 4.1.1. Tragfähige Industriestruktur ............................ 4.1.2. Contestable Markets und neoklassische Theorie .............. 4.1.3. Die impliziten Annahmen der Theorie .................... Die Kritik ............................................. Theorie der Contestable Markets als Wettbewerbstheorie .............
6.4.
42 48 49 51
56 56 56 58 60 61 63
Dritter Teil Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
68
Fünftes Kapitel Der Ordoliberalismus
70
Die Wettbewerbsordnung und ihre Wirkungen .................... Die vollständige Konkurrenz ................................ Die dynamische Interpretation der vollständigen Konkurrenz .......... Die Kritik ............................................. 5.4.1. Wettbewerb und vollständige Konkurrenz .................. 5.4.2. Vollständige Konkurrenz und Wettbewerbsintensität ........... Sechstes Kapitel Marktphasentheorie und Unternehmer
6.1. 6.2. 6.3.
42
Schumpeter als Vater der Prozeßtheorie ......................... Wettbewerb und Phaseneinteilung nach H. Arndt .................. Die Marktphasentheorie von Heuss ............................ 6.3.1. Die Phaseneinteilung des Marktes ....................... 6.3.2. Unternehmertypologie und Marktentwicklung ............... 6.3.3. Zeit und Erfahrung .................................. Die Kritik ............................................. 6.4.1. Zwangscharakter der Marktentwicklung ................... 6.4.2. Vorwurf der Tautologie ...............................
71 76 78 79 79 81
84 84 87 88 88 89 90 91 92 93
Inhaltsverzeichnis
9
6.4.3. Marktprozeß und Wettbewerbsprozeß ..................... 94 Siebtes Kapitel Die Theorie der optimalen Wettbewerbsintensität
7.1. 7.2. 7.3. 7.4. 7.5.
Über die Wettbewerbsintensität ............................... Die Hoppmann-Kantzenbach-Kontroverse ....................... Die Kritik ............................................ Ansatzpunkte einer Modifikation der Theorie .................... Marktstruktur und Wettbewerb .............................. Achtes Kapitel Die österreichische Tradition
8.1. 8.2. 8.3. 8.4. 8.5. 8.6. 8.7.
8.8.
Die Staatsphilosophie Hayeks ............................... Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren ...................... Wettbewerb und Evolution ................................. Theorie des Marktprozesses: Wettbewerb und Unternehmertum ....... Der Liberalismus der österreichischen Tradition .................. Die radikalen Subjektivisten ................................ Die Kritik ............................................ 8.7.1. Ordnung vs. Gleichgewicht ........................... 8.7.2. Rationalität und Findigkeit ........................... 8.7.3. Der Unternehmer als Arbitrageur ....................... 8.7.4. Der Evolutionsgedanke und die Regeln der spontanen Ordnung .. 8.7.5. Eine Kritik der Kritik an der Neoklassik .................. Wettbewerb und Wissen: Entwurf einer Theorie .................. Neuntes Kapitel Die Systemtheorie
9.1. 9.2. 9.3. 9.4. 9.5.
Dynamik und Gesamtmarktkonzeption ......................... Der harte Kern der Theorie ................................ Die Weiterentwicklung der Theorie ........................... Die Hoppmann-Tolksdorf Kontroverse ......................... Die Non-Dilemma-These .................................. 9.5.1. Der normative Aspekt der Non-Dilemma-These ............. 9.5.2. Der Tautologievorwurf .............................. 9.5.3. Freiheit und Wettbewerb ............................. 9.5.4. Wettbewerb und ökonomische bzw. gesellschaftliche Ergebnisse . 9.5.5. Freiheit und ökonomische bzw. gesellschaftliche Ergebnisse .... 9.5.6. Die logische Struktur des Non-Dilemma-Schlusses ...........
96 97 99 103 105 108
115 116 119 122 124 126 130 133 133 135 137 139 141 144
157 157 158 160 163 166 166 167 169 176 182 184
10
Inhaltsverzeichnis
9.6.
Die Non-separabilis-These ................................. 9.6.1. Ökonomische Theorie und Grade der Abstraktion ........... 9.6.2. Systembetrachtung und Gesamtmarktkonzeption ............. Die Komplexität des Marktphänomens ......................... 9.7.1. Der Markt als komplexes Phänomen .................. :.. 9.7.2. Die "komplexitätsorientierte" Non-Dilemma-These ........... 9.7.3. Non-Dilemma-These. Markt und Austausch ................
9.7.
187 187 191 192 192 193 194
Vierter Teil Schlußfolgerungen und Methodik
202
Zehntes Kapitel Forschungsstrategien in der Wettbewerbstheorie
202
10.1. Interpretationsmöglichkeiten der Muster-Voraussagen .............. 203 10.2. Muster-Voraussagen als "Wieselwort" ......................... 206 10.3. Die bei den Strategien zur Erforschung des ökonomischen Seins ....... 208 Literaturverzeichnis
215
Personenregister
235
Sachregister
239
Verzeichnis der Tabellen Tab. 1:
Workable Competition
34
Tab. 2:
Industrial Organization
41
Tab. 3:
Die Chicago-Schule
55
Tab. 4:
Contestable Markets
67
Tab. 5:
Der Ordoliberalismus
84
Tab. 6:
Marktprozeßtheorie und Unternehmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
96
Tab. 7:
Die Theorie der optimalen Wettbewerbsintensität .............. 114
Tab. 8:
Die österreichische Tradition
Tab. 9:
Die Systemtheorie .................................... 201
143
Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1:
Strahl-Durchschnittskostenkurve.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
59
Abb. 2:
Lernprozeß in der Zeit .................................
91
Abb.3:
Produktionsvolumen in der Zeit
91
Abb.4:
Wettbewerbsprozeß, Austauschprozeß und Wissen
156
Abb.5:
Wirtschaft, Gesellschaft und Natur: Interdependenz
209
Abb.6:
Die partialanalytische Forschungsstrategie
Abb.7:
Die totalanalytische bzw. systemtheoretische Forschungsstrategie ... 213
................... 211
Einleitung Die Wettbewerbs theorie als eigenständige Theorie des Wettbewerbs ist neuesten Datums. Bis zu den 40er Jahren gab es sie nur als Preistheorie und erst später, vor allem in Deutschland, entstand ein Bewußtsein in der Disziplin, das die Wettbewerbstheorie als legitimen Fachbereich akzeptierte. Da ihr wesentliches Charakteristikum in ihrer mangelnden Einheitlichkeit besteht, muß man zwischen verschiedenen Forschungsrichtungen unterscheiden, die zum Teil aus unterschiedlichen Notwendigkeiten hervorgegangen sind. Als Hauptquelle sind jedoch bei den meisten von ihnen die Wettbewerbspolitik und ihre Nöte zu nennen. Dieser Theorienpluralismus mag wissenschaftstheoretisch prima facie als ein positives Faktum erscheinen; es besteht jedoch bei vielen Theoriesystemen bzw. Hypothesen ein gemeinsamer Punkt, der ihre Vergleichbarkeit und theoretische Diskussion wesentlich erschwert. Gemeint ist, daß bei vielen von ihnen starke normative Elemente vorhanden sind, die zum Teil mit erfahrungswissenschaftlichen Elementen verschmolzen sind. Diese Eigenschaft der Theorien des Wettbewerbs ist darauf zurückzuführen, daß sie ursprünglich als wettbewerbspolitische Konzeptionen formuliert worden sind. Unser Hauptinteresse liegt deshalb darin, die erfahrungswissenschaftlichen Thesen innerhalb jeder Forschungsrichtung so weit wie möglich zu isolieren und sie einer wissenschaftlichen Kritik zu unterwerfen. Das Ziel der Arbeit ist somit die Behandlung und Kritik der verschiedenen Wettbewerbstheorien und nur am Rande und rein informativ die Berücksichtigung der jeweils vorgeschlagenen Wettbewerbspolitik. Die wissenschaftliche Diskussion dürfte bis jetzt gezeigt haben, daß der Streit über (wettbewerbspolitische) Normen in eine Sackgasse führen muß und deshalb wollen wir wettbewerbspolitische Empfehlungen weitgehend außer Acht lassen. Nach einem kurzen historischen Rückblick werden zunächst die angelsächsischen Forschungsrichtungen behandelt. Dabei wird Wert darauf gelegt, daß die wettbewerbstheoretisch relevanten Teile gut präsentiert werden, da sie in den meisten Lehrbüchern fehlen. Im dritten Teil der Arbeit wird unsere Aufmerksamkeit auf die deutschsprachige Wettbewerbstheorie gerichtet. Bei der "österreichischen Tradition" ist eine ausführliche Darstellung geboten, da sie in der Literatur kaum einheitlich behandelt wird. Bei den
14
Einleitung
restlichen Forschungsrichtungen sind die kritischen Reflexionen der Schwerpunkt. Da, wo es möglich ist, werden Weiterentwicklungen oder Modifizierungen der jeweiligen Theorien vorgeschlagen und es wird der Entwurf einer eigenen Theorie des Markt- und WeUbewerbsprozesses vorgelegt. Zum Schluß werden dann zwei alternative Forschungsstrategien der Annäherung des ökonomischen Seins paradigmatisch dargestellt. Ziel jeder Kritik ist, die Schwächen der Theorien zu zeigen und somit einen Beitrag zur Suche nach Wahrheit zu leisten. Da jede Kritik, obwohl sie sich manchmal auch als ungültig erweist, wegen ihrer Natur fast immer unangenehm ist, sei an dieser Stelle auf etwas Selbstverständliches hingewiesen: unsere Kritik setzt sich nur mit Theorien auseinander und es ist nicht ihr Anliegen, sich gegen Personen zu richten.
Erster Teil
Geschichte der Wettbewerbstheorie Erstes Kapitel
Rückblick auf die historische Entwicklung der Wettbewerbstheorie 1.1. Der Weg zur klassischen Nationalökonomie und A. Smith Die ersten Ansätze einer theoretischen Betrachtung des Wettbewerbsphänomens befinden sich in der Fragestellung eines als »Anonymus Jamblichi« geführten unbekannten Schriftstellers des 5. Jahrhunderts v. Chr., weshalb die Griechen, die bezüglich der Rohstoffe viel ärmer waren als die Perser, trotzdem über eine blühende Wirtschaft verfügten.' Seine Antwort, daß die Treue und der Glauben in einer Privatrechtsordnung dies bewirkte, kann als Geburtsstunde der Markttheorie angeführt werden. 2 Bei Aristoteles befinden sich hauptsächlich Überlegungen über den Wert, das Geld und den Zins. 3 Außerdem lieferte Aristoteles die bis heute gültige Definition des Monopols (flÖVOC;, allein und JtWA€LV, verkaufen).4 In der römischen Zeit gab es kaum Ansätze ökonomischen Denkens5, aber wettbewerbsrechtlich ist es von Bedeutung, daß in dem durch Kaiser Justinian in den Jahren 528 bis 534 n. Chr. verfaßten "Corpus Juris Civilis Justinianeum" Antikartell- und Antimonopolgesetze vorhanden waren. 6 In der Scholastik beginnen sich die ersten Umrisse einer echten Markttheorie abzuzeichnen, die auf der Polarität
1 Vgl. Borchert, Manfred/Grossekettler, Heinz: Preis- und Wettbewerbstheorie, Stuttgart u.a., 1985, S. 126f. 2 Ebda. 3 Vgl. Schumpeter, Joseph Alois: History of Economic Analysis, London (2nd Printing), 1955, S. 60-65. 4 Vgl. Schumpeter, S. 61. S Vgl. Schumpeter, S. 66-71. 6 Vgl. BorchertlGrossekettler, S. 127.
16
Erster Teil: Geschichte der Wettbewerbstheorie
von Konkurrenz und Monopol basiere, und bei den Merkantilisten lassen sich zerstreute Indizien über den Wettbewerb finden. 8 Vor den Physiokraten, die als erste die Bedeutung und den Sinn des Wettbewerbs entdeckt haben9, ist auf zwei wichtige Vorläufer hinzuweisen, Lieur de Boisquillebert (1646 - 1714) und Richard Cantillon (1680 - 1734). Boisquillebert sah zum ersten Mal den Wettbewerb als Ordnungsprinzip an, fast so klar wie später A. Smith es tat. 1O Cantillon betrachtete den Wettbewerb als eine Art Streit ("altercation") zwischen den zwei Marktseiten. Jl Bei den Physiokraten wird dann der Wettbewerb zum Erklärungsprinzip für die Bildung des "natürlichen" Preises auf den einzelnen Märkten. tz Die Konkurrenzkräfte, die das Herrschen des "natürlichen" Preises garantieren, werden klar beschrieben, und es wird gezeigt, wie sie zu einer Gleichgewichtslage führen. 13 Dem ganzen Denkgebäude der Physiokraten liegt der Begriff der "natürlichen Ordnung" (ordre natureI) zugrunde, der der von Gott für das Glück der Menschen gewollten Ordnung entspricht. 14 Von ihr weicht die "positive Ordnung", die vom Menschen geschaffen wurde, ab, und deshalb muß der Staat dafür sorgen, daß die "positive" der "natürlichen" Ordnung angeglichen wird. t5 Um dieses zu erreichen, muß das Individuum in seinen Aktivitäten freigelassen werden, und daher die berühmte Maxime: "Laissez faire, laissez passer, le monde va de lui meme". Die Anerkennung der Bedeutung des Wettbewerbs seitens der Physiokraten wird in ihrer Wirt-
7 Vgl. Willeke, Franz-Ulrich: Entwicklung der Markttheorie. Von der Scholastik bis zur Klassik, Tübingen, 1961, S. 131. 8 So erwähnt Heckscher in seiner klassischen Abhandlung über Merkantilismus (Heckscher, Eli F.: Der Merkantilismus, deutsch von Mackenroth, Gerhard, Jena, 1932) den deutschen Merkantilisten des 17. Jahrhunderts Johann Joachim Becher, der schreibt, daß Monopol ("monopolium") hohe Preise als Ergebnis haben würde, wobei der Wettbewerb zwischen vielen Anbietern ("polypolium") die Preise nach unten schieben würde. Vgl. Heckscher, Bd. I, S. 25lf. und Bd. 11, S. 102, 114. 251. (Vgl. für diesen Hinweis McNulty, Paul: A Note on the History of Perfect Competition. in: Journal of Political Economy, Bd. 75, 1967, S. 395. In deutscher Sprache in: (Hrsg.) Herdzina, K., Wettbewerbstheorie, Köln. 1975, S. 54-60). 9 Vgl. Heuss, Ernst: (Art.) Wettbewerb, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 8, Stuttgart, 1980, S. 679. 10 Vgl. Schumpeter, S. 216. 11 Dieser Hinweis mit dem entsprechenden Zitat befindet sich in McNulty, S. 395. 12 Vgl. Heuss, S. 679. 13 Ebda. 14 Vgl. Ott, Alfred E./Winkel, Harald: Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre. Göttingen, 1985. S. 19f. IS Ebda.
Erstes Kapitel: Historische Entwicklung der Wettbewerbstheorie
17
schaftspolitik offensichtlich, die klar gegen die Zünfte und für die Freiheit der Arbeit und die Handelsfreiheit plädierte. 16 1.2. Die freie Konkurrenz bei A. Smith Man kann hauptsächlich drei Einflußquellen nennen, die unmittelbar bei der Formulierung des politökonomischen Systems Smiths gewirkt haben: die Philosophie David Humes, die schottische Moralphilosophie (vor allem die Deisten) und z.T. das physiokratische Denksystem. '7 Smith systematisierte die Tradition der ökonomischen Literatur seiner Zeit, indem er den Angleichungsprozeß der Marktpreise an die natürlichen Preise analysierte und den Wettbewerb als allgemeines sozialökonomisches Organisationsprinzip darstellte. '8 Als zentrale Kategorien seiner Synthese sind die Freiheit, die "natürliche Ordnung", die "unsichtbare Hand" als Lenkungsmechanismus und die "Sympathie" zu nennen. Der letzteren kommt eine große Bedeutung zu, da das Gefühl der Sympathie einen Interessenausgleich der Individuen bewirkt. '9 Die Harmonie zwischen Eigen- und Gesamtinteresse wird damit durch dreierlei Arten von Zwängen garantiert: von der Sympathie für andere und der freiwilligen Befolgung moralischer Regeln20 (moralischer Zwang), von den staatlichen Gesetzen (staatlicher Zwang) und von der disziplinierenden Wirkung einer freien Konkurrenz (wettbewerblicher Zwang).21 Entgegen einer weitverbreiteten Fehlinterpretation folgt Smith nicht dem Dogma des Nachtwächterstaates (Lassalle), sondern fordert eine staatliche Rahmenordnung, die als eine "Rule of Law" verstanden werden sollte, die die selbststeuernde WirtVgl. Ott/Winkel, S. 34f. Es ist fraglich. inwieweit die Physiokraten Smith beeinflußt haben. Hayek bemerkt in diesem Zusammenhang. daß die Auffassung, gemäß welcher "Smith viel den Physiokraten zu verdanken hatte. sollte sicherlich jetzt endlich aufgegeben werden". Vgl. Hayek. Friedrich August von: Wahrer und falscher Individualismus. in seinem Sammelband: Individualismus und wirtschaftliche Ordnung. Erlenbach-Zürich. 1952. S. 23. Fn. 15. Ott/Winkel sind der Auffassung, daß in der Zeit zwischen 1763 und 1766, wo sich Smith in Frankreich aufhielt. "schildert er die Vorstellungen Turgots als 'unrealistisch'. greift sicher aber den Gedanken des 'Iaissez faire' auf." Vgl. Ott/Winkel, S. 49. 18 Vgl. McNulty, S. 396. 19 Vgl. Ott/Winkel, S. 48. Die Verwendung dieser Kategorie der Sympathie stellt einen direkten Einfluß Humes dar. 20 Vgl. Hayek, Friedrich August von: Liberalismus, Tübingen, 1979, S. 26. 21 Ähnlich auch Recktenwald, Horst Claus: Die Klassik der ökonomischen Wirtschaft, in: WiSt, 12. Jg., 1983, S. 197. 16
17
2 Mantzavinos
18
Erster Teil: Geschichte der Wettbewerbstheorie
schaft von Fehlentwicklungen zu bewahren hat. 22.23 Es ist jedoch wahr, daß Smith den staatlichen Aufgaben keine konsequente Antikartellpolitik zurechnete, teilweise wegen der unzureichenden Erfahrung bezüglich der Kartellproblematik zu seiner Zeit und teilweise, weil er die von ihm vorgeschlagene Therapie, nichts zu tun, um die Kartelle und die informellen Absprachen24 zu unterstützen, anscheinend für effizient hielt. 25 Auch für die Bekämpfung der Monopole erkannte er keine Notwendigkeit einer staatlichen Antimonopolpolitik an und wies nur auf die Offenheit der Märkte als effiziente Maßnahme hin. Was die Essenz des Problems angeht, betrachtete Smith den Wettbewerb als ein dynamisches Phänomen. Für ihn war Konkurrenz ein lebendiger Vorgang, der wie ein Wettlauf ablief. 26 Der Wettbewerb wird als ein Prozeß in Richtung auf ein vorhergesagtes Ergebnis aufgefaßt und nicht als ein statischer Endzustand. Es ist auch bemerkenswert, daß Smith (und die anderen Klassiker)27 nur die Richtung der Preisverschiebungen als Ergebnis der Konkurrenzkräfte auf dem Markt angegeben haben, jedoch keine Analyse über die Höhe der Preise geliefert haben. 28 Smith beschreibt auch den Preisbildungsprozeß im Falle des Monopols29, und somit begründete er die klassische Dichotomie in der Marktanalyse zwischen Wettbewerb und Monopol.
11.
22
Vgl. Bartling, Hartwig: Leitbilder der Wettbewerbspolitik, München, 1980, S.
23 Für die realitätsnahe, von A. Smith vorgeschlagene Wirtschaftspolitik vgl. auch: Ott; Winkel, S. 53. Für die Entthronung des Mythos, daß Smith blind gegen die Grenzen und Bedingungen des Wettbewerbs war, vgl. auch: Röpke, Wilhelm: (Art.) Wettbewerb (11), in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 12, Stuttgart u.a., 1965, S. 30f. und Hayek, Friedrich August von: The Constitution of Liberty, London, 1960, S. 220ff. 24 Über die Absprachen vgl. das bekannte Zitat: "People of the same trade sei dom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices" , vgl. Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (I 776) , Hrsg. Cannan, Edwin, London, 4. Aufi., 1925, Bd. I, S. 130. 25 Ebda. 26 Vgl. Stigler, George J.: Perfect Competition, Historically Contemplated, in: The Journal of Political Economy, Bd. 65, 1957, S. 1. In deutscher Sprache in: Wettbewerbstheorie, S. 30-53. 27 Über die Beschreibung des Wettbewerbs von anderen klassischen Ökonomen vgl. Stigler, S. 3f. 28 Clark, der Smith den Prophet des Wettbewerbs nennt, meint in diesem Zusammenhang: "As a prophet of competition, one of the notable things about hirn was that he said unfinished things about it." Vgl. Clark, John Maurice: Competition as a Dynamic Process, Washington, 1961, S. 24. 29 Vgl. Smith, Bd. I, S. 63.
Erstes Kapitel: Historische Entwicklung der Wettbewerbstheorie
19
Aus heutiger Sicht kann man sagen, daß die klassische Theorie eine "evolutorische" Theorie ist, die prozessuale Vorgänge erklärt. 30 Sie kann als eine Theorie der Evolution eines ökonomischen Systems gedeutet werden, die sich auf zwei Elemente stützt. Einerseits auf die schöpferischen Akteure, die ihrem Eigeninteresse folgen, und andererseits auf die drei o.g. Zwänge, die die partiellen Eigeninteressen mit dem Gesamtinteresse weitgehend in Harmonie bringen. 31
1.3. Zur Theorie der vollkommenen Konkurrenz Das Hauptanliegen der Nachfolger Smiths und der anderen Klassiker war einerseits, die von ihnen angesprochenen Tendenzen beim Preisbildungsprozeß näher zu präzisieren und andererseits, die exakten Voraussetzungen eines "vollkommenen", also maximalen Wohlstand hervorbringenden Wettbewerbs32 zu bearbeiten. Dieser Forderung nach Genauigkeit versuchte die sog. mathematische Schule33 nachzukommen. Coumot analysierte beide Fälle der Konkurrenz und des Monopols und gab eine exakte, mathematische Definition des Wettbewerbs an. Jevons formulierte das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise ("Law of Indifference"), und auf ihn geht der Begriff des vollkommenen Marktes zurück. 34 Edgeworth beschrieb den Prozeß des "contracting" und "recontracting" und analysierte, wie der Austausch zum Erreichen des Optimums führen kann. 35 Eine vollständige Formulierung der Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz lieferten dann J. B. Clark und vor allem Knight. 36 Diese Exaktheit der Analyse bewirkte, daß zwei Hauptkategorien der klassischen Theorie verschwanden, nämlich die Freiheit und der evolutionäre Charakter des Marktprozesses. Aus heutiger Sicht dürfen diese beiden Merkmale in keiner Analyse des Wettbewerbs- bzw. Marktphänomens fehlen. Es darf aber nicht angenommen werden, daß die mangelnde Berücksichtigung dieser Faktoren die Annahme ihrer Irrelevanz seitens der Neoklassik bedeu-
30 Vgl. Tolksdorf, Michael: Stand und Entwicklungstendenzen der Wettbewerbstheorie, in: Wirtschaft und Wettbewerb, Jg. 30, 1980, S. 787. 31 Ähnlich Röpke, Jochen: Die Strategie der Innovation, Tübingen, 1977, S. 356. 32 Vgl. Tolksdorf, S. 787. 33 Vgl. Stigler, S. 5ff. 34 Vgl. Ott/Winkel, S. 259. 35 Diese Theorie spielt eine große Rolle bei der "Theorie des Kerns". Vgl. Telser, Lester: Theories of Competition, New York u.a., 1988. 36 Vgl. Knight, Frank: Risk, Uncertainty and Profit, New York, 1921, S. 76-79.
20
Erster Teil: Geschichte der Wettbewerbstheorie
tete. Vielmehr wurde die Freiheit als vorgegeben betrachtet und daher nicht mehr problematisiert. 37 Sie verstanden auch den Wettbewerb durchaus als dynamischen Vorgang, "ohne daß ihnen aber die adäquate theoretische Präzisierung dieser Vorstellung gelang".38 Insofern ist eine rückblickende Interpretation der wettbewerblichen Auffassungen der Neoklassik als "statisch"39 eher verfehlt. Es fand nur eine Umstellung des wissenschaftlichen Interesses auf mathematische Präzision und exakte Formulierung statt, die nicht notwendigerweise eine Verwerfung der Idee der wettbewerblichen Dynamik impliziert. Weil der dynamische Charakter des Wettbewerbs als selbstverständlich angenommen worden war, wurde von ihm abstrahiert und das Interesse in andere Bahnen gelenkt. Es trifft jedoch zu, daß aposteriorisch gesehen ein Wandel der Problematik und des Untersuchungsobjektes in der Neoklassik zu diagnostizieren ist. 40 Die Variablen unternehmerischen Handeins werden in den Datenkranz verwiesen41 und Gleichgewichtslagen werden analysiert. Die Instrumente der Preistheorie werden verfeinert (Haushalts-, Produktions-, Kostentheorie usw.) und das Wirtschaftsleben wird von dem restlichen sozialen Sein abgetrennt und isoliert betrachtet (Analyse der "reinen Ökonomie").42 Die Harmonie der Eigeninteressen mit dem Gesamtinteresse wird mit der einzig exakten Methode gezeigt, nämlich der mathematischen. Diese Entwicklung der neoklassichen Theorie führte aber zu Problemen, die später aufgegriffen worden sind. Vor allem wurde der Orthodoxie die Realitätsferne vorgeworfen. Mathematische Exaktheit und ahistorische ModelIierung als Forschungsstrategie führte zu weitgehenden Vereinfachungen, die die Kritiker als unangemessen ansahen. 43 Der nächste Schritt war
Vgl. Tolksdorf, S. 787. Herdzina, S. 17. 39 Vgl. z.B. McNulty, S. 398. 40 Tolksdorf spricht sogar von einem Paradigmawechsel. Vgl. Tolksdorf, S. 788. 41 Vgl. Cox, Helmut/Hübener, Harald: Wettbewerb. Eine Einführung in die Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, in: (Hrsg.) Cox, H./Jens, U./Markert, K., Handbuch des Wettbewerbs, München, 1981, S. 11. 4Z V~l. Tolksdorf, S. 788. Über die ökonomische Perspektive und d~s Problem der "reinen Okonomie" vgl. Albert, Hans: Reine Theorie und politische Okonomie: Die Problematik der ökonomischen Perspektive, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 117, 1961, wiederabgedruckt in seinem Sammelband: Marktsoziologie und Entscheidungslogik, Neuwied und Berlin, 1967, S. 41ff. 43 Auch in der modernen Literatur wird dieser Vorwurf laut. So schreibt Kaufer: "Der zu erklärende Wirtschaftsprozeß wurde in das Prokrustbett der stationären Wirtschaft der vollkommenen Konkurrenz gepreßt (...)" Vgl. Kaufer, Erich: Nochmals: Von der Preistheorie zur Wettbewerbstheorie, in: Ordo, Bd. 18, 1967, S. 96. Die 37 38
Erstes Kapitel: Historische Entwicklung der Wettbewerbstheorie
21
dann der Angriff auf das Konzept der vollkommenen Konkurrenz und die Suche nach alternativen, realitätsnäheren Theorien für die Erfassung des Weubewerbsphänomens. Somit brach die preistheoretische Revolution aus. 1.4. Die preistheoretische Revolution Die Unzufriedenheit mit dem realitätsfemen Konzept der vollkommenen Konkurrenz breitete sich in den 20er und 30er Jahren aus und führte zu einer Modifikation der Theorie. Sraffa44 betonte die Rolle der Präferenzen der Kunden, die dazu führen, daß prinzipiell jedes Unternehmen sich einer Nachfragekurve mit negativer Steigung gegenübersieht. Somit wird die Monopolanalyse als das richtige Instrument für die Erfassung des Marktphänomens propagiert. 45 Diese These wird bekanntlich von Joan Robinson46 und Chamberlin47 aufgegriffen und zu einem neuen Konzept weiterentwickelt. Mit der Einführung von realen Wettbewerbsparametern wie z.B. Produktheterogenität und Werbung, die, gemessen an dem Konzept der vollkommenen Konkurrenz, nur als "Unvollkommenheiten" gedeutet wurden, wurde eine realitätsnähere Alternative entworfen. Trotzdem bestand das Modell der vollkommenen Konkurrenz weiter als Legitimation der ganzen Ökonomik und Leitbild der Wirtschaftspolitik. 48 Der Glaube an die Wettbewerbskräfte wurde jedoch zu dieser Zeit erschüttert, und ein Wettbewerbspessimismus49 breitete sich aus. So wurden Thesen über den Niedergang
moderne Wettbewerbstheorie versteht sich zum großen Teil, wie wir es später sehen werden, als die realitätsnähere, erfahrungswissenschaftlich gehaltvollere Alternative zu der Theorie der vollkommenen Konkurrenz bzw. der neoklassichen Denkweise. 44 Vgl. Sraffa, Piero: The Laws of Returns under Competitive Conditions, in: The Economic Journal, 1926, Bd. 36, S. 535-550. In deutscher Sprache in: Wettbewerbstheorie, S. 62-75. 45 "11 is necessary, therefore, to abandon the path of free competition and to turn in the opposite direction, namely, towards monopoly". Vgl. Sraffa, S. 542. 46 Vgl. Robinson, Joan: The Economics of Imperfect Competition, London, 1933. 47 Vgl. Chamberlin, Edward H.: The Theory of Monopolistic Competition, Cambridge Mass., 1933. 48 In gewissem Sinne koinzidierte in dem Konzept der vollkommenen Konkurrenz der normative mit dem empirischen Aspekt, da er die Rechtfertigungsgrundlage einer liberalen Wirtschaft darstellte. Albert nennt es die "ontologische Identifikation von Wert, Wesen und Wirklichkeit". Vgl. Albert, S. 50, Fn. 26. 49 Vgl. Neumann, Carl Wolfgang: Historische Entwicklung und heutiger Stand der Wettbewerbstheorie, Königstein!fs., 1982, S. 83ff.
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Erster Teil: Geschichte der Wettbewerbstheorie
des Wettbewerbs so und über die Überschußkapazitäten-ProblematikSI , die die Unternehmer zu wettbewerbsbeschränkenden Absprachen zwingen, aufgestellt. Obwohl die preistheoretische Leistung hoch einzuschätzen ist, hat sie etwas qualitativ Neues nicht hervorgebracht. Trotz der Tatsache, daß die Idee der "monopolistischen Konkurrenz" eine neue Denkkategorie und ein neues Modell darstellte, blieb sie derselben, neoklassischen Tradition treu. Eine andersartige Annäherung des Wettbewerbsphänomens, die gleichsam die Geburtsstunde der modemen Wettbewerbstheorie signalisiert, bieten erst die Arbeiten J. M. Clarks an. Ansätze der modemen wettbewerbstheoretischen Denkweise lassen sich aber auch in den Aufsätzen A. YoungsS2 und M. Abramovitz,S3 finden.
50 Vgl. Robinson, Joan: The Irnpossibility of Cornpetition, in: (Hrsg.) Charnberlin, E. H., Monopoly and Cornpetition and their Regulation, London, 1954, S. 245-254. In deutscher Sprache in: Wettbewerbstheorie, S. 107-116. 51 Vgl. Kaldor, Nicholas: Market Irnperfection and Excess Capacity, in: Econornica, Bd. 2, 1935, S. 33-50. In deutscher Sprache in: Wettbewerbstheorie, S. 90-106. Später such Schmalenbach, Eugen: Der freien Wirtschaft zum Gedächtnis, Köln 1949, S.87ff. 52 Vgl. Young, Allyn: Increasing Returns and Econornic Progress, in: The Econirnic Journal, Bd. 38, 1928, S. 527-542. In deutscher Sprache in: Wettbewerbstheorie, S.288-300. 53 Vgl. Abrarnovitz, Moses: Monopolistic Selling in aChanging Econorny, in: The Quarterly Journal of Econornics, Bd. 52, 1937/38, S. 191-214. Teilweise in deutscher Sprache in: Wettbewerbstheorie, S. 301-314.
Zweiter Teil
Die angelsächsische Wettbewerbstheorie Zweites Kapitel
Die "orthodoxe" amerikanische Wettbewerbstheorie 2.1. "Workable Competition" und "Industrial Organization" In der deutschsprachigen Literatur ist vom Beginn der 60er Jahre intensiv über das Konzept des "funktionsfähigen Wettbewerbs" gesprochen worden. Damit ist die ganze "Workability"-Literatur gemeint, weIche seit der bekannten Arbeit von John Maurice Clark, "Toward a Concept of Workable Competition"I, in den USA entwickelt worden ist. Allmählich aber wurde der Terminus "funktionsfähiger Wettbewerb" auch für die Bezeichnung der "Industrial Organization"-Forschungsrichtung verwendet, was zu einer großen Verwirrung in der Literatur geführt hat. So wurden oft die beiden Forschungsrichtungen "Workable Competition" und "Industrial Organization" fälschlicherweise als Synonyme verwendet oder unter dem Begriff "HarvardSchule" subsumiert. 2 Das hat aber die Unterschiedlichkeit der beiden Konzepte verdeckt. Um die Unklarheiten zu beseitigen, wollen wir uns kurz mit der Geschichte der beiden Ansätze befassen. Nach der bahnbrechenden Arbeit von Clark 1939 folgte eine große Anzahl von Publikationen in den Vereinigten Staaten, weIche in enger Beziehung mit dem amerikanischen Antitrust verschiedene "Workability"
I Ursprünglich als Rede 1939 vor der American Economic Association gehalten und später veröffentlicht als: Clark, John Maurice: Toward a Concept of Workable Competition, in: The American Economic Review, Bd. 30, 1940, S. 241-256. 2 Vgl. z.B. Borchert/Grossekettler, S. 151ff., Bartling, S. 20ff., Schmidt, logo: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 3. Aufl., Stuttgart u.a., 1990, S. 29, Oberender, Peter/Väth, Andreas: Von der Industrieökonomie zur Marktökonomie, in: (Hrsg.) Oberender, P., Marktökonomie, München, 1989, S. 11, u.a.
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
Konzepte erstellten. 3 Sie waren alle von stark normativem Charakter und basierten auf Katalogen, welche anhand des Marktstruktur-MarktverhaltenMarktergebnis-Paragidmas entwickelt worden sind. Schon früher, am Anfang der 30er Jahre, entwickelte sich in Harvard eine neue Sichtweise bezüglich der Vorgänge in der Industrie als Produkt der Zusammenarbeit von Edward Chamberlin und Edward Mason. 4 1938 konnte Mason vor der American Economic Association einen analytischen Rahmen vorstellen, der als Basis für die Forschung der Industrievorgänge dienen konnte. Mit seinen Worten: "[... ] an adequate analysis of price and production policies requires consideration of (a) the influence of the organization of a firm on the character of the firm's reaction to given market situations; and (b) elements of market structure which include many more things than numbers and product differentiation".s Das ist der Zeitpunkt der Geburt des "market structure-conduct-performance" -Paragidmas. Wie wir sehen, wurden die zwei Forschungsrichtungen "Workable Competition" und "Industrial Organization" aus zwei verschiedenen Notwendigkeiten geboren. Workable Competition versuchte das Konzept der vollkommenen Konkurrenz als Ideal für die Wettbewerbspolitik zu entthronen und einen neuen weubewerbspolitischen Ansatz zu entwickeln, wohingegen die Industrial Organization sich mit den Vorgängen in der Industrie und deren Erklärung befaßt. Es ist klar, daß beiden Konzepten das von Mason entwikkelte Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis Paradigma zugrundeliegt: das ist das vereinende Moment der heiden Forschungsrichtungen. "Workable Competition" ist jedoch der normative Aspekt der amerikanischen Wettbewerbstheorie i.S. einer Suche nach der adäquaten, erwünschten Form des Wettbewerbs, wobei die "Industrial Organization" sich den tatsächlichen Weubewerbsprozessen zuwendet.6 So arbeitet man im Rahmen
3 Vgl. für einen Überblick dieser Konzepte: Sosnick, Stephen: A Critique of Concepts of Workable Competition, in: Quarterly Journal of Economics, Bd. 72, 1958, S. 380-423, und Poeche, Jürgen: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Leitbild, in: (Hrsg.) Poeche, J., Das Konzept des Workable Competition in der angelsächsischen Literatur, Köln u.a., 1972, S. 9-32. 4 Vgl. Grether, E. T.: Industrial Organization: Past History and Future Problems, in: The American Economic Review, Bd. 60, 1970, S. 83. S Mason, Edward S.: Price and Production Policies of Large Scale Enterprise: in: The American Economic Review (Supplement), Bd. 29, 1939, und wieder abgedruckt in seinem Sammelband Economic Concentration and the Monopoly Problem, Cambridge/Mass., 1957, S. 61. 6 Ähnlich auch Kaufer, Erich: Industrieökonomik.Eine Einführung in die Wettbewerbstheorie, München, 1980, S. 3-11, wo er auf S. 10 meint, daß bei der "Theory
Zweites Kapitel: Die "orthodoxe" amerikanische Wettbewerbstheorie
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der Industrial Organization mit einer Fülle von statistischem Material, welches innerhalb des Paradigmas eingeordnet wird und mit spezifischen, industriebezogenen Fallstudien. Nur anhand dieser empirischen Untersuchungen und ihrer Bewertung erfolgen dann Vorschläge für die "richtige" Wettbewerbspolitik. 7 Stattdessen arbeiteten die "Workability"-Theoretiker mit Normen, welche nur persönliche Postulate und keine nomologische Hypothesen darstellten. Letztlich sei hier gesagt, daß das Konzept des "workable competition" in den USA nach seiner intensiven Diskussion in den 40er und 50er und teils auch in den 60er Jahren kaum mehr Anhänger hat. So gab es während der 60er und 70er Jahre eine Tendenz der Verflechtung der beiden Forschungsrichtungen in dem Sinne, daß die Theoretiker der Industrial Organization in ihren Werken das Konzept des "workable competition" als Leitbild einbezogen und dann mit Hilfe der Empirie objektive Kriterien zu bearbeiten versuchten (so hat Bain noch 1968 in seinem Lehrbuchs das Konzept des "workable competition" in extenso behandelt).9 Aber diese Tendenz wurde später eingestellt und es ist charakteristisch, daß das am meisten in der deutschsprachigen Literatur zitierte Lehrbuch von Scherer in seiner neu esten Auflage dem "workable competition" nur drei Seiten schenkt. Wir wollen deshalb diese zwei wettbewerbstheoretischen Forschungsrichtungen unterschiedlich behandeln und uns nur vor Augen halten, daß ihr bindendes Glied das Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis Paradigma ist. Im folgenden Schaubild sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Forschungsrichtungen dargestellt.
of Industrial Organization" "[ ... ] die Analyse industrieller Marktprozesse, nicht aber deren Charakterisierung in wettbewerblich oder nicht im Vordergrund" steht. 7 So vg!. z.B. die Lehrbücher von Shepherd, William G.: The Economics of Industrial Organization, 2. Auf!., Englewood Cliff N. J., 1985, S. 323ff., und Scherer, Frederic M./Ross, David: Industrial Market Structure and Economic Performance, 3. Auf!., Boston u.a., 1990, Kap. 5, 9, 12, 13 und 15. S Vg!. Bain, Joe S., Industrial Organization, 2. Auf!., New York u.a., 1968, S. 13ff, vor allem S. 16. 9 Ähnlich auch Bartling, Hartwig: Weniger oder mehr Wettbewerbspolitk? Kontroverse wettbewerbstheoretischer Antworten, in: WiSu, 12. Jg., 1983, S. 421, wo er jedoch meint, daß das Konzept des "workable competition" wesentliche Impulse von der Industrial Organization erhielt, ohne die spätere Auseinandertrennung der beiden Forschungsrichtungen zu erwähnen. Dieselbe Meinung (für die die gleiche Kritik gilt) vertreten: Kantzenbach, Erhard/Kallfass, Hermann H.: Das Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs-workable competition: in: Handbuch des Wettbewerbs, S. 116ff.
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
Industrial Organization - Empirische Studien - Positive Betrachtung Marktprozesse in der Industrie - Betrachtung der internen Organisation der Firma - Unternehmenstheorie - Preistheoretische Ansätze
GEMEINSAMKEITEN
Workable Competition
- Marktstruktur-Marktverhai ten-MarktergebnisParadigma
- Kategorischer und instrumentbezogener Ansatz
- Entthronung der vollkommenen Konkurrenz
- Normativer Katalog: Aufzählung von Unvollkommenheitsfaktoren
- Fallstudien
- Dilemma-Problematik
- Wettbewerbspolitik anhand der empirischen Erkenntnisse
2.2. Die Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs
2.2.1. Die Arbeiten von lohn M Clark Der Ausgangspunkt der Argumentation Clarks war eine wirtschaftspolitische Frage: welches Wettbewerbskonzept kann zur wirtschaftspolitischen Norm erhoben werden?lo Er ist der Meinung, daß die vollkommene Konkurrenz nicht existiert, nie existiert hat und nie existieren wird. 11 Deshalb sucht er nach einem realitätsnäheren Konzept. Die Frage nach maximaler Effizienz, die für die neoklassische Tradition typisch ist, bleibt weiter bestehen, jetzt nicht unter vollkommenen, sondern unter unvollkommenen Voraussetzungen. 12 Er gibt zehn bedingende Faktoren ("conditioning factors") an, welche als besondere Merkmale der verschiedenen Märkte zu verstehen sind. Clark formuliert die These, daß im Falle des Vorliegens mehrerer Unvollkommenheiten auf einem Markt (im Sinne von Abweichungen von den Modeli bedingungen der vollkommenen Konkurrenz) das Hinzutreten eines weiteren Unvollkommenheitfaktors unter bestimmten Konstellationen den Wettbewerb funktionsfähiger machen könnte. So braucht die Wettbewerbspolitik als Ziel nicht die Beseitigung der Unvollkommenheiten zu haben, 10 Vgl. Hoppmann, Erich: Von der Preistheorie zur Wettbewerbstheorie, in: Ordo. Bd. 17. 1966. S. 370. 11 Vgl. Clark. Toward a Concept ...• S. 24l. 12 Vgl. Tolksdorf. S. 790.
Zweites Kapitel: Die "orthodoxe" amerikanische Wettbewerbstheorie
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weil das Hinzutreten weiterer Unvollkommenheiten eine bessere Annäherung an das Wohlfahrtsmaximum darstellen kann. 13 Als Beispiel kann der Fall des Oligopols genannt werden. Wenn alle restlichen Voraussetzungen der vollkommenen Konkurrenz (außer der Zahl der Konkurrenten) vorlägen, käme es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Kartell. Aber die Einführung einer oder mehrerer weiterer Unvollkommenheiten auf dem Markt (z.B. eingeschränkte Markttransparenz, Güterheterogenität usw.) würde den Wettbewerb funktionsfähig machen. Diese sog. Gegengiftthese l4 (remedy imperfections) berührt jedoch die vollkommene Konkurrenz als Leitbild nicht. Der funktionsfähige Wettbewerb bildet nur eine zweitbeste Lösung des Problems. 15 Zunächt gilt der vollkommene Wettbewerb noch als anzustrebendes, wenn auch praktisch nicht erreichbares Ideal. Wie fast alle Ökonomen seiner Zeit sah auch Clark zunächst (1939) das Modell der vollkommenen Konkurrenz noch als einen Idealzustand an, auch wenn er seine wirtschaftspolitische Relevanz infolge der unrealistischen Prämissen als sehr gering einschätzte. In seinen späteren Werken hat Clark versucht, ein Konzept des dynamischen Wettbewerbs zu entwickeln, das imstande sein würde, das Konzept der statischen, vollkommenen Konkurrenz als Leitbild abzulösen. Im Mittelpunkt der Kritik steht jetzt nicht die Realitätsferne der neoklassichen Theorie, sondern ihr stationärer Charakter. Anknüpfend an Schumpeters Pionierunternehmer versuchte Clark seine Innovationstheorie in die Wettbewerbstheorie zu integrieren. 16 In der dynamischen Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs sind "Marktunvollkommenheiten" wie Anpassungsverzögerungen. Produktdifferenzierungen oder mangelhafte Transparenz Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. 17
Vgl. Clark. Toward a Concept ...• S. 242. Diese These wurde zum ersten Mal als "Gegengiftthese" von Hoppmann benannt. Vgl. Hoppmann. Erich: Preismeldestellen und Wettbewerb. in: Wirtschaft und Wettbewerb. Jg. 16. 1966. wiederabgedruckt in seinem Sammelband: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb. Baden-Baden. 1988. S. 445. IS Über die Theorie des "Zweit-besten" siehe Lipsey. R. G. and Lancaster. Kelvin: The General Theory of Second Best. in: Review of Economic Studies. Bd. 24. 1956. S. 11-32. 16 Zu diesem Punkt muß hervorgehoben werden. daß der erste. der die Schumpetersche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung in die allgemeine Wettbewerbstheorie zu integrieren versuchte. Helmut Arndt war. Er beschrieb als erster den Wettbewerb als dynamischen Prozeß. eine Tatsache. die immer wieder verkannt wird. Vgl. Arndt. Helmut: Schöpferischer Wettbewerb und klassen lose Gesellschaft. Berlin. 1952. 17 Vgl. Kantzenbach/Kallfass. S. 108. 13 14
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
So gelang es Clark, den Wettbewerb als einen dynamischen Prozeß, der durch eine Folge nie abgeschlossener Vorstoß- und Verfolgungsphasen charakterisiert ist, zu beschreiben:. "Active competition consists of a combination of (1) initiatory actions by a business unit, and (2) a complex of responses by those with whom it deals, and by rivals."18 Zwei Aspekte sind bei dem Wettbewerbsprozeß und seiner Dynamik wichtig. Erstens wird der Wettbewerbsprozeß gedanklich in zwei Prozesse gespalten: Innovation und Neutralisation (die Theorie der vollkommenen Konkurrenz befaßte sich ausschließlich mit der zweiten Phase, der Neutralisation). Zweitens spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. 19 Es gibt einen Zeitabstand zwischen Maßnahmen und Reaktionen, und die Diffusion der Gewinne darf nicht mit zu großer Geschwindigkeit stattfinden, damit der Innovator einen angemessenen Anreiz hat. 20 Der zentrale Punkt in der Argumentation Clarks ist somit die Dynamik: Pioniergewinne in temporären Vorzugsstellungen sind für den Pionier zugleich Anreiz und Folge und für die Initatoren Anreiz für deren eigene Nachstoßanstrengungen. 21 Zum ersten Mal werden vorübergehende MonopolsteIlungen toleriert. Dieser unvollkommene Wettbewerb ist eine notwendige Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritr2, und das Fazit lautet, daß wer wirtschaftlichen Fortschritt will, kann nicht zugleich vollkommenen Wettbewerb wollen. Somit wird die sog. Dilemma-Problematik angesprochen, die zum Zentralpunkt der Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs wird. 23
18 Clark, John Maurice: Competition and the Objectives of Government Policy, in: Monopoly and Competition and their Regulation, S. 326. 19 Vgl. CIark, Competition and the Objectives of Government Policy, S. 327, wo er meint: "The neglected factor is that of velocity and time". 20 Vgl. Clark, Competition and the Objectives of Government Policy, S. 328. "The desirable case lies somewhere between too prompt and too slow neutralization." 21 Vgl. Neumann, S. 150. 22 "Some departures from 'pure and perfect' competition are not only inseparable from progress, but necessary to it." Vgl. Clark, John Maurice: Competition as a Dynamic Process, Washington (D.C.) 1961, S. IX. Vgl. dazu auch: Hoppmann, Erich: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, in: (Hrsg.) Besters, H., Theoretische und institutionelle Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Festschrift für Theodor Wesseis, Berlin, 1967, wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 19lf. 23 Für eine vollständige Darlegung der Ideen Clarks vgl. sein großes Spätwerk: Competition as a Dynamic Process. Da (S. IX) übernimmt jedoch Clark die Terminologie Blackwell Smiths und spricht von "effective" anstatt "workable competition".
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Die Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs, die mit der Analyse des technischen Fortschritts zwischen zwei Phasen eines dynamischen Wettbewerbsprozesses unterscheidet, wirft also zugleich das folgende Dilemma auf: da Innovationen und technischer Fortschritt zwangsweise mit Monopolelementen verbunden sind (Innovationsmonopol), kann es nicht gleichzeitig technischen Fortschritt und wettbewerbliehe Organisation der Märkte geben. 24 Diese theoretische Erkenntnis stellt dann die Wettbewerbspolitik vor den Zielkonflikt zwischen Freiheit des Wettbewerbs und wirtschaftlichen FortschriteS , und diese Problematik besteht implizit oder explizit in der ganzen "workability"-Literatur, welche den Arbeiten von J. M. Clark folgte. 2.2.2. Die "Workability"-Literatur
Clark meinte, daß seine Theorie des Wettbewerbs als dynamischer Prozeß kein eigenständiges Modell wäre, sondern nur den Rahmen darstellte, innerhalb dessen verschiedene Hypothesen ihren Platz finden könnten. 26 Das hat auch tatsächlich stattgefunden. Um das Dilemma so gut wie möglich zu lösen, entwickelte man Normen, mit denen man glaubte, den Wettbewerb auf den verschiedenen Märkten als funktionsfähig oder nicht funktionsfähig klassifizieren zu können. Diese Normen, welche auch als "Markttests" bekannt sind, sollten auch den Gerichten eine möglichst objektive, handhabbare Basis anbieten, um bei der Anwendung der Antitrustgesetze operationalisierbare, wissenschaftlich unterstützte Kriterien benutzen zu können. So entwickelte sich in den 40er und SOer Jahren in engem Zusammenhang mit der Antitrust-Literatur eine große Zahl von Konzepten, welche den "workable competition" zu objektivieren versuchten. 27 Die typische Arbeitsweise ist die folgende: man versucht, am Anfang eine Definition von "workable competition" zu geben und je nach unterschiedlicher Auffassung wird der Wettbewerb mit einer der folgenden Kategorien identifiziert:
24
199.
Vgl. Hoppmann: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, S.
25 Bei dem Konzept von Kantzenbach nimmt es dann die Form eines Dilemmas zwischen statischen und dynamischen Wettbewerbsfunktionen an. Vgl. Kantzenbach, Erhard: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, 2. Aufl., Göttingen, 1967, S. 15ff. 26 Vgl. Clark, John Maurice: Competition: Static Modells and Dynamic Aspects, in: The American Economic Review, Bd. 45, 1955, S. 457. 27 An der Diskussion beteiligten sich viele bekannte Nationalökonomen wie Adams, Bain, Baum, Edwards, Kahn, Machlup, Markham, Mason, Nelson, Philips, Smith, Sosnick, Thorelli, Wallace, Watkins und Wilcox. Für Literaturhinweise vgl. Poeche: Workable Competition als wettbewerbs politisches Leitbild, S. 14f.
30
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Marktstruktur, Marktverhalten oder Marktergebnis. Innerhalb dieser Kategorien unterscheidet man zwischen verschiedenen Dimensionen; so z.B. gibt es u.a. bezüglich der Kategorie Marktstruktur folgende Dimensionen: Anzahl der Marktteilnehmer, Grad der Produktdifferenzierung, Markteintritts- bzw. Marktaustrittsschranken, Markttransparenz usw. Bezüglich jeder Dimension gibt es eine letzte Differenzierungsmöglichkeit, welche den Grad der Optimalität bestimmt, d.h. es werden Normen erarbeitet, welche der Erfüllung des "Workability"-Kriteriums dienen, z.B. mäßiger Grad von Produktdifferenzierung, angemessene Zahl der Marktteilnehmer usw. Jeder Autor versucht, einen Katalog mit kategorischen Normen aufzustellen, deren Erfüllung den Erfolg des Tests für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs garantiert. Je nachdem, welche Normen den Vorrang in ihren Konzepten haben, unterscheiden sich die Autoren zwischen z.B. Strukturalisten und Behavioristen. Einige bevorzugen Kombinationen von Marktstruktur- und Marktverhaltensnormen (wie z.B. Stigler und Edwards), andere Kombinationen von Marktstruktur- und Marktergebnisnormen (wie z.B. Lewis, Markham) oder Kombinationen von Marktverhaltens- und Marktergebnisnormen (wie z.B. Oxenfeldt) oder Kombinationen von allen Normen (wie z.B. J. M. Clark, Mason und Wilcox).28 Auf eine Aufstellung der verschiedenen Normen wollen wir hier verzichten; ihre Zahl ist zu groß und geht auf die erfinderische Begabung und die Phantasie der verschiedenen Autoren zurück. 29 Dieser kategorische Ansatz, der von der überwiegenden Zahl der Wettbewerbstheoretiker (etwa J. M. Clark, Stigler, Smith u.a.) gewählt wird, versucht eindeutige und generelle Bedingungen für alle Wettbewerbssituationen i.S. von allgemeingültigen Wettbewerbsschemata anzugeben. 30 Nach all diesen Versuchen in den 40er und SOer Jahren ist jedoch der Disziplin die Erstellung eines Katalogs mit allgemein akzeptablen und (für die Wettbewerbspolitik) operationalisierbaren Normen eines "workable competition" nicht gelungen. Außerdem gibt es in der "workability"-Literatur eine andere Arbeitsweise: der instrumentbezogene Ansatz oder "remediability approach". Bei diesem Ansatz, zu dessen Vertreter vor allem Markham, Baum, Oxenfeldt, Watkins und Stocking zählen3 ), wird der Wettbewerb als funktionsfähig angesehen,
Vgl. Bartling: Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S. 22. Einen guten Überblick bietet Sosnick. Vgl. Sosnick, S 415ff. 30 Vgl. Aberle, Gerd: Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, Stuttgart u.a., 1980, S. 28. 31 Vgl. Sosnick, S. 402. Z8 Z9
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wenn keine Möglichkeit besteht. mit Hilfe von wirtschaftspolitischen Instrumenten die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zu verbessern. Die auch bei diesem instrumentbezogenen Ansatz aufgestellten Merkmalskataloge dienen nicht der Normenbildung wie beim kategorischen Ansatz. sondern als Grundlage für die Beurteilung der Auswirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen. 32 Es werden pragmatische Einzelentscheidungen über Verbesserungsmöglichkeiten mit Mitteln der Wettbewerbspolitik für einen konkreten Markt getroffen. 33 Der wichtigste Punkt, in dieser "workability"-Literatur (unabhängig davon. ob mit einer kategorischen oder instrumentbezogenen Orientierung) ist. daß im Versuch der Disziplin angemessene Definitionen des funktionsfähigen Wettbewerbs zu finden und Normen für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zu erarbeiten. das Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma Verwendung fand. Dies besagt. daß. von bestimmten Marktstrukturen ausgehend. bestimmte Verhaltensweisen induziert werden können. welche dann zu bestimmten Ergebnissen führen. Nach diesem Paradigma bestehen kausale Beziehungen. welche die Erforschung der verschiedenen Märkte bzw. Marktvorgänge wesentlich erleichtern. Dieser zugrundeliegende Glauben der "workability"-Forschung stellt jedoch keine Neuerung in der Art der Denkweise dar. sondern ist implizit auch in der traditionellen Preistheorie enthalten. 34 Da wird. je nach Anzahl der Konkurrenten. eine unterschiedliche Verhaltensweise postuliert. welche zu verschiedenen Preisen und Quantitäten. d.h. verschiedenen Ergebnissen führt. Der einzige Unterschied ist. daß weitere Dimensionen bzw. Merkmale bezüglich der drei Kategorien Struktur. Verhalten und Ergebnisse betrachtet wurden und die unterschiedlichen Parameter des Wettbewerbs explizit in das Paradigma einbezogen wurden. Aus dieser Sicht ist die Preistheorie ein weiterer Grad der Abstraktion bezüglich des Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigmas. Erst mit der Erforschung der Industrial Organization. der wir uns später zuwenden werden. erhält dieses Paradigma eine andere Dynamik und gewinnt an Bedeutung.
Vgl. Aberle, S. 29. Vgl. Kantzenbach/Kallfass. S. 116. Dieses Konzept ist mit einer verschiedenen Akzentuierung auch in der wettbewerbspolitischen Praxis in den USA aufgetreten, und zwar in Verbindung mit der Forderung nach einer modernisierten Rule of Reason. worunter man den Grundsatz versteht, daß eine Wettbewerbsbeschränkung nicht als illegal zu verurteilen ist, wenn die ökonomischen Resultate gut sind. Hoppmann spricht sogar über das "New-Rule-of-Reason Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs", vgl. Hoppmann, S. 216ff. 34 Vgl. Ott, Alfred E.: Marktform und Verhaltensweise, Stuttgart, 1959. 32 33
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2.2.3. Die Kriti/2 5 2.2.3.1. Normativer Charakter der Beurteilungskriterien Die Tatsache, daß nach fast zwei Jahrzehnten der Bemühungen die Vertreter des workable competition sich auf keinen einheitlichen normativen Katalog verständigt haben, zeigt, daß der Ansatz in eine Sackgasse geführt hat. Es fehlt eine geschlossene Theorie, und die vielzähligen Versuche einer Definition und Beurteilung des funktionsfähigen Wettbewerbs führen, durch zu viele Merkmalsgruppen und Bewertungs- und Gewichtungsprobleme, kaum zu wesentlichen Erkenntnissen. 36 Die Zahl möglicher Beurteilungsnormen ist zu groß37 und es fehlt eine solide Verständigungsbasis, auf der die Disziplin sich einigen könnte. Außerdem ist es den Vertretern dieses Konzepts nicht gelungen, eine Typologie der verschiedenen Marktprozesse für die wichtigsten Kombinationen der Marktelemente zu erstellen. 38 Die Sackgasse, zu der der Ansatz des funktionsfähigen Wettbewerbs geführt hat, beweist, daß die befolgte Methodologie verfehlt war. Anstatt des Versuches, nomologische Hypothesen über das Wettbewerbsphänomen zu formulieren, konzentrierte man sich auf die Bearbeitung von Normen und Merkmalsgruppen in der Hoffnung, die Wettbewerbsprozesse in einer so entwickelten Typologie klassifizieren bzw. hineinpressen zu können. Somit sind klassifikatorische Schemata entstanden, die angeblich die Subsumtion der verschiedenen Arten von Wettbewerbsprozessen erlauben würden. Der Grund des Scheitems dieses Versuches ist, daß diese Schemata nicht aufgrund von empirisch überprüften Erkenntnissen gewonnen worden sind, sondern mittels der Postulierung von Normen. 39 So aber bestand von Anfang an kaum Hoffnung, daß ein allgemein akzeptiertes Instrumentarium entwikkelt werden konnte. 4o
35 Für eine Kritik des Marktstruktur-Marktverhahen-Marktergebnis-Paradigmas siehe Kap. 2.3.2.1. und 2.3.2.2. 36 Vgl. Aberle, S. 29. 37 Vgl. Bartling, S. 23, wo er zeigt, wie die Zahl der möglichen Kombinationen in die Hunderttausende steigen kann. Das hatte Clark schon früher erkannt, vgl. Clark, Toward a Concept of workable Competition, a.a.O., S. 243 . .18 Vgl. Bartling, S. 23. 39 Sosnick gibt einen beeindruckenden Katalog der subjektiven Urteile, die der Entscheidung über die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zugrundeliegen. Vgl. Sosnick, S. 412f. 40 Somit ist auch die ablehnende Aussage Masons berechtigt: "[ ... ] there are as many definitions of 'effective' oder 'workable' competition as there are effective or
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33
2.2.3.2. Meßprobleme und Anwendbarkeit Wegen der stark subjektiven Wertungen bei den Kriterien bieten die verschiedenen "Workability"-Konzepte der Wettbewerbspolitik keine handhabbare Basis und deshalb haben sie nur geringfügige Auswirkungen auf die Antitrustpolitik gehabt. Außer der Subjektivität ist die Abwesenheit von konkreten, geeigneten Meßverfahren für die verschiedenen Merkmale das andere Hauptproblem für die Umsetzung der Normen zu justitiabien Kriterien. (Einen Versuch, solche Meßverfahren zu entwickeln, hat jedoch die Industrial Organization unternommen.) 2.2.3.3. Erklärungsfähigkeit der Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs Obwohl die Beschreibung des Wettbewerbs als dynamischer Prozeß von "moves and responses" und die Analyse der Innovation in bezug auf den Wettbewerb einen Fortschritt signalisiert, ist der Theorie nicht gelungen, eine vollständige Erklärung des Wettbewerbsphänomens anzugeben. Die Theorie stellt vielmehr eine Menge von Aussagen dar, die als eine Summe phänomenologischer Beobachtungen anzusehen iSt. 41 Das heißt, daß die Theorie des dynamischen, funktionsfähigen Wettbewerbs nur Klassen von Ereignissen (innovatorische Phase und imitatorische Phase), die nur phänomenologisch miteinander zu tun haben, erklären, jedoch kein Verursachungsmuster angeben kann. Der technische Fortschritt (Innovation und Imitation) wird nicht im Wettbewerbsprozeß hinreichend endogenisiert, weil keine Erklärung allgemeinen Charakters über (1) die Induzierung der Innovation, (2) den Auftritt der Imitatoren und (3) die Erhaltung der Zyklizität geliefert wird. 42 Es wird also lediglich eine "black box"-Theorie angeboten, die nur die unmittelbare Relation zwischen den beobachteten Phänomenen,
working economists." Vgl. Mason, Edward S.: The New Competition, in: Economic Concentration and the Monopoly Problem, S. 381. 41 Es handelt sich bei dieser Theorie um eine sog. "subsumptive explanation". Über die Unterscheidung zwischen "subsumptive" und "interpretive explanations" vgl. Bunge, Mario: Scientific Research 11, The Search for Truth, Berlin u.a., 1967, S. 25ff. 42 Tolksdorf ist auch der Auffassung, daß es unzureichend ist, bloß zu hoffen, daß der nachfolgende Wettbewerb schon stattfinden wird. Siehe S. l32, Fn. 66. Er erwähnt auch das Scheitern des Versuches Clarks, die neoklassische Theorie mit dem klassischen, dynamischen Begriff des Wettbewerbs zu versöhnen. Für Tolksdorf bleibt die Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs eine statische Entscheidungstheorie, welche jedoch eine schwierigere Aufgabe als die traditionelle Preistheorie hat, weil es den einfachen Standard des vollkommenen Wettbewerbs nicht mehr gibt. Vgl. Tolksdorf, S.790f. 3 Mantzavinos
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dem innovatorischen und dem imitatorischen Wettbewerb angibt, ohne nach der Entstehungsursache, den Hintergründen dieser Relation zu fragen. Ein Grund dafür mag das mangelnde Interesse an der Suche nach einer solchen vollständigen, methodologisch überlegenen Erklärung sein. Die ganze "workability"-Literatur konzentrierte ihr Potential auf die Lieferung von Kriterien der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und auf die Unterscheidung zwischen weubewerbspolitisch erwünschten und unerwünschten Formen des Wettbewerbs. Deshalb hat sie aus heutiger Sicht theoretisch nur wenig geleistet. In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Ergebnisse der vorausstehenden Betrachtungen zusammengefaßt. Tabelle 1
Workable Competition Wettbewerbstheorie Analyse des Wettbewerbs
Dynamischer Prozeß "moves and responses" Innovation und Diffusion als Rahmen der Analyse
Forschungsmethode
Workability-Definition I. Kategorischer Ansatz Aufstellung eines normativen Katalogs Kategorien: Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis Dimension: Innerhalb jeder Kategorie z.B. Marktstruktur: Anzahl der Marktteilnehmer Markttransparenz Produktdifferenzierung usw. Normen: Klassifikation jeder Dimension je nach "Optimalität", z.B. mäßige oder große Produktdifferenzierung usw. 11. Instrumentbezogener Ansatz: Wettbewerb dann funktionsfähig, wenn es keine Möglichkeit gibt, mit Instrumenten der Wettbewerbspolitik Funktionsfähigkeit zu verbessem
Meßverfahren
keine konkreten
Betrachtungshorizont
Eher kurz- und mittelfristig Bei Clark, bis die zwei Phasen des Wettbewerbs stattgefunden haben
Wettbewerbspolitik Ziele
Instrumentalisierung des Wettbewerbs Ziele je nach Autor verschieden Vorrang auf jeden Fall den ökonomischen Zielen
Inhalt
Keine per se-Verbote Rule-of-reason-Konzept
Kritik
1. Normativer Charakter 2. Keine Operationalisierbarkeit wegen Normierung und Meßproblemen 3. Mangelnde Erklärungsfähigkeit der Theorie
Zweites Kapitel: Die "orthodoxe" amerikanische Wettbewerbstheorie
35
2.3. Industrial Organization 2.3.1. Das Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma
Die Basis der Industrial Organization-Forschung43 ist das "structure-conduct-performance"-Paradigma. Auch im Rahmen des Konzepts des "workable competiton" spielt es eine große Rolle, es gibt jedoch einen Unterschied in der Operationalisierung: in der "workability"-Literatur wird vesucht, verschiedene Markttests zu entwickeln, welche einen normativen Charakter besitzen, wobei in der Industrial Organization das Paradigma als Basis dafür dient, die Industrievorgänge einzustufen und positiv zu erforschen. Was die Beziehung zur Wettbewerbstheorie angeht, so ist der Hauptunterschied zwischen Industrial Organization und Wettbewerbstheorie der, daß beim ersten nicht der Wettbewerb an sich das Untersuchungsobjekt darstellt, sondern nur im Zusammenhang mit dem Marktstruktur-MarktverhaltenMarktergebnis-Paradigma untersucht wird. 44 Die Industrial Organization ist als eine Art von Labor zu verstehen, in dessen Rahmen neue Ideen erarbeitet und alle neuen Zustände, welche aus der lebendigen ökonomischen Tätigkeit herauswachsen, statistisch getestet und empirisch erforscht werden. 45 Mit der Fülle der statistischen Untersuchungen können wir uns nicht beschäfti-
43 Zur Geschichte der Industrial Organization, deren Behandlung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, vgl. Grether, S. 83-89 und PhilIips, Almarin/Stevenson, Rodney E.: The Historical Development of Industrial Organization, in: History of Political Economy, Bd. 6, 1974, S. 324-342. 44 Ott meint, daß die Industrieökonomik, welche nach SchererlRoss als Synonym mit Industrial Organization zu benutzen ist (vgl. SchererlRoss, S. 1), die Schnittmenge von Preistheorie, Wettbewerbstheorie und Unternehmenstheorie darstellt. Vgl. Ott, Alfred E.: Industrieökonomik, in: (Hrsg.) Bombach, G./Gahlen, B./Ott, A. E., Industrieökonomik: Theorie und Empirie. Tübingen, 1985, S. 319. Zu einer weiteren Unterscheidung vgl. OberenderNäth, S. 3, wo sie jedoch meinen, daß: Preistheorie (1), Wettbewerbstheorie (2), Markttheorie (3), Industrial Organization (4), Industrieökonomik (5), Economics of Industry (6) wie folgt (vom Gesichtspunkt der Breite ihres Anwendungsbereiches) in Beziehung zueinander stehen: 6 = 5>4>3>2>1. Es ist klar, daß dieses Verhältnis nicht mit der Ottsehen Auffassung in Einklang zu bringen ist. 45 Vgl. Sehmalensee, Riehard: Industrial Economics. An Overview, in: The Economic Journal, Bd. 98, 1988, S. 643: "A fairly accurate capsule description is that industrial economics is the study of the supply side of the economy, particularly those markets in which business firms are seilers." Der berühmteste Kritiker dieser Forschungsrichtung, Stigler, ist jedoch der Auffassung, daß es keinen Gegenstand "Industrial Organization" gibt, denn ihr Inhalt ist fast derselbe wie der der Preistheorie. Vgl. Stigler, George: The Organization of Industry. Homewood/lll., 1968, S. 1.
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
gen, und deshalb wollen wir der Grundidee, vor allem dem MarktstrukturMarktverhalten-Marktergebnis-Paradigma, unsere Aufmerksamkeit widmen. Im Rahmen dieses Paradigmas gibt es vier Parameter, welche von allen Autoren für die Struktur eines Marktes als relevant angesehen werden: die Zahl der Anbieter, die Produktdifferenzierung, die Marktschranken und die Zahl der Nachfrager. Mi Unter Marktverhalten sind vor allem das Preisverhalten, die Produktstrategie, die Forschung und Innovation und die Werbung zu verstehen. Als Marktergebnis sind die produktive und allokative Effizienz, der technische Fortschritt, die Vollbeschäftigung und die Einkommensverteilung zu erwähnen. Es wird, zumindest kurzfristig, eine kausale, deterministische Beziehung zwischen der Struktur, dem Verhalten und dem Ergebnis auf einem Markt unterstellt und es werden vor allem in der langfristigen Periode schwache, umgekehrte Beziehungen zugegeben. 47 Alle diese Kategorien werden auch von den wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen bzw. Grundvoraussetzungen beeinflußt und so ergibt sich das folgende Schema:
46 VgL Caves, Richard: American Industry: Structure, Conduct, Performance, Englewood Cliffs N.J., 6. AufL, 1987, S. 17, Scherer/Ross, S. 5, Bain: Industrial Organization, S. 7, Martin, Stephen: Industrial Economics, New York, 1988, S. 3. 47 So meint z.B. Shepherd, William G.: On the Core Concepts of Industrial Economics, in: (Hrsg.) Jong, H. W. de/Shepherd, W. G., Mainstreams in Industrial Organization, 1986, Bd. I, S. 24: "Some have declared the triad outmoded, because causation can be reversed: a firm's superior performance can raise its market share. [...] The question is empirical: which direction of causation usually prevails in real cases? Empirical research so far has not established reverse causation as the norm. The evidence Iinking structure with probable effects on prices, profits efficiency, and innovation is much stronger and more generaL"
Zweites Kapitel: Die "orthodoxe" amerikanische Wettbewerbstheorie
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Wirtschaftliche, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen - Rohstoffe - Technologie - Wachstumsrate
- Gewerkschaften - Antitrust-Laws - usw.
Marktstruktur
Marktverhalten
Marktergebnis
- Zahl der Anbieter - Produktdifferenzierung - Marktschranken - Zahl der Nachfrager - Kostenstruktur usw.
- Preisverhalten - Produktstrategie - Forschung und Innovation - Werbung usw.
-
-7
-7
Produktive Effizienz Allokative Effizienz Techn. Fortschritt b Vollbeschäftigung Einkommensverteilung usw.
1b.
kurzfristige Periode langfristige Periode
Über den Erklärungsanspruch dieses Ansatzes wollen wir später im Rahmen unserer Kritik sprechen. Hier sei nur zu erwähnen, daß den Vertretern dieser Forschungsrichtung die Überzeugung gemein ist, daß die wirtschaftliche Macht in einer Wettbewerbswirtschaft das wichtigste Problem ist und von der Wettbewerbspolitik zu bekämpfen ist. Die langfristig wirkende wirtschaftliche Macht verursacht eine Reihe von Ineffizienzen wie Outputineffizienz, X-Ineffizienz, Monopolkampfkosten usw. 48 Den Grundbefund der Industrial Organization stellt die statistisch signifikante Korrelation zwischen Konzentration und Gewinnen dar. 49 Dieser empirische Zusammenhang wurde zuerst in den 70er Jahren von Brozen, Demsetz und vor allem Shepherd gefunden (welche als erste Unternehmensdaten benutzt haben)50 und gilt heutzutage als weitgehend akzeptiert. Die theoretische Erklärung besagt, daß die Wahrscheinlichkeit, hohe Gewinne zu erzie-
Vgl. SchererJRoss, S. 661ff. Für einen relativ vollständigen Überblick über die empirischen Befunde der Industrial Organization vgl. Böbel, Ingo: Wettbewerb und Industriestruktur: Industrial Organization - Forschung im Überblick, Berlin ua., 1984. 50 Vgl. Shepherd, William G.: The Elements of Market Structure, in: Review of Economics and Statistics, Bd. 54, 1972, S. 25-37, Brozen, Yale: Concentration and Structural Market Disequilibria, in: Antitrust Bulletin, Bd. 6, 1971, S. 241-248, und Demsetz, Harold: Industry Structure, Market Rivalry and Public Policy, in: Journal of Law and Economics, Bd. 16, 1973, S. 1-10. 48
49
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
len, mit dem Marktanteil steigt. Der Marktanteil wird zum entscheidenden Punkt, der die Profitabilität erhöhen kann. Es bleibt jedoch eine wichtige Angelegenheit offen, nämlich wie der Mechanismus aussieht, der zur höheren Profitabilität führt: werden die höheren Gewinne mittels der Erlangung von Monopolmacht oder wegen der höheren Effizienz erzielt? Die Industrial Organisation nimmt an, daß es starke Indizien dafür gibt {auch in der juristischen Praxis}, daß die großen Marktanteile zur großen Marktrnacht führen, die in hohe Gewinne umgesetzt wird. Somit wird letzten Endes die Machtproblematik zum Kausalfaktor gemacht und Effizienbetrachtungen eher in den Hintergrund gestellt. 2.3.2. Die Kritik
2.3.2.1. Die Aussagefähigkeit des Paradigmas Wie wir gesehen haben, unterstellen die Forscher der Industrial Organization, daß es, zumindest kurzfristig, eine kausale Beziehung zwischen Struktur, Verhalten und Ergebnis gibt. Die Problematik der Rückkopplungsbeziehungen wird in der älteren Literatur entweder nicht angesprochen oder nur oberflächlich behandelt. Wenn man aber konsequent der Logik des Paradigmas folgt, gelangt man zu dem Ergebnis, daß, wenn die Struktur über das Verhalten die Performance bestimmt, dann bestimmt die Performance über das Verhalten die künftige Marktstruktur. 51 So können z.B. hohe Gewinne das Sinken der Wettbewerbsneigung verursachen, weil ein ruhiges Leben den Vorrang erhält, oder hohe Verluste können erhöhte Wettbewerbsaggressivität induzieren. 52 Charakteristika des Verhaltens können die Struktur beeinflussen: Produktgestaltung und Werbung können auf einem oligopolistischen Konsumgütermakrt, auf dem ein technisch homogenes Produkt angeboten wird, langfristig dazu führen, daß die Nachfrager Präferenzen für einzelne Produkte entwickeln. So sind auf Konsumgütermärkten Produktdifferenzierungen häufig ein Ergebnis der Produkt- und Werbestrategie. 53 Kaufer ist somit der Auffassung, daß die dynamische Industrieanalyse die Verflechtung der drei Kategorien im Zeitablauf studieren muß, so daß die
51 Vgl. Kaufer, Industrieökonomik, Eine Einführung in die Wettbewerbstheorie, München, 1980, S. 9. Ähnlich auch derselbe: Neue Wettbewerbstheorie, in: (Hrsg.) Bombach, G./Gahlen, B./Ott, A. E., Probleme der Wettbewerbstheorie und -Politik, Tübingen, 1976, S. 20H. 52 Vgl. Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S. 26. 53 Vgl. Kantzenbach und KalIfass, S. 113f.
Zweites Kapitel: Die "orthodoxe" amerikanische Wettbewerbstheorie
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Zyklizität erhalten bleibt.54 Geht man davon aus, daß die Wettbewerbsprozesse offene Prozesse sind, dann sind die Ergebnisse nicht voraussagbar (Hayek). So bestimmen die objektiven Marktstrukturen das Marktverhalten keineswegs starr, und das aktuelle Verhalten hängt auch von subjektiven Faktoren wie Zielsetzungen, Risikobereitschaft, Präferenzen usw. ab. 55 Was man jedoch hervorheben muß, ist die Tatsache, daß die Beziehungen im Rahmen des Paradigmas als probabilistische Hypothesen formuliert sind. 56 Die angegebenen Zusammenhänge müssen somit nicht im Sinne von Allaussagen interpretiert werden, welche für jeden Marktprozeß zu jedem Zeitpunkt gelten. Sie stellen vielmehr Wahrscheinlichkeitsaussagen da~7, die nicht in jedem Einzelfall einen Anspruch auf Erklärungswert haben, sondern nur in einer Mehrzahl der Fälle. Dies bedeutet eine starke Relativierung der Thesen der Industrial Organization-Forschung, die jedoch wegen der Komplexität des Wettbewerbs- bzw. Marktphänomens durchaus akzeptabel ist. Interpretiert man die Ergebnisse dieser Forschungsrichtung außer als probabilistische Hypothesen zusätzlich auch als Hypothesen, die nur kurzfristig von Bedeutung sind, dann werden sie empirisch gehaltvoller. Trotzdem sei in diesem Punkt auf die immanenten Probleme der statistischen Erklärung hingewiesen. 58 2.3.2.2. Statistische Messungen und ökonomische Theorie Das Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma wird von einer Fülle statistischer Arbeiten unterstützt. In letzter Zeit sind in einer
Vgl. Kaufer, Industrieökonomik, S. 9. Vgl. Bartling, S. 25. 56 Eine Definition des statistischen Gesetzes gibt Hempel an: "Wir wollen nun allgemeiner sagen, daß eine Aussage die Form eines statistischen Gesetzes besitzt, oder probabilistischen Charakter hat, wenn in ihr (wesentlich) der Term 'statistische Wahrscheinlichkeit' oder ein begriffliches Äquivalent vorkommt, oder auch ein Term [... ] der mittels statistischer Wahrscheinlichkeitswerte definiert ist. Vgl. Hempel, Carl G.: Aspekte wissenschaftlicher Erklärung, Berlin und New York, 1977, S. 58. 57 Vgl. Kantzenbach und KalIfass, S. 118. 58 So werden z.T. probabilistische Argumente nicht für Erklärungen gehalten. Vgl. Scriven, Michael: Truisms as the Grounds for Historical Explanations, in: (Hrsg.) Gardiner, P., Theories of History, New York, 1959, S. 467, und Dray, WilIiam: The Historical Explanation of Actions Reconsidered in: (Hrsg.) Hook, S., Philosophy and History, New York, 1963, S. 119. Ähnlich auch Stegmüller, Wolfgang: Two Successor Concepts of the Notion of Statistical Explanation, in: (Hrsg.) Wright, G. v., Logic and Philosophy, The Hague, 1980, S. 37-52, wo er vermeidet, über "statische Erklärung" zu sprechen. 54 55
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
nahezu unübersehbaren Anzahl von Veröffentlichungen verschiedene Parameter statistisch erfaßt und viele Regressionen mit der Verwendung von Industrie- und Unternehmensdaten geschätzt worden. 59 Anstatt aber von dem Entwurf einer überprüfbaren Theorie auszugehen, die dann an der Empirie statistisch getestet wird, erforscht man zuerst statistische Relationen zwischen Phänomenen und versucht anschließend, eine Theorie für die Erklärung dieser Beziehungen zu geben. Diese methodologisch relativ unorthodoxe Weise der Erforschung der ökonomischen Realität hat jedoch zu Problemen geführt; es besteht nämlich oft die Schwierigkeit, die statistischen Ergebnisse vernünftig zu interpretieren bzw. theoretische Aussagen über wichtige Sachverhalte zu formulieren. So bleiben relativ wichtige Fragen, die im Zentrum der Untersuchungen stehen, wie z.B. welche Marktstruktur den größten technischen Fortschritt induziert, d.h. ob die sog. Schumpeter-Hypothesen gelten, unbeantwortet. Ambivalente Aussagen wie z.B. "[... ] Konkurrenz kann die Innovationsgeschwindigkeit entweder beschleunigen oder verlangsamen"60 sind dann oft das Ergebnis. Diese Probleme und das Unbehagen mit der Theorie haben dazu geführt, daß nach neuen theoretischen Wegen geforscht wird. Exemplarisch sei auf die von Shepherd vorgeschlagene "soft analysis" hingewiesen61 , die der Komplexität der ökonomischen Phänomene explizit Rechnung trägt und für ungenaue aber bedeutungsvolle, realitätsnahe Ergebnisse plädiert. 62 Scherer seinerseits spricht von einem Versagen des Marktstruktur-MarktverhaltenMarktergebnis-Paradigmas und fordert eine engere Zusammenarbeit zwischen Theorie und Empirie. 63 Trotzdem ist es sicher, daß der Struktur-Verhalten-Ergebnis-Ansatz ein hilfreiches und nützliches Rahmeninstrumentarium darstellt, um verschiedene Wirtschaftszweige und Industriebranchen fallweise ökonomisch zu analysieren. 64 Obwohl der Ansatz nicht angeben kann, welches das Muster der Ent59 Viele davon sind jedoch von einer fraglichen statistischen Methodologie. Vgl. Böbel, S. 10ff und S. 153f. 60 Vgl. Scherer, Frederic M.: Stand und Perspektiven der Industrieökonomik, in: Industrieökonomik: Theorie und Empirie, S. 15. 61 Vgl. Shepherd: On the Core Concepts of Industrial Economics, S. 26ff. Shepherd gibt auf S. 27 zu, daß "[ ...] much industrial economics is not determinate". 62 Vgl. Shepherd: On the Core Concepts of Industrial Economics, S. 28: "In our field, soft functions can still be analyzed in any degree of abstraction, to yield meaningful but approximate results, in terms of ranges rather than unique values" (das erinnert freilich an die von Hayek vorgeschlagenen Mustervoraussagen. Näheres dazu siehe Kap. 10.1. und Kap. 10.2.). 63 Vgl. Scherer, S. 4. 64 Vgl. OberenderNäth, S. 12.
Zweites Kapitel: Die "orthodoxe" amerikanische Wettbewerbstheorie
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wicklung der jeweiligen Industrie ist bzw. sein wird oder wie die strukturelle Änderung im Zeitverlauf aussehen wird, bietet sie eine Systematisierung an, die zur Erleichterung der Erforschung bestimmter Fragen dienen kann. Außerdem kann die explizite Einführung der "allgemeinen Grundlagen" (basic conditions), d.h. der institutionellen, politischen, rechtlichen und sozialen Umstände in die Analyse und die Betrachtung der Rückkopplungsbeziehungen65 zu einer quasi systemtheoretischen Annäherungsweise führen, die sich in der Zukunft als fruchtbar erweisen kann. Tabelle 2
Industrial Organization Wettbewerbstheorie Analyse des Wettbewerbs
MarklStruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma Keine direkte Analyse des Wettbewerbsprozesses, nur mittelbare
Forschungsmethode
Kausale Beziehungen zwischen Struktur, Verhalten und Ergebnis unter Miteinbeziehung der wirtschaftlichen, juristischen und sozialen Rahmenbedingungen Fallstudien
Meßverfahren
Zahlreiche empirische Untersuchungen; davon die wichtigsten - Industriedaten: Korrelation der Konzentration mit den Gewinnen - Untemehmensdaten: Korrelation der Marktanteile mit den Gewinnen
Wettbewerbspolitik Ziele
Freiheit und Beseitigung der wirtschaftlichen Macht
Inhalt
Weitgehende Fusionskontrolle und sogar Entflechtung Verfolgung von Weubewerbsbeschränkungen, Regulierung teils per se-rules, teils rules of reason
Kritik
1. Geringe Aussagefähigkeit des Paradigmas, wegen a. Rückkopplungsbeziehungen zwischen Struktur - Verhalten Ergebnis b. Marktphasen c. Unvoraussagbarkeit der Wettbewerbsergebnisse d. Wahrscheinlichkeitsaussagen 2. Schwierigkeiten, die statistischen Ergebnisse theoretisch zu interpretieren
65 Eine solche Interpretation, die jedoch zur Zeit nicht zutrifft, gibt Hoppmann an. Vgl. Hoppmann, Erich: Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, Baden-Baden, 1974, wiederabgedruckt in seinem Sammelband: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 508-510.
42
Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie Drittes Kapitel
Die Chicago-Schule 3.1. Die Wettbewerbstheorie der Chicago-Schule1 Am Ende der 70er Jahre hat sich im amerikanischen Antitrust eine neue Sichtweise der Wettbewerbspolitik herauskristallisiert. die als "Chicago School of Antitrust Analysis" bekannt geworden ist. Diese wettbewerbspolitische Schule. die in einer langjährigen Tradition tief verwurzelt ist. zählt zu ihren prominentesten Vertretern Stigler. Bork. Posner. Demsetz u.a .• und ihr Hauptanliegen ist. die theoretischen Erkenntnisse der ökonomischen Theorie und vor allem der Preistheorie in der Wettbewerbspolitik direkt anzuwenden. Obwohl die von der Chicago-Schule vorgeschlagene Wettbewerbspolitik eine weitgehende Resonanz in der Praxis gefunden hae. möchten wir sie nur am Rande behandeln und unsere Aufmerksamkeit der positiven Theorie widmen. Als wichtigste Punkte der Wettbewerbstheorie der Chicago-Schule sind die folgenden zu erwähnen. a) Verständnis des Wettbewerbs. Der Wettbewerb wird von den Vertretern der Chicago-Schule als ein dynamischer Marktprozeß verstanden. 3 Die Kräfte des Wettbewerbs mobilisieren alle vorhandenen Produktionsfaktoren der Wirtschaft in Richtung auf ein sich ständig änderndes Marktgleichgewicht. das die optimale Faktorallokation garantiert. 4 Der Wettbewerb wird somit als eine Art "Leitstern" verstanden. dem es bei all seinen Bewegungen in Richtung auf ein Marktgleichgewicht zu folgen gilt. 5 Für die Erforschung des so verstandenen Wettbewerbs wird ausschließlich die neoklassische Preistheorie verwendet.
1 Der Terminus Chicago-Schule wird im allgemeinen als Bezeichnung für eine große Gruppe von Nationalökonomen benutzt. deren Mehrheit in der Chicago-Universität lehrt bzw. gelehrt hat oder ausgebildet wurde. Für die Unterscheidung zwischen drei Generationen von Ökonomen der Chicago-Schule vgl. Reder. Melvin: Chicago Economics: Permanence and Change. in: Journal of Economics Literature. Bd. 20, 1982, S. 2ff. Z Vgl. Schmidt, Ingo/Rittaler, Jan B.: Die Chicago School of Antitrust Analysis, Baden-Baden, 1986, S. 11. 3 Vgl. Schmidt/Rittaler, S. 15. 4 Vgl. Bork, Robert: The Antitrust Paradox. A Policy at War with Itself, New York, 1978, S. 98. 5 Vgl. Schmidt und Rittaler, S. 15.
Drittes Kapitel: Die Chicago-Schule
43
b) Die Renaissance der neoklassischen Preistheorie. Im Gegensatz zu anderen Forschungsrichtungen der modernen Wettbewerbstheorie, die den Versuch unternehmen, mittels dynamischer Instrumente das dynamische Phänomen des Wettbewerbs zu erklären, basiert die Chicago-Schule auf der traditionellen Methode der komparativen Statik der neoklassischen Preistheorie. Mit dem Argument der großen analytischen Klarheit6 werden für die Analyse der ökonomischen Realität die Modelle der vollkommenen Konkurrenz und des Monopols gewählt. Diese auf die Klassik zurückführende Dichotomie erscheint für die Vertreter dieser Forschungsrichtung als die richtige Methode zur Annäherung des Wettbewerbs- bzw. Marktphänomens und es wird von einer Oligopoltheorie7 , dem Konzept des monopolistischen Wettbewerbs oder der Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs kein Gebrauch gemacht. Dabei sind weder die vollkommene Konkurrenz noch das Monopol als Leitbilder anzusehen. Sie dienen lediglich als Ausgangsbasis der Analyse und sollen auf diese Weise zur analytischen Klarheit führen. 8 c) Vollkommene Konku"enz und "Approximationshypothese". Die Voraussetzungen der vollkommenen Konkurrenz, die von der Chicago-Schule als Mittel zur Erforschung des Wettbewerbsphänomens herangezogen wird, decken sich weitgehend mit diesem der Neoklassik9 , und das Rationalitätsprinzip, d.h. die Annahme absoluter Rationalität bei Entscheidungsprozessen, wird besonders betont. Es werden dann hauptsächlich zwei Eigenschaften der entstandenen wettbewerb lichen Preise angegeben: die Räumung der Märkte und der Ausgleich der Erträge. lO
Ein wesentlicher Aspekt dieser gleichgewichtsorientierten Theorie, der zugleich als eine Auslegung bzw. inhaltliche Erweiterung der neoklassischen Preistheorie verstanden werden kann, ist die sog. Approximationshypothese ("good approximation assumption"). Sie besagt, daß alle in der ökonomischen Realität beobachteten Preise und Mengen gute Annäherungen der langfristigen, wettbewerb lichen Preise und Mengen sindY
Vgl. Stigler, George: The Organization of Industry, Chicago, 1968, S. 12. "Conventional oligopoly theory, however, is little more than a guess about the ways in which firms might be able to behave in a market composed of a few seilers", vgl. Bork, S. 92. 8 Vgl. Schmidt/Rittaler, S. 33. 9 Vgl. Stigler, S. 5ff. 10 Vgl. Stigler, S. 9-1l. 11 "[ ••• ] in applied work, [. .. ] one may treat observed prices and quantities as good approximations to their long-run competitive equilibrium values. Call this the 'good approximation assumption'. This assumption enables an investigator to abstract from the effects of transitory market imperfections resulting in misallocation or underutiliza6
7
44
Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
Diese Annahme ist von großer Bedeutung, denn sie stellt einen Überbrükkungsansatz zwischen Dynamik und Statik dar. Der Wettbewerb ist dynamisch, die Preistheorie ist statisch, und mit der Annahme, daß alle zu beobachtenden Preise und Quantitäten den langfristigen Gleichgewichtspreisen entsprechen, wird die Brücke geschlagen. Was die ganze moderne Wettbewerbstheorie mit Aufstellung verschiedener Theorien zu erklären sucht, löst die Chicago-Schule mit der Adoption einer weiteren Annahme. Ein anderer wichtiger Bestandteil der Theorie ist die sehr langfristige Betrachtungsweise. Marktanpassungsprozesse benötigen aufgrund von Informationsbeschaffungs- und Verarbeitungsproblemen eine Zeitspanne, die nach Ansicht der Vertreter der Chicago-Schule für temporäre Friktionen verantwortlich ist. 12 Langfristig sorgen die Selbstregulierungskräfte des Wettbewerbs dafür,daß alles optimal geregelt wird.
d) Das Überlebensprinzip. Innerhalb der Chicago-Schule ist die Auffassung einer Auslese der Besten im Marktprozeß sehr verbreitet. Diese These, die wegen der Befürwortung des "survival of the fittest" auch Sozialdarwinismus genannt wird 13, besagt, daß der Wettbewerb zu der Selektion derjenigen Methoden seitens der Unternehmen führt, welche die niedrigsten Kosten garantieren. Dieser Ausleseprozeß bedeutet, daß die Struktur der jeweils zu betrachtenden Industrie die kostengünstigste und also die effizienteste ist. Diese Effizienz hat nichts mit der sozialen Effizienz zu tun, denn die effizienteste Betriebsgröße könnte auch aus der Aneignung von Monopolmacht, der Benutzung unerwünschter Praktiken usw. herrühren. 14 Gemäß dieses Überlebensprinzips werden fast alle Praktiken im Rahmen des Wettbewerbs-Ausleseprozesses als legitim betrachtet, und die Position der Marktmächtigen als Trophäe des Kampfes gesehen. Somit wird eine klare Analogie zwischen der Darwinistischen Theorie der natürlichen Selek-
tion of resources etc. [... ]." Vgl. Reder, S. 12. Deshalb ist die Operationalisierung der Theorie für die Vertreter der Chicago-Schule viel leichter als für die restlichen Ökonomen, und sie nehmen die Volkswirtschaftslehre als angewandte Wissenschaft sehr ernst. Vgl. dazu: Bittlingmayer, George: Die wettbewerbspolitischen Vorstellungen der Chicago School, in: Wirtschaft und Wettbewerb, Jg. 1987, S. 710f. 12 Vgl. Schmidt/Rittaler, S. 27. 13 Diese These geht auf die sog. "survivor technique", die von Stigler entwickelt wurde, zurück. Vgl. Stigler, S. 73. J.S. Mill vertrat jedoch, nach Stigler (ebda.), eine ähnliche Auffassung. Eine klassische Formulierung ist in Alchian, Armen A.: Uncertainty, Evolution und Economic Theory, in: Journal of Political Economy, Bd. 58, 1950, S. 211-221, zu finden. 14 "The socially optimum firm is fundamentally an ethical concept, and we question neither its importance nor its elusiveness." Vgl. Stigler, S. 73.
Drittes Kapitel: Die Chicago-Schule
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tion und physischen Evolution und dem freien Markt behauptet. 15 Durch diese Brille wird auch der statistisch erforschte Zusammenhang zwischen Konzentration bzw. Marktanteil und Effizienz betrachtet. Diese Beziehung spiegelt nach den Vertretern der Chicago-Schule die größere Effizienz der größten Unternehmer wider, da leistungsfähigere Unternehmen ein schnelleres Wachstum als ihre Mitbewerber aufweisen. 16 Das neue Motto heißt also jetzt: "Efficiency causes concentration".17
e) Das Monopolproblem und die Funktionsfähigkeit des Marktmechanismus. Die Vertreter der Chicago-Schule unterscheiden klar zwischen Ursachen und Wirkungen eines Monopols.18 Für die Wirkungen des Monopols wird die klassische preistheoretische Monopolanalyse übernommen. 19 Zwei Punkte werden jedoch besonders hervorgehoben. Zunächst wird unterstellt, daß bis auf die zwei Fälle der Staatsprivilegien und der Ressourcenkontrolle der freie Markteintritt das Monopol beseitigen wird und deshalb jede MonopolsteIlung im Grunde ephemer ist. Jeder neue Eintritt wird Monopolmacht, die nicht auf Effizienz beruht, sofort erodieren (dabei spielt die langfristige Betrachtungsweise freilich eine große Rolle 20). Außerdem wird angenommen, daß das Monopolproblem respektive das Problem der aus Monopolen entstehenden Wohlfahrtsverluste in der Realität quantitativ nur eine untergeordnete Rolle spielt. 21
Vgl. Bork, S. 118. Es dürfte klar sein, daß diese Interpretation von dieser der Industrial Organizati on abweicht. Im Grunde wird die Kausalkette durch die Lehre der Chicago-Schule umgekehrt. Vgl. Mueller, Dennis C.: Das Antitrustrecht der Vereinigten Staaten am Scheideweg, in: Wirtschaft und Wettbewerb, 26. Jg., 1986, S. 539. 17 So Demsetz: "If the theory of competition teils us anything about industry structure, it is that an organization of an industry that has persisted for a long period of time in the absence of legal restrietions on entry fundamentally reflects underlying cost conditions". Vgl. Demsetz, Harald: Economies as a Guide to Antitrust, in: The Journal of Law and Economics, Bd. 19, 1976, S. 374. Über eine ausführliche Darstellung der Interpretation der Konzentration seitens der Chicago-Schule, vgl. Rittaler, Jan B.: Industrial Concentration and the Chicago School of Antitrust Analysis, Frankfurt, 1989. 18 Vgl. Demsetz, S. 372. 19 Wie Reder es fonnuliert, aus nonnativer Sicht sagen die Chicago-Ökonomen, daß das Monopol schlecht ist; aus positiver Sicht, daß es selten und von begrenztem Einfluß ist. Vgl. Reder, S. 15. 20 Außerdem wird der potentiellen Konkurrenz bezüglich der Monopolanalyse eine große Bedeutung beigemessen: "The condition for competition is many potential rivals, not necessary many existing rivals". Vgl. Stigler, S. 19. 21 Vgl. Schmidt/Rittaler, S. 61. Diese Ansicht stützt sich vor allem auf die Studie von Harberger, der die Wohlfahrtsverluste durch die Monopole für das produzierende Gewerbe in der Periode 1924-1928 als circa 0,1 Prozent der US-GNP errechnet hat. 15 16
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
Was die Ursachen von Monopolen bzw. Monopolmacht angeht, werden vor allem zwei Entstehungsgründe genannt. Der staatliche Schutz von Monopolmacht, der mit den sog. politischen Ausnahmebereichen zusammenhängt, wird als die erste Ursache angesehen. Nach Ansicht der Chicago-Schule können diese Bereiche, die oft der staatlichen Regulierung unterworfen sind, argumentativ nicht verteidigt werden; sie sind aber genauso schwer politisch angreifbar. 22 (Deshalb sind die Vertreter der Chicago-Schule Verfechter eines weitreichenden Programmes für Deregulierung. 23 ) Die Kontrolle über die Ressourcen wird als die andere Möglichkeit der Monopolisierung angesehen. Die Verfügungsgewalt über einen seltenen Inputfaktor wird in diesem Zusammenhang als Marktzutrittsschranke angesehen. 24 (Sog. "barriers to entry", wie Werbung, vertikale Integration, hohe Mindestkapitalausstattung usw., werden als keine Monopolisierungsversuche, sondern als wettbewerbliche Taktiken betrachtet. 25 )
Vgl. Harberger, Arnold C.: Monopoly and Ressource Allocation, in: The American Economic Review, Bd. 44, 1954, S. 77-87. Diese Harberger-Studie ist jedoch heftig kritisiert worden und in vielen neueren Studien werden die Wohlfahrtsverluste auf 4 bis 7 Prozent der US-GNP erhöht. Vgl. Böbe(, S. 179ff. und 20 Hf. Auch Scherer und Ross, S. 663ff. Für die Auswirkungen des Auseinanderfallens von monopolistischer und polypolistischer Grenzkostenkurve im sog. Harberger-Dreieck vgl. Ott, Alfred E.: Bemerkungen zum Harberger-Dreieck, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 208, 1991, S. 319ff. 22 Vgl. Demsetz, S. 383. 23 Für eine schöne Beschreibung des Neo-Merkantilismus, der sich in den Forderungen der Unternehmen vom Staat auf Regulierung der Industrien und Importschutz manifestiert, vgl. Adams, Walter: The Structure of American Industry, New York, 7. Aufl., 1986, S. 406ff. 24 Vgl. Schmidt/Rittaler, S. 62. 25 Vgl. Demsetz, S. 382. An diesem Punkt sei darauf hingewiesen, daß die Chicago-Schule (in der Wettbewerbstheorie und -politik) zuerst als Gegenströmung zur Industrial Organization entwickelt worden ist und erst am Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre ihr eigenes geschlossenes Wettbewerbskonzept herausgearbeitet hat. Die wichtigsten Aspekte dieser Kritik umfassen die Ablehnung des Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigmas (vgl. Kallfass, Hermann: Die Chicago School Eine Skizze des "neuen" amerikanischen Ansatzes für die Wettbewerbspolitik, in: Wirtschaft und Wettbewerb, 30. Jg., 1980, S. 597ff.), die schon diskutierte umgekehrte Interpretation der statischen Beziehung zwischen Konzentration bzw. Marktanteil und Rentabilität und die Ablehnung der Existenz von Marktzutrittsschranken, außer dem Fall der Ressourcenmonopolisierung. Über die Ablehnung jeder Art von Markteintrittsbarrieren (natürliche, künstliche und staatliche) vgl. Schmidt/Rittaler, S. 66-71; Bork, S. 31Of.; Schmidt, Ingo und Rittaler, Jan B.: Chicago School of Antitrust Analysis. Ökonomische Analyse des Wettbewerbsrechts, in: WiSt, Jg. 15, 1986, S. 285f.; Demsetz, S. 382; Posner, Richard A.: The Chicago School of Antitrust Analysis, in: University of Pennsylvania Law Review, Bd. 129, 1979, S. 929ff. Die Ablehnung der Existenz von Marktzutrittsschranken seitens der Chicago-Schule ist von großer Bedeu-
Drittes Kapitel: Die Chicago-Schule
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j} Die Rolle des Staates und die Wettbewerbspolitik. Dem Staat wird die Rolle des Schiedsrichters zugeschrieben, der die Spielregeln interpretiert und durchsetzt. 26 Maßnahmen der Regierung aus paternalistischen Gründen werden abgelehnt. Die Chicago-Schule teilt somit dem Staat fast keine ordnungspolitische Funktion zu, und es herrscht eine skeptische Haltung bezüglich staatlicher Aktivitäten im Bereich des Wettbewerbs. 27 Das Neue an der von der Chicago-Schule vorgeschlagenen Wettbewerbspolitik ist das Vertrauen in die Aussagefähigkeit der Preistheorie. 28 Als einziges Ziel der Wettbewerbspolitik wird von den Vertretern der ChicagoSchule die Maximierung der Konsumentenwohlfahrt anerkannt. 29 Aktive Wettbewerbspolitik muß demgemäß nur in drei Fällen betrieben werden: Bei horizontalen Absprachen, bei horizontalen Zusammenschlüssen, die sehr große Marktanteile zur Folge haben (d.h. weniger als drei Wettbewerber im Markt übriglassen) , und bei dem Preis-Verdrängungswettbewerb (der aber streng von dem intensiven Wettbewerb zu unterscheiden ist).30 Somit werden fast alle Eingriffe in die Marktstruktur, vor allem Entflechtungen 3l , abgelehnt. 32 Horizontale Zusammenschlüsse werden als effi-
tung, denn sie führt unmittelbar zum Schluß, daß der Markt immer offen ist, was ja zu dem neoklassischen Marktmodell paßt. Die potentielle Konkurrenz sorgt dann dafür, daß in der Abwesenheit von Marktzutrittsbarrieren der Wettbewerb zu den wünschenswerten Ergebnissen führt. 26 Vgl. Friedmann, Milton: Capitalism and Freedom. Chicago. 1962. deutsch von Martin, Paul C.: Kapitalismus und Freiheit. Stuttgart, 1971, S. 51. 27 Vgl. Schmidt/Rittaler: Die Chicago School ...• S. 29. 28 Vgl. Posner, The Chicago School ...• S. 928. Aaron Director war derjenige. der diese neue Betrachtungsweise in die Wettbewerbspolitik eingeführt hat. Sein Einfluß war zugegebenermaßen sehr groß. Vgl. z.B. das Vorwort des Buches von Bork: The Antitrust Paradox: "My intellectual indebtness is particularly heavy. Much of what is said here derives from the work of Aaron Director [...] His reputation is immense among those who knew hirn". Weiter über seinen Einfluß vgl. Kitch. Edmund W.: The Fire of Truth: A Rememberance of Law and Economics at Chicago. 1932-1970. in: Journal of Law and Economics. Vol. 26. 1983. S. 184ff. 29 Demgemäß wird auch der Wettbewerb definiert, vgl. Bork. S. 51: "(1) The only legitimate goal of American anti trust law is the maximization of consumer welfare; therefore (2) ·Competition·. for purposes of Antitrust Analysis. must be understood as a term of art signifying any state of affairs in wh ich consumer welfare cannot be increased by judicial decree". Ähnlich auch Posner. Richard A.: Antitrust Law: An Economic Perspective. Chicago. 1976. S. 13. Über die nicht-ökonomischen Ziele und ihre Ablehnung von der Chicago-Schule vgl. Bittlingmayer. S. 716f. 30 Vgl. Bork. S. 406. 31 Vgl. Bork. S. 196. 32 Vgl. Demsetz. S. 375.
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
zienzsteigemd angesehen und deshalb positiv bewertet und zugelassen. 33 Nur bei sog. Elefanten-Fällen, die zur direkten Monopolisierung führen könnten, werden Bedenken ausgedrückt. 34 Auch vertikale Zusammenschlüsse werden mit dem Argument der Senkung der Transaktionskosten35 als effizienzsteigemd36 angesehen. 37 Zuletzt werden auch die konglomeraten Zusammenschlüsse nicht als per se wettbewerbsbeschränkend angesehen. 3a Was die Eingriffe in das Marktverhalten angeht, werden sie nur im Falle horizontaler Absprachen erlaubt.39 Die verschiedenen einseitigen Verhaltensweisen wie Kopplungsbindungen, Ausschließlichkeitsbindungen usw. werden als wettbewerbsimmanent angesehen. 3.2. Die Kritik Die von der Chicago-Schule angebotene Wettbewerbstheorie umfaßt zwei Aspekte, einen deskriptiven und einen erklärenden. Der deskriptive Aspekt besteht in der Beschreibung des ökonomischen Seins als eines darwinistischen Prozesses und der erklärende in der Anwendung des adäquaten Modells für die Erklärung der ökonomischen Sachverhalte. Beide weisen jedoch Schwächen auf, denen wir uns jetzt zuwenden wollen.
33 Vgl. Stigler. S. 107. Innerhalb der Chicago-Schule ist die sog. Trade-off-Analyse von Williamson für die Beurteilung eines horizontalen Zusammenschlusses weit verbreitet. Vgl. Williamson. Oliver: Economics as an Antitrust Defense. The Welfare Tradeoffs. in: The American Economic Review. Bd. 58. 1968. S. 18-36. und ders.: Economies as an Antitrust Defense Revisited. in: Pennsylvania Law Review, Bd. 125. 1977. S. 699-736. wiederabgedruckt in: (Hrsg.) Jacquemin. A. P./Jong. H. W. deo Welfare Aspects of Industrial Markets. Leiden. 1977. S. 237-271. 34 Vgl. Bork. S. 221. 3S Der Transaktionskostenansatz nach dem bahnbrechenden Aufsatz von Coase (vgl. Coase. Ronald: The Natureof the Firm. in: Economica. Bd. 4. 1937. S. 386-405) wurde vor allem von Williamson weiterentwickelt und in der Wettbewerbspolitik operationalisiert. Vgl. Williamson. Oliver: Markets and Hierarchies: Analysis and Antitrust Implications. New York. 1975. und ders.: Transaction Cost Economics. in: (Hrsg.) Schmalensee. Richard L./Willig. R. D.• Handbook of Industrial Organization. Bd. I. Amsterdam. 1989. S. 136-182. 36 Vgl. Mueller. S. 539. 37 Eine gemäßigte Auffassung bezüglich der vertikalen Zusammenschlüsse vertritt allerdings Stigler. Vgl. Stigler. S. 303. 38 Vgl. Bork. S. 248. 39 Vgl. Posner: The Chicago School .... S. 931.
Drittes Kapitel: Die Chicago-Schule
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3.2.1. Sozialdarwinismus und die Machtproblematik Der Sozialdarwinismus nimmt an, daß die höhere Position jedes Unternehmens auf eine höhere Effizienz zurückzuführen ist, und somit basiert er auf dem post hoc ergo propter hoc-Fehler. 40 Er verkennt die Möglichkeit der Großunternehmen, sich von der "schöpferischen Zerstörung" (i. S. Schumpeters) zu schützen und schließt das Machtproblem aus. Welcher Unternehmer in einer Wettbewerbswirtschaft überlebt, hängt jedoch nicht nur von der Effizienz der Wettbewerbsteilnehmer, sondern auch von ihrer Machtstellung ab. 41 Die Ausklammerung der Kategorie der Macht aus der Analyse sollte deshalb entweder anhand von empirischer Forschung erfolgen oder aber von der Ersetzung einer anderen, deskriptiven und erklärungsfähigen Kategorie begleitet werden. Die Chicago-Schule liefert jedoch keine empirischen Beweise dafür, daß jede Marktstellung kein Ergebnis der Erlangung von Marktmacht ist. 42 Außerdem will sie die Kategorie der Macht, die ein wichtiges Instrument jeder sozialen und ökonomischen Analyse darstellt4\ abschaffen bzw. verbannen, ohne daß sie einen befriedigenden Substitutionsbegriff anbieten kann. Denn die ökonomische Effizienz ist nicht klar definiert44 , schwierig zu messen45 und wird als eine Art "black box" verwendet46 , mit deren Hilfe alle Markterscheinungen gerechtfertigt werden, ohne daß eine nähere Analyse geliefert wird. Die ganze beschreibende Stärke des sozial darwinistischen Prozesses hängt von der Gleichsetzung von Macht und Effizienz ab. 47 Betrachtet man den
Vgl. Adams, S. 403. Vgl. Borchert/Grossekettler, S. 166. 42 Vgl. Adams, S. 403. ~3 B. Russel meint z.B., daß dem Begriff der Macht in der Gesellschaft der Begriff der Energie in der Physik entspricht. Vgl. Russel, Bertrand: Macht - Eine sozialkritische Studie, Zürich, 1947. Über eine Semiologie der Macht, vgl. ausführlich: Röttgers, Kurt: Spuren der Macht. Begriffsgeschichte und Systematik, Freiburg und München, 1990. 44 Vgl. Scherer, Frederic M.: The Posnerian Harvest: Seperating Wheat from Chaff, in: The Yale Law Journal, Bd. 86, 1977, S. 994f. 45 Vgl. Adams, S. 403, und Möschel, Wernhard: Effizienz und Wettbewerbspolitik, in: WiSt, 15. Jg., 1981, S. 346. 46 Vgl. Schmidt/Rittaler: Die Chicago School, S. 45. 47 Wie Cox und Hübener unterstreichen, erinnert die theoretisch wie empirisch unbefriedigende Gleichsetzung von Macht und Effizienz an die in der Konzentrationsdebatte durch die Befürworter der "Unentrinnbarkeitsthese" vorgetragene Hypothesenkette, nach der ökonomische Effizienz zwangsläufig Größe und Konzentration 40
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4 MBDtzavinos
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
ökonomischen Prozeß unter einem sehr langfristigen Aspekt, dann erscheint prima facie das Überleben der Effizientesten als plausibel. Die Analogie jedoch mit dem darwinistischen Prozeß ist verfehlt. Zunächst findet im sozioökonomischen Leben keine genetische Selektion statt, wie es in der darwinischen Evolution der Fall ist, sondern eine Selektion lamarckischer Art. 48 Außerdem bedeutet es nicht zwangsweise, daß alles, was im Selektionsprozeß überlebt hat, auch gut ist. Diese Identitätsthese zwischen Sein und Soll im Falle des Überlebens in dem Wettbewerbsprozeß impliziert den naturalistischen Fehler49 : alles was existiert, wird auch positiv bewertet.50 Vielmehr ist also eine alternative Beschreibung des Selektionsprozesses, die auch der Machtproblematik Rechnung trägt, vorzuziehen. Gemäß dieser konkurriert jedes Unternehmen auf dem Markt mit den übrigen Unternehmen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung. Es versucht, im Wettbewerbsprozeß zu überleben und sich so weit wie möglich zu behaupten. Gemäß seines effizienten, d.h. kostengünstigeren Angebots gegenüber den restlichen Unternehmern auf dem Markt erlangt es einen bestimmten Marktanteil und somit eine bestimmte Marktrnacht. Das Unternehmen, das als oberstes Ziel die Gewinnmaximierung hat, setzt die im Wettbewerbsprozeß gewonnene Marktrnacht als Mittel zur Erreichung seines obersten Zieles ein. Die Verwendung der Marktrnacht während des Wettbewerbsprozesses ist insofern die konsequente Anwendung des Rationalitätsprinzips im Falle der Konkurrenz. Marktrnacht wird somit zu demjenigen Wettbewerbsmittel des Marktteilnehmers, aus welchem sich alle übrigen Wettbewerbsparameter ergeben. Die Marktrnacht kann also in diesem Sinne als Ergebnis früherer Effizienz angedeutet werden, was eine plausible Erklärung ist, denn die
voraussetzen. Die intensive Auseinandersetzung auf der Tagung des Vereins für Socialpolitik dürfte gezeigt haben, daß einzelwirtschaftliches Wachstum nicht allein auf Effizienz zurückgeführt werden darf, sondern auch machtpolitischen Motiven Bedeutung beizumessen ist. Vgl. Cox/Hübener, S. 19. Auch die Monopolkommission verweist in ihrem vierten Gutachten auf die vielfachen Motive zur Konzentration, wie z.B. staatliche Rahmenbedingungen, unvollständiger Kapitalmarkt, Patente, Erlangung von Monopolmacht usw. Vgl. Hauptgutachten der Monopolkommission IV: Fortschritte bei der Konzentrationserfassung, Baden-Baden, 1982, Kapitel VI: Ursachen der Konzentration. 48 Ähnlich über die kulturelle Evolution. vgl. Hayek. F.A. von: The Fatal Conceit. The Errors of Socialism. in: (Hrsg.) Bartley. W.W. III. Collected Works. Bd. I. London. 1988, S. 23ff. 49 Vgl. Hayek. S. 27. 50 Eine Kritik am Selektions- und Optimierungsargument in einem ähnlichen Zusammenhang bietet die Arbeit Koslowskis. vgl. Koslowski. Peter: Evolution und Gesellschaft. Eine Auseinandersetzung mit der Soziobiologie. 2. durchges. Aufl.. Tübingen. 1990. S. 34ff.
Drittes Kapitel: Die Chicago-Schule
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Erlangung von Macht muß in irgend welcher Art von größerer {nicht zwangsläufig besserer} Leistung herrühren. In diesem Argumentationsschema findet, da die Marktrnacht im Wettbewerbsprozeß eingesetzt wird, eine autogene Weiterentwicklung bzw. ein aus sich selbst entstehendes Wachstum der Macht jedes Unternehmens statt. Dieses Wachsen der Macht des einzelnen Unternehmens, das je nach den herrschenden Umständen mit einem parallelen Wachstum an Leistung bzw. Effizienz einhergehen kann oder nicht, findet seine Grenzen in der Macht und Leistung der übrigen Unternehmen. Der so entstandene Prozeß geht weiter, insofern das Rationalitätsprinzip erhalten bleibt. Ob und inwieweit die Anwendung von Marktrnacht in dem Wettbewerbsprozeß ein legitimes Mittel darstellt, ist eine normative Frage und interessiert in diesem Zusammenhang wenig. Vielmehr muß betont werden, daß die Anwendung von Marktrnacht in dem Wettbewerbsprozeß vielfältiger Art sein kann und nur in der Phantasie des jeweiligen Marktteilnehmers ihre Grenze findet. Die Fülle der rechtlichen Fallentscheidungen vermag diese Tatsache zu bestätigen. 3.2.2. Die Anwendbarkeit des Modells der vollkommenen Konkurrenz
Der vielleicht wichtigste Kritikpunkt an der Chicago-Schule ist die Verwendung des Gleichgewichtsmodells für die Erklärung des Wettbewerbsphänomens. 51 Zunächst wird behauptet {und dieses Argument betrifft nicht nur die Chicago-Schule, sondern allgemein die Preistheorie}, daß die ökonomische Welt nicht eine des Gleichgewichts, sondern eine des Ungleichgewichts ist. Außerdem, und das ist das Wichtigste, kann eine statische Theorie ein dynamisches Phänomen nicht adäquat erklären. Dieser Kritikpunkt ist völlig berechtigt und wird inzwischen von prominenten Vertretern der Preistheorie zugegeben. 52 Die neoklassische Betrachtungsweise beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Analyse von Gleichge51 So z.B. Nelson in seinem Kommentar über den zitierten Aufsatz von Posner, vgl. Nelson, Richard: Comments on a Paper by Posner, in: University of Pennsylvania Law Reviews, Bd. 127, 1979, S. 949: "But the price theory to which Posner refers is the old-fashioned price theory of the textbooks of twenty years ago". 52 Vgl. Ott, Alfred E.: Bemerkungen zur Definition des Wettbewerbs, in: (Hrsg.) Enke, H./Köhler, W';Schulz, W., Struktur und Dynamik der Wirtschaft. Festschrift für Karl Brandt, Freiburg i. Br., 1983, S. 59: "Die statische Preistheorie kann den Wettbewerb als Prozeß niemals sichtbar machen, sondern sie kann immer nur End-Zustände. die ihrer Natur nach Gleichgewichtszustände sind, ableiten".
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
wichtszuständen, sondern bietet auch eine dynamische Theorie an, die den dynamischen Charakter des Wettbewerbsphänomens in den Griff zu bekommen versucht. 53 Insofern ist sie imstande, eine dynamische Variante auszuarbeiten und sie als eine echte Alternative anzubieten. 54 Freilich kann diese dynamische Interpretation das wesentlichste Charakteristikum der Dynamik, den technischen Fortschritt, nicht endogen erklären und muß es als exogene Größe betrachten. 55 Insofern ist ihr Erklärungsanspruch vom Ansatz her begrenzt. Bei dem Problem der Anwendbarkeit des Modells der vollkommenen Konkurrenz stößt man auf die bekannte Frage, ob seine Anwendungsbedingungen oft in der ökonomischen Realität zu. finden sind oder es eher nur in Grenzfällen anwendbar ist. 56 Die Antwort, daß seine Anwendung nur da gestattet ist, wo polypolistische Verhaltensweise herrscht57, impliziert auch, daß es nur in wenigen Wirtschaftsbereichen erklärungsfähig ist (so z.B. im Agrarbereich und in der Börse). In Fällen der oligopolistischen Verhaltensweise, d.h. der zirkularen Interdependenz der Marktteilnehmer, die die häufigsten sind, ist das Modell der vollkommenen Konkurrenz jedoch nicht anwendbar. Deshalb stellt die Ansicht der Chicago-Schule, daß die ökonomische Realität nur mittels der Modelle der vollkommenen Konkurrenz und des Monopols zu erforschen ist, einen offensichtlichen Widerspruch zu den Tatsachen dar. Dieser Widerspruch wird damit zurückgewiesen, daß man die sog. Approximationshypothese in die Analyse einbezieht. Wie schon erläutert, wird damit versucht, eine Brücke zwischen Dynamik und Statik zu schlagen und vor allem die Anwendbarkeit der vollkommenen Konkurrenz zu erweitern. Die Einführung dieser Approximationshypothese in die Analyse stellt jedoch eine Immunisierungsstrategie dar. Denn wenn man das Modell der vollkommenen Konkurrenz als eine erklärungsfähige Theorie verwenden will, dann
53 Vgl. Ott, Alfred E.: Einführung in die dynamische Wirtschaftstheorie, 2. durchges. u. erw. Aufl., Göttingen, 1970 54 Über das tatonnement und seine Fähigkeit, das Prozessuale zu erklären, vgl. weiter Kap. 8.8.5. Es wird jedoch von einigen Seiten bezweifelt, ob dieser Dynamisierungsversuch erfolgreich sein kann. Vgl. Hoppmann, Erich: Die Periodenanalyse als Theorie der volkswirtschaftlichen Dynamik, Berlin, 1956. 55 Vgl. Heuss, Ernst: Methodische Bemerkungen zur Preis- und Wettbewerbstheorie, in: Struktur und Dynamik der Wirtschaft. Festschrift für Karl Brandt, S. 64f. 56 Vgl. Krüsselberg, Hans-Günter: Paradigmawechsel in der Wettbewerbstheorie?, in: Struktur und Dynamik der Wirtschaft. Festschrift für Karl Brandt, S. 80. 57 Vgl. Heuss: Methodische Bemerkungen zur Preis- und Wettbewerbstheorie, S. 63.
Drittes Kapitel: Die Chicago-Schule
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muß man es nur unter den ganz bestimmten Bedingungen anwenden, die von der Theorie selbst vorgegeben werden. M.a.W. kann man sie nur in Fällen anwenden, wo die Randbedingungen des Explanandums der WennKomponente der nomologischen Hypothese, in diesem Fall der Theorie der vollkommenen Konkurrenz, entsprechend sind. Dann kann man mit Hilfe des Modells eine Prognose formulieren und sie an der Realität prüfen. Führt man jedoch die Approximationshypothese in die Analyse ein, dann führt man eine ad-hoc-Hilfshypothese58 ein, die nur im Zusammenhang mit der Theorie zu prüfen ist. M. a. W. verwendet man eine Hilfshypothese, die geeignet ist, die spezielle Schwierigkeit der Theorie der vollkommenen Konkurrenz, d.h. ihre begrenzte Anwendbarkeit, zu erklären, ohne daß sie jedoch selbst überprüfbar ist.59 Somit bedient man sich einer konventionalistischen Strategie um Falsifikationen der Theorie zu vermeiden. Zum Schluß sei noch eine Bemerkung über das Rationalitätsprinzip zu machen. Oft wird eine Forderung seiner direkten Überprüfung laut oder es wird behauptet, daß es empirisch nicht zutrifft. Der Wirtschaftstheorie geht es jedoch nicht um die Erklärung der Unternehmermotivation, sondern um die Erklärung von Marktvorgängen. Deshalb sind die tatsächlichen, vielfältigen Bestimmungsgründe des Verhaltens aus dieser Sicht irrelevant. 60 Außerdem verkennt die Forderung vieler Theoretiker, alle Implikationen der obersten Sätze zu überprüfen, obwohl vielleicht theoretisch richtig, die tatsächliche Situation und den heutigen Stand der Wirtschaftswissenschaft. 61
58 Popper definiert in "Replies to my critics" eine Ad-hoc-Hypothese als eine Hypothese, die in ein System eingeführt wird, um eine spezielle Schwierigkeit zu erklären, die aber nicht unabhängig von dieser Schwierigkeit geprüft werden kann. Vgl. Popper, Karl: Replies to my critics, in: (Hrsg.) Schlipp, P. A., The Philosophy of Karl Popper, Bd. 2, La Salle (lIIinois), 1974, S. 986. 59 Eine methodologisch einwandfreie Strategie wäre, wenn jede neueingeführte Hilfshypothese unabhängig nachprüfbar wäre. Über diese methodologische Forderung, vgl. Andersson, Gunnar: Kritik und Wissenschaftsgeschichte, Tübingen, 1988, S. 134ff. Der Schutz der Monokratie des neoklassischen Marktmodells scheint darüberhinaus für die Chicago-Schule typisch zu sein. So meint Reder, daß nur solche theoretische Innovationen akzeptiert werden, die das Chicago-Paradigma erweitern: "In other words, Chicago-type innovations are 'paradigm preserving' or 'paradigm extending' rather than 'paradigm shattering'." Vgl. Reder, S. 22. 60 Vgl. Gemtos, Petros: Die Neubegründung der Quantitätstheorie durch Milton Friedman, Tübingen, 1975, S. 72f. 61 Vgl. Gemtos, S. 74. Außerdem kann das Rationalitätsprinzip mittels einer instrumentalistisch orientierten Methodologie befriedigend überprüft werden: "[ ... ] the relevant question to ask about the assumptions of a theory is not whether they are descriptively 'realistic', for they never are, but whether they are sufficiently good
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
In der folgenden Tabelle werden die Wettbewerbstheorie und -politik der Chicago-Schule angegeben und die wichtigsten Kritikpunkte zusammengefaßt.
approximations for the purpose in hand. And this question can be answered only by seeing whether the theory works which means whether it yields sufficiently accurate predictions". Vgl. Friedman, Milton: The Methodology of Positive Economics, in: ders.: Essays in Positive Economics, Chicago, 1953, S. 15. BiUlingmayer bemerkt diesbezüglich zutreffend, daß es auch in den Naturwissenschaften viele realitätsferne Annahmen gibt. Physiker gehen oft davon aus, daß z.B. die Masse eines Objektes sich auf einen Punkt konzentriert, weil ja der eigentliche Zweck dieser Annahme nicht ist, die Realität zu schildern, sondern bestimmte Ereignisse zu erklären. Vgl. BiUlingmayer, S. 716. Für eine gute Zusammenfassung der Methodologie der Chicago-Schule, vgl. Paque, Karl-Heinz: How Far is Vienna from Chicago? An Essay on the Methodology of Two Schools of Dogmatic Liberalism, in: Kyklos, Bd. 38, 1985, S. 412-434.
Drittes Kapitel: Die Chicago-Schule
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Tabelle 3
Die Chicago-Schule Wettbewerbstheorie Analyse des Wettbewerbs
Wettbewerb als Ausleseprozeß und "survival of the fittest" Vertrauen in die Selbstregulierungskräfte des Marktmechanismus Offenheit der Märkte: keine "Barriers of Entry" Keine Bedeutung der Monopol- und Machtproblematik beigemessen "Efficiency causes concentration"
Forschungsmethode
Inanspruchnahme der neoklassischen Preistheorie wegen ihrer analytischen Klarheit: Gleichgewichtsanalyse und Rationalitätsprinzip Ablehnung des Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigmas der Industrial Organization. Keine Oligopol theorie
Meßverfahren
Harberger-Studie Studien der Industrie unter dem Blickwinkel der Preistheorie
Betrachtungshorizont
Sehr langfristig
Wettbewerbspolitik Ziele
Konsumentenwohlfahrt als einziges ökonomisches Ziel Keine Berücksichtigung meta-ökonomischer Ziele
Inhalt
Keine Struktureingriffe, Fusionskontrolle nur bei "Elefanten-Fällen" Vertikale und konglomerate Zusammenschlüsse werden positiv betrachtet Per-se-Verbot nur bei horizontalen Absprachen Vertikale Absprachen mit Transaktionskostenargumentation meistens zugelassen Entregulierung und Beseitigung von Ausnahmebereichen
Kritik
1. Sozialdarwinistischer Prozeß als unzutreffender deskriptiver Aspekt der Theorie 2. Ausklammerung der Machtproblematik 3. Anwendbarkeit des Modells der vollkommenen Konkurrenz und "Approximationshypothese" als ad-hoc-Hypothese
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie Viertes Kapitel
Die Theorie der Contestable Markets Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre haben Baumol et al. das Konzept der Perfect Contestable Markets entwickelt, welches große Beachtung in der wettbewerbstheoretischen und -politischen Literatur vor allem in den Vereinigten Staaten gefunden hat. Diese Theorie hat eine eher geringere Resonanz in Deutschland gefunden.' Nach Baumol et al. erhebt die Theorie der "Perfect Contestable Markets" den Anspruch, die Theorie der vollkommenen Konkurrenz als Referenzsituation zu ersetzen. Sie sei "eine Verallgemeinerung des Konzepts des vollkommenen Marktes"2, da sie auch mit monopolistischen und oligopolistischen Strukturen verträglich ist. Wir wollen diese These untersuchen und versuchen zu analysieren, inwieweit die Theorie der Perfect Contestable Markets die Forderungen eines geschlossenen wettbewerbstheoretischen Konzepts erfüllen kann.
4.1. Grundzüge der Theorie 4.1.1. Tragfähige Industriestruktur
Nach der Definition von Baumol et al. gilt: "A contestable market is one into which entry is absolutely free, and exit is absolutely costless."3 Die extreme Möglichkeit einer zu jeder Zeit eintrittsbereiten potentiellen Konkurrenz sichert in solch einem angreifbaren Markt eine Gleichgewichtssituation, die nicht nur optimale Ergebnisse im Falle des Polypols, sondern auch im Falle des Oligopols und sogar des Monopols liefert. Es herrscht eine Art Selbstdisziplin der etablierten Firmen, die sie zu einem "als-ob Konkurrenz"Verhalten zwingt. Diese Selbstdisziplin wird von den potentiellen Konkurrenten verursacht, die zu jeder Zeit, im Falle übernormaler Gewinne oder inef-
1 Vgl. Aschinger, Gerhard: Contestable Markets. Ein neuer Weg zur Charakterisierung des Wettbewerbs und der Industriestruktur. in: WiSt. 13. Jg .• 1984. S. 217-223; Braulke. Michael: Contestable Markets - Wettbewerbskonzept mit Zukunft? in: Wirtschaft und Wettbewerb. Jg. 33. 1983. S. 945-954; Fehl. Ulrich: Das Konzept der Contestable Markets und der Marktprozess. in: (Hrsg.) Bombach. G./Gahlen. B./Ott. A. E.• Industrieökonomik: Theorie und Empirie. S. 29-52. 2 Vgl. Baumol. William J.: Contestable Markets. An Uprising in the Theory of Industry Structure. in: The American Economic Review. 1982. Bd. 72. S. 2. 3 Baumol. S. 3.
Viertes Kapitel: Die Theorie der Contestable Markets
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fizienter Produktion. im Markt anzutreten bereit sind und mit der Methode des "hit-and-run" die Übergewinne sammeln und dann vom Markt abtreten. So entsteht im Gleichgewicht die tragfähige Konfiguration der Industrie. Die Industriestruktur wird als zulässig definiert. wenn n
}: (qi) i=l
= N(p) und pqi-C(q) > 0 für i=l, ... n
qi p N(p) C(q) n
= = = = =
Output der Unternehmung Nr. i. Marktpreis des Gutes. Marktnachfrage des Gutes. Kostenfunktion (dieselbe für alle Unternehmungen) Anzahl der Unternehmungen im Markt
ist. Die Industriestruktur wird als tragfähig definiert. wenn sie zulässig ist und peqe < C(qe) für alle pe < p und qe < N(pe) pe = Preis der in den Markt eintretenden Unternehmung qe = Angebotsmenge der eintretenden Unternehmung ist. Diese tragfähige Industriestruktur bedeutet. daß das neue. von Baumol et al. vorgeschlagene Gleichgewicht die folgenden Eigenschaften besitzt: 1. Alle Firmen im Markt verwirklichen Nullgewinne. denn im Fall von positiven Gewinnen würde ein potentieller Konkurrent erscheinen und das Gleichgewicht wieder herstellen. 2. Die tragfähige Industriestruktur ist die kostengünstigste. Könnte bei einer anderen Industriestruktur der gleiche Output billiger produziert werden. bedeutete es dann. daß es in dieser neuen Industriestruktur mindestens ein Unternehmen gäbe. welches einen positiven Gewinn erwirtschaften würde und es somit einen profitablen Marktzutrittsplan gäbe. was aber annahmegemäß nicht der Fall sein soll ("Hit-and-run" Fall). 3. Der Preis ist gleich mit den Grenzkosten. d.h. p = C' (q). Denn im Falle. daß die Grenzkosten höher als der Preis sind. existiert ein profitabler Eintrittsplan: Ein potentieller Konkurrent kann einen Gewinn erzielen. wenn er eine etwas geringere Produktion als eine etablierte Firma verwirklicht und sie zu einem etwas geringeren Preis auf den Markt bringt. Andererseits kann
58
Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
der Preis auch nicht höher als die Grenzkosten sein, denn dann würde ein potentielles Unternehmen auftreten und die Gewinne kassieren. 4.1.2. Contestable Markets und neoklassische Theorie
Baumol et a1. wollen beweisen, daß die traditionelle, aus der neoklassischen Theorie stammende These, daß mit dem Anstieg der Anzahl der Marktteilnehmer die Marktergebnisse verbessert werden, falsch ist. Ihre Analyse begrenzt sich nicht nur auf den Fall der Einproduktunternehmung, sondern umfaßt auch den Fall der Mehrproduktunternehmungen. Bei diesem Versuch, ihre Theorie zu beweisen, bedienen sie sich einer Anzahl wissenschaftlicher Instrumente, deren Einführung in die Disziplin als größtes Verdienst der Theorie anzusehen ist. Vor allem sei hier die richtige Unterscheidung zwischen fixen und versunkenen Kosten erwähnt. "Sunk costs (... ) are costs that (... ) cannot be eliminated, even by total cessation of production. As such, once committed, sunk costs are no longer a portion of the opportunity cost of production. ,,4 Ein bekanntes Beispiel zum Unterschied von fixen und versunkenen Kosten ist die Eisenbahn. Die Eisenbahnwaggons sind fixe, aber nicht versunkene Kosten, weil man die Waggons auf verschiedenen Eisenbahnschienen einsetzen kann. Das heißt, daß ein Unternehmen, welchem Eisenbahnwaggons gehören, sie dort einsetzen könnte, wo die höchste Rendite zu verwirklichen sei. In diesem Sinne gehören die Eisenbahnwaggons zu den fixen Kosten des Unternehmens, nicht aber zu den irreversiblen, da sie zu jeder Zeit verkauft und von einem anderen Unternehmen benutzt werden können. Im Gegensatz dazu sind die Eisenbahnschienen versunkene Kosten, weil sei ein fester Bestandteil des Investitionsplanes sind, der im Fall einer Liquidation des Unternehmens nicht wieder verkauft werden könnte. Eine Reihe anderer Methoden, vor allem in bezug auf die Mehrproduktunternehmung, wurde eingeführt und die neoklassische Analyse wurde um neue Instrumente bereichert. Die wichtigsten davon wollen wir hier kurz erwähnen.
1. "Economies of scope". Die meisten Betriebe (plants) produzieren in der Realität mehrere Produkte und jedes davon hat seine eigene Kostenfunktion. Die Produktionskosten jedes spezifischen Produktes sind nicht nur von der Menge des produzierten Gutes abhängig, sondern auch von der Größe des
4 Baumol, William J./panzar, John C./Willig, Robert D.: Contestable Markets and the Theory of Industry Structure, New York u.a., 1982, S. 280.
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Vienes Kapitel: Die Theorie der Contestable Markets
Betriebes (plant). in welchem das Gut produziert wird. Baumol et al. haben den Terminus "economie of scope" eingeführt. um genau diesen Faktor in bezug auf die Gesamtkosten der Produktion (von mehreren Produkten) zu beschreiben. 2. "Ray average cost". In bezug auf die tragfähige Industriestruktur wollen Baumol et al. zeigen. daß sie die kostengünstigste ist. d.h. daß die Unternehmungen im Minimum der Durchschnittskosten produzieren. Um das für den Fall von Mehrproduktunternehmen zu zeigen. braucht man den Begriff von "ray average cost".5 Man wird dazu Produktbündel definieren. welche fixe Verhältnisse zwischen den Mengen der Produkte bestimmen. So ist in der folgenden Abb. 1 das Beispiel von Schuhen und Booten gegeben. Die Achse OR ist die "ray" im Sinne von Baumol. was man als "Strahl" übersetzen kann. Ray Average Cost (Strahl-Durchschnittskosten)
--- ---
Boote
R
o~~~--------~----------------~
Schuhe
Abb. 1: Strahl-Durchschnittskostenkurve
So zeigt die Strahl-Durchschnittskostenkurve die Kosten der Produktion des Produktbündels Schuhe und Boote und ym ist dabei das Minimum. 3. "Subadditive Cost Function". Eine Kostenfunktion heißt "subadditive" in dem Falle. daß ein Einzelunternehmen ein nachgefragtes Produktbündel kostengünstiger anbieten kann. als wenn zwei oder mehrere Einzelproduzenten dies getrennt anbieten würden. Somit wird diejenige Industriestruktur als natürliches Monopol definiert. wenn die im Markt befindlichen Unternehmungen subadditive Kostenfunktionen besitzen. d.h. daß gilt
5
Vgl. Baumol et al.. S. 6f.
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
C(q)
z. Das bedeutet, daß es eine Reaktionsträgheit bezüglich der Preisänderung seitens der etablierten Firmen gibt. Im Falle also, daß eine Gewinnchance auf dem Markt erscheint (d.h. auch die geringste PMC Differenz), kann ein potentieller Konkurrent erscheinen und mit einer "hit-and-run" Aktion die Gewinne kassieren; während des Zeitraumes, in welchem der potentielle Konkurrent auf dem Markt ist, reagieren die etablierten Firmen laut dieser Annahme nicht mit einer Preissenkung als Abwehr. 4. Die Nachfrage reagiert ohne Verzögerung. Diese Annahmen, die implizit zugegeben werden, spielen die Rolle des Immunsystems der Theorie. Sie sind so restriktiv (was auch in der Kritik der Theorie gezeigt wird), daß alle Implikationen der Theorie als offensichtlich erscheinen. Bekanntlich wird aber im Falle einer Vergrößerung des Inhalts eines Wenn-Satzes der empirische Gehalt vom gesamten Wenn-Dann-Satz niedriger. Und das ist der Fall in der Theorie des angreifbaren Marktes.
4.2. Die Kritik Das Konzept der Perfect Contestable Markets wurde in folgenden Punkten kritisiert: i) Weitzman bewies, daß es bedeutungslos ist, die Existenz von fixen Kosten zu postulieren und gleichzeitig Null versunkene Kosten anzuneh-
9
Vgl. Fehl, S. 38.
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
men. 1O Die Essenz des Arguments ist, daß es keine Skalenerträge geben kann, wenn es keine versunkenen Kosten gibt. ii) Schwartz und Reynolds ll meinen, daß die Beschlüsse über Preissetzung und Markteintritt von der Art der Firmeninterdependenz abhängig sind. "There is no escaping 'the reaction functions and the other paraphernalia of standard oligopoly models",12, wie Baumol et al. es wollen. Auch Brocks Haupteinwand ist, daß kein effizienter spieltheoretischer Beweis für den Oligopolfall gegeben ist. 13 Schwartz und Reynolds machen auch darauf aufmerksam, daß im Falle einer kleinen Abweichung im Ideal der Perfect Contestability, d.h. im Falle eines beinahe contestable markets, die Schlußfolgerungen der Theorie nicht gelten. 14 iii) Der wichtigste Einwand von Spence bezieht sich auf die Annahme, daß die versunkenen Kosten gleich Null sind und er ist der Auffassung, daß dies in der Realität nicht oft zutrifft. Es sei offen zu überprüfen, inwieweit die Theorie eine empirische Basis besitzt. 15 iv) Die Annahmen der Theorie der Perfect Contestable Markets sind restriktiv und widersprüchlich. Shepherd hat in seiner außerordentlich harten und noch unbeantworteten Kritik die Inkonsistenz und Widersprüchlichkeit der Annahmen hervorgehoben und wies darauf hin, daß diese Theorie nur ein spezieller Fall ist {er nennt sie Gedankenexperiment).16 Hinzufügen wollen wir hier nur, daß die Annahme der augenblicklichen Anpassung der Nachfrage an den Preis des neuen Konkurrenten (Annahme 4), während die etablierten Firmen dem Neueintritt völlig passiv gegenüberstehen {Annahme
10 Vgl. Weitzman, Martin L.: Contestable Markets: An Uprising in the Theory of Industry Structure: Comment, in: The American Economic Review, vol. 73, 1983, S. 486-487. 11 Vgl. Schwartz, Marius/Reynolds, Robert: Contestable Markets: An Uprising in the Theory of Industry Structure: Comment, in: The American Economic Review, vol. 73, 1983, S. 488-490. 12 Schwartz/Reynolds, S. 489. 13 Vgl. Brock, William A.: Contestable Markets and the Theory of Industry Structure: A Review Article, in: Journal of Political Economy, vol. 91, 1983, S. 1059. 14 Für eine wenig überzeugende Antwort auf die Kritiken von Weitzman und Schwartz/Reynolds, vgl. Baumol, William J./panzar, John C./WiIIig, Robert D.: Contestable Markets: An Uprising in the Theory of Industry Structure: Reply, in: The American Economic Review, vol. 73, 1983, S. 491-496. IS Vgl. Spence, Michael: Contestable Markets and the Theory of Industry Structure: A Review Article, in: Journal of Economic Literature, Bd. 21, 1983, S. 981-990. 16 Vgl. Shepherd, William G.: "Contestable Markets" vs. Competition, in: The American Economic Review, vol. 74, 1984, S. 572-587.
Viertes Kapitel: Die Theorie der Contestable Markets
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3), vielleicht auf Spezialfälle zutreffen mag, auf keinen Fall aber den Anspruch erheben kann, als Basis einer generellen Theorie zu dienen. v) Cairns und Mahabir stellen die Frage, woher die potentiellen Konkurrenten kommen. Sie folgern aus ihrer Analyse, daß die Anwendungsmöglichkeit der Theorie nur auf den Fall von Mehrproduktunternehmungen, die schon auf dem Markt tätig sind, begrenzt istY vi) Wie Baumol und Willig zugeben: " (... ) the critical issue that remains is the determination of the circumstances und er wh ich the Bertrand-Nash assumption holds or at least is assumed by the participants to hold approximately" .18 So haben Brock und Scheinkman den Bertrandschen durch den Cournotschen Unternehmer ersetzt und auf diese Weise der preis-tragfähigen die mengen-tragfähige Industriekonfiguration als alternatives Gleichgewichtskonzept gegenübergestellt. 19 vii) Fehl macht darauf aufmerksam, daß die Theorie der Contestable Markets zur Beurteilung von Marktprozessen viele Unzulänglichkeiten aufweist. 20 Er warnt vor einem neuen "Nirwana-Ansatz" und unterstreicht die Bedeutung der dynamischen Effizienz, welche die Theorie vernachlässigt. In einer dynamischen Welt verändern sich die Kostenfunktionen der Industrie, was dazu beiträgt, daß bei einem statisch-orientierten Meßverfahren Fehler wahrscheinlich werden. 4.3. Theorie der Contestable Markets als Wettbewerbstheorie Wir wollen zwei wichtige Kritikpunkte bezüglich der wettbewerbstheoretischen Bedeutung des Konzepts der Contestable Markets hervorheben. 21
17 Vgl. Cairns, Robert D./Mahabir, Dhanayshar: Contestability: ARevisionist View, in: Economica, vol. 55, May 1988, S. 269-276. 18 Baumol, William J. und Willig, Robert D.: Contestability: Developments since the Book, in: Oxford Economic Papers (Supplement), vol. 38, 1986, S. 17. Für eine vollständige Kritik bezüglich der Bertrand-Nash Annahme vgl.: Schwartz, Marius: The Nature and Scope of Contestability Theory, in: Oxford Economic Papers (Supplement), vol. 38, 1986, S. 37-57. 19 Vgl. Brock, William/Scheinkman, Jose A.: Free Entry and the Sustainability of Natural Monopoly: Bertrand Revisited by Cournot, in: (Hrsg.) Evans, D. S., Breaking up Bell: Essays on Industrial Organization and Regulation, Amsterdam, 1983. 20 Vgl. Fehl, Ulrich, S. 41ff. 21 Vgl. Mantzavinos, Chrysostomos: Contestable Markets, das neoklassische Marktmodell und die Wettbewerbstheorie, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 209, 1992, S. 60-66.
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
1. In der Contestability Literatur werden die versunkenen Kosten vor allem in bezug auf den Produktionsfaktor Kapital analysiert, wobei die versunkenen Kosten in bezug auf den Produktionsfaktor Arbeit weitgehend vernachlässigt werden. Aber die Existenz solcher (mit dem Faktor Arbeit verbundener) Kosten kommt im Agrarbereich und in vielen Fällen des Dienstleistungsbereiches, vor allem in den sog. freien Berufen (wo das Ziel der Unternehmung das Angebot von Dienstleistungen ist und insofern die "Produktion" weitgehend arbeitsintensiv ist, wie z.B. bei Kosmetiksalons, Rechtsanwaltsbüros usw.) sehr häufig vor. Die Ausbildung bzw. jahrelange Erfahrung muß in diesen Fällen den versunkenen Kosten zugeordnet werden, und so verlagert sich das Interesse im Geschehen innerhalb des Marktes, und nur in Grenzfällen spielt die Möglichkeit einer hit-and-run Aktion eine wichtige Rolle. 2. Vor allem in der Industrie (aber auch im Handel und Verkehr) findet die Wettbewerbstheorie ihren Anwendungsbereich, da in diesem Wirtschaftsbereich Innovationen am häufigsten vorkommen. So wollen wir die Theorie der Perfect Contestable Markets aus wettbewerbstheoretischem Gesichtspunkt untersuchen und gleich ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie klarmachen, da laut Baumol die Theorie ein neues Forschungsprogramm im Bereich der Industrial Organization darstellt. Nichtsdestoweniger ist es angebracht, die Theorie wettbewerbstheoretisch zu analysieren (trotz des Einwandes von Baumol et al. , daß ihre Theorie eine Gleichgewichtssituation beschreibt und keine dynamische Interpretation gestatteeZ), da die Autoren aus ihrer Theorie weubewerbspolitische Schlußfolgerungen ziehen. z3 Für das Vorgehen in der Industrie spielt die Annahme 1 eine sehr große Rolle. Die These, daß alle Produzenten Zugang zur besten Technologie haben, ist einfach unrealistisch. Wie Schumpeter meinte und inzwischen von der Disziplin weitgehend anerkannt wird, spielen die Innovationen und die technischen Neuerungen eine erhebliche Rolle, sowohl in der partiellen Analyse eines Marktes als auch in der totalen Analyse der ganzen Wirtschaft. Wenn die Theorie der Contestable Markets den Anspruch erheben will, den Tatsachen im Industriebereich nahe zu sein, muß sie von der Annahme 1 entlastet und dynamisch interpretiert werden. Sonst kann sie keinen
22 Vgl. Baumol, William J./panzar, John C./WiIIig, Robert D.: Contestable Markets. An Uprising in the Theory of Industry Structure: Reply, S. 495. 23 Vgl. Baumol, William J./panzar, John C./WiIIig, Robert D.: Contestable Markets and the Theory of Industry Structure, Kap. 12 und 16.
Viertes Kapitel: Die Theorie der Contestable Markets
6S
realen Aussagewert in einer von allen anerkannten dynamischen Welt beanspruchen. Um zur partiellen Analyse überzugehen: Ein dynamischer Unternehmer tritt mit einer Innovation auf und gründet einen Markt. Sein natürliches Ziel ist der Höchstgewinn, und gemäß dieses Zieles hat er zwei Möglichkeiten in seiner Preissetzung. Entweder setzt er von Anfang an den Konkurrenzpreis, oder aber er setzt ihn höher, entweder im Cournotschen Punkt oder aber auf jeden Fall so, daß P-MC > 0 ist. Wenn er den Konkurrenzpreis setzt, dann verdient er Null-Gewinne, und es besteht keine Möglichkeit, daß ein neuer Konkurrent in den Markt eintritt. Der dynamische Unternehmer hat aber den Markt eröffnet mit dem klaren Ziel, einen Gewinn zu machen, sonst würde er nicht auf den Markt kommen und ihn gar nicht eröffnen, sondern er würde auf einem schon bestehenden Markt tätig sein und dort einen Null-Gewinn verwirklichen. Das bedeutet, daß er einen solchen Preis ansetzt, daß er einen positiven Gewinn erzielt; das passiert auch dann, wenn er weiß, daß die Monopolprofite laut der Theorie der Perfect Contestable Markets einen neuen Konkurrenten auf den Markt locken werden, denn in seiner "Tradeoff"-Analyse Null-Gewinne ohne potentielle und tatsächliche Konkurrenz oder Monopolgewinne und Verursachung eines neuen Eintritts auf den Markt, wird er wahrscheinlich die zweite Alternative vorziehen. Das passiert aus zwei Gründen: a) weil er ein dynamischer Unternehmer ist und die obengenannte Analyse gilt und b) weil er laut der Theorie der Perfect Contestable Markets wegen nicht vorhandenen versunkenen Kosten sofort nach der Verwirklichung des Gewinns aus dem Markt austreten kann. Das heißt aber, daß die Theorie der Perfeet Contestable Markets versagt, weil durch die potentielle Konkurrenz die Monopolpreissetzung nicht ausgeschlossen wird. Und weiter: Wir haben jetzt einen Monopolpreis auf dem Markt, einen dynamischen Unternehmer, der Monopolprofite verwirklicht und einen neuen Konkurrenten, der mit einer hit-and-run-Aktion innerhalb kurzer Zeit kommt, um die Profite zu kassieren und dann wieder auszutreten. Wenn der neue Konkurrent bzw. die neuen Konkurrenten, sofern es mehrere sind, sich nur für die Übergewinne interessieren, dann werden sie nach dem hit-andrun-Prinzip verfahren. Aber in solch einem Fall bleibt danach der Pionierunternehmer allein auf dem Markt, verwirklicht Monopolprofite (wegen der o. g. "Trade-off"-Analyse) und ruft neuere hit-and-run-Aktionen hervor. Es ist offensichtlich, daß solche Marktbewegungen irgend wann aufhören müssen und die neuen Konkurrenten vom hit-and-run-Verhalten zum hit-andstay Verhalten übergehen. Dann haben wir den uns bekannten Oligopol fall, wo alle möglichen Lösungen je nach den Konstellationen möglich sind; so gibt es entweder ein kooperierendes Oligopol (im Falle, daß die Neigung zur SMlDtzavinos
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Zweiter Teil: Die angelsächsische Wettbewerbstheorie
Kooperation steigen würde. was aus guten Gründen annehmbar ist) oder auch den Fall des konkurrierenden Oligopols. Dann aber gilt die Voraussage der Theorie der Perfect Contestable Market. daß ein automatisches Gleichgewicht auch im Oligopol fall ohne konkrete Strategieannahmen möglich ist. nicht. Wir sehen also. daß das Konzept der Perfect Contestable Markets partialanalytisch inkonsistent ist. Auch wenn wir die Beziehungen zwischen den Märkten in die Analyse einbeziehen. stößt man auf Probleme. Wären die hitand-run-Aktionen als Gleichgewichtsvoraussetzung für alle Märkte in der Wirtschaft anzusehen. dann entstünde die wichtige Frage. woher die neuen Konkurrenten kommen. Wie Cairns und Mahabir unterstreichen. ist die einzige Möglichkeit. daß die Theorie Gültigkeit finden kann. der Fall des hit-and-run durch Mehrproduktunternehmungen. denn nur sie können versunkene Kosten gleich Null haben. 24 Wenn aber das zutrifft. dann begrenzt sich die Anwendungsmöglichkeit der Theorie auf einen sehr kleinen Teil der Wirtschaft. wo solche Mehrproduktunternehmungen tätig sind; ein Beispiel dafür sind die kurzfristig ablaufenden Sonderangebote diverser Artikel in Filialen großer Kaffeefirmen. 25 Als allgemeines Prinzip. das für die ganze Wirtschaft gilt. kann aber das hit-and-run nicht gelten. Die Ergebnisse der Diskussion der Theorie der Perfect Contestable Markets werden in der folgenden Tabelle übersichtlich dargestellt.
24
25
Vgl. Cairns. Robert D./Mahabir. Dhanayshar: S. 270. Vgl. Fehl, Ulrich, S. 52.
Viertes Kapitel: Die Theorie der Contestable Markets
Tabelle 4 Contestable Markets Wettbewerbstheorie Analyse des Wellbewerbs
Betonung der potentiellen Konkurrenz "Hit-and-run"
Forschungsmethode
Entwicklung der Theorie der Perfect Contestable Markets Hilfsmittel: sunk costs, economies of scope, product specific returns to scale, muitiproduct scale economies, ray scale economies, subadditive cost functions usw.
Meßverfahren
Tragfähige Konfiguration der Industrie
Betrachtungshorizont
Langfristig
Wettbewerbspolitik Ziele
Leitbild von "Perfect Contestable Markets"
Inhalt
Vollkommene Offenheit der Märkte Verringerung der versunkenen Kosten Deregulierung
Kritik
1. 2. 3. 4.
Widersprüchlichkeit der Annahmen der Theorie Vernachlässigung der Firmeninterdependenz Anwendbarkeit nur im Falle von Mehrproduktunternehmungen "Nirwana-Ansatz" i.S. der Vernachlässigung der Dynamik der Marktprozesse S. Hohe versunkene Kosten in bezug auf den Produktionsfaktor Arbeit 6. Widersprüchlichkeit bei der konsequenten Anwendung der Theorie
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Dritter Teil
Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum Im deutschsprachigen Raum hat die Wettbewerbstheorie einen eigenen Weg eingeschlagen. Ihr wesentliches Charakteristikum ist die unklare Unterscheidung zwischen der positiven und der normativen Wettbewerbstheorie. Dafür gibt es drei Hauptgründe: Als erster ist der Umstand zu erwähnen, daß ein großer Teil der deutschen Wettbewerbstheorie als Antwort auf die Herausforderungen und die Nöte der praktischen Wettbewerbspolitik entstanden ist. 1 Der zweite Grund, der eng mit dem ersten zusammenhängt, ist, daß die wettbewerbstheoretische Diskussion zum Teil unter dem "Schutz" des Konzepts des "funktionsfähigen Wettbewerbs" geführt wurde. Die Übertragung der workability-Literatur aus den Vereinigten Staaten in den 60er Jahren hat eine große Verwirrung bezüglich der Grenze zwischen Erfahrungswissenschaft und normativen Aussagen ausgelöst. So hat die Bearbeitung des Konzepts der workable competition in Deutschland den fälschlichen Glauben induziert, daß die ganze Antitrustliteratur und die Industrieökonomik in den Vereinigten Staaten sich ausschließlich mit dem "workable competition" beschäftigte. Inzwischen ist in dem Punkt Einstimmigkeit erzielt worden, daß die "Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs" ein Versuch ist, eine andere Definition des zu normierenden Wettbewerbs anzubieten und somit keine positive, empirische Theorie LS. eines Aussagenkomplex, der unsere Informationen über die reale Welt vermehrt, darstellt.
1 So bemerkt z.B. Heuss, daß viele nationalökonomische Theorien ihre Entstehung äußeren Umständen verdanken und im Fall der Wettbewerbs theorie diese sowohl die deutsche wie auch die europäische Wettbewerbspolitik gewesen sind. Vgl. Heuss, Ernst: Wettbewerbstheorie, in: WiSt, Jg. 2, 1973, S. 567. Diese Herausforderung der praktischen Wettbewerbspolitik an die theoretische Volkswirtschaftlehre wird auch in den Worten der Autoren des GWB-Gesetztestextes klar, welche meinen, daß "eine Legaldefinition des Begriffs 'Wettbewerb' als des Schutzobjekts "des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht möglich (ist), daher in dem vorliegenden Entwurf auch nicht versucht" wurde. Der Inhalt des Begriffs des Wettbewerbs muß vielmehr "aus einer der juristischen Auffassung vorgegebenen Disziplin empfangen" werden. Vgl. Bemerkungen zu einigen Rechtsdefinitionen, in: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 2. Wahlperiode 1953, zu BT-Drucksache 11/3644, S. 13.
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
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Als dritter Grund muß die noch bestehende Auffassung erwähnt werden, gemäß welcher die Wissenschaft nicht auf empirische Aussagen beschränkt werden sollte, sondern auch normative Handlungsanweisungen liefern muß. 2 Diese Auffassung, die vor allem in ordoliberalen Kreisen noch herrscht, geht auf die Ansicht W. Euckens zurück, daß die Wissenschaft nicht nur der Erkenntnis der Wirklichkeit, sondern auch ihrer Gestaltung gewidmet sein sollte. 3 Im Bereich der Wettbewerbspolitik heißt es, daß der Wissenschaftler auch über ihre Ziele zu entscheiden hat und Normen über ihren Inhalt liefern sollte. 4 Diese unscharfe Unterscheidung zwischen empirischen und normativen Aspekten hat dazu geführt, daß weitgehend wettbewerbspolistische Konzeptionen in der Literatur vorgeschlagen worden sind, die sowohl theoretische Aussagen über Marktstrukturen, Wettbewerbsprozesse und Wettbewerbsergebnisse als auch wettbewerbspolitische Grundsätze bzw. Normen enthalten. s Da ferner viele Aussagen der Wettbewerbstheorie eine unsichere theoretische Basis besitzen, lassen sie Raum für divergierende Interpretationen und können deshalb in unterschiedliche, zum Teil untereinander in Widerspruch stehende, wettbewerbspolitische Konzeptionen eingegliedert werden. 6 Interessiert man sich also für die empirische Wettbewerbstheorie, steht man vor der schwierigen Aufgabe, Hypothesen von Normen unterscheiden zu müssen, um die ersten einer wissenschaftlichen Kritik unterwerfen zu können. In diesem dritten Teil der Arbeit wollen wir uns dieser letztgenannten Aufgabe widmen und den Corpus der erfahrungswissenschaftlichen Thesen 2 Dieser Meinung sind die Vertreter einer "praktischen", "normativen" Sozialökonomik, welche sich vor allem auf Ansichten von Myrdal stützen; vgl. Myrdal, Gunnar: Das Zweck-Mittel-Denken in der Nationalökonomie, in: Zeitschrift für Nationalökonomie, Bd. IV, 1933, wiederabgedruckt in seinem Sammelband: Das Wertproblem in der Sozialwissenschaft, Hannover, 1965, S. 213-233 und Weisser, vgl. Weisser, Gerhard: Zur Erkenntniskritik der Urteile über den Wert sozialer Gebilde und Prozesse, in: Werturteilsstreit, hrsg. von Albert, Hans und Topitsch, Ernst, Darmstadt, 1971. S. 125ff. So z.B. sind im Bereich der Wettbewertstheorie bzw. Wettbewerbspolitik Cox und Hübener dieser Auffassung; vgl. Cox, Helmut/Hübener, Harald: Einführung in die Wettbewerbstheorie und -politik, S. 21ff. 3 Vgl. Eucken, Walter: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen, 1952, S. 341. 4 Vgl. Lenel, Hans Otto: Mehr Laissez-faire?, in: Ordo, Bd. 31, 1980, S. 53, wo er in seiner Kontroverse mit Schmidtchen diese Auffassung vertritt und die von den Anhängern des kritischen Rationalismus strikt abgelehnt wird. S Vgl. Willeke, Franz-Ulrich: Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen, Tübingen, 1973, S. 14. 6 Vgl. Herdzina, Klaus: Möglichkeiten und Grenzen einer wirtschaftstheoretischen Fundierung der Wettbewerbspolitik, Tübingen, 1988, S. 21.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
isolieren und würdigen. Die normativen Aspekte wollen wir entweder völlig außer Acht lassen oder lediglich kurz beschreiben; einen Streit über Normen wollen wir nicht führen, weil er in den meisten Fällen nutzlos ist und die wissenschaftliche Diskussion nicht weiterzubringen vermag. Mit dieser Art des Vorgehens wollen wir versuchen, den Hauptirrtum der wettbewerbstheoretischen Diskussion in Deutschland zu vermeiden; nämlich sich in einen Glaubenskrieg zu verwickeln und ewig über Normen zu streiten. Gleichzeitig wollen wir beweisen, daß diese Methode der klaren erfahrungswissenschaftlichen Kritik viel fruchtbarer ist, da nur sie die Perspektiven oder Sackgassen der verschiedenen Hypothesen bzw. Forschungsprogramme zeigen kann. In der Literatur werden verschiedene Systematisierungen vorgenommen, die meisten jedoch tendieren dazu, zwischen den unterschiedlichen wettbewerbspolitischen Konzeptionen zu unterscheiden und hauptsächlich einer sachlogischen Systematik zu folgen. Wir wollen einem ähnlichen Weg folgen und zwischen fünf Forschungsrichtungen unterscheiden: dem Ordoliberalismus, der Marktprozeß- bzw. Marktphasentheorie, der Theorie der optimalen Wettbewerbsintensität, der österreichischen Tradition, und der Systemtheorie. Fünftes Kapitel
Der Ordoliberalismus Die Schwierigkeit des Problems der Unterscheidung zwischen Empirie und Normen, von der vorher gesprochen wurde, tritt am klarsten im Falle der ordoliberalen Wettbewerbstheorie hervor. Die Ordoliberalen, die die Durchsetzung der Wettbewerbsordnung als eine Angelegenheit der Wissenschaftler ansahen, gingen von der Zusammengehörigkeit der Rechts- und Wirtschaftsordnung aus. I Diese Annäherungsmethode an das soziale Sein, die sicherlich als Vorläufer der modemen Theorie der Verfügungsrechte angesehen werden mußz, wirft die Frage auf, wie man einen solchen Ansatz auf seinen empirischen Gehalt prüfen kann. Obwohl aus erster Sicht diese Möglichkeit als ausgeschlossen erscheinen mag, ist sie schon real; denn es
I Vgl. Böhm, Franz/Eucken, Walter/Großmann-Doerth, Hans: Unsere Aufgabe, in: Böhm, Franz: Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, Berlin, 1937, die als Gründungstat des Ordoliberalismus gilt. Z Eine gute Darstellung des Property-Rights-Ansatzes in bezug auf die Wettbewerbspolitik ist enthalten in: Schmidtchen. Dieter: Property Rights. Freiheit und Weubewerbspolitik. Tübingen. 1983.
Fünftes Kapitel: Der Ordoliberalismus
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ist eine Sache, über den konkreten Inhalt der anzustrebenden Wirtschaftsbzw. Rechtsordnung zu argumentieren, was freilich eine werturteilsgeladene Angelegenheit darstellt, und eine andere zu untersuchen, welche Wirkungen diese konkrete Wirtschafts- bzw. Rechtsordnung auf die Gesellschaft hat. 3 Diese letztere ist eine erfahrungswissenschaftliche Frage und der wollen wir uns zuwenden.
5.1. Die Wettbewerbsordnung und ihre Wirkungen Das Charakteristische an der ordoliberalen Denkweise sowohl der ersten Generation (F. Böhm, W. Eucken, F. A. Lutz, L. Miksch, W. Röpke, A. Rüstow u.a.) wie auch der zweiten (H. O. Lenel, H. Willgerodt u.a.) ist, daß der Wettbewerb eng verbunden mit dem Problem der Wirtschaftsordnung behandelt wird. 4 Prinzipiell sucht man nach derjenigen Ordnung, "die dem Wesen des Menschen und der Sache entspricht, d.h. Ordnung, in der Maß und Gleichgewicht bestehen"S und das Verlangen nach einer Wettbewerbsordnung ist das Ergebnis dieses Suchprozesses. Der Inhalt dieser Ordnung, der sowohl aus ökonomischen Forderungen wie auch aus rechtlichen Prinzipien besteht, wird in den bekannten sieben konstituierenden und vier regulierenden Prinzipien zusammengefaßt.6 Inwieweit die Wettbewerbsordnung im Vergleich zu einer Zentralverwaltungswirtschaft, zu einer Laissez-faire-Wirtschaft und zum Interventionismus
3 Dieser Unterscheidung zwischen einer empirischen Wissenschaft, die über Normen referiert bzw. ihre Existenz als eine der Voraussetzungen der Analyse anerkennt, und einer normativen Wissenschaft folgt auch Hoppmann (in einem anderen Zusammenhang). Vgl. Hoppmann, Erich: Soziale Marktwirtschaft oder Konstruktivistischer Interventionismus, wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.
91.
Vgl. Röpke (Art.) Wettbewerb (11), S. 30. Eucken, Walter: Die Grundlagen der Natinalökonomie, 9. unveränd. Aufl., 1989, Berlin u.a., S. 239. 6 Vgl. Eucken, Walter: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen, 1952, S. 254ft. Die sieben konstituierenden Prinzipien sind die folgenden: 1) Vollständige Konkurrenz, 2) Primat der Währungspolitik, 3) Offene Märkte, 4) Privateigentum, 5) Vertragsfreiheit, 6) Haftung und 7) Konstanz der Wirtschaftspolitik. Die vier regulierenden Prinzipien sind: 1) die Antimonopolopolitik, 2) die Einkommenspolitik, 3) die Intervention des Staates in der Wirtschaftsrechnung und 4) die Etablierung eines Mindestlohnes im Arbeitsmarkt. 4
5
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
bessere Ergebnisse hervorbringen kann, ist jetzt kurz zu analysieren. Dabei wird der Argumentationsstruktur Lenels gefolgt. 7 a) Die Bedrohung der Freiheit durch private und staatliche Macht ist einer der wichtigsten Gründe dafür, daß Eucken die Wettbewerbsordnung vor den anderen Ordnungen bevorzugte.8 Sichert also die Wettbewerbsordnung die Freiheit des Individuums am meisten? Die "friedliche Revolution" in OstEuropa im Jahre 1989 und die darauf gefolgten Entwicklungen müssen schon empirisch gezeigt haben, daß eine Ordnung, die auf dem Markt als Ordnungsprinzip basiert, die Freiheit des Individuums mehr sichert als eine Zentralverwaltungswirtschaft. Daß "Markt" eher mit Freiheit verbunden ist als "Plan", müßte in dieser Phase der Geschichte anscheinend als bewiesen gelten. Inwieweit jedoch die staatliche Präsenz für die Erhaltung der Wettbewerbsordnung erforderlich ist und bis zu welchem Punkt der Staat intervenieren soll, ist zur Zeit noch Mittelpunkt von Kontroversen. Das Wichtigste dabei ist aber, daß diese Unterschiede gradueller Natur sind und nicht das Prinzip berühren. Zu letztem ist fast Einstimmigkeit erreicht worden: Die Wettbewerbsordnung ist einer Zentralverwaltungswirtschaft vorzuziehen und einer der Gründe ist die bessere Sicherung der Freiheit. b) Ob eine Wettbewerbsordnung eine Tendenz zur Harmonie zwischen Einzel- und Gesamtinteresse garantieren kann9 , ist eine noch immer offene Frage. Im Vergleich zu einer Zentralverwaltungswirtschaft wird jedoch nicht bezweifelt, daß eine größere Harmonie herrscht. Die Führerschicht verfolgt tatsächlich im allgemeinen ihr Eigeninteresse 10 und deshalb gilt die Theorie der "Eliten" von Pareto. 11 Als empirischer Beweis kann das Beispiel der mächtigen Parteimitglieder ("Nomenklatura") in der ehemaligen Sowjetunion und den anderen Ländern des Ostblocks angegeben werden. 1z Insofern verlagert sich das Problem dahingehend zu untersuchen, inwieweit der Wettbewerb in Verbindung mit einer staatlichen Ordnungspolitik
eine Harmonie zwischen Einzel-und Gesamtinteresse tatsächlich gewährlei-
7 Vgl. Lenel, Hans Otto: Walter Euckens ordnungspolitische Konzeption, die wirtschaftspolitische Lehre in der Bundesrepublik und die Wettbewerbstheorie von heute. in: Ordo. Bd. 26. 1975. S. 49. 8 Vgl. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. S. 375f. und Lenel: Walter Eucken ...• S. 49ff. 9 Vgl. Lenel: Walter Euckens ...• S. 52ff. 10 Vgl. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. S. 36lf. 11 Vgl. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. S. 16f. 1Z Einblicke in die Funktionsweise der Führerschicht der Sowjetunion hat vor einiger Zeit beispielsweise Boris Jelzin in seinem Buch "Aufzeichnung eines Unbequemen". dtsch. von Nitschke. A.• München. 1990. vor allem S. 190-208. gegeben.
Fünftes Kapitel: Der Ordoliberalismus
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stet. Wir befinden uns somit im Mittelpunkt desjenigen Disputs, der oft mehr mit ideologischen und politischen Argumenten als mit wissenschaftlichen geführt worden ist, nämlich ob die Gesetze des Marktes zu einer Anarchie oder zu einer Ordnung führen. Damit man einen Ansatz einer glaubwürdigen Antwort finden kann, muß man im Rahmen eines Gedankenexperiments von dem hypothetischen Fall ausgehen, daß es Individuen gibt, die dem Eigeninteresse folgen und zusätzlich kein Wettbewerb besteht. Diese Situation wird aus rein logischen Gründen zu einer anarchischen Situation führen; als erster hat das Hobbes (in Leviathan) für das politische Leben gezeigt und seine Analyse gilt mutatis mutandis auch für die ökonomischen Verhältnisse. Wenn man jetzt auch die Möglichkeit des Wettbewerbs in die Analyse einführt, wird der Charakter des Wettbewerbs klar: das ist ein Zwangscharakter. Der Wettbewerb zwingt die Individuen das zu tun, was auch dem Gesamtinteresse dient und genau das versucht die Nationalökonomie seit ihren Anfängen zu beweisen. Eucken ist der Auffassung (und die heutige Wettbewerbstheorie stimmt größtenteils zu) , daß der Wettbewerb nicht immer diese Rolle als Zwang und Leistungssteigerungsmotor spielen kann 13 (Fall des Monopols) und führt als Mittel für die Bekämpfung der unangemessenen privaten Macht den staatlichen Zwang auf. Diese These ist einfach und basiert auf der Idee der Verwendung aller verfügbaren Mittel, d.h. des Wettbewerbs und des staatlichen Zwanges, so daß die Verfolgung der Eigeninteressen im Zaum gehalten werden kann. Prinzipiell herrscht in der Disziplin Übereinstimmung, daß beide Mittel zu benutzen sind. Es bleibt jedoch die Frage offen, inwieweit die Wettbewerbskräfte diese Harmonietendenz unterstützen, und das stellt eine der zentralen Fragen der Wettbewerbstheorie dar. Abschließend muß jedoch betont werden, daß es noch einen dritten Weg gibt, die Harmonie zwischen Eigen- und Gesamtinteresse herbeizuführen, dem bis jetzt kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde, nämlich die ethischen Gefühle der Menschen. Obwohl es keine allgemein akzeptierte ethische Theorie gibt, kann man kaum bezweifeln, daß auch die amoralischsten Menschen über ethische Gefühle verfügen. 14 Gibt man das aber zu, dann erscheint dieser Aspekt als eine weitere
13 Vgl. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 360. Nach Heuss habe das 19. Jahrhundert gezeigt. daß diese natürliche Ordnung ohne die Präsenz eines Staatszwanges alles andere als eine in sich ruhende sei. Vgl. Heuss. Ernst: "Die Grundlagen der Nationalökonomie" vor 50 Jahren und heute. in: Ordo. Bd. 40. 1989. S. 26. 14 So z.B. einer der prominentesten Ethiker unserer Zeit: Williams. Bernard: Morality. An Introduction to Ethics. Cambridge. 1972. S. 17ff. Bei der Behandlung
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
wichtige Quelle der Hannonisierung von Eigen- und Gesamtinteresse. 15 Freilich muß der Punkt erforscht werden, inwiefern dieser Tatbestand innerhalb einer Weubewerbsordnung eine größere Rolle spielt als z.B. in einer Zentralverwaltungswirtschaft. Unabhängig davon bleibt aber das Vorhandensein von ethischen Gefühlen als die dritte wichtige Quelle der Harmonie zwischen dem Eigen- und dem Gesamtinteresse. c) Gleichsam offen bleibt auch die Frage, inwiefern mit der Existenz der Weubewerbsordnung die Gefahr einer Überforderung des Staates vennindert wird. 16 Aus der vorausgegangenen Analyse wird klar, daß der staatliche Zwang in der Verschaffung und Erhaltung von Ordnungsfonnen unentbehrlich bleibt, aber inwieweit der Staat dabei überfordert wird, ist unsicher. d) Um über die Frage der Rolle des Staates bei der Lenkung des Wirtschaftsprozesses l7 zu entscheiden, kann nur wirtschaftshistorisch vorgegangen werden. So muß man verschiedene Epochen, in denen der Staat eine kleine oder größere Rolle bei der Lenkung des Wirtschaftsprozesses übernommen hat, unter die Lupe nehmen und fragen, inwieweit diese Politik erfolgreich gewesen ist. Diese Vorgehensweise erscheint uns (nebenbei bemerkt) die einzig mögliche Methode, die Wirkungen irgendeiner Politik empirisch zu prüfen. Die Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen, sind vielfältig, z.B. wie man Epochen der Wirtschaftspolitik abgrenzt, welches der Vergleichsmaßstab ist, ob die Ankündigung einer Politik auch ihren Vollzug bedeutet usw. Trotzdem sind alle diese Hindernisse irgend wie zu überwinden, da nur die Empirie, d.h. in diesem Falle die Geschichte, über die Gültigkeit einer Theorie, d.h. hier über die Richtigkeit einer auf einer Theorie beruhenden Politik entscheiden kann. 18 Exemplarisch sei hier die Politik des New Deals oder der Keynesianismus in der Nachkriegszeit ge-
des Falles der Amoralisten schreibt Williams (S. 25): "Even if he [the amoralist, Anm. d. Verf.] helps these people because he wants to, or because he Iikes them, and for no other reason (... ), what he wants to do is to help them in their need, and the thought he has when he Iikes someone and acts in this way is 'they need help·. not the thought '1 Iike them and they need help·. This is a vital point: this man is capable of thinking in tenns of others' interests (...)." 15 Smith hat diesen Punkt klar gesehen und es ist verwunderlich. daß diejenigen. die als echte Interpreten der Klassiker auftreten wollen. diese Tatsache kaum erwähnen. Vgl. Smith. Adam: The Theory of Moral Sentiments. 1. Aufl .• 1759. Dtsch. (Hrsg.) Eckstein. W.• Theorie der ethischen Gefühle. Hamburg. 1985. 16 Vgl. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. S. 334ff. 17 Vgl. Lenel: Walter Euckens ...• S. 57. wo er meint. daß Eucken diesen Punkt nicht klar herausgearbeitet hat. 18 Eucken folgt sehr oft dieser Methode. um die Sackgassen von praktizierten Politiken aufzuzeigen. vgl. z.B. in den Grundsätzen. S. 26ff.
Fünftes Kapitel: Der Ordoliberalismus
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nannt usw., über deren tatsächlichen Erfolg nur die Geschichte entscheiden konnte. e) Eine weitere wichtige Folge der Wettbewerbsordnung wäre nach Eukken, daß sie zu Stabilität und Gerechtigkeit führt. 19 Bei Lenel wird diese These relativiert und als die Existenz einer Tendenz zum Gleichgewicht fonnuliert. 2o Ob es eine solche Tendenz tatsächlich gibt, ist ein wichtiger theoretischer Punkt, der vorwiegend von der österreichischen Tradition behandelt wird. 21 Kurz sei hier nur vorausgeschickt, daß der Marktprozeß sich als gleichgewichtstendierend und gleichgewichtszerstörend zugleich herausstellen wird. 22 f) Die günstige Wirkung der Wettbewerbsordnung auf andere Ordnungen, vornehmlich auf die politische Ordnung, ist in Zusammenhang mit dem Argument der Interdependenz der Ordnungen zu betrachten. 23 Daß es eine solche Interdependenz gibt, bezweifelt heutzutage niemand und hat auch in der Vergangenheit niemand ernsthaft bezweifelt. Über die Beziehung zwischen den Ordnungen herrscht jedoch keinesfalls Einstimmigkeit. Eine freiheitssichernde Wettbewerbsordnung garantiert die ökonomische Freiheit des Individuums, aber ob es auch die politische Freiheit begünstigt, ist zweifelhaft. 24 Denn es gibt nicht wenige Beispiele in der Geschichte, wo eine Weubewerbsordnung im ökonomischen Bereich herrschte, aber diktatorische Regime über die politische Gewalt verfügten. 25 Ökonomische Freiheit und Markt können auch in unfreien politischen Verhältnissen existieren, d.h. politische Unfreiheit bewirkt nicht zwangsläufig ökonomische Unfreiheit. Eine ökonomische Unfreiheit bzw. Zentral verwaltungs wirtschaft hat jedoch immer Totalitarismus bzw. politische Unfreiheit zur Folge. 26
Zusammenfassend kann man feststellen, daß viele der Thesen des Ordoliberalismus und Euckens im konkreteren entweder empirisch bestätigt worden sind oder noch immer offen bleiben; keine These ist aber bis heute falsifiziert worden. Dies gilt jedoch unter einer sehr wesentlichen Voraus-
Vgl. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. S. 198. Vgl. Lenel: Walter Euckens .... S. 59. 21 Siehe Kap. 8. 22 Siehe Kap. 8.8. 23 Vgl. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. S. 180ft. Z4 Auch die marxsche Theorie gibt diese Interdependenz zu. indem sie über den Bau und Überbau der Gesellschaft spricht. 25 Die militärische Junta in Griechenland zwischen 1967 und 1974 vermag dies zu beweisen. 26 Vgl. die Argumentation in Punkt a). 19
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
setzung, über die bis jetzt gezielt geschwiegen worden ist. Alle diese Wirkungen der "Wettbewerbsordnung" gelten nur unter der Annahme, daß der Wettbewerb nicht mit der Marktform der vollständigen Konkurrenz gleichgesetzt wird. Diesem wesentlichen Punkt, nämlich der Gleichsetzung des Wettbewerbs mit der Marktform der vollständigen Konkurrenz seitens Eucken und der Ordoliberalen, wollen wir uns jetzt zuwenden. 5.2. Die vollständige Konkurrenz In der Zeit Euckens gab es keine "Wettbewerbstheorie" im heutigen Sinne, sondern es stand die Marktformenlehre im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussionen. Die Betrachtung des Wettbewerbs als ein dynamisches Phänomen und der Versuch seiner Analyse als solcher, ist der Hauptbestandteil der modemen Wettbewerbstheorie. Insofern ist es von Bedeutung zu untersuchen, ob die vollständige Konkurrenz von Eucken mit der Marktform der vollkommenen Konkurrenz der Neoklassik identisch ist. An zwei Stellen hat sich Eucken darüber geäußert, was vollständige Konkurrenz nicht ist. Erstens ist sie keine mathematische Formulierung, nach der Konkurrenz nur dann herrscht, wenn die Nachfrage völlig elastisch ist.27 Das heißt also, daß man nicht eine unendlich große Anzahl von Anbietern braucht, um vollständige Konkurrenz zu haben. Zweitens setzt die vollständige Konkurrenz keine vollständige Homogenität der Produkte voraus, wie dies in der Marktform der vollkommenen Konkurrenz der Fall ist. 28 Eucken war der Ansicht, daß man die Marktform der vollständigen Konkurrenz nur mittels des Wirtschaftsplans jedes Anbietenden gewinnen kann. "Dies [die Gewinnung der Marktformen, Anm. d. Verf.] gelingt durch Untersuchung der Wirtschaftspläne konkreter Einzelwirtschaften. Denn die Plandaten, auf denen die Marktbeteiligten ihre Pläne aufbauen, lassen sich exakt ermitteln. (Aus ihnen, nicht aus den sog. 'Verhaltensweisen' - ein Begriff, dem sehr verschiedene Inhalte beigelegt werden - können die Marktformen festgestellt werden)."29 Vgl. Eucken: Die Grundlagen der Nationalökonomie, S. 96. Vgl. Eucken: Die Grundlagen der Nationalökonomie, S. 101. 29 Eucken: Die Grundlagen der Nationalökonomie, S. 257. Für die Feststellung der Marktform der vollständigen Konkurrenz ist auch ein anderes Kriterium von großer Bedeutung (das sich nicht bei Eucken finden läßt, aber schon z.B. bei Böhm), nämlich die Machtlosigkeit der Marktteilnehmer. So, vgl. Böhm, Franz: Kartellauflösung und Konzernentflechtung. Spezialistenaufgabe oder Schicksalsfrage, in: Süddeutsche 27
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Fünftes Kapitel: Der OrdoIiberalismus
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Aus diesen Aussagen Euckens geht aber noch nicht klar hervor, was er mit der "vollständigen Konkurrenz" meint, und in der Literatur werden dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Lenel meint, daß nach Eucken "[... ] vollständiger Wettbewerb auch gegeben sein [kann, Anm. d. Verf.], wenn die üblichen Voraussetzungen der Theorie nicht erfüllt sind. Die Verhaltensweise der Marktteilnehmer allein entscheidet."30 Nach Hoppmann verwendet Eucken für die Einordnung des vollständigen Wettbewerbs Kriterien des Marktverhaltens und keine Kriterien der Marktstruktur. 31 Lenel unterstreicht auch den Widerspruch, daß Eucken auf dem Ergebnis von theoretischen Untersuchungen aufbaute, deren Voraussetzungen aber zum großen Teil nicht übernahm. 32 Schmidt schreibt, daß die vollständige Konkurrenz "[... ] eine sehr große Zahl von Anbietern oder Nachfragern weitgehend homogener Produkte auf einem transparenten Markt ohne Zutrittsschranken und Absprachen, die sich rational verhalten [... ]" impliziert. 33 Mäschel bemerkt, daß "Walter Euckens term 'complete competition' is not identical with perfect or pure competition. What counts for hirn is the absence of coercive power." 34 Aus diesen verschiedenen Interpretationen des Denkens von Eucken offenbart sich eine Vielfältigkeit, die zum alleinigen Ergebnis hat, daß die vollständige Konkurrenz Euckens mit der vollkommenen Konkurrenz der Neoklassik nicht identisch sein kann. Sie ist eher mit der Marktform des heterogenen Polypols gleichzusetzen, mit einer deutlichen Betonung der Offenheit der Märkte; somit sind eine große Anzahl von Marktteilnehmern,
Juristenzeitung, 1947, Sp. 498, und ders.: Wettbewerb und Monopolkampf. Berlin. 1933. S. 20. 30 Lenel: Walter Euckens ...• S. 63. Diese Auffassung ist verwunderlich. da aus dem Zitat hervorgeht. daß die Verhaltensweise gar nicht ins Spiel kommt. 31 Vgl. Hoppmann: Workable Competition als wettbewerbspoIitisches Konzept. S. 195. An einer anderen Stelle analysiert Hoppmann die Sackgasse. zu der die Normativierung der vollständigen Konkurrenz führen kann. Vgl. Hoppmann, Erich: Zum Schutzobjekt des GWB, in: Wettbewerb als Aufgabe - Nach zehn Jahren GWB. Bad Homburg u.a .• 1968, S. 96ff. 32 Vgl. Lenel: Walter Euckens ...• S. 71. 33 Schmidt. Ingo: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht. 3. neubearb. Aufl.. Stuttgart u.a .• 1990. S. 10. Fn. 21. 34 Möschel. Wernhard: Competition Policy from an Ordo Point of View. in: (Hrsg.) Peacock. A./Willgerodt. H., German Neo-Liberals and the Social Market Economy. London. 1989. S. 157. Anm. 16. Herdzina meint in bezug auf das ganze Konzept der Freiburger Schule des Ordoliberalismus. daß "[ ...] man ihr mit der Behauptung. ihr Konzept der vollständigen Konkurrenz entspreche dem statischen Marktmodell des homogenen Polypols, unrecht tut", vgl. Herdzina. Klaus: Möglichkeiten und Grenzen einer wirtschaftstheoretischen Fundierung der Wettbewerbspolitik. S. 29f.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
heterogene Produkte und der freie Zugang zum Markt die wesentlichsten Bestandteile der vollständigen Konkurrenz. Die Gegenüberstellung von vollständiger Konkurrenz und Monopol als die beiden Gegenpole35 und die Ablehnung der "Monopolkämpfe" als eine Art von Wettbewerb36 runden das Bild ab und machen deutlich. daß Euckens Auffassungen über den Wettbewerb aus der Sicht der heutigen Wettbewerbstheorie kaum Kritik standhalten können. Deshalb ist versucht worden. diesen Mangel der theoretischen Synthese Euckens zu beseitigen und die vollständige Konkurrenz dynamisch zu interpretieren. 5.3. Die dynamische Interpretation der vollständigen Konkurrenz Lenel meint. daß obwohl Eucken es niemals ausdrücklich geschrieben habe. sich jedoch aus seinen Äußerungen implizit ergebe. daß er nicht den Wettbewerb als einen Zustand der "Schlafmützenkonkurrenz" (F.A. Lutz) angestrebt habe. 37 In einer späteren Veröffentlichung gibt er jedoch zu. daß der Wandel der Marktformen im Wettbewerbsprozeß weitgehend vernachlässigt worden ist 38 und daß "die starke Hervorhebung der vollständigen Konkurrenz in den "Grundsätzen" als eine Schwäche anzusehen ist".39 Das Schema Ausgangsgleichgewicht -+ Datenänderung -+ Endgleichgewicht. dem von Eucken und der ordoliberalen Schule mehr oder weniger gefolgt wird40• ist nicht als eine exakte Beschreibung der Wirtschaftswirklichkeit zu verstehen. sondern eher als Abstraktionsmodel1. 41 Dann wäre der Fall vorstellbar. daß Märkte sich nicht ständig im Zustand der vollständigen Konkurrenz zu befinden brauchen. sondern auch andere Marktformen geduldet werden. wenn nur eine Tendenz in Richtung auf die Marktform der voll-
3S Vgl. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. S. 30ff. So auch alle Vertreter des Ordoliberalismus (der ersten Generation). Vgl. z.B. Röpke. (Art) Wettbewerb (H). s. 31. 36 Vgl. Eucken. Walter: Wettbewerb. Monopol und Unternehmer. Bad Nauheim. 1953. S. 15. 37 Vgl. Lenel: WaIter Euckens ...• S. 71. 38 Vgl. Lenel. Hans Otto: Walter Euckens "Grundlagen der Nationalökonomie". in: Ordo. Bd. 40. 1989. S. 11. 39 Ebda. 40 Vgl. Borchert/Grossekettler. S. 137. 41 Vgl. Miksch. Leonard: Wettbewerb als Aufgabe. Grundsätze einer Wettbewerbsordnung. 2. erw. Aufl .• Godesberg. 1947. S. 47. und Möschel: Competition Policy from an Ordo Point of View. S. 146.
Fünftes Kapitel: Der Ordoliberalismus
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ständigen Konkurrenz herrscht. 4z Diese (freilich großzügige) Interpretation würde die Betrachtungsweise der Ordoliberalen dynamisieren und zu dem heutigen Stand der Wettbewerbstheorie passen. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die "Wettbewerbsordnung" ihre einseitige Abhängigkeit von der Marktform der vollständigen Konkurrenz zumindest teilweise ablegen. Und in diesem Fall würden die zuvor analysierten Wirkungen (Abschnitt 5.1) der Wettbewerbsordnung zutreffen. Bleibt man aber noch an die statische Marktform der vollständigen Konkurrenz gebunden, so könnte man unter dem Argument der Realitätsfeme die ganze Analyse als irrelevant bezeichnen. Angesichts dieser Tatsache müßten sich die heutigen Ordoliberalen bemühen, die wichtigsten Erkenntnisse der modemen Wettbewerbstheorie bezüglich der Dynamik in die Theorie der Wettbewerbsordnung systematisch einzugliedern. Sonst bliebe die Wettbewerbsordnung eine inhaltsleere Angelegenheit, die keine der o.g. positiv zu bewertenden Ergebnisse hervorbringen könnte. 5.4. Die Kritik An der Konzeption des Ordoliberalismus und insbesondere an der Theorie Euckens ist von vielen Seiten Kritik geübt worden, die meistens die vorgeschlagene Wettbewerbspolitik betrifft. So wird angeführt, daß der Oligopolproblematik zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, eine Als-ob-Simulation der Kartellbehörden, wie die Ordoliberalen vorschlagen, zuviel Interventionsmacht verleihen würde USW. 43 Da diese Vorwürfe mehr mit praktischen Schwierigkeiten der Wettbewerbspolitik als mit theoretischen Defiziten zu tun haben, wollen wir unsere Kritik auf zwei Punkte konzentrieren, nämlich auf die unzulängliche Erfassung des Wettbewerbsphänomens mittels der Marktstruktur der vollständigen Konkurrenz und auf die Beziehung zwischen Polypol und Wettbewerbsintensität. 5.4.1. Wettbewerb und vollständige Konkurrenz
Die Gleichsetzung der Marktstruktur der vollständigen Konkurrenz mit dem Wettbewerbsprozeß ist der wichtigste Kritikpunkt am Ordoliberalismus aus wettbewerbstheoretischer Sicht. Auch eine gutwillige Analyse der Ideen 42 Diese Interpretation findet man, wie Grossekettler (S. 137, Anm. 39) bemerkt, im ordoliberalen Schrifttum nicht. Man kann aber vermuten, daß Eucken mit dieser Interpretation einverstanden wäre. 43 Vgl. Borchert/Grossekettler, S. 142.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
von Eucken und eine dynamische Interpretation seiner Ansichten vermag dieses Defizit nicht zu beseitigen. Da er mit der komparativen Statik arbeitet, gelingt ihm dadurch die Analyse von Zuständen, aber nicht die von Bewegungsprozessen im eigentlichen Sinne. 44 Damit kann man jedoch das Phänomen Wettbewerb nicht erfassen. 45 Es besteht nicht in dem Streben nach einem bestimmten Gleichgewicht der vollständigen Konkurrenz, sondern in dem Sichbewegen zwischen zwei Gleichgewichtslagen, die aber nie erreicht werden können. 46 Somit ist aber Konkurrenz von einer bestimmten Marktform unabhängig und kann bei allen Marktformen vorkommen. 47 Obwohl auch heutzutage in der Wettbewerbstheorie von der Bedeutung der Marktstruktur nicht ganz abstrahiert wird (was wir schon in bezug auf das Struktur-Verhältnis-Ergebnisse-Paradigma des Industrial Organization gesehen haben), werden immer mehrere marktstrukturelle Charakteristika als für den Wettbewerb entscheidend angegeben und nicht nur die Anzahl der Marktteilnehmer und die Homogenität der Produkte wie bei der "vollständigen Konkurrenz". Eine bestimmte Marktstruktur ist allerdings keine hinreichende Bedingung für die Entstehung von Wettbewerb. 48 In jeder marktstrukturellen Situation (außer beim Monopol) ist es möglich, daß es Wettbewerb gibt. Es gibt keine per se kompetitiven bzw. nicht-kompetitiven Marktstrukturen49 , wenn es mehr als einen Anbieter gibt. Der Wettbewerb findet vielmehr in einem Markt statt, wo sich Akte der Innovation (und Imitation), der Arbitrage und der Akkumulation verwirklichen. so Die Wettbewerbsprozesse zerstören langfristig jede Marktform, da sie sich in der Produktion und Anwendung neuen Wissens vollziehen. Als typisches Bei-
24.
44
Vgl. Heuss: "Die Grundlagen der Nationalökonomie" vor 50 Jahren und heute, S.
Ebda. Ähnlich ebda. 47 Als erster hat diese Haupterkenntnis der Wettbewerbstheorie Ott geliefert. Vgl. Ott, Alfred E.: Marktform und Verhaltensweise, Stuttgart, 1959, S. 51, wo er schreibt: "[ ... ] um jede Gleichsetzung der Konkurrenz mit einer Marktform (und zwar des Polypols) als unhaltbar zu erweisen. Nahezu die gesamte traditionelle preistheoretische Forschung hat sich dieser Gleichsetzung schuldig gemacht." 48 Vgl. Herdzina: Möglichkeiten und Grenzen einer wirtschaftstheoretischen Fundierung der Wettbewerbspolitik, S. 12. Auch Heuss ist dieser Meinung: "Freilich ist die Marktstruktur nicht unwichtig. Sie stellt eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung für den Wettbewerb dar.", vgl. Heuss, Ernst: Zum heutigen Stand der Wettbewerbstheorien in Deutschland, in: Ordo, Bd. XVIII, 1967, S. 415. 49 Ebda. 50 Siehe Kap. 8.8. 45
46
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spiel sei hier der Pionierunternehmer angegeben51 , der mit seiner Innovation ein neues Produkt einführt und somit einen neuen Markt schafft. Die Imitationsprozesse seitens der übrigen Unternehmer lassen es offen, welche Marktfonn bzw. Marktstruktur und für wie lange entstehen wird. 52 Dabei wird klar, daß die Vorwürfe an die vollständige Konkurrenz, sie sei utopisch 53 oder nur eine historische Kategorie54, an dem wesentlichen Punkt vorbeigehen. Denn die vollständige Konkurrenz bzw. das heterogene Polypol ist eine Marktform, die schon im Wirtschaftsleben anzutreffen ist55 , die aber u.U. nur vorübergehend während des Marktprozesses existent ist und das Bestehen von Wettbewerb nicht garantiert. Der Frage, welche Beziehung letztlich zwischen dem Polypol und der Wettbewerbsintensität bzw. dem technischen Fortschritt besteht, wollen wir uns jetzt zuwenden. 5.4.2. Vollständige Konkurrenz und Wettbewerbsintensität Ob eine Beziehung zwischen den verschiedenen Marktfonnen und der Wettbewerbsintensität existent und welcher Natur sie ist, wollen wir im Moment offen lassen und später in bezug auf die Theorie von Kantzenbach behandeln. Wir wollen hier nur prüfen, ob aus heutiger Sicht der vollständigen Konkurrenz eine bestimmte Wettbewerbsintensität und ein bestimmter Grad des technischen Fortschritts zugeordnet werden kann. Bezüglich des ersten Punktes gilt es zu prüfen, welche Beziehung genau zwischen den drei Charakteristika der vollständigen Konkurrenz, nämlich der großen Anzahl der Anbieter, der Produktheterogenität und der Offenheit der Märkte einerseits und der Wettbewerbsintensität andererseits besteht. Es handelt sich also um den Fall eines heterogenen Polypols ohne Eintrittsbeschränkungen. Was besagt das aber über den Wettbewerb? Am Anfang jeder Analyse steht die Tatsache, daß der Marktprozeß ein dynamischer ist und während seines Verlaufs die Marktfonnen nicht stabil bleiben, sondern sich ständig ändern. Diese Sicht trifft für eine langfristige Analyse zu, kurzfristig 51 Ähnlich auch Berg, Hartmut: Wettbewerbspolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 2. Bd., 3. Aufl., München, 1988, S. 239. 52 Vgl. Heuss, Ernst: Allgemeine Markttheorie, Tübingen -Zürich, 1965. 53 Vgl. Kartte, Wolfgang: Ein neues Leitbild für die Wettbewerbspolitik, Köln u.a., 1969, S. 101, und Giersch, Herbert: Allgemeine Wirtschaftspolitik, Wiesbaden, 1961, S.184. 54 Vgl. Galbraith, John Kenneth: The New Industrial State, Boston, 1967, dtsch. von: Wölfl, Norbert, Die moderne Industriegesellschaft, München und Zürich, 1968, S. 64. 55 Zum Beispiel sei der Agrarbereich genannt.
6 MantzaviDOs
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
jedoch muß zugegeben werden, daß die marktstrukturelle Situation relativ stabile Grundzüge aufweist. 56 Man kann also durchaus eine solche vollständige Konkurrenz in der Realität antreffen57 und es entsteht die Frage, ob (abgesehen von dem Problem des relevanten Marktes) Wettbewerb kurzfristig herrschen kann. Davon muß ausgegangen werden: polypolistische Marktstrukturen und offene Märkte begünstigen die Existenz eines Wettbewerbs. (An dieser Stelle muß hervorgehoben werden, daß mit Wettbewerb nicht die polypolistische Verhaltensweise gemeint ist. Auch von den heutigen Ordoliberalen wird aneraknnt, daß die Modellkonstruktion eines Endzustandes gemäß der Preistheorie die Existenz einer niedrigen Wettbewerbsintensität voraussetzt und somit die Aussage tautologisiert. 511) Wettbewerb wird somit begünstigt, weil einer der drei Faktoren wirken wird: die große Anzahl der Marktteilnehmer, die Produktdifferenzierung oder aber die Offenheit des Marktes. Denn wenn die marktstrukturelle Situation auch dazu führen könnte, daß anstatt von Wettbewerb ein Kartell gebildet werden würde (und diese Möglichkeit der Kartellierung ist auch bei Polypolen existent und wird von fast allen Wettbewerbstheoretikern zugegeben) 59, wird die Offenheit des Marktes dazu beitragen, daß angesichts eines potentiellen Wettbewerbs die Marktteilnehmer sich einem anonymen Zwang von außen ausgesetzt fühlen würden. 60 Aber die große Wahrscheinlichkeit der Existenz eines wettbewerblichen Verhaltens in diesem Falle läßt nichts über die Höhe der Wettbewerbsintensität sagen. Wie hoch sie sein wird, hängt auch von anderen Faktoren ab, wie z.B. der Geschichte des Marktes, der Marktphase, dem Vorhandensein von innovativen Unternehmern oder Marktteilnehmern im allgemeinen usw. Insofern vermag die Wettbewerbstheorie keine konkreten Aussagen darüber zu machen, und somit bleibt diese Frage offen. Die Schwierigkeit, eine Antwort darauf zu finden, sei mit der Komplexität des Marktgeschehens
56 So Kantzenbach. Erhard: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Bd. 181. 1967/68. S. 212. 57 Auch neuerdings weist Kantzenbach darauf hin, daß man von der bestehenden Marktstruktur kurzfristig ausgehen kann, um die Wirksamkeit des Wettbewerbs zu beurteilen, vgl. Kantzenbach, Erhard: Marktstruktur und gesamtwirtschaftIiche Entwicklung. in: (Hrsg.) Gahlen. B .• Marktstruktur und gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Berlin u.a.• 1990. S. 7. 58 Vgl. Willgerodt. Hans: Fehlurteile über vielzahligen Wettbewerb. in: Ordo. Bd. 26, 1975. S. 128. S9 Vgl. Heuss: Allgemeine Markttheorie, S. 266. 60 Zur Begründung dieser These sei auf die Pleiopol-Analyse von Machlup verwiesen. vgl. Machlup. Fritz: Wettbewerb im Verkauf, Göttingen. 1966, Kap. 8.
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begründet. Auch die Hervorhebung von Bemerkungen zugunsten der hohen Wettbewerbs intensität beim Polypol. wie z.B.: "Wie ließen sich sonst die zahllosen Klagen von polypolistischen Wirtschaftsgruppen über die unberechenbare Härte und Anonymität der Konkurrenz erklären? ,,61 können nicht beweisen. daß die höchste Wettbewerbsintensität in diesem Fall zu finden ist. Theoretische Überlegungen62 und die Wirtschafts- bzw. Kartellgeschichte sprechen dagegen. Bezüglich der Frage. welche Beziehung zwischen der vollständigen Konkurrenz und dem technischen Fortschritt besteht. sei hier auf die relevanten Untersuchungen der sog. Neo-Schumpeter-Hypothesen verwiesen. 63 Die empirische Forschung hat noch nicht bewiesen. ob und welche Marktstruktur den technischen Fortschritt am meisten fördert. 64 Diese Frage bleibt noch offen und somit wird auch die These, daß es im Polypol keinen Fortschritt gibt65 , empirisch nicht gestützt. 66 Zum Schluß wird wie in jedem Kapitel die Tabelle mit den wichtigsten Beiträgen des Ordoliberalismus angegeben.
Willgerodt. S. 116. Vgl. Heuss: Allgemeine Markttheorie. S. 265. 63 Vgl. Schmidt. S. 96ff. 64 Vgl. Schmidt. S. 100f. 65 Vgl. Kantzenbach. Erhard: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. 2. Aufl.. Göttingen. 1967. S. 42ff. 66 So auch Willgerodt. S. 119 und 128. 61
62
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Tabelle 5
Der Ordoliberalismus Wettbewerbstheorie Analyse des Wettbewerbs
Marktfonn der vollständigen Konkurrenz Hauptcharakteristika: 1. Viele Marktteilnehmer 2. Heterogenität der Produkte 3. Offenheit der Märkte Wettbewerb als Ordnungsprinzip der "WeUbewerbsordnung"
Forschungsmethode
Marktfonnenlehre. Statische Orientierung. aber dynamische Interpretation möglich
Meßverfahren
Untersuchung der Wirtschaftspläne konkreter Einzelwirtschaften und völlige Machtlosigkeit als Millel der Feststellung von vollständiger Konkurrenz
Betrachtungshorizont
Langfristig
Wettbewerbspolitik Ziele
"Wettbewerbsordnung" als Leitbild
Inhalt
Wettbewerbspolitik als Ordnungspolitik
Kritik
Falsche Gleichsetzung von vollständiger Konkurrenz und Wettbewerb Keine eindeutige Beziehung zwischen vollständiger Konkurrenz- und Wettbewerbsintensität Keine eindeutige Beziehung zwischen vollständiger Konkurrenz und technischem Fortschritt
Kapite/6
Marktphasentheorie und Unternehmer 6.1. Schumpeter als Vater der Prozeßtheorie In der neoklassischen Analyse ist normalerweise die Rede von Produktionsfaktoren, die kombiniert werden, von den Gesetzen, die in der Produktion herrschen und von den Absatzmöglichkeiten der Produkte. Von der Persönlichkeit, die den ökonomischen Prozeß gestaltet und ihm die Dynamik verleiht, wird weitgehend abstrahiert.) Als erster hat Schumpeter die Rolle
I Als Grund dafür wird die Unmöglichkeit der Quantifizierung der Unternehmerrolle genannt. So kann die neoklassische Preistheorie und die Industrieökonomik. die mit einem quantitativen Instrumentarium arbeiten. schlecht die mit dem Unternehmer
Sechstes Kapitel: Marktphasentheorie und Unternehmer
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dieser Persönlichkeit des Unternehmers im Wirtschaftsprozeß klar erkannt und beschrieben und ihn als den Motor der wirtschaftlichen Entwicklung präsentiert. 2 Vier Punkte sind bezüglich der Theorie von Schumpeter zu erwähnen. Erstens wird von Schumpeter die Kategorie des Unternehmers eingeführt, um den ganzen ökonomischen Prozeß zu analysieren und vor allem die Konjunkturzyklen zu erklären. 3 Insofern ist der Schurnpetersche Unternehmer als Archetypus der Kategorie des Unternehmers in der ökonomischen Theorie anzusehen. Die Rolle des Unternehmers ist bei Schumpeter sehr breit und verwirklicht sich vor allem in der Gründung und Zerstörung von Märkten, während z.B. bei Kirzner die Unternehmerfunktion sich vor allem im Rahmen von einem bzw. mehreren bestehenden Märkten entfaltet.4 Auch bei Clark, Arndt und Heuß wird die Unternehmerrolle enger im Bereich eines konkreten Marktes bzw. zur Erklärung des WeUbewerbsprozesses analysiert. Zweitens besteht das innovative Moment nach Schumpeter in der Durchsetzung der neuen Kombination und nicht in der Erfindung. 5 Hier liegt die Grenze der Erklärungskraft der Theorie Schumpeters. Denn das Wichtige ist nicht die Anwendung neuen Wissens in irgendwelcher Form, wie Schumpeter postuliert, sondern die Erfindung neuen Wissens. Die Anwendung ist eine Frage der praktischen Vernunft, und, obwohl auch wichtig, ist sie von minderer Bedeutung gegenüber der Erfindung und Bewährung neuen Wissens. Um Mißverständnisse vorwegzunehmen, muß hier präzisiert werden: wir wollen nicht bestreiten, daß der Unternehmer-Innovator wesentlich eine Führerfunktion wahrnimmt und seine Rolle grundsätzlich in der Durchsetzung neuer Kombinationen besteht. Wir behaupten nur, daß dieses Element nur eines von mehreren ist, die den ökonomischen Prozeß in Gang halten und das Wachstum hervorbringen, und daß dazu sowohl die Produk-
zusammenhängenden qualitativen Tatbestände erfassen. Vgl. Fehl, Ulrich: Unternehmertheorie, Unternehmertypen und Marktanalyse, in: Markt und Wettbewerb. Festschrift für Ernst Heuss zum 65. Geburtstag. Hrsg. Borchert, M./Fehl, U./Oberender, P., Bern u. Stuttgart, 1987, S. 18. Z Vgl. Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 3 Vgl. Arndt, Helmut: Macht und Wettbewerb, in: Handbuch des Wettbewerbs, S. 74, Anm. 4. ~ Vgl. Casson, Mark C.: The entrepreneur: an economic theory, Oxford, 1982, S. 381. S Bekanntlich sorgt der Unternehmer als Innovator dafür, neue Kombinationen der Produktionsfaktoren durchzusetzen, d.h. a) neue Produkte herzustellen, b) neue Methoden einzuführen, c) neue Märkte zu erschließen, d) neue Bezugsquellen von Rohstoffen oder Halbfabrikaten zu erobern oder e) eine Neuorganisation durchzuführen. Vgl. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. lOOf.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
tion neuen Wissens und die Arbitragetätigkeit wie auch die Tatsache, daß alle Wirtschaftssubjekte und nicht nur der Unternehmer über diese Fähigkeiten verfügen, hinzugefügt werden muß. 6 Drittens hat Schumpeter auf die Konkurrenz mittels Innovationen als Grundtatbestand der kapitalistischen Entwicklung verwiesen ("schöpferische Zerstörung" des Alten und die Ersetzung durch das Neue).7 Er deutete dabei die Innovationen als eine Art von Konkurrenz und nicht als einen Bestandteil der Konkurrenz. 8 Das ist sehr wichtig, denn die spätere Entwicklung der Wettbewerbstheorie verkennt dieses Moment. Schumpeter verwies auf die Wirksamkeit dieser Konkurrenz der neuen Ware, der neuen Methoden und der neuen Organisationen und machte sie weder zum Hauptmuster des Wettbewerbsphänomens noch identifizierte er sie mit dem Wettbewerb. Dies fand erst später statt und hatte zur Folge, daß aufgrund einer falschen Interpretation der Auffassungen Schumpeters (in einigen Fällen) eine Gleichsetzung von Wettbewerb und Marktprozeß erfolgte. Der Grund dafür war der Versuch einer Dynamisierung der Theorie, der dazu führte, den Wettbewerb als Prozeß von Innovationen und Imitationen zu beschreiben, während man ihn gleichzeitig mit dem Markt gleichsetzte. Wie wir später sehen werden, ist diese Vorgehensweise verfehlt, da sie ihren Blick von den übrigen Erschei-
6 Schumpeter selbst gibt zu, daß in beschränkter Weise jeder Geschäftsmann ein Unternehmermoment (wenn auch nur ein bescheidenes) aufweist und das gleiche mit dem Forscher passiert, der irgendwann in seinem Leben eine eigene Schöpfung zustandebringt. Vgl. Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 116. 7 Vgl. Schumpeter, Joseph A.: Capitalism, Socialism and Democracy, New York, 1942, dtsch. von Preiswerk, Susane: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 6. Aufl., Tübingen, 1987, S. 137. 8 Vgl. das berühmte Zitat, wo dies klar dargestellt wird: "Das erste, was weichen muß, ist der überlieferte Begriff des modus operand; der Konkurrenz. Die Ökonomen entwachsen nun endlich dem Stadium, wo sie nur Preiskonkurrenz sahen und nichts sonst. Sobald die Qualitätskonkurrenz und der Kundendienst in die geheiligten Gefilde der Theorie zugelassen werden, ist die Preisvariable aus ihrer beherrschenden Stellung vertrieben. (...) In der kapitalistischen Wirklichkeit jedoch, im Unterschied zu ihrem Bild in den Lehrbüchern, zählt (...) die Konkurrenz der neuen Ware, der neuen Technik, der neuen Versorgungsquelle, des neuen Organisationstyps (...) - jene Konkurrenz, die über einen entscheidenden Kosten- oder Qualitätsvorteil gebietet und die bestehenden Firmen nicht an den Profit- und Produktionsgrenzen, sondern in ihren Grundlagen, ihrem eigentlichen Lebensmark trifft. Diese Art der Konkurrenz ist um so viel wirkungsvoller als die andere, wie es ein Bombardement ist im Vergleich zum Aufbrechen einer Tür, und sie ist so viel wichtiger, daß es verhältnismäßig gleichgültig wird, ob die Konkurrenz im gewöhnlichen Sinne mehr oder weniger rasch funktioniert (... )." Vgl. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 139f.
Sechstes Kapitel: Marktphasentheorie und Unternehmer
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nungen des Marktes abwendet und somit zu unzulässigen Verallgemeinerungen führt. 9 Viertens hat Schumpeter die sog. Schumpeter-Hypothesen nicht selbst formuliert. Weder die sog. Großunternehmungshypothese, gemäß welcher ein positiver Zusammenhang zwischen der absoluten Unternehmungsgröße und der Innovationstätigkeit (Forschung und Entwicklung) besteht, noch die sog. Monopolhypothese, laut welcher eine monopolistische Marktstruktur den technischen Fortschritt begünstigt, sind als solche von Schumpeter aufgestellt worden. 1O Sie sind eher auf eine Mißinterpretation des Schumpeterschen Denkens zurückzuführen und müßten genauer Neo-SchumpeterHypothesen genannt werden. ll 6.2. Wettbewerb und Phaseneinteilung nach H. Arndt Der erste, der in Anlehnung an Schumpeter den Wettbewerb in Phasen einteilte und beschrieb, ist H. Arndt. 12 Er differenzierte zwischen dem Wettbewerb der Bahnbrecher und dem Wettbewerb der Nachahmer, die zusammen den Wettbewerbsprozeß ausmachen. Vier Bemerkungen sind in diesem Zusammenhang zu machen. Erstens ist diese Theorie von Arndt prototypisch, in dem Sinne, daß sie zuerst von Arndt entwickelt worden ist. Obwohl, wie wir schon gesehen haben, Young und Abramovitz in den 20er und 30er Jahren eine Marktentwicklungstheorie formuliert haben, war Mittelpunkt ihrer Analyse die zeitliche Entwicklung des Marktes und nicht die Beschreibung des Wettbewerbs. Insofern besteht eine Beziehung eher zwischen diesen Theorien und der Theorie von Heuss als zu der Wettbewerbstheorie von Arndt. Zweitens ist diese Beschreibung des Wettbewerbs von Arndt früher als die äquivalente von Clark entwickelt worden. Entgegen dem weitverbreiteten
Siehe Kap. 6.4.3., 8.8. und 9.7.3. Für eine Formulierung der sog. Schumpeter-Hypothesen vgl. Helmstädter, Ernst: Marktstruktur und dynamischer Wettbewerb. Theoretische Grundlagen der Schumpeter-Hypothesen, in: Marktstruktur und gesamtwirtschaftliche Entwicklung, S. 159. 11 So Helmstädter und vor allem: Herdzina, Klaus: Marktstruktur und dynamischer Wettbewerb. Theoretische Grundlagen der Schumpeter-Hypothesen. Korreferat, in: Marktstruktur und gesamtwirtschaftliche Entwicklung, S. 175ff., wo er auch die relevanten Teile der Theorie von Schumpeter mit genauen Seitenangaben kommentiert, um diese These zu stützen. Ferner vgl. Schmidt: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.96ff. 12 Vgl. Arndt: Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft. 9
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Irrtum in der Literatur, hat Clark seine Beschreibung des Wettbewerbs als eine Sequenz von "moves and responses" später geliefert als Amdt, da sein Beitrag erstmals 1954 veröffentlicht wurde J3 , wobei Amdts Theorie schon 1952 erschien. Drittens nahm Amdt viele der späteren Argumente der Wettbewerbstheorie vorweg. Er sprach als erster von der Rolle des Wettbewerbs als Ausleseprozeß und Sozialisationsprozeß und als Zwang, damit sich die Wirtschaftssubjekte rational verhalten. 14 Außerdem begriff er den Wettbewerb als einen gesellschaftlichen Prozeß, was als Vorläufer der späteren Theorie der spontanen Ordnung von Hayek anzusehen ist. Im allgemeinen sah Amdt als erster den Wettbewerb als Phänomen, das nicht nur im ökonomischen Bereich anzutreffen ist und analysierte seine vielfältigen Wirkungen bzw. Ergebnisse im menschlichen Leben. Viertens setzte Amdt den Weubewerbsprozeß in enger Beziehung zu der Machtproblematik und behandelte die unterschiedlichen Aspekte des Machtproblems während des Wettbewerbsprozesses. 15 Ausgehend von den zwei Voraussetzungen der Erfüllung der volkswirtschaftlichen Funktionen des Wettbewerbs, nämlich von der Chancengleichheit und der Wettbewerbsfreiheit unterschied er zwischen zwei Arten von Macht: "der permanenten Macht im Wettbewerb", die "Wettbewerbsentartungen" verursacht, und der Marktmacht, die zu Wettbewerbsbeschränkungen führt. Somit analysierte er die Machtaspekte in einer Weise, die der systemtheoretischen Betrachtung in vielen Punkten ähnelt.
6.3. Die Marktphasentheorie von Heuss 6.3.1. Die Phaseneinteilung des Marktes
Heuss macht den Markt zu seinem Untersuchungsobjekt und glaubt, ein empirisch fundiertes Muster der Marktentwicklung beobachten zu können. 16
13 Clark beschreibt zum ersten Mal den dynamischen Prozeß des Wettbewerbs in seinem Aufsatz: Competition and the Objectives of Govemment Poliey. 14 Vgl. Amdt: Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft. Kap. 2. IS Einen guten Überblick vermittelt Amdt, Helmut: Macht und Wettbewerb, in: Handbuch des Wettbewerbs, S. 49ff. 16 Vgl. sein Hauptwerk: Allgemeine Markttheorie. Heuss' Theorie weist viele Ähnlichkeiten auf zu dem sog. Produktlebenszyklus-Konzept, das besonders in der Betriebswirtschaftslehre eine große Rolle spielt. Wie Bartling bemerkt. ist der "product life cyde" zuerst durch R. B. Prescott 1922 formuliert worden. Vgl. Bartling: Leitbil-
Sechstes Kapitel: Marktphasentheorie und Unternehmer
89
Er geht davon aus, daß jede Marktentwicklung in vier Phasen eingeteilt werden kann. In der Experimentierungsphase wird ein neues Produkt geschaffen, zur Marktreife entwickelt und auf den Markt gebracht. In der Expansionsphase wird das Produkt breiteren Bevölkerungsschichten bekannt gemacht und Nachfrage geweckt. Entsprechend der Nachfrageexpansion (Selbstentzündung der Nachfrage) werden allmählich Verbesserungen im Produktionsbereich erreicht, die zu Kostenersparnissen führen. In der Ausreifungsphase sind nur begrenzte Ausdehnungsmöglichkeiten existent, und die ersten Merkmale der Müdigkeit der Marktentwicklung, i.S. von langsameren Wachstumsraten, treten in den Vordergrund. Die Stagnations- und Rückbildungsphase tritt ein, wenn die Wiederholung des Bekannten die Regel wird und inzwischen neue Industrien entstanden sind. Es muß betont werden, daß Heuss für dieses Schema der Marktentwicklung einen hohen empirischen Gehalt beansprucht. Er führt viele Beispiele von verschiedenen Industrien auf, die beweisen sollen, daß das Auftreten dieser Phasen der Marktentwicklung eine Regelmäßigkeit aufweist, die diesem Schema den Charakter eines allgemeingültigen Gesetzes verleiht. Diese Zwangsläufigkeit des Marktprozesses hängt mit der Erfahrungsfrage der Marktteilnehmer zusammen und läßt eine Parallele zu den Altersphasen des Menschen ziehen. J7 6.3.2. Unternehmertypologie und Marktentwicklung
Anschließend an die Unterscheidung Schumpeters zwischen Pionierunternehmer und "Wirte schlichtweg"18 entwickelt Heuss eine Unternehmertypologie, die vier Unternehmertypen umfaßt, und den Zweck hat, die begrifflichen Instrumente für die Analyse der Marktprozesse zu liefern. 19 Er unterscheidet zwischen dem initiativen Unternehmer mit den Subkategorien des Pionierunternehmers und des (spontan) imitierenden Unternehmers und dem konservativen Unternehmer mit den Subkategorien des (unter Druck) reagierenden Unternehmers und des immobilen Unternehmers. 2o Heuss lenkt somit das Interesse der Theorie auf die Person des Unternehmers, um so den
der der Wettbewerbspolitik, S. 26, Anm. 14. 17 Vgl. Heuss, Ernst: Die Wettbewerbs- und Wachstumsproblematik des Oligopols, in: (Hrsg.) Schneider, H. K., Grundlagen der Wettbewerbspolitik, Berlin, 1968, wiederabgedruckt in: Wettbewerbstheorie, S. 323. 18 Vgl. Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 122. 19 Vgl. Heuss: Allgemeine Markttheorie, S. 10. 20 Ebda.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Marktprozeß besser erklären zu können. Er setzt die Unternehmertypen in Verbindung mit den Marktphasen und liefert somit eine Theorie des Marktprozesses, in welcher die unterschiedlichen Daten der Preistheorie, wie z.B. Nachfrage, Kostenstrukturen usw. endogen erklärt werden. 6.3.3. Zeit und Erfahrung
Das wichtigste Verdienst von Heuss ist, daß er als erster die Zeit in die Marktanalyse eingeführt hat. Damit hat er einen sehr wichtigen Aspekt hervorgehoben, der nur selten explizit in der theoretischen Analyse behandelt wird, nämlich, daß jeder Markt eine eigene Geschichte hat. Diese Geschichtlichkeit des Marktes kann man nur erfassen, indem man die Fähigkeit der Marktakteure betrachtet, aus der Erfahrung lernen zu können. So unterstellt Heuss, daß die Unternehmer während der Marktentwicklung einem Erfahrungsprozeß unterliegen, und dabei spielt die zeitliche Dimension natürlich die wichtigste Rolle. Die Zeit kann sich in zwei Formen manifestieren, entweder stellt sie einen iterativen Prozeß dar und somit wiederholt sich das Vergangene auch in der Gegenwart, oder aber sie hat einen mutativen Charakter und dieser zeigt sich in der Hervorbringung von unvorhergesehenen Ereignissen. Nur wenn sich die Zeit als Iteration manifestiert, können die Unternehmer aus ihrer Erfahrung lernen und somit ihre Verhaltensweise von einer polypolistischen zu einer oligopolistischen verwandeln. 21 Die Zeit ist in diesem Fall ein Mittel für das Transparenzmachen der Vergangenheit und so auch der Gegenwart, und somit können die betreffenden Unternehmer leicht diejenige Verhaltensweise herausfinden, die für sie optimal ist. 22 Die Zeit als Mutation ist das Gegenteil der Iteration und sorgt dafür, daß ein Novum in dem Prozeß stattfindet. In diesem Fall ist die Erfahrung nicht imstande, den Unternehmern als Hilfsmittel dazu zu dienen, dieses Novum in den Griff zu bekommen. 23 Tritt die Zeit als Mutation auf, dann wird der Erfahrungsprozeß unterbrochen und neu begonnen. Unterstellt man weiter, daß die iterativen Momente häufiger als die mutativen sind (was eine plausible Annahme ist und auch empirisch gestützt wird), dann gelangt man zum Ergebnis, daß eine allgemeine Tendenz besteht, daß sich die polypolistische zur oligopolistischen Verhaltensweise verwandelt und somit eine Tendenz zur Kartellierung herrscht. Diese Einsicht, die mit Hilfe der Analyse der Zeitdimension gewonnen wurde, kann als theoretischer Beweis der in der
21 22
23
Vgl. Heuss: Allgemeine Markttheorie, S. 219. Vgl. Heuss: Allgemeine Markttheorie, S. 223. Vgl. Heuss: Allgemeine Markttheorie, S. 231.
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Sechstes Kapitel: Marktphasentheorie und Unternehmer
Realität auftretenden Kartellierungstendenzen verstanden werden und beschreibt, wie die Marktkräfte u.U. zum Erliegen des Wettbewerbs führen können. Die erklärende Ursache für den Verlauf der Marktentwicklung ist somit der Lernprozeß der Unternehmer. So besteht eine Äquivalenz zwischen Wissen und Zeit einerseits und Produktionsvolumen und Zeit andererseits. Beide Kurven haben den gleichen Verlauf, und das ist auf die Tatsache zurückzuführen, daß der Mensch angesichts einer neuen Konstellation in der Regel am Anfang die größten Fortschritte in dem Erkennen der neuen Lage macht. z4 Allmählich wird der Zuwachs des erworbenen Zustandes immer kleiner, und somit nimmt die Kurve einen konkaven Verlauf. In folgenden Abbildungen wird diese Äquivalenz der beiden Kurven gezeigt:
Produktionsvolumen
Erfahrungsstand bzw. Wissens· stand
Zeitt
Abb. 2: Lernprozeß in der Zeit
Zeitt
Abb. 3: Produktionsvolumen in der Zeit
6.4. Die Kritik Die Marktphasentheorie von Heuss ist eine der wenigen Wettbewerbstheorien, die in der Literatur allgemein akzeptiert sind. Sie wurde in der bekannten Rezension von Hoppmann Z5 als Wegmarke der Entfaltung der Preistheorie in eine umfassendere Wettbewerbstheorie bezeichnet und diese
Vgl. Heuss: (Art.) Wettbewerb, S. 684. Vgl. Hoppmann, Erich: Von der Preistheorie zur Wettbewerbstheorie. Zu dem Buch "Allgemeine Markttheorie" von Ernst Heuss, in: Ordo, Bd. XVII, 1966, S. 369ff. 24
25
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Auffassung wurde von Kaufer später bekräftigt.26 Seitdem gilt die Marktphasentheorie als Hauptbestandteil der Wettbewerbstheorie und wird in allen Lehrbüchern fast kritiklos übernommen. Dieser Tatsbestand der allgemeinen Akzeptanz dieser Theorie ist auf zwei Gründe zurückzuführen: Erstens war sie von Anfang an positiv formuliert, d.h. sie hatte einen erfahrungswissenschaftlichen Charakter, und Normen spielten kaum eine Rolle in ihrem Aufbau. Zweitens wurde sie von zahlreichen empirischen Beispielen gestützt, und somit blieb sie kein unbeweisbares Gedankenmodell, sondern erhob den Anspruch auf empirischen Gehalt. Diese beiden Tatsachen haben dazu geführt, daß die Marktphasen heutzutage eine ebenso große Rolle in der Analyse spielen wie etwa die marktstrukturellen Eigenschaften oder die Wettbewerbsfreiheit und die interne Unternehmensstruktur. Trotzdem gibt es Kritikpunkte, denen wir uns jetzt zuwenden möchten. 6.4.1. Zwangscharakter der Marktentwicklung
Das Marktphasenschema ist sowohl theoretisch wie auch empirisch genügend gestützt. Trotzdem gibt es Fälle, wo es nicht anwendbar oder zumindest nur teilweise anwendbar ist. So treten normalerweise die ersten beiden Phasen, die Experimentierungs- und die Expansionsphase, bei allen Produkten auf bzw. sind bei allen Produkten aufgetreten. Denn jedes Mal, wenn ein Produkt unter Ungewißheit neu auf dem Markt eingeführt wird, muß einfach vorher experimentiert worden sein, und es muß eine neue Nachfrage für das Produkt geweckt werden. Es kann aber sein, daß sich viele Märkte nicht weiter als bis zur Ausreifungsphase entwickeln, wie z.B. die Märkte für Nägel oder französischen Kognak. Bei diesen Produkten gibt es einfach keine Stagnations- oder Rückbildungsphase, sondern sie befinden sich seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten in der Ausreifungsphase. Dies hat auch weniger mit der Existenz von spezifischen Unternehmertypen zu tun und ist vielmehr auf Charakteristika der Nachfrage zurückzuführen. Die Konstanz der Nachfrage bzw. der Nachfrageelastizität sorgt dafür, daß die letzte Phase der Marktentwicklung praktisch nie auftritt. Außerdem gibt es die Frage, welche Relevanz das Konzept der Marktphase für Mehrproduktunternehmen hat. 27 Denn es gibt bestimmte Mehrpro26 Vgl. Kaufer, Erich: Nochmals: Von der Preistheorie zur Wettbewerbstheorie, in: Ordo, Bd. XVIII, 1967, S. 95ff. 27 Diese Frage ist in der Diskussion zu einem Referat von E. Kaufer mit dem Titel: Neue Wettbewerbstheorie im Seminar Ottobeuren gestellt worden. Vgl. (Hrsg.) Bombach, G./Gahlen, B./Ott, A., Probleme der Wettbewerbstheorie und -Politik, Tübingen. 1976. S. 224.
Sechstes Kapitel: Marktphasentheorie und Unternehmer
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duktunternehmen, welche sich auf bestimmte Phasen des Produktzyklus spezialisieren, und insofern ist die Marktentwicklung kein für die Unternehmung unausweichliches Geschick. 28 Es hat also den Anschein, daß das Marktphasenschema schon von einer großen empirischen Bedeutung ist, nicht aber einen absoluten Zwangscharakter besitzt. 6.4.2. Vorwurf der Tautologie
Der wichtigste Kritikpunkt besteht darin, daß es ein Problem der Verknüpfung der Phasen gibt. So sind die einzelnen Marktphasen nur schwer voneinander abzugrenzen, und deshalb mangelt es der ganzen Theorie an Praktikabilität. Somit wird auch der Vorwurf der Tautologie29 gestellt: Die Unternehmertypologie muß das Marktverhalten nicht lediglich definitorisch zuordnen, sondern die Unternehmertypen müssen empirische Analoga haben. JO M.a.W. hat es den Anschein, daß die Phasenunterscheidung nur gemäß der Unternehmertypen vorgenommen wird und diese deshalb keine autonome Existenz besitzen, d.h. tautologisch sind. (Man nennt z.B. die Phase, in der der Pionierunternehmer handelt, Experimentierungsphase, in der der imitierende Unternehmer handelt, Expansionsphase usw.) Dazu muß man erstens bemerken, daß Heuss in diesem Punkt vorsichtig ist und die Beziehungen der Unternehmertypen untereinander während des Marktprozesses erarbeitet. J ! Zweitens liefert Fehl den Beweis, daß die Unternehmertypen von den Marktphasen unabhängig existieren. J2 Mittels der LeistungsmotivationtheorieJJ stellt Fehl die These auf, daß eine Korrespon-
Ebda. Dieser Tautologievorwurf ist zweimal gestellt worden. Einmal in der o.g. Diskussion und einmal in der Diskussion eines anderen Referates von K. Herdzina ebenfalls im Seminar Ottobeuren neun Jahre später. Vgl. Industrieökonomik: Theorie und Empirie. S. 121. Es ist charakteristisch, daß diese beiden Autoren sich am meisten bemüht haben. das Marktphasenschema in die Wettbewerbstheorie zu integrieren. Vgl. das o.g. Referat von Kaufer und sein Werk: Industrieökonomik. Eine Einführung in die Wettbewerbstheorie. und Herdzina. Klaus: Marktentwicklung und Wettbewerbsverhalten. in: Industrieökonomik. Theorie und Empirie, S. 105ff. 30 Vgl. Fehl. Ulrich: Unternehmertheorie. Unternehmertypen und Marktanalyse. S. 19. 31 Vgl. Heuss: Allgemeine Markttheorie, S. 109ff. 32 Vgl. Fehl: Unternehmenstheorie. Unternehmertypen und Marktanalyse. S. 20ff. 33 Diese Theorie ist vor allem von McClelland gestellt und empirisch belegt worden. Vgl. McClelland. David C.: The Achieving Society. Princeton NJ., 1961, dtsch. von Wendt. Ingeborg Y./Grund, Marianne, Die Leistungsgesellschaft, Stuttgart u.a .• 28 29
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
denz zwischen Unternehmertypen und Kompetenzniveau existiert. 34 Wenn man weiter annimmt, daß die Schwierigkeit der Aufgaben und somit das erforderliche Kompetenzniveau mit den Phasen abnimmt, gelangt man zum Schluß, daß in jeder Marktphase ein Unternehmertypus dominiert. Somit wird mit der Einführung der Hilfshypothese, daß die objektive Aufgabenschwierigkeit im Laufe der Marktentwicklung abnimmt (was mit der Dominanz der iterativen Elemente in späteren Phasen begründet wird), die Theorie von Heuss vervollkommnet und lükenloser gemacht und der Tautologievorwurf zurückgewiesen. 35 6.4.3. Marktprozeß und Wettbewerbsprozeß
Ein weiterer Kritikpunkt, der nicht direkt an Heuss zu erheben ist, sondern allgemein an dem größten Teil der Wettbewerbsliteratur, ist die Gleichsetzung des Marktprozesses mit dem Wettbewerbsprozeß. Wir werden uns später ausführlicher mit dieser Frage auseinandersetzen36, hier werden nur ein paar Kommentare vorausgeschickt. Obwohl in der Literatur keine Einigkeit über eine Wettbewerbsdefinition existiert, wird trotzdem der Begriff Wettbewerb meistens in zweierlei Sinne verwendet, d.h. er bekommt im Sinne einer Nominaldefinition zwei unterschiedliche "Etiketten,,:37 er wird entweder als Rivalität bzw. als antagonistische Beziehung oder aber als wettbewerblicher Markt begriffen. 38 Von diesen beiden Definitionsarten ist nur die erste nützlich, wobei die zweite zu großen Verwirrungen führen kann.
1966 und McClelland, David C./Winter, David G.: Motivating Economic Achievement, New York und London, 1969. 34 Fehl stützt sich dabei auf die Theorie des "schöpferischen Wirtschaftsmenschen" von Röpke. Vgl. Röpke, Jochen: Die Strategie der Innovation, Tübingen, 1977, S. 83ff. 3S Die Einführung dieser Hilfshypothese von Fehl ist nicht als eine ad-hoc-Hypothese zu verstehen, sondern dient der besseren Überprüfbarkeit der Theorie. Der explizite Ausdruck der Hilfshypothesen ist methodologisch wünschenswert, denn sie sind nicht kritikimmunisierend, sondern werden im Gegenteil eingesetzt, um zusätzliche empirische Überprüfungen zu ermöglichen. Über die wissenschaftstheoretische Rolle der Hilfshypothesen vgl. Andersson, Kap. 7 und für eine Zusammenfassung S. 191ff. 36 Siehe Kap. 8.8. und 9.7.3. 37 Zum Unterschied zwischen essentialistischen und nominalistischen Wettbewerbsdefinitionen und zur Rolle der "Etiketten" vgl. Schmidtchen, Dieter: Wettbewerbspolitik als Aufgabe. Methdologische und systemtheoretische Grundlagen für eine Neuorientierung, Baden-Baden, 1978, S. 35ff. 38 Vgl. dazu Willeke: Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen, S. 12ff.
Sechstes Kapitel: Marktphasentheorie und Unternehmer
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In jedem Markt gibt es Marktteilnehmer. und die können untereinander aus rein logischen Gründen nur in zweierlei Beziehungen zueinander stehen: Entweder konkurrieren sie zueinander oder aber sie kooperieren miteinander. Wettbewerb und Kooperation sind die zwei möglichen Arten von sozialen Beziehungen. d.h. der Beziehungen von Menschen zueinander. Insofern machen Konkurrenz und Kooperation den Inhalt jeder menschlichen Beziehung aus und schließen sich gegenseitig aus. In der Wettbewerbstheorie interessiert man sich für das Phänomen Wettbewerb. die Voraussetzungen seines Zustandekommens. seine Intensität und seine Wirkungen im sozioökonomischen Leben. Ferner interessiert man sich für das Phänomen der Kooperation und seine Wirkungen. Insofern müßte man solche Definitionen des Wettbewerbs benutzen. die diese antithetischen Phänomene besser zu erklären vermögen. Setzt man den Wettbewerbsprozeß mit dem Marktprozeß gleich. dann sind die Erklärungsmöglichkeiten verschwunden. Denn dann bedeutet es. daß apriori in jedem Markt Wettbewerb herrscht. oder anders ausgedrückt. jeder Markt wettbewerblich ist. Somit wird aber die Sicht versperrt. und man verfügt nicht über adäquate Begriffe. den Wettbewerb zu erkennen und ihn von der Kooperation zu unterscheiden. Heuss selbst befolgt die erste. für uns nützliche Definition und spricht vorsichtig von dem Marktprozeß und seinen Phasen und nicht von dem Wettbewerbsprozeß. So läßt er die Möglichkeit offen. in jeder einzelnen Phase den Wettbewerb zu untersuchen. Somit ist es auch möglich. die Existenz der Marktphase als einen Faktor anzusehen. der das Zustandekommen und die Erhaltung des Wettbewerbs begünstigt bzw. erschwert. J9 Die Ergebnisse dieses Kapitels werden in der nachfolgenden Tabelle zusammengefaßt.
.19 Das macht z.B. Herdzina in seinem o.g. Aufsatz: Marktentwicklung und Wettbewerbsverhalten. S. 106ff.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Tabelle 6 Marktprozeßtheorie und Unternehmer Wettbewerbstheorie Analyse des WeUbewerbs
Analyse des Prozesses der "schöpferischen Zerstörung" (Schumpeter) Weubewerb der Bahnbrecher und Weubewerb der Nachahmer (Amdt) Marktphasentheorie: Experimentierungs-. Expansions-. Ausreifungsund Stagnations- bzw. Rückbildungsphase (Heuss)
Forschungsmethode
Einführung des Unternehmers in die Analyse (Schumpeters Pionierunternehmer) Untemehmenypologie Initiativer Unternehmer - Pionierunternehmer und (spontan) imitierender Unternehmer Konservativer Unternehmer - (unter Druck) reagierender Unternehmer und immobiler Unternehmer
Meßverfahren
Marktphase als Wettbewerbsdeterminante
Betrachtungshorizont
Analyse der Rolle der Zeit: Zeit als Iteration und Zeit als Mutation
Wettbewerbspolitik Ziele
-
Inhalt
Wettbewerbspolitisches Handeln unter Berücksichtigung der Marktphasen
Kritik
Weitgehend empirischer. erfahrungswissenschaftlicher Charakter der Theorie - Zwangscharakter der Marktentwicklung nicht immer zutreffend - Tautologievorwurf - Gefahr der Verwirrung bei Gleichsetzung des Marktprozesses mit dem Weubewerbsprozeß
Kapitel 7
Die Theorie der optimalen Wettbewerbsintensität Die Frage nach der optimalen Wettbewerbsintensität und der bestmöglichen Erfüllung der sog. Wettbewerbsfunktionen ist der Anfangspunkt der Analyse von Kantzenbach. 1 Spricht man schon vom Beginn der Untersuchung an über Funktionen des Wettbewerbs. führt man grundsätzlich teleo-
I
Vgl. Kantzenbach: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs.
Siebtes Kapitel: Die Theorie der optimalen Wettbewerbs intensität
97
logische Elemente und ein Werturteil in die Analyse ein. 2 Diese Art der Fragestellung ähnelt somit der Anfangsfrage von J. M. Clark: "What do we want competition to do for us?"J und offenbart den eindeutig normativen Charakter des Konzepts. 4 ,5 Wir wollen von dem Konzept von Kantzenbach nur den positiven, theoretischen Teil berücksichtigen und unsere Analyse auf ihn konzentrieren. Die Diskussion über die auszuwählenden Ziele der Wettbewerbspolitik wollen wir nur am Rande erwähnen, da die lange wettbewerbspolitische Diskussion in Deutschland gezeigt haben sollte, daß der Streit über Normen nicht viel weiterführen kann.
7.1.
Über die Wettbewerbsintensität
Kantzenbach geht von einer dynamischen Interpretation des Wettbewerbs aus und in Anlehnung auf Schumpeter, Clark und Arndt betrachtet er den Wettbewerb als einen aus Vorstoß- und Verfolgungsphase bestehenden Prozeß. 6 Er definiert weiter die Wettbewerbsintensität als "die Geschwindigkeit, mit der die Vorsprungsgewinne, die der technische Fortschritt den Unternehmern einbringt, von der Konkurrenz wieder weggefressen werden"7. Später hat Kantzenbach diese Definition auf alle Arten von Vorsprungsgewinnen erweitert und nicht nur auf diejenigen, die auf den technischen Fortschritt zu-
Z Vgl. Machlup, Fritz: (Art.) Wettbewerb (III) Wirtschaftstheoretische Betrachtung. in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Bd. 12. Stuttgart. 1965. S. 46. 3 Vgl. Clark: Competition as a Dynamic Process. S. 63. Für diese Art der Fragestellung plädiert neuerdings auch Zohlnhöfer. Wemer in seinem Aufsatz: Marktstruktur und funktionsfähiger Wettbewerb. Versuche einer Erweiterung des Konzepts von Kantzenbach. in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. 36. Jg .• 1991. S. 72. 4 Das gibt auch Kantzenbach klar zu. Vgl. Kantzenbach. Erhard: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. Eine Erwiderung auf den gleichnamigen Besprechungsaufsatz von Erich Hoppmann. in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Bd. 181. 1967/68. S. 205. S Es ist interessant. daß am Anfang Kantzenbach seine eigene Fragestellung als von der Fragestellung der workability"-Literatur unterschiedlich ansah. Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen ...• S. 194. Anm. 5). Später jedoch gab er zu. daß sein Konzept eine Weiterentwicklung des Konzepts von Clark ist. Vgl. Kantzenbach und KalIfass. S. 106 und 108. 6 Vgl. Kantzenbach: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. S. 32ff. 7 Vgl. Kantzenbach: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. S. 38. Das macht er im Anschluß an Niehans. Vgl. Niehans. Jürg: Das ökonomische Problem des technischen Fortschritts. in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik. Jg. 90. 1954. S. 156.
7 MantzaviDos
98
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
rückzuführen sind.8 In einem nächsten Schritt formuliert Kantzenbach die erste von den zwei wichtigen theoretischen Kausalbeziehungen. Als wichtigste Bestimmungsfaktoren des Wettbewerbsintensität wählt er die Anbieterzahl und den Grad der Marktvollkommenheit aus. Dieser letzte wird seinerseits von zwei Faktoren bestimmt, nämlich der Produktheterogenität und der Markttransparenz. Je höher die Anbieterzahl und je niedriger die Marktvollkommenheit, desto niedriger ist die Wettbewerbsintensität. Sie steigt mit der Abnahme der Anbieterzahl und mit steigender Produkthomogenität und Markttransparenz.9 Die Wettbewerbs intensität erreicht ceteris paribus ihren höchsten Wert im homogenen Dyopol. Das gilt jedoch nur für die sog. "potentielle Wettbewerbsintensität", d.h. wenn man die Möglichkeit wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens ausschließt. Führt man in einem weiteren analytischen Schritt auch diese Möglichkeit ein und berücksichtigt man auch die Wahrscheinlichkeit von Wettbewerbsbeschränkungen, dann spricht man über die sog. "effektive Wettbewerbsintensität". Kantzenbach stellt die These auf, daß die Tendenz zur Kooperation mit steigender potentieller Wettbewerbs intensität wächst. D.h. aber, daß es nur einen optimalen Bereich gibt, innerhalb dessen die effektive Wettbewerbsintensität am höchsten sein kann, und das ist für Kantzenbach der Bereich des weiten Oligopols mit mäßiger Marktunvollkommenheit. lo Die zweite Kausalbeziehung der Theorie besagt, daß die so bestimmte Wettbewerbsintensität die Erfüllung der fünf Wettbewerbsfunktionen garantiert. (1. Einkommensverteilung 2. Angebotszusammensetzung 3. Produktionssteuerung 4. Anpassungsflexibilität und 5. technischer Fortschritt, wobei die ersten drei als statische und die übrigen zwei als dynamische Wettbewerbsfunktionen gekennzeichnet werden.) Als empirische Aussage ausgedrückt besteht nach Kantzenbach eine Beziehung zwischen "optimaler" Wettbewerbsintensität, d.h. Intensität des Wettbewerbs, der in der Marktform der weiten Oligopols mit mäßiger Produktheterogenität und Markttransparenz herrscht, und technischem Fortschritt bzw. Anpassungsflexibilität. Er behauptet im konkreten, daß diese optimale Wettbewerbsintensität am meisten den technischen Fortschritt fördert und die Anpassungsflexibilität begünstigt. 11
Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen ...• S. 207. Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen ...• S. 208. 10 Eine dreidimensionale graphische Veranschaulichung läßt sich in Kantzenbach: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. S. 92 finden. Eine zweidimensionale Grafik befindet sich in: Bartling: Leitbilder der Wettbewerbspolitik. S. 33. 11 Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen ...• S. 217f. 8 9
Siebtes Kapitel: Die Theorie der optimalen Wettbewerbs intensität
7.2.
99
Die Hoppmann-Kantzenbach-Kontroverse
Das Konzept von Kantzenbach hatte einen erheblichen Einfluß auf die theoretische und praktische Wettbewerbspolitik. Die naheliegenden Schlußfolgerungen, daß im Bereich enger Oligopole die beiden Machtstrukturkomponenten in Richtung auf die optimale Marktstruktur beeinflußt werden sollten und im Falle von unteroptimaler Wettbewerbsintensität im Bereich von Polypolen Unternehmenszusammenschlüsse gefördert werden sollten lZ , haben eine heftige Diskussion hervorgerufen. Die kritische Rezension des Buches von Kantzenbach durch Hoppmann hat in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik eine heftige Kontroverse ausgelöst. 13 Diese Diskussion, die mehr an einen Glaubenskrieg erinnert und nur wenig dazu beigetraten hat, daß durch konstruktive Kritik ein wissenschaftlicher Fortschritt erzielt werden konnte, drehte sich in ihrem größten Teil um eine Würdigung von Normen. Die fünf Wettbewerbsfunktionen von Kantzenbach wurden weitgehend von Hoppmann verworfen und der Norm der Wettbewerbsfreiheit als Orientierungsmaßstab für die praktische Wettbewerbspolitik gegenübergestellt. Trotzdem hat sie auch einige theoretische Einsichten gebracht, auf welche wir uns jetzt konzentrieren wollen. Von Hoppmann sind folgende Kritikpunkte erhoben worden:
1. Unbrauchbarkeit der Behandlung des Wettbewerbs als Rivalität, da "vom Standpunkt der Wettbewerbsfreiheit der Begriff der Rivalität mehrdeutig" ist. 14 So könnte der Rivalitätsprozeß sowohl ein Leistungsprozeß als auch ein "Kampf gegeneinander" sein. ls 2. Die fünf Wettbewerbsfunktionen können nur erfüllt werden unter der Voraussetzung der Wettbewerbsfreiheit. 16
Vgl. Kantzenbach: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S. 128ff. An dieser Diskussion nahm auch Kaufer teil. Vgl. Hoppmann. Erich: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Bd. 179. 1966, S. 286-323. Kaufer. Erich: Kantzenbachs Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs. Ein Kommentar. in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statstik. Bd. 179. 1966. S. 481-492. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen .... Kaufer. Erich: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. Eine Replik. in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Bd. 181. 1967/68. S. 242-250 und Hoppmann. Erich: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. Bemerkungen zu Kantzenbachs Erwiderung. in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Bd. 181. 1967/68. S. 251-264. 14 Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, S. 302. 15 Ebda. 16 Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. S. 304. 12 13
100
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
3. Untauglichkeit der Annahme einer strukturell gegebenen, d.h. exogen bestimmten Marktform!7 Die Marktform ist keine Voraussetzung, sondern vielmehr ein Ergebnis des Wettbewerbsprozesses. Betrachtet man den Wettbewerb als Prozeß, dann wird die Marktform endogen aus den Wettbewerbskräften erklärt und nicht als Datum der Analyse betrachtet. 4. Von den Marktformen allein her kann man nicht das Ausmaß der Intensität deduzieren. 18 So ergibt sich die überoptimale Intensität nicht aus der geringen Anbieterzahl und dem hohen Vollkommenheitsgrad des Marktes als solchem, sondern aus den zusätzlich implizierten Prämissen der Ausschaltung des potentiellen Wettbewerbs, der Beschränkung des innovatorischen Wettbewerbs der aktuellen Anbieter und einer nicht-expansiven Entwicklungsphase des Marktes. Analog dazu ergibt sich die unteroptimale Wettbewerbsintensität aus den zusätzlichen Prämissen, daß Märkte mit großer Anbieterzahl sich in der Stagnations- oder Rückbildungsphase befinden sowie der Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit. 19 5. Die (ursprüngliche) Definition des Maßstabes Wettbewerbs intensität ist nicht vollständig. zo 6. Die Abgrenzung des relevanten Marktes wird von Kantzenbach nicht angesprochen. zl Gibt es aber keine Kriterien für die Abgrenzung des relevanten Marktes, dann können die marktstrukturellen Einflußfaktoren der Wettbewerbsintensität nicht bestimmt werden und somit wird das ganze Konzept unbrauchbar. Kaufer, der ebenfalls an der Kontroverse teilnahm und Kritik an dem Konzept von Kantzenbach übte, konzentrierte sich auf die beiden Kausalbeziehungen, die den Kern der Theorie ausmachen. So bezweifelt er, daß es eine eindeutig funktionale Beziehung zwischen Marktform und Rivalität gibt. zZ Die Marktform bleibt im Zeitablauf nicht konstant und ist eher eine variable Größe. Die Rivalitätsbeziehungen sind wesentlich komplexer und da die heutigen Konzerne sich auf vielen verschiedenen Märkten betätigen, begegnen sie sich in vielen Märkten nicht nur als Konkurrenten, sondern auch
Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. S. 310. Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. S. 311ff. 19 Weiter wirft Hoppmann Kantzenbach vor. daß er implizit unterstellt. daß auf der Nachfrageseite Polypson herrscht. Vgl. Hoppmann: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. S. 255. 20 Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. S. 296. Anm.14 21 Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. S. 322 und Hoppmann: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. S. 255f. 22 Vgl. Kaufer: Kantzenbachs Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs. S. 482ff. 17 18
Siebtes Kapitel: Die Theorie der optimalen Wettbewerbs intensität
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als Anbieter oder Nachfrager. Der Charakter der tatsächlichen Beziehungen ist somit komplex und ähnelt der Diplomatie der Staaten. Außerdem abstrahiert Kantzenbach von der potentiellen Konkurrenz 23 und der Tatsache, daß jede Marktstruktur "sui generis" ist24 und jeder Markt seine eigene Geschichte hat. 25 Aus all diesen Gründen verwirft Kaufer die erste Kausalbeziehung zwischen Marktform und Wettbewerbsintensität. Aber auch die zweite Beziehung zwischen Wettbewerbsintensität und Erfüllung der dynamischen Wettbewerbsfunktionen wird kritisiert. 26 Denn im Endeffekt ist es die Marktrnacht des Mitgliedes eines "weiten" Oligopols, welche den größtmöglichen technischen Fortschritt garantiert. Diese These ist aber sowohl theoretisch (wegen der Komplexität der Wettbewerbsbeziehungen) wie auch empirisch unhaltbar. Aus dieser massiven Kritik hat Kantzenbach keine weitgehenden Konsequenzen für die Gültigkeit seiner Konzeption ziehen lassen wollen. Den einzigen Kritikpunkt, den er für berechtigt hielt, war jener der Definition des Maßes der Wettbewerbsintensität, die er auch entsprechend modifizierte. Bezüglich der zweiten Kausalbeziehung seiner Theorie beharrt er jedoch aufgrund von theoretischen Überlegungen auf seiner These, daß die Marktform der weiten Oligopole den größten technischen Fortschritt induziert27 , obwohl er die unsichere empirische Basis zugibt. 28 Zu dem Hauptkritikpunkt, daß die Marktform als Ergebnis des Wettbewerbsprozesses anzusehen ist und einem Wandel unterliegt, antwortet Kantzenbach, daß dies zwar für die langfristige Entwicklung eines Marktes gilt, für kurzfristige Prozesse aber nicht zutrifft. 29 Die kurz skizzierte Hoppmann-Kantzenbach-Kaufer-Kontroverse hat weniger theoretische Einsichten erbracht als es den Anschein hat. Sie kann auf keinen Fall als Muster einer wissenschaftlichen Kontroverse dienen, denn
Vgl. Kaufer: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, S. 244. Das behauptet Kaufer in Anlehnung an Bain, vgl. Kaufer: Kantzenbachs Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs, S. 486, Anm. 24. 25 Vgl. Kaufer: Kantzenbachs Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs, S. 488. 26 Vgl. Kaufer: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, S. 248ff. 27 Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, S. 215. 28 Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, S. 216ff. 29 Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen Wettbewerbs intensität, S. 212. Kantzenbach war anscheinend der Widerspruch nicht bewußt, daß einerseits seine Analyse nur kurzfristig von Bedeutung sein sollte, andererseits aber als Leitbild einer lagnfristig orientierten Wettbewerbspolitik dienen sollte. 23
24
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
die Teilnehmer stützten sich mehr auf Normen und scholastische Argumente JO als auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Außerdem hat die Kontroverse einen anderen Einfluß gehabt, welcher weitgehende Folgen nach sich zieht. Sie war nämlich die Anfangsphase eines wissenschaftlichen Konflikts zwischen Preis- und Wettbewerbs theoretikern und signalisierte den Beginn einer postulierten, angeblichen Inkommensurabilität der beiden Theoriebereiche. Hoppmann und später andere Systemtheoretiker1 degradierten das Konzept von Kantzenbach als statisch, wohlfahrtsorientiert und somit falsch und bauten bzw. riefen die sog. Gesamtmarktkonzeption in Erinnerung. Das hatte zur Folge, daß die beiden Betrachtungsweisen, die partialanalytische und die systemtheoretische, voneinander strikt unterschieden und als konkurrierende Theorien betrachtet wurden. So meinen die Systemtheoretiker, daß die Gesamtmarktbetrachtung die einzig richtige und somit wahre ist und den ganzen Kern der Wettbewerbstheorie ausmacht, wobei die partialanalytisch-statische Theorie als veraltete Preistheorie zu betrachten ist. 32 Diese Auffassung, die zu einem mangelnden Dialog zwischen den beiden Theoriebereichen geführt hat und einer angeblichen Inkommensurabilitätsthese naheliegt, ist nicht haltbar. Wir kommen später zu diesem Punkt zurück, aber es sei hier bemerkt, daß der Anfang dieser Entwicklung in der behandelten Kontroverse lag. Die Schärfe, mit der die Kontroverse geführt wurde, dürfte aber auch einen positiven Aspekt gehabt haben. Wie so oft bei Glaubenskriegen hat sie die Aufmerksamkeit der Fachleute geweckt, was sich an der regen Teilnahme an der Diskussion wettbewerbstheoretischer bzw. -politischer Themen, die später stattfand, bestätigen läßt. Die schon diskutierte "Allgemeine Markttheorie" , die Schrift von Kantzenbach, die darauf folgende Kontroverse und die ersten Aufsätze Hoppmanns sind somit als die kritische Masse zu bezeichnen, die die modeme Wettbewerbstheorie aus der Taufe gehoben hat.
30 So hat z.B. Hoppmann Kantzenbach die Fähigkeit, Zitate richtig wiederzugeben, abgesprochen. Und obwohl er zugibt. daß "solche handwerklichen Dinge nicht Gegenstand einer Kontroverse sein sollen und es eher peinlich ist. sie erwähnen zu müssen". besteht seine dreizehnseitige Erwiderung an Kantzenbach u.a. aus einem Anhang. der die Zitierweise Kantzenbachs und seine Widersprüche und Fehlinterpretationen analysiert. welcher acht Seiten lang ist. Vgl. Hoppmann: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. S. 256ff. 31 Vgl. z.B. Schmidtchen: Wettbewerbspoltiik als Aufgabe. S. 82ff. 32 Vgl. Hoppmann. Erich: Volkswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung des Kartell- und Monopolrechts. in: (Hrsg.) Hoppmann. E./Mestmäcker. E.-J .• Normenzwecke und Systemfunktionen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen. Tübingen. 1974. S. 5-19. wiederabgedruckt in seinem Aufsatzband: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb. S. 318-332. vor allem S. 321-326.
Siebtes Kapitel: Die Theorie der optimalen Wettbewerbs intensität
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7.3. Die Kritik Die Frage nach der Gültigkeit der beiden Kausalbeziehungen, die die Säule der Theorie ausmachen, ist von theoretischer Bedeutung und wird jetzt aufgrund des heutigen Diskussionsstandes behandelt werden. Die leichtere Antwort ist bezüglich der zweiten Beziehung zu geben, nämlich zwischen der Wettbewerbsintensität eines weiten Oligopols und des technischen Fortschritts, da sie relativ gesehen leicht empirisch getestet werden kann. Kantzenbach selbst gab damals die unsichere empirische Basis seiner Theorie zu. Sowohl die damaligen empirischen Studien33 , wie auch die heutigen 34, dürften bewiesen haben, daß diese These, so formuliert, unhaltbar ist. Der technische Fortschritt ist ein komplexes Phänomen, das nicht so leicht anhand von wenigen Strukturkriterien in den Griff zu bekommen ist. Es ist bemerkenswert, daß Kantzenbach noch nach 25 Jahren an seiner Grundthese festhält: "Mit sehr viel gutem Willen kann man in den Ergebnissen Frederic Scherers eine gewisse Bestätigung der einmal von mir vertretenen These vom weiten Oligopol als optimaler Marktform erblicken. ,,35 Die neue empirische Forschung und die Ergebnisse Scherers im Konkreten36 erlauben aber keine solche Interpretation. Das Ergebnis Scherers: "What is needed for rapid technical progress is a subtle blend of competition and monopoly, with more emphasis in general on the former than the latter, and with the role of monopolistic elements dirninishing when rich technological opportunities exist"37 kann bei weitem nicht mit der These des weiten Oligopols identifiziert werden. Die Eintrittsbarrieren spielen auch eine Rolle
33 Für eine Zusammenfassung, die direkt an die These Kantzenbachs anknüpft, vgl. Schlegel, Jörg: Technischer Fortschritt und "weites Oligopol", in: Schmollers Jahrbuch, Bd. 87, 1967, S. 45-54. 34 Vgl. vor allem Scherer/Ross, Kap. 17. Über die Studien zum Thema "Marktstruktur und Innovation" meint neuerdings Gerybadze: "[ ...] die große Zahl entsprechend angelegter Studien überrascht insofern, als die Suche nach derart vereinfachten Zusammenhängen sich strenggenommen weder theoretisch noch empirisch begründen läßt." Vgl. Gerybadze, Alexander: Marktwirtschaft und innovative Unternehmensgründungen. Erfahrungen aus dem Modellversuch "Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen (TOU)", in: (Hrsg.) Oberender, P./Streit, M.: Marktwirtschaft und Innovation, Baden-Baden, 1991, S. 128. 35 Vgl. Kantzenbach, Erhard: Marktstruktur und gesamtwirtschaftliche Entwicklung, in: Marktstruktur und gesamtwirtschaftliche Entwicklung, S. 9. 36 Kantzenbach beruft sich auf die zweite Auflage von Scherer, die 1980 erschienen ist. 37 Scherer und Ross, S. 660.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
und vor allem besteht kein Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Innovationstätigkeit. Daß ein gewisser Grad von Monopolmacht die Innovationstätigkeit begünstigt, wird auch von Scherer zugegeben, dies stimmt aber mit dem zwischen den Marktteilnehmern gleichverteilten Machtanteil des weiten Oligopols38 nicht überein. Denkt man schließlich, daß es auch die umgekehrte Beziehung zwischen Innovation und Marktstruktur gibt, überzeugt man sich dann von dem tatsächlichen Komplexitätsgrad des technischen Fortschritts, der weder mit einfachen theoretischen Überlegungen noch mit quantitativen empirischen Studien adäquat begriffen werden kann. Bezüglich der ersten Kausalbeziehung ist die Frage nach der Gültigkeit noch schwieriger zu beantworten. Hier können empirische Studien nicht herangezogen werden, da das Maß der Wettbewerbsintensität nicht in meßbarer Weise formuliert ist. Man sollte sich daher auf theoretische Überlegungen stützen. Die These, daß das weite Oligopol mit mäßiger Marktunvollkommenheit die größtmögliche Wettbewerbsintensität aufweist, ist, wie wir gesehen haben, im Rahmen der damaligen Kontroverse theoretisch heftig kritisiert worden. Abgesehen davon, was denn konkret ein "weites Oligopol"39 und eine "mäßige Marktunvollkommenheit"40 bedeuten, scheint diese These vieles außer Acht zu lassen. Dies betonte schon Heuss in seiner nüchternen Rezension des Buches von Kantzenbach41 und dem wird von vielen Autoren4Z zugestimmt. So werden viele wichtige Wettbewerbsdeterminanten aus der Analyse ausgeklammert43 wie z.B. die potentielle Konkurrenz, die Marktphase, die Existenz vom Unternehmertum, die interne Organisationsstruktur der Unternehmen usw. Man kann in dieser Weise wegen der Abstraktion einer oder mehrerer wichtigen Determinanten zu falschen Ergebnis-
Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen ...• S. 229 Grossekettler versucht das zu konkretisieren. Bei einer Anzahl von 10 bis 20 Teilnehmern befindet man sich im Grenzbereich zwischen oligopolistischem und polypolistischem Verhalten und somit im Bereich der "weiten Oligopole". Gruppen von 2 bis 10 Teilnehmer. in denen oligopolistisches Verhalten die Regel ist. heißen nach Grossekettler "enge Oligopole". Vgl. Borchert und Grossekettler. S. 143. Anm. 49. 40 Vgl. Berg. Hartmut: Wettbewerbspolitik. S. 250. 41 Vgl. Heuss. Ernst: Zum heutigen Stand der Wettbewerbstheorie in Deutschland. Bemerkungen zur Untersuchung von E. Kantzenbach. "Die Funktionsäfhigkeit des Wettbewerbs". in: Ordo. Bd. 18. 1967. S. 411-416. 42 Vgl. z.B. die ausführliche Diskussion von Schmidtchen, in: Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 82-108, vor allem S. 107. Der einzige. der eine positive Rezension des Buches von Kantzenbach in dieser Zeit schrieb, war Schmidt. Vgl. Schmidt. Ingo: Neuere Entwicklungen in der Wettbewerbstheorie unter Berücksichtigung wachstumspolitischer Zielsetzungen. in: Wirtschaft und Wettbewerb. Jg. 16. 1966. S. 699-731. 43 Vgl. Bartling: Leitbilder der Wettbewerbspolitik. S. 36. 38 39
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sen gelangen. Wenn z.B. in einem weiten Oligopol der Markt noch offen bleibt und ein neuer Marktteilnehmer tatsächlich eintritt, dann hat das laut Kantzenbach zur Folge, daß die Intensität des Wettbewerbs verringert wird. 44 Hinzu kommt, daß selbst Kantzenbach zugegeben hat, daß sein Konzept langfristig nicht gilt und nur für kurzfristige Analysen tauglich ist. Neuerdings hat er diese Kurzfristigkeit als die Zeitperiode etwa eines Jahres präzisiert - allerdings für eine gemäßigte Aussage bezüglich der Wirksamkeit des Wettbewerbs und ihrer Beurteilung gemäß der bestehenden Marktstruktur und nicht der Marktform. 45 Somit wird die Aussagekraft der Theorie kräftig relativiert. Als Fazit muß gesagt werden, daß diese erste Kausalbeziehung der Theorie Kantzenbachs in dieser Fonn unhaltbar ist. Ob sie aber modifiziert werden kann und damit gehaltvoller wird, ist noch zu untersuchen. 7.4. Ansatzpunkte einer Modifikation der Theorie Wie wir gesehen haben, gilt die Theorie von Kantzenbach in ihrem größten Teil sowohl theoretisch wie auch empirisch als widerlegt. Trotzdem bedeutet dies nicht, daß sie sofort verworfen werden sollte. Eine Modifikation der Theorie könnte dazu führen, daß sie gerettet und weiterentwikelt wird. Das Festhalten an einer falsifizierten Theorie muß nicht als eine dogmatische Stellung betrachtet werden, sondern ist im Rahmen einer konservativen Forschungsstrategie als wünschenswert zu bezeichnen. Die Fallibilität unseres Wissens impliziert die Notwendigkeit eines Theorienpluralismus46 und unterschiedliche Lösungsvorschläge zum gleichen Problem sind als positiv zu betrachten. 47 Die Modifikation einer Theorie ist, solange sie nicht als Immunisierungsstrategie derselben dient, im Rahmen der Konkurrenz von Theorien bzw. Forschungsprogrammen methodologisch unbedenklich. 48
44 Vgl. Berg, S. 249 und ähnlich Willeke: Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen, S. 72. 45 Vgl. Kantzenbach: Marktstruktur und gesamtwirtschaftliche Entwicklung, S. 7. 46 Als erster hat Duhem für einen Theorienpluralismus zumindest im Ansatz plädiert. Vgl. Duhem, Pierre: La Theorie Physique, Son Objet et Sa Structure, 1906. Ins deutsche übersetzt von Adler, F.: Ziel und Struktur der physikalischen Theorien, Hamburg, 1978. 47 Vgl. Andersson: Kritik und Wissenschaftsgeschichte, S. 153. 48 VgI. Lakatos, Imre: Falsifikation und die Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme, in: (Hrsg.) Lakatos, I./Musgrave, A.: Kritik und Erkenntnisfortschritt, Braunschweig, 1974, S. 150ff.
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Als erster Ansatzpunkt der Modifikation der Theorie von Kantzenbach ist die "Theory of Interfirm Organization" von A. Philipps49 zu nennen. Kantzenbach hat sich auf die Aussagen von Phillips gestützt, aber diese nur teilweise übernommen. 50 Phillips, der über "degree of independent rivalry" spricht, die mit der Wettbewerbsintensität übereinstimmt, unterscheidet zwischen fünf Bestimmungsgrößen: 1) Formalität der Gruppenbeziehungen unter den Marktteilnehmern. Je größer die Formalität. d.h. je mehr Regeln des Marktverhaltens von den Marktteilnehmern allgemein akzeptiert und gefolgt werden, desto niedriger ist die Wettbewerbsintensität. 2) Anzahl der Konkurrenten der Gruppe. Je mehr Konkurrenten vorhanden sind, desto höher ist die Wettbewerbsintensität. 3) Die Machtverteilung innerhalb der Gruppe der Konkurrenten. Je ungleicher die Machtverteilung ist, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, daß eine Marktführerschaft herrscht und desto niedriger ist also die Wettbewerbsintensität. 4) Die Gleichartigkeit der Wertesysteme der Gruppenmitglieder. Je mehr Gleichartigkeit vorherrscht, desto niedriger wird die Wettbewerbsintensität sein. S) Externe Faktoren, die das individuelle Verhalten der Gruppenmitglieder beeinflussen. Je effizienter und machtvoller die Gruppen sind, mit denen die beobachtete Gruppe verhandelt, desto höher ist die Wettbewerbsintensität. Diese grob skizzierte Theorie von Phillips51, die die Gruppe zum Untersuchungsobjekt macht und die Beziehungen zwischen den Mitgliedern analysiert, gibt weitere Einflußfaktoren an, die die Gruppensolidarität bzw. die Wettbewerbsintensität zwischen den Marktteilnehmm beeinflussen. Insofern ist sie breiter angelegt als die Theorie von Kantzenbach und muß für eine Modifikation zur Kenntnis genommen werden. Der zweite Ansatzpunkt einer Modifikation ist die Theorie von Ott. 52 Wie von der ganzen wettbewerbstheoretischen Literatur und Kantzenbach
49 Vgl. Phillips. Almarin: A Theory of Interfirm Organization, in: Quarterly Journal of Economics. Bd. 74. 1960. S. 602-613. ders. Policy Implications of the Theory of Interfirm Organization. in: American Economic Review (Papers and Proceedings). Bd. 51. 1961. S. 245-254. ders. Market Structure. Organization and Performance. Cambridge/Mass .• 1962. vor allem Kap. 11. 50 Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen .... S. 228ff. 51 Eine symbolische Zusammenfassung seiner Theorie gibt Phillips in: Market Structure. Organization and Performance. S. 35. an. 52 Vgl. Ott: Marktform und Verhaltensweise, vor allem S. 44ff.
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selbst53 akzeptiert wird, ist der Zusammenhang zwischen Marktstruktur und Wettbewerbsintensität zuerst von Ott untersucht worden. Ott ist aber viel vorsichtiger vorgegangen und postuliert keine direkte Beziehung zwischen einer Marktform (weites Oligopol) und einer Wettbewerbsintensität. Er stellt die These auf, daß die Intensität der Konkurrenz von der Anzahl der Marktteilnehmer auf einer Marktseite und von dem Grad der Vollkommenheit des Marktes abhängt54, wobei die Vollkommenheit des Marktes das Fehlen jeder Differenzierung zwischen den Marktteilnehmern in sachlicher, persönlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht bedeutet und vollständige Markttransparenz beinhaltet. 55 Mit zunehmender Anzahl und/oder zunehmender Vollkommenheit des Marktes nimmt die Intensität der Konkurrenz ab et vice versa. Es müßte klar sein, daß diese Aussage viel konservativer als diejenige von Kantzenbach ist. Es werden mehrere Determinanten eingeführt und es ist nicht nur die Marktform, sondern die gesamte Marktstruktur, welche die Intensität des Wettbewerbs bestimmt. Außerdem formuliert Ott die plausible These, daß, je größer die Intensität der Konkurrenz ist, um so größer die Tendenz zur Koalitionsbildung sein wird et vice versa. Insofern wird der Schluß abgeleitet, daß von allen Marktformen das Oligopol auf dem vollkommenen Markt die am wenigsten stabile, das Polypol auf dem unvollkommenen Markt die stabilste Marktform ist. Diese Tendenz zur Koalitionsbildung, die mit der Erhöhung der Wettbewerbsintensität steigt, impliziert etwas sehr wichtiges: die Tendenz nämlich des Wettbewerbs, sich aufzuheben. Insofern ist es von Bedeutung zu untersuchen, inwiefern eine Marktstruktur das Zustandekommen und Erhalten von Wettbewerb begünstigt, zumal die These über die Wettbewerbsintensität nach Ott nur tendenziell gilt und keine konkreten Aussagen des Typs "weite Oligopole als optimale Marktform" erlaubt. In diesem Zusammenhang wird auch von Bedeutung sein, ob Wettbewerb mit einem Monopol vereinbar sein kann. Als dritter Ansatzpunkt einer Modifikation der Theorie von Kantzenbach wird die von Zohlnhöfer neuerdings vorgenommene Weiterentwicklung dieser Theorie56 dienen können.
Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen ... , S. 208, Anm. 58. Vgl. Ott: Marktform und Verhaltensweise, S. 48. 55 Vgl. Ott: Marktform und Verhaltensweise, S. 22ff. 56 Vgl. Zohlnhöfer. Werner: Marktstruktur und funktionsfähiger Wettbewerb. Versuch einer Erweiterung des Konzepts von Kantzenbach. S. 71-85 53 54
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Zohlnhöfer meint ebenfalls, daß die These des "weiten Oligopols" unhaltbar ist und versucht, die Theorie der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs weiterzuentwickeln, indem er weitere Bestimmungsfaktoren der Wettbewerbsintensität analysiert. Was die Marktphase anbelangt, formuliert er die These, daß die Intensität des Wettbewerbs ceteris paribus um so geringer ist, je stärker die Gesamtnachfrage eines Marktes wächst et vice versa. 57 So kann z.B. eine stark wachsende Gesamtnachfrage auch im "engen Oligopol" eine optimale Wettbewerbsintensität bewirken. Bezüglich der potentiellen Konkurrenz gilt, daß die potentielle Wettbewerbsintensität um so höher ist, je geringer die Marktschranken sind. So sind niedrige Marktzutrittsschranken unabhängig von der Marktstruktur für eine hohe Wettbewerbsintensität verantwortlich. Als weitere wichtige Marktstrukturkomponenten werden die Unternehmensverflechtungen, die Struktur der Nachfrageseite und die Marktaustrittsschranken erwähnt. Der Schluß lautet, daß die Analyse von Marktstrukturkomponenten die geeignete Vorgehensweise ist, um die Wettbewerbsintensität in den Griff zu bekommen, man sollte aber nicht nur einige Stukturkomponenten auswählen, wie Kantzenbach es tut, sondern von der Gesamtkonfiguration der Marktstruktur ausgehen. 58 7.5. Marktstruktur und Wettbewerb Die Frage, welche Marktstruktur eine optimale Wettbewerbsintensität hervorbringen kann, hat aus heutiger Sicht keine bestimmte Antwort. Erstens, weil "Optimalität" immer eine Norm impliziert und zweitens, weil die marktstrukturellen Komponenten so vielzählig und komplex sind, daß sie keine sicheren Aussagen über die Wettbewerbsintensität erlauben. Höchstens kann man nur über Tendenzen sprechen, wie Ott und Phillips es tun, aber mit der Einführung von weiteren Komponenten kompensieren sich die Tendenzen gegenseitig, und man vermag keine bestimmten Aussagen über die Wettbewerbsintensität zu formulieren. Außerdem ist die Verknüpfung der Wettbewerbsintensität mit bestimmten Ergebnissen sehr fraglich und kann daher als Begriff nur sehr begrenzt von Nutzen sein. Als ersten Schritt gilt es also, zwei Relativierungen der Theorie vorzunehmen. Erstens erweist sich die Marktform als eine zu eng gefaßte Wettbewerbsdeterminante und muß von der Gesamtkonfiguration der Marktstruktur ersetzt werden. Zweitens erscheint der Begriff der Wettbewerbsintensität als unoperalisierbar und
57 58
Vgl. Zohlnhöfer. S. 77. Vgl. Zohlnhöfer. S. 82f.
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sein weiterer Gebrauch und seine weitere Analyse muß so weit wie möglich vermieden werden. In einem zweiten Schritt muß auch eine andere Vorgehensweise ausgeschlossen werden. Damit ist die Kausalbeziehung zwischen Marktstruktur und Marktverhalten gemeint, die auch im Rahmen der Industrial Organization untersucht wird. Marktverhaltensparameter, wie z.B. Preisverhalten, Produktstrategie, Forschung und Innovation, Werbung USW. 59, die als Folge einer bestimmten Marktstruktur gesehen werden, sind ein ungeeigneter Ansatzpunkt für die Analyse. Wegen der Komplexität des Marktphänomens ist es unmöglich, anhand von marktstrukturellen Gegebenheiten bestimmte Verhaltensweisen so detailliert zu prognostizieren. Man vermag nicht anzugeben, welche der vielen Wettbewerbsparameter jeweils von den Marktteilnehmern eingesetzt werden und darüber hinaus kann man das konkrete Wettbewerbsverhalten nicht mit Hilfe von marktstrukturellen Charakteristika vollständig erklären; es sind Menschen, die miteinander konkurrieren, und es sind nur die menschliche Kreativität und Phantasie, die der Art der Konkurrenz eine Grenze setzen. Genau an diesem Punkt leidet das schon behandelte Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Schema60 , und ihm entgeht die Vielfältigkeit des Erscheinens des WettbewerbsverhaItens. Der heutige Stand der Wettbewerbstheorie erlaubt also nur Aussagen allgemeiner Natur zwischen Marktstruktur und Wettbewerb. In einem dritten Schritt kann man die Analyse auf die Beziehung zwischen Marktstruktur und Wettbewerb konzentrieren und versuchen, empirische Aussagen darüber zu formulieren. Als allererste Behauptung gilt, daß die Marktstruktur eine notwendige Bedingung für den Wettbewerb ist. Wenn eine Rivalitätsbeziehung zwischen den Wettbewerbern herrscht, dann existiert eine Marktstruktur, deren wichtigstes Charakteristikum ist, daß die Anzahl der Marktteilnehmer mindestens zwei betragen sol1.61 Damit Wettbewerb herrschen kann, darf es zumindest kein Monopol geben. Diese Aussage ist als empirischer Satz zu verstehen; Wettbewerb als Rivalität ist nur möglich, wenn mehrere Wettbewerber vorhanden sind. Diese Aussage gerät jedoch in Widerspruch zu der These Hoppmanns und der Systemtheoretiker, daß der Wettbewerb auch im Falle eines {Innovati-
Vgl. Scherer und Ross, S. 5. Für die Kritik siehe Kap. 2.3.2. 61 Vgl. Ott: Marktform und Verhaltensweise, S. 44. Auch neuerdings vgl. Ott: Bemerkungen zur Definition des Wettbewerbs. 1983. 59
60
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ons)Monopols vorhanden ist bzw. sein kann. 62 Diese These ist jedoch aus zwei Gründen falsch. Erstens basiert sie auf der Gleichsetzung des Wettbewerbsprozesses mit dem Marktprozeß, die zu Fehlurteilen führt. Sie verleitet nämlich die Analyse dazu, alles, was im Marktprozeß hervorgeht, als Wettbewerb zu bezeichnen. Dies aber tautologisiert die Aussage, denn alle Aktionen der Marktteilnehmer müssen als wettbewerblich eingestuft werden. Wird auch der Marktprozeß lediglich als eine Gestaltungssache der Unternehmer angesehen, wie Kirzner es tatsächlich tut63 , dann wird eine weitere Gleichsetzung unternommen, nämlich der Marktprozeß, der gleich dem Wettbewerbsprozeß ist, ist in einer nächsten Stufe auch gleich dem Unternehmerprozeß. Insofern werden auch alle unternehmerischen Aktionen als wettbewerblich eingestuft. Damit wird aber eine weitere Tautologie gebildet, und deshalb ist es nicht verwunderlich, daß die These nicht falsifiziert werden kann. 64 Zweitens wird immer wieder das Argument der potentiellen Konkurrenz zur Unterstützung dieser These eingeführt. So meint Hoppmann z.B., daß ein Innovationsmonopol kein echtes Monopol ist, da nach einziger Zeit die Imitatoren auf dem Markt auftreten werden. Hoppmann und die anderen Systemtheoretiker übernehmen die These der österreichischen Tradition und Kirzners insbesondere, daß das Ressourcenmonopol das einzig echte Monopol iSt. 65 In diesem Zusammenhang ist zweierlei über die potentielle Konkurrenz zu sagen. Zuerst wirkt tatsächlich die potentielle Konkurrenz als eine Art Zwang auf die Marktteilnehmer. Diese These, die auch in Verbindung mit dem Prinzip der "Offenheit der Märkte" beim Ordoliberalismus, der Pleiopolanalyse von Machlup und vor allem mit der Theorie der "Perfect Contestable Markets" analysiert worden ist, wird von niemandem bestritten. Sie gilt aber unter der Voraussetzung, daß die Marktteilnehmer sich dieser Tatsache bewußt sind und davon kann nicht immer ausgegangen werden. Es mangelt nicht an Beispielen aus der Wirtschaftspraxis, daß Unternehmen
62 Vgl. z.B. Hoppmann, Erich: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, S. 209, Anm. 65 und S. 211. 63 Siehe Kap. 8.4. 64 So bemerkt z.B. Schmidtchen, daß Kirzners These, daß der unternehmerische Prozeß stets wettbewerblich ist, von vielen mit Unbehagen aufgenommen wurde. "Keinem ist es jedoch - soweit ich sehe - bisher gelungen, die Kirzner These, die ich voll teile, zu widerlegen." Vgl. Schmidtchen, Dieter: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, in: Ordo, Bd. 39, 1988, S. 123, Anm. 13. Keiner vermag diese These zu widerlegen aus dem einfachen Grund, daß sie tautologisch ist. 65 Vgl. z.B. Hoppmann, Erich: Über Funktionsprinzipien und Funktionsbedingungen des Marktsystems. in: Marktwirtschaft und Umwelt, Hrsg. Wegehenkel, L., Tübingen, 1981, wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 134f.
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oder sogar Branchen ruiniert worden sind, weil sie sich nicht bewußt waren, daß sie einer potentiellen Konkurrenz ausgesetzt waren. Dies führt unmittelbar zum zweiten Punkt, der von größter Bedeutung ist. Potentielle Konkurrenz bedeutet nur die Möglichkeit einer Konkurrenz in der Zukunft, die keineswegs sicher ist. Möglichkeit und tatsächliche Realität sind streng voneinander zu unterscheiden. Potentieller Wettbewerb ist vielfach mit Unsicherheit verbunden. So besteht vor allem bezüglich der zeitlichen Dimension immer Unsicherheit. Die potentielle Konkurrenz kann nach einer Woche, einem Jahr, einem Jahrzehnt oder einem Jahrhundert zu einer tatsächlichen werden. Oder es kann sein, daß sie nie zu einer tatsächlichen wird. 66 Insofern muß die potentielle Konkurrenz als eine Art Selbstdisziplin der Marktteilnehemr angesehen werden, in dem Falle, daß sie sich ihrer bewußt sind. Und sie ist nicht mit dem Wettbewerb als solchem, der auf einem Markt während einer Zeitperiode herrscht, zu verwechseln. So erweist sich nach der Ablehnung der zwei wichtigsten Argumente, nämlich der Gleichsetzung des Wettbewerbs mit dem Marktprozeß und Unternehmerprozeß einerseits und der potentiellen Konkurrenz andererseits, daß der Wettbewerb als Rivalitätsbeziehung die Existenz von mehr als einem Marktteilnehmer zur notwendigen Bedingung hat. Zwei oder mehrere Marktteilnehmer sind jedoch keine hinreichende Bedingung. Für das Zustandekommen von Wettbewerb gibt es eine Reihe von Voraussetzungen. So z.B. Wettbewerbsfreiheit, Wettbewerbsneigung (" spirit of competition") USW. 67 Welche Rolle die Marktstruktur als Voraussetzung des Wettbewerbs spielt, ist in der Literatur noch umstritten. 68 Da der Wettbewerb als ein Entdeckungsverfahren (Hayek) angesehen wird, besteht das Problem, ob tatsächlich die Marktstruktur eine Voraussetzung des Wettbe-
66 In diesem Zusammenhang wird auch ein verwandtes Problem klar. Man vermag nämlich nicht zu erklären, was dafür sorgt, daß nach der Innovation auf einem Markt immer das Auftreten von Imitatoren garantiert ist. Dieses Problem des Zwangscharakters der Zyklizität, das wir schon besprochen haben, spricht auch Tolksdorf an: "Es reicht nicht, nur zu hoffen, daß der nachfolgende Wettbewerb schon stattfinden wird, und diese Hoffnung zum 'Konstitutivum' wettbewerblicher Prozesse zu erheben. Der Verweis Hoppmanns auf die imitationshemmende Wirkung von Wettbewerbsbeschränkungen hilft nicht weiter, weil denkbar ist, daß auch ohne Beschränkungen Imitationswettbewerb nicht gelingt." Vgl. Tolksdorf: Stand und Entwicklungstendenzen der Wettbewerbstheorie, S. 793. 67 Vgl. z.B. den Versuch Herdzinas, die Determinanten des Wettbewerbsverhaltens zu systematisieren, in: Herdzina, Klaus: Marktentwicklung und Wettbewerbsverhalten, S. 106ff. Vgl. auch Kap. 9.5.3. und 9.5.6. 68 Vgl. Müller, Udo: (Art.) Wettbewerbstheorie, in: Handwörterbuch der Volkswirtschaftslehre, 2. verb. Aufl., Wiesbaden, 1980, Sp. 1560.
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werbs oder vielmehr ein Ergebnis des Wettbewerbs ist. Eines steht jedoch fest: Betrachtet man die Anzahl der Anbieter als das wichtigste Element der Marktstruktur, dann gilt die These Otts, daß mehrere Anbieter für den Wettbewerb unerläßlich sind. Diese Aussage ist äquivalent mit der Aussage, daß die einzige per se nicht-kompetitive Marktstruktur das Monopol ist. Diese Auffassung, die uns von der Klassik über die Neoklassik überliefert wurde, muß auch von der heutigen Wettbewerbstheorie beibehalten werden. Betrachtet man als weitere wichtige Determinante der Marktstruktur die Marktphase, kann man die folgende These formulieren: Während der Experimentierungsphase und bevor ein neues Produkt bis zur Marktreife gebracht wird, kann Wettbewerb herrschen. Es ist der Fall des technologischen Wettbewerbs, wobei die Unternehmer um ein unbekanntes Ziel konkurrieren. 69 Es kann aber auch vorkommen, daß kein technologischer Wettbewerb stattfindet und die Inovation ohne den Zwang der Konkurrenz zustande kommt. Wichtiger ist jedoch die folgende Aussage: Nachdem der Innovator auf dem Markt aufgetreten ist und bis die Imitatoren auch, wenn überhaupt, in den Markt eintreten, besteht kein Wettbewerb. Diese These folgt unmittelbar aus der Argumentation über die potentielle Konkurrenz. Es genügt, daß noch ein Wettbewerber auf dem Markt auftritt und die übrigen Voraussetzungen des Wettbewerbs existieren, damit der Wettbewerb entstehen kann. 70 In allen übrigen Phasen, in der Expansions-, Ausreifungs- und Stagnations- bzw. Rückbildungsphase gibt es, insofern es mehrere Teilnehmer gibt, auch Wettbewerb. Zusammenfassend kann man sagen, daß nur zwei relativ sichere Beziehungen zwischen Marktstruktur und Wettbewerb postuliert werden können, wobei die zweite unmittelbar aus der ersten folgt: 1. Wettbewerb kann herrschen, wenn mehr als ein Anbieter auf dem Markt vorhanden ist. 2. Wettbewerb existiert nicht, soweit dem Innovator von Imitatoren noch nicht gefolgt wurde. Diese Thesen sind, obwohl vielleicht primitiv, die einzigen fast sicheren Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Marktstruktur und Wettbe-
Vgl. Heuss: Allgemeine Markttheorie, S. 11 0-113. Über die drei hauptsächlichen Wettbewerbsvoraussetzungen siehe Kap. 9.5.3. und 9.5.6. 69
70
Siebtes Kapitel: Die Theorie der optimalen Wettbewerbs intensität
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werb. 71 Aussagen über die konkreten Wettbewerbsintensitäten bei den jeweiligen Marktstrukturen sind noch nicht empirisch gesichert und können hier nicht gewagt werden (obwohl die Theorien von Phillips und Ott, die nur Tendenzen voraussagen, von Bedeutung sind).72 Zum Schluß dieses Kapitels sei noch eine Tabelle über die Theorie der optimalen Wettbewerbsintensität angegeben.
71 In diesem Zusammenhang gilt das Zitat von W. Carr: "It is better to be vaguely right than precisely wrong". (Das Zitat ist übernommen von Troge, Andreas: Ordnungstheorie und Erkenntnistheorie, in: Ordo, Bd. 28, 1977, S. 32.) 72 So kann als Fazit mit Heuss aus unserer Analyse gefolgert werden: die Marktstruktur stellt kurzfristig eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für den Wettbewerb dar. Vgl. Heuss: Zum heutigen Stand der Wettbewerbstheorie in Deutschland, S. 414.
8 Mantzavinos
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum Tabelle 7
Die Theorie der optimalen Wettbewerbsintensität Wettbewerbstheorie Analyse des Wettbewerbs
Wettbewerb als Rivalität Bestimmungsfaktoren der Wettbewerbsintensität: Anzahl der Anbieter, Grad der Marktvollkommenheit, vor allem Produktheterogenität und Markttransparenz Weite Oligopole mit mäßiger Marktunvollkommenheit als Marktform mit der optimalen Wettbewerbsintensität Diese optimale Wettbewerbsintensität bringt den größtmöglichen technischen Fortschritt hervor
Forschungsmethode
Vor allem theoretische Gedanken, die sowohl die Dynamik des Wettbewerbs als auch die neoklassische Analyse zu kombinieren versuchen. Nur am Rande Hinweise auf empirische Forschung
Meßverfahren
Maß der Wettbewerbsintensität ist die Geschwindigkeit, mit der die Vorsprunggewinne von der Konkurrenz wieder weggefressen werden. Aber keine quantitative Meßmöglichkeit
Betrachtungshorizont
Kurzfristig
Wettbewerbspolitik Ziele
Oberstes Ziel ist es, einen funktionsfähigen Wettbewerb herzustellen. Dazu ist die Erfüllung von fünf Wettbewerbsfunktionen nötig: ) 1. Einkommensverteilung 2. Angebotszusammensetzung ) statische ) 3. Produktionssteuerung ) 4. Anpassungsflexibilität dynamische ) S. Technischer Fortschritt
Inhalt
Leitbild der Marktform des weiten Oligopols mit mäßiger Produktheterogenität und Markttransparenz
Kritik
Das Konzept von Kantzenbach ist Gegenstand der Hoppmann-Kantzenbach-Kaufer-Kontroverse Massive Kritik. Im allgemeinen: keine der beiden Kausalbeziehungen der Theorie gilt. Empirische Hinweise sprechen gegen die These, daß der technische Fortschritt in der Marktform der weiten Oligopole am meisten gefördert wird Potentielle Konkurrenz und Marktphase werden nicht berücksichtigt Drei Ansatzpunkte einer Modifikation der Theorie Theory of Interfirm Organization von Phillips Theorie von Ott Weiterentwicklung von Zohlnhöfer Keine sicheren Zusammenhänge zwischen Marktstruktur und Wettbewerbsintensität Marktstruktur als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Wettbewerb
Achtes Kapitel: Die österreichische Tradition
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Achtes Kapitel
Die österreichische Tradition Die österreichische Tradition in der Theorie des Wettbewerbs wird von ihrer kritischen Haltung gegenüber der neoklassischen Gleichgewichtsanalyse charakterisiert.) Es ist zweckmäßig, zwischen der "österreichischen Tradition" und der "österreich ischen Schule" zu unterscheiden, um Verwirrungen vorzubeugen. Wir wollen den letzten Terminus vermeiden, da er eine größere Homogenität der Meinungen impliziert, was jedoch im Fall des österreichischen Gedankengutes nicht zutrifft. Außerdem ist der Begriff "österreichische Schule" oft für den Hauptzweig der marginalistischen Schule verwendet worden und umfaßt alle österreichischen - oder von ihnen beeinflußten - Grenznutztheoretiker (z.B. Menger, v. Böhm-Bawerk, Wickseil usw.), welche die marginalistische Revolution der Nationalökonomie eingeleitet haben. 2 Wir wollen stattdessen über die Theorie des Marktprozesses in der "österreichischen Tradition" sprechen und meinen damit die Arbeiten von v. Hayek, v. Mises, Kirzner und den radikalen Subjektivisten. Die verschiedenen Auffassungen in der österreich ischen Tradition vereinen sich in der gemeinsamen Kritik gegen die statische Betrachtungsweise der Wirtschaft seitens der Neoklassik. Allmählich wurde auch ein eigenes Theoriegebäude errichtet, das den Marktprozeß betont und die Bedeutung des verstreuten Wissens hervorhebt. Apriorismus und Subjektivismus sind der Kern der österreichischen Methodologie, welche die Benutzung der Ökonometrie als Mittel der Erklärung der sozialen Phänomene weitgehend ablehnt. Nach der Präsentation der Wettbewerbstheorie der österreichischen Tradition werden wir einen ersten Entwurf einer eigenen Theorie vorlegen, welche das Wissen und seine Operationalisierung für die Erklärung der Marktprozesse zum Gegenstand hat.
1 Allgemeines über die österreichische Tradition in dem Vorwort (Introduction) von Bosch, AlfredlKoslowski, PeterNeit, Reinhold in dem Sammelband General Equilibrium or Market Process, Tübingen, 1990, S. VIIf. Auch in dem Vorwort von Hoppmann, Erich, in: Kirzner, Israel: Wettbewerb und Unternehmertum, Tübingen, 1978 (amerikanisches Original: Competition and Entrepreneurship, Chicago, 1973), S. Vf. 2 Vgl. z.B. Ott/Winkel: Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre, S. 223ff.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
8.1. Die Staatsphilosophie Hayeks Das Denken Hayeks ist von einer völligen Ablehnung des Sozialismus und der sozialistischen Ideen geprägt. Beginnend mit seiner Teilnahme an der Kontroverse über den sog. Konkurrenzsozialismus von O. Lange in den 30er und 40er Jahren3bis zu seinem letzten Buch, "The Fatal Conceit. The Errors of Socialism", sind viele seiner Schriften dem Kampf gegen sozialistische Ideale gewidmet. 4 Gleichzeitig hat er eine eigene politische Philosophie entwickelt, welche - aus dem Gedankengut der englischen liberalen Denker seit dem 17. Jahrhundert schöpfends - eine modeme Theorie des liberalen Staates zum Inhalt hat. Hayek plädiert für Freiheit, die als Abwesenheit jeglichen Zwangs verstanden wird6 , als höchstes Ideal einer Gesellschaft. Der Liberalismus als politisches Gebot sei streng von dem Ideal der Demokratie zu unterscheiden, da der erste angibt, was das Gesetz sein soll, wobei das zweite eine Methode ist, um zu entscheiden, wer über das Gesetz zu entscheiden hat. 7 Der Liberalismus akzeptiert die Meinung der Mehrheit über das Gesetz, meint aber nicht immer, daß dieses Gesetz auch gut ist. Demokratie ist nur eine Methode, um verschiedene Ziele zu erreichen, aber sie kann selbst kein Ziel sein. Das Prinzip, auf dem die ganze Philosophie des Staates Hayeks aufbaut, ist "the rule of law".8 Darunter versteht er, daß die gleichen Regeln ohne Diskriminierung, für alle gelten. Diese Regeln, welche den "rule of law" konstituieren, müssen abstrakt und generell sein und einen negativen
3 Vgl. (Hrsg.) Hayek, F. A. von: Collectivist Economic Planning, Critical Studies on the Possibilities of Socialism by N.G. Pierson, Ludwig von Mises, Georg Halm and Enrico Barone, London, 1935. Wiederabgedruckt in deutscher Sprache in seinem: Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, Erlenbach-Zürich, 1952, Kap. VII und VIII. Auch Hayek: Socialist Calculation: The Competitive Solution, in: Economica, Bd. VII (Neue Serie) 1940, und wiederabgedruckt in deutscher Sprache in seinem: Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, Kap. IX. 4 Vgl. Hayek, F.A. von: The Fatal Conceit. The Errors of Socialism. 5 Vor allem Hume, aber auch Locke, A. Smith, Ferguson, J.S. Mill, Lord Acton usw. 6 Vgl. Hayek: The Constitution of Liberty, S. I1ff. Deutsche Übersetzung des Buches mit dem Titel: Die Verfassung der Freiheit, Tübingen, 2. Aufl., 1983 (unsere Seiten angaben beziehen sich auf das englische Original). 7 Vgl. Hayek: The Constitution of Liberty, S. 103f. Auch in Hayek: Grundsätze einer liberalen Gesellschaftsordnung, in: Freiburger Studien, Tübingen, 1969, S. 108f. 8 Dazu vgl. Hayek: The Constitution of Liberty, S. 148ff, wo auch eine Geschichte der Entstehung und der verschiedenen Erscheinungen des Ideals des "rule of law" angegeben wird, S. 162-204.
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Inhalt haben, d.h. in der Form von Verboten und nicht von Geboten formuliert sein. Diese Regeln sind seit Generationen im Laufe eines Evolutionsprozesses zustande gekommen und sind die Bedingungen, welche zu der Entstehung einer spontanen Ordnung verholfen haben. 9 Hayek entwikelt auch Tests, nach denen neue Regeln in das jeweilige System von Regeln (d.h. der Rechtsordnung) integriert werden können. Der Methodologie von Popper folgend und parallel zu ihr, die negative Tests für die Bewährung von Theorien und den Fortschritt der Wissenschaft entwickelt haeo, schlägt Hayek negative Tests für die Regeln und ihre Gerechtigkeit vor. Damit zeigt er einen neuen Weg auf, der sich von dem Rechtspositivismus, der die Existenz der Gerechtigkeit als solcher bezweifelt und den Gesetzgeber als alleinige Quelle allen Rechts ansieht ll , radikal unterscheidet. Dieses System der Regeln, welches spontan gewachsen ist, konstituiert das ganze Zivil- und Strafrecht. Diese Gesetze sind streng von den Anordnungen bzw. Befehlen zu unterscheiden, welche auch eine juristische Form annehmen und die Entscheidungen des Staatsapparates darstellen und das Verwaltungsrecht ausmachen. So unterscheidet Hayek zwischen zwei Arten von Ordnungen, welche den zwei Arten der Regeln bzw. Gesetzen zugeordnet sind: spontane Ordnung (oder "polyzentrische" Ordnung) und Ordnung als Organisation. 12 Eine spontane Ordnung kennt keine einheitlichen Ziele und Werte, während eine Organisation immer ein Ziel vor sich hat. Deshalb spricht Hayek über die spontane Ordnung als "Kosmos" und über die Organisation als "Taxis", wobei die zugeordneten Regeln "Nomos" und "Thesis" genannt werden. 13 Damit eine spontane Ordnung zustande kommt, müssen
9 Vgl. Hayek, F.A. von: Law, Legislation and Liberty, Bd. 11: The Mirage of Social Justice, London. 1976. besonders Kap. 8: The Quest for Justice. Dieses dreibändige Werk von Hayek. welches 1982 als ein Band erschienen ist. wurde auch in die deutsche Sprache übersetzt als: Recht. Gesetzgebung und Freiheit, 3 Bde.• München. 1980-1982. 10 Vgl. Hayek: Law, Legislation and Liberty, Bd. 2, S. 43. 11 So das berühmte Zitat von Radbruch: "Vermag niemand festzustellen. was gerecht ist. so muß jemand festsetzen. was rechtens sein soll.". in: Radbruch. Gustav: Rechtsphilosophie. 6. Aufl.. 1963. Stuttgart. S. 179. 12 Vgl. Hayek. F.A. von: Arten der Ordnung, in: Freiburger Studien. S. 34. Den Begriff "polyzentrisch" hat Polanyi. Michael, in: The Logic of Liberty, London, 1951, S. 159, als erster geprägt. 13 Mehr über "Kosmos" und "Taxis" vgl. bei Hayek: Law. Legislation and Liberty, Bd. 11. Rules and Order. Kap. 2. S. 35ff. und über "Nomos" und "Thesis" ebenda, Kap. 5. S. 94ff, und Kap. 6. S. 124ff. Über den konkreten Inhalt dieser Termini bei Hayek kürzer abgefaßt in: Hayek, F.A. von: Die Sprach verwirrung im politischen Denken. in: Freiburger Studien. S. 206ff. Da ist auch die Unterscheidung zwischen Nomokratie und Teleokratie zu finden. die auf Prof. Oakeshott zurückzuführen sind
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die Individuen allgemeinen Regeln folgen. und in dieser Weise wird automatisch ein Kosmos hervorgebracht. Damit aber die Individuen gezwungen werden. diesen Regeln zu folgen. ist die Ordnung der anderen Art. nämlich eine Organisation in Form eines Staatsapparates. vonnöten. 14 Dieser Optimismus Hayeks 15• der in seinem Glauben verwurzelt ist. daß die Verfolgung allgemeiner Regeln. welche Produkt eines Evolutionsprozesses sind. in einer spontanen Ordnung resultiert. findet in der Anwendung seiner Gedanken in der ökonomischen Sphäre seinen Höhepunkt. Die spontane Ordnung im ökonomischen Bereich nennt er "Katallaxie" und er unterscheidet sie von einer "Wirtschaft". welche eine gezielte Organisation impliziert. 16 Diese Marktordnung ist das Ergebnis menschlichen Handeins. aber nicht menschlichen Entwurfs. 17 Innerhalb dieser Katallaxie können die Individuen ihre verschiedenen Ziele verfolgen und ihre Pläne aufstellen und durchführen. Diese Verschiedenartigkeit 18 der Ziele und Pläne ist die Stärke dieser spontanen Ordnung. weil so die Individuen frei sind. die verschiedenen Teile des Wissens. die sie besitzen. optimal auszunützen. Der Austausch und die Diffusion des Wissens der Individuen. die durch die Freiheit zur Verfolgung verschiedener Ziele ermöglicht wird. ist das Wesen der Katallaxie und macht sie produktiver als jedes andere Produktionssystem. Katallaxie kann als ein Spiel aufgefaßt werden. welches "Reichtum-schaffend" ist (wealth-creating game)19 und nur dann verwirklicht sein kann. wenn die Individuen den spontan gewachsenen Regeln folgen und sonst frei sind. sich ihren Zielen zu widmen. In diesem Spiel der Katallaxie. dessen
und welche auch bei Hoppmann eine große Rolle spielen. 14 Vgl. Hayek: Arten der Ordnung. S. 40f. Diese Idee geht auf Eucken zurück. Hayek hat sie aber in abstrakter Weise bearbeitet und in Verbindung mit der ganzen Gesellschaft und nicht nur mit der Wirtschaft gebracht. IS ZU diesem Optimismus Hayeks. von einer ordnungspolitischen Sichtweise aus gesehen. vgl. Schmidtchen. Dieter: Neoclassical and Austrian Theory of Economic Policy: Differences in Constitutional Policies. in: General Equilibrium or Market Process, S. 139f. 16 Vgl. Hayek: Die Sprach verwirrung im politischen Denken. S. 224-227. 17 Vgl. Hayek: Die Ergebnisse menschlichen Handeins. aber nicht menschlichen Entwurfs, in: Freiburger Studien, S. 97ff. Diesen Satz hat Hayek von Ferguson übernommen, vgl. Ferguson, Adam: An Essay on the History of Civil Society, London, 1767. S. 187. 18 Die Bedeutung der Verschiedenartigkeit ist - wie bekannt - auch von v. Humboldt hervorgehoben worden. 19 Vgl. Hayek: Law, Legislation and Liberty, Bd. 2. S. 115. Wie Hayek zugibt, geht die Interpretation des gesellschaftlichen Prozesses als Spiel auf A. Smith zurück. Vgl. Hayek, F.a. von: Rechtsordnung und Handelsordnung. in: Freiburger Studien, S. 168.
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Ergebnis sowohl vom Glück als auch vom Geschick bestimmt wird. spielt das Wissen der Individuen und seine Entdeckung innerhalb des Wettbewerbsprozesses eine große Rolle.
8.2. Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren Hayeks Hervorhebung der Bedeutung des Wissens innerhalb einer Marktwirtschaft. aber auch während des Wettbewerbsprozesses. gilt als eine der konsequentesten Kritiken an der neoklassischen Orthodoxie. Seine Thesen über die Rolle des Wissens basieren auf der Annahme. daß es kein vollkommenes Wissen auf einem Markt gibt bzw. keine objektiven Daten. welche dem Ökonomen vollständig bekannt sind. 20 M.a.W.: Hayek versucht die irreale Annahme des vollständigen Wissens aufzuheben und eine realistischere Theorie aufzubauen. Er macht darauf aufmerksam. daß die Annahme des vollständigen Wissens die Ökonomie dazu verleitet. keine empirische Wissenschaft zu sein. sondern eine reine Logik des Wählens21 • da schon in den Annahmen die Ergebnisse stecken. Damit die Ökonomie zu einer empirischen Wissenschaft wird. muß sie die Idee des statischen Gleichgewichts beiseite lassen und die Tendenz zum Gleichgewicht analysieren. "Es scheint. daß der Gleichgewichtsbegriff nichts anderes bedeutet. als daß die Voraussicht der verschiedenen Mitglieder der Gesellschaft in einem speziellen Sinn richtig ist. ,,22 Die Voraussicht ist keine Vorbedingung des Gleichgewichts. sondern vielmehr das definierende Merkmal des Gleichgewichts. Wegen der ständigen Änderung der Gegebenheiten bzw. Pläne der Individuen ist die Verträglichkeit der Pläne keine absolute. sondern nur eine relative in dem Sinne. daß sie nur eine Tendenz zum Gleichgewicht und nicht das Gleichgewicht selbst garantieren kann. 23 Hayek lehnt also die Idee des Gleichgewichts nicht gänzlich ab. wie es die radikalen Subjektivisten tun24• betont aber den prozessualen Charakter
20 Vgl. Hayek, F.A. von: Die "Tatsachen" der Sozialwissenschaften, in: Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S. 78ff. 21 Vgl. Hayek, F.A. von: Wirtschaftstheorie und Wissen, in: Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S. 64ff. 22 Hayek, S. 60. 23 Vgl. Hayek, S. 63. 24 Es ist auch ein Vorwurf an Hayek seitens dieser radikalen Subjektivisten, daß er sich nie von der Idee des Gleichgewichts lösen konnte. So z.B. Ludwig Lachmann in seinem Aufsatz: From Mises to Shackle: An Essay on Austrian Economics and the Kaleidic Society, in: Journal of Economic Literature, Bd. 14, 1976, S. 60, wo er meint: "The Former [Professor Hayek, Anm. d. Verf.] , whose early work was clearly
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des Wirtschaftens mittels Wissensteilung, welcher immer auf ein Gleichgewicht gerichtet ist, es aber nie erreicht. 25 Während des Wettbewerbsprozesses eignen sich die Produzenten und Konsumenten das für sie relevante Wissen an, das jedoch nicht nur das wissenschaftliche Wissen umfaßt, sondern auch darüber hinaus die Kenntnisse der besonderen Umstände von Ort und Zeit beinhaltet. 26 Der Wettbewerb ist ein Prozeß der Meinungsbildung, indem er Informationen verbreitet, "[... ] schafft er die Ansichten, die die Leute darüber haben, was am besten und billigsten ist".27 Darin besteht auch die Funktion der Preise, welche sich während eines Prozesses einerseits herauskristallisieren, andererseits sich ständig ändern: sie zeigen den einzelnen, daß das, was sie bisher getan haben oder tun können, aus Gründen, die sie nicht erklären können, mehr oder weniger richtig geworden ist. Die wichtigste Funktion der Preise ist jedoch, daß sie uns nicht signalisieren wieviel, sondern was wir leisten sollen. 28 Der Wettbewerb wird also als ein Entdeckungsverjahren 29 aufgefaßt, währenddessen durch die Diffusion von Wissen alle relevanten Umstände entdeckt werden: "es sind jeweils die vorläufigen Ergebnisse des Marktprozesses, die den einzelnen sagen, wonach zu suchen es sich 10hnt".30
under the inf]uence of the general equilibrium model, at one time appeared to regard a strong tendency towards general equilibrium as areal phenomenon of the market economy." Wie stark Hayek und anscheinend alle Ökonomen seiner Generation von dem Gedanken des Gleichgewichts geprägt sind, erfährt man an einer Stelle seines Buches, The Road to Serfdom, London, 1942, das im Deutschen als 'Der Weg zur Knechtschaft', Erlenbach-Zürich, übersetzt wurde. Hier schreibt Hayek auf S. 74: "l ... ] daß das Preissystem diese Funktion nur bei vorherrschendem Wettbewerb erfüllen kann, d.h. wenn der einzelne Produzent sich den Preisänderungen anpassen muß, sie aber nicht beeinflussen kann." 25 Im Bereich der totalen Analyse erfaßt er den gesamten Produktionsprozeß als einen kontinuierlichen Strom oder Fluß: "Genaugenommen kann eigentlich ein Strom niemals im Gleichgewicht sein, denn gerade das Ungleichgewicht hält ihn in Fluß und bestimmt seine Richtung", in: Hayek, F.a. von: Der Strom der Güter und Leistungen, Tübingen, 1984, S. 16. Z6 Vgl. Hayek, F.A. von: Die Verwertung des Wissens in der Gesellschaft, in: Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S. 107. 27 Hayek, F.A. von: Der Sinn des Wettbewerbs, in: Individulaismus und wirtschaftliche Ordnung, S. 140. Z8 Vgl. Hayek, F.A. von: Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, in: Freibruger Studien, a,a,O., S. 258. Z9 Zum ersten Mal benutzt Hayek diesen Terminus in seinem Aufsatz: Rechtsordnung und Handelnsordnung, S. 167 30 Hayek: Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S. 253.
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So aufgefaßt. ist der Wettbewerb eine Tätigkeie 1• d.h. ein Verhalten. und. wegen seines Charakters als eine Methode der Suche. sind seine Ergebnisse nicht voraussagbar. In diesem Sinne ist von ihm kein wohlfahrtsökonomisches Optimum. wie beim Modell der vollkommenen Konkurrenz. zu erwarten. sondern nur die Vergrößerung der Chancen für jede unbekannte Person. In der Form der Muster-Voraussagen. welche nach Hayek die einzig mögliche Art von Prognosen in den Sozialwissenschaften isez• kann man vom Wettbewerb erwarten. daß er eine spontane Ordnung herbeiführt. i.S. einer guten Koordination der - verschiedenen Zielen folgenden - Pläne der Individuen. Außerdem bewirkt er. daß alles. was erzeugt wird. von denen erzeugt wird. die diese Produkte am billigsten erzeugen können und daß die Güter zu Preisen verkauft werden. die niedriger sind als jene. zu denen sie irgend jemand anbieten könnte. der das Gut nicht anbietet. 33 Diese Beschreibung des Wettbewerbs begründet Hayeks These. daß die spontane Ordnung (und nicht das Gleichgewicht) die effizienteste Verwertung des Wissens einer Gesellschaft garantiert und somit ihre Überlegenheit gegenüber allen anderen Ordnungen ausmacht. Damit der Wettbewerb aber überhaupt in Gang gesetzt werden kann. müssen die Individuen frei sein. Nur wenn die Freiheit allen gewährt wird. werden neue Entdeckungen ermöglicht und finden Innovationen stau. 34 Wegen der unterschiedlichen Verwertung der Freiheit seitens der verschiedenen Individuen. ist eine Ungleichheit in der Verteilung zu erwarten. Eine Politik der Freiheit ist nach Hayek mit einer Politik der gleichen Verteilung
Vgl. Hayek: Der Wettbewerb ...• S. 254. Zu diesen sog. "pattern predictions" vgl. Hayek. F.A. von: The Theory of Complex Phenomena. in: Studies in Philosophy. Politics and Economics. London and Chicago. 1967. S. 22-42. In deutscher Sprache: Die Theorie der komplexen Phänomene. Tübingen. 1972. Auch ders.. The Pretence of Knowledge. in: New Studies in Philosophy. Politics. Economics and History of Ideas. London and Chicago. 1978. S. 23-34. In deutscher Sprache: Die Anmaßung von Wissen. in: Ordo. Bd. 26. 1975. S. 12-21. Ausführlicher über die Problematik der Muster-Voraussagen. die in der Systemtheorie von besonderer Bedeutung sind. siehe Kap. 10.2. 33 Vgl. Hayek: Der Wettbewerb ...• S. 256. 34 Die Freiheit als Vorbedingung von Innovationen ist sehr früh von Hayek hervorgehoben worden. In seinem Buch: Der Weg zur Knechtschaft. S. 34ff. macht er darauf aufmerksam. daß der Erfindungsgeist der Menschen in früheren Zeiten nicht geringer war. was man "an den vielen höchst genialen automatischen Spielzeugen und anderen mechanischen Wunderwerken. die geschaffen wurden. während die industrielle Produktionstechnik noch stationär blieb". erkennen kann. Allerdings könnte das neue wissenschaftliche Wissen und der Erfindungsgeist des Menschen nur unter der Bedingung der Gewerbefreiheit Anwendung finden und ökonomische Vorteile mit sich bringen. 31
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unvereinbar. 35 Wenn man Fortschritt und Innovationen will, und zwar nicht nur in der ökonomischen, sondern auch in der sozialen Sphäre, muß man der allgemeinen Gewährung von Freiheit für alle zustimmen. 8.3. Wettbewerb und Evolution Hayek erweitert den Anwendungsbereich des Prinzips des Wettbewerbs auch in die außerökonornische Sphäre und ordnet sie in seine allgemeine Theorie der Evolution ein. Wettbewerb wirkt nicht nur als Ausleseprozeß der effizientesten Unternehmen in einem Markt, sondern auch als effizienteste Institution einer Gesellschaft. Ausgehend von einer Kritik gegen den konstruktivistischen Rationalismus descartianischer Prägung36 , nach dem die Institutionen Produkt einer rationalen Planung des Menschen sind, entwickelt er eine Theorie der kulturellen Evolution, nach der die traditionellen Institutionen einer Gesellschaft, die alles relevante Wissen kondensieren, sich als die erfolgreichsten während des Evolutionsprozesses bewährt haben. So sind die Sprache, das Recht und die moralischen Regeln einer Gesellschaft das Produkt eines langen Evolutionsprozesses, in welchem der Wettbewerb die zentrale Rolle spielt. Das heißt nicht, daß die Kooperation als Methode zur Erreichung konkreter Ziele zu vernachlässigen ist. Aber als Prinzip ist sie vor allem innerhalb einer kleinen Gruppe mit konkreten Zielen wichtig, nicht jedoch in einer offenen Gesellschaft mit divergenten Zielen: "Competition is a procedure of discovery, a procedure involved in all evolution, that led man unwittingly to respond to novel situations; and through further competition, not through agreement, we gradually increase our efficiency."37 Hayek distanziert sich jedoch von der "Soziobiologie" und meint, daß die Theorie der kulturellen Evolution anders als die Theorie der biologischen Evolution abläuft, da im kulturell-institutionellen Bereich die Evolution mittels eines Lernprozesses stattfindet, in dem der genetische Faktor keine Rolle spielt. In diesem Sinne distanziert sich Hayek von der Theorie des Sozialdarwinismus (welche in der Chicago-Schule eine große Rolle spielt) und vermeidet den
Vgl. Hayek: Law, Legislation and Liberty, Bd. 2, S. 120. Vgl. Hayek, F.A. von: Die Irrtümer des Konstruktivismus, Tübingen, 1975. Seine Kritik an diesem, für ihn falschen Konstruktivismus fing jedoch viel früher an. So z.B. in seinem: Wahrer und falscher Individualismus, in: Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S. 9ff. oder in: Arten des Rationalismus, in: Freiburger Studien, S. 75ff. und später auch in: Law, Legislation and Liberty, Bd. I, S. 1Off. 37 Hayek: The Fatal Conceit. The Errors of Socialism, S. 19. 35 36
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sog. "naturalistischen Fehler" (naturalistic fallacy): er behauptet nicht, daß die Ergebnisse dieses Ausleseprozesses zwangsweise "gut" sind. 38 Als Beleg seiner Theorie der Evolution und seiner These von der Überlegenheit der spontanen Marktordnung gibt Hayek historische Beispiele bzw. Hinweise an, nach denen jedesmal, wenn die spontane Ordnung sich erweitern konnte und der Handel vom Staate geduldet oder zumindest nicht streng verboten war, eine ökonomische und kulturelle Expansion erfolgte. 39 Außerdem spielt die innovative Tätigkeit der Individuen bei der Evolution der Institutionen eine große Rolle. 40 Es waren immer Individuen, welche neue Verhaltensweisen erprobt haben oder Ideale zu verwirklichen suchten und so Institutionen geschaffen und weiterentwickelt haben; der Staat kam immer später, indem er diese Institutionen entweder vervollkommnen (z.B. Gesundheitswesen, Rentensystem usw.) oder aber dulden konnte. Insofern ist die kulturelle Evolution immer ein Ergebnis individuelles Handelns gewesen, wobei der Wettbewerb als Ausleseprozeß der effizientesten Verhaltensweisen bzw. Institutionen gedient hat. 41
38 Vgl. Hayek: The Fatal Conceit, S. 27. Über die Natur der kulturellen Evolution vgl. auch Hayek: Law, Legislation and Liberty, Bd. 3, S. 153ft. In diesem Punkt sollte betont werden, daß der Evolutionsgedanke früher in den Sozialwissenschaften entwikkelt worden war, bevor Darwin ihn in der Biologie anwandte. Hayek geht weiter und ist der Meinung, daß Darwin diese Idee direkt von Smith übernommen habe, da nach gegenwärtiger Forschung als bewiesen gilt, daß Darwin Adam Smith las, als er seine Theorie der Evolution geschrieben hat. Vgl. Hayek: The Fatal Conceit, S. 24. Der in neuerer Zeit von dem Evolutionsgedanken am meisten beeinflußte Ökonom ist Schumpeter. Vgl. Georgescu-Roegen, Nicholas: A Historical Perspective of Possible Bridges Betweeen the Economic and the Natural Domains, in: General Equilibrium or Market Process, S. 40. Für eine gute Darstellung der sozialbiologischen Annährung vgl. Hirshleifer, Jack: Competition, Cooperation, and Conflict in Economics and Biology, in: The American Economic Review, Bd. 68, 1978, S. 238-243. 39 Vgl. Hayek: The Fatal Conceit, S. 43ff. 40 Vgl. Hayek: The Constitution of Liberty, S. 28ff. 41 Den sehr interessanten Aspekt der Entstehung und des Ausbaus von Institutionen können wir nicht näher angeben, denn eine detaillierte Untersuchung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Man kann nur darauf hinweisen, daß die Evolutionstheorie für die Entstehung von Institutionen zuerst von Carl Menger entwickelt wurde. Vgl. (Hrsg.) Hayek, F.A. von: Menger, Carl: Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Ökonomie insbesondere, Gesammelte Werke, Bd. 2, 2. Aufl., Tübingen, 1969. Zur Zeit gibt es ein wachsendes Interesse in den Wirtschaftswissenschaften über die Institutionen und ihre Entstehung, so daß über einen Neuen Institutionalismus gesprochen wird. Vgl. z.B. die beiden Aufsätze von Langlois, Richard N. in dem von ihm herausgegebenen Sammelband: Economics as a Process, Cambridge, 1986, S. 1-25 und S. 225-255, wo er den Neuen Institutionalismus als Forschungsprogramm vorschlägt.
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8.4. Theorie des Marktprozesses: Wettbewerb und Unternehmertum Wenn man in der Literatur über die österreichische Schule bzw. die österreichische Tradition bezüglich der Wettbewerbstheorie spricht, nennt man als wichtigsten Vertreter Israel Kirzner. 42 Kirzner baut auf dem Werk Hayeks und Mises auf und hebt die Rolle des Unternehmers als Arbitrageur im Marktprozeß hervor. Nach Kirzner ist das größte Verdienst von Hayek, ein empirisches Element in die Analyse des Marktprozesses eingeführt zu haben, indem er ein abstraktes Muster in die Diskussion bringt, nach dem die rein formalen Wahlentscheidungen in einem Moment mit den rein formalen Wahlentscheidungen eines späteren Moments verbunden werden. 43 Mit anderen Worten will Hayek mit der Betonung des Lernprozeses erklären, wie aufeinanderfolgende Entscheidungen der Wirtschaftenden, welche Robbins'sche Maximierer sind44 (d.h. sie wollen mit knappen Mitteln ihre Ziele maximieren), mit einer inneren Logik zu verknüpfen sind. Im Gegensatz zu Hayek, der die Bedeutung des Lernens von Fakten betont, stellt Kirzner die Entdeckung von Gelegenheiten in den Vordergrund der Analyse. Während des Marktprozesses gibt es Koordinationslücken, d.h. es gibt Käufer, die bereit sind, ein Produkt zu einem höheren Preis zu kaufen, als es im selben Zeitpunkt ein bestimmter Verkäufer zu verkaufen bereit ist. So entsteht aber eine Gewinngelegenheit, die der Unternehmer auf Grund seiner Findigkeit ausnutzen kann und, als Arbitrageur handelnd, einen Gewinn zu verwirklichen vermag. 45 Die Rolle des Unternehmers im Marktprozeß besteht also darin, daß er die Pläne der Marktteilnehmer besser koordiniert. Das unternehmerische Element in diesem Prozeß ist die Findigkeit (alertness)46, die bei allen Menschen mehr oder weniger vorhanden ist47 , und dem Unternehmer die Möglichkeit gibt, alle Koordinationslücken,
42 So z.B. Littlechild, Stephen C.: Three types of market process, in: Economics as a Process, S. 28. 43 Vgl. Kirzner, Israel: Hayek, Knowledge and Market Processes in seinem Sammelband: Perception, Opportunity and Profit, Chicago, 1979, S. 25. 44 Nach der herrschenden Methodologie in den Wirtschaftswissenschaften besteht das ökonomische Problem darin, daß der wirtschaftende Mensch mit knappen Mitteln seine Zielfunktion zu maximieren sucht. Vgl. Robbins, Lionel: An Essay on the Nature and Significance of Economic Science, London, 1935. 45 Vgl. Kirzner, Israel: Wettbewerb und Unternehmertum, Tübingen, 1978, S. 39. Das amerikansiche Original trägt den Titel: Competition and Entrepreneurship, Chi cagO,1973. - Ct€L mv'ta (>Et" meinte Heraklit vor 2500 Jahren (man kann nicht zweimal denselben Fluß überqueren, alles ist immer im Fluß). Dieses ständige Fließen der Dinge bedeutet, daß es immer Evolution gibt LS. einer ständigen Bewegung, nicht aber einer Progression; eine Situation, welche nach einem Zeitverlauf entsteht, ist anders als jene, die ursprünglich existierte, nicht aber überlegen. Deshalb ist auch die Wirtschaft ein Prozeß, der evolutorisch vorgeht, nicht aber zwangsweise progressiv. Unser Konzept des spontanen Wissens will genau diese Dimension erleuchten. Die Evolution des ökonomischen Prozesses besteht in aujeinanderfolgenden Austauschakten, ist also eng mit dem Austauschprozeß verbunden. Damit wir die Beziehung zwischen Arbitrage und Evolution leichter erkennen, können wir uns den Austauschprozeß als ein Kontinuum von Austauschakten vorstellen. Dann besteht die Arbitragetätigkeit in der Koordinierung der Pläne der Individuen in jedem einzelnen Austauschakt. Die Reihe aufeinanderfolgender Arbitragen, welche den Austauschprozeß ausmacht und die Anknüpfung von spontanem Wissen bedeutet, ist die Evolution. Die zwei Marktseiten begegnen sich im Austauschprozeß, tauschen ihre Mittel aus und durch das spontane Wissen, das sie erwerben, transformieren sie ihren Ziel-Mittel-Rahmen, worin ja das Evolutionäre besteht. Die Innovation bzw. der technologische Wandel spielt dabei keine Rolle, sondern entsteht in einem anderen Zusammenhang, welchem wir uns jetzt zuwenden wollen. Die Technik bzw. Technologie ist die Anwendung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung in der Produktion. Die Innvoation ist (nach Schumpeter) die Durchsetzung neuer Kombinationen. 143 Diese beiden Grundaktiva jeder Gesellschaft werden innerhalb des Wettbewerbsprozesses eingeführt. Wir wollen zwischen ihnen unterscheiden, weil sie eine unterschiedliche Quelle haben. So ist die Quelle der in der Produktion angewandten Technologie die existierende Gesamtausstattung an Wissen der Gesellschaft. Das wissenschaftliche Wissen liegt meistens außerhalb des Prozesses und muß als exogenes Datum angesehen werden. Seine Umsetzung in der
auch die Vernunft selbst, werden durch den Markt in die Produktion umgesetzt und nicht durch Anordnung. Aber außer der bloßen Anwendung der Produkte der menschlichen Vernunft wird die Vernunft selbst innerhalb des Wettbewerbsprozesses entwikkelt, da sie davon Anregungen und Anreize erhält, nach neuen Wegen und Ideen zu suchen, damit sie sich bewähren kann. 143 Vgl. Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 100.
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Produktion wird von den Produzenten gemacht bei ihrem Versuch, sich während des Wettbewerbsprozesses zu bewähren. Die Konkurrenz zwingt die Teilnehmer, schon vorhandenes Wissen auch anzuwenden. Je höher die Konkurrenzintensität ist, desto mehr wird von den Produzenten versucht, neue Technologie in der Produktion anzuwenden. Die Quelle der Innovation ist die Intuition des Unternehmers. Sie besteht darin, daß neue Kombinationen von Produktionsfaktoren eingeführt oder breiter und richtiger angelegt werden, neue Kombinationen von vorhandenen empirischen Daten durchgesetzt werden. Die Innovation kann am besten als eine Art neuer, ökonomisch relevante Theorie betrachtet werden, welche auf die Offenheit (openness) der menschlichen Natur zurückzuführen ist. Da also die Technik bzw. Technologie darin besteht, das angehäufte empirische Wissen produktiv auszunutzen, ist die Innovation das Bindeglied der gemachten Erfahrung, welches auch in der Produktion umgesetzt wird. Das eine (Technologie) ist die Übertragung empirischen Wissens in die Produktion, das andere '(Innovation) ist die Entdeckung neuen, ökonomisch relevanten Wissens innerhalb der Produktion. Für die Innovation gilt dasselbe wie für die Technologie, daß sie um so mehr hervorgebracht wird, je größer die Konkurrenzintensität ist. Beides, Technologie und Innovation, sind in dem Maße, daß sie verwirklicht werden, zuständig dafür, daß der ökonomische Prozeß sich als fortschrittlich erweist. Technologie und Innovation sorgen dafür, daß ein ökonomischer Zustand nach dem Verlauf eines Zeitintervalls wirklich überlegener ist i.S. von ökonomisch besser, also kostengünstiger als der Anfangszustand. Der Fortschritt ist also, sofern überhaupt vorhanden, dem Wettbewerbsprozeß zuzurechnen. Er ist nicht in Verbindung mit dem Austauschprozeß zu setzen, da sich während seines Verlaufes Sitten und Regeln des Austausches entwickeln können (oder auch Institutionen, welche den Austauschprozeß erleichtern, z.B. Geld, Entwicklung von Einkaufszentren bzw. neuer Fonnen von Kontakten zwischen Nachfragern und Anbietern), nicht jedoch direkt neue Produktionsmethoden usw. initiiert werden. Deshalb sind Technologie und Innovation analytisch richtiger in bezug auf den Weubewerbsprozeß zu betrachten. Denn, obwohl einige Fonnen der Innovation, wie z.B. neue Marketingmethoden oder die Erschließung neuer Märkte, den Austauschprozeß als Ziel haben, entstehen diese jedoch unter dem Zwang der Konkurrenten innerhalb des Wettbewerbsprozesses. Nachdem wir den Austauschprozeß im Zusammenhang mit dem spontanen Wissen, der Arbitrage und der Evolution einer Wirtschaft analysiert haben und den Wettbewerbsprozeß, der mit dem absichtlichen Wissen, der Anwendung der Technologie und mit der Innovation zusammenhängt und
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
den Fortschritt einer Wirtschaft zu erklären vermag. betrachtet haben. wenden wir uns der dritten wichtigen Dimension des ökonomischen Prozesses zu. nämlich der Akkumulation. In unserer Betrachtungsweise bedeutet Akkumulation die Anhäufung von Wissen und hat als Ergebnis diese Art von Wissen. das wir am Anfang die Gesamtausstattung an Wissen der Gesellschaft genannt haben. Die aufeinanderfolgenden Austauschakte bringen anhäufendes spontanes Wissen mit sich. Das kann entweder die Form von Institutionen annehmen. welche in der Menger-Hayekschen Tradition als Ergebnis menschlichen Handeins. aber nicht menschlichen Entwurfs verstanden werden können l44 oder die Form von Austauschsitten und moralischen Regeln. All dieses kondensierte Wissen. einst erworben. wird zu der Gesamtausstattung an Wissen der Gesellschaft addiert. Auch die Innovationen und das neue Wissen. das sie bedeuten. werden zu diesem Bestand von Wissen addiert. So besteht dieser Wissensbestand einerseits aus Elementen der Kategorie des spontanen Wissens und andererseits aus Elementen der Kategorie des absichtlichen Wissens. welches ein Oberbegriff ist für alles. was in dem Wettbewerbsprozeß an Wissen erworben wird. Es versteht sich. daß dieser Wissens bestand nicht nur aus Kenntnissen besteht. welche innerhalb des Markt- bzw. Wettbewerbsprozesses auf die eine oder andere Weise erhalten werden. sondern auch all das beinhaltet. was man unter Kultur versteht. d.h. sowohl alles zweckfreie Wissen wie auch alle Formen von Kunst und Verhaltensweisen. Wir wollen nun die Beziehung zwischen diesem Wissensbestand und dem Austauschprozeß und der Arbitrage einerseits und dem Wettbewerbsprozeß und der Innovation bzw. Technologie andererseits analysieren. Wie wir gesehen haben. entstehen während des evolutorischen Prozesses der Austauschbeziehungen verschiedene Formen des spontanen Wissens (wie z.B. Institutionen. Kommunikationsmethoden usw.). welche dann einen Teil der Gesamtausstattung am Wissen der Gesellschaft ausmachen und akkumuliert werden. Die gleichgewichtsbringende Arbitrage. welche die Umsetzung des potentiellen spontanen Wissens in die Tat ist. induziert die Akkumulation. Die Gesamtausstattung an Wissen spielt andererseits eine große Rolle. vor allem in der Formung der Konsumentengewohnheiten. denn dafür spielen die Kultur und die verschiedenen Institutionen (z.B. plastisches Geld usw.) eine erhebliche Rolle.
144 Vgl. Hayek: Die Ergebnisse menschlichen HandeIns. aber nicht menschlichen Entwurfs. und Menger. earl: Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften. Ein wichtiger Aufsatz über die Institutionen und ihre Erklärung ist UllmannMargalit. Edna: Invisible Hand Explanations. in: Synthese. Bd. 39, 1978. S. 282-6.
Achtes Kapitel: Die österreich ische Tradition
155
Die Beziehung zwischen der Gesamtausstattung an Wissen einer Gesellschaft. die auch als die Summe der exogenen Daten verstanden werden kann. und dem Wettbewerbsprozeß ist komplexer. Einerseits ist die Technologie eine direkte Anwendung der Ergt:bnisse der Wissenschaft und so des zweckfreien Wissens in der Produktion während und wegen des Wettbewerbsprozesses. Andererseits ist die Beziehung zwischen Innovation und Akkumulation bzw. Wissensbestand zweifach. Die Innovation ist die Voraussetzung der Akkumulation von Wissen. welches absichtlich und wegen des Wettbewerbszwanges erworben wurde und sich auf neue Ideen bezüglich der Produktion bezieht. Ohne sie könnte eine Akkumulation von Wissen dieser Art nie verwirklicht werden. Der Bestand bzw. Vorrat an Wissen einer Gesellschaft spielt aber auch eine Rolle für die Verwirklichung von Innovationen. Denn diese sind neue Kombinationen von etwas. und dieses etwas ist das vorhandene empirische Material. welches nicht nur für den Innovator. sondern potentiell für alle zur Verfügung steht. Es liegt in den besonderen Fähigkeiten des Innovators. dieses empirische Wissen auszunutzen. indem er eine neue Kombination von ihnen. eine neue Theorie ihrer Ausnutzung erfindet. Fazit: Das Arbeiten mit Wissenskategorien mag vielleicht abstrakt erscheinen und sich schwer in quantitative Kategorien fassen lassen. es erlaubt uns aber eine Reihe von Einsichten. die sonst schwer zu erlangen wären. Die Begriffe der Arbitrage und der Evolution werden beleuchtet und in Verbindung mit dem Austauschprozeß gesetzt. Die Innovation und Technologie sind zuständig für den wirtschaftlichen Fortschritt und entstehen im Wettbewerbsprozeß. Und die Gesamtausstattung an Wissen. die exogenen Daten einer Gesellschaft werden auch in enge Beziehung zu dem ökonomischen Prozeß gebracht. Die Voraussetzungen für die Entstehung des Wettbewerbs- und des Marktprozesses werden ausführlich im nächsten Kapitel behandelt. 145 Das Gleiche gilt auch für die Ergebnisse des Wettbewerbs- bzw. Marktprozesses. In dieser Phase ist nur versucht worden. die dahinterstehenden Mechanismen zu analysieren und in Verbindung mit der Kategorie des Wissens zu bringen. In der folgenden Abbildung wollen wir die wichtigsten Charakteristika des Prozesses aufzeigen:
145
Siehe Kap. 9.5.3. und 9.5.6.
WettbewerbsprozeB: Anbiete< Suche nach absichUichem Wissen der Produzenten: Entstehung der Innovationen und Anwendungen neuer Technologien: Fortschritt
AustauschprozeB: Spontanes Wissen
Wettbewerbsprozeß: Nachfrager Suche nach absichtlichem Wissen der Nachfrager \
1
Ich
\
1
und Technologie
Wegen IMovatiOO
Fcr1sohrift:
e.ogene Oaten-Gnamtausstattung
und
.,....................................................................
W.._prozoB
Abb. 4: Wettbewerbsprozeß. Austauschprozeß und Wissen
- usw.
Verhalt.nsr89e1n
- Verhaltensweisen bzw.
. Zweckfreies Wissen (Wissenschaft) -Kultur • Institutionen
an Wissen der Gesellschaft
AAkumulation
1
AustauaollprozoB
und
Akkumulation
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Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
157
Neuntes Kapitel
Die Systemtheorie 9.1. Dynamik und Gesamtmarktkonzeption Aus dem Unbehagen und der Unzufriedenheit mit den preistheoretischen Modellen und später mit der Theorie der workable competition als Ansatzpunkte für die Wettbewerbspolitik. ist die neuklassische. neoklassische oder systemtheoretische Wettbewerbstheorie 1 entwickelt worden. deren Hauptkategorie die Wettbewerbsfreiheit ist. In direkter Anlehnung an die nationalökonomischen Klassiker versuchte zuerst Hoppmann. der der Vater dieser wettbewerbstheoretischen Forschungsrichtung ist. den Wettbewerb als ein dynamisches Phänomen darzustellen und die Beziehung zwischen ihm und der Freiheit zu analysieren. Man kann zwischen zwei Phasen dieser Art des wettbewerbstheoretischen Denkens unterscheiden. Die erste beginnt Mitte der 60er Jahre mit den ersten bahnbrechenden Arbeiten Hoppmanns. und ihr Hauptcharakteristikum ist die Hervorhebung der Dynamik des Wettbewerbs. welche im Vordergrund der Analyse steht und die neue Betrachtungsweise einführt. In der zweiten Phase rückt die Gesamtmarktbetrachtung in den Mittelpunkt der Analyse. und die Systemanalyse wird als die geeignete Forschungsmethode propagiert. Diese Phase beginnt am Anfang der 70er Jahre. als Hoppmann unter dem eindeutigen Einfluß von Hayek und der österreichischen Tradition den Wettbewerb in bezug auf die spontane Ordnung analysiert. Seit Ende der 70er Jahre wird die Systembetrachtung von mehreren Autoren übernommen. und allmählich wird diese Forschungsrichtung autonomisiert und als alternatives Forschungsprogramm in der Wettbewerbstheorie angeboten. Nährboden dieser Forschungsrichtung in den beiden Phasen ist die Kritik an der neoklassischen. preistheoretischen Tradition der Modellbildung. Der Bruch mit der preistheoretischen Denkweise begrenzt sich nicht nur auf die wettbewerbstheoretischen Grundlagen. sondern erstreckt sich auch auf Fragen der Methode und natürlich der vorgeschlagenen Wettbewerbspolitik.
I Die Benennung dieser Wettbewerbstheorie hat eine große terminologische Verwirrung in der Literatur ausgelöst. Am Anfang hat Hoppmann seine Ideen "neoklassisches Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs" genannt, was zu einer Gleichsetzung mit der "neoklassischen Preistheorie" verleitete. Einige Autoren nannten dann, um diese Verwirrung zu vermeiden, die Theorie von Hoppmann "neoklassische Wettbewerbstheorie". Später sprach Hoppmann von der "sytem- oder sozialtheoretisch konzipierten Wettbewerbstheorie". um sein Freiheitskonzept klar von den preistheoretischen Modellen abzugrenzen.
158
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Diese Vorgehensweise der Systemtheoretiker hat wesentlich dazu beigetragen, daß Preistheorie und Wettbewerbs theorie als antithetisch anstatt als synthetisch oder komplementär angesehen werden. 2 Da diese neoklassische Wettbewerbstheorie gezielt als eine alternative Basis für die Wettbewerbspolitik formuliert worden ist, besteht bei ihr das übliche Problem, daß die Theorie eng mit Normen verflochten ist. Wir werden versuchen, die theoretischen Aussagen soweit wie möglich vorzustellen und zu kritisieren und nur am Rande die wettbewerbspolitischen Folgerungen zu diskutieren. Dabei wollen wir uns der zeitlichen Unterscheidung, die wir eingeführt haben, bedienen. 9.2. Der harte Kern der Theorie In der ersten Phase der Entwicklung der Systemtheorie ist auch der harte Kern der Theorie von Hoppmann (Hoppmann I) formuliert worden. Er kann in den folgenden sechs Aussagen zusammengefaßt werden. I.
Die Trennung des Wettbewerb von dem vollkommenen Wettbewerb im Sinne eines stationären Wettbewerbsgleichgewichts. 3 So ist zwischen Voraussetzungen und Eigenschaften des Gleichgewichts zu unterscheiden. Die Eigenschaft des Gleichgewichts ist das Mittel, womit die Preistheorie üblicherweise die "vollkommene Konkurrenz" beschreibt, und diese umfaßt die Homogenität der Güter, die Einheitlichkeit des Preises, die Anzahl der Marktteilnehmer usw. Die Voraussetzungen des Gleichgewichts umfassen stattdessen zweierlei: a) die statischen Voraussetzungen wie z.B. ein gegebener technischer Horizont, eine gegebene Ertragsfunktion, eine gegebene Nachfrage usw. und b) den Wettbewerb. Wettbewerb ist also als eine Voraussetzung des Zustandekommens eines Gleichgewichts zu verstehen und nicht mit ihm zu identifizieren.
2 Das war jedoch nicht immer so. Hoppmann selbst erkannte früher an, daß das statische Modell der vollkommenen Konkurrenz auch als Ausgangszustand für die Analyse des Wettbewerbsprozesses dienen kann. Die "Theorie der vollkommenen Konkurrenz" müsse als "Preistheorie" in einer umfassenden "Wettbewerbstheorie" aufgehen. Vgl. Hoppmann: Von der Preistheorie zur Wettbewerbstheorie, S. 373. J Vgl. Hoppmann: Preismeldestellen und Wettbewerb, S. 424ff., und ders.: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, S. 205ff.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
159
11.
Die Non-Dilemma-These. Beim klassischen Hoppmann (Hoppmann I) finden sich zwei Formulierungen der Non-Dilemma-These. 4 a) Ist Wettbewerbsfreiheit vorhanden, dann existiert auch eine Freiheit zur Innovation und Imitation. Finden diese letzteren statt, dann werden die statischen Voraussetzungen des Gleichgewichts aufgehoben, wobei der Wettbewerb unabhängig davon existent bleibt. Es wird also angenommen, daß die Innovationen endogen aus dem Wettbewerbsprozeß erwachsen. Da aber Innovation und Imitation mit "innovatorischem" respektive "imitatorischem" Wettbewerb vereinbar sind, besteht kein Widerspruch zwischen wirtschaftlichem Fortschritt und Wettbewerb. Somit gibt es auch kein Dilemma zwischen beiden, wenn sie als Ziele der Wettbewerbspolitik formuliert werden. b) Wenn freier Wettbewerb existiert, dann realisieren alle Marktteilnehmer "individuelle ökonomische Wettbewerbsvorteile". Somit erweist sich der Wettbewerb auch insgesamt als ökonomisch vorteilhaft.
IH.
Die Existenz einer "spirit of competition". Sich um die Wette bewerben, ist ein ursprünglicher menschlicher Trieb, der von der guten Eris im Epos Hesiods "Werk und Tage" symbolisiert wird. 5 Es gibt somit einen natürlichen, den Menschen immanenten Trieb, miteinander zu konkurrieren, und das offenbart sich in der langen Geschichte der Existenz des wettbewerblichen Phänomens.
IV.
Die Unterscheidung des Wettbewerbsprozesses in Austausch- und Parallelprozeß. 6 Im Austauschprozeß kommen die beiden Marktseiten in Berührung, und Produkte bzw. Dienstleistungen werden gekauft oder
4 Für die erste Formulierung vgl. Hoppmann: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, S. 206ft, und für die zweite vgl. ders.: Wettbewerb als Norm der Wettbewerbspolitik, in: Ordo, Bd. 18, 1967, S. 80ff, und ders.: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, in: (Hrsg.) Schneider, H.K., Grundlagen der Wettbewerbspolitik, Berlin 1968, wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 243ff. Für die allererste Kritik der Dilemma-These vgl. ders.: Workable Competition. Die Entwicklung einer Idee über die Norm der Wettbewerbspolitik, in: Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins, Bd. 102, 1966, S. 262ff. S Vgl. Hoppmann: Wettbewerb als Norm der Wettbewerbspolitik, S. 79, und ders.: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 240. 6 Vgl. Hoppmann: Wettbewerb als Norm der Wettbewerbspolitik, S. 86ff., und ders.: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 265ff.
160
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
verkauft. Im Parallelprozeß der Wettbewerber auf der gleichen Marktseite werden drei Aspekte unterschieden. 7 Erstens kann der Wettbewerb tatsächlich oder potentiell sein. Zweitens sind unterschiedliche Wettbewerbsparameter bzw. Wettbewerbsmittel wie z.B. Preis. Qualität. Konditionen. Rabatte usw. bei den einzelnen Wettbewerben vorhanden. Drittens gibt es zwei Phasen des dynamischen Wettbewerbsprozesses. die Vorstoßphase und die Verfolgungsphase. bzw. es gibt den vorstoßenden und den verfolgenden Wettbewerb. Diese beiden Phasen kommen sowohl bei dem potentiellen wie auch bei dem tatsächlichen Wettbewerb vor. Außerdem sind sie bei sämtlichen Aktionsparametem relevant. Die beiden Prozesse des Austausch- und des Parallel prozesses bedingen sich gegenseitig und machen zusammen das Phänomen Wettbewerb aus. V.
Ablehnung des Marktergebnistests als Hilfsmittel der Wettbewerbspolitik. 8 Stattdessen wird ein "Test der Wettbewerbsfreiheit" bzw. "Marktmacht-Test" vorgeschlagen. der der Norm des freien Wettbewerbs adäquat ist.
VI.
Das Problem der Ausnahmebereiche. Hoppmann unterscheidet zwischen zwei Arten von Ausnahmebereichen. Wenn in irgendeinem Wirtschaftsbereich die natürlichen Wettbewerbshemmnisse zu groß sind. so handelt es sich um einen echten Ausnahmebereich. 9 Wenn aus politischen Gründen die ökonomischen Auswirkungen des Wettbewerbs in einem Wirtschaftsbereich unerwünscht sind und er deswegen zum Ausnahmebereich erklärt wird. dann handelt es sich um einen politischen Ausnahmebereich. lO 9.3. Die Weiterentwicklung der Theorie
Die sechs Haupuhesen. die den harten Kern der neoklassischen Wettbewerbstheorie ausmachen und von Hoppmann formuliert worden sind (Hopp-
7 Zum ersten Mal über die verschiedenen Aspekte des Wettbewerbs schrieb Hoppmann in: Preismeldestellen und Wettbewerb. S. 428ff. 8 Vgl. Hoppmann: Workable Competition. Die Entwicklung einer Idee über die Norm der Wettbewerbspolitik. S. 268ft.• ders.: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept. S. 200-203 und S. 219-222. ders.: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs. S. 271-273. 9 Vgl. Hoppmann: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept. S. 223. 10 Ebda.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
161
mann 1), wurden in der zweiten Entwicklungsphase um weitere theoretische Aussagen ergänzt und weiterentwickelt. Der Bruch mit der Preistheorie wird vervollständigt und es wird eine fast völlig unabhängige, alternative Theorie ausgearbeitet. So sind noch vier weitere Aussagen zu erwähnen (Hoppmann
11).
VII. Die Non-separabilis-These. Sie ist die Hauptthese dieser zweiten Phase der Systemtheorie und besagt, daß der Wettbewerb ein einheitlicher Prozeß ist, der nicht in Teilprozesse gespalten werden darf. Sie fußt auf der Einsicht, daß der Markt immer als ein Gesamtmarkt zu betrachten ist, und daß keine isolierte Analyse eines Teilmarktes zulässig ist. II Diese Gesamtmarktkonzeption erscheint 1972 12 zum ersten Mal klar und rückt allmählich Mitte der 70er und 80er Jahre l3 in das Zentrum der Analyse von Hoppmann. Der Einfluß der österreichischen Tradition ist dabei offensichtlich, da Hoppmann viele Thesen von Hayek, Kirzner und Miser explizit übernimmt. Diese Gesamtmarktkonzeption ist der Baustein der Systembetrachtung, die sich Hoppmann aneignet und wird mit Evolutionsgedanken kombiniert. Somit wird in einer Theorie die Gesamtmarktkonzeption, die Evolution, das Unternehmertum und der Koordinationsprozeß behandelt und das alles unter dem Blickwinkel der Systembetrachtung.
11 Diese These geht auf Ludwig von Mises zurück. Vgl. z.B. Mises, Ludwig: (Art.) Markt. in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Bd. 7. Stuttgart u.a., 1965. S.133. 12 Vgl. Hoppmann. Erich: Fusionskontrolle, Tübingen. 1972. wo er den Marktprozeß als Koordinationsmechanismus beschreibt. S. 60ff. 13 Vgl. Hoppmann: Volkswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung des Kartell- und Monopolrechts, S. 322ff.. ders.: Marktmacht und Wettbewerb, Tübingen. 1977. davon S. 5-18 wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb. vor allem S. 337. ders.: Das Konzept des wirksamen Preiswettbewerbs. Tübingen. 1978, S. 15f., ders.: Wettbewerb und Wachstum in marktwirtschaftlichen Ordnungen. in: (Hrsg.) StreißIer. E./Supper. M.{feufelsbauer. W.: Zur Theorie marktwirtschaftlicher Ordnungen. Tübingen. 1980. wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb. S. 349ff., ders.: Gleichgewicht und Evolution - Voraussetzungen und Erkenntniswert der volkswirtschaftlichen Totalanalyse. in: (Hrsg.) Issing. 0.: Festschrift für Erich Carell. Baden-Baden. 1980. wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb. S. 102ff.• ders.: Über Funktionsprinzipien und Funktionsbedingungen des Marktsystems, in: (Hrsg.) Wegehenkel. L.: Marktwirtschaft und Umwelt. Tübingen 1981, wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb. vor allem S. 120ff., ders.: Wettbewerbspolitik in Deutschland. in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik. Jg. 31. 1982, wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, vor allem S. 357359.
11 Mantzavinos
162
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
VIII. Der Wettbewerb ist ein komplexes Phänomen und man kann ihn weder mit statischen Modellen erfassen, noch Einzelvoraussagen bezüglich seiner Ergebnisse formulieren. Man kann lediglich Erklärungen des Prinzips liefern und man muß sich nur auf Muster-Voraussagen beschränken. 14 Diese Voraussagen des allgemeinen Musters enthalten keine Aussagen über das konkrete Handeln von einzelnen Individuen oder Unternehmen, die notwendigen Daten für eine konkrete Voraussage sind wegen der Komplexität des sozialen Lebens so zahlreich, daß sie keinem einzelnen Individuum zur Verfügung stehen können. 15 IX.
Eine besondere Stellung in der Theorie des späteren Hoppmann, die direkt mit der Gesamtmarktbetrachtung zusammenhängt, nimmt die Behandlung der Problematik der Abgrenzung des relevanten Marktes ein. 16 Hoppmann lehnt jeden Versuch, den relevanten Markt abzugrenzen mit dem Argument ab, daß die Analyse der kompetitiven Verhältnisse und die Abgrenzung des relevanten Marktes ein einheitlicher analytischer Vorgang sind. 17 Der sachlich, räumlich und zeitlich relevante Markt ist nicht jedem Unternehmer vorgegeben, sondern wird von ihm mitbestimmt und ist insofern für ihn ein Aktionsparameter. 18 Deshalb ist die Ermittlung des relevanten Marktes mit der Ermittlung der Konkurrenzbeziehungen zwischen den Unternehmern äquivalent, und man kann nicht in einem ersten Schritt den relevanten Markt
14 Vgl. Hoppmann: Fusionskontrolle, daraus S. 7-28 wiederabgedruckt unter dem Titel: Grundsätze marktwirtschaftlicher Wettbewerbspolitik in seinem Aufsatzband: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 312, ders.: Volkswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung des Kartell- und Monopolrechts, S. 325, ders.: Das Konzept des wirksamen Preiswettbewerbs, S. 29, ders.: Wettbewerb und Wachstum in marktwirtschaftlichen Ordnungen, S. 347, ders.: Über Funktionsprinzipien und Funktionsbedingungen des Machtsystems, S. 120. 15 Auf der Komplexität des Marktphänomens und die Möglichkeit der MusterVoraussagen hat zuerst Hayek verwiesen. Über genaue Literaturhinweise vgl. S. 144, Anm.32. 16 Vgl. Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, Baden-Baden. 1974, daraus S. 1-18 wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 504-514, ders.: Zur Abgrenzung des relevanten Marktes im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen bei Arzneimitteln. Eine ergänzende Bemerkung, in: Betriebs-Berater, Jg. 1976, S. 378-379. 17 Vgl. Hoppmann: Fusionskontrolle, daraus S. 29-58 wiederabgedruckt unter dem Titel: Fusionskontrolle als "direkte Intervention" in seinem Aufsatzband Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 496. 18 Vgl. Hoppmann: Fusionskontrolle als "direkte Intervention", S. 494.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
163
abgrenzen und in einem zweiten den Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern bestimmen. Die von Hoppmann vorgeschlagene Wettbewerbspolitik geht von der Non-Dilemma-These aus und erkennt keinen Zielkonflikt zwischen Wettbewerbsfreiheit und der Erzielung ökonomischer Effizienz an. Der Inhalt der Wettbewerbspolitik besteht hauptsächlich in der Bestimmung von hinreichenden Aktionsspielräumen der Marktteilnehmer und in der Behandlung des Problems der Abgrenzung des Spielraumes jedes einzelnen Teilnehmers gegen die Spielräume der anderen. Diese Wettbewerbspolitik, die direkt in der Systembetrachtung ihre Quelle hat, fokussiert ihren Versuch in der Formulierung von abstrakten, negativen Regeln, deren Befolgung durch die Marktteilnehmer die Reibungslosigkeit des Marktprozesses garantiert. 19 Deshalb wird ein Kartellbzw. Monopolrecht favorisiert, das so weit wie möglich aus per seVerboten besteht und der Kartellbehörde keine großen Ermessensspielräume gewährt. 2o So kann die Wettbewerbsfreiheit am besten geschützt werden, und so können der Marktprozeß und die soziale Interaktion der Individuen ihre guten Ergebnisse hervorbringen. 9.4. Die Hoppmann-Tolksdorf Kontroverse Die Ansichten Hoppmanns kombiniert mit seiner verheerenden Kritik an dem Konzept Kantzenbachs haben eine weitgehende Dissonanz im Fach gefunden. Als erster hat Tolksdorf Kritik an der neoklassischen Theorie Hoppmanns geübt, was eine Kontroverse (ebenfalls in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik) auslöste, an welcher auch Schmidtchen teilnahm. 21
19 Vgl. Hoppmann, Erich: "Neue Wettbewerbspolitik": Vom Wettbewerb zur staatlichen Mikro-Steuerung. Bemerkungen zu einem "neuen Leitbild der Wettbewerbspolitik", in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 184, 1970, wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 290ff., ders.: Grundsätze marktwirtschaftlicher Wettbewerbspolitik, S. 298-306 und 313-317, ders.: Fusionskontrolle, S. 59ff., ders.: Über Funktionsprinzipien und Funktionsbedingungen des Marktsystems, S. 130ff.• ders.: Wettbewerbspolitik in Deutschland, S. 359ff. 20 Dazu vgl. z.B. Hoppmann: Volkswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung des Kartell- und Monopolrechts, S. 324ff. 21 Vgl. Tolksdorf. Michael: Hoppmanns neoklassische Wettbewerbstheorie als Grundlage der Wettbewerbspolitik, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 183, 1969, S. 61-72, Hoppmann, Erich: Zur ökonomischen Begründung von Ausnahmebereichen, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 187, 1973, S. 161-169, Tolksdorf: Zur ökonomischen Begründung von Ausnahmebereichen.
164
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Der Kern der Kritik von Tolksdorf ist, daß das Konzept Hoppmanns tautologisch ist. zZ Obwohl Hoppmann einen Marktergebnistest ablehnt, kommt er ohne eine Beurteilung der Ergebnisse des Wettbewerbs nicht aus. Indem er die Wirtschaftsbereiche in solche, wo Wettbewerb möglich ist, und in Ausnahmebereiche unterteilt, nimmt er implizit auch einen PerformanceTest vorweg. So sind die Wirtschaftsbereiche, in denen bei freiem Wettbewerb ein gutes Ergebnis zu erwarten ist, als wettbewerbliehe Bereiche klassifiziert. Auf der anderen Seite werden solche Wirtschaftsbereiche, in denen, aufgrund der Existenz von z.B. economies of scale, ein freier Wettbewerb zu einem schlechten Ergebnis führen würde, als Ausnahmebereiche klassifiziert. Damit wird aber das ganze Konzept tautologisiert: "Der freie Wettbewerb bringt ein gutes Ergebnis im Wettbewerbsbereich, weil er ein gutes Ergebnis bringt (wenn nicht, dann wäre er ja ein Ausnahmebereich). Im Ausnahmebereich dagegen bringt der freie Wettbewerb ein schlechtes Ergebnis, und weil er voraussichtlich ein schlechteres Ergebnis bringt, ist es ein Ausnahmebereich. "Z3 SO hat Hoppmann von vornherein die DilemmaThese wegdefiniert: "Da Wettbewerb nur in dem Bereich stattfinden soll, in dem er ein gutes Ergebnis bringt, so bringt er zwangsläufig auch das gute Ergebnis: Das Dilemma ist umgangen. ,,24 Hoppmann brachte hauptsächlich drei Argumente gegen diesen Vorwurf der Tautologie von Tolksdorf vor, nämlich die Unterscheidungen "nomokratische vs. teleokratische Konzeption", theoretisch vs. normativ" und "MusterVoraussage vs. Voraussage individueller Ereignisse".z5 Die beiden ersten Unterscheidungen beantworteten die Hauptfrage nicht und sind deshalb irrelevant. z6 Nur das Argument der Muster-Voraussage könnte als ein ernst-
Bemerkungen zu E. Hoppmanns Erwiderung, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Bd. 187. 1973. S. 543-549, Hoppmann: Noch einmal zur ökonomischen Begründung von Ausnahmebereichen. in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Bd. 188. 1974. S. 256-267. Schmidtchen. Dieter: Wider den Vorwurf. das neoklassische Wettbewerbskonzept sei tautologisch: Eine Antikritik aus wissenschaftslogischer und markttheoretischer Sicht. in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Bd. 191. 1976n7. S. 428-454. 22 Vgl. Tolksdorf: Hoppmanns neoklassische Wettbewerbstheorie als Grundlage der Wettbewerbspolitik. S. 68. 23 Ebda. 24 Ebda. 25 Vgl. Hoppmann: Zur ökonomischen Begründung von Ausnahmebereichen. S. 163. Hoppmann: Noch einmal zur ökonomischen Begründung von Ausnahmebereichen. S. 256ft. 26 Dieser Meinung ist auch Möschel in seinem aufklärenden Aufsatz über die Kontroverse. Vgl. Möschel. Wemhard: Zur wettbewerbstheoretischen Begründbarkeit von Ausnahmebereichen. in: Ordo. Bd. 32. 1981. S. 88-90. Auch Schmidtchen be-
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
165
hafter Versuch angesehen werden auf die zentrale Frage, nämlich wie es möglich ist, ohne die Bewertung von Marktergebnissen eine bestimmte Branche als Ausnahmebereich zu klassifizieren, eine den Tautologie-Vorwurf aufhebende Antwort zu finden. So ist Hoppmann der Ansicht, daß die Voraussage individueller Ereignisse für den reduktionstheoretischen Ansatz charakteristisch und für einen (von ihm abgelehnten) Performance-Test geeignet ist. 27 Die Entscheidung über einen Ausnahmebereich erfordert jedoch keine solchen Voraussagen bzw. Performance-Tests, sondern sie benötigt eine allgemeine Voraussage aufgrund allgemeiner Bedingungen des betreffenden Bereichs. Hoppmann führt das Beispiel der Landwirtschaft ein, in der "bäuerliche Betriebe vorherrschen und die Unterbewertung der eigenen Arbeit der Bauern zu bestimmten allgemeinen Ergebnissen führt".28 Aufgrund einer solchen allgemeinen Voraussage könnte entschieden werden, ob ein Ausnahmebereich zu schaffen wäre (übrigens nimmt Hoppmann Abstand von seiner früheren Unterscheidung der Ausnahmebereiche zwischen "echten" und "politischen" und erkennt an, daß Ausnahmebereiche immer Ergebnis politischer Entscheidungen sind. 29) Schmidtchen versucht, indem er den Begriff "Möglichsein des Wettbewerbs" davon abhängig macht, "ob es wirtschaftspolitische Mittel gibt, die angesichts der strukturellen Eigenschaften der Realität in der Lage sind, die für Wettbewerb notwendigen Voraussetzungen zu schaffen", das neoklassische Konzept vor dem Tautologieeinwand zu retten. JO Indem er also die Non-Dilemma-These als empirische Aussage zu formulieren versucht, untersucht er, ob die von Tolksdorf vorgebrachten Beispiele sie zu falsifizieren vermögen. JI Da aber Tolksdorf erstens nur denkbare Ergebnisse und keine historischen Beispiele anführt und zweitens die zeitliche Dimension unberücksichtigt läßt, ist es ihm, nach der Ansicht von Schmidtchen, nicht gelungen, die Non-Dilemma-These zu falsifizieren.
merkt, daß diese von Hoppmann gewählte Gegenstrategie der drei Unterscheidungen nur schwer den Bezug zum eigentlichen Tautologieeinwand herzustellen vermag. Vgl. Schmidtchen: Wider den Vorwurf, das neoklassische Wettbewerbskonzept sei tautologisch, S. 429. 27 Vgl. Hoppmann: Zur ökonomischen Begründung von Ausnahmebereichen, S. 163. 28 Ebda. 29 Vgl. Hoppmann: Zur ökonomischen Begründung von Ausnahmebereichen, S. 165f. 30 Vgl. Schmidtchen: Wider den Vorwurf, das neoklassische Wettbewerbskonzept sei tautologisch, S. 435. 31 Vgl. Schmidtchen: Wider den Vorwurf, das neoklassische Wettbewerbskonzept sei tautologisch, S. 441ff.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Ob die Theorie Hoppmanns tautologisch ist oder nicht, und ob sie falsifiziert ist oder nicht, ist nach dem Abschluß der Kontroverse noch offen geblieben. Sie kann nur beantwortet werden, nachdem man die theoretischen Probleme, nämlich die Fragen bezüglich der Non-Dilemma-These, der Gesamtmarktkonzeption und der Komplexität des Marktsystems geklärt hat. Diesen drei theoretischen Themen, die auch den Kern der Systemtheorie ausmachen, wollen wir uns jetzt zuwenden. 9.5. Die Non-Dilemma-These Die Non-Dilemma-These ist vielleicht die zentrale These der Systemtheorie und eine der wichtigsten theoretischen Aussagen der Wettbewerbstheorie überhaupt. Sie wird auf einem hohen Abstraktionsniveau formuliert und betrifft die Funktionsweise des ganzen Marktsystems. Nachdem sie zuerst von Hoppmann aufgestellt worden war, trat sie in verschiedenen Formulierungen im wettbewerbstheoretischen Schrifttum auf. Wir wollen die wichtigsten Formulierungen behandeln und sie auf ihren empirischen Gehalt prüfen.
9.5.1. Der normative Aspekt der Non-Dilemma-These Die Harmoniethese enthält zwei normative Aspekte. Der erste, in gewissem Sinne direkte, Aspekt ist ihre normative Formulierung als Inexistenz eines Dilemmas zwischen erwünschter Wettbewerbsfreiheit und erwünschten Marktergebnissen bzw. zwischen den wettbewerbspolitischen Zielen Wettbewerbsfreiheit und ökonomische Vorteilhaftigkeit. 32 Will man jedoch die Non-Dilemma-These einer erfahrungswissenschaftlichen Kritik unterwerfen, muß man sie positiv formulieren und vom Problem der Zielkompatibilität abstrahieren. Dann vermag man eine Klärung bezüglich des empirischen Aspektes der Harmoniethese zu erreichen, so ist es leicht, die Ergebnisse der Analyse mit einem Werturteil zu versehen und als mögliche Ziele der Wirtschaftspolitik zu betrachten bzw. zu analysieren. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Formulierung des zweiten Teiles der Harmoniethese, nämlich, daß der Wettbewerb, der sich aufgrund von Wettbewerbsfreiheit entfaltet "ökonomische Vorteilhaftigkeit" als Ergebnis hat. So werden die Wettbewerbsergebnisse, die in der Non-Dilemma-These
32 Vgl. Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 240f.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
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angesprochen werden, mit dem Werturteil der ökonomischen Vorteilhaftigkeit versehen und damit wird ein normatives Element in die Analyse eingeführt. 33 So z.B. wenn Hoppmann schreibt: "Entscheidend ist, daß gute Ergebnisse durch den Wettbewerb erzwungen sind".34 Die Non-Dilemma-These kann von diesem zweiten normativen Aspekt relativ leicht entbunden werden; dazu verhelfen uns die Aussagen Hoppmanns, welche die "ökonomische Vorteilhaftigkeit" näher präzisieren: "Wettbewerb soll die Leistung steigern, die Kosten senken, die Produktion in Richtung auf die Wünsche der Nachfrager lenken, technische Fortschritte bewirken, er soll unverdiente Gewinne verhindern, bessere Leistungen belohnen und anderes" .35 Diese Aussage erläutert, welches die Wirkungen eines freien Wettbewerbs sind und machen klar, daß sie durchaus positiv formulierbar sind. Da also der Begriff "ökonomische Vorteilhaftigkeit" seinen normativen Mantel abgelegt hat, können wir zur wesentlichen Aufgabe kommen und die Non-Dilemma-These in ihrem erfahrungswissenschaftlichen Sinne bezüglich ihres empirischen Gehalts prüfen.36 Bevor wir es tun, wollen wir kurz unsere Aufmerksamkeit dem Tautologievorwurf schenken.
9.5.2. Der Tautologievorwurf Die Non-Dilemma-These in ihrer ursprünglichen Form besteht aus zwei Aussagen. Die erste besagt, daß Voraussetzung für das Zustandekommen von Wettbewerb die Wettbewerbsfreiheit ist. Die zweite verknüpft den so zustandegekommenen Wettbewerb mit guten ökonomischen Ergebnissen. 37 Vgl. Willeke: Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen. S. 56f.• Fn. 73. Vgl. Hoppmann: Wettbewerb als Norm der Wettbewerbspolitik. S. 91. Auch Schmidtchen bemerkt. daß die von Hoppmann verwendeten Ausdrücke "gute" ökonomische Ergebnisse bzw. "ökonomisch vorteilhafte" Ergebnisse wertende Ausdrücke sind. Vgl. Schmidtchen: Wider den Vorwurf. das neoklassische Konzept sei tautologisch. S. 429. Fn. 4. 35 Vgl. Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs. S. 245. 36 So können wir auch der Forderung Hoppmanns genügen. einen Falsifizierungsversuch unternehmen und somit eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Non-Dilemma-These wagen. Vgl. über diese "Beschwerde" Hoppmanns: Grundsätze marktwirtschaftlicher Wettbewerbspolitik. S. 308f. 37 Damit es keine begriffliche Verwirrung gibt. werden wir weiterhin den ursprünglichen Terminus "gute ökonomische Ergebnisse" bzw. "ökonomische Vorteilhaftigkeit" benutzen und damit alle zuvor erläuterten Wirkungen des Wettbewerbs meinen. Das machen wir. obwohl ein scheinbarer Widerspruch zwischen normativer Etikette und positivem Inhalt besteht. damit wir der Terminologie Hoppmanns so weit wie möglich nahebleiben. J3
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Damit man die Non-Dilemma-These empirisch überprüfen kann, muß man diese beiden Thesen unabhängig voneinander überprüfen und versuchen, sie zu falsifizieren. An genau diesem Punkt erhebt sich der Tautologievorwurf: Hoppmann definiert die relevanten Begriffe nicht unabhängig voneinander und somit wird die ganze Problematik wegdefiniert. Das sei näher erläutert. Hoppmann definiert Wettbewerb als "jenes komplexe System von Marktprozessen, das aufgrund der Freiheit, an Marktprozessen teilnehmen und innerhalb dieser nach eigenem Plan tätig sein zu können, herauswächst. Wettbewerb ist deshalb mit Hilfe der Wettbewerbsfreiheit als der differentia specifica zu definieren. Wettbewerb sind dann jene Marktprozesse, die sich entfalten unter der Bedingung' Abwesenheit von Beschränkungen der Wettbewerbsfrei-heit"'.38 An einer anderen Stelle heißt es: "Wettbewerb ist also ein Marktprozeß, in dem sich Wettbewerbsfreiheit 'manifestiert', weil in ihm bestimmte wirtschaftliche Freiheiten zum Ausdruck kommen"39. Es ist also klar, daß für Hoppmann die Begriffe "Wettbewerb" und "Wettbewerbsfreiheit" nicht unabhängig voneinander definiert werden. Die Wenn-Komponente der ersten theoretischen Aussage ist nicht unabhängig von der Dann-Komponente. Insofern wird dieser erste Teil der Non-Dilemma-These zu einem analytischen Satz transformiert, der aufgrund der definitorischen Abhängigkeit des Wenn-Satzes von dem Dann-Satz immer logisch war und empirisch gehaltlos ist. In einem zweiten Schritt lassen sich Aussagen auch bezüglich des zweiten Gliedes der Non-Dilemma-These bei Hoppmann, wie die folgende finden: "Es läßt sich nur sagen, daß Wettbewerb für alle vorteilhaft ist. Wettbewerbspflicht ist also Voraussetzung für eine so verstandene ökonomische Vorteilhaftigkeit. Wettbewerbsfreiheit und ökonomische Vorteilhaftigkeit sind zwei Aspekte desselben wettbewerblichen Prozesses, sie sind zwei Seiten derselben Medaille"40. Aus diesem Zitat wird klar, daß auch bezüglich des zweiten Teiles der Non-Dilemma-These die Wenn-Komponente nicht unabhängig von der Dann-Komponente definiert worden ist. Alles was der "Wettbewerb" hervorbringt (unter der Voraussetzung, daß er frei ist) ist "ökonomisch vorteilhaft". Deshalb ist klar, daß auch diese Aussage zu einem analytisch wahren Satz transformiert worden ist.
Hoppmann: Grundsätze marktwirtschaftlicher Wettbewerbspolitik. S. 298f. Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs. S. 241. 40 Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs. S. 247. 38
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Somit ist bewiesen. daß in Hoppmanns Texten Stellen zu finden sind. die den Schluß rechtfertigen. daß die Non-Dilemma-These keinen empirischen Gehalt besitzt. (Das ist jedoch nicht damit zu verwechseln. daß sie tautologisch ist. denn die Tautologie ist lediglich eine Subkategorie der analytisch wahren Sätze.)41 Insofern gestattet das neoklassische Begriffssystem. in seinem Versuch. die Non-Dilemma-These präzise zu formulieren. den Vorwurf der empirischen Gehaltlosigkeit (der vom Tautologievorwurf zu unterscheiden ist). Eine solche Art der Kritik. die auf der Verwendung von Begriffen basiert. kann dem Sturz einer Theorie dienen. indem sie völlig legitim und sich auf TextsteIlen stützend. die empirische Gehaltlosigkeit der betreffenden Theorie postuliert. Sie ist aber keine konstruktive Kritik. denn außer dieser unglücklichen Verwendung von Begriffen besteht öfters in vielen Theorien ein empirischer. falsifizierbarer Kern. Und das betrifft auch die Non-DilemmaThese. deren beide theoretische Aussagen unabhängig von dem konkreten Inhalt der darin enthaltenen Begriffe. den Hoppmann ihnen verleiht. einer erfahrungswissenschaftlichen Kritik zugänglich sind. 9.5.3. Freiheit und Wettbewerb Der erste Teil der Harmoniethese postuliert die Beziehung zwischen Freiheit und dem Zustandekommen und der Aufrechterhaltung von Wettbewerb. Welche die konkrete Definition der Freiheit ist. spielt in diesem Zusammenhang eine kleinere Rolle. da die Essenz des Problems dadurch nicht berührt wird. Exemplarisch können jedoch einige Definitionen dieses zentralen Begriffes aus dem Schrifttum erwähnt werden. Zunächst umfaßt die Wettbewerbsfreiheit für Hoppmann zwei Aspekte. die Freiheit der Konkurrenten zum Vorstoß und zur Imitation einerseits und die Auswahlfreiheit der Marktpartner auf der Marktgegenseite andererseits. 42 In der zweiten Phase der Systemtheorie ändert Hoppmann die Definition der Freiheit und deutet sie einerseits als Abwesenheit von Zwang und andererseits als Abwesenheit von Beschränkungen des Tauschverkehrs durch andere Marktteilnehmer. 43
41 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Schmidtchen: Wider den Vorwurf, das neoklassische Konzept sei tautologisch, S. 431ff. 42 Vgl. Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 241. ~3 Vgl. Hoppmann: Grundsätze marktwirtschaftlicher Wettbewerbspolitik, S. 301. Dieser negative Charakter des Freiheitsverständnisses geht auf Hayek zurück. Auch Bartling bemerkt, daß ab 1972 von Hoppmann eine Wende in der Verwendung des
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Zuletzt definiert Schmidtchen in Anlehnung an Alexy44 Freiheit als dreistellige Relation in welcher eine Beziehung zwischen dem Freiheitsträger (Person), dem Freiheitshindernis und dem Freiheitsgegenstand postuliert wird. 45 Will man die bloße analytische Wahrheit vermeiden, dann muß man Freiheit vom Wettbewerb unabhängig definieren46 und die theoretische Aussage: "wenn Wettbewerbsfreiheit vorhanden ist, dann kommt Wettbewerb zustande" untersuchen. Prima facie läßt sich darüber sagen, daß die Aussage in dieser Form nicht gilt. Denn Wettbewerbsfreiheit ist nicht die einzige Voraussetzung für das Zustandekommen von Wettbewerb. Außer den zahlreichen empirischen Beispielen, die das bestätigen, kann man auch theoretische Überlegungen zur Unterstützung der These, daß die bloße Existenz von Freiheit das Zustandekommen von Wettbewerb nicht gewährleistet, anführen. Zunächst verweisen auch die Systemtheoretiker darauf, daß der "spirit of competition" eine zusätzliche Wettbewerbsvoraussetzung ist. 47 So läßt sich die These wie folgt neu formulieren: "Wenn Wettbewerbsfreiheit und ein 'spirit of competition' vorhanden sind, dann kommt Wettbewerb zustande". Bezüglich dieser zentralen Kategorie der Systemtheorie ist jedoch einiges zu bemerken. So ist Hayek der Ansicht, daß dieser Wettbewerbsgeist sowohl Voraussetzung als auch Produkt des Wettbewerbs ist. Obwohl Hayek genaugenommen über "commercial spirit" bzw. "spirit of enterprise" spricht48 , meint er anscheinend dasselbe wie Hoppmann, nämlich den Willen zur Konkurrenz. Für Hayek ist dieser Wettbewerbsgeist etwas, das sich während des Wett-
Begriffs "Wettbewerbsfreiheit" vollzogen worden ist. Vgl. Bartling: Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S. 42f. 44 Vgl. Alexy, Robert: Theorie der Grundrechte, Frankfurt/M., 1986. 4S Vgl. Schmidtchen, Dieter: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, in: Ordo, Bd. 39, 1988, S. 116. 46 Das tut auch Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 119: "Wettbewerbsfreiheit darf nicht mit Wettbewerb verwechselt werden". 47 Vgl. Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 240f., und Hoppmann: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S. 252, Fn. 4. 48 "The important point here is that a highly developed commercial spirit is itself as much the pruduct as the condition of effective competition, and that we know of no other method of producing it than to throw competition open to all who want to take advantage of the opportunities it offers." in: Hayek: The Political Order of a Free People, S. 75.
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bewerbsprozesses offenbart. 49 Aufgrund der Tatsache, daß der Wettbewerb existiert, kann sich auch der Unternehmergeist manifestieren, und in gewissem Maße sind Wettbewerb und Unternehmergeist parallel existent. Auch Herdzina spricht von zwei unmittelbaren Wettbewerbsdeterminanten und subsumiert darunter die Wettbewerbsmöglichkeit und meint insbesondere die Wettbewerbsfreiheit und die Wettbewerbsneigung, welche vor allem das "spirit of competition" betrifft. 50 Man kann also behaupten, daß in der Literatur oft über den Wettbewerbsgeist gesprochen wird und, außer gelegentlicher Vorbehalte51 , seine Existenz wenig bezweifelt wird. Trotzdem ist nicht immer klar, was genau darunter verstanden wird. Wir wollen deshalb den folgenden Satz formulieren: "Es existiert ein menschlicher Wille zu konkurrieren bzw. an dem Wettbewerbsprozeß teilzunehmen", welche am ehesten die These der Existenz eines "spirit of competition" wiedergeben dürfte. Daß es einen solchen Willen zu konkurrieren gibt, muß als eine empirische Sachlage angesehen werden. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime in den Ostblock-Ländern seit dem Jahre 1989 sind Phänomene und Manifestationen des alltäglichen Wirtschaftslebens zu betrachten, die diese These bestätigen.52 Man konnte z.B. zunehmend das Phänomen der Kleinhändler betrachten, die trotz ihres winzigen Kapitals mit Waren handelten, die mangelhaft auf dem Markt vorhanden waren. Die vielen Kleinhändler im Zentrum Moskaus, die vielleicht nicht genau dem Bild eines idealisierten westlichen Unternehmers entsprechen, oder z.B. die polnischen Straßenhändler nach dem Fall der Mauer in Berlin und viele andere Beispiele, die man in der Presse der letzten Jahre lesen konnte53 , sind eine Manifestation dessen, was man den Willen zur Konkurrenz nennen kann. Ein solcher Wille existiert, und das kann man am besten an dem Beispiel eines nicht organisierten Marktes betrachten, in welchem kein spezialisiertes Unternehmertum vorhanden ist. In einem solchen Fall, wo mehrere Marktteilnehmer eine aktive Rolle im Markt spielen, manifestiert sich dieser Wettbewerbsgeist besser als allgemeine Erscheinung, da er noch
Vgl. Hayek: The Political Order of a Free People. S. 76. Vgl. Herdzina: Wettbewerbspolitik. S. 52. und ähnlich Herdzina: Marktentwicklung und Wettbewerbsverhalten. S. 107ff. SI Vgl. Kantzenbach: Das Konzept der optimalen ...• S. 199. Fn. 27. 52 Insofern kann man sagen. daß die Gewährung von Wettbewerbsfreiheit dazu geführt hat. daß die Existenz einer Wettbewerbsneigung bewiesen worden ist. Aber der Wettbewerbswille bzw. der "spirit of competition" als solcher ist ein von der Wettbewerbsfreiheit unabhängiger Faktor und muß somit als eine zusätzliche Wettbewerbsdeterminante untersucht werden. 53 Vgl. z.B. den Artikel von Elliot. Dorinda: If You See It. Buy It. in Newsweek. May 11. 1992. S. 46f. ~9
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wenig institutionalisiert ist. Auch auf der Nachfrageseite ist es leicht, die empirische Existenz eines solchen Wettbewerbswillens zu zeigen. Wie ist es sonst zu erklären, daß die Mehrheit der Konsumenten die Preise der Produkte in den verschiedenen Geschäften vergleichen und da einkaufen, wo es am günstigsten ist? Insofern ist neben der Wettbewerbsfreiheit auch der "spirit of competition" als Voraussetzung des Wettbewerbs anzusehen. Langfristig sind diese beiden Wettbewerbsdeterminanten als die einzigen zu nennen, denn sie beinhalten die bei den Voraussetzungen für jedes menschliche Handeln, die in diesem Zusammenhang für einen Spezialfall adäquat formuliert sind: das Können und das Wollen. Damit man irgendwelche Handlung unternimmt und irgendwelchen Zweck verfolgen kann, muß man es einerseits wollen und andererseits können. In bezug auf den Wettbewerb müssen, damit er zustande kommt, Wettbewerber vorhanden sein, die miteinander um ein konkretes Ziel konkurrieren, wobei unterstellt wird, daß diesen Wettbewerbern der Wille zur Konkurrenz zu eigen ist. Das wird in dem wettbewerbstheoretischen, fachlichen Terminus "spirit of competition" bzw. Wettbewerbswille ausgedrückt. Andererseits müssen sie es können, und das wird mit dem Begriff der Wettbewerbsfreiheit wiedergegeben. Welchen konkreten Inhalt diese Wettbewerbsfreiheit einnimmt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Meistens ist sie institutionell gegeben und rechtlich gesichert und sie findet sich in bestimmten Verhaltens- bzw. Rechtsregeln verkörpert. Besteht ein System von Verhaltensregeln, das die Wettbewerbsfreiheit sichert, dann ist auch das "Können" zum Wettbewerb gesichert und die beiden Hauptvoraussetzungen für die Entstehung des Wettbewerbs sind erfüllt. Zu diesen beiden Voraussetzungen des Wettbewerbs ist auch eine weitere, die schon diskutiert worden ist, hinzuzufügen, nämlich, daß mindestens zwei Marktteilnehmer vorhanden sein sollen. Somit kann man prima facie und vom heutigen Stand der Wettbewerbstheorie her drei Voraussetzungen des Wettbewerbs unterscheiden: die Wettbewerbsfreiheit, den "spirit of competition" und die Anzahl der Marktteilnehmer, die größer als eins ist. Somit gelten sowohl die ursprüngliche wie auch die modifizierte Wenn-Dann-Aussage nicht, sondern es gilt: "Wenn Wettbewerbsfreiheit, 'spirit of competition' und mehr als ein Marktteilnehmer vorhanden sind, dann kommt Wettbewerb zustande. ,,54
54 Da vielleicht die Verfechter der Systemtheorie die dritte Wettbewerbsvoraussetzung, die die Anzahl der Marktteilnehmer betrifft, nicht zugeben würden, sei an dieser Stelle auf ein Zitat von Hayek verwiesen: "Competition, for instance, is a
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Bevor wir zu der Analyse des Zusammenhangs zwischen freiem Wettbewerb und Marktergebnissen übergehen, soll auf zwei Angelegenheiten verweisen werden. Zunächst soll bemerkt werden, daß einige im Schrifttum öfter erwähnte zusätzliche Wettbewerbsvoraussetzungen unter diese drei Hauptkategorien subsumierbar sind. So ist z.B. der relative Anteil konservativer, immobiler und initiativer Unternehmers eine Wettbewerbsdeterminante, die unter die Kategorie des "spirit of competition" zu subsumieren ist, da sie mit dem "Wollen" zum Wettbewerb auf der Anbieterseite zu tun hat. Zweitens ist auf die Einseitigkeit des Begriffes der Wettbewerbsfreiheit zu verweisen. Es besteht das Mißverständnis, daß Wettbewerbsfreiheit mit ökonomischer Freiheit gleichzusetzen ist. Dies ist jedoch verfehlt. Ökonomische Freiheit beinhaltet sowohl Wettbewerbs- als auch Kooperationsfreiheit, denn frei im ökonomischen Leben zu sein, heißt frei zu sein zu konkurrieren und frei zu sein zu kooperieren, je nach dem Willen der wirtschaftenden Menschen. Die Kooperation kann sehr viele Formen annehmen, deren offensichtlichste die Gründung und das Weiterbestehen des Unternehmers ist. Aber sie kann sich auch in andere Bereiche des Wirtschaftslebens erstrecken, und die Form der Zusammenarbeit zwischen Anbietern (Fusionen, Kartelle, Joint Ventures, Handelskammer, und viele andere mehr) oder zwischen Nachfragern (Konsumentengenossenschaften usw.) nehmen. Da Wettbewerb und Kooperation sich gegenseitig ausschließen in dem Sinne, daß die Entscheidung jedes Marktteilnehmers bezüglich seiner sozialen Beziehung zu einem anderen Marktteilnehmer entweder die Konkurrenz oder die Kooperation mit ihm zum Gegenstand hat, sind auch die Wettbewerbs- und die Kooperationsfreiheit zueinander substitutiv. Die Gewährung von ökonomischer Freiheit bedeutet die gleichzeitige Gewährung von zwei substitutiven Freiheiten, der Wettbewerbs- und der Kooperationsfreiheit. Und gewährt man mehr von der einen, dann muß zwangsläufig die andere begrenzt werden. Existiert eine Kooperationsfreiheit bezüglich z.B. der Kartellbildung, dann begrenzt sich gleichzeitig die Freiheit zu konkurrieren. Dieser Tatbestand der Substitutionsmöglichkeit ist auch von wirtschaftspolitischer Bedeutung, die wenig bewußt ist. Formuliert man als Ziel der Wirtschaftspolitik die Gewährung und Aufrechterhaltung von ökonomischer
process which will produce certain results only if it proceeds among a fairly large number of acting persons". Vgl. Hayek, F.A. von: The Pretence of Knowledge, S. 26. Diese Auffassung weicht nicht so sehr von der These Otts ab, daß der Wettbewerb erst ermöglicht wird. wenn mehr als ein Anbieter vorhanden ist. Vgl. Ott: Marktform und Verhaltensweise. S. 44. 55 Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. S. 290. und Bartling: Leitbilder der Weubewerbspolitik. S. 53.
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Freiheit, dann entsteht der Ziel konflikt zwischen Wettbewerbs- und Kooperationsfreiheit. Werden sie also als Ziel der Wirtschaftspolitik formuliert, dann tritt wegen der Substituierbarkeit der beiden Freiheiten ihr Konfliktcharakter klar auf. Die Suche nach rationalen Kriterien für die adäquate Formulierung dieses Zielkomplexes führt dann unmittelbar zu wohlfahrtsökonomischen Überlegungen. Verbietet man z.B. die Kooperationsfreiheit der Individuen im Bereich der Produktion, dann verschließt man sich des bestmöglichen Mittels, effizient zu produzieren, nämlich die Organisation und Zusammenarbeit vieler Individuen für die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes. Begrenzt man andererseits die Wettbewerbsfreiheit im Bereich des Austausches von Produkten und Dienstleistungen, dann entbehrt man sich des wichtigsten Instrumentes, die Leistung und den Wohlstand zu steigern, nämlich des Wettbewerbs. Es gibt bekanntlich zwei Arten der Ordnung: die Organisation und die spontane Ordnung bzw. den Markt. 56 In jeder dieser Arten der Ordnung bzw. des sozialen Zusammenlebens können beide Phänomene auftreten: Wettbewerb und Kooperation. So können z.B. innerhalb einer Organisation wettbewerbliche Beziehungen zwischen ihren Mitgliedern auftauchen, wie es in Groß unternehmungen zwischen den Angestellten und zwischen den Managern der Fall ist. Auf einem Markt kann es außer Wettbewerb auch Kooperation zwischen den Unternehmen geben, wie die lange Kartellgeschichte oder die Fusionswellen beweisen. Stellt man Effizienzüberlegungen in den Vordergrund, dann fällt, grob formuliert, die folgende Dichotomie auf: die Kooperation steigert prinzipiell die Effizienz in einer Organisation und senkt sie in dem Markt, während der Wettbewerb prinzipiell die Effizienz in dem Markt steigert und sie in einer Organisation senkt. Es kann natürlich vorkommen, daß dieser Satz nicht immer gilt, so z.B. wenn einige Arten der Kooperation zwischen Unternehmen auf dem Markt effizienzsteigernd wirken. Aber diese sind eher Ausnahmefälle, und ein intensiver Wettbewerb zwischen Managern innerhalb eines Unternehmens ist z.B. in den meisten Fällen katastrophal für die Verwirklichung der Unternehmensziele. Diese Dichotomie aufgrund von Effizienzüberlegungen wird im Schrifttum fast nie explizit gemacht und als irgendwie vorgegeben angenommen. Sie verleitet auch oft dazu, daß der Markt mit dem Wettbewerb identifiziert wird, und daß "Marktprozeß" und "Wettbewerbsprozeß" als Synonym für
56 Vgl. z.B. Hayek: Arten der Ordnung, in: Freiburger Studien, S. 32ff., und Albert, Hans: Markt und Organisation: Der Marktmechanismus im sozialen Kräftefeld, in: Marktsoziologie und Entscheidungslogik, S. 392.
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oder identisch verwendet werden. Inzwischen sollte jedoch klar geworden sein, daß dies falsch ist, und daß im Markt beides vorkommt, Wettbewerb und Kooperation, und das ist der Grund für unsere anfängliche Unterscheidung der ökonomischen Freiheit in Wettbewerbs- und Kooperationsfreiheit. Zuletzt sei auch über den "spirit of competition" in diesem Zusammenhang etwas gesagt. Seine Existenz. die kaum bezweifelt werden muß, schließt auf keinen Fall die Existenz eines menschlichen Wo liens zu kooperieren aus, den wir "spirit of cooperation" nennen wollen. Ob es ein menschlicher Trieb ist oder nicht und was auch immer der Grund sein sollte, es besteht jedenfalls ein menschlicher Wille zu kooperieren. Verschiedene Erscheinungen des sozialen Lebens wie z.B. die Familie, die Mannschaften, die Gründung von Partnerschaften usw. dürften seine Existenz beweisen. Aber auch im ökonomischen Bereich sind Beispiele vorhanden, wie die Gewerkschaften, die Genossenschaften usw. Außerdem ist die Existenz von beidem, dem "spirit of competition" und dem "spirit of cooperation", mit dem Postulat der Nutzen- bzw. Gewinnmaximierung und den zugrunde liegenden utilitaristischen Überlegungen kompatibel. 57 Denn jeder wirtschaftende Mensch, der seinen Gewinn bzw. seinen Nutzen maximieren will, hat eine Wahl zu treffen: entweder muß er konkurrieren oder aber er muß kooperieren, um sein Ziel der Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung am besten zu erreichen. Und außer dem Können, das durch die Gewährung der Wettbewerbsund Kooperationsfreiheit gesichert wird, muß auch das Wollen vorhanden sein und das besagt die Existenz des "spirit of competition" bzw. des "spirit of cooperation". Somit wird die Analyse zwischen Wettbewerb und Freiheit abgeschlossen. Als Fazit geht hervor, daß sich drei wesentliche Wettbewerbsvoraussetzungen herausgestellt haben, die Wettbewerbsfreiheit, der "spirit of competition" und die Anzahl der Marktteilnehmer, die größer als eins ist. Außerdem ist festzuhalten, daß die Wettbewerbsfreiheit nur ein Aspekt der ökonomischen Freiheit ist und die Kooperationsfreiheit hinzu kommen muß; analog dazu ist außer der Existenz eines "spirit of competition" auch von der Existenz eines "spirit of cooperation" auszugehen. Somit ist die Dichotomie Wettbewerb vs. Kooperation bezüglich des Freiheitsaspektes, der mit dem "Können" einer Handlung zu tun hat, und bezüglich des Wettbewerbs bzw. Kooperationsgeistes, der mit dem "Wollen" einer Handlung zusammenhängt, durchgearbeitet worden.
57 Dieses Postulat der ökonomischen Theorie wird auch von den Systemtheoretikern anerkannt. Vgl. z.B. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe. S. 156 und S. 163.
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9.5.4. Wettbewerb und ökonomische bzw. gesellschaftliche Ergebnisse Entsteht aufgrund der drei Wettbewerbsvoraussetzungen ein wettbewerblicher Prozeß, dann sind folgende ökonomische bzw. gesellschaftliche Ergebnisse zu erwarten, die wir nur kurz angeben möchten. (1)
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Die Leistung wird gesteigert, indem die höhere Effizienz von den Wettbewerbskräften, d.h. VOll der Marktgegenseite belohnt und die Ineffizienz bestraft wird. Die Allokation der Produktionsfaktoren erfolgt gemäß der Konsumentenwünsche. Die Diffusion der Informationen und des Wissens gehen mit niedrigen Transaktionskosten einher (Hayek-Argument). Der technische Fortschritt wird gefördert. Die Einkommensverteilung erfolgt anhand des Leistungsprinzips. Der Wettbewerb übt eine Kontrolle über die Machtpositionen aus. Insofern sichert er die individuelle persönliche Freiheit. Der Wettbewerb kann auch seine Selbstaufhebung als Ergebnis haben. s8
Dieser Katalog der Ergebnisse kann auch erweitert werden, scheint aber aus heutiger Sicht relativ vollständig zu sein. Somit wird die zweite theoretische Aussage der Non-Dilemma-These formuliert, nämlich: "Wenn Wettbewerb herrscht, dann entstehen die Ergebnisse (1) - (7)". Sie ist empirisch gemeint und der normative Aspekt interessiert in diesem Zusammenhang nicht; ob diese Ergebnisse positiv oder negativ zu bewerten sind, ist vom erfahrungswissenschaftlichen Standpunkt aus irrelevant. Außerdem muß man zusätzlich bemerken, daß die Ergebnisse (1) bis (5) in gewissem Sinne die mikroökonomischen Grundlagen sind, von dem, was man makroökonomisch bzw. gesamtwirtschaftlich als Wachstum bezeichnet. 59 Somit wird auch eine mittelbare Beziehung zwischen Wettbewerb und Wachstum impli-
58 Für eine ähnliche Aufzählung der Ergebnisse des Wettbewerbs im positiven Sinne, vgl. Willeke: Grundsätze wettbewerbsplitischer Konzeptionen, a.a .. O., S. 22ff. 59 Bekanntlich spielen die makroökonomischen Größen und Relationen in dem Prozeß ihrer Bestimmung selbst keine Rolle, sondern sind von der Feinstruktur abhängig. Vgl. Hoppmann, Erich: Konzertierte Aktion und der "Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnungen", in: (Hrsg.) Hoppmann, E.: Konzertierte Aktion - kritische Beiträge zu einem Experiment, Frankfurt, 1971, wiederabgedruckt in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 9f., und Hayek: Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S. 25lf., und ders.: Persönliche Erinnerungen von Keynes und die "Keynessche Revolution", in: Freiburger Studien, S. 92.
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ziert60, die auf die mikroökonomischen Ergebnisse des Wettbewerbs zurückzuführen ist. Die meisten Ergebnisse des Wettbewerbs werden vom Fach weitgehend akzeptiert, aber es gibt gewisse theoretische und empirische Unsicherheiten bezüglich der Ergebnisse (4) und (7). Wir wollen sie deshalb näher untersuchen. Was den Einfluß des Wettbewerbs auf den technischen Fortschritt betrifft, so besteht die Auffassung, daß der technische Fortschritt vom Wettbewerb begünstigt wird. Hoppmann meint: "Es läßt sich deshalb auch [... ] annehmen, daß Innovationen endogen aus dem Wettbewerbsprozeß erwachsen. Allerdings werden solche endogenen Innovationen ökonomisch nicht erzwungen, sondern sind nur möglich".61 Diese These ist jedoch relativ vage, denn sie gibt nicht an, wie der Mechanismus aussieht, der aufgrund des Wettbewerbsdruckes Innovationen induziert. Diesen Versuch unternimmt Röpke (und das Phänomen wird von der Evolutionsökonomie näher analysiert), der von einer Systembetrachtung ausgehend, das Innovationsverhalten zu erklären sucht.62 Für Röpke sind die folgenden drei Determinanten für die Erklärung der Innovationen von großer Bedeutung: die Handlungsrechte, die Fähigkeitspotentiale und die Umweltherausforderungen oder Motivationen. 63 Jedenfalls ist die erfahrungswissenschaftliehe Erklärung des Neuerungsverhaltens bis heute nicht hinreichend gelungen. 64 Die theoretische Unsicherheit bezüglich der Gründe des technischen Fortschritts basiert hauptsächlich auf der heutigen Unmöglichkeit, eine Antwort auf die Frage der Wissensentdeckung zu finden. Obwohl von mehreren Disziplinen ein Näherungsversuch unternommen wurde, bleibt diese Frage noch offen: Philosophie, Neurophysiologie, Lernpsychologie, Soziologie und Ökonomie vermögen bis jetzt keine allgemein akzeptable Erklärung der Wissensentdeckung
60 Über diesen Zusammenhang vgl. Görgens, Egon: Wettbewerb und Wirtschaftswachstum, Freiburg, 1961. 61 Hoppmann: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, S. 210. 62 Vgl. Röpke: Die Strategie der Innovation. 63 Vgl. Röpke, Jochen: Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung wirtschaftlicher Entwicklung in komplexen Systemen, in: (Hrsg.) Borchert, M./Fehl, U./Oberender, P: Markt und Wettbewerb. Festschrift für Ernst Heuß zum 65. Geburtstag, Bern und Stuttgart, 1987, S. 233ff. 64 Vgl. Röpke, Jochen: Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung wirtschaftlicher Entwicklung in komplexen Systemen, in: Markt und Wettbewerb. Festschrift für Ernst Heuß zum 65. Geburtstag, (Hrsg.) Borchert, M./Fehl, U./Oberender, P., Bern und Stuttgart, 1987, S. 232ff. Über unseren Versuch vgl. Kap. 8.8.
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Manlzavioos
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zu geben. 65 Bezüglich der Innovation ist schon ein Fortschritt in seiner Erklärung erreicht in dem Sinne, daß man die Anwendung neuen Wissens in der Produktion systematisiert und näher erforscht hat. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß es eine generelle Vermutung gibt, daß die Existenz des Wettbewerbs sowohl mit Inventionen wie auch den technischen Fortschritt fördert und Innovationen begünstigt. Da aber vor allem die Produktion neuen Wissens bzw. neuer Theorien immer eine Angelegenheit des Individuums bzw. des einzelnen ist in dem Sinne, daß eine neue Idee immer von einem einzigen Kopf hervorgebracht wird, kann man nicht ausschließen, daß auch Kooperation diesbezüglich fördernd ist. 66 (So ist auch der große Erfolg von verschiedenen Arbeitsgruppen, think tanks, Forschungsgemeinschaften usw. in der Schaffung neuen Wissens mittels des Kooperationsarguments zu erklären.) Die zentrale Bedeutung der Innovation und die Tatsache, daß sie mit dem Wettbewerb kompatibel ist, hat dazu geführt, daß der Wettbewerb weitgehend mit dem Innovationsprozeß gleichgesetzt wird. Arndt unterscheidet zwischen zwei Phasen des Wettbewerbs, dem "Wettbewerb der Bahnbrecher" und dem "Wettbewerb des Nachahmers".67 Gleichsam beschreibt Clark den Wettbewerb als "a combination of (1) initiatory actions by a business unit, and (2) a complex of response by those with whom it deals, and by rivals".68 Hoppmann erkennt an, daß die Innovation nur eine von vielen Wettbewerbsparametern ist und spricht allgemeiner von Vorstoßphase, jedes Mal, wenn ein Wettbewerber aufgrund der Benutzung eines Wettbewerbsparameters einen Vorsprung erzielt und von Verfolgungsphase, wenn die Imitation der anderen Wettbewerber stattfindet.69 Diese Beschreibung und Einteilung des Wettbewerbs in Phasen muß jedoch nicht dazu verleiten, daß der Innovationsprozeß dem Wettbewerbsprozeß gleicht. Technischer Fortschritt kann nur ein Ergebnis der antagoni-
65 Das geht anscheinend darauf zurück. daß in jeder Neuentdeckung ein irrationales Moment vorhanden ist. Siehe S. 178. Fn. 129. 66 Dem könnte möglicherweise auch Hoppmann zustimmen. wenn er schreibt: "Dieser Prozeß, d.h. die 'Produktion neuen technischen Wissens', dürfte wettbewerbspolitisch jedoch ein Ausnahmebereich sein". Vgl. Hoppmann: Workable Competition als wettbewerbs politisches Konzept. S. 212. Fn. 72. 67 Vgl. Arndt: Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, S. 35ff. 68 Clark: Competition and the Objectives of Government Policy. S. 326. 69 Vgl. Hoppmann: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, S. 213f., und ders.: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs. S. 267f.
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stischen Beziehungen der Marktteilnehmer sein und ist als solcher kein Bestandteil des Wettbewerbs. 7o•71 Wir kommen jetzt zum anderen wichtigen Ergebnis des Wettbewerbs. nämlich zur Tatsache. daß er sich selbst aufheben kann. Es handelt sich um den bekannten Fall des Monopols und kann am besten in Verbindung mit der Wettbewerbsvoraussetzung analysiert werden. die die nötige Anzahl der Marktteilnehmer für das Zustandekommen des Wettbewerbs zum Inhalt hat. So hat der Wettbewerb die Eigenschaft. diese Wettbewerbsvoraussetzung zu beseitigen. die dann den Wettbewerb selbst zum Erliegen bringt. Man kann vier Fälle der Selbstaufhebung des Wettbewerbs erwähnen. (a)
Das Innovationsmonopol. Aufgrund einer Innovation. die aus der antagonistischen Beziehung zwischen den Wettbewerbern hervorgebracht wird. wird ein neues Produkt oder ein neuer Markt geschaffen. auf dem der Innovator als alleiniger Anbieter auftritt. Solange die übrigen Wettbewerber aufgrund von institutionellen Hindernissen (z.B. Patente) oder aus Unfähigkeit diese Pioniertat nicht imitieren. besteht ein Monopol. Da erfahrungsgemäß die nachfolgende Tat nicht für ewig unterbleibt. pflegt man dieses Monopol auch "prozessuales Monopol" zu nennen. 72 Obwohl der Monopolist nicht die Verhaltensweise ausübt. die in den Lehrbüchern zu finden ist. bleibt er noch Monopolist. denn an diesem konkreten Punkt und solange er noch allein im Markt steht.
70 Vgl. Kap. 8.8. (Der Charakter des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren. der von allen Systemtheoretikern gepriesen wird und fast zu einem Schlagwort geworden ist. bezieht sich auf die Entdeckung von Tatsachen mittels des Wettbewerbs. die schon einzelnen Individuen bekannt sind und nur ökonomisch nicht verwertet worden sind, und nicht (nach einer weitverbreiteten, aber falschen Meinung) auf die Entdeckung neuen Wissens. "Daher möchte ich [... ] den Wettbewerb einmal systematisch als ein Verfahren zur Entdeckung von Tatsachen betrachten, die ohne sein Bestehen entweder unbekannt bleiben oder doch zumindest nicht genutzt werden würden." Vgl. Hayek: Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S. 249. Der Wettbewerb trägt dazu bei, die schon bestehenden Informationen sparsam zu verbreiten, und das ist das Wesen des Hayek -Arguments. 71 Daß die Katallaxie den Reichtum vergrößert und das Wachstum fördert, ist nach Hayek nicht mit der Innovation, sondern mit der Informationsverbreitung und Informationsverwertung zu erklären. "lt is thus a wealth-producing game (the game of catallaxy, Anm. d. Verf.) because it supplies to each player information wh ich enables hirn to provide for needs of which he has no direct knowledge and by the use of means of the existence of which without it he would have no cognizance, thus bringing about the satisfaction of a greater range of needs than would otherwise be possible." Vgl. Hayek: The Mirage of Social Justice, S. 115. 72 Vgl. Arndt, Helmut: Konkurrenz und Monopol in Wirklichkeit, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 161, 1949, S. 222-296, insbesondere S. 248.
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besteht kein Wettbewerb. Bezeichnet man diese Situation als einen bloßen Vorsprung im Wettbewerb aufgrund der Überzeugung, daß nach einem gewissen Zeitraum mehrere Marktteilnehmer auftreten werden, wie z.B. Hoppmann es tut73 , dann versperrt man den Weg auf eine wettbewerbspolitisch nützliche Unterscheidung zwischen Wettbewerb und prozessualem Monopol. Das Argument, daß der Wettbewerb ein zeitlicher Prozeß ist und deshalb das Innovationsmonopol eine Art Momentaufnahme ist, ist auch zu verwerfen, denn es führt zur Tautologisierung und zur These, daß alles was auf dem Markt vorkommt, mit dem Wettbewerb identisch ist. (b)
Der zweite Fall der Selbstauflösung des Wettbewerbs ist das "natürliche Monopol". Bestehen Stückkostendegressionen (economies of scale), dann entsteht ein natürliches Monopol. So entfällt eine Wettbewerbsvoraussetzung und der Wettbewerb hört auf.
(c)
Der dritte Fall bezieht sich auf die schon diskutierte Tendenz der Kartellierung. 74 Besteht zwischen mehreren Teilnehmern Konkurrenz für einen längeren Zeitraum auf den Markt und weist die Zeit vor allem iterative Momente auf, dann kommt es zum Erliegen des Wettbewerbs und zur KartelIierung. Diese Art der Koalition, der auch als "Kollektivmonopol" bezeichnet werden kann75 , ist einer der altbekanntesten in der Wettbewerbstheorie und ist der Fall, wo die Wettbewerber sich aufgrund ihrer Erfahrung zu kooperieren anstatt zu konkurrieren entscheiden. Somit verschwindet in diesem Fall keine Wettbewerbsvoraussetzung, sondern anhand der herrschenden Situation unmittelbar der Wettbewerb selbst zugunsten der Kooperation.
(d)
Der vierte Fall ist der häufigste und derjenige, der theoretisch am schwierigsten in den Griff zu bekommen ist. Treten einige Marktteilnehmer in Wettbewerb zueinander, dann erweist sich einer oder mehrere als der effizienteste bzw. die effizientesten aufgrund einer größeren Leistung. Das spiegelt sich in den höheren Gewinnen oder in den größeren Marktanteilen im Vergleich zu den anderen Marktteilnehmern
73 Vgl. Hoppmann: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, S. 209, vor allem Fn 65. Hoppmann und die anderen Systemtheoretiker übernehmen die These Kirzners und der österreichischen Tradition, daß das einzige Monopol das Ressourcenmonopol ist. Vgl. Hoppmann: Das Konzept des wirksamen Wettbewerbs, S. 18f., ders.: Wettbewerb und Wachstum in marktwirtschaftIichen Ordnungen, S. 354, ders: Über Funktionsprinzipien und Funktionsbedingungen des Marktsystems, S. 134f. 74 Vgl. Kap. 6.3.3. 75 Vgl. Ott: Marktform und Verhaltensweise, S. 45.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
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wider. Anhand ihrer besseren Leistung erlangen sie Marktrnacht, die sie nur behalten können, solange sie effizient sind. Beweist ein anderer Marktteilnehmer größere Fähigkeiten während des Wettbewerbsprozesses, dann entsteht eine Marktrnachtverlagerung. Somit wird der Wettbewerb zu einem Prozeß der Marktrnachtbildung und -erosion.76 Dabei ist die Tatsache von Bedeutung, daß die anband von Effizienz ursprünglich gewonnene Marktrnacht so benutzt wird, daß die Ziele der mächtigen Marktteilnehmer am besten erfüllt werden können. 77 So kommt es häufig vor, daß diese Marktrnacht direkt gegen die übrigen Marktteilnehmer mit dem Ziel ausgeübt wird, sie zu behindern oder sogar vom Markt zu verdrängen. Wird die Marktrnacht tatsächlich so benutzt, dann kann es zu einer Wettbewerbsverminderung oder sogar zum Wettbewerbserliegen kommen. Insofern hat die Selbstaufhebung des Wettbewerbs in diesem Fall einen graduellen Charakter, was ihn zum schwierigsten theoretischen Fall macht. Es ist auch bekanntlich das Hauptproblern der Wirtschaftspolitik und Mittelpunkt vieler Kontroversen, die wir teilweise behandelt haben. 78 Für uns ist relevant, daß in diesem Fall der Machtverlagerung, der fast die Regel ist, der Wettbewerb sich selbst entweder teilweise LS. einer unmöglich zu erforschenden verminderten Wettbewerbsintensität oder total aufheben kann. Dieser anscheinend merkwürdige Sachverhalt, daß der Wettbewerb sich selbst aufheben kann, ist nur anhand von individualistischen Grundlagen erklärbar. Die Kombination der Rationalitätshypothese und der Gewinnmaximierungs- bzw. Nutzenmaximierungshypothese führt zu der These, daß jedes Individuum rational entscheidet, welche Handlungsweise ihn befriedigt bzw. seine Ziele erfüllt. Das kann einmal die Teilnahme am Wettbewerbsprozeß, ein anderes Mal die Kooperation mit anderen Individuen oder die Ausübung der Marktrnacht für die Verdrängung der übrigen aus dem Markt sein. Diese Handlungen können dann dazu führen, daß der anfängliche Wettbewerb beseitigt wird. Der "spirit of competition", der "spirit of cooperation" und die "propensity to monopolize" sind nichts weiteres als der Wille, verschiedene Handlungen zu unternehmen, um das Ziel der höchstmöglichen Befriedigung zu erfüllen. Dieser egoistische Grundsatz ist also gewissermaßen die Erklärung des Phänomens der Selbstaufhebung des Wettbewerbs.
Vgl. Hoppmann: Marktmacht und Wettbewerb, S. 338. Vgl. die Beschreibung des Wettbewerbsprozesses im Zusammenhang mit der Machtproblematik in Kap. 3.2.1. 78 Vgl. z.B. Kap. 3.1. (Punkt d» und Kap. 3.2.1. 76
77
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Nachdem wir auch dieses Ergebnis des Wettbewerbs analysiert haben, können wir sagen, daß der zweite Teil der Non-Dilemma-These abgeschlossen ist. Somit gilt die theoretische Aussage: "Wenn Wettbewerb herrscht, dann entstehen die Ergebnisse (1) - (7)". 9.5.5. Freiheit und ökonomische bzw. gesellschaftliche Ergebnisse
Die tatsächliche Formulierung der Non-Dilemma-These von Systemtheorie, postuliert eine Beziehung zwischen Freiheit und ökonomischen bzw. gesellschaftlichen Ergebnissen. Hoppmann sprach ursprünglich allgemein über "gute ökonomische Ergebnisse"79; später unterschied er jedoch zwischen individuellen und überindividuellen ökonomischen Vorteilen. 8o So besteht nach Hoppmann eine Harmoniethese zwischen Wettbewerbsfreiheit und individuellen ökonomischen Wettbewerbsvorteilen, und zwar weil durch die Teilnahme an dem Wettbewerbsprozeß den Individuen zwei Arten von Vorteilen zugesichert werden: sie erhöhen ihre eigenen Vorteile durch bessere Leistung einerseits und sie partizipieren an den Leistungsverbesserungen der Marktgegenseite andererseits.8l Dagegen gibt es keine Harmoniethese zwischen freiem Wettbewerb und überindividuellen Vorteilen, und so entgeht Hoppmann der Gefahr, mittels seiner Argumentation zu wohlfahrtsökonomischen Überlegungen gelangen zu müssen, da bekanntlich Freiheit, einzel wirtschaftliche Leistung und gesamtwirtschaftliche Effizienz nur im sozialökonomischen Optimum bzw. im Modell der vollkommenen Konkurrenz koinzidieren. 82 Obwohl diese Harmoniethese Hoppmanns plausibel erscheint, enthält sie nur einen Teil der Wahrheit. Der Fehler liegt in der Tautologisierung des Wettbewerbs mit dem Markt. Es ist nicht durch die Teilnahme der Marktteilnehmer an dem Wettbewerb bedingt, daß sie individuelle Vorteile erzie79 Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, S. 290, und ähnlich ders.: Workable Competition. Die Entwicklung einer Idee über die Norm der Wettbewerbspolitik, S. 271. Das bemerkt auch Schmidt, Ingo: US-amerikanische und deutsche Wettbewerbspolitik gegenüber Marktmacht, Berlin, 1973, S. 42. 80 Vgl. Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 243ff. 81 Vgl. Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 244. 82 Vgl. Blum, R.: Trennung von Markt- und Wirtschaftspolitik, in: Wirtschaft und Wettbewerb, Jg. 26, 1976, S. 708: "Spätestens bei der neuen Wettbewerbstheorie sollte sich zumindest der Volkswirt an den Lehrsatz erinnern, den er im ersten Semester lernen muß: Was einzelwirtschaftlich gut ist, muß es auch nicht gesamtwirtschadtlich sein."
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
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len, sondern durch ihre Teilnahme an dem Markt. Was für sie vorteilhaft ist, ist der Austausch auf dem Markt und nicht die eigene und die von der Marktgegenseite herrührende Leistungsverbesserung. Sie sind auch vorteilhaft, aber diese Vorteilhaftigkeit stammt aus der Vorteilhaftigkeit des Austauschprozesses zwischen den Individuen bzw. Unternehmen auf dem Markt und ist gewissermaßen nur ihre Reflexion. Eine andere Reflexion der Vorteilhaftigkeit des Austauschprozesses sind die individuellen Vorteile, die die Marktteilnehmer durch ihre Kooperation auf dem Markt erzielen. Bilden sie z.B. Kartelle, dann sichern sie sich individuelle Vorteile, indem sie durch dieses Mittel die Vorteile des Austauschprozesses ausschöpfen. 83 Genauso kann ein Monopolist, wenn er auf dem Markt auftritt, ebenfalls individuelle ökonomische Vorteile aus dem Austausch mit der Marktgegenseite erzielen. Es ist also der Austausch, der individuell ökonomisch vorteilhaft ist, und nicht der Wettbewerb.84 Was dem Wettbewerb einen positiven Wert verleiht, ist die Tatsache, daß soweit er in einer spontanen Ordnung bzw. auf einem Markt herrscht, er die ökonomischen und gesellschaftlichen Ergebnisse hervorbringt, die wir beschrieben haben. Man kann also sagen, daß der freie Wettbewerb auf dem Macht und nicht etwa innerhalb einer Organisation, insofern er die Ergebnisse (I) - (6) hervorbringt, überindividuelle ökonomische Vorteile mit sich bringt. Kommt es zu einer Selbstaufhebung des Wettbewerbs, dann können je nach dem normativen Standpunkt die vier diskutierten Fälle der Selbstaufhebung des Wettbewerbs (a) - (d) als vorteilhaft oder unvorteilhaft angesehen werden. 85 83 Das gibt implizit auch Hoppmann zu, wenn er schreibt: "Allerdings kann ein Marktteilnehmer seinen individuellen ökonomischen Vorteil unter Umständen auch dadurch vergrößern, daß er sich dem Wettbewerb mehr oder weniger weitgehend entzieht". Vgl. Hoppmann: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 244. Mit der Einführung eines Werturteils erledigt er jedoch gleich im nächsten Satz diese prinzipiell richtige These: "Wenn alle Marktteilnehmer aus dem Wettbewerb einen ökonomischen Vorteil ziehen sollen, darf deshalb niemand die Möglichkeit haben, dem wettbewerblichen Prozeß auszuweisen". Ebda. Das Problem liegt aber genau darin, daß, wenn man dem wettbewerblichen Prozeß ausweicht, indem man mit den übrigen Marktteilnehmern kooperiert oder sie aus dem Markt verdrängt, man ebenfalls durch den Austausch individuelle ökonomische Vorteile erzielen kann. 84 Daß der Austausch vorteilhaft ist, sollte als eine der Grundthesen der ökonomischen Theorie betrachtet werden. "One of the most important principles of economics is the Fundamental Theorem of Exchange: Voluntary trade is mutually benejicial. (That is, it increases utility for both parties involved in the exchange.)" Vgl. Hirshleifer, Jack: Price Theory and Application, 3. Aufl., Englewood Cliffs/N. J., 1984, S. 218. 8S Es handelt sich z.T. um die sogenannte Problematik des Wettbewerbsversagens, die vom Fall des Marktversagens zu differenzieren ist. Über die Fälle des Markt- und Wettbewerbsversagens vgl. Eickhof, Norbert: Theorien des Markt- und Wettbewerbs-
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Fazit: Der Wettbewerb bringt den Marktteilnehmem individuelle ökonomische Vorteile, aber das gleiche gilt auch für die Kooperation und die Monopolisierung des Marktes. Es hängt von der jeweiligen Marktkonstellation und Marktstrategie der Marktteilnehmer ab, welchen von den drei möglichen Wegen sie in dem Markt einschlagen werden, so daß ihre Ziele erfüllt werden können. Der Fall, daß Elemente von allen drei Verhaltensweisen kombiniert werden, ist keineswegs ausgeschlossen. Auf der anderen Seite bringt der Wettbewerb alle oben diskutierten Ergebnisse hervor. Ob sie vorteilhaft oder unvorteilhaft sind, ist eine normative Frage. Der Fall der Selbstaufhebung des Wettbewerbs dürfte von besonderer wettbewerbspolitischer Bedeutung sein, die jedoch an dieser Stelle nicht näher diskutiert werden kann. 9.5.6. Die logische Struktur des Non-Dilemma-Schlusses
Bis jetzt haben wir versucht, die Non-Dilemma-These in zwei Teile zu zerlegen, um sie besser analysieren und überprüfen zu können. So haben wir die Beziehungen zwischen Freiheit und Wettbewerb einerseits und zwischen Wettbewerb und ökonomischen bzw. gesellschaftlichen Ergebnissen andererseits analysiert. Anschließend haben wir auch direkt die Formulierung der Non-Dilemma-These von Hoppmann diskutiert. Wir haben in unserer Argumentation das sog. "Drei-Komponenten-Argument" der klassischen Logik verwendet [(p~q)(q~r)~(p~r)]86, um so die theoretischen Fragen besser in den Griff zu bekommen. Drücken wir die Zusammenhänge formal aus, dann sind sie möglicherweise einleuchtender.
versagens. in: Wirtschaftsdienst. 1986. S. 468-476. Eickhof findet es erstaunlich. wie wenig dieses Problem in der Markt- und Wettbewerbstheorie diskutiert wird (S. 468). Eickhof gibt nur zwei Fälle des Wettbewerbsversagens an. nämlich die natürlichen Monopole und das transaktionale Wettbewerbsversagen. Der Fall der ruinösen Konkurrenz wird nicht als ein Versagen des Wettbewerbs betrachtet (S. 474f.). Außerdem vgl. ausführlicher Bögelein, Margareta: Ordnungspolitische Ausnahmebereiche. Wiesbaden. 1990, vor allem S. 99-223. 86 Über die Entwicklung dieses "Drei-Komponenten-Arguments" (ol ÖUl. t'QLWV AOYOL) in der klassischen Logik vgl. Ierodiakonou, Katerina: Rediscovering some stoic arguments. in: (Hrsg.) Nicolacopoulos. P.• Dordrecht. Boston und London. 1990. S. 137-148.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
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Erste Formulierung Wenn Wettbewerbsfreiheit vorhanden ist. dann kommt Wettbewerb zustande. Wenn Wettbewerb herrscht. dann entsteht ökonomische Vorteilhaftigkeit. Wenn Wettbewerbsfreiheit vorhanden ist. dann entsteht ökonomische Vorteilhaftigkeit.
Steht p für Wettbewerbsfreiheit. q für Wettbewerb und r für ökonomische Vorteilhaftigkeit. dann nimmt der Syllogismus die folgende Form an: p~q
q
~
r
I~ q ~ r
Die Schlußfolgerung dieses Syllogismus. d.h. die Non-Dilemma-These stimmt in dieser Form nicht. weil die erste Prämisse ergänzungsbedürftig ist. Wie wir gesehen haben. ist die Wettbewerbsfreiheit nur eine von den drei Wettbewerbsvoraussetzungen. und deshalb ist sie keine hinreichende Bedingung für das Zustandekommen des Wettbewerbs. 87 Die erste Prämisse muß deshalb um die weiteren Voraussetzungen "spirit of competition" und "Anzahl der Marktteilnehmer größer als eins" ergänzt werden. Somit entsteht die folgende Formulierung.
Zweite Formulierung Wenn Wettbewerbsfreiheit. "spirit of competition" und mehr als ein Marktteilnehmer vorhanden sind. dann kommt Wettbewerb zustande. Wenn Wettbewerb herrscht. dann entsteht ökonomische Vorteilhaftigkeit. Wenn Wettbewerbsfreiheit. "spirit of competion" und mehr als ein Marktteilnehmer vorhanden sind. dann entsteht ökonomische Vorteilhaftigkeit.
Steht s für spirit of competition und m für Marktteilnehmer. dann nimmt dieser zweite Syllogismus die folgende Form an: (p /\
S /\
m) ~ q
q~r
I~ (p /\
S /\
m) ~ r
87 Das gibt auch Hoppmann klar zu. Vgl. Hoppmann: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. S. 290.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Wie wir gesehen haben, existieren zwei Arten von ökonomischer Vorteilhaftigkeit, die teilweise theoretische Probleme aufwerfen. Deshalb ist es zweckmäßig, diesen Begriff mit dem Katalog der wertfreien sieben Ergebnisse des Wettbewerbs zu ersetzen, damit man zu einem gültigen Schluß gelangen kann. So entsteht die folgende vollständige Formulierung:
Dritte Formulierung Wenn Wettbewerbsfreiheit, "spirit of competition" und mehr als ein Marktteilnehmer vorhanden sind, dann kommt Wettbewerb zustande. Wenn Wettbewerb herrscht, dann entstehen die Ergebnisse (1) - (7). Wenn Wettbewerbsfreiheit, "spirit of competition" und mehr als ein Marktteilnehmer vorhanden sind, dann entstehen die Ergebnisse (1) - (7).
Steht e für die Ergebnisse (1) - (7), dann nimmt der Syllogismus die folgende endgültige Form an: (p
1\ S 1\
m) ~ q
q~e
I~ (p
1\ S 1\
m) ~ e
Diese logische Struktur hat auch eine große wettbewerbspolitische Bedeutung. So leuchtet unmittelbar ein, warum die Systemtheoretiker einen Marktergebnistest ablehnen. Normiert man gemäß eines Ideals oder einer Zielfunktion die Ergebnisse (1) - (6) als "gut" und bezeichnet man sie formal mit e', dann entsteht die folgende formale Beziehung (p 1\ S 1\ m) ~ e'. Macht man einen Marktergebnistest und treten diese gewünschten Ergebnisse nicht ein 1 e', dann kann man nicht daraus schließen, welche Wettbewerbsvoraussetzung nicht vorhanden ist. Dieser Syllogismus ist formal wie folgt wiederzugeben (modus tollens der klassischen Logik): (p
I~
1\ S 1\
1 e'
m)
~
e'
1 (p 1\ S 1\ m)
Mit Hilfe des Gesetzes von De Morgan ist der Schluß wie folgt zu formulieren:
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
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Das heißt aber, daß der Grund des Vorliegens von "nicht guten" ökonomischen Ergebnissen entweder das Nicht-Vorhandensein von Wettbewerbsfreiheit oder von "spirit of competition" oder von einer genügenden Anzahl von Marktteilnehmern (oder von einer anderen möglichen Voraussetzung) ist. Man kann also anhand eines Marktergebnistests nicht den genauen Grund der schlechten Ergebnisse bestimmen und somit eine Kausaltherapie anwenden. Somit dürfte klar sein, daß ein Marktergebnistest weder "gut" noch "schlecht" ist, sondern schlicht unbrauchbar.
9.6. Die Non-separabilis-These Die Gesamtmarktkonzeption kann als die Hauptthese der zweiten Phase der Systemtheorie charakterisiert werden. Die Gesamtmarktbetrachtung tritt in den Vordergrund (Hoppmann II) und wird mit system- und evolutionstheoretischen Grundsätzen kombiniert; dabei spielt das Unternehmertum und die Koordination der Pläne der Individuen eine besondere Rolle. Die These, daß der Markt nur als Gesamtmarkt betrachtet werden darf und somit auch der Wettbewerb einheitlich und unzerlegbar ist88 (These VII), ist gewissermaßen die Zwillingsidee der These, daß die Abgrenzung des relevanten Marktes unmöglich ist89 (These IX). Wir wollen sie deshalb so weit wie möglich gemeinsam diskutieren.
9.6.1. Ökonomische Theorie und Grade der Abstraktion Hoppmann hat darauf hingewiesen, daß die Abgrenzung eins "relevanten Marktes" erfahrungswissenschaftlich nicht möglich ist. Damit muß seine spätere Aussage, daß der Markt einheitlich und unzerlegbar ist, nur als eine konsequente Weiterentwicklung seines anfänglichen Gedankens interpretiert werden. 9O Diese Non-separabilis-These gerät jedoch in direkten Widerspruch zu anderen Aussagen Hoppmanns. So kann man z.B. die Notwendigkeit der Institutionalisierung von Ausnahmebereichen nicht postulieren, wenn der Markt unzerlegbar ist. Außerdem gibt es ein Problem bei der Behandlung des Falles des Ressourcenmonopols. Denn Hoppmann ist der
Vgl. Hoppmann: Wettbewerbspolitik in Deutschland. S. 358. Vgl. Hoppmann: Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen. S. 504ff. 90 Vgl. Gotthold. Jürgen: Neuere Entwicklungen der Wettbewerbstheorie. Kritische Bemerkungen zur neo-neoliberalen Theorie der Wettbewerbspolitik. in: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht. Bd. 145. 1981, S. 309. Fn. 129. 88
89
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Auffassung, daß es ein "reines" Monopol nicht gibt und daß immer Wettbewerb durch andere Güter besteht. 91 "Reines Monopol liegt erst dann vor, wenn das Eigentum an sämtlichen Ressourcen in einer einzigen Hand, der des Staats, vereinigt ist. Dann jedoch hat das marktwirtschaftliche System aufgehört zu existieren. ,,92 Es stellt sich also die Frage, worin ein Ressourcenmonopol in diesem Fall besteht. Ist es irgendeine Art von Monopol, dann wird impliziert vorausgesetzt, daß ein "relevanter Markt" monopolisiert wird. Oder aber gibt es die Kategorie des Ressourcenmonopols nicht, wovon jedoch bei Hoppmann nicht die Rede ist. 93•94 Aber auch bei Schmidtchen sind Widersprüche zu der gepriesenen Gesamtmarktkonzeption zu finden. Seine bekannte These besagt, daß die Volkswirtschaft ein riesiges heterogenes Polypol ist.95 Trotzdem spricht er über "Zugangsschranken", "Zustrom neuer Wettbewerber", "Gewinnratenvergleiche" und "Ressourcenmonopol"96, ohne zu erklären, wie diese Probleme
91 Vgl. Hoppmann: Über Funktionsprinzipien und Funktionsbedingungen des Marktsystems, S 134f., und ders.: Wettbewerb und Wachstum in marktwirtschaftlichen Ordnungen, S. 354. 9Z Hoppmann: Über Funktionsprinzipien und Funktionsbedingungen des Marktsystems, S. 135. Dies harmoniert auch mit der These, daß der Wettbewerb mit dem Markt(prozeß) identisch ist. Verschwindet der Wettbewerb, dann verschwindet mit ihm auch der Markt. Das bedeutet auch z.B., daß im Falle eines Kartells, wo zugegebenermaßen der Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern zum Erliegen gekommen ist, kein Markt mehr existiert. 93 So auch Möschel: Zur wettbewerbstheoretischen Begründbarkeit von Ausnahmebereichen, S. 97. Er bemerkt auf S. 97f. "Wenn Hoppmann meint, ein Ressourcenmonopol verhindere zwar nicht den marktwirtschaftlichen Koordinierungsprozeß, bewirke aber eine Unterausnutzung der monopolisierten Ressourcen und damit eine aus der Sicht der Verbraucherwünsche unproduktive Verwendung der nicht-monopolisierten Ressourcen, so ist dies nur partialanalytisch vertretbar". 9~ Der weitere Hinweis Gottholds, daß auch der wettbewerbspolitische Fall des "Mißbrauchs durch Marktspaltung" den Hoppmann mittels per se Verboten bekämpfen will, widersprüchlich zu seiner Gesamtmarktkonzeption ist, ist unberechtigt. Vgl. Gotthold, S. 309, Fn. 129. Hoppmann meint mit Marktspaltung "die Maßnahme eines Anbieters (... ), durch die er einzelnen Abnehmern oder Abnehmergruppen den Zugang zu denjenigen Bezugsmöglichkeiten, die anderen bevorzugten Abnehmern oder Abnehmergruppen offen stehen, versperrt", und nicht etwa die Spaltung des Gesamtmarktes in Teilmärkte. Vgl. Hoppmann: Behinderungsmißbrauch, Tübingen, 1980, S. 21. 95 Vgl. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 196. und wieder, in: ders.: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 113. 96 Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 127, 128 und 131.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
189
ohne die Abgrenzung des relevanten Marktes behandelt werden können. 97 Außerdem kann die Unzerlegbarkeitsthese als eine empirische These über die geringe Bedeutung von Markteintrittshemmnissen98 aufgefaßt werden. Ob tatsächlich die Eintrittsbarrieren irrelevant sind, ist jedoch noch umstritten. 99 Abgesehen von all diesen Widersprüchen (die vielleicht teilweise als scheinbare Schwierigkeiten klassifiziert werden könnten) besteht ein anderes Problem, das direkt die Essenz des Arguments betrifft. Wenn man nämlich davon ausgeht, daß der Markt bzw. der Wettbewerb unzerlegbar ist und die Teilmärkte nicht bestimmt werden können und sollen, beraubt man sich freiwillig wichtiger Instrumente der Analyse. Obwohl vielleicht tatsächlich die Abgrenzung des relevanten Marktes für dieses Konzept nicht von Bedeutung sein mag 1OO , bedeutet es nicht, daß man nicht legitimiert ist, sie in einem anderen Zusammenhang bzw. in einem anderen Theorienkomplex zu verwenden. Dafür gibt es eine epistemologische Begründung. Je nach Gesichtspunkt der Analyse ist man gezwungen, bestimmte Vereinfachungen zu machen, um nur den Aspekten die Aufmerksamkeit zu schenken, die für die Analyse wesentlich sind. Somit ist je nach der Natur des Gegenstandes eine verschiedene Stufe der Abstraktion notwendig. Man kann also von "Abstraktionsgraden" sprechen, die lediglich vom zu untersuchenden Objekt bestimmt werden. Im Falle der Wirtschaftstheorie gibt es hauptsächlich drei Grade der Abstraktion: die Abstraktion bezüglich des Individuums bzw. der wirtschaftlichen Einheit, des Partialmarktes und des Gesamtmarktes. Je nach dem Zwecke der Analyse macht man eine der drei Kategorien zum Mittelpunkt der Betrachtung. Will man z.B. das Konsumentenverhalten behandeln, dann geht man vom Individuum aus; oder will man das Gesundheitswesen analysieren, dann fokusiert man die Analyse auf einen Partialmarkt; oder will man letztlich den Einfluß von Institutionen auf die Wirtschaft erklären, dann macht man den Gesamtmarkt zum Mittelpunkt der Analyse. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß auch verschiedene
97 Vgl. Lenel, Hans Otto: Konzentration und Wettbewerb, in: Ordo, Bd. 39, 1988, S. 142f. 98 Vgl. Borchert und Grossekettler, S. 147. 99 Vgl. Borchert und Grossekettler, S. 151. Wir haben die diesbezügliche Kontroverse in dem zweiten Teil der Arbeit behandelt. Die Relevanz der Eintrittshemmnisse war ein Streitpunkt in der neueren Schmidtchen-Lenel-Kontroverse. Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 130f., und Lenel: Konzentration und Wettbewerb, S. 142f. 100 Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 131.
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Abstraktionsperspektiven benutzt werden, wie z.B. die Wirtschaftssektoren oder die Wirtschaftsgruppen.IOI.I OZ Man kann keinen Grad der Abstraktion als apriori unzulässig bzw. als unbrauchbar ausschließen, wie die Anhänger der Gesamtmarktkonzeption es tun. Nur die Ergebnisse der Forschung mittels eines jeden Abstraktionsgrades können zeigen, welche Perspektive sich als brauchbar und welche sich nicht als solche erwiesen hat. Jede Abstraktion muß deshalb prinzipiell erlaubt sein, und die einzige Restriktion ist, daß die Ergebnisse bezüglich eines Abstraktionsgrades nicht ohne weiteres auf andere Abstraktionsgrade übertragen werden dürfen. Die Entscheidung, welcher Grad der Abstraktion vom jeweiligen Forscher gewählt wird, liegt im vorwissenschaftlichen Raum und ist deshalb durchaus legitim. Allerdings können nach der Wahl unterschiedliche Probleme auftreten und zwar vor allem bezüglich der Grenze der Analyse. So ist z.B. der Hinweis der Systemtheoretiker darauf, daß die Abgrenzung des "relevanten Marktes" willkürlich ist, nicht gerechtfertigt, denn das Problem der analytischen Grenze innerhalb eines jeden Abstraktionsgrades tritt in allen Fällen auf. So ist in der ökonomischen Theorie mehrmals versucht worden, rationale Kriterien zur Antwort auf diese Frage der Abgrenzung des Partialmarktes auszuarbeiten. 103 Das Problem der Abgrenzung existiert jedoch auch im Falle des Totalmarktkonzeptes, obwohl es nicht ausgesprochen wird. So bleibt Z.B. offen, welche die Grenze zwischen Wirtschaft bzw. Gesamtmacht und Gesellschaft ist. Außerdem läßt die Begrenzung der Analyse auf die ökonomischen Beziehungen den soziologischen Charakter der menschlichen Beziehungen außer acht. Diese Schwäche zeigt sich klar in der Tatsache, daß mit der Einführung der Kategorie des Unternehmers versucht wird, den Bereich Wirtschaft von den üblichen Bereichen auszuschließen. So bleibt
Vgl. die schon behandelte Theorie von PhilIips. In diesem Punkt ist eine mögliche Verwirrung vorwegzunehmen. Da man oft vom methodologischen Individualismus als methodologische Grundlage der Erklärung des ökonomischen Geschehens spricht, sei hier bemerkt, daß dies mit den Abstraktionsgraden nichts zu tun hat. Innerhalb jedes Abstraktionsgrades kann das ökonomische Sein anhand der Interaktion der Individuen erklärt werden, nur hat dies nichts mit der Wahl des zu erklärenden Objektbereiches zu tun. 103 Vgl. z.B. Bartling: Leitbilder der Weubewerbspolitik, S. 93ff., Schmidt: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 49ff., Berg: Wettbewerbspolitik, S. 279ff. Die Auffassung, daß die Marktabgrenzung erfahrungswissenschaftliche Ansatzpunkte zum Inhalt hat und eine Objektivierung möglich ist, vertritt Lademann, Rainer P. in seinem interessanten Aufsatz: Methodologische und erfahrungswissenschaftliche Betrachtung bei der Abgrenzung des relevanten Marktes, in: Wirtschaft und Wettbewerb, Jg. 38, 1988, S. 575-586. 101
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unerklärt, warum die Fähigkeit der Findigkeit (alertness) nur dem Unternehmer zugerechnet wird, während sie allen übrigen Marktteilnehmern abgesprochen wird. Mit seiner Intervention (Arbitrage) und dem Schließen aller Koordinationsstücken schließt er zugleich alle Wege der Kommunikation zwischen Wirtschaft und den üblichen Bereichen des sozialen Lebens. Somit wird klar, daß die Abgrenzungsprobleme jeder Stufe der Abstraktion und jeder Perspektive immanent sind. Davon abgesehen kann die Fruchtbarkeit jedes Abstraktionsgrades nur aposteriori beurteilt werden und auf jeden Fall muß eine Norm, die eine bestimmte Perspektive verbannen will, als methodologisch unbrauchbar verworfen werden. 9.6.2. Systembetrachtung und Gesamtmarktkonzeption
Die Gesamtmarktkonzeption wird üblicherweise mit einer Systembetrachtung kombiniert. Das System ist nichts Vorgegebenes, sondern Ergebnis gedanklicher Abstraktion. Es ist als solches kein Gegenstand der Erfahrungswelt und deshalb ist die Systemeigenschaft eher als Methode anzusehen. 104 So geben auch die Verfechter der Systemtheorie zu, daß sie keinen autonomen empirischen Gehalt besitzt und lediglich eine Weise ist, sich der zu erklärenden Welt anzunähern. 105 Deswegen fügt die Systemtheorie nichts zu unserem Wissen über die Funktionsweise der (ökonomischen) Welt hinzu. Dies beweist auch z.B. die Menge der Aussagen, die Schmidtchen unter dem Oberbegriff Systemtheorie darstellt. Alle angegebenen Thesen sind schon bekannt, sie werden nur unter der Systembetrachtung in einer anderen Weise diskutiert. 106 Ob natürlich diese Art der Betrachtung fruchtbar sein kann, ist apriori nicht zu entscheiden. Als Inspirationsquelle könnte sie der Produktion neuen Wissens dienen und das ist tatsächlich der Fall z.B. in der Evolutionstheorie gewesen. 107 An dieser Stelle soll etwas in Zusammenhang mit dem Problem der Abstraktionsgrade erwähnt werden. Die Problematik der Grade der Abstraktion verschwindet nicht im Falle einer Systembetrachtung. Man kann die Psyche bzw. das Individuum oder den Markt als System betrachten USW. 108 Hier
Vgl. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 114. "Man kann also niemals ein System, sondern immer nur einen Gegenstand als System erblicken." Ebda. Zitiert von Händle, F./Jensen, S.: Einleitung der Herausgeber, in dem Sammelband: Systemtheorie und Systemtechnik. München, 1974. S. 26. 106 Vgl. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 149ff. 107 Vgl. Röpke: Die Strategie der Innovation. 108 Ebda. 104
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tritt aber auch das Problem der Abgrenzung in der Form der "Systemgrenzen" auf109 , und somit wird klar, daß dieses Problem jeder wissenschaftlichen Forschung immanent ist. llO 9.7. Die Komplexität des Marktphänomens 9.7.1. Der Markt als komplexes Phänomen
In der Ökonomie handelt es sich um Probleme organisierter Komplexität, d.h. um Phänomene deren Erklärung verlangt, daß eine beträchtliche Anzahl von Faktoren in Betracht gezogen wird. lll Die sozialen Phänomene sind nach Hayek im Gegensatz zu den physikalischen, komplexen Phänomene, die nicht mittels einfacher Beziehungen zwischen wenigen Variablen analysiert werden können. 112 Mit Komplexität ist gemeint, daß Ereignisse und Prozesse anhand der Unmöglichkeit der Verfügbarkeit von den unzählig vielen, relevanten Randbedingungen nicht vollständig erklärbar sind. 113 Als typisches Beispiel eines komplexen Phänomens wird der Markt angegeben. Mit Komplexität meint man Vielfalt, zunächst Vielfalt der Verhaltensmöglichkeiten von Wirtschaftssubjekten, die sich in der Vielfalt des Marktgeschehens widerspiegelt. 1l4 Diese Komplexität des Marktphänomens hat den Skeptizismus bezüglich der Grenzen und der Möglichkeit seiner Erklärung zur Folge. llS So wird postuliert, daß nur Erklärungen des Prinzips bzw. Muster-Voraussagen der Marktprozesse möglich sind, und Voraussagen über den konkreten Einzelfall werden abgelehnt. Vgl. Röpke: Die Strategie der Innovation, S. 34ff. Auch in der Soziologie z.B. kann man verschiedene Grade der Abstraktion unterscheiden, wobei die Gruppe eine wesentlichere Rolle als in der Nationalökonomie spielen dürfte. In der Soziologie denkt man aber kaum, daß das "richtige" Untersuchungsobjekt nur die gesamte Gesellschaft ist und z.B. die Stadt, das Dorf oder die Familie als Untersuchungskategorien verbannt werden müßten, weil es keine klaren Grenzen gibt. 111 Vgl. Weaver, Warren: Wissenschaft und Komplexität, in: Ordo, Bd. 18, 1967, S. 169. Da wird auch die Unterscheidung zwischen organisierter und unorganisierter Komplexität gemacht. 1lZ Vgl. Hayek: The Theory of Complex Phenomena, S. 26. 113 Vgl. Graf, Hans-Georg: "Muster-Voraussagen" und "Erklärungen des Prinzips" bei F.A. von Hayek, Tübingen, 1978, S. 24. 114 Vgl. Schmidtchen, Dieter: Methodologische und system theoretische Grundsätze der Wettbewerbspolitik, in: Wirtschaftsdienst, Jg. 58, 1978, S. 473. 115 "11 is high time, however, that we take our ignorance more seriously", vgl. Hayek: The Theory of Complex Phenomena, S. 39. 109 110
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Da der Markt in dieser Forschungsrichtung der Systemtheorie weitgehend mit dem Wettbewerb identifiziert wird, hat die Einsicht der Komplexität des Marktphänomens die These über den komplexen Charakter des Wettbewerbsprozesses zur Folge. Deshalb wollen wir jetzt unter diesem neuen Sachverhalt der Komplexität unsere Aufmerksamkeit der "komplexitätsorientierten" Non-Dilemma-These schenken. 9.7.2. Die "komplexitätsorientierte" Non-Dilemma- These
Obwohl über den logischen Status der Muster-Voraussagen noch keine Einstimmigkeit herrscht 116 , wird von allen Systemtheoretikern diese komplexitätsbezogene Non-Dilemma-These als eine echte falsifizierbare Voraussage formuliert. "So ist etwa die Voraussage, daß ein kompetitives System definiert durch die Abwesenheit von Wettbewerbsbeschränkungen - gewisse allgemeine Züge aufweist (z.B. Wachstum, Leistungssteigerung, Entfaltung des technischen Fortschrittes, Verbesserung der Verbraucherversorgung), eine echte Voraussage und als solche falsifizierbar."1l7 So wird diese neuformulierte Non-Dilemma-These von Hoppmann wie folgt wiedergegeben: "Die Voraussage, daß Spielregeln, die die Wettbewerbsfreiheit sichern, zugleich zur Erfüllung allgemeiner ökonomischer Wettbewerbsfunktionen führen, ist eine allgemeine Aussage über die ökonomische Effizienz des Systems (d.h. Leistungsfähigkeit, Entfaltung des technischen Fortschritts usw.)".118 Die Non-Dilemma-These besagt, daß im Marktsystem eine Tendenz zur Mutation ("Innovation"), zur Selektion und zur Anpassung der Pläne und des diesen zugrundeliegenden Wissens vorhanden ist. 119 Oder in einer anderen von Möschel angebotenen Formulierung heißt es: "Der Kern der Aussage - wenn auch zugegebenermaßen mit sehr hohem Allgemeinheitsgrad - liegt darin, daß bei Annahme einzelner weniger Randbedingungen wie wirtschaftliche Handlungsfreiheiten, gemeinsame Spielregeln wie Vertrags- und Eigentumsordnung, eine sich ständig vollziehende spontane, polyzentrische Koordinierung stattfinden kann im Unterschied zum Chaos und anarchischen Durcheinander" .120 Siehe dazu Kap. 10.1. und 10.2. Hoppmann: Grundsätze marktwirtschaftlicher Wettbewerbspolitik, S. 310. 118 Hoppmann: Grundsätze marktwirtschaftlicher Wettbewerbspolitik, S. 3tH. 119 Vgl. Schmidtchen: Methodologische und system theoretische Grundsätze der Wettbewerbspolitik, S. 475. 120 Möschel: Zur wettbewerbstheoretischen Begründbarkeit von Ausnahmebereichen, S. 93, und ähnlich in ders.: Neuere Entwicklungen der Wettbewerbstheorie. Kritische Bemerkungen zu kritischen Bemerkungen, in: Zeitschrift für das gesamte 116 117
13 Mantzavioos
194
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Diese Formulierung der Non-Dilemma-These weist keinen wesentlichen qualitativen Unterschied gegenüber den schon diskutierten Formulierungen auf. Zentraler Punkt ist, daß die Wettbewerbsfreiheit praktisch in Spielregeln ausgedrückt und dadurch gesichert wird. Die Frage, wie diese Spielregeln aussehen müssen, damit die Wettbewerbsfreiheit nicht gefährdet wird bzw. Wettbewerbsfreiheitsbeschränkungen nicht auftauchen, ist eine normative Frage l21 und interessiert in diesem Zusammenhang wenig. Von erheblicher Bedeutung ist jedoch die Tatsache, daß die Identifikation des Wettbewerbs mit dem Markt die Termini Wettbewerbsfreiheit und "Freiheit der marktlichen Handelnsordnung"122 zu Synonymen macht. So wird die Non-Dilemma-These von einer Beziehung zwischen Wettbewerbsfreiheit (und den übrigen Wettbewerbsvoraussetzungen) und Ergebnissen des Wettbewerbs zu einer Beziehung zwischen Freiheit der Teilnahme am Markt und ökonomischer Effizient des Marktsystems transformiert, was eine direkte Deduktion aus der Gleichsetzung des Wettbewerbs mit dem Marktprozeß ist. "Wohlbegründet dagegen ist die sogenannte Non-DilemmaThese, der zufolge die Gewährleistung der Freiheitlichkeit einer marktlichen Handelnsordnung zugleich die ökonomische Effizienz ihrer Ergebnisse sicherstellt. ,,123 9.7.3. Non-Dilemma-These, Markt und Austausch
Ob und welche ökonomischen Vorteile der Markt den Marktteilnehmern sichert, ist die zentrale Frage der neuformulierten Problematik der Non-Dilemma-These. Der Schluß, der die Freiheit mit der Effizienz in Zusammen-
Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, Bd. 145, 1981, S. 593. 121 Die Frage, was eine Freiheitsbeschränkung ist bzw. welches der Inhalt der Wettbewerbsfreiheit ist, besitzt einen eindeutig normativen Charakter. Deshalb bestimmen die verschiedenen Antworten darauf die wettbewerbspolitischen Nuancen der Konzeption der Wettbewerbsfreiheit. Außer den Konzeptionen von Hoppmann und Schmidtchen, sei hier noch auf die Konzeption Willekes, vgl. Willeke: Grundsätze wettbewerbspolitischer Konzeptionen, und ders.: Wettbewerbspolitik, Tübingen, 1980, auf die Weiterentwicklung des Hoppmannschen Ansatzes von Bartling, vgl. Bartling: Leitbilder der Wettbewerbspolitik, vor allem S. 59ff., und auf den Ansatz Herdzinas, vgl. Herdzina: Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftstheoretischer Fundierung der Wettbewerbspolitik, S. 44ft., und ders.: Wettbewerbspolitik verwiesen. Für eine kritische Diskussion vgl. Eickhof, Norbert: Wettbewerb, Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsbeschränkungen, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 35. Jahr, 1990, S. 225ff. 122 Vgl. Schmidtchen: Property Rights, Freiheit und Wettbewerbspolitik, S. 25. 123 Ebda.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
195
hang bringt, ist gemäß der vorigen Argumentation zum Zwecke einer näheren Untersuchung in zwei Teile zu zerlegen. Zunächst ist die Beziehung zwischen Freiheit und Marktgeschehen zu untersuchen und dann die Verknüpfung zwischen Markt und Effizienz zu analysieren. Anders als die Systemtheorie gehen wir davon aus, daß Markt und Wettbewerb nicht gleichzusetzen sind. So sind auf dem Markt außer dem Wettbewerb auch Kooperation und Monopol vorzufinden. l24 Außerdem sehen wir von der Tatsache, daß das Problem der analytischen Sätze auch hier auftauchen kann, ab. Wir verwenden diese Aussagen als echte empirische, falsifizierbare Sätze, unabhängig davon, wie man sie zu taufen pflegt, wie z.B. MusterVoraussagen, Beschreibung von allgemeinen Strukturen, Schemata usw. (Für die Auffassung, daß diese neuformulierte Non-Dilemma-These einen Charakter analytischer Sätze haben kann, gibt es genügend Anhaltspunkte in dem relevanten Schrifttum. So wenn z.B. Schmidtchen schreibt: "Wettbewerbsfreiheit darf nicht mit Wettbewerb verwechselt werden" und direkt der Satz folgt: "Wettbewerb ist das Spiel, das sich aus der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit am Markt ergibt".125 Und da die Wettbewerbsfreiheit "aus einer Kombination von Erlaubnissen einerseits und dem Recht auf die Nichthinderung von Handlungen andererseits"l26 besteht, hängt das "Spiel" Wettbewerb allein von der jeweiligen rechtlichen Regelung ab und ändert sich mit ihr. 127 Der Verdacht der analytischen Wahrheit liegt nahe. Oder bezüglich der zweiten Kausalbeziehung zwischen Markt und Effizienz, wo das zu erklärende Ergebnis ("bessere Leistung") als direkt in der Vorausset-
124 Die Klassifizierung jedes Marktprozesses als apriori wettbewerblich hat zur Folge, daß allmählich die Aufmerksamkeit auf andere Kategorien gelenkt wird, um das Marktgeschehen erklären zu können. Denn setzt man den Markt mit dem Wettbewerb gleich, beraubt man sich der Klassifizierungsmöglichkeit des Marktgeschehens in Wettbewerb, Kooperation und Monopol und man muß sich anderen Charakteristika des Marktes wie Innovation, Arbitrage und Akkumulation zuwenden (vgl. z.B. Fehl: Spontaneous Order and the Subjectivity of Expectations. A Contribution to the Lachmann-O'Driscoll Problem, S. 136ff., und ders.: Freiheit, Wettbewerb, Politik und die Rolle des Wirtschaftswissenschaftlers, in: Ordo, Bd. 39, 1988, S. 163ff.). Die Verwendung dieser für die Analyse des Marktgeschehens durchaus nützlichen Kategorien sollten das Weiterbestehen der Kategorien der traditionellen Ökonomie nicht ausschließen, sondern sie vielmehr bereichern. 125 Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 119. 126 Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 118. 127 So Lenel in seiner Kritik an Schmidtchen, vgl. Lenel: Konzentration und Wettbewerb, S. 138.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
zung (Marktsystem) enthalten angesehen werden kann. l28 Der Vorwurf der analytischen Wahrheit führt, obwohl vielleicht legitim, zur unerwünschten Ablenkung der Aufmerksamkeit von den relevanten theoretischen Fragen und dem soll deshalb hier nicht gefolgt werden.) Die erste Beziehung der Non-Dilemma-These in dieser Form postuliert den Zusammenhang zwischen Freiheit und Marktgeschehen. Zunächst ist der Begriff des Marktes zu erklären. Was den Kern des Marktes ausmacht ist der Austausch. Der Austauschprozeß der Wirtschaftssubjekte konstituiert das Marktphänomen und er kann verschiedene Formen annehmen. Der Austausch kann ohne bestimmte Rahmenbedingungen, gewissermaßen ungeordnet, stattfinden, wie der Fall des Handels in den ersten Phasen der menschlichen Geschichte bestätigt l29 , er kann jedoch auch institutionalisiert sein und dann handelt es sich um einen Markt. Markt ist demgemäß die Institutionalisierung des Austausches. l30 So kann man verschiedene Muster der sozialen Interaktion der Individuen auf dem Markt beobachten, wie z.B. die Konkurrenz, die Kooperation und der Versuch der Monopolisierung. Jede konkrete Handlung dient den Zielen der Individuen, hat aber eine bestimmte Orientierung und das ist der Austausch. Es besteht ein Vorrang des Austauschprozesses, da der Zweck der Teilnahme jedes Individuums an dem Markt der Austausch ist. Unter diesem Blickwinkel verschwindet also die Identifizierung des Marktes mit dem Wettbewerb, und es wird klar, daß der Wettbewerb nur eine Erscheinungsform unter anderen im Marktgeschehen darstellt. Für das Zustandekommen eines institutionalisierten Austauschprozesses bzw. eines Marktes gibt es gewisse Voraussetzungen. Die erste und wichtigste ist die Freiheit. Sie ist als ökonomische bzw. Handlungsfreiheit zu verstehen und ist von dem engeren Begriff der Wettbewerbsfreiheit zu unterscheiden. Sie ist die Freiheit an dem Austauschprozeß teilzunehmen. Die zweite Voraussetzung ist die Existenz einer Rechtsordnung, die die Aktionsspielräume der Individuen klar abgrenzt. 131 In modernerer Termino-
128 Vgl. Nähres über die Argumentation Gottholds: Neuere Entwicklungen der Wettbewerbs theorie, S. 314. 129 Für die Beschreibung dieser Art des Austausches vgl. Hayek: The Fatal Conceit, S.41-43. 130 Vgl. Kap. 8.8. Eine ähnliche Auffassung, freilich in einem anderen Zusammenhang, vertritt auch James Buchanan, vgl. S. 147, Fn. 137. 131 Die Existenz der Regeln des Rechts hat ihrerseits die Existenz einer Gewalt als Voraussetzung, die die Befolgung dieser Regeln seitens der Individuen sicherstellt. Vgl. Hayek: Arten der Ordnung, S. 40.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
197
logie könnte man auch von der Existenz eines Systems von Verfügungsrechten ("property rights") sprechen. Gibt es ein System eindeutig spezifizierter und personell zugeordneter Verfügungsrechte an knappen Ressourcen, dann kann ein Austauschprozeß auftreten. 132 Diese beiden Voraussetzungen sichern das "Am-Markt-teilnehmen-können". Während außerdem das "Wollen" vorhanden sein muß. Sieht man von gewissen Ausnahmen ab, wie z.B. die eines Eremiten, der ein einsames Leben führt oder die eines autarken Oikos, der in keiner ökonomischen Beziehung zu der Außenwelt steht, muß das "Wollen" einer Marktteilnahme bei allen Individuen als vorhanden angesehen werden. Dieses "Wollen" der Marktteilnahme ist eine direkte Deduktion aus der empirisch formulierten Grundlage des Primats der Eigenliebe. Im Erfahrungsprozeß haben die Individuen gelernt, daß in vielen Fällen der Austausch vorteilhaft ist, und deshalb wollen sie auch am Markt teilnehmen. Dieser Wille zur Marktteilnahme seitens einer genügend großen Anzahl von Individuen ist also als dritte Voraussetzung für das Zustandekommen eines Marktes zu nennen. Somit nimmt der erste Teil der neuformulierten Non-Dilemma-These die folgende Form an: "Wenn Freiheit, eine Rechtsordnung (System von Verfügungsrechten) und der Wille zur Marktteilnahme seitens einer genügend großen Anzahl von Individuen vorhanden sind, dann entsteht ein Markt". Der zweite Teil der komplexitätsorientierten Non-Dilemma-These erscheint wesentlich schwieriger in seiner Behandlung als der erste. Die Frage lautet, was der Markt hervorbringt, welche die Ergebnisse seines Funktionierens sind. Diese Frage ist ideologisch gefärbt, denn mit diesen Ergebnissen des Marktsystems wird aus dem liberalen Lager zugunsten seiner Existenz und Erhaltung argumentiert. Neuerdings wird diese Argumentation unter dem Oberbegriff der "ökonomischen Effizienz" geführt. So wird behauptet, daß soweit das Marktgeschehen sich frei entfalten kann, es zur ökonomischen Effizienz führt. Der Gesichtspunkt der ökonomischen Effizienz erscheint jedoch für die erfahrungswissenschaftliche Analyse der Marktergebnisse als unzweckmäßig. Zunächst wird der Begriff der Effizienz nicht näher erläutert oder präzisiert. Dies trifft sowohl für den Effizienzbegriff der Chicago-Schule 133, die ihn zuerst in den Mittelpunkt ihres Interesses gerückt hat, als auch für den davon anscheinend beeinflußten Effizienzbegriff der Systemtheorie zu. Schmidtchen gibt zwar an, was er mit Effizienz meint, und das sind die
132 133
Vgl. Schmidtchen: Property Rights. Freiheit und Wettbewerbspolitik. S. 27. Vgl. zur Kritik des Effizienzbegriffes Kap. 3.2.1.
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Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Koordinationseffizienz und die Evolutionsleistung. l34 Aber er analysiert nicht, wann sie gegeben sind und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. J35 Noch gibt er an, wie die Koordinationskosten und wie die Evolutionsleistung gemessen werden können. l36 Schmidtchen bemerkt nur, daß die Koordinationslücken Gewinnmöglichkeiten eröffnen, die von Unternehmern wahrgenommen werden. Das Schließen jeder Koordinationslücke (die auch nicht näher präzisiert wird) bedeutet einen Beitrag zur Koordinationseffizienz. J37 Haben dann also, wie Lenel bemerkt, das bis 1945 erlaubte deutsche Kali- oder Steinkohlensyndikat damals einen solchen Beitrag geleistet?l38 Obwohl also die Koordinationseffizienz ein richtiger Ansatzpunkt sein könnte, impliziert ihre mangelnde Spezifizierung ihre Unbrauchbarkeit. Außerdem werden die Effizienzüberlegungen von Schmidtchen klar als ein normatives Kriterium dafür angegeben, zu entscheiden, welche Aktionsparameter und welche Ausprägungen derselben den Marktteilnehmern erlaubt sein sollen. J39 M.a. W. wird die Effizienz zum normativen Kriterium der Beurteilung dessen, was zu erlauben und was zu verbieten ist. l40 Zugleich wird die Freiheit instrumentalisiert und dem Effizienzziel untergeordnee 41 , was, wenn es keine bewußte Wende in der Zielsetzung des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit darstellt, als ein großer Widerspruch zu der früher gepriesenen Nomokratie angesehen werden muß. Da der Effizienzbegriff außer seinem normativen Charakter auch leicht zu einer Art "black box" werden kann l42, muß er in der Formulierung des
13-4
121.
Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S.
13S Schmidtchen vermeidet, wie Lenel ihm vorwirft, vielleicht grundsätzlich "in die Niederungen der Detailfragen hinabzusteigen". Vgl. Lenel: Konzentration und Wettbewerb, S. 142. 136 Vgl. Eickhof: Wettbewerb, Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsbeschränkungen, S. 237, Fn. 41. 137 Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 123. 138 Vgl. Lenel: Konzentration und Wettbewerb, S. 141. 139 Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 120. 1«1 "Alles, was die ökonomische Effizienz beeinträchtigt, ist den Marktteilnehmem zu verbieten, alles andere zu erlauben. Freiheit wird zum Instrument zur Realisierung effizienter Zustände". Vgl. Schmidtchen: Fehlurteile über das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, S. 120f. 141 Vgl. Eickhof, S. 237, Fn. 41. 14Z Vgl. Schmidt I./Rittaler, J., Die Chicago School of Antitrust Analysis, S. 45.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
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zweiten Teiles der Non-Dilemma-These vermieden werden. Stattdessen wird die positive Formulierung der Marktergebnisse bevorzugt. Als erstes ist das Hayek-Argument der Verwertung des Wissens zu nennen. Das Marktsystem sorgt dafür, daß das größtmögliche Wissen an die größtmögliche Anzahl von Individuen diffundiert. Außerdem ist das Marktsystem ein ständiger Prozeß des Erforschens und Erschließens neuer Möglichkeiten und der Ort, an dem neue Alternativen mittels eines "Versuch und Irrtum"-Verfahrens erprobt werden. 143 Es besteht der Anschein, daß der Austauschprozeß im Marktsystem Innovationen begünstigt, obwohl der exakte Mechanismus noch nicht erforscht worden ist. Als direkte Folge des Austauschprozesses ist diesbezüglich auch auf die Selektion der effizienteren zu verweisen. Somit ist zusammenfassend als zweites Ergebnis des Marktsystems seine Eigenschaft als Evolutionsprozeß (und alle damit zusammenhängenden Eigenschaften wie Innovationen, Selektion, Imitation und Homöostasisl 44) zu nennen. Das dritte wichtige Ergebnis des Marktes bzw. des Austauschprozesses ist die Koordination der Pläne der Individuen. Mit der Erprobung ihrer Pläne auf dem Markt finden die Individuen heraus, ob sie richtige oder falsche Erwartungen entwickelt haben, und je nach dem Marktsignal verändern sie ihre Pläne. Ob diese Koordination gut oder schlecht ist bzw. eine bestimmte Koordinationseffizienz dem Marktsystem nachgesagt werden kann, sind normative Fragen, die hier nicht näher erläutert werden können. Man kann nur behaupten, daß das Marktsystem eine spontane, polyzentrische Ordnung im Sinne Hayeks bewirkt. Man kann aus heutiger Sicht noch nicht behaupten, daß es eine inhärente Gleichgewichtstendenz im Marktsystem gibt. Obwohl diese Hypothese so alt wie die Nationalökonomie selbst ist und die andauernde Existenz der Idee der Gleichgewichtstendenz für zwei Jahrhunderte vielleicht ein Indiz für ihre Richtigkeit liefert, ist sie bis heute noch nicht empirisch bewiesen worden. Deshalb vermeiden wir auch, sie unter den Ergebnissen bzw. Eigenschaften des Marktsystems zu subsumieren!45
143 Vgl. Hoppmann: "Neue Wettbewerbspolitik": Vom Wettbewerb zur staatlichen Mikro-Steuerung, S. 291. 144 Für die methodologischen Grundlagen einer Theorie evolutorischer Systeme vgl. Popper, Karl: Objektive Erkenntnis, Hamburg, 1973, S. 267-272. 145 Neuerdings hat eine Untersuchung gezeigt, daß diese Gleichgewichtstendenz keine falsifizierbare Aussage darstellt. Vgl. Loy, Claudia: Marktsystem und Gleichgewichtstendenz, Tübingen, 1988, wo auf S. 191 steht: "Aus Sicht des kritischen Rationalismus hat die These der inhärenten Gleichgewichtstendenz weder aufgrund der Ausführungen v. Hayeks noch der Kirzners empirischen Gehalt. Da sie nicht falsifizierbar ist, erfüllt sie nicht die Anforderungen an eine erfahrungswissenschaftliche Theorie, sondern ist ein metaphysisches Postulat".
200
Dritter Teil: Die Wettbewerbstheorie im deutschsprachigen Raum
Diese drei o.g. Ergebnisse sind die wichtigsten, aber keinesfalls die einzigen. Der Katalog kann beliebig erweitert werden und beinhaltet im Grenzfall alle Aussagen der ökonomischen Theorie, so z.B. daß es eine Tendenz zum Produktionsmaximum gibt, daß eine Gewinnerosion stattfindet, daß Konjunkturschwankungen auftreten USW. I46 Alle diese Eigenschaften des Austauschprozesses sind jedoch von minderer Bedeutung und teilweise unter den drei Hauptergebnissen subsumierbar. Somit kann man den zweiten Teil der komplexitätsorientierten NonDilemma-These wie folgt formulieren: "Wenn ein Markt existiert, dann ergibt sich eine hohe Verwertung des Wissens der Individuen, ein Evolutionsprozeß findet statt, und es erfolgt eine Koordination der Pläne". Dann sieht die vollständige Non-Dilemma-These wie folgt aus.
Vierte Formulierung (komplexitätsorientierteJ Wenn Freiheit, eine Rechtsordnung (System von Verfügungsrechten) und der Wille zur Marktteilnahme seitens einer genügend großen Anzahl von Individuen vorhanden sind, dann entsteht ein Markt. Wenn ein Markt existiert, dann ergibt sich eine hohe Verwertung des Wissens der Individuen, ein Evolutionsprozeß findet statt und es erfolgt eine Koordination der Pläne. Wenn Freiheit, eine Rechtsordnung (System von Verfügungsrechten) und der Wille zur Marktteilnahme seitens einer genügend großen Anzahl von Individuen vorhanden sind, dann ergibt sich eine hohe Verwertung des Wissens der Individuen, ein Evolutionsprozeß findet statt und es erfolgt eine Koordination der Pläne.
Zu der Systemtheorie ist die folgende Tabelle angegeben.
146 Vgl. den Katalog der Muster-Voraussagen in Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 133.
Neuntes Kapitel: Die Systemtheorie
201
Tabelle 9 Die Systemtheorie
Wettbewerbstheorie Analyse des Wettbewerbs
(Hoppmann I) Wettbewerb als dynamischer Prozeß. Ablehnung der "Reduktionsmodelle" der Preistheorie. Unterscheidung zwischen Austausch- und Parallelprozeß. Drei Aspekte des Parallel prozesses. Wettbewerbsfreiheit als wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen des Wettbewerbs Non-Dilemma-These (Hoppmann II) Gesamtmarktkonzeption (Non-separabilis-These), kombiniert mit Systembetrachtung, Evolutionsgedanken und Koordinationsprozeß Identifizierung des Marktes mit dem Wettbewerb. Komplexität des Markt- bzw. Wettbewerbsphänomens
Forschungsmethode
Erklärungen des Prinzips bzw. Muster-Voraussagen Ablehnung von Voraussagen individueller Ereignisse
Meßverfahren
-
Betrachtungshorizont
eher langfristig
Wettbewerbspolitik Ziele
Erhaltung der Wettbewerbsfreiheit. Keine Orientierung an Marktergebnissen. Kein Zielkonflikt zwischen Wettbewerbsfreiheit und ökonomischer Effizienz (Normativer Aspekt der Non-Dilemma-These)
Inhalt
Ablehnung des Marktergebnistests. Stattdessen "Test der Wettbewerbsfreiheit" bzw. "Marktmacht-Test" Begründung von Ausnahmebereichen aufgrund von Muster-Voraussagen Ablehnung der Abgrenzungsversuche des "relevanten" Marktes bzw. Partialmarktes Ablehnung von wohlfahrtstheoretischen Überlegungen Favorisieren von per-se-Verboten im Kartell- bzw. Monopolrecht Verschiedene Definitionen des Freiheitsbegriffes bzw. des Begriffes der Wettbewerbsbeschränkung bestimmen die Nuancen des wettbewerbspolitischen Konzepts der Wettbewerbsfreiheit
Kritik
Identifizierung von Markt und Wettbewerb führt zu Fehleinsichten Hoppmann-Tolksdorf Kontroverse und Tautologievorwurf Ablehnung der Partialanalyse entbehrt der ökonomischen Theorie eines wichtigen Instruments (Problematik der Abstraktionsgrade)
Vierter Teil
Schlußfolgerungen und Methodik Zehntes Kapitel
Forschungsstrategien in der Wettbewerbstheorie Wir haben die unterschiedlichen Hauptströmungen der Wettbewerbstheorie im angelsächsischen und im deutschsprachigen Raum so weit wie möglich zu analysieren versucht. Dabei sollte inzwischen klar sein, daß viele alternative Strategien zur Erforschung des Wettbewerbsphänomens erprobt worden sind und kein Theoriensystem eine unbestreitbare Überlegenheit gegenüber den restlichen aufweist. Dieser Theorienpluralismus ist zweifelsohne als positiv zu bewerten und stellt, gegenüber der Monokratie des neoklassischen Denkstils bis vor einigen Jahrzehnten, einen wissenschaftlichen Fortschritt dar. Es wurde besonders versucht, die theoretischen Schwierigkeiten der angebotenen Theorien so weit wie möglich aufzuzeigen, so daß Ansatzpunkte für ihre Verbesserung offenbart werden konnten. Bei einigen Theorien wurden z.T. Modifikationen vorgeschlagen, die sie entweder weiterzuentwickeln versuchten oder sie in direkt falsifizierbare Form brachten. Ob das mit Erfolg unternommen worden ist, wird von der wissenschaftlichen Kritik entschieden. Als bedeutend sollte die Tatsache herausgestellt werden, daß alle Theoriensysteme einen legitimen Platz bei der Erforschung des Wettbewerbs einnehmen sollten, und alle, freilich von verschiedenem Standpunkt aus, zur Erklärung des Wettbewerbsphänomens beitragen können. Da in Deutschland vor allem von den Systemtheoretikern mehr oder weniger eine Inkommensurabilität zwischen Preis-und Wettbewerbstheorie postuliert wird, soll in diesem letzten Kapitel der Versuch unternommen werden, die beiden Forschungsstrategien aufzuzeigen und zu erklären, daß das Erkenntnisziel beider Theorien weitgehend identisch ist.
Zehntes Kapitel: Forschungsstrategien in der Wettbewerbstheorie
203
10.1. Interpretationsmöglichkeiten der Muster-Voraussagen Die Systemtheorie versucht mittels einer Gesamtbetrachtung, den Wettbewerb zu analysieren; sie nimmt an, daß für die Erklärung des Wettbewerbsphänomens von sämtlichen Parametern der Marktteilnehmer, und nicht nur von dem Preis und der Menge auszugehen ist. Da sie den Wettbewerb mit dem Markt gleichsetzt und ihn als System und komplexes Phänomen betrachtet, versucht sie Muster-Voraussagen zu formulieren und Voraussagen des Einzelfalles zu vermeiden. Wegen der Tatsache, daß die Systemtheoretiker der Methodologie des kritischen Rationalismus folgen l , müßten sie normalerweise versuchen, die Menge der nomologischen Hypothesen bezüglich der Erklärung des Wettbewerbsphänomens, so weit wie möglich zu vergrößern. 2 Da sie aber auf der anderen Seite explizit ein mäßiges Erkenntnisziel propagieren und nur Muster-Voraussagen wagen, erhebt sich die Frage, ob diese Muster-Voraussagen nomologische Hypothesen sind, und wenn nicht, welchen logischen Status sie haben. Zu dieser Frage gibt es keine einheitliche Antwort von den Systemtheoretikem. Da jedoch die Muster-Voraussagen allmählich in den Mittelpunkt der Analyse geraten sind, wäre es an diesem Punkt zweckmäßig, die von ihnen vorgeschlagenen Interpretationsmöglichkeiten näher zu untersuchen. Es sind hauptsächlich drei Interpretationen der erstmals von Hayek postulierten Muster-Voraussagen angeboten werden. Da Hayek sie einerseits als echte falsifizierbare Aussagen 3, andererseits aber nicht als Gesetze angesehen hat4 , bestehen verschiedene Möglichkeiten ihrer logischen Verarbeitung.
Vgl. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 23-53. "Aus der Notwendigkeit. bei Erklärungen und Prognosen auf nomologische Hypothesen zurückgreifen zu müssen, folgt. daß es das Hauptanliegen der Nationalökonomie als Erfahrungswissenschaft sein sollte (... ) sich ein möglichst umfassendes. tiefes und bewährtes Wissen über die nomischen Strukturen der Realität zu beschaffen." Vgl. Schmidtchen: Methodologische und systemtheoretische Grundsätze der Wettbewerbspolitik, S. 468. 3 Vgl. Hayek: The Theory of Knowledge. S. 33: "Yet. as I am anxious to repeat, we will still achieve predictions which can be falsified and which therefore are of empirical significance". 4 Vgl. Hayek: The Theory of Complex Phenomena. S. 4lf. 1
2
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Vierter Teil: Schlußfolgerungen und Methodik
1. GraF bestreitet in Anlehnung auch an einen früheren Aufsatz Hayeks ("Degrees of Explanation ")6 die Tatsache, daß die Muster-Voraussagen nomologisehe Hypothesen darstellen und interpretiert sie als (historische) "Erklärungshypothesen".' Graf ist der Auffassung, "daß man es hier mit der Konstruktion und Anwendung von "explanatory patterns" also "Erklärungsmustern" zu tun habe, die logische Deduktionsketten aus typischen Bedingungskonstellationen und als bekannt vorausgesetzten einfachen Gesetzen darstellten. Diese Deduktionsketten oder Erklärungsmuster enthielten "kein neues" (d.h. über die Bedingungen und die einfachen Gesetze hinausgehendes) "Wissen". Sie seien in demselben Sinne "trivial" wie die Mathematik damit ist wohl gemeint: nicht empirisch. 8 Demgemäß ist die Anwendung des gehaltlosen Modells in der "DannKomponente" angesetzt und das Problem besteht darin, jeweils das richtige Modell auszuwählen und anzuwenden. Will man das Ganze in einer "WennDann-Aussage" ausdrücken, dann heißt es: "Wenn die Bedingungen a, b, ... vorliegen, dann wird das Erklärungsmuster Manwendbar".9 Obwohl diese Aussage empirisch-fehlbar ist, ist das Erklärungsmuster bzw. die MusterVoraussage nicht falsifizierbar. Denn dieses bedeutet im Falle des Scheiterns des Erklärungsmusters bei der Anwendung unter bestimmten Bedingungen schlicht, daß das Erklärungsmuster im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, nicht jedoch, daß es irgendwie falsch bzw. falsifiziert ist. lO 2. Eine andere Interpretation der Muster-Voraussagen bietet Schmidtchen an. Für ihn sind Aussagen über das Auftreten bestimmter Muster echte falsifizierbare Aussagen. II Dennoch lehnt auch er die Auffassung ab, die Mu-
5 Vgl. Graf. Hans-Georg: Nicht-nomologische Theorie bei komplexen Sachverhalten? in: Ordo. Bd. 26. 1975. S. 298-308. und ders.: "Muster-Voraussagen" und "Erklärungen des Prinzips" bei F.A. von Hayek. 6 Vgl. Hayek. F.A. von: Degrees of Explanation. in: Studies in Philosophy. Politics and Economics. S. 3-21. 7 Vgl. Graf: "Muster-Voraussagen" und ...• S. 90f. 8 Vgl. Graf. "Muster-Voraussagen" und ...• S. 89. 9 Vgl. Graf: "Muster-Voraussagen" und ...• S. 95. 10 Damit hängt auch zusammen. daß das Auffinden des Anwendungsbereiches des Erklärungsmusters. d.h. der Wenn-Komponente eine besondere Begabung ("special skill") des Wissenschaftlers impliziert. Vgl. Hayek: Degrees of Explanation. S. 18. Dies erinnert an eine gewissermaßen in der Ökonomie existente "Kunst", die ein jeder Wirtschaftspolitiker besitzen sollte. um die geeigneten Mittel für die Lösung eines wirtschaftspolitischen Problems wählen zu können. John Neville Keynes spricht von einer "art of political economy". Näher dazu vgl. Giersch: Allgemeine Wirtschaftspolitik. S. 26f. H Vgl. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe. S. 133.
Zehntes Kapitel: Forschungsstrategien in der Wettbewerbstheorie
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ster-Voraussagen seien nomologische Hypothesen. 1z Eine Aussage über die Art eines Musters ist als Beobachtungssatz zu interpretieren. 13 Schmidtchen bemerkt, daß Hayeks Auffassung über die Unvereinbarkeit der Gesetzeswissenschaft mit komplexen Phänomenen nicht zu folgen ist. Da Hayek unter dem Begriff "Gesetz" lediglich eine Kausalbeziehung zwischen zwei oder vielleicht drei Phänomenen versteht, gerät er in Widerspruch zur Methodologie des kritischen Rationalismus, die unter "Gesetz" eine nomologische Hypothese bzw. ein "Verbot" versteht. 14 Deshalb pflegt er die Randbedingugen und das Gesetz nicht auseinander zu halten, und das ist der tiefere Grund, warum der logische Status der Muster-Voraussagen ungenau ist. IS SO ist Schmidtchen der Auffassung, daß die Aussagen über die Art eines Musters das Explanandum einer deduktiv-nomologischen Erklärung darstellen. 16 Die nomologische Hypothese dieser Erklärung lautet: Wenn man ein marktwirtschaftliches System vor sich hat, dann weist es die folgenden Eigenschaften (Muster) auf: es besteht eine Tendenz zum Produktionsmaximum (man kann aber nicht angeben, wie sich diese konkret in Veränderungen der Preisstruktur in der Zeit herausbildet), das Marktsystem ist evolutorisch (man kann jedoch nicht angeben, wie die Evolution verläuft), eine Gewinnerosion findet statt (man weiß aber nicht, bei welchen Unternehmen und Produkten, in welcher Zeit und welchem Ausmaß), eine Selektion der Grenzbetriebe findet statt (was ein Grenzbetrieb ist, sein wird, und wie schnell er verdrängt wird, kann nicht angegeben werden) USW. 17 Liegen die Randbedingungen, nach denen ein marktwirtschaftliches System konstituiert wird, vor, könnte dann getestet werden, ob die behaupteten Muster tatsächlich vorliegen. 18 3. Zuletzt ist eine dritte Interpretationsvariante zu erwähnen; Troge meint, daß die von Graf vorgenommene Interpretation der Erklärung des Prinzips bzw. der Muster-Voraussagen als eine Art historische Erklärungshypothese unzutreffend ist, weil historische Erklärungen primär individuelle Tatbestände zum Gegenstand haben, wobei die Mustererklärung auf abstrakte Regelmäßigkeiten abzielt. 19 Demgemäß ist ihr logischer Status der einer nomolo-
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Vgl. Schmidtchen: Weubewerbspolitik als Aufgabe. S. 130. Vgl. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe. S. 131. Vgl. Schmditchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe. S. 143ff. Ebda. Ausführlich über die deduktiv-nomologische Erklärung vgl. Hempel. S. 5-54. Vgl. Schmidtchen: Weubewerbspolitik als Aufgabe. S. 133. Ebda. Vgl. Troge. S. 30.
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Vierter Teil: Schlußfolgerungen und Methodik
gisehen Hypothese über das Auftreten bestimmter Muster, die falsifizierbar ist. 20•21 Auch Bouillon scheint in seiner Monographie über Hayek diese Ansicht zu unterstützen, ohne jedoch direkt Stellung zu nehmen. 22 Für ihn fußt die Wissenschaftstheorie Hayeks auf seiner Erkenntnistheorie, so daß für Hayek sowohl Erkenntnis als auch Erklärung und Vorhersage nur die Muster der Ereignisse betreffen. 23 10.2. Muster-Voraussagen als "Wieselwort" Es ist offensichtlich, daß alle Interpretationen versuchen, die Muster-Voraussagen in irgendwelcher Weise in das Schema einer deduktiv-nomologisehen Erklärung einzuordnen. Bei diesem Versuch treten jedoch methodologisehe Irrtümer in den Vordergrund. So wenn z.B. behauptet wird, daß man auf weniger spezifizierte Explananda abzielt, mit der Hoffnung, im Explanans ohne das prinzipiell unerreichbare konkrete Wissen auskommen zu können. 24 Dies stimmt jedoch nicht, denn die logische Stärke des Explanandums hängt nicht in jeder Hinsicht von der Stärke des Explanans ab. Man kann zwar von einem logisch schwachen Explanans kein stärkeres Explanandum ableiten, aber was in unserem Zusammenhang von Bedeutung ist, man kann durchaus von einem starken Explanans ein ganz schwaches Explanandum ableiten. Liegen nur Muster-Voraussagen bzw. die Erklärungen des Prinzips, also ein weniger spezifiziertes Explanandum vor, dann kann das Explanans sowohl stark als auch schwach sein. Das einzig Notwendige ist, daß in ihm eine allgemeine Aussage nomologischer Natur enthalten sein soll, so daß die Hypothese bzw. das wissenschaftliche Gesetz mit
Ebda. In diesem Zusammenhang sollte auch bemerkt werden. daß Hoppmann. obwohl er als erster Muster-Voraussagen verwendet hat. sich niemals klar über ihren logischen Status ausgedrückt hat. Auch aus den relevanten TextsteIlen (vgl. Hoppmann: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb. S. 80. 120. 307-312. 325f. 347). geht nicht unmittelbar einleuchtend hervor. ob er mit Muster-Voraussagen nomologische Hypothesen meint. (Ähnlich auch Schmidtchen: Wider den Vorwurf. das neoklassische Wettbewerbskonzept sei tautologisch. S. 429. Fn. 4. und S. 430. Fn. 8.) 22 Vgl. Bouillon. Hardy: Ordnung. Evolution und Erkenntnis. Tübingen. 1991. S. 135. 23 Vgl. Bouillon. S. 134. Außer ihm behandelt auch Herdzina die Muster-Voraussagen als nomologische Hypothesen. ebenfalls ohne Stellung zu nehmen. Vgl. Herdzina: Möglichkeiten und Grenzen einer wirtschaftstheoretischen Fundierung der Wettbewerbspolitik. S. 46 und 52. 24 Vgl. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe. S. 129. und Graf: "MusterVoraussagen" und ...• S. 47. 20
21
Zehntes Kapitel: Forschungsstrategien in der Wettbewerbstheorie
207
dem singulären Satz, der im Explanandum steht, nicht logisch äquivalent ist. 25 Und genau darin wird der entscheidende Punkt sichtbar. Denn unabhängig davon, was Hayek mit den Muster-Voraussagen aus logischer Sicht meinte26, liegt das Problem darin, welche alternative Menge nomologischer Hypothesen die Systemtheorie für die Erklärung des Wettbewerbs- bzw. Marktphänomens anzubieten hat. Obgleich als Erklärung des Prinzips oder anders ausgedrückt, für die Legitimation einer Forschungsrichtung als solcher, nur die Aussagefähigkeit bzw. der empirische Gehalt ihrer Theorie von Relevanz ist. So muß auch das Interesse der Systemtheoretiker auf die Bereicherung ihrer Theorie fokusiert werden. Und der Begriff der Muster-Voraussagen der fast zum Schlagwort geworden ist, muß entweder geklärt oder aufgegeben werden. Sonst droht es zu einer Art "Wieselwort" in der Wettbewerbstheorie zu werden, und so, wie ein Wiesel ein Ei entleert, ohne es zu zerbrechen, beraubt auch dieses Wort Muster-Voraussagen die Theorie ihres empirischen Gehaltes. 27 Vor allem ist dies der Fall, wenn man die Erklärungsmuster gemäß der ersten Interpretationsmöglichkeit als gehaltlose Modelle ansieht. Denn in diesem Fall wählt man bewußt eine konventionalistische Strategie, die zu einer Immunisierung der Theorie komplexer Phänomene führt. Betrachtet man die Erklärungsmuster als Modelle, dann beraubt man sich der Möglichkeit, deren Aussagefähigkeit direkt an der Empirie zu testen und insofern immunisiert man alle Aussagen gegen die Erfahrung. Dieser Punkt nimmt gerade an Bedeutung zu, da die meisten Systemtheoretiker explizit der Me-
Vgl. Hempel, S. 11. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß Schmidtchen, obwohl er das Marktsystem als probabilistisch deutet (vgl. Schmidtchen: Wettbewerbspolitik als Aufgabe, S. 125), trotzdem mit dem Schema einer deduktiv-nomologischen Erklärung arbeitet, das bekanntlich für probabilistische Hypothesen untauglich ist. 27 Über den Begriff Wiesel wort ("weasel word") vgl. Hayek: The Fatal Conceit, S. 114ff. Daß diese Gefahr tatsächlich existiert, beweist die Liste der Vorwürfe an die "Muster-Voraussagen" Gottholds, vgl. Gotthold: Neuere Entwicklungen der Wettbewerbstheorie, S. 313-317, und die mangelhafte Antwort Möschels in der darauffolgenden Kontroverse. vgl. Möschel. Wemhard: Neuere Entwicklungen der Wettbewerbstheorie. Kritische Bemerkungen zu kritischen Bemerkungen. S. 593. und Gotthold, Jürgen: Nochmals: Kritische Bemerkungen zur neo-neoliberalen Theorie der Wettbewerbspolitik. in: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht. Bd. 146. 1982. S. 57-59. 25
26
208
Vierter Teil: Schlußfolgerungen und Methodik
thodologie des kritschen Rationalismus folgen und dafür die meisten Aussagen der Neoklassik als gehaltlos zu verwerfen pflegen. Außerdem muß die Systemtheorie in dem Falle, daß sie darauf besteht, die Muster-Voraussagen als gehaltlose Modelle zu verwenden, zwangsweise in dieselbe Sackgasse geraten wie die Preistheorie. Denn die Methodik ist bezüglich der viel kritisierten 11 Reduktionsmodellen 11 28 genau dieselbe, nämlich gehaltlose Modelle zu konstruieren und dann je nach dem, ob gewisse Bedingungen auftreten, auf einen Partialmarkt anzuwenden. Der Unterschied wäre im Fall der Systemtheorie, daß sie ihre Modelle unter gewissen Bedingungen auf einen Totalmarkt anwenden würde. Dann würde aber ihre Kritik an der Preistheorie gerade auch auf sie selbst anwendbar. 10.3. Die beiden Strategien zur Erforschung des ökonomischen Seins Bis jetzt dürfte klar gemacht worden sein, daß auch die Systemtheorie, anders als ihre Vertreter meinen, viele Defizite aufweist. Dennoch wäre es voreilig, daraus zu schließen, daß man diese Theorie zu verwerfen hat. Vielmehr ist es u. E. fruchtbar, genau auf ihre Schwierigkeiten hinzuweisen, um so ihre Modifikation und Weiterentwicklung zu erleichtern. Außerdem befindet sich die Systemtheorie im Vergleich zu der Neoklassik in ihren ersten Schritten, und deshalb ist an vielen ihrer theoretischen Aspekte noch ungenügend gearbeitet worden. Der Theorienpluralismus in der Wettbewerbstheorie ist, wie schon gesagt, begrüßenswert. Wir möchten nun zum Abschluß die beiden wichtigsten Forschungsstrategien zur Annäherung an das ökonomische Sein paradigmatisch angeben, um aufzuzeigen, daß sie das gleiche Erkenntnisziel haben und nur von verschiedener Annäherungsweise Gebrauch machen. Zunächst sei noch einmal auf die Rolle der Abstraktion29 in der Wissenschaft aufgewiesen. Damit man ein Phänomen erklären kann, muß man es in irgendeiner Weise isolieren, damit man ihm seine ganze Aufmerksamkeit widmen kann. Diese Isolation kann nur anband einer Abstraktion vorgenommen werden. Die übrigen Phänomene, die unbetrachtet bleiben, werden mittels der Ceteris-Paribus-Klausel von der Analyse ausgeschlossen. Allgemein gesagt ist also die Ceteris-Paribus-Annahme das Mittel der Abstraktion. Insofern man explizit angibt, was von der Analyse ausgeschlossen Z8 Vgl. z.B. Hoppmann: Mißbrauch der Mißbrauchsaufsicht - Die Einführung des Ausbeutungsbegriffs in die deutsche WeUbewerbspolitik. S. 518. 29 Über die Abstraktionsgrade siehe Kap. 9.6.1.
Zehntes Kapitel: Forschungsstrategien in der Wettbewerbstheorie
209
wird. ist jede Verwendung dieser Klausel legitim. Die Bereicherung unseres Wissens findet statt. wenn man allmählich diese Phänomene. die mittels der Ceteris-Paribus-Klausel abstrahiert worden sind. als erklärende Variablen in die Analyse miteinbezieht. Die schrittweise Beseitigung der Ceteris-ParibusAnnahmen schreitet bis zu dem Punkt fort. daß wir über eine Theorie verfügen. die so allgemein ist. daß diese Ceteris-Paribus-Klausel nicht mehr von Nutzen ist. Da wir aber über eine solche ganz allgemeine Theorie nicht verfügen. sind wir noch gezwungen. mit dieser Klausel zu arbeiten. Geht man davon aus. daß das ökonomische Sein von ganz komplexer Natur ist. und alles von allem abhängt. dann besteht die Frage darin. welche Alternativen man zu seiner Annäherung hat. Wir wollen zwei Forschungsstrategien diskutieren. die partialanalytische und die totalanalytische bzw. systemtheoretische. In der folgenden Abbildung wird schematisch das ökonomische Sein bzw. die wirtschaftliche Welt in ihrer Gesamtheit gezeigt und in einem breiteren Zusammenhang dargestellt.
Gesellschaft Wirts( haft
A4
~B
\/F~ C
Natur
- f-+ E
.D
Abb. 5: Wirtschaft. Gesellschaft und Natur: Interdependenz
Die erste Forschungsstrategie. die partialanalytische. sieht in ihrem ersten Schritt der Abstraktion von allen übrigen Dimensionen vollständig ab und konzentriert sich ausschließlich auf den Bereich der Wirtschaft. In dem zweiten Schritt werden innerhalb des ökonomischen Seins die meisten Phänomene mittels der Ceteris-Paribus-Klausel abstrahiert und zunächst nur die als am wichtigsten angesehene Beziehung zwischen z.B. dem Phänomen A und dem Phänomen B analysiert. Sind alle Beziehungen zwischen A und B mit all ihren Komplikationen befriedigend erklärt. dann findet der dritte Schritt statt. In diesem wird noch ein Faktor in die Analyse einbezogen (z.B. C genannt). und somit wird ein Teil der Ceteris-Paribus-Klausel aufgehoben. 14 MBDtzavinos
210
Vierter Teil: Schlußfolgerungen und Methodik
Wird auch der neue Zusammenhang gemäß der befolgten methodologischen Prinzipien adäquat getestet und auf seine Aussagefähigkeit geprüft, dann kann noch ein anderer Faktor in einem vierten Schritt analysiert werden usw. Dieser Strategie folgend, kann man hoffen, daß irgendwann unser Wissen so groß wird, daß das ganze ökonomische Sein erklärt werden kann. Diese Hoffnung kann nicht aufgrund apriorischer Argumentation verworfen werden. Nur die intensive Forschung gemäß dieser Strategie kann beweisen, ob und inwiefern sie erfolgreich ist. In der folgenden Abbildung werden die Schritte dieser Forschungsstrategie veranschaulicht.
Zehntes Kapitel: Forschungsstrategien in der Wettbewerbstheorie
211 Natur
Gesell! chaft ~haft
A4
~
-
\/F~ C
Erster Schritt
f-+
E
~O
Wirtschaft
A~4~==============~
\/F~
E
c------+~O
Wirtschaft
Zweiter Schritt
c - - - - -..·O
Oritter Schritt
J
~ B
A 4
\/F~E C
.0
Abb. 6: Die partialanalytische Forschungsstrategie
Wirtschaft
212
Vierter Teil: Schlußfolgerungen und Methodik
Die zweite Forschungsstrategie, die totalanalytische bzw. systemtheoretische hat den ersten Schritt der Analyse mit dem der partialanalytischen Strategie gemeinsam. Um sich mit den Problemen der Wirtschaft auseinanderzusetzen, sucht man nach sog. "Systemgrenzen", um das Erkenntnisobjekt abzugrenzen. In dem zweiten Schritt versucht man dann, das ökovomische Geschehen in seiner ganzen Komplexität und Vielfalt zu verstehen und zu analysieren. Da es aber unmöglich ist, die Totalität des Geschehens zu begreifen und vielmehr zu erklären, versucht man in dieser Stufe der Analyse von den meisten Beziehungen zwischen den Phänomenen abzusehen und nur die wesentlichsten zu betrachten. Man läßt dann die übrigen Beziehungen mittels der Ceteris-Paribus-Klausel außer Betracht und versucht, Erklärungen über das Wesentlichste zu liefern. In einem dritten Schritt wird dann ein Teil der Ceteris-Paribus-Klausel aufgehoben und es werden mehrere Beziehungen in die Analyse einbezogen. Sind sie auch befriedigend erklärt, dann schreitet man in einem vierten Schritt mit der Analyse weiterer Beziehungen fort usw. Hier gilt dasselbe wie bei der partial analytischen Strategie, daß apriori unbekannt bleibt, ob und inwiefern diese Strategie erfolgreich sein wird. Auf jeden Fall ist ein apriorischer Pessimismus bezüglich der Möglichkeit einer vollständigen Erklärung der Gesamtheit der ökonomischen Phänomene in die Zukunft nicht akzeptabel. 30
30 Dieser Skeptizismus ist tatsächlich bei Hayek und den Systemtheoretikem vorhanden. Er sollte aber nicht notwendigerweise zu pessimistischen Ergebnissen bezüglich der Möglichkeit der Erkenntnis der ökonomischen Wirklichkeitsstruktur führen. Vgl. Gemtos, Petros: Methodologia ton Koinonikon epistimon (in griechischer Sprache), Bd. 2, Athen, 1987, S. 283f.
Zehntes Kapitel: Forschungsstrategien in der Wettbewerbstheorie
213 Natur
GASAll! chaft
Wirt" haft
A4
~
-
\/F~ C
Erster
Schritt
~
---+
E D
A+4=================+
Wirtschaft
\/F~
E
C-----·~D
Zweiter Schritt
Dritter Schritt
Wirtschaft
A .mm_mmmumuuummm_muu
-.
~
B
\\\ ~~~,,;~l"·······E ~
····l - -_ _ _ !i_ _ _ _ _ _ _
Wirtschaft
A-.:- ._- - - - -/·······;~•.•·.•·.•••••••••••
-\ ';,.
C
~E
uuuuuuuuuuuu_~D
Abb. 7: Die totalanalytische bzw. systemtheoretische Forschungsstrategie
214
Viener Teil: Schlußfolgerungen und Methodik
Es muß zum Schluß gesagt werden. daß diese beiden Strategien nicht die einzig möglichen sind. So kann z.B. die von Albert vorgeschlagene Forschungsstrategie der Quasi-Gesetze bzw. die zusätzliche Betrachtung der soziologischen Beziehungen31 als eine Variante der zweiten Forschungsstrategie aufgefaßt werden. Gemäß dieser Variante kann im ersten Schritt auch die Gesellschaft zum Erkenntnisobjekt der Analyse werden. In den nächsten Schritten können analog auch die soziologischen Beziehungen betrachtet werden.
31 Für den soziologischen Charakter des ökonomischen Geschehens vgl. Albens Sammelband: Marktsoziologie und Entscheidungslogik. darin vor allem die Aufsätze: Reine Theorie und politische Ökonomie: Die Problematik der ökonomischen Perspektive; Marktsoziologie und Entscheidungslogik: Objektbereich und Problemstellung der theoretischen Nationalökonomie; Modell-Platonismus: Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens in kritischer Beleuchtung. Über die Quasi-Gesetze vgl. in demselben Sammelband: Markt und Organisation: Der Marktmechanismus im sozialen Kräftefeld. S. 412ff. und vor allem Alben. Hans: Probleme der Theoriebildung. Entstehung. Struktur und Anwendung sozialwiessenschaftliche Theorien. in: (Hrsg.) Alben. H.• Theorie und Realität. Tübingen. 1964. S. 3-70.
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Personenregister Aberle, G. 30,31. 32 Abramovitz, M. 22, 8.7 Acton, Lord 116 Adams, W. 29,46,49 Adler, F. 105 Albert, H. 20,21,69, 174,214 Alchian, A. A. 44 Alexy, R. 170 Andersson, G. 53, 94 Aristoteles 15 Arndt, H. 27,85,87,88,96,97, 178,179 Aschinger, G. 56, 60 Bain, J. S. 25, 29, 36, 101 Barone, E. 116 Bartley, W. W. III. 50 Bartling, H. 18,23,25,32,38,39, 88,98, 104, 169, 190, 194 Baum, H. 29,30 Baumol, W. J. 56, 58, 59, 60, 62, 63, 64 Becher, J. J. 16 Beckmann, M. 133 Berg, H. 81. 104, lOS, 190 Bergson, H. 146 Bertrand, J. 63 Besters, H. 28 Bittlingmayer, G. 44,47,54 Blum, R. 182 Böbel, I. 37,40,46 Bögelein, M. 184 Böhm-Bawerk, E. von 115 Böhm, F. 70, 71, 76 Boisquillebert, L. de 15 Bombach, G. 35, 38, 56, 92 Borchert, M. 15,23,49, 78, 79,85, 104, 177, 189 Bork, R. 42,43,45,46,47,48 Bosch, A. 115 Bouillon, H. 205, 206
Boulding, K. E. 134 Brandt, K. 52, 109 Braulke, M. 56 Brock, W. A. 62, 63 Brozen, Y. 37 Buchanan, J. M. 47, 196 Bunge, M. 33 Cairns, R. D. 63,66 Candillon, R. 15 Cannan, E. 18 Carell, E. 161 Carr, W. 112 Casson, M. C. 85 Caves, R. 36 Chamberlin, E. H. 21, 22, 24 Clark, J. B. 19 Clark, J. M. 18,22,23,26, 27, 28, 29,30,32,33,85,88,97,178 Coase, R. H. 48 Coumot, A. 19 Cox, H. 20, 49, 50, 69 Darwin, C. 123 Demsetz, H. 37, 45, 46, 47 Director, A. 47 Dray, W. 39 Duhem, P. 105 Eckstein, W. 74 Edgeworth,F. Y. 19 Edwards, C. D. 29, 30 Eickhof, N. 183, 184, 194, 198 Einstein, A. 146 Elliott, D. 171 Enke, H. 51, 109 Eucken, W. 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80 Evans, D. S. 63
236
Personenregister
Fehl, U. 56,61,63,66,85,93,94, 134,146,177,195 Ferguson, A. 116, 118 Friedmann, M. 47,54 Gahlen, B. 35, 38, 56, 82, 92 Galbraith, J. K. 81 Gardiner, P. 39 Gemtos, P. 53,212 Georgescu-Roegen, N. 123 Gerybadze, H. 103 Giersch, H. 81, 204 Görgens, E. 177 Gotthold, J. 187, 188, 196, 207 Graf, H.-G. 192, 204, 205 Grether, E. T. 24, 35 Grossekettler, H. 15, 23, 49, 78, 79, 104, 189 Großmann-Doerth, H. 70 Grund, M. 93 Händle, F. 191 Halm, G. 116 Hammel, H. 134 Harberger, A. C. 46, 55 Hayek, F. A. von 17,18,39,40,50, 88,111,115,116,117,118,119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 132, 134, 135, 137, 138, 139, 140, 143, 144, 154, 157,161,162,169,170,171,172, 173,174,176,179,192,195,196, 199,203,204,206,207,212 Heckscher, E. F. 16 Helmstädter, E. 87 Hempel, C. G. 39, 207 Heraklit 152 Herdzina, K. 16, 20,69, 77, 80, 87, 93,95,111,171,194,206 Hesiod 159 Heuss, E. 16,52,68,73,80,81,82, 83,85,88,89,90,91,93,94,96, 104, 112, 113, 145, 177, 180 High, J. 138 Hirshleifer, J. 123, 183 Hobbes, T. 73 Hook, S. 39 Hoppmann, E. 26, 27, 28, 29, 31, 40,41,52,71,77,91,97,99,100, 101,102,110,111,114,115,157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164,
165, 166, 167, 168, 169, 170, 173, 176, 177, 178, 180, 181, 18~ 183, 185, 187, 188, 193, 199,201,205, 208 Hübener, H. 20, 49, 50, 69 Humboldt, A. v. 118 Hume, D. 16, 117 Ierodiakonou, K. Issing, 0.: 161
184
Jacquemin, A. 48, 60 Jelzin, B. 72 Jens, U. 20 Jensen, S. 191 Jerons, W. S. 19 Jong, H. W. 36, 48 Justinian 15 Kahn, A. E. 29 Kaldor, N. 22 KalIfass, H. H. 25, 27, 31, 38, 39, 46, 97 Kant, I. 133 Kantzenbach, E. 25,27, 29,31,38, 39,46,81,82,83,96,97,98,99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107,114,171 Kartte, W. 81 Kaufer, E. 20, 24, 38, 39, 92, 93, 99, 100, 101, 114 Keynes, J. M. 176 Keynes, J. N. 204 Kirzner, I. 85, 110, 115, 124, 125, 126, 127, 129, 130, 135, 136, 137, 138, 143, 144, 145, 146, 148, 149, 161, 180, 199 Kitch, E. W. 47 Knight, F. 19 Köhler, W. 51, 109 Koslowski, P. 50, 115, 131, 134, 135 Krüsselberg, H.-G. 52 Lachmann, L. 119, 131, 132, 133, 143, 146, 147, 195 Lademann, R. P. 190 Lakatos, I. 105 Lange, O. 116 Langlois, R. 123, 150 Lancaster, K. 27
237
Personenregister Lassalle, F. 17 Leipold, H. 134 Lenel, H. O. 69, 71, n, 74, 75, 77, 189, 195, 198 Lewis, B. W. 30 Lipsey, R. G. 27 Littlechild, S. C. 124, 132, 138 Locke, J. 116 Loy, C. 199 Lutz, F. A. 71, 78 Machlup, F. 29, 82, 97, 110 Mahabir, D. 63, 66 Mantzavinos, C. 63 Markharn, J. 29,30 Markert, K. 20 Martin, P. K. 47 Martin, S. 36 Mason, E. S. 24, 29, 30, 32 McClelland, D. C. 93 Mc Nulty, P. J. 16, 20 Menger, C. 115, 123, 154 Mestmäcker, H.-J. 102 Miksch, L. 71, 78 MiII, J. S. 44, 116 Mises, L. von 115, 116, 119, 124, 125, 130, 131, 135, 137, 138, 146, 147, 161 Möschel, W. 49, 77, 78, 164, 188, 193,207 Mueller, D. C. 45, 48 Müller, U. 111 Musgrave, A. 105 Myrdal, G. 69 Nash, J. F. 63 Nelson, R. 29, 51 Neumann, C. W. 21,28 Nicolacopoulos, P. 184 Niehans, J. 97 Nitschke, H. n Oakeshott, M. 117 Oberender, P. 23, 35, 40, 85, 103, 177 O'Driscoll, G. Jr. 131, 133, 143, 146, 195 Ott, A. E. 16,17,18,19,31,35,38, 46,51,52,56,80,92,106,107, 108, 109, 112, 113, 114, 115, 142, 147, 173, 180
Oxenfeldt, A. R.
30
Panzar, J. C. 58,62,64 Paque, K.-H. 54, 136 Pareto, v. n Peacock, A. 77 Phillips, A. 29, 35, 106, 108, 113, 114, 190 Pierson, N. G. 116 Poeche, J. 24,29 Polanyi, M. 117 Popper, K. R. 53, 117, 146, 199 Posner, R. A. 42,46,47,48, 51 Preiswerk, S. 86 Prescott, R. B. 88 Radbruch, G. 117 Recktenwald, H. C. 17 Reder, M. W. 42, 44, 45, 53 Reynolds, R. 62 Rittaler, J. B. 42, 43, 44, 45, 46, 47, 49, 198 Robbins, L. 124, 135 Robinson, J. 21,22 Röpke, J. 94,177,191,192 Röpke, W. 18, 71, 78 Ross, C. 25,35,36, 37, 46, 103, 109 Röttgers, K. 49 Rüstow, A. 71 RusselI, B. 49 Scheinkman, J. A. 63 Scherer, F. M. 25, 35, 36, 37, 40, 46, 49, 103, 109 Schlegel, J. 103 Schlipp, P. A. 53 Schmalenbach, F. 22 Schmalensee, R. 35, 48 Schmidt, I. 23, 42, 43, 44, 45, 46, 47,49,77,83,87,104,182,190, 198 Schmidtchen, D. 69, 70, 94, 102, 104, 110, 118, 139, 142, 163, 164, 165, 167, 169, 170, 174, 188, 189, 191, 192, 193, 194, 195, 197, 198, 200, 203, 204, 205, 206 Schneider, H.-K. 89, 159 SchütIer, A. 134 Schulz, W. 51, 109 Schumpeter, J. A. 15, 16, 27, 40, 49,
238
Personenregister
Schumpeter, J. A. 15, 16, 27,40, 49, 64, 83, 84, 85, 86, 87, 89, 96 97, 123, 138, 152 Schwartz, M. 62, 63 Scriven, M. 39 Shackle, G. L. S. 119, 131, 132, 143, 147 Shepherd, W. G. 25, 36, 37, 40, 62 Smith, A. 15, 16, 17, 18, 60, 74, 116, 118, 123 Smith, B. 28, 29, 30 Sosnick, S. 24, 29, 30, 32 Spadaro, L. M. 133 Spence, M. 62 Sraffa, P. 21 Stegmüller, W. 39 Stevenson, R. E. 35 Stigler, G. 18, 19,30,35,42,43, 44,45,48, 145 Stocking, G. W. 30 Streißler, E. 132, 161 Streit, M. 103 Supper, M. 161 Telser, L. 19 Teufelsbauer, W. 161 Thorelli, H. B. 29 Tolksdorf, M. 19, 20, 26, 33, 111, 163, 164, 165 Topitsch, E. 69 Troge, A. 112, 205 Ullmann-Margalit, E.
154
Väth, A. 23, 35, 40 Veit, R. 115 Wallace, D. H. 29 Watkins, M. W. 29,30 Weaver, W. 192 Wegehenkel, L. 110, 161 Weisser, G. 69 Weitzman, M. L. 61,62 Wendt, I. Y. 93 Wesseis, T. 28 Wicksell, K. 115 Wilcox, C. 29, 30 Willeke, F. U. 16,69,94, 167, 176, 194 Willgerodt, H. 71, 77, 82, 83 Williams, B. 73
Williamson, O. 48 Willig, R. D. 48, 58, 62, 63, 64 Winkel, H. 16, 17, 18, 19, 115 Winter, D. G. 93 Wiseman, J. 131. 142, 143 Wölfl, N. 81 Wright, G. v. 39 Young, A.
22,87
Zohlnhöfer, W.
97, 107, 108, 114
Sachregister Abstraktionsgrade 189f ad hoc-Hilfshypothese 53, 94 Akkumulation 154 als-ob Konkurrenz 56, 79, 127 Analyse der "reinen Ökonomie" 20 Antikatellgesetze 15 Antikatellpolitik 18 Antimonopolgesetze 15 Antimonopolpolitik 18 Antitrust 23 - Antitrustgesetze 29 - An titrustli teratur 29, 68 - Antitrust law 47 - Antitrustpolitik 33 "Approximationshypothese" (good approximation assumption) 43, 52 Apriorismus 115,125,135f Arbitrage 124ff, 136ff, 149, 152ft, 191 - interlokale 125, 137 - intertemporale 125, 137f Ausnahmebereiche 160, 164f, 187f Chicago-Schule 42ff commercial spirit 170 conditioning factors 26 Corpus Juris Civilis Justinianeum
15
deduktiv-nomologische Erklärung 205, 207 degrees of explanation 204 Dilemma-Problematik 28 Dilemma-These 164 Dogmatismus der fatalen Evolution 140 "Drei-Komponenten-Argument" 184 Durchsetzung der neuen Kombination 85, 152 dynamische Industrieanalyse 38 dynamische Ordnung 146 dynamische Wirtschafttheorie 142
economies of scope 58 "Elefanten"-Fälle 48 Entdeckung von Wissens 125f, 177 ethische Gefühle 73, 146 Evolution der Ethik und Institutionen 137 Evolution und Wettbewerb 122ff evolutionäre culs-de-sac 139 evolutionäre Regeln 139 evolutionärer Fatalismus 140 evolutionärer vs. progressiver Marktprozeß 152 Evolutionsgedanke 134 - u. Regeln der spontanen Ordnung 139ff Evolutionsprozeß 117, 118 evolutorische Theorie 19 explanatory patterns (Erklärungsmuster) 204 Fallibilität des Wissens und Theorienpluralismus 105 Fatalismus 140 Findigkeit 124ff,129f,l46, 191 - u. Rationalität 135ff Forschungsstrategien 208ff Freiheit und ökonomische bzw. gesellschaftliche Ergebnisse 182ff friedliche Revolution 72 Gegengiftthese (remedy imperfections) 27 Gesamtkonfiguration der Marktstruktur 108 Gesamtmarktbetrachtung 162 Gesamtmarktkonzeption 102, 161, 166, 187ff Gesellschaftsordnung 116, 127f Gesetz von De Morgan 186 Großunternehmungshypothese 87
240 Gruppe 122, 141 - als Untersuchungsobjekt 106 - Anzahl der Konkurrenten in der 106 Gruppenmitglieder 106 Gruppensolidarität 106 Handelsordnung 118, 194 Harberger-Dreieck 46 Harmonie zwischen Einzel-und Gesamtinteresse 72, 74, 182 Harmonietendenz und Wettbewerbskräfte 73 Harvard-Schule 23f historische Erklärungshypothese 204f hit-and-run 57,61, 64ff hit-and-stay 65 homo agens 125, 136 homo oeconomicus 144 imaginatio 132 Immunisierungsstrategie 52, 105 individuelle ökonomische Wettbewerbsvorteile 159, 182 Industrial Organization 23ff, 64, 80 - Hauptunterschied zu Wettbewerbstheorie 35f Innovation als Art von Konkurrenz 86 Innovationsmonopol 29, 109f, 179f Institutionen der Preisbildung 142 instrumentalistisch orientierte Methodologie 54 instrumentbezogener Ansatz (remediability approach) 30 Interdependenz der Ordnungen 75 interlokale Arbitrage 125, 137f intertemporale Arbitrage 125, 137 Interventionismus 71 kaleidic society 119 kaleidic world 131 kaleidische Welt 132 Kaleidoskop 131 Kartelle 18, 27, 127, 180 - Antikartellgesetze 15 - Antikartellpolitik 18 - Kartellverbot 163 - Tendenz zur Kanellierung 90 Katallaxie 118, 126, 139, 179
Sachregister Kategorischer Ansatz 30 komplexe Phänomene (Theorie von) 121, 203 komplexe Sachverhalte 204 Komplexität des Marktgeschehens 82 Komplexität des Marktphänomens 109, 192 - organisierte Komplexität 192 Komplexität des sozialen Lebens 162 "komplexitätsorientierte" NonDilemma-These 193 Konkurrenz - freie 17ff - von Regeln 141 - von Theorien 105 - vollkommene 21,24,26, 27, 43, 52,56,60,76,77,121,127,133, 158, 182 - vollständige 76ff - vollständige und dynamische Interpretation 78f - vollständige und technischer Fonschritt 83 - vollständige und Wettbewerbsintensität 87ff Konkurrenzsozialismus 116 konstitutionierende Prinzipien der Wettbewerbsordnung 71 konstruktivistischer Rationalismus 122, 140f konventionalistische Strategie 53, 207 Kooperationsfreiheit 173ff Koordinationsgeist 175 Koordinationseffizienz 198 Koordinations!ücken im Marktprozeß 124, 198 Korrelation zwischen Konzentration und Gewinnen 37 "Kosmos" 117 kritischer Rationalismus 199, 203, 205,208 Laissez-faire-Liberalismus 126 Laissez-faire-Wirtschaft 71 learning-from-failure 150 learning-from-success 150 Leistungsmotivationstheorie 93
Sachregister Liberalismus der österreichischen Tradition 126 marginalistische Schule 115 Marktentwicklung - u. Erfahrungsprozeß 90 - in vier Phasen 89, 92, 112 Marktentwicklungstheorie 87 Marktergebnistests 160, 164, 186f Marktform und Rivalität 100 Marktmacht-Test 160 Marktphasentheorie und Unternehmer 84 Marktprozeß - gleichgewichtsorientierend und gleichgewichtszerstörend 75, 147, 151 Markttheorie - Geburtsstunde von 15 mathematische Definition des Wettbewerbs 19, 76 mathematische Methode 19 mathematische Schule 19 Mehrproduktunternehmungen 58, 63, 66, 92 Merkantilisten 16 methologischer Individualismus 131. 190 Monopol 73,80, 109, 112, 128.f, 188, 195 - Antimonopolgesetze 15 - Antimonopolpolitik 18 - Definition 15 - Innovationsmonopol 29, 109f, 179f - Kollektivmonopol 180 - prozessualer 179f - Ressourcenmonopol 110, 129.f, 180, 187 - u. Zeit 129 Monopolkämpfe als Art von Wettbewerb 78 Monopolmacht und Innovationstätigkeit 104 Monopolproblem und Funktionsfähigkeit des Marktmechanismus 45f Muster-Voraussagen 121, 162. 164, 192, 200, 203ff
241
Nachtwächterstaat 17 naturalistischer Fehler 50, 123 natürliche Ordnung 16, 17 natürlicher Preis 16, 17 Neo-Schumpeter-Hypothesen 83,87 Neuer Institutionalismus 123 Nomokratie 117, 198 nomokratische Konzeption 164 "Nomos" 117 Non-Dilemma-These 159, 163, 165ff Non-seperabilis-These 161, 187 Offenheit (Openess) 146, 149, 153 Oikos 197 ökonomische Freiheit 173 ökonomische Vorteilhaftigkeit 166ff Ordnung - Gesellschaftsordnung 116, 127f - Handelsordnung 118, 194 - Interdependenz der Ordnungen 75 - natürliche Ordnung 16, 17 - Ordnungs politik 72 - polyzentrische Ordnung 117 - positive Ordnung 16 - Rechtsordnung 70, 117f, 139 - selektive Ortdnung 146 - spontane Ordnung 117, 121. 123, 133f, 146, 174 - Wettbewerbsordnung 70ff, 127f, 130 - Wirtschaftsordnung 70, 134, 161ff Ordoliberalismus 70ff Ottobeuren Seminar 92f "parametrische Unsicherheit" 131 Performance-Test 164f per se-Verbote 163, 188 phantasia 131f Phaseneinteilung des Marktes 88 Physiokraten 16, 17 polyzentrische Ordnung 117 positive Ordnung 16 post hoc ergo propter hoc Fehler 49 potentielle Konkurrenz als Selbstdisziplin der Marktteilnehmer 111 preistheoretische Revolution 21 ff probalistische Hypothesen 207 Produktlebenszyklus-Konzept 88 prozessuales Monopol 179f Quasi-Gesetze 214
242
Sachregister
radikale Subjektivisten 115, 119, FOff Ray Iverage cost 59 p, chtsordnung 70, 117f, 139 Kechtspositivismus 117 Reduktionsmodelle 207 regulierende Prinzipien einer Wettbewerbsordnung 71 Renaissance der neoklassischen Preistheorie 43 Ressourcenmonopol 110, 129f, 180, 187 römische Zeit 15 rule of law 17, 116 Schlafmützenkonkurrenz 78 Scholastik 15 schottische Moralphilosophie 17 "schöpferische Zerstörung" 49, 86 Schumpeter-Hypothesen 87 Selbstentzündung der Nachfrage 89 selbstzerstörendes Gleichgewicht 147, 151 selektive Ordnung 146 "soft-analysis" 40 Sozialdarwinismus 44, 49, 122 Soziobiologie 50, 122 soziale Gerechtigkeit 126f spirit of competition 111, 159, 170ff spirit of cooperation 175, 181 spirit of enterprise 170 spontane Ordnung 117,121,123, 133f, 146, 174 Staat als Schiedsrichter 47 statistische Erklärung 39 struktuelle Unsicherheit 131 subadditive cost function 59 Sympathie 17 Systembetrachtung und Gesamtmarktkonzeption 191 ff Systemgrenzen 192, 212 tatonnement 52, 60, 14lf "Taxis" 117 Teleokratie 11 7 teleokratische Konzeption 164 Tendenz zur Koalitionsbildung und Intensität der Konkurrenz 107 Test der Wettbewerbsfreiheit 160 Theorie der "Eliten" von Pareto 72
Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs 26ff Theorie komplexer Phänomene 121 Theory of Interfirm Organization 106 "Thesis" 117 Trade-off-Analyse 48, 65 tragfähige Industriestruktur 56, 59, 63 tragfähige Konfiguration der Industrie 57 Überlebensprinzip 44 Unentrinnbarkeitsthese 49 Unternehmensgröße und Innovationstätigkeit 87, 104 Unternehmer - als Arbitrageur 124, 137f - initiativer 89 - als Innovator 85 - konservativer 89 - Pionierunternehmer 27, 81, 89 Unternehmertypologie 89f Verfügungsrechte 70, 197 "Versuch und Irrtum"-Verfahren versunkene Kosten 58, 61, 64
199
Wettbewerb - als allgemeines sozialökonomisches Organisationsprinzip 17 - als antagonistisches Handeln 147, 178f - als Ausleseprozeß 88, 122f - der Bahnbrecher 87, 178 - effektive 28, 32 - als effizienteste Institution 122f - als Entdeckungsverfahren 111, 119ff, 133, 179 - und Evolution 122ff - und Freiheit 121, 169ff - funktionsfähiger 23 - als gesellschaftlicher Prozeß 88 - und Kooperation 95 - als "Leitstern" 42 - als Methode der Suche 121 - der Nachahmer 87, 178 - Nominaldefinition von 94 - und ökonomischer bzw. gesellschaftliche Ergebnisse 176 - als Ordnungsprinzip 14
Sachregister - als Prozeß der Meinungsbildung 120 - als Rivalität 99 - Selbstaufhebung des 179ff - als Streit ("altercation") 16 - vollkommener 33 - Vorstoß-und Verfolgungsphasen 28, 178 - und Wissen 118f, 120f, 143ff - als Zusammenspiel von Innovation, Arbitrage und Akkummulation 80,
146
- als Zwang 73, 82, 88 - und zwei Wettläufe 148 Wettbewerbsentartungen 88 Wettbewerbsfreiheit 92,111, 169ff, 194 Wettbewerbsfunktionen 96, 98f, 101. 193 Wettbewerbsgeist 170f Wettbewerbsintisität-Definition 97, 100f - effektive 98 - potentielle 98 Wettbewerbsmittel 50, 180f Wettbewerbseignung 11, 171 Wettbewerbsordnung 70ff, 127f, 130 - und Freiheit 72 Wettbewerbsparameter 21, 109, 142, 178 Wettbewerbspessimismus 21 Wettbewerbstheorie - Geburtsstunde der modemen 22, 102 - neuklassische bzw. neoklassische oder systemtheoretische 157ff - orthodoxe amerikanische 23ff Wettbewerbswille 17lf, 175 Wille zur Konkurrenz 17lf Wille zur Markteilnahme 197 Wirtschaftsordnung 70, 134, 16lff Wissen - absichtliches 145, 147, 149ff - Anhäufung von 154 - Gesamtausstattung an 152, 155 - spontanes 145, 147, 149ff - verdeckt bzw. potentiell spontanes 149 - wissenschaftliches 152 - zweckfreies 145 "Wissensblöcke" 139
243
Wissensteilung 120, 130, 144 workable competition 23ff, 158ff Workability-Theoretiker 25, 31 Zeit - und Erfahrung 90f - als iterativer Prozeß 90, 180 - als mutativer Prozeß 90 - und Produktionsvolumen 91 - und Wissen 91 Zentralverwaltungswirtschaft 71 f, 74f Zwangscharakter der Marktentwicklung 92f